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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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809. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 31. Mai 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

809. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 31. Mai 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 31. Mai 2012: 9.02 – 16.23 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Finanz-Ver­fassungsgesetz 1948, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz, mit dem das Invali­den­einstellungsgesetz 1969 geändert wird, das Bundessozialamtsgesetz, das Um­weltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Bundesgesetzblattgesetz, das Verwal­tungs­gerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novel­le 2012)

2. Punkt: ORF-Jahresbericht 2011 gemäß § 7 ORF-Gesetz

3. Punkt: 35. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2011)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundeslehrer-Lehrver­pflich­tungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2012 – Pädagogische Hochschulen)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungs­aufsichtsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden

6. Punkt: Zweites Protokoll zur Abänderung des am 9. Dezember 1976 in Wien unter­zeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 15. Juni 1999 in Wien unterzeichneten Protokolls

7. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Abänderung des am 8. Juni 2006 in Prag unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

8. Punkt: Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut; Annahme der deut­schen und französischen Sprachfassung


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Mag. Gerald Klug und Efgani Dönmez, PMM betreffend die aktuelle Menschenrechtslage in der Ukraine

10. Punkt: Petition betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für euro­päische und internationale Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................ 29

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Montenegro zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ............................................................................ 31

Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Ermäch­tigung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über die Zusammenarbeit im Bereich Film durch den Herrn Bundespräsidenten ...................... 32

Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Ermäch­tigung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Argentinischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich Film durch den Herrn Bun­despräsidenten ........ 33

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 125

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 126

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Aktuelle Stunde (14.)

Thema: „Modernes und reaktionsschnelles österreichisches Bundesheer, weitere Reformschritte!“ ........................................................................................................................................... 7

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ....... 7

Franz Perhab ........................................................................................................... ....... 9

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 11

Bundesminister Mag. Norbert Darabos .............................................................  15, 26

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 19

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 21


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 3

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 23

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 24

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 35

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 35

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 36

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  28, 126

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Finanz-Verfassungs­gesetz 1948, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz, mit dem das Invali­deneinstellungsgesetz 1969 geändert wird, das Bundessozialamtsgesetz, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Bundesgesetzblattgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesge­setzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungs­gerichtsbarkeits-Novelle 2012) (1618 d.B. und 1771 d.B. sowie 8730/BR d.B. und 8731/BR d.B.) ................................................................................... 36

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 37

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 37

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 39

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 40

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 41

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 42

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ................................................. 46

2. Punkt: ORF-Jahresbericht 2011 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-463-BR/2012 d.B. sowie 8732/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 46

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 46

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein .............................................................................................  47, 58

Michael Lampel ....................................................................................................... ..... 49

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 51

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 54

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 56

Stefan Schennach ........................................................................................................ 59


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-463-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 60

3. Punkt: 35. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2011) (III-462-BR/2012 d.B. sowie 8739/BR d.B.) ................................................................................................................. 60

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ......................................................................... 60

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 60

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 63

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 65

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 68

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 71

Johanna Köberl ............................................................................................................ 72

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 74

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ...................................................................... ..... 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-462-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 80

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundeslehrer-Lehrver­pflich­tungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2012 – Pädagogische Hochschulen) (1626 d.B. und 1772 d.B. sowie 8733/BR d.B.) ............. 80

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 80

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 81

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 83

Notburga Astleitner ................................................................................................ ..... 84

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 85

Franz Wenger .......................................................................................................... ..... 86

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 89

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsauf­sichts­gesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden (1749 d.B. und 1779 d.B. sowie 8734/BR d.B.) ................................................ 89

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 89

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 89

Josef Steinkogler .................................................................................................... ..... 91

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 92

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 93

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 95

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ............................................................... ..... 96

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 99


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 99

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Zweites Protokoll zur Abänderung des am 9. Dezember 1976 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 15. Juni 1999 in Wien unterzeichneten Protokolls (1738 d.B. und 1780 d.B. sowie 8735/BR d.B.) ............................................................. 99

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 100

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Abänderung des am 8. Juni 2006 in Prag unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1739 d.B. und 1781 d.B. sowie 8736/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 99

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 101

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. April 2012 betreffend Über­einkommen über das Europäische Forstinstitut; Annahme der deutschen und französischen Sprachfassung (1673 d.B. und 1754 d.B. sowie 8737/BR d.B.) ............................................................................................................... 101

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................ 101

Redner/Rednerinnen:

Friedrich Reisinger ................................................................................................. ... 102

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 103

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 104

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 106

9. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Mag. Gerald Klug und Efgani Dönmez, PMM betreffend die aktuelle Menschenrechtslage in der Ukraine (189/A(E)-BR/2012 sowie 8738/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 106

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 106

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 106

Josef Saller .............................................................................................................. ... 109

Mag. Gerald Klug ..............................................................................................  110, 120

Efgani Dönmez, PMM .......................................................................................  112, 116


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 6

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 113

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 114

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 117

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ... 118

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 120

Annahme des Antrages, die dem schriftlichen Ausschussbericht 8738/BR d.B. beigedruckte Entschließung betreffend die aktuelle Menschenrechtslage in der Ukraine anzunehmen (E 236-BR/2012)                         121

10. Punkt: Petition betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska (31/PET-BR/2012 sowie 8740/BR d.B.) ...................................................................... 121

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 121

Redner/Rednerinnen:

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 121

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ... 123

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 124

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den schriftlichen Ausschuss­bericht 8740/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen ................................................................................................................ ... 125

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Mag. Muna Duzdar, Günther Köberl, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle Lage inhaftierter palästinensischer Abgeordneter [190/A(E)-BR/2012]

Anfragen der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Klage gegen die ÖBB durch Farrokh Sharif (2889/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Klage gegen die ÖBB durch Farrokh Sharif (2890/J-BR/2012)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Brand im Polizeianhaltezentrum Hernals (2891/J-BR/2012)

Juliane Lugsteiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen (2892/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend geringe Anzahl an Unternehmensgründungen in Österreich (2672/AB-BR/2012 zu 2883/J-BR/2012)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wien-Besuch von Mohammad-Najjar (2673/AB-BR/2012 zu 2884/J-BR/2012)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 7

09.02.11Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Gregor Hammerl: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 809. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 808. Sitzung des Bundesrates vom 3. Mai 2012 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Anneliese Junker und Mag. Reinhard Pisec.

09.02.43Aktuelle Stunde

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:

„Modernes und reaktionsschnelles österreichisches Bundesheer,
weitere Reformschritte!“

Ich darf Herrn Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Darabos herzlich bei uns im Bundesrat willkommen heißen – und ihm auch herzlich gratulieren, denn er hat heute Geburtstag! (Allgemeiner Beifall.)

Da ich 26 Jahre beim österreichischen Bundesheer gedient habe, darf ich auch die Offiziere des Generalstabes herzlich begrüßen, die mit ihm gekommen sind. Grüß Gott und willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten sollte. Danach folgt ein Redner/eine Rednerin der BundesrätInnen ohne Fraktion und danach je ein Red­ner/eine Rednerin der Fraktionen mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten sollte.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Beer. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 


9.04.17

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Bundesräte und Bundesrätinnen! Ein modernes, reaktionsschnelles Bundesheer – es stellt sich die Frage: Brauchen wir überhaupt noch ein Bundesheer? Ist es in unserer Zeit überhaupt noch notwendig, ein Bundesheer zu haben? Diese Fragen stellen sich einige Menschen in unserer Republik.

Unser Bundesheer hat eine lange Tradition. Viele fragen: Wozu sollen wir diese Tra­dition aufrechterhalten? Aber betrachten wir es doch bitte einmal ganz konkret! Unser Bundesheer hat nicht nur die Aufgabe, unser Land zu verteidigen, unser Bundesheer hat noch viele andere Aufgaben mehr zu erfüllen. Denken wir nur an die vielen Katastropheneinsätze, bei denen Großartiges geleistet wird. Immer, wenn es zu so einem Katastropheneinsatz kommt, verstummt die Diskussion und wir brauchen unser Bundesheer. Also diese schizophrene Haltung, ob wir das Bundesheer brauchen oder nicht, sollte man wirklich einmal überdenken.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 8

Immer, wenn es Hochwasser gibt, wenn es zu Murenabgängen kommt und das Bundesheer zur Stelle ist, dann ist keine Diskussion mehr über das Bundesheer notwendig, dann wird es bestätigt. Auch bei den vielen humanitären und friedens­sichernden Einsätzen, die Österreich ein positives Image im Ausland verleihen, wird das Bundesheer nicht in Frage gestellt.

Aber es gibt die Landesverteidigung. Die Landesverteidigung wird immer wieder diskutiert, und auch ihre Organisationsform wird in Frage gestellt. Selbstverständlich ist diese Organisationsform den Gegebenheiten anzupassen. Die Ausrüstung, die Bedro­hungsszenarien, die Kaderorganisation und die allgemeine Wehrpflicht sind immer einem laufenden Prozess unterworfen. Würden diese Anpassungen nicht stattfinden, und auch nicht in der Vergangenheit durchgeführt worden sein, dann wären unsere Soldaten noch Ritter mit Schwertern, die gegen Maschinengewehre angreifen.

Die Bedrohungsszenarien haben sich durch die Erweiterung und den Zusam­menschluss mehrerer Staaten zur EU grundlegend verändert. Ich muss sagen, ich habe auch in meiner Wehrpflichtzeit noch davon gehört – und es waren auch diese Szenarien –, dass wir im Kalten Krieg sind und immer nur von einer Bedrohung aus dem Osten ausgegangen wurde. Damals wurde das Szenario immer wieder durch­gedacht: Panzerabwehrkampf im Marchfeld. Diese Szenarien sind eigentlich Ge­schichte.

In Europa herrscht schon eine sehr lange Zeit Frieden. Herbeigeführt wird dieser Frieden durch die wirtschaftliche Stabilität und durch den Zusammenschluss der Staaten zur Europäischen Union. Es ist dadurch auch notwendig, wie schon gesagt, unser Bundesheer den Gegebenheiten anzupassen. Durch Minister Platter wurde das Milizsystem de facto ausgehebelt und gekappt. Das Kaderpersonal verwaltet unser Bundesheer in einem guten Ausmaß, aber es kann nicht Aufgabe des Kaderpersonals sein, Verwalter zu sein.

Es ändern sich auch die Bedrohungen. Die Bedrohungen neuer Art müssen genauso bekämpft werden, wie wir früher davon ausgegangen sind, Panzerschlachten im Marchfeld zu führen. Damals hatten wir eben mehr als genug Panzer und gut ausgebildetes Personal. Für die neuen Bedrohungen brauchen wir ebenso gut ausge­bildetes Personal und Menschen, die den Einsatz für unser Österreich weiterführen.

Die neuen Bedrohungen sind zu finden im Bereich der Abwehr von Terroristen, von terroristischen Angriffen, des Schutzes von Infrastruktureinrichtungen und vor Angriffen über das Cyber-Netz. Und diese Liste ließe sich noch lange fortführen.

Wir haben nicht die Möglichkeit, unser Milizheer zurzeit so einzusetzen, wie wir es gerne täten. Es muss auch beim Milizheer permanente Schulungen und Übungen geben. Da sind wir, glaube ich, auf einem richtigen Weg. Es werden finanzielle Anreize geboten, um diese Ziele auch sicher erreichen zu können.

Die Ausrüstung unseres Bundesheeres muss ebenfalls den neuesten Entwicklungen angepasst werden. Da die finanziellen Mittel gekürzt wurden, muss durch Um­schichtungen Geld beschafft werden. Ich glaube, unser Minister ist da auf dem richtigen Weg, das ist keine leichte Aufgabe für ihn.

Wir haben nur ein wirklich großes Problem: Das war der Ankauf und der Betrieb der Eurofighter, der meiner Meinung nach nie hätte stattfinden dürfen, weil er ganz einfach zu viel kostet. Das war eine Fehlinvestition (Beifall bei der SPÖ), die aber nicht von Minister Darabos zu verantworten ist, sondern von seinen Amtsvorgängern. Das Geld, das wir dafür aufwenden, hätte man besser für die Ausrüstung der Soldaten verwenden sollen. Die Soldaten der Zukunft werden auch anders ausgerüstet sein, als wir es jetzt kennen.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 9

Es gibt bereits Entwicklungen, die den Soldaten der Zukunft als Hightechkämpfer sehen. Exoskelette sollen den Soldaten beim Tragen unterstützen, neuartige Körper­panzer sollen ihn mehr schützen, die Kommunikation wird direkt in den Helmen stattfinden, um dem Soldaten einen besseren Überblick und eine bessere Kommuni­kation zu verschaffen.

Neuartige Munition wird auf die jeweilige Situation abgestimmt sein. Und das alles kostet Geld. Wir haben auch über unsere Panzer viele Diskussionen, aber der Pan­zerkampf ist Geschichte. Die Entwicklung schreitet immer weiter voran. Es gibt bereits tragbare Drohnen. Man wird sich in Zukunft mehr mit Drohnen beschäftigen als mit Panzern. Es werden immer wieder neuartige Waffensysteme entwickelt. All das passt in unserer derzeitigen Struktur nicht mehr zusammen und kostet immenses Geld.

Für dieses moderne Heer braucht es Spezialisten. Können Grundwehrdiener diese Spezialisten sein? Ist es sinnvoll, junge Menschen für ein paar Monate auszubilden und dann nach Hause zu schicken? – Nein, was wir brauchen ist ein Berufsheer, um dort die Menschen auszubilden, um dort wirklich auf die Bedrohungen auch schnell reagieren zu können, um dort Stabilität zu erreichen.

Die Finanzkrise erleichtert die Sache nicht unbedingt. Daher sind auch nicht unbedingt populäre Maßnahmen zu setzen, um dies alles bewältigen zu können. Wir brauchen ein modernes Bundesheer unter geänderten Rahmenbedingungen, und Minister Darabos hat die Aufgabe, dies durchzuführen. Dass wir hier nicht immer allen alles recht machen können, ist, glaube ich, auch kein Thema. Bis jetzt konnten immer wie­der Kompromisse gefunden werden, sie werden auch in Zukunft weiter gefunden werden.

Lassen Sie mich zum Ende noch ein Zitat bringen: Ein Staat hat immer eine Armee im Lande, und ist es nicht die eigene Armee, dann ist es eine fremde.

In diesem Sinne, Herr Minister: Noch viel Erfolg beim Umbau unseres Bundesheeres in ein modernes, schlagkräftiges Heer! (Beifall bei der SPÖ.)

9.14


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


9.14.18

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuseher und Zuseherinnen zu Hause an den Fernsehgeräten! Lieber Kollege Beer, ich kenne deinen persönlichen Zugang zur österreichischen Landesverteidigung nicht, kann mir aber doch einiges dazu denken, denn es muss auch dir als Wiener Bundesrat aufgefallen sein, dass die Sozialdemokratische Partei in Österreich unter Vorantritt des Herrn Bürgermeisters Häupl in Bezug auf die Landesverteidigung einen sogenannten Doppelrittberger hingelegt hat. Es ist ja aus der Historie ganz klar ersichtlich, dass ein Berufsheer für die Sozialdemokratie so etwas Ähnliches wie der Worst Case war.

Aus den Erkenntnissen der Ersten Republik verstehe ich das auch vollkommen. Ich denke – Herr Minister, ich hoffe, Sie nehmen das nicht persönlich; ich schätze Sie nämlich als Sportminister sehr (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Mag. Klug) – aber, da ich auch 20 Jahre meines Lebens als Milizoffizier und Kom­mandant einer Milizkompanie, des Jägerbataillons 18, Dienst an der Republik Öster­reich geleistet habe – nebenberuflich natürlich und mit viel Idealismus –, tut es mir schon von Herzen weh, wenn wir in der Regierung keinen Konsens in dieser für Österreich so wichtigen Zukunftsfrage der Sicherheitspolitik erzielen können und darin,


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 10

wie wir uns in einer größeren europäischen Gemeinschaft sicherheitspolitisch auf­stellen.

Da müssen wir – und das wäre aus meiner Sicht natürlich verpflichtend – einen tragbaren Konsens finden. Ich gestehe auch zu, auch wir in der Österreichischen Volkspartei haben schon andere Modelle diskutiert. Wir haben unter Bundeskanzler Schüssel selbstverständlich auch die Variante Berufsheer diskutiert, intensiv diskutiert, allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen.

Wir haben damals die Option NATO und die Folgen mit in die Überlegungen ein­bezogen. Heute ist die Situation eine völlig andere. Heute geht es meiner Meinung nach in Richtung Demontage des bestehenden Systems, ohne wirklich ein griffiges, überzeugendes Zukunftsmodell zu haben, denn, Herr Minister, ich weiß schon, dass Herr Bürgermeister Häupl bei der letzten Landtagswahl ein populistisches Wahl­kampfthema gesucht hat. Ich habe kein Problem damit, wenn sich Wien von der allgemeinen Wehrpflicht verabschiedet. Wir in den Bundesländern nehmen mit Handkuss alle Kommanden, alle Wiener Kommanden. Wo steht denn geschrieben, dass die Landesverteidigungsakademie immer in Wien ihren Sitz hat? Wo steht denn geschrieben, dass die Stiftskaserne nicht verkauft wird? Da erzielen wir sicher den zehnfachen Erlös von dem, als wenn wir irgendwo im hintersten Winkel eines Bundeslandes eine Kaserne schließen.

Also wenn wir diese Dinge schon durchziehen, dann ziehen wir sie konsequent durch! Ich bin überzeugt davon, dass in den Ländern auch heute noch eine Mehrheit für die allgemeine Wehrpflicht zu erzielen ist, wenn man fair fragt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Es gibt in den Ländern auch die Freiwillige Feuerwehr. In Wien gibt es keine Freiwillige Feuerwehr. In Wien gibt es eine Berufsfeuerwehr, die bezahlt wird und natürlich effi­zient arbeitet, das ist keine Frage, aber es ist ein großer qualitativer Unterschied, ob man die freiwilligen, die idealistischen Züge der Bevölkerung zur Mitarbeit heranzieht oder nicht.

Sehr geehrter Herr Minister! Es ist leider so: Ihre Pilotprojekte sind nach unserer Meinung noch nicht schlüssig und kosten zurzeit viel Geld. Meiner Meinung nach werden sie nicht jenen Erfolg haben, den ich mir vorstelle.

Wenn Sie das Jägerbataillon 25, das zu meiner Zeit in Kärnten schon eine der bestauf­gestellten Einheiten Österreichs war – mit materieller Ausstattung, mit personeller Ausstattung, wo wir zum Beispiel neidisch von St. Michael nach Klagenfurt geschaut haben –, wenn Sie dieses jetzt also als Musterbataillon in Ihrem Pilotprojekt heran­ziehen, dann ist das ungefähr so, als ob ich einen Rolls-Royce oder einen Mercedes mit einem Puch Haflinger vergleiche.

In diesem Sinn ist die Aussagekraft wahrscheinlich nicht zielführend. Warum weigern Sie sich, eine Potenzialanalyse innerhalb des österreichischen Bundesheeres zu machen, wie die Nährrate für ein Berufsheer in der Realität ausschauen würde? Woher wollen Sie diese 12 000 Berufssoldaten ohne allgemeine Wehrpflicht nehmen? Von der Straße? Wo sind die Voraussetzungen für eine Grundausbildung? Wo sind die Qualifikationen? Wenn Sie jetzt eine Pionierkompanie als Musterbeispiel mit allen ausgebildeten Pionieren aus dem Pionierbataillon nehmen, dann haben wir natürlich wieder einen Vergleich, der hinkt.

Ich denke, da müssen wir schon mit offenen Karten spielen und fragen: Gibt es dieses Potenzial in Österreich? Die Erfahrungen in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigen nach allen Aussagen, dass die Nährrate für das deutsche Berufs-


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heer unterdurchschnittlich ausgeprägt ist und dass es größte Schwierigkeiten verursacht, diese Verbände auf Minimalziel aufzufüllen.

Wollen wir das in Österreich? Wollen wir weg von einer bewährten allgemeinen Wehr­pflicht? Es hängt ja auch der Zivildienst damit zusammen, das will ich aber jetzt gar nicht diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich nicht ein schlüssiges, funktionie­rendes Modell vorweisen kann, verzichte ich aus meiner persönlichen Überzeugung nicht auf die allgemeine Wehrpflicht. Ich denke, das müsste außer Streit gestellt werden.

Ich gestehe Ihnen hundertprozentig zu, Herr Minister, dass das österreichische Bun­desheer reformbedürftig ist. Das war es immer, und das wird es wahrscheinlich in nächster Zeit verstärkt sein, denn die Strukturen haben sich tatsächlich, wie der Herr Kollege Beer schon angeführt hat, wesentlich verändert, von der Größenordnung her, von den Waffengattungen her. Ich begrüße es, dass Sie die schweren Waffen ver­kaufen. Ich habe nichts dagegen, dass Sie die Kürassier-Panzer entsorgen, dass Sie die Panzerhaubitzen entsorgen. Das ist richtig, das ist eine richtige, zeitgemäße Ent­scheidung, aber einen lückenlosen Umstieg auf das Berufsheer kann es nicht geben. Das sieht meiner Meinung nach auch der Rechnungshof nicht ganz unkritisch.

Ich kenne die Eigenheiten des österreichischen Beamtendienstrechtes nur aus meiner praktischen Erfahrung mit Unteroffizieren in meiner Truppe. Ich weiß aber, dass das nicht mehr passt, dass das nicht mehr zeitgemäß ist für einen Soldaten, für einen Berufssoldaten, in C-, D- und E-Beamte eingeteilt zu sein. Sie können sich alle natürlich auf ihr Beamtendienstrecht verlassen, zu Recht, wenn irgendein Einsatzfall wäre oder irgendeine übermäßige Belastung auf sie zukommen würde. Aber Faktum ist, dass zurzeit laut Rechnungshof über 2 000 Militärbeamte spazieren gehen – bei vollen Bezügen. Erklären Sie das einmal der österreichischen Bevölkerung, Angehö­rigen anderer Berufsgruppen, Menschen in der Privatwirtschaft! Das muss schnellstens abgestellt werden, denn das schadet auch dem Image des österreichi­schen Bundes­heeres.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben in der ÖVP sicherlich einen Partner, wenn Sie ein zukunftsorientiertes Bundesheer, wie immer es auch aussehen wird, organisieren und installieren wollen. Wir sind, glaube ich, auch bereit, im Zuge der direkten Demo­kratie mittels Volksbegehren beziehungsweise mittels Volksabstimmung diese wichtige Frage die Österreicherinnen und Österreichern selbst entscheiden zu lassen. Ich meine, dass das ein richtiger Weg ist. Das Demokratieprojekt unserer Partei sieht diese Maßnahme vor, und ich denke, diese Chance sollten Sie im Sinne des österreichi­schen Bundesheeres ergreifen, um eine gute Zukunft zu garantieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

9.22


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


9.22.49

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das öster­reichi­sche Bundesheer befindet sich heute in jenem Zustand, in den es die Politik in den vergangenen Jahrzehnten versetzt hat. Zahlreiche Minister haben dieses Amt, dieses Ressort geleitet, und sie alle haben gesprochen von Veränderungen, von notwendigen Verbesserungen, von längst fälligen Reformen. Sogar eine Bundesheer­reformkommission wurde eingesetzt, was ja auch verständlich ist. Die Bedrohungssze-


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narien haben sich geändert, das haben auch meine Vorredner Kollege Beer und Kollege Perhab erwähnt, ein Schießkrieg ist in nächster Zeit nicht absehbar, das Raumverteidigungskonzept des sogenannten Kalten Krieges ist ebenfalls obsolet.

Und jetzt frage ich: Wo steht dieses unser Bundesheer heute? – Wir haben ein in weiten Teilen verbeamtetes, verpolitisiertes Heer mit einer überbordenden Verwaltung. Rechnungshofberichte dazu gibt es, die immer wieder diese Fehler aufzeigen. Und wir haben Soldaten, die in weiten Teilen frustriert, demotiviert und verunsichert sind. Es ist daher meiner Ansicht nach verwegen, angesichts dessen von einem modernen und reaktionsschnellen Heer zu sprechen.

Unser Bundesheer wird seit Jahren, ja seit Jahrzehnten schlecht behandelt, vernach­lässigt, und die notwendigen finanziellen Mittel werden ihm vorbehalten. Trotzdem funktioniert unsere Armee, aber das tut sie nur deshalb, weil wir Soldaten und Heeresangehörige haben, die das entsprechende Wissen haben, die über ent­sprechendes Können verfügen und die sich in der Kunst des Improvisierens verstehen, und auch deshalb, weil dieses Bundesheer vor allem durch unsere Miliz in der Bevölkerung sehr gut verankert ist.

Sie, Herr Bundesminister Darabos, haben mit der Haltung in verschiedensten Fragen eine Verunsicherung in unser Heer getragen, die beispiellos ist, und ich werde Ihnen auch sagen, warum das so ist.

Thema allgemeine Wehrpflicht – Abschaffung/Aussetzung. In Artikel 9a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz heißt es: „Jeder männliche Staatsbürger ist wehrpflichtig.“

Es ist mühselig, Herr Bundesminister, Ihnen Ihre eigenen Worte zu zitieren, die für Sie ja nicht mehr von Wert sind, aber es ist doch interessant, nachzuverfolgen, wie Sie förmlich über Nacht nach Zuruf aus dem Wiener Rathaus Ihre Meinung geändert haben.

Ich darf hier ein Zitat aus einer Presseaussendung der „Parlamentskorrespondenz“ bringen:

„Verteidigungsminister Mag. Darabos bekannte sich vorweg klar zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, weil, wie er sagte, das Mischsystem aus allgemeiner Wehr­pflicht und Milizsystem dem Bundesheer gut getan und ihm in der Zweiten Republik ermöglicht habe, sich fest in der Bevölkerung zu verankern.“

„ORF.at“ schreibt am 7. Oktober 2010 – Herr Bundesminister, auch wenn Sie nicht mehr Minister sind, dieser Sager wird es sein, was von Ihnen bleiben wird –:

„,Für mich ist die Wehrpflicht in Stein gemeißelt. Mit mir als Verteidigungsminister wird es kein Ende der Wehrpflicht geben‘, hatte Darabos noch am 3. Juli der ,Tiroler Tageszeitung‘ gesagt.“

Ihre Worte, Herr Bundesminister, die Sie gesagt haben, um dann nur wenige Wochen danach eine Wehrpflichtdebatte zu beginnen, die außer ins Chaos nirgends hingeführt hat. Gipfelpunkt der Debatte war, dass Sie den Generalstabschef Entacher mittels Bescheid abgesetzt haben; wir wissen ja, dass die Berufungskommission diesen Bescheid mittlerweile aufgehoben hat.

Noch etwas ist im Zuge dieser Diskussion passiert, nämlich dass Sie mit einer Wortspende fast das gesamte Offizierskorps unserer Armee pauschal beleidigt haben, mit Ihrem Vergleich mit dem SC Kroatisch Minihof.

Dabei sagen uns Militärexperten und Vertreter aus verschiedensten Ländern, dass eine Wehrpflicht notwendig und wichtig ist. Der ehemalige NATO-Oberkomman­die­rende Wesley Clark hat vor Kurzem erst in einem Interview offen gesagt: „Wir“ – damit


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meint er die USA – „haben als Folge des Vietnam-Krieges die Wehrpflicht über Bord geworfen. Heute würden wir das nicht mehr tun“.

Wenn wir also die allgemeine Wehrpflicht abschaffen und ein Berufsheer einführen, dann frage ich: Werden dann hochbezahlte Berufsoffiziere, die zum Kämpfen aus­gebildet sind, Bahngleise freischaufeln, Schipisten präparieren oder Sandsäcke in Gars am Kamp, in Schärding oder in Aschach an der Donau füllen?

Wenn immer wieder Vergleiche mit anderen Ländern gezogen werden, wenn gesagt wird, die Mehrzahl der EU-Länder hat die Wehrpflicht abgeschafft oder ausgesetzt, dann muss auch gesagt werden, dass diese Länder mit Österreich in Wirklichkeit nicht vergleichbar sind, Herr Bundesminister. Entweder sind die geografischen Gegeben­heiten völlig andere, oder aber es ist einfach aufgrund der Größe, aufgrund der Einwohnerzahl ein Vergleich nicht zulässig.

Deutschland hat die Wehrpflicht ausgesetzt – zehn Mal so groß wie Österreich –, betreibt aber unter anderem ein Technisches Hilfswerk mit 80 000 Mitarbeitern, die eben im Ernstfall Katastrophenhilfe leisten.

Im Übrigen bestätigen Militärexperten, dass kein Staat mit vergleichbarer Größe befriedigende Verhältnisse nach der Umstellung auf ein Berufsheer vorzuzeigen hat. Zumeist sind diese Heere dann schwächer, von geringerem Niveau und teurer. Daran führen auch alle möglichen Rechenvarianten nicht vorbei. Länder wie die Schweiz, wie Finnland, wie Dänemark und sogar das NATO-Land, das reiche Norwegen wissen, warum sie solche Experimente wie wir nicht durchführen.

Untrennbar verbunden mit der allgemeinen Wehrpflicht ist unser Milizsystem. In Artikel 79 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz heißt es:

„Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grund­sätzen eines Milizsystems einzurichten.“

Nach den Grundsätzen ist es einzurichten! – Die Miliz ist also nicht als Feigenblatt zu verwenden, so nach dem Motto: Machen wir halt zwei Milizkompanien, die decken dann diese Notwendigkeit ab!

Sie selbst haben gesagt, Herr Bundesminister – und das ist aus einer Presseaus­sendung der „Parlamentskorrespondenz“ –, dass die Miliz einen integralen Bestandteil des Bundesheeres darstelle. Und weiter heißt es: „In seinen Antworten auf Zusatz­fragen machte Minister Darabos darauf aufmerksam, dass er die von seinem Vorgänger ausgesetzten Milizübungen wieder eingeführt habe, und sicherte zu, dass der Miliz auch nach der Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate gut ausgebildete Soldaten zur Verfügung stehen werden.“

Gut, für die Verkürzung des Wehrdienstes, das sei Ihnen gutgeschrieben, können Sie wirklich nichts. (Bundesrat Beer: Danke! – Bundesrat Mag. Klug: Jetzt sind wir richtig happy!) Das war der Herr Bundesminister Platter. Auch das sollte gesagt sein.

Nur, Herr Bundesminister, wo sind unsere Milizsoldaten heute? Das wurde auch schon angesprochen: Seit geraumer Zeit schon liegt unsere Miliz in Wirklichkeit darnieder. Geübt wird so gut wie gar nicht mehr. Milizsoldaten aller Ränge haben längst schon jede Hoffnung aufgegeben. Das wurde ja vom Kollegen Beer bereits erwähnt.

Aber nicht nur das, Herr Bundesminister Darabos, bringt Ihnen Kritik ein. Am Wochen­ende fanden sich in einigen Tageszeitungen Inserate zu einem Ihrer sogenannten Pilotprojekte. Ich habe mir das extra ausgeschnitten (zeigt es), eigentlich ein gut gestaltetes Inserat. Da steht zu lesen: „Ganz nebenbei: starker Einsatz, gut bezahlt.“ Und weiter: „Als Anreiz erhalten Sie zu Ihren Entschädigungen zusätzlich eine fixe Prämie von 5.000 Euro pro Jahr!“


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Herr Bundesminister, diese Ansage – Sie wissen das – sorgt bei den Freiwilligen Feuerwehren für massive Kritik. Diese freiwilligen Milizpioniere sollen jeweils in Kompaniestärke in Salzburg und Niederösterreich aufgestellt werden. Allein in Salzburg leisten aber zehntausende freiwillige Feuerwehrleute ihren Dienst, österreich­weit sind es 240 000, die unentgeltlich und rund um die Uhr einsatzbereit sind. Ehrenamtlich, wohlgemerkt! Und diese flächendeckende ehrenamtliche Tätigkeit im Dienste der Allgemeinheit, für das Gemeinwohl wird jetzt von Ihnen durch solche Maßnahmen in Wirklichkeit untergraben.

Das Bundesheer, unsere Soldaten, unsere Grundwehrdiener und unsere Jugend – auch das muss gesagt sein, es sind unsere Jugendlichen, und wir reden hier immer von Menschen, wenn wir vom Bundesheer reden –, sie sind immer eine willkommene Verstärkung, wenn sie im Ernstfall, im Katastrophenfall der Feuerwehr, der Wasser­wehr, der Bergrettung und so weiter zu Hilfe kommen können. Dass aber für den gleichen Einsatz künftig die einen ihre Hilfeleistung bezahlt bekommen, die anderen aber weiterhin ehrenamtlich arbeiten, wenn sie Schulter an Schulter Hilfe leisten und zusammenarbeiten, das können Sie diesen Menschen nicht erklären.

Und noch etwas, Herr Bundesminister, zu diesem Projekt: Sie werben damit, dass Sie den Freiwilligen versprechen, eine jährliche Prämie von 5 000 € zu bezahlen. Das haben Sie auch in der Sitzung des Landesverteidigungsausschusses am 1. März gesagt. Die Frau Bundesminister für Finanzen sieht das aber ganz anders. Die lässt uns nämlich in einer Anfragebeantwortung wissen, dass das ganz und gar nicht so ist, denn auf die Frage: „Ist es richtig, dass diese geplante Jahresprämie von 5.000.- Euro nicht versteuert werden muss?“, antwortet die Frau Minister am 8. Mai, also vor gut drei Wochen:

„Wird vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport an Arbeitnehmer eine Anerkennungsprämie nach § 4a Heeresgebührengesetz (darunter fällt die Jahres­prämie von 5.000 Euro) bezahlt, stellt diese Jahresprämie steuerpflichtigen Arbeitslohn dar und zählt – wie das Gehalt – zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber hat bei der Auszahlung der Jahresprämie die Lohnsteuer einzubehalten. Eine Steuerbefreiung liegt im Einkommensteuergesetz 1988 nicht vor.“

Bis zum Stand 8. Mai sind Sie jedenfalls nicht an die Frau Minister herangetreten, um hier eventuell eine Steuerbefreiung auszuverhandeln.

Ich habe nichts dagegen, wenn man Menschen für eine Sache gewinnen will, aber dass hier mit 5 000 € geworben wird, ist entweder nicht durchdacht, nicht zu Ende gedacht, oder es ist eine billige Keilerei. Denn dass dann am Ende 5 000 € herauskom­men werden für denjenigen, der sich hier freiwillig meldet, so wie versprochen, das wird ganz und gar nicht der Fall sein. Und damit werden einige dann, denke ich, nicht ganz glücklich sein, denn wenn diese Prämie als Bestandteil des Gehaltes gesehen wird, dann hat er dieses Einkommen zu versteuern.

Herr Minister Darabos, Ihr Pilotprojekt zur Reduktion der Funktionssoldaten, um Verwendungen im Bereich der Systemerhaltung auf ein Mindestmaß reduzieren zu können, ist eines, das durchaus etwas Positives haben könnte. Nur ist es halt so, Herr Minister, dass dieses Projekt ja in Wirklichkeit ein Muss-Projekt ist, also eines, das gemacht werden muss, weil ja offensichtlich ist, dass das Geld für die Bedeckung der Kosten für den Ersatz von Grundwehrdienern, die bisher als Systemerhalter eingesetzt wurden, nicht vorhanden ist. (Präsident Hammerl: Bitte zum Ende zu kommen!) – Ja, Herr Präsident, ich werde gleich zum Ende kommen.

Geschätzte Damen und Herren! Unser Bundesheer hat eine hervorragende Tradition. Es hat seit 1955 alle ihm gestellten Aufgaben, ob im Inland oder Ausland, hervor­ragend bewältigt, ob das die Ungarn-Krise war, ob das der Prager Frühling war, ob das


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die Jugoslawien-Krise in den neunziger Jahren war. Alle diese Leistungen fanden und finden vor allem im Ausland hohe Anerkennung.

Und unser Weg muss zurückgehen zur Verfassungskonformität, denn in unserer Verfassung steht das richtige Modell, auch für eine unsichere Zukunft, festgeschrieben, nämlich das flexible und das leistbare Mischsystem einer Armee, bestehend aus einer nicht zu großen Berufsarmee und einer einsatzfähigen Miliz. Und die allgemeine Wehrpflicht, Herr Bundesminister, ist das Herzstück und das Reservoir der Miliz. (Präsident Hammerl gibt das Glockenzeichen.)

Und im Übrigen, Herr Bundesminister: Bei all meiner Kritik gratuliere ich Ihnen trotz­dem heute zu Ihrem Geburtstag ganz herzlich, auch im Namen meiner Fraktion. (Beifall bei der FPÖ.)

9.35


Präsident Gregor Hammerl: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


9.35.19

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Danke für die Gratulationen! Aber wie jeder andere Österreicher arbeite auch ich am Geburtstag.

Es ist für mich eine Ehre, hier im Bundesrat heute Stellung nehmen zu können. Sie wer­den sich nicht wundern, wenn ich sehr viele Ihrer Ausführungen, Herr Abgeordneter von der FPÖ und auch von der ÖVP, nicht teilen kann, und ich möchte auf die einzelnen Punkte dann auch eingehen.

Ich habe ein anderes Bild vom österreichischen Bundesheer, als jetzt in den letzten zehn Minuten gezeichnet wurde. Das österreichische Bundesheer – wenn man das aktuelle Lagebild heranzieht, kann man das auch mit Zahlen belegen – ist bestens aufgestellt. Wir haben derzeit rund 1 500 Soldatinnen und Soldaten in Auslands­einsätzen. So viel wie noch nie seit Bestehen des österreichischen Bundesheeres. Das möchte ich ganz deutlich betonen: rund 1 500 Soldatinnen und Soldaten in zwölf Missionen im Ausland.

Die Truppen sind auf drei Kontinenten verteilt. Wir sind tätig innerhalb von UNO-Missionen, wir sind tätig innerhalb von Missionen der Europäischen Union, wie in Bosnien beispielsweise, und wir sind auch tätig als befreundete Partner in NATO-Missionen, wie im Kosovo. Wir zählen damit – ich habe das erst in den letzten Tagen wieder persönlich erfahren dürfen, dass das auch anerkannt wird – zu den Nationen, die nicht nur in Europa Top-Truppensteller sind, sondern auch weltweit Top-Truppen­steller sind. Und wenn der Herr Generalsekretär der UNO Ban Ki-moon sagt, dass wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten sichtbar sind, dann ist das doch eine Auszeichnung für Österreich, für die Republik Österreich im Allgemeinen und für das österreichische Bundesheer im Speziellen.

Wir haben uns darüber hinaus auch zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bekannt. Das heißt, wir sind beispielsweise bei den sogenannten EU-Battlegroups mit dabei. Mehr als mit dabei: Wir haben eine logistische Lead-Funktion in den nächsten Monaten, im zweiten Halbjahr des Jah­res 2012, zu erfüllen. Wir sind hier gemeinsam mit der Lead-Nation Bundesrepublik Deutschland und mit Irland tätig, übrigens auch ein neutraler Staat. Wir sind hier tätig mit Tschechien, aber auch mit Staaten wie beispielsweise Kroatien und Mazedonien – Kroatien zukünftiges EU-Mitglied, Mazedonien noch nicht EU-Mitglied. Auch das zeigt die Qualität dieser sogenannten EU-Battlegroups, wobei der Begriff „Battlegroup“ ein


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etwas irreführender ist, geht es hier doch um Krisenintervention. Österreich hat sich als neutraler Staat nie davor gedrückt, auch in diesem Bereich tätig zu werden, wenn es um Kriseninterventionen geht.

Wir stellen 160 Soldaten im Libanon neu, von der Bundesregierung beschlossen, vom Hauptausschuss mitgetragen, und wir haben mit dem sogenannten ORF-Bataillon – das hat nichts mit dem Österreichischen Rundfunk zu tun, sondern mit einer operatio­nalen Reserve für unsere Einsätze in Bosnien und im Kosovo – auch klar Verant­wortung für Eskalationsszenarien geliefert und sind mit den Soldaten derzeit dort tätig.

Darüber hinaus – das wurde angesprochen, und dazu stehe ich hundertprozentig – ist die wichtigste Aufgabe, Gott sei Dank die wichtigste Aufgabe, des österreichischen Bundesheeres die Katastrophenhilfe. Nicht mehr die Landesverteidigung, Gott sei Dank! Wir sind dafür gerüstet, aber die wichtigste Aufgabe ist die Katastrophenhilfe, und das wird von 90 Prozent der Bevölkerung auch so gesehen und als wichtigste Aufgabe eingestuft. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wir haben bewiesen, dass wir im Katastrophenfall immer in der Lage sind, genü­gend Personal, genügend Soldatinnen und Soldaten aufzustellen, um den Aufgaben gerecht zu werden.

Wir haben uns im Übrigen mit der ÖVP, Herr Abgeordneter, darauf geeinigt, dass wir eine neue Sicherheitsstrategie entwerfen, wo wir 12 500 Soldatinnen und Soldaten für die Katastrophenhilfe zur Verfügung stellen werden können, egal, welches Wehr­system in Österreich in Zukunft Platz greifen wird. Dazu stehen wir. Und wir haben uns auch darauf geeinigt, dass wir 1 100 Soldatinnen und Soldaten ins Ausland schicken können. Wie gesagt, derzeit haben wir noch rund 1 500 SoldatInnen in Auslands­einsätzen.

Ich möchte das österreichische Bundesheer schon in die Auslage stellen und auch darauf hinweisen, dass die Entscheidung getroffen wurde, dass Generalmajor Wosolsobe Leiter des Militärstabes auf europäischer Ebene wird, das heißt, alle 26 EU-Mitgliedstaaten – außer Dänemark –, die diesem Gremium angehören, haben einen Österreicher zum Leiter des EU-Militärstabes gewählt.

Da sieht man doch, dass Österreich auch eine gewisse Kompetenz aufweisen kann, dass wir Fähigkeiten aufweisen können und dass wir auch im Netzwerk der inter­nationalen Armeen anerkannt sind, obwohl wir nicht NATO-Mitglied sind und obwohl wir neutral sind. Das sollte man nicht geringschätzen.

Ebenso gilt mein Dank Generalmajor Brieger, der Kommandant der EUFOR/Althea, also in Bosnien, ist, und dem Militärkommandanten von Burgenland, der derzeit stellvertretender Kommandant in der Kosovo-Mission ist.

All das zeigt die internationale Anerkennung und Wertschätzung des österreichischen Bundesheeres, und das Schlechtreden in Österreich halte ich für falsch, denn wir bieten Leistungen, die zeigen, dass wir als kleines Land mit acht Millionen Ein­wohnern – wie angesprochen, zehnmal kleiner als die Bundesrepublik Deutschland – auch im internationalen Vergleich nicht nur punkten können, sondern auch sichtbar sind. Darauf bin ich als Verteidigungsminister stolz.

Wir haben in der Sicherheitsstrategie, die wir gemeinsam mit der ÖVP im Ministerrat bereits beschlossen haben und wo ich bedaure, dass das im Parlament derzeit noch nicht in der Intensität diskutiert wird, wie ich es mir wünschen würde, uns darauf geeinigt, dass wir uns klar sind, dass es keine existenzbedrohende konventionelle militä­rische Bedrohung für Österreich gibt. Der Kalte Krieg ist passé, die Panzer­schlacht im Marchfeld ist passé. Das heißt, wir müssen die Anforderungen des österreichischen Bundesheeres völlig neu aufstellen.


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Wir haben eine Finanz- und Wirtschaftskrise – das zu leugnen, wäre völlig absurd –, und diese Finanz- und Wirtschaftskrise hat auf alle Armeen in Europa auch Aus­wirkungen, was die budgetäre Ausformung des Budgets, des Haushaltes im Verteidi­gungs­bereich betrifft, aber es ist klar, dass wir uns an klaren strategischen Vorgaben orientieren müssen, die da aus meiner Sicht lauten: Es braucht ein klares sicherheitspolitisches Konzept – das gibt es; es liegt in der Regierung, und ich hoffe, das Parlament behandelt es bald –, wir wollen diesen verantwortungsvollen Umgang, den ich gerade angesprochen habe, mit Budgetmitteln in den Fokus unserer politi­schen Überlegungen stellen, und wir haben die Aufrechterhaltung einer breiten militä­rischen Grundbefähigung sicherzustellen.

Das heißt, ich hoffe, dass diese Sicherheitsstrategie demnächst im Parlament be­schlossen werden kann. Wir orientieren uns auch derzeit schon an ihr, denn ich meine, dass man, wenn es zwei Regierungsparteien gibt, die das im Ministerrat beschließen, auch davon ausgehen kann, dass der Konsens zumindest in der Koalition gegeben ist. Wir haben darüber hinaus strukturelle Entscheidungen für ein modernes und reaktionsschnelles Bundesheer zu treffen.

Ich bin daher der Meinung, dass ich auf einer breit abgesicherten Analyse und gesicherter Rechtsgrundlage auch in Zukunft agieren kann. Die Schlüsse, die ich daraus ziehe – es freut mich, dass das anerkannt wird, zumindest von einem Teil der Redner –, sind, dass wir auch mit gutem Gewissen eine Redimensionierung des Bundesheeres im Bereich der konventionellen Territorialverteidigung verantworten können.

Diese Redimensionierung ist sinnvoll. Es ist die Reduzierung der Panzer ange­sprochen worden. Wir sind dabei, eine bedarfsorientierte Umschichtung der Res­sourcen durchzuführen und damit auch neuen Handlungsspielraum für das österreichi­sche Bundesheer zu schaffen. Wir haben eine gezielte Fähigkeitsentwicklung für den neuen Bereich der Schutzaufgaben wie beispielsweise Cybersicherheit, Terrorabwehr, Schutz für kritische Infrastruktur, und wir werden diese Umschichtung auch im Denken, in der Kompetenzfähigkeit des österreichischen Bundesheeres dazu benutzen, für technische und Naturkatastrophen noch besser gerüstet zu sein als bisher.

Das heißt aber nicht, dass wir Fähigkeiten aufgeben, ganz im Gegenteil, wir bleiben in allen Fähigkeitsbereichen wettbewerbsfähig im internationalen Vergleich. Ich darf Sie informieren, dass wir nahezu 400 gepanzerte Systeme auch in Zukunft betreiben wer­den, aber wir werden ein klares Schwergewicht auf Schützenpanzer legen, Pionier­panzer, geschützte Transportfahrzeuge, also auf all jene Systeme, die für die zukünf­tigen Aufgaben wirklich relevant sind.

Wir werden in Zukunft – das möchte ich hier in diesem Kreis ganz offen ansprechen – auch die Militärkommanden beibehalten, ebenso die Militärmusiken, ein zugegebener­maßen nicht relevanter Teil für die Verteidigungsfähigkeit Österreichs, aber einer, der für die Integration des österreichischen Bundesheeres in die Gesellschaft wichtig ist. Das habe ich auch in der letzten Woche sehen können, beispielsweise in Mörbisch, als wir die Militärmusiken zusammengeholt und gesehen haben, wie gut diese Militärmusik auch dahin gehend wirkt, dass das österreichische Bundesheer in die Bevölkerung, in die Gesellschaft integriert ist.

Zur Miliz, die angesprochen wurde, sage ich jetzt in aller Deutlichkeit: Meine Vorgänger haben die Miliz sträflich behandelt. Ich habe Milizübungen wieder eingeführt, und diese Milizübungen funktionieren auch. Ich darf daher sagen, dass ich die Miliz aus dem Dornröschenschlaf der letzten Jahre herausgeholt habe. Die Pilotprojekte, die ange­sprochen worden sind, sollen dazu führen, dass die Miliz noch einmal an Wichtigkeit innerhalb des österreichischen Bundesheeres gewinnt, dass die Aufbaufähigkeit ge-


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stei­gert wird, dass die Kompetenzfähigkeit gesteigert wird und dass damit die Miliz – wie es angesprochen wurde und wie es auch in der Verfassung verankert ist – ein integraler wichtiger Bestandteil des österreichischen Bundesheeres ist und bleibt.

Ich sage ganz offen: Diese Diskussion um die 5 000 € und um die Feuerwehren verstehe ich überhaupt nicht. Die verstehe ich überhaupt nicht! Wir bauen zwei Pionierkompanien mit jeweils 115 Mann auf und versuchen, mit einer Prämie von 5 000 € Menschen zu bewegen, im österreichischen Bundesheer – nicht in der Feuerwehr oder in anderen Organisationen – für die Öffentlichkeit tätig zu werden. Das ist aus meiner Sicht wichtig und überhaupt kein Widerspruch zu der Arbeit der Feuerwehren. Ich komme aus einer ländlichen Gemeinde, ich weiß, welche Aufgabe die Freiwilligen Feuerwehren in den Gemeinden leisten.

Wir sind ja, wenn wir gebraucht werden, mit den Feuerwehren gemeinsam tätig, und zwar mit einer zusätzlichen Kompetenz und mit der Fähigkeit und auch der Möglichkeit, dass Menschen neben ihrem Privatberuf sich dazu bereit erklären, über einen längeren Zeitraum – nämlich nicht nur sozusagen, wenn ich Zeit habe, sondern über einen längeren Zeitraum von zwei bis drei Wochen im Jahr – tätig zu werden. Und das soll auch anerkannt werden in der Öffentlichkeit.

Ich halte die Diskussion für falsch und auch für etwas pharisäerhaft, wenn man hier versucht, Feuerwehr und Bundesheer auseinanderzudividieren. Ganz im Gegenteil! Es geht um ein Miteinander (Beifall bei der SPÖ), und dieses Miteinander kann geschaffen werden, indem es auch Anreize im Bundesheer gibt. Und zu diesen Anreizen stehe ich.

Zweiter Punkt: Es ist ein bisschen eigenartig, wenn man sagt, man ist gegen die 5 000 € Prämie, und gleichzeitig kritisiert man, dass die Frau Finanzminister offen­sichtlich in einer Anfragebeantwortung gesagt hat, diese Prämie soll besteuert werden. Also entweder ist man für die Prämie, oder man ist gegen die Prämie – gut, das ist jetzt nicht das Thema –, aber es ist jedenfalls so, dass die Frau Finanzminister auch zur Kenntnis nehmen wird müssen, dass wir im Wehrgesetz natürlich Vorkehrungen dafür getroffen haben und dass es natürlich keine einkommensteuermäßigen Einschrän­kungen für diese 5 000 € geben wird. Das wird in den nächsten Tagen auch in der Öffentlichkeit sichtbar sein.

Die Miliz ist, wie ich gesagt habe, unverzichtbarer Eckpfeiler des österreichischen Bundesheeres insgesamt und auch bei den Auslandseinsätzen.

Ich möchte dazu abschließend sagen: Wir haben Konsens in der Regierung, was die Sicherheitsstrategie betrifft. Sie ist ein Zukunftsmodell für das österreichische Bun­desheer.

Die Diskussion um die Wehrpflicht wird uns noch beschäftigen. Es ist nicht so, dass das von einem Tag auf den anderen gegangen ist. Sie wissen genau, dass wir uns vom Oktober des Jahres 2010 bis in den Februar des Jahres 2011 die Modelle in Europa angeschaut haben und beispielsweise – das wurde wissentlich verschwiegen – gesehen haben, dass die Modelle in Deutschland und in Schweden perfekt funktionie­ren – in Schweden mit einem Überhang an Freiwilligen, die ungefähr das Zehnfache dessen ausmachen, was Schweden tatsächlich braucht, mit einer Frauenquote von 19 Prozent; das österreichische Bundesheer hat derzeit eine Frauenquote von 3 Prozent –, und wir wissen auch, dass von 27 EU-Staaten derzeit schon 21 eine Verknüpfung dieser beiden Varianten von Berufsheer und Freiwilligenheer auch tat­sächlich täglich leben.

Also insofern muss diese Diskussion in Österreich erlaubt sein. Ich bin ja gerne bereit, das auch einer öffentlichen Beurteilung zukommen zu lassen. Das sollten wir durchaus auch innerhalb der Koalition noch einmal offen ansprechen.


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Der letzte Punkt, den ich hier nicht so stehen lassen kann, sind die 2 000 Soldatinnen und Soldaten, die angeblich spazieren gehen. Es geht niemand spazieren im öster­reichischen Bundesheer, sondern es ist so, dass diese Menschen nicht auf Arbeits­plätzen eingeteilt sind. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist Ausfluss der Reform des österreichischen Bundesheeres 2010, die alle fünf im Par­lament vertretenen Parteien gemeinsam beschlossen haben.

Ich habe persönlich verfügt, dass niemand zu Hause sitzt und nichts tut, sondern dass jeder, der nicht auf einem systemisierten Arbeitsplatz eingeteilt ist, auch eine Tätigkeit innerhalb des österreichischen Bundesheeres durchzuführen hat. Das tut er auch. Die öffentliche Diskussion, die in den letzten Wochen vom Zaun gebrochen wurde, ist diesbezüglich etwas missverständlich, aber wir sind jenes Ressort, das auch die Verwaltungsreform ernst nimmt. Wir haben beispielsweise im österreichischen Bun­desheer dafür gesorgt, dass Menschen, die bei uns sozusagen auf Zukunft keine adäquate Tätigkeit ausüben können, in das Finanzressort übergeführt werden können. Das sind 400 an der Zahl. Wir haben dafür gesorgt, dass 200 Menschen aus unserem Ressort – Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilbedienstete – ins Innenministerium übergeführt werden können. Das sind Verwaltungsmaßnahmen, die ich in anderen Ressorts in Österreich vermisse. Also insofern lasse ich mir Reformfeindlichkeit auf keinen Fall vorwerfen.

Wir sind dabei, das Bundesheer so aufzustellen, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren 2 000 Bedienstete abbauen werden können, mit sozialen Maßnahmen, nicht rausschmeißen, nicht vor die Tür stellen, sondern auch im Sinne dessen, was Sie gemeinsam beschlossen haben – ÖBH 2010 –, dafür zu sorgen, dass das österreichi­sche Bundesheer zukunftsfit gemacht werden kann.

Wir bekennen uns als österreichisches Bundesheer zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa, und ich glaube, dass ich auch zeigen konnte, dass das österreichische Bundesheer nicht nur in Österreich mit dem Katastrophenschutz, mit dem theoretischen Fall der Landesverteidigung, sondern auch mit den Auslands­einsätzen international anerkannt ist und seinen Aufgaben nachkommen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.52


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


9.52.35

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde gesagt, darum möchte ich manches nicht wiederholen, sondern nur auf einige Punkte zu sprechen kommen.

Einige der Vorredner haben schon richtigerweise angemerkt, dass das Bedrohungs­szenario seit dem Zerfall des Ostblockes obsolet ist. Das einzige Bedrohungsszenario, das aus dem Ausland zurzeit droht, ist der Einfall der Borkenkäfer, und dafür brauchen wir, glaube ich, kein technisches und militärisches Gerät, um dem zu Leibe zu rücken, da ist, glaube ich, der Herr Landwirtschaftsminister besser dafür geeignet, diese zu bekämpfen.

Was aber richtig und wichtig ist, sehr geehrter Herr Minister – das bestätigt auch eine Studie vom IFES –, ist, dass 72 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher einen


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Reformbedarf in Richtung Bundesheer Neu sehen. Also Sie sind hier sicherlich auf dem richtigen Weg. Die Betonierer, die dafür eintreten, dass alles beim Alten bleibt, nicht nur in der Bundesheerpolitik, sondern auch in der Bildungspolitik, werden zu einer schwindenden Minderheit, die sich auf Dauer nicht wird durchsetzen können.

Heute sind Massenheere schon längst überholt. Wir brauchen spezialisierte Soldaten und Soldatinnen, primär schon, wie Sie es richtigerweise angemerkt haben, für Aus­landseinsätze, für Friedenserhaltung in Krisenregionen. Und da sind wir Spezialisten, da haben wir große Anerkennung im Kosovo und in anderen Regionen der Welt erworben. Dazu brauchen wir aber keine teuren Waffengattungen und schon gar nicht Eurofighter. Und da, sehr geehrter Kollege Beer, finde ich es doch ein bisschen skurril, denn Ihre Fraktion hat ja der Anschaffung der Eurofighter zugestimmt. Wir waren die Einzigen, die massiv dagegen Sturm gelaufen sind. Und wie es sich in der Politik häufig herauskristallisiert, allerdings erst im Nachhinein, haben wir auch in diesem Punkt recht behalten, denn dieses Geld hätten wir sicherlich viel besser für andere Maßnahmen einsetzen können. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Boden: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir da zugestimmt haben!)

Auf jeden Fall wurde die Wehrpflicht in Europa in vielen, vielen Ländern abgeschafft. Sie besteht nur mehr in Estland, in Finnland, in Griechenland, in Zypern und in Österreich. Das, womit das Bundesheer in den letzten Jahren der Bevölkerung besonders positiv ins Auge gestochen ist, waren die Katastropheneinsätze. Da hat es Seite an Seite mit der Bevölkerung in den Bereichen, wo es Hochwasser gegeben hat, geholfen. Hier gibt es auch eine breite Akzeptanz.

Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt davon, dass der Katastrophenschutz auch effizienter und kostengünstiger durchgeführt werden kann. Wenn wir als Beispiel Sri Lanka hernehmen, wo das Rote Kreuz eine Wasseraufbereitungsanlage mit drei Personen betrieben hat und das österreichisches Bundesheer mit 90 Personen, dann sieht man, dass es doch einen großen Unterschied gibt, wenn man sich spezialisiert. Spezialisie­rung hat zum Beispiel in Deutschland beim Technischen Hilfswerk stattgefunden, das ganz speziell mit Equipment und Fachpersonal für Katastropheneinsätze geschult ist und auch nur das Werkzeug zur Verfügung hat, das es für diese Einsätze tatsächlich benötigt. Also die Aufrechterhaltung einer Panzerflotte oder von Eurofightern ist eine sehr kostspielige Sache. Dieses Geld ist sicherlich besser einsetzbar.

Wenn aber die Wehrpflicht abgeschafft wird, dann müssen wir uns auch über eine andere Sache Gedanken machen, sehr geehrter Herr Minister. Und da haben wir beide eine Gemeinsamkeit: Auch ich war Zivildiener. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Auf jeden Fall für ein zukunftsweisendes Bundesheer, geschätzter Herr Kollege. (Bundesrat Kneifel: Dann haben Sie ja Chancen, Verteidigungsminister zu werden!) – Ich habe diesbezüglich keine Ambitionen.

Die Grünen haben diesbezüglich vor Jahren schon ein Modell erarbeitet, denn wir sind der Ansicht, dass es gut ist, wenn wir zum Beispiel Menschen, die im Sozialbereich tätig sein möchten, auch bezahlt in diesem Bereich arbeiten lassen und sie sich diese Tätigkeit als Praxis zum Beispiel in Ihrer Ausbildung auch anrechnen lassen können. Das wäre aus unserer Sicht eine Win-win-Situation.

Das Bundesheer Neu sollte nach unserem Konzept primär nur mehr friedens­erhal­tenden Einsätzen in Krisenregionen dienen. Schwere Waffengattungen sind dazu, wie gesagt, nicht mehr nötig. Es sollte sozusagen ähnlich aufgebaut sein wie eine Polizeitruppe, und dazu brauchen wir nicht Bundesheer-Angehörige en masse, son­dern eine kleine spezialisierte, schlagfertige Truppe, die sich in einer Größenordnung von 6 000 bis 8 000 Personen bewegen kann. Dieses Bundesheer Neu wäre aus unserer Sicht dann sicher besser vorbereitet für internationale Einsätze, und auch die


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erworbenen sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Fremdsprachen, Bildung, Um­gang mit anderen Kulturen wären eine Bereicherung für diese Personen. Wenn diese dann zum Beispiel in die Exekutive wechseln möchten, ist das ja ein Mehrwert, von dem letztendlich auch die Polizei profitieren wird.

Einen abschließenden Satz – meine Redezeit ist fast schon zu Ende –: Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben sich in letzter Zeit eine sehr große Angriffsfläche gegeben mit Ihren Äußerungen zu Israel und zur innerisraelischen Politik. Sehr geschätzter Herr Minister! Als Verteidigungsminister haben Sie, glaube ich, mit den Umstrukturierungen sehr viel zu tun und sind damit bestens ausgelastet, und für die Außenpolitik würde ich, sofern ich eine Empfehlung aussprechen darf, vorschlagen, dies dem Außenminister zu überlassen und hier keine Kritik aufkommen zu lassen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.59


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

 


9.59.30

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Lieber Edgar Mayer, das ist nicht das Schlechteste. (Bundesrat Mayer: Das habe ich nicht gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber etwas anderes ist interessanter. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Liebe Kollegen, es mag kein Zufall gewesen sein, dass ich mich bei der Rede des Kollegen Perhab unweigerlich an den 150. Todestag des großen Dichters Johann Nepomuk Nestroy erinnert habe, so nach dem Motto: Es ist wurscht, wie sich die Welt verändert: Hauptsache im Schrebergarten Österreich bleibt es so, wie es ist und wie ich es kenne! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

Das war in etwa der Succus dieser Rede. Tatsache ist, mit dieser Mentalität muss natürlich ein modernes, österreichisches Bundesheer mit Beharrlichkeiten kämpfen; Beharrlichkeiten von Regionen, das wird jetzt wahrscheinlich die nächste Rednerin zur Aufführung bringen, oder die Beharrlichkeit von Truppenverbänden, deren Waffen­technik nicht mehr gefragt ist (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), die Beharrlichkeit gegen eine Professionalisierung, sprich Berufsheer – übrigens, dass der Herr Landes­hauptmann von Wien in seinen Gedanken der Zeit voraus war, das, Herr Perhab, können Sie heute nachlesen. Neueste Umfrage, Sie hätten schon längst verloren: 62 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen sind für die Einführung des Berufsheeres. (Ruf bei der ÖVP: Das sind Umfragen!)

Ja, mein Gott. Wenn sie noch abgestimmt werden, sind wir schon bei 68 Prozent. Es geht nicht darum, Folklore beizubehalten, sondern um moderne Sicherheitsstrategien. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist auch die derzeitige, große Herausforderung. Am 15. Juni erscheint ein Buch über den Gestaltungsspielraum der österreichischen Sicherheitspolitik, herausgegeben vom Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik des Bundesministeriums für Landes­verteidigung. Ich habe es mir, als ich das gehört habe, vorab besorgt. Es ist äußerst interessant, denn es unterstreicht, dass wir zu einer anderen sicherheitspolitischen Diskussion und zu einer anderen Aufgabe des österreichischen Bundesheeres kom­men müssen.

Der Herr Bundesminister hat gesagt, derzeit sind 1 500 Soldaten und Soldatinnen im Einsatz. Das ist enorm viel. Aber lassen Sie sich eine zweite Zahl sagen: Über 90 000 Österreicherinnen und Österreicher waren in Friedensmissionen bereits im Einsatz – über 90 000, derzeit in zwölf Missionen. Und an der Leitung der Battlegroup ab dem


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zweiten Halbjahr 2012 nimmt Österreich mit weiteren 350 Soldaten einer gepanzerten Transportkolonne teil. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das heißt, das österreichische Bundesheer erfüllt eine Aufgabe, die in etwa in diesem Buch so zum Ausdruck gebracht wird, dass wir in Zukunft ein rasch einsetzbares, professionell ausgebildetes und zur multinationalen Zusammenarbeit befähigtes Heer haben. Ich selbst hatte die große Ehre, bereits mehrmals die österreichischen Soldaten und Soldatinnen im Kosovo zu besuchen. Mehr noch, ich war bei der Kom­man­doübernahme in Tuzla dabei, aber auch in anderen Teilen in Bosnien. Ich habe einen historisch, für mich zumindest, interessanten Augenblick erlebt, als der Kommandant unseres Lagers in Casablanca gesagt hat: Ich bin äußerst zufrieden mit den österreichischen Soldaten und Soldatinnen!, und das war ein türkischer General – wie sich die Welt doch verändert. Wenn man das anhand der österreichischen Geschichte betrachtet, sieht man, dass das österreichische Bundesheer Großartiges leistet.

Herr Bundesminister, es wäre vielleicht auch interessant für viele Menschen, die zu­schauen: 1 500 Soldatinnen und Soldaten sind im Einsatz, davon sehr, sehr viele in Syrien am Golan, im Libanon. Wir haben dort derzeit – und auch die Heeresführung – natürlich eine äußerst sensible und angespannte Situation. Die Versorgung, die bisher möglich war, hat sich natürlich jetzt extrem erschwert und verändert. Ich denke, dass das Landesverteidigungsministerium derzeit alles unternehmen wird, um die Sicherheit dieser Soldaten und Soldatinnen zu garantieren.

Diese versehen derzeit in einem ganz, ganz schwierigen Terrain ihren Dienst, nämlich auch noch mit dem Blickwinkel, dass es ja um eine Friedenserhaltung zwischen Syrien und Israel geht und Israel derzeit die Konflikte in den beiden Nachbarländern – vor allem das Massaker und die fürchterlichen, blutigen Auseinandersetzungen in Syrien betreffend, aber auch die Infektionsgefahr, die da für den Libanon existiert – durchaus für, sagen wir so, ein internationales Risiko der Sonderklasse nützen will, in der Ent­wicklung in Richtung des Iran. Das heißt, das Bundesheer ist da an einem sicher­heitspolitischen Hot Spot der Welt vor Ort. Und ich glaube, wir sollten uns auch in einer so wichtigen Debatte wie heute daran erinnern.

Herr Bundesminister, es laufen wichtige Mandate in diesem Jahr aus. EUFOR/AL­THEA läuft am 15. November 2012 aus. Bei der EUSEC im Kongo sind wir auch, zwar ganz wenig, sehr klein, aber auch das ist ein wichtiger Punkt. Und an dieser Stelle muss ich jetzt den lieben Kollegen Dönmez korrigieren: Der Herr Bundesminister für Landes­verteidigung ist für außenpolitische Sicherheit zuständig, und wenn Truppen im Libanon stehen, in Syrien stehen, im Kongo stehen, in Afghanistan hatten wir welche, in Kroatien, Westafrika, in der Westsahara, in Georgien zum Beispiel, dann hat das natürlich eine enorme außenpolitische, sicherheitspolitische Komponente. Ich hoffe, dass du diesen letzten Satz wirklich zurücknimmst, denn das ist Nonsens. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Deshalb zum Schluss noch einmal: Wir brauchen, wie der Kollege Beer gesagt hat, Drohnen statt Panzer, wir brauchen eine Internetabwehr statt etwas zu üppige Trup­penübungsplätze, und wir brauchen solche Modelle, wie es das Bundesheer entwickelt hat, wie das Law Monitoring System im Kosovo. Dies ist eine einmalige sicher­heitspolitische Maßnahme, die nun Beispiel für alle anderen Militärs werden kann. Auf dieses Law Monitoring System hat das österreichische Bundesheer das Patent. Darauf können wir stolz sein, genauso wie auf die Arbeit der Soldaten und Soldatinnen im Ausland insgesamt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 



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10.07.29

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Liebe Zuseher! Ich möchte gleich beginnen mit meinem Kollegen Beer, der die Frage gestellt hat, ob wir das österreichische Bundesheer überhaupt noch brauchen. Da sagt die ÖVP klar und deutlich Ja dazu, wir brauchen es. (Zwischenrufe der Bundesräte Stadler und Beer.) Und wenn unser Herr Kollege Dönmez sagt, es gibt keine militä­rische Bedrohung, nur mehr die Bedrohung der Borkenkäfer, dann stelle ich mir die Frage, ob wir die Agenden des Bundesheeres nicht vielleicht dem Herrn Landwirt­schafts­minister übertragen sollen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Minister, wenn wir über die Weiterentwicklung des österreichischen Bundesheeres sprechen, sind es zwei Punkte, die unserer Bevölkerung sehr wichtig sind und am Herzen liegen. Das eine ist, dass wir ein modernes, schlagkräftiges Bundesheer brauchen, das die Sicherheitsaufgaben im Inland erfüllt, im militärischen Bereich, im Grenz- und Gebäudeschutz, in der Cyberkriminalität, natürlich im Katastro­phenschutz und im Zivildienst, und natürlich muss es auch seine Dienste im Ausland leisten. Aber der zweite Punkt, der der Bevölkerung sehr wichtig ist, ist, dass der Bund und das Bundesheer auch eine Verantwortung gegenüber den Randregionen und den Regionen haben. Diese sollen auch wahrgenommen und nicht nur ein zentralistischer Weg eingeschlagen werden.

Um diese Anforderungen auch wirklich erfüllen zu können und der Zeit gewachsen zu sein, ist meiner Meinung nach die allgemeine, verpflichtende Wehrpflicht notwendig. Diese soll auch so ablaufen, dass es eine sinnvolle Zeit für unsere Jugendlichen ist und einen Mehrwert für sie bringt. Die Wehrpflicht gewährleistet auch, dass das Bun­desheer die Agenden erfüllen kann, die ihm auferlegt sind. (Zwischenruf des Bun­desrates Stadler.)

Und wenn heute schon das Berufsheer in Kombination mit der Freiwilligkeit ange­sprochen worden ist und Sie, Herr Minister, gesagt haben, dass das in Deutschland eigentlich gut funktioniert, so kann ich nur Folgendes berichten: Bei uns in Nieder­österreich waren der Herr Oberst a.D. Herbert Hämmerle und der Sprecher des Landesgeschäftsführers des Roten Kreuzes Bayern Leonhard Stärk, und beide haben uns versichert, sie würden diesen Schritt nicht mehr gehen, denn die Freiwilligen sind nicht in dem Ausmaß da, wie man sie braucht, und auch der Nachwuchs für das Bundesheer ist nicht mehr gegeben.

Also sie würden diesen Schritt nicht mehr gehen, und darum glaube ich, auch für uns in Österreich ist das kein richtiger Schritt, denn wir machen eine Zwei-Klassen-Einteilung der Freiwilligen, die unbezahlten und die bezahlten, und damit untergraben wir die Freiwilligkeit. (Bundesrat Stadler: Das ist ja ein kompletter Irrsinn!)

Aber, Herr Kollege Schennach, wie Sie schon angeführt haben möchte ich jetzt natürlich dazu kommen, dass ich aus dem Waldviertel komme und dort das Bun­desheer eine wichtige Aufgabe erfüllt. Ich möchte Ihnen sagen, wenn Sie vom Auslandseinsatz gesprochen haben: 80 Prozent jener Soldaten, die im Auslands­einsatz tätig sind, kommen aus den Bundesländern, und daher sind die regionalen Dinge schon wichtig. (Bundesrat Schennach:  wir haben neun Bundesländer!)

Wenn ich jetzt den Truppenübungsplatz Allentsteig hernehme, das ist ein wichtiger Truppenübungsplatz, denn er hat die Größe und die Modernität und bietet die Möglichkeit, dass man mit allen Waffengattungen dort üben kann. Wir haben eine urbane Trainingsanlage mit Rette- und Bergeanlage, ein Trainingszentrum für Luftfahrt, Rettungsdienste, einen Wasserübungsplatz, Scharfschießmöglichkeiten, einen Feld­flug­platz, mehrere Schieß- und Sprengplätze und qualifizierte Truppenunterkünfte für


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1 600 Mann, die Möglichkeit der Verknüpfung von Realübungen mit dem Führungs­simulator in der angrenzenden Garnison Weitra, und wir können natürlich Weitra und Horn als logistisches Zentrum für Großübungen nutzen.

Ich möchte daher jetzt noch sagen, dass die Abgeordneten der ÖVP es ja schon lange gefordert haben, dass wir den Heeresforst in die Heeresverwaltung des TÜPL eingliedern. Herr Minister, es freut mich, dass Sie aufgrund von großem Druck Ihre Meinung vorgestern geändert haben, dass Sie dazu die Zustimmung gegeben haben, denn das ist ein zukunftsweisender Schritt für das österreichische Bundesheer und streicht auch die militärische Priorität des Truppenübungsplatzes hervor. Denn der bringt wirklich eine große Wertschöpfung in der Region, und das ist sehr wichtig.

Meine Forderungen für die Zukunft – das Licht leuchtet schon, aber die sind mir wichtig, die muss ich schon noch ansprechen  sind, dass wir den Mehrwert des Trup­penübungsplatzes voll ausschöpfen, der da ist, sprich eine verstärkte internationale Nutzung und auch Kooperationen anstreben, wie zum Beispiel mit der Schweiz, die ja auch ein neutraler Staat ist und die nicht die Übungsmöglichkeiten in dieser Qualität hat.

Ein weiterer Ausbau der Urbanen Trainingsanlage Steinbach ist eine wichtige Sache sowie die Beibehaltung und Intensivierung der bereits vielfältigen Nutzung des TÜPL im Sinne der Idee „Sicherheitszentrum TÜPL Allentsteig“, das auch von den zivilen Blaulichtorganisationen sprich Polizei, Rettung, Feuerwehr verstärkt genutzt wird.

Natürlich möchte ich auch noch das Zentralküchenkonzept optimieren und den realen Gegebenheiten anpassen, denn neben Wiener Neustadt einen zweiten Standort in Niederösterreich zu haben wäre ideal. Der wäre am TÜPL ideal, denn am TÜPL ist die Infrastruktur da für einen zweiten Standort, das Küchenpersonal ist da und die Abnehmer der Nahrung sind da, denn alleine am TÜPL haben wir 120 000 Nächti­gungen. Und in der Nähe von Allentsteig sind Horn, Weitra, Mautern, Melk, Langen­lebarn und Korneuburg, die auf kürzestem Weg erreicht werden könnten. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Ich komme schon zum Schlusssatz. Die moderne Infrastruktur in unseren Kasernen im Waldviertel könnten wir auch nutzen, um Auslagerungen aus dem Zentralraum Wien anzustreben, zum Beispiel das Heereslogistikzentrum, das Kraftfahrwesen oder das Institut für die Artillerie. (Bundesrat Stadler: Bauernbund!) Herr Bundesminister, das Konzept Bundesheer im Waldviertel ist von der Bevölkerung im Waldviertel gut akzeptiert, und wir können Synergien in Anspruch nehmen, die auch Sinn machen. Verwirklichen Sie dieses Konzept, und einer positiven Weiterentwicklung des öster­reichischen Bundesheers steht nichts mehr im Wege! (Beifall bei der ÖVP.)

10.14


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte.

 


10.15.03

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Modernes und reaktionsschnelles Bundesheer, dazu passt einer der Slogans: stark, modern, schnell, schneller zur Sache, mehr für die Truppe.

Wir haben heute schon sehr viel gehört und sind in höheren internationalen Sphären geschwebt. Schauen wir uns einmal die Realität an einigen Beispielen des Sol­datenalltages auch an. Zum Thema „modern“ fällt mir ein, dass unsere Soldaten oder sehr viele unserer Soldaten noch immer in 30 bis 40 Jahre alten Pinzgauern


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herumkutschieren müssen, ohne Sicherheitsgurt, von solch modernen Errungen­schaf­ten wie einem Airbag wollen wir gar nicht reden.

Dass beispielsweise am Fliegerhorst Zeltweg eine seit Jahren gesperrte und total verwilderte Hindernisbahn existiert und die Soldaten und der Kader keine Möglichkeit haben, ein Lauftraining zu absolvieren  und immerhin handelt es sich dabei um eine der größten österreichischen Kasernen mit zirka 1 000 Bediensteten –, darüber sollten wir sprechen. Vom jahrelangen Wunsch nach einer zeitgemäßen Sporthalle auf diesem Gelände, wo genügend Platz wäre, gar nicht zu reden. Das betrifft auch ein bisschen den Sport. (Bundesrat Boden: Das hätte der Scheibner schon ändern können!)

Auf besonderem Kriegsfuß scheinen Sie mit den Sanitäranlagen zu stehen, Herr Bundesminister, die Unterkunftsgebäude am Fliegerhorst Hinterstoisser sind in einem derartig desolaten Zustand, dass aus dem Keller unter den Sanitärräumen der Urin heraustropft und dass es die Wasserflecken an den Außenmauern gibt, und trotz mehrmaliger Urgenz ist bisher keine Verbesserung vorgenommen worden.

Dass die am Fliegerhorst, ebenfalls Hinterstoisser, ansässige Ausbildungskompanie angeblich aus Kostengründen, das sind ungefähr 2 500 € pro Mann, keine Schutzaus­rüstung für den Nahkampf und die Selbstverteidigung erhält, das verstehen Sie unter modern, Herr Bundesminister?!

Und stark, stark sind Sie in erster Linie in der Selbstdarstellung. Ich habe mir einige Homepages diverser Ministerien angeschaut, und auf keiner anderen ist der Selbstdar­stellung des Herrn Bundesministers so breiter Raum eingeräumt worden wie auf dieser. Ihre Worte, die Sie hier heute gebraucht haben, haben bewiesen, dass Sie in erster Linie über die internationale Tätigkeit  die ich nicht infrage stellen will, die ich für gut befinde  gesprochen haben.

Wir reden aber dabei, wie Sie selbst gesagt haben, von 1 500 Soldaten und Soldatin­nen, aber die Mehrheit der österreichischen Bundesheer-Angehörigen muss ihr Dasein in österreichischen Kasernen im Heimatland fristen. Zu dieser Stärke ist auch mit Verwunderung vermerkt worden, dass in einem Befehl vom 2. Februar die Ausbil­dungs­platzbedarfserhebung für Panzer, Kampfpanzer, für Fliegerabwehr und für die Artillerie eingestellt worden ist und keine Kadernachwuchswerbung durchzuführen ist. Das ist Verunsicherung par excellence. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wenn Sie sagen, und darüber kann man diskutieren, gewisse Waffengattungen benö­tigen wir im österreichischen Bundesheer nicht mehr, dann legen Sie die Konzepte vor und sagen, dies und jenes wird aufgelöst, aber verunsichern Sie nicht die Menschen und machen gleichzeitig noch Werbung. Auch wieder auf der Homepage sieht man als Erstes unter Waffengattungen Bilder von Panzern, von Artilleriegeschützen, von Fliegerabwehrkanonen. Ja, wenn Sie die abschaffen wollen, dann machen Sie bitte keine Werbung damit! (Beifall bei der FPÖ.)

Auf der anderen Seite haben Sie selbst gesagt, Sie wollen gepanzerte Fahrzeuge beibe­halten, also wäre es wahrscheinlich auch sinnvoll, für diese Fahrzeuge eine Ausbildung vorzunehmen.

Schnell, Herr Bundesminister, ja, das waren Sie bei der, wie sich herausstellte, unge­rechtfertigten Absetzung von Generalstabschef Entacher; sonst geschieht bei Ihnen nichts so schnell.

Ein Beispiel: die Sanierung von Kasernen. In der Maria-Theresien-Kaserne sind bei­spielsweise die sanitären Anlagen in desolatem Zustand. Unterschriftenaktionen von der Garde hat es bereits gegeben, und Sie sagen dann in einer Anfrage­beantwortung, dass es aus organisatorischen Gründen nicht so schnell geht. Die Sanierungsarbeiten


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haben ja bereits 2007 begonnen und werden – wenn wir Glück haben – heuer irgendwann einmal beendet. Also fünf Jahre, um total desolate Anlagen zu sanieren!

Als weniger schnell und reaktionsstark hat sich das Bundesheer auch bei einem anderen Thema, das zwar nicht unmittelbar mit der Landesverteidigung zu tun hat, aber doch mittelbar mit dem Bundesheer, erwiesen, nämlich dass dem Wunsch von Red Bull nicht entsprochen werden konnte, anlässlich der an diesem Wochenende am Red Bull Ring in Zeltweg stattfindenden Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft den Flughafen für zivile Flugzeuge zu öffnen. Das wurde damit begründet, dass die Über­wachung mit diesem Wochenende turnusmäßig nach Hörsching wechselt. In diesem Fall stößt man sehr wenig reaktionsschnell, Herr Minister, einen Hauptsponsor der Airpower vor den Kopf. Das ist nicht das, was wir uns unter reaktionsschnellem und starkem Handeln vorstellen.

Sie, Herr Bundesminister, haben dieses Bundesheer jetzt in eine Situation gebracht und manövriert, in der man eigentlich eher sagen müsste: nicht modern, stark und schnell, sondern konzeptlos, veraltet und schwerfällig. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.22


Präsident Gregor Hammerl: Meine Damen und Herren! Zur Abgabe einer ab­schließen­den Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und bitte ihn, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. – Bitte, Herr Minister.

 


10.22.23

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: In aller Kürze: Ich teile die in seinen Ausführungen ausgedrückte Meinung des letzten Redners, auch was Red Bull betrifft, natürlich nicht. Es gibt ein gutes Verhältnis, wie Sie richtig gesagt haben. Es stimmt, wir haben eine Kooperation, was die Airpower betrifft. In diesem Fall ist eine Beurteilung des Generalstabs an mich herangetragen worden. Wenn ich diese nicht einhalten würde, würde ich mich in den Bereich des Amtsmissbrauchs begeben – das mache ich nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Gegenrufe bei der SPÖ.) Deswegen tut es mir persönlich leid. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zur Frage Miliz möchte ich einige Anmerkungen machen, vielleicht sollte man das einmal anerkennen: Wir haben seit 2007 über 40 000 Milizsoldaten, die geübt haben – unter meinem Amtsvorgänger sind die Milizübungen ausgesetzt worden –, oder in Übungstagen umgesetzt bedeutet das 780 000 Übungstage für die Miliz. Mit dem System, das ich jetzt vorgeschlagen habe, wird die Miliz weiter gestärkt, und zwar kom­petenzmäßig und, wie ich hoffe, auch zahlenmäßig. Das heißt, das sind insgesamt 156 000 Übungstage pro Jahr. Uns vorzuwerfen, dass wir dem Milizgedanken nicht Rechnung tragen, ist aus meiner Sicht falsch. Ganz im Gegenteil: Die Miliz ist neben den Berufssoldaten der zentrale Bestandteil des österreichischen Bundesheeres.

Es gibt offensichtlich auch eine unterschiedliche Wahrnehmung, was die Infrastruktur des Bundesheeres betrifft. Es werden im Jahr rund 70 Millionen € in die Verbesserung der Infrastruktur investiert. In alter Währung ist das relativ viel – meine Tochter schimpft immer mit mir, wenn ich das sage –, nämlich 1 Milliarde S pro Jahr, also nicht so wenig, würde ich meinen.

Und wenn man die von Ihnen angesprochenen Pinzgauer hernimmt, dann muss man aber auch dazusagen, dass auch 150 Iveco-Fahrzeuge, Mehrzweckfahrzeuge ange­schafft werden, Dingos, Pandur, Ulan, Touareg. Das österreichische Bundesheer braucht sich nicht zu verstecken, was die Infrastruktur und die moderne Ausrüstung betrifft.


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Wir werden Arbeitsboote und Flachwasserboote für die Katastrophenhilfe anschaffen, wir haben beispielsweise im Bereich der Flugzeuge C 130-Hercules ein eigenes Sanitätselement eingekauft, auch das ist international anerkannt. Also man sollte nicht alles schlechtreden. Wir haben die Hubschrauber AB 212 modernisiert, wir haben mit dem Black Hawk das modernste Gerät im Hubschrauberbereich weltweit. – Das ist schon etwas!

Sie können nicht auf der einen Seite sagen, Sie sind stolz auf das österreichische Bundesheer, und auf der anderen Seite machen Sie eigentlich die Investitionen, die wir im Sinne der Truppe auch tätigen, schlecht, und das halte ich für falsch.

In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Wir haben noch immer nicht das richtige Verhältnis zwischen Verwaltung und Truppe. Wir müssen in Richtung Truppe noch verstärkte Anstrengungen unternehmen – das tun wir auch –, damit dieses Verhältnis besser wird. Wir sind kein Selbstverwaltungsladen, sondern wir sind das österreichi­sche Bundesheer, das dazu da ist, die Aufgaben Katastrophenhilfe, Auslandseinsatz, Landesverteidigung durchzuführen. Die Verwaltung muss möglichst schlank gehalten und die Truppe möglichst gut ausgebaut werden. Da gibt es noch einiges an Verbesserungspotenzial, da bin ich durchaus bei Ihnen.

Zu Allentsteig kommend: Danke, dass Sie die Lösung, die wir gefunden haben, zumindest anerkennen. Ich muss schon sagen, es gibt eine gewisse Luft nach oben. Wir müssen auch das Potenzial nützen. Gutachten, die mir vorliegen, zeigen, dass innerhalb dieses Bereiches noch etwas zu verbessern wäre. Ich möchte auch dazu sagen, ohne jetzt meine Ausführungen zu lang werden zu lassen: Ohne diese Maß­nahme, die wir jetzt gesetzt haben, wären alle Mitarbeiter Ende des Jahres 2012 auf der Straße gestanden, weil es eine sogenannte Flexibilisierungsklausel gegeben hat, die auch von meinem Vorgänger – das ist kein Vorwurf an ihn, aber das ist damals so beschlossen worden – umgesetzt wurde, und damit wäre mit Ende 2012 die ganze Sache am Ende gewesen.

Wir haben unter medialem Getöse eine Lösung gefunden, aber auch unter Einbe­ziehung der Player vor Ort, sowohl was die Landwirtschaft betrifft, als auch was die Bediensteten und ihre Personalvertreter vor Ort betrifft, und ich glaube, dass diese Lösung auch herzeigbar ist.

Was mich persönlich gestört hat – das sage ich auch offen in diesem Kreis –, ist, dass man die Restitutionsfrage mit dieser ganzen Sache vermischt hat, denn die hat mit dem überhaupt nichts zu tun gehabt. Die Frage ist ja in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg so gelöst worden, wie sie gelöst worden ist, und das der jetzigen Regierung in die Schuhe zu schieben, ist etwas billig gewesen. Aber wir haben, glaube ich, trotzdem am Ende des Tages eine gute Lösung gefunden.

Zur Frage Zweiklassengesellschaft: Ich möchte das noch einmal betonen: Liebe Kolle­ginnen und Kollegen aus dem Bundesrat, Sie wissen genau, dass auch in Organi­sationen wie dem Roten Kreuz hauptberufliche Bedienstete sind, im Arbeiter-Sa­mariter-Bund hauptberufliche Bedienstete sind, dass wir bei der Feuerwehr haupt­berufliche Bedienstete haben, und deswegen ist es aus meiner Sicht falsch, dieses Argument mit der Zweiklassengesellschaft aufzubauen, denn es geht einfach um eine Optimierung der Qualität und um die Bereitschaft von Menschen, die neben ihrem privaten Beruf auch bereit sind, für das österreichische Bundesheer im Milizsystem über einen längeren Zeitraum pro Jahr tätig zu werden.

Das ist ja gar nicht so einfach, denn man muss sich mit dem Dienstgeber einigen, dass man diese Freizeit auch bekommt, beziehungsweise sich Urlaub nehmen. Das dient dazu, uns auch in der Katastrophenhilfe noch stärker zu professionalisieren, noch mehr Kompetenz aufzubauen. Insofern sehe ich in diesem Fall kein Problem. Ganz im


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Gegenteil: Ich sehe das als Konzept, das europaweit zukunftsweisend ist und das auch von anderen Staaten wie beispielsweise Schweden und Deutschland mit Interesse beobachtet wird.

Abschließend – und da schließt sich der Kreis, weil es auch angesprochen wurde und irgendwie in einen Vorwurf verpackt wurde –: Ich stehe zu den Auslandseinsätzen des österreichischen Bundesheeres, und zwar zu allen.

Ich stehe zum Einsatz in Syrien, kein einfacher Einsatz derzeit, da es innerhalb von Syrien Spannungen gibt. Wir verurteilen die Gewalt in Syrien gemeinsam in der österreichischen Bundesregierung. Unsere UNO-Soldaten haben eine andere Aufgabe, wir wachen über den Waffenstillstand zwischen Syrien und Israel, zu dem stehen wir. Ich habe dem Generalsekretär der UNO auch ganz klar gesagt, dass ich von ihm erwarte, da wir die stärkste Truppensteller-Nation sind, dass auch klargestellt wird, wie sich unsere SoldatInnen im Fall des Falles verhalten müssen, wenn es beispielsweise Flüchtlingsströme in unsere Zone gibt. Er hat mir versichert, dass er das in den nächsten Tagen auch thematisieren und aufarbeiten wird. Wir sind dort mit 380 Soldatinnen und Soldaten tätig.

Wir sind im Libanon tätig, auch keine einfache Aufgabe, da wir dort eine Logistik­funktion haben und sich unsere Soldatinnen und Soldaten in der Zone mit Autos, mit Bussen bewegen müssen. Das ist keine einfache Aufgabe.

Und wir haben die beiden Hot Spots am Westbalkan, Kosovo und Bosnien. Und auch zu diesen Einsätzen stehe ich.

Das macht das österreichische Bundesheer im internationalen Vergleich attraktiv. Und das wird nicht nur beim Verteidigungsministertreffen oder bei der UNO so gesehen, dass das – noch einmal gesagt – anerkannt und sozusagen visible, also sichtbar wird, das ist Faktum, und wir bekennen uns dazu. Und das ist auch eine Marke, die wir über Jahre aufgebaut haben über alle Regierungen hinweg – egal, ob es eine sozialdemokratisch dominierte Regierung war oder ob es die schwarz-blaue Regierung war. Wir waren ja auch in Afghanistan unter Schwarz-Blau, dazu stehen wir. Und das österreichische Bundesheer ist in diesem Bereich so aufgestellt, dass es ein Eckpfeiler ist. Darauf bin ich stolz. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Insgesamt meine ich, dass wir mit den Aufgaben, die wir uns gemeinsam gestellt haben, und mit der Sicherheitsstrategie, die jetzt im Parlament liegt – und ich lade zuerst die Mitglieder des Nationalrates und dann auch Sie ein, sich damit zu be­schäftigen –, richtig liegen, und wir werden damit auch die Zukunftsaufgaben des österreichischen Bundesheeres bewältigen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

10.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich verabschiede den Herrn Minister. Herzlichen Dank.

Ich glaube, Staatssekretär Dr. Ostermayer ist noch nicht begrüßt worden. Herzlich willkommen bei uns hier im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

10.31.10Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, verviel­fältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2672/AB bis 2673/AB beziehungsweise

jenes Schreibens des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-


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Verfassungsgesetz betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon sowie

jener Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die Aufnahme von Verhandlun­gen für je ein Abkommen mit Israel und mit Argentinien über die Zusammenarbeit im Bereich Film beziehungsweise

jenes Schreibens der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit der Regierung der Republik Montenegro zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern von Einkommen und Vermögen sowie

des Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töch­terle am 31. Mai 2012 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates bei gleichzeitiger Wahrneh­mung seiner Angelegenheiten im Bundesratsplenum durch die Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6)

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Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten sowie der Bundesministerin für Finanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH                   Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BKA-405.885/0013-IV/5/2012                                      GZ: BMeiA-EU.8.33.02/0010-I.2a/2012

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                                                                                 9. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundeskanzler Werner Faymann und Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichten wir Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 8. Mai 2012 (Pkt. 18 des Beschl.Prot. Nr. 142) der Herr Bundespräsident am selben Tag die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information legen wir eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit unseren besten Grüßen

Mag. Dr. Christa PEUTL                                                                         Bot. Dr. Johannes KYRLE


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 30

Stellvertretende Leiterin                                                                                         Generalsekretär für

der Sektion Koordination                                                                      auswärtige Angelegenheiten

Beilage“

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH                   Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMEIA-EU.8.33.02/0010-I.2A/2012                                   BMeiA-EU.3.18.25/0048-III.1/2012

Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon, Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Der Vertrag von Lissabon wurde von den Staats- und Regierungschefs der EU im Rahmen einer Regierungskonferenz am 13. Dezember 2007 unterzeichnet. Für sein Inkrafttreten war die Ratifikation durch alle 27 Mitgliedstaaten der EU nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften erforderlich. Im Zuge des am 12. Juni 2008 in Irland abgehaltenen Referendums sprach sich jedoch die Mehrheit der Abstimmenden gegen eine Ratifikation des Vertrags von Lissabon durch Irland aus.

Im Lichte des Ergebnisses des irischen Referendums wurde auf der Tagung des Europäischen Rates (ER) am 18./19. Juni 2009 ein „Beschluss der im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon“ (Anlage 1 zu den Schlussfolgerungen) angenommen, worin klargestellt wird, dass bestimmte Angelegenheiten, die der irischen Bevölkerung Anlass zur Sorge gegeben haben, durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht berührt werden. Die Klarstellungen beziehen sich auf das Recht auf Leben, Familie und Bildung, den Bereich Steuerwesen sowie Sicherheit- und Verteidigung. Gemäß den Schlussfol­gerungen des ER vom 18./19. Juni 2009 sollen die Bestimmungen des Beschlusses zum Zeitpunkt des Abschlusses des nächsten Beitrittsvertrags in ein Protokoll aufge­nommen werden, das nach Maßgabe der jeweiligen verfassungsrechtlichen Vor­schriften der Mitgliedstaaten der EU dem EUV und dem AEUV beigefügt wird. Das Protokoll dient der Klärung einzelner primärrechtlicher Bestimmungen.

Aufgrund dieser politischen Vereinbarung hat Irland mit Schreiben vom 20. Juli 2011 dem Rat gemäß Art. 48 Abs. 2 EUV einen Vorschlag für eine Änderung der Verträge unterbreitet, wonach dem EUV und dem AEUV das oben erwähnte Protokoll beigefügt werden soll. Der ER hat anlässlich seiner Tagung am 23. Oktober 2011 gemäß Art. 48 Abs. 3 EUV beschlossen, das Europäische Parlament (EP) und die Europäische Kommission (EK) anzuhören und das EP zu ersuchen, seine Zustimmung zum Absehen von der Einberufung eines Konvents zu erteilen, da dessen Einberufung in Hinblick auf den Umfang der geplanten Vertragsänderung nicht gerechtfertigt sei. Das EP hat am 18. April 2012 seine Zustimmung zum Verzicht auf die Einberufung eines Konvents und eine befürwortende Stellungnahme in Hinblick auf einen Beschluss des ER zugunsten einer Prüfung der zu den Verträgen vorgeschlagenen Änderungen abgegeben. Nach Abgabe der Stellungnahme durch die EK legt der ER im schriftlichen Verfahren das Mandat für eine Regierungskonferenz fest. Diese wird vom Präsidenten des Rates voraussichtlich für den 16. Mai 2012 einberufen und soll sich auf die an den Verträgen vorzunehmenden Änderungen einigen.

Das Protokoll ist von allen 27 Mitgliedstaaten entsprechend ihren verfassungs­rechtlichen Vorschriften zu ratifizieren, damit es (möglichst gemeinsam mit dem Vertrag über den Beitritt Kroatiens zur EU am 1. Juli 2013) in Kraft treten kann.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 31

Zum Inhalt des Entwurfs eines Protokolls (Dok. EUCO 92/11):

Der Entwurf greift drei aus irischer Sicht besonders relevante rechtspolitische Aspekte heraus: Er stellt klar, dass die Bestimmungen des Vertrags von Lissabon, die der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechtsstatus verleihen, und die Bestimmungen im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts keinen Einfluss auf Geltungsbereich und Anwendbarkeit der irischen Verfassungsbestimmungen zum Schutz des Rechts auf Leben, zum Schutz der Familie und zum Schutz der Rechte in Bezug auf Bildung haben. Weiters hält der Entwurf fest, dass der Umfang und die Ausübung der Zuständigkeiten der EU im Bereich der Steuerpolitik durch den Vertrag von Lissabon nicht geändert werden. Schließlich werden Klarstellungen in Hinblick auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und der Mitgliedstaaten, inklusive der Neutralitätspolitik, getroffen.

Mit der Verhandlung dieses Protokolls sollen folgende Personen betraut werden:

Werner Faymann                                                                                                              Bundeskanzler

Dr. Michael Spindelegger                          Vizekanzler und Bundesminister für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Bot. Mag. Walter Grahammer                             Ständiger Vertreter Österreichs bei der EU

Die geplante Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union wird der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Gemeinsam stellen wir daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle

dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die oben angeführten Personen zu Ver­handlungen über ein Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon zu bevollmächtigen.

Wien, am ... Mai 2012

FAYMANN                                                                                                                  SPINDELEGGER“

*****

„DR. MARIA FEKTER                                                                                                                         BMF

FINANZMINISTERIN                                                                                BUNDESMINISTERIUM

                                                                                                                                              FÜR FINANZEN

Herr Präsident des Bundesrates

Gregor Hammerl

Parlament                                                                                                            Wien, am 15. Mai 2012

1017 Wien                                                                                      GZ: BMF-010221/0136-IV/4/2012

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Gregor!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 142. Sitzung des Ministerrates am 8. Mai 2012 Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Montenegro zur Vermeidung der Doppelbesteuerung


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 32

auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Mit Montenegro besteht derzeit keine Regelung zur Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens, welches das Wirtschaftshindernis der doppelten Besteuerung vermeidet, könnte eine wesentliche Grundlage für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Öster­reich und Montenegro geschaffen werden. Der Aufbau steuervertraglicher Bezie­hun­gen zu Montenegro liegt somit auch im Interesse der Förderung des Wirtschafts­standorts Österreich.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Maria“

*****

                                                                                                                                                                    „bmwfj

                                                                                                                                  Bundesministerium für

                                                                                                                 Wirtschaft, Familie und Jugend

Parlament

Herrn

Präsidenten des Bundesrates                                                                                Name/Durchwahl:

Gregor Hammerl                                                                                                            Mag. Möstl/5034

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                               Geschäftszahl:

1017 Wien                                                                                           BMWFJ-10.640/0025-ÖA/2012

Filmabkommen Österreich – Israel; Aufnahme der Verhandlungen

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 20. Juli 2010 (Pkt. 53 des Beschl.Prot. Nr. 67) der Herr Bundespräsident am 28. April 2012 die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Ab- kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über die Zusammenarbeit im Bereich Film erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Beilage

Mit freundlichen Grüßen

Wien, am 11.05.2012

Für den Bundesminister:

i.V. Mag.Dr.phil. Harald Hoyer

Elektronisch gefertigt.“

„DR. REINHOLD MITTERLEHNER                                                                                           bmwfj

Bundesminister                                                                                                   Bundesministerium für

                                                                                                              Wirtschaft, Familien und Jugend

GZ: BMWFJ-10.640/0018-IK/2/2010                                                                                           67/53


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 33

Betreff: Erteilung der Verhandlungsvollmacht zum Abschluss eines Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über die Zusammenarbeit im Bereich Film

Vortrag an den Ministerrat

Im Interesse der Intensivierung filmwirtschaftlicher Beziehungen hat Österreich mit einer Reihe von Staaten bilaterale Abkommen über Beziehungen im Bereich Film abge­schlossen. Ziele derartiger Abkommen sind insbesondere eine vermehrte Durchführung von Gemeinschaftsproduktionen und Kofinanzierungen und eine stärkere Verbreitung von in den Vertragsstaaten produzierten Filmen.

Gemäß offizieller Mitteilungen von Seiten Israels besteht der Wunsch, mit Österreich ein derartiges Abkommen abzuschließen. Auch von Seiten der österreichischen Filmwirtschaft besteht Interesse am Abschluss eines derartigen Abkommens.

Daher erscheint es im Interesse des Filmstandorts Österreich tunlich, dass das Bun­desministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend unter Einbindung der zu­ständigen Abteilung V/3 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur Verhandlungen über ein solches Abkommen aufnimmt.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Das Abkommen wird gesetzesändernden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Ich stelle daher im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für europäische und  internationale Angelegenheiten und der Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Herrn Mag. Wolfgang SCHNEIDER, Leiter der Abteilung Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, und Herrn Dr. Thomas KOHLERT, Leiter der Abteilung Informationsmanagement im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, zur Führung der Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über die Zusammenarbeit im Bereich Film zu ermächtigen.

Wien, am 13. Juli 2010

Dr. Reinhold Mitterlehner

*****

                                                                                                                                                                    „bmwfj

                                                                                                                                  Bundesministerium für

                                                                                                                 Wirtschaft, Familie und Jugend

Präsidenten des Bundesrates                                                                                Name/Durchwahl:

Gregor Hammerl                                                                                                            Mag. Möstl/5034

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                               Geschäftszahl:

1017 Wien                                                                                           BMWFJ-10.640/0031-ÖA/2012


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 34

Filmabkommen Österreich – Argentinien; Aufnahme der Verhandlungen

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 21. Februar 2012 (Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 131) der Herr Bundespräsident am 28. April 2012 die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Argentini­schen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich Film erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Beilage

Mit freundlichen Grüßen

Wien, am 25.05.2012

Für den Bundesminister:

Mag.phil. Wolfgang Schneider“

                                                                                                                                                                    „bmwfj

                                                                                                                                  Bundesministerium für

                                                                                                                 Wirtschaft, Familie und Jugend

GZ: BMWFJ-10.640/0127-IK/2/2011                                                                                         131/16

Betreff: Erteilung der Verhandlungsvollmacht zum Abschluss eines Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Argentini­schen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich Film

Vortrag an den Ministerrat

Im Interesse der Intensivierung filmwirtschaftlicher Beziehungen hat Österreich mit einer Reihe von Staaten bilaterale Abkommen über Beziehungen im Bereich Film ab­ge­schlossen. Ziele derartiger Abkommen sind insbesondere eine vermehrte Durch­führung von Gemeinschaftsproduktionen und Kofinanzierungen und eine stärkere Verbreitung von in den Vertragsstaaten produzierten Filmen.

Gemäß offizieller Mitteilungen von Seiten Argentiniens besteht der Wunsch, mit Österreich ein derartiges Abkommen abzuschließen. Auch von Seiten der österreichi­schen Filmwirtschaft besteht Interesse am Abschluss eines derartigen Abkommens.

Daher erscheint es im Interesse des Filmstandorts Österreich tunlich, dass das Bundes­ministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend unter Einbindung der zuständigen Abteilung V/3 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur Verhandlungen über ein solches Abkommen aufnimmt.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 35

Ich stelle daher im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und der Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Herrn Mag. Wolfgang SCHNEIDER, Leiter der Abteilung Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, und Herrn Dr. Thomas KOHLERT, Leiter der Abteilung Informationsmanagement im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Argentini­schen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich Film zu ermächtigen.

Wien, am 15. Februar 2012

Dr. Reinhold Mitterlehner

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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                    Geschäftszahl: BKA-350.200/0074-I/4/2012

An den                                                                                                  Abteilungsmail: mrd@bka.gv.at

Präsidenten des Bundesrates                                                Sachbearbeiterin: Ingeborg HEIM

Parlament                                                                              Pers. eMail: Ingeborg.heim@bka.gv.at

1017 Wien                                                                                                         Telefon: 01/531 15/2217

                                                                                                                                      Datum: 30. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz TÖCHTERLE am 31. Mai 2012 in Brüssel aufhalten wird. Seine Angelegenheiten im Bundesrat-Plenum lässt er an diesem Tag durch Bundesministerin Mag. Johanna MIKL-LEITNER wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weiters gebe ich bekannt, dass Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Gesundheit Alois Stöger, diplômé, vom 28. bis 31. Mai 2012 in Vietnam bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer mit seiner Vertretung sowie den des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner vom 28.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 36

bis 31. Mai 2012 in Vietnam bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Finanzen Dr. Maria Fekter mit seiner Vertretung eingelangt sind.

Darüber hinaus ist ein Schreiben des Bundeskanzlers über seine verfassungsmäßige Vertretung des Herrn Bundespräsidenten während dessen Vietnamaufenthaltes vom 28. bis 31. Mai 2012 eingelangt. Des Weiteren teilt der Bundeskanzler mit, dass durch seinen Aufenthalt vom 31. Mai bis 4. Juni 2012 ebenfalls außerhalb des Gebiets von Mitgliedstaaten der EU seine Vertretung und auch die des Herrn Bundespräsidenten gemäß Artikel 64 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 69 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch den Herrn Vizekanzler wahrgenommen werden.

Für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers am 31. Mai 2012 wird die Vertretung des Bundeskanzlers gemäß Artikel 69 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch das dienstälteste Mitglied der Bundes­regierung – Frau Bundesministerin Dr. Claudia Schmied – wahrgenommen.

*****

Ebenso ist der Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2011 eingelangt, der dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zuge­wiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte sowie jener Ent­schließungs­antrag 189/A(E)-BR/2012 der Bundesräte Kneifel, Mag. Klug und Dönmez beziehungsweise jene Petition 31/PET-BR/2012, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Tagesordnungspunkte 6 und 7 jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen.

10.35.141. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Finanz-Verfassungsgesetz 1948, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz, mit dem das Invalideneinstellungs­ge­setz 1969 geändert wird, das Bundessozialamtsgesetz, das Umweltverträglich­keitsprüfungsgesetz 2000, das Bundesgesetzblattgesetz, das Verwal­tungs­ge­richts­hofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) (1618 d.B. und 1771 d.B. sowie 8730/BR d.B. und 8731/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 37

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Bitte um den Bericht.

10.35.25

Berichterstatter Franz Perhab: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 mit dem Sammelbegriff Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012.

Meine Damen und Herren, der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


10.36.13

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Im Kern beschließen wir mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle de facto eine der größten Verwaltungsreformen seit 1920. Keine Sorge! Für all jene Damen und Herren, die bisher im Verwaltungsverfahren beheimatet waren: Wir werden den von so vielen geliebten Bescheid als Instrument im Verwaltungsverfahren nicht aufgeben. Er wird uns in der ersten Instanz erhalten bleiben.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der zweiten Instanz, also im Berufungs­ver­fahren, setzen wir an die Stelle einer Verwaltungsbehörde ein ordentliches Gericht. Und jetzt mag es sein, dass Juristen in diesem Zusammenhang eine besondere Sensibilität entwickeln. Aber ich glaube schon, dass es beachtlich ist, darauf aufmerk­sam zu machen, dass diese organisatorische Veränderung im Verwaltungs­verfahren de facto nicht nur bedeutet, dass wir eine europarechtliche Lücke schließen, wo uns ja im Wesentlichen immer vorgeworfen wurde, dass es im Berufungsverfahren und damit in der zweiten Instanz keinen unabhängigen Richter gibt, sondern dass darüber hinaus meines Erachtens auch rechtsstaatlich und rechtspolitisch ein deutlicher Quanten­sprung im Verwaltungsverfahren gelingt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon mehrfach vorgekommen, dass unter anderem die Grünen darauf hingewiesen haben, aber es auch von uns mitunter als eine doch etwas eigenartige Optik empfunden wurde, wenn zum Beispiel in so besonders sensiblen Rechtsmaterien wie dem Fremdenrecht in der zweiten Instanz, also im Berufungsverfahren, das Bundesministerium für Inneres inhaltlich zuständig ist. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, ich glaube, das hatte immer schon eine etwas eigentümliche Optik. Und ich freue mich außerordentlich, dass wir in diesem Zusammenhang zukünftig auch da ein unabhängiges ordentliches Gericht haben werden.

Drittens bedeutet – und das möchte ich nicht unerwähnt lassen – diese inhaltliche Reform auch eine Umsetzung der Ergebnisse einer langjährigen Debatte aus dem Österreich-Konvent. Es ist nicht die erste Maßnahme. Ich betone das deshalb, weil von dieser Bundesregierung eine im Österreich-Konvent vorgeschlagene Maßnahme heute ins Finale gebracht wird.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 38

Als vorletzten Punkt möchte ich in der Länderkammer und im Bundesrat doch auch noch erwähnen und somit aus föderalistischer Sicht, ohne dass da vielleicht zu viele Träume entstehen, darauf aufmerksam machen, dass wir heute erstmals ein Verwal­tungsgericht respektive neun Landesverwaltungsgerichte mit Landeszuständigkeit beschließen – an sich ein Novum in der österreichischen Gerichtsbarkeit, das gerade im Bundesrat nicht unbeachtet bleiben sollte.

Und zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das das letzte Mal im Zuge der Behördenreformdebatte schon angemerkt: In aller Offenheit sage ich für die sozialdemokratische Fraktion, wir erwarten uns im Zusammenhang mit der Debatte rund um den Wirtschaftsstandort Österreich auch eine deutliche Beschleunigung der Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Nach den Debatten im Ausschuss wissen alle, dass es inhaltlich zur Konsequenz kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof nur mehr in grundsätzlichen Fragestellungen zuständig sein wird. Denn – liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache auch in diesem Zusammenhang als Sozialdemokrat aus meinem Herzen keine Mördergrube – dass es am Wirtschaftsstandort Österreich bei einzelnen Genehmigungsverfahren noch immer die Situation gibt, dass das Genehmigungsverfahren so lange dauert, dass zum Teil die Technologie schon überholt ist, die eigentlich genehmigt werden sollte, das ist etwas, was de facto unzumutbar, unzureichend ist, und ich erwarte mir in diesem Zusam­menhang eine deutliche Verbesserung.

Was bedeutet die Veränderung im Verwaltungsverfahren für die Länder? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den einzelnen neun Bundesländern – auch im Bund, aber vor allem auch in den Ländern – kommen maßgebliche organisatorische Verän­de­rungen auf uns zu. Die Unabhängigen Verwaltungssenate, aber natürlich auch Teile aus den Ämtern der Landesregierungen – mag sein, dass die ersten quantitativen Einschätzungen zwischen 10 und 25 Prozentpunkten liegen – werden zukünftig in die neun Landesverwaltungsgerichte übergeführt. Das bedeutet nicht nur auf der Ebene der Materiengesetze noch viele, viele Anstrengungen, sondern zweifelsohne in den Organisationeinheiten der Ämter und der Landesregierungen beachtliche organisatori­sche Maßnahmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als erster Redner zu diesem Tagesordnungspunkt zu guter Letzt: Mag sein, dass man in der österreichischen Politik zum Beispiel mit einer Pensionsreform eine beachtliche Öffentlichkeitsarbeit zustande bringt. Das mag durchaus sein. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber Folgendes sagen: Ich habe eingangs von einer der größten Verwaltungsreformen seit 1920 gesprochen, und es kann sein, dass dies nur von einigen wenigen, zum Teil unmittelbar Betroffenen wahr­genommen wurde. Aber ich mache schon auf eines aufmerksam: 25 Jahre Diskussion, mehrere Jahre europarechtliche Vorwürfe, viele Diskussionen im Österreich-Konvent, ein Hearing im Nationalrat, acht Entschließungsanträge, acht Ausschussfeststellungen, Einbeziehungen der Länder – und das alles vor dem Hintergrund, dass es wohl so sein wird, dass wir das heute einstimmig beschließen.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, das ist eine beachtliche Leistung, und das muss erst einmal jemand zusammenbringen. Ich möchte dir im Namen der sozialdemo­kratischen Fraktion in diesem Zusammenhang wirklich ein großes Kompliment aussprechen. – Danke und Glück auf! (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 39

10.42.47

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die Ausübung der Gerichtsbarkeit und der Justiz ist eine Kernaufgabe des Staates. Wenn man alles verändern kann, aber daran wird sicher nicht gerüttelt. Gerichtsbarkeit ist sozusagen ein wesentliches Geschäftsfeld des Staates. Und mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben erfolgt die bisher größte Rechtsschutzreform – das ist bereits von meinem Vorgänger gesagt worden – seit Inkrafttreten der Bundesverfassung.

Ich sehe wesentliche Vorteile darin, etwa in der Verbesserung des Rechtsstaates, weil mit dieser Reform endlich auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention, auf die diesbezüglichen Hinweise der letzten Monate und Jahre reagiert und eine unabhängige Rechtsschutzeinrichtung umgesetzt wird. In den letzten Jahren wurde ja immer wieder beklagt, dass einige Bundeseinrichtungen von den Ländern zentral nach Wien kommen. Ich schätze es, dass jetzt die Länder aufgewertet werden, dass die Länder tatsächlich an der Staatsform Justiz beteiligt werden. Das ist auch ein Vorteil und eine Stärkung des Föderalismus in unserem Staat.

Durch die Schaffung von neun Landesgerichten, die in den Bundesländern angesiedelt werden, rückt die Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch näher zum Bürger. Außerdem wird damit auch der Zugang zum Recht verbessert. Wir hatten ja bisher die Situation, dass ungefähr 120 verschiedene Behörden und Sonderbehörden, Sondergerichte et cetera eingerichtet sind und sich somit der Bürger sehr oft fragte, wohin er sich wenden soll, wohin er sich wenden muss, damit er zu seinem verdienten Recht Zugang erhält. Das wird jetzt auf die neun Verwaltungsgerichte reduziert, was ein Vorteil ist.

Außerdem bedeutet das eine Beschleunigung der Verfahren. Mein Vorredner hat schon generell darauf hingewiesen, ich darf das ergänzen. Nach einem Gespräch mit dem Präsidenten des UVS in Oberösterreich, Herrn Dr. Hannes Fischer, habe ich mir die letzten Entscheidungen vorlegen lassen. 98 Prozent der Entscheidungen des UVS Oberösterreich, des Unabhängigen Verwaltungssenates, sind bereits endgültige Entscheidungen – also schon im jetzigen Stadium –, und dies bei einer durch­schnitt­lichen Verfahrensdauer beim UVS in Oberösterreich von rund drei Monaten. 98 Pro­zent der Entscheidungen werden sofort akzeptiert.

Jetzt werden Sie fragen, wie diese Entwicklung weitergeht. Diese hohe Erledigungs­quote ergibt sich daraus, dass, obwohl bei allen Erledigungen grundsätzlich eine Beschwerdemöglichkeit bei den Höchstgerichten bestand, in rund 95 Prozent der Fälle von vornherein keine Beschwerde eingelegt wurde. In 95 Prozent der Fälle gab es gegen die Entscheidungen keine Beschwerde an die Höchstgerichte, obwohl es jedem Bürger freistehen würde, diesen Weg zu gehen. In 95 Prozent der Fälle wurde die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates bereits akzeptiert. Dies bedeutet wirklich ein hohes Maß an Akzeptanz dieser Entscheidungen und stellt den dort tätigen Juristen ein sehr gutes Zeugnis aus.

In weiterer Folge: Soweit es in den vom UVS Oberösterreich entschiedenen Fällen Beschwerden an die Höchstgerichte gab – bei 95 Prozent bleibt einen Differenz von 5 Prozent; was ist mit diesen 5 Prozent Beschwerden? –, wird der UVS Oberösterreich in 80 Prozent der Fälle bestätigt. Selbst wenn sie ans Höchstgericht weitergehen, sind die Entscheidungen der Landesverwaltungsbehörden bisher weitgehend bestätigt worden. Wir gehen da also einen sehr guten Weg, und die Akzeptanz ist eine äußerst hohe; sie spricht wirklich für die Qualität der Entscheidungen in den bisherigen Behörden, die jetzt in die Landesverwaltungsgerichte umgewandelt werden.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 40

Ich glaube, dass damit zumindest mittelfristig auch eine Ersparnis eintreten wird. Und selbst wenn keine Ersparnis eintritt, muss ich sagen, ist diese Maßnahme dadurch, dass die Gerichte näher beim Bürger sind, dass sie rascher entscheiden, schon gerechtfertigt. Die Effizienz bei Gerichtsverfahren wird wesentlich verbessert.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: All diese Argumente sprechen für diese Entscheidung: Verbesserung des Rechtsstaates, Stärkung des Föderalismus, dass eben auch die Länder in die Staatsform Justiz eingebunden werden, bessere Übersicht und mehr Klarheit für die Bürgerinnen und Bürger, was das Recht betrifft, und Beschleunigung der Verfahren. Ich glaube, das ist ein guter Tag für die Recht­sprechung und auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.49

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


10.49.24

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits von meinen Vorrednern gesagt: Mit der Beschlussfassung dieses Gesetzes wird eine der größten Verwaltungsstrukturreformen umgesetzt, die es in dieser Republik bislang gegeben hat. Durch die Schaffung der zweistufigen Gerichtsbarkeit in der Verwaltung ist es nunmehr gelungen, dass man ein seit über zwei Jahrzehnten besprochenes Thema, das immer wieder verhandelt wurde, das verschoben, das ausgesetzt, das wieder neu verhandelt wurde, nun zu einem Abschluss bringen kann.

Uns Freiheitlichen ist die Einführung dieser Verwaltungsgerichtsbarkeit seit jeher ein wichtiges Anliegen – das ist bei uns auch im Parteiprogramm verankert –, eben weil wir der Meinung sind und waren, dass das der Rechtssicherheit in Österreich dient, dass dies eine Vereinfachung und somit auch tatsächliche Verbesserungen im Hinblick auf Bürgernähe bringt.

An die 120 Sonderbehörden werden abgeschafft, ein für die Menschen in unserem Land zumeist undurchschaubarer Bürokratismus wird beseitigt.

Was für uns allerdings besonders hervorzuheben ist, ist die Tatsache, dass zahlreiche Punkte und Themen, die wir Freiheitliche in unserer Arbeit, auch in den Ausschuss­sitzungen eingebracht haben, übernommen worden sind und dass man auch von allen Seiten bereit war, Herr Staatssekretär, Kompromisse einzugehen.

Als Beispiel sei der Instanzenzug im Bereich der Selbstverwaltung der Kammern der Freien Berufe genannt. Das haben wir ändern können. Da der Instanzenzug an die Verwaltungsgerichte aus unserer Sicht einfach nicht notwendig und sinnvoll gewesen wäre, gibt es jetzt für Notare, für Rechtsanwälte die Möglichkeit des Zugangs zur ordent­lichen Gerichtsbarkeit. Auch kann der Verwaltungsgerichtshof jetzt in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und – wie es im Gesetz heißt – „die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.“

Die Schaffung der zweistufigen Gerichtsbarkeit führt aber auch dazu, dass man den Wirtschaftsstandort Österreich stärkt, und zwar massiv stärkt. Ein klarer, über­schaubarer Rechtsweg, Entscheidungen werden nunmehr durch unabhängige Richter im ordentlichen Instanzenzug gefällt, schnellere Genehmigungsverfahren, daher raschere Rechtssicherheit für die Unternehmen – all das stärkt den Wirtschaftsstandort Österreich.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 41

Kollege Gerald Klug hat es bereits gesagt: Hervorzuheben ist, dass damit die Länder zum ersten Mal eine eigene Gerichtsbarkeit erhalten. Die Schaffung von Landes­verwaltungsgerichten stärkt natürlich den Föderalismus, stärkt die Länder, verkürzt die Wege und schafft wiederum Bürgernähe.

Man sollte aber – und damit komme ich zum Schluss – nicht vergessen, dass in Wirklichkeit jetzt erst die tatsächlich schwierige Arbeit beginnt, nämlich die Umsetzung. Es wird sich zeigen, ob es gelingt, das, was hier heute auf den Weg gebracht wird, dann tatsächlich auf Dauer sinnvoll umzusetzen.

Wir wissen alle, wir haben 2013 Wahlen, und ich hoffe doch, dass bis dahin dieses Thema abgeschlossen werden wird, denn ansonsten, könnte ich mir vorstellen, wird es doch noch längere Zeit brauchen, und es wird da sicherlich ein rechtsleerer Raum geschaffen, der in Wirklichkeit nicht nötig wäre.

Wir glauben, dass es machbar ist und dass es gelingen wird, das innerhalb eines Jahres umzusetzen, auch weil einfach erkennbar ist, dass man das will. Es ist der Wille zur Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen und den Parteien da. Wenn man dann in einem Jahr eine Evaluierung durchführt, wird man sehen, ob das Ganze zu einem guten Ende gebracht werden kann oder nicht.

Ich darf abschließend noch einmal darauf hinweisen, dass wir Freiheitliche es als sehr positiv bewerten, Herr Staatssekretär, dass auch auf Forderungen und Vorstellungen von uns Freiheitlichen und der Opposition insgesamt eingegangen wurde und diese Vorschläge auch aufgenommen wurden. Wir werden diesem Gesetz heute natürlich auch zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

10.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 


10.53.49

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Jetzt muss man quasi den Zusehern und Zuseherinnen von ORF III sagen: Wenn Sie eine kontroversielle Debatte erwarten, in der sich die Parteien gegenseitig alles Mögliche vorwerfen, was alles schiefgehen würde, dann ist das natürlich in diesem Fall nicht so.

Tatsächlich ist es so – und das ist außergewöhnlich für die österreichische Politik, das muss man hier betonen; leider ist es außergewöhnlich für die österreichische Politik –, dass es sich um einen sehr konsensualen Weg gehandelt hat, wo alle Parteien beteiligt waren, wo zugehört worden ist – auch das ist leider keine Selbstverständlichkeit –, wo auf Argumente eingegangen wurde und wo sich alle Parteien und alle, die da mitdiskutiert haben, beteiligen konnten. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich möchte mich diesbezüglich auch dem Dank anschließen, Herr Staatssekretär. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich würde mir wünschen, die Bundesregierung würde generell so agieren, gebe ich zu. Vielleicht können Sie ja überhaupt für die ganzen Verwaltungsreformen, die noch bevorstehen, zuständig sein, denn fünf Parteien, neun Länder, viele Interessen in ein Gesetz fließen zu lassen, das eine derartige Reform beinhaltet – 120 Behörden werden eingespart –, das ist keine Selbstverständlichkeit.

„Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle“ ist natürlich andererseits so ein Wort, ein Ausdruck, der für die Menschen zu Hause wahrscheinlich nicht ganz nachvollziehbar wie eine ganz große Reform klingt, wo jetzt etwas ganz Neues passiert. Das klingt eher nach bürokratischem Jargon; da wird halt ein bisschen umgemodelt und fertig. – Nein, man muss wirklich sagen, für die Bürgerinnen und Bürger ändert sich mit dieser Reform sehr, sehr viel.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 42

Zum ersten Mal können Bürger und Bürgerinnen gegen einen Bescheid bei einem der neun Landesverwaltungsgerichte oder eben einem der zwei Bundesver­waltungs­gerichte Beschwerde einreichen und müssen sich nicht anschauen, welche Behörde oder Sonderbehörde denn für den jeweiligen Fall zuständig wäre.

Wir finden gleichzeitig gut, dass die Unverträglichkeitsprüfungsverfahren jetzt beim Bundesverwaltungsgericht angesiedelt sind. Das ist besonders für die Umwelt­verträg­lichkeitsverfahren wichtig, damit neun Länder nicht völlig unterschiedliche Wegen gehen, völlig auseinanderklaffen in der Handhabung, sondern dass es da doch gemeinsame Standards in Österreich gibt. Es wäre natürlich noch besser, wenn es diese Standards auf europäischer Ebene gäbe, aber wir sind ja im österreichischen Nationalrat, im österreichischen Bundesrat; wir sind jetzt einmal für die neun Länder zuständig, und da haben wir das jetzt erreicht.

Wir finden es gut, dass die Autonomie der Universitäten gewahrt bleibt, und wir finden es hervorragend – da möchte ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Klug kurz korrigieren: es geht um das Asylrecht, nicht um das Fremdenrecht, zwei völlig verschiedene Paar Schuhe, die leider sehr oft verwechselt werden, allerdings nichts miteinander zu tun haben –, dass ein Sündenfall aus dem Jahr 2008 endlich beseitigt wird.

Wir hatten ja seit 2008 de facto eine Zwei-Klassen-Justiz. Jeder Bürger/jede Bürgerin konnte Gerichtshöfe anrufen, wenn Bescheide vorlagen, während dies Asylwerber und Asylwerberinnen nicht konnten. Wir sind froh, dass dieses Manko jetzt beseitigt worden ist.

Nichtsdestotrotz heißt es aufpassen. Man wird sich trotzdem in einem Jahr – oder wann auch immer man das evaluiert – anschauen müssen: Wie hat es funktioniert? Wo hat es Probleme gegeben? Was hat super funktioniert? Man wird darauf schauen müssen, wie die MitarbeiterInnen im Unabhängigen Verwaltungssenat zu RichterInnen werden – das wird sicher eine der großen Fragen sein –, ob die Posten der Rich­terInnen transparent besetzt werden, ohne dass es zur klassischen Posten­vergabe aus anderen Gründen kommt, und ob Fortschritte, wie etwa im Fall des Instan­zenzugs für AsylwerberInnen, nicht durch Einzelgesetze dann wiederum ausgehebelt werden. Darauf muss man sicher achten.

Wie gesagt, Herr Staatssekretär, ich würde mir wünschen, dass Sie jetzt gleich die Gesundheitsreform, die Schulverwaltungsreform und alle anderen Reformen auch machen. Mit der Ernsthaftigkeit, dass alle an einem Tisch saßen, sind diese Themen noch nicht angegangen worden.

Das ist einmal ein erster Schritt zu einer modernen Verwaltung in Österreich. Wir begrüßen das. Wir stimmen natürlich gerne zu und freuen uns heute einfach. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


10.58.55

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf diese grundsätzliche Diskussion – auch aus der Sicht der Länderkammer – nützen.

Diese neue Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dezentral aufgestellt, das heißt, dass die Bundesländer erstmals auch an der Gerichtsbarkeit beteiligt sind. Bund und Länder greifen gleichermaßen in ihre Verwaltungsstrukturen ein und schaffen neue Verwal­tungsstrukturen. Erwähnenswert ist auch das gute Klima, das nicht nur hier im Bun-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 43

desrat, sondern auch im Nationalrat geherrscht hat. Alle fünf Parteien unterstützen diese Initiative.

Was will ich damit sagen? – Es wurde ein guter Weg gefunden, einerseits den Föderalismus, die Bürgernähe in die Entscheidungen mit einzubeziehen und sie in den Entscheidungen zu leben und anderseits vor allem diese Verkrampfung, die wir in Österreich sehr oft erleben, zwischen Föderalismus und Zentralismus aufzulösen und zu einem guten Ergebnis zu führen. Wenn Bund und Länder gut miteinander verhandeln, kommt auch etwas Vernünftiges heraus.

Ein Beweis dafür ist auch diese Regelung, der wir heute unsere Zustimmung geben. In diesem Falle werden 120 Einzelbehörden übergeführt in neun Landesverwaltungs­gerichte und zwei Bundesgerichte.

Veränderungen und Verwaltungsstrukturreformen gibt es aber nicht nur in diesem Bereich, und darauf möchte ich ganz besonders hinweisen. Wir haben im letzten Jahr – das wurde auch hier im Bundesrat behandelt – das Pflegegeld neu geregelt. Es sind damals 300 zuständige Pflegegeld auszahlende Stellen übergeführt worden in jetzt acht Pflegegeld auszahlende Stellen. Die Bundesländer haben sich da sehr weit bewegt im Sinne einer bundeseinheitlichen Regelung, im Sinne auch, sagen wir einmal, der Bürgerfreundlichkeit, der Überschaubarkeit, der Schnelligkeit und auch der Verwaltungseffizienz.

Wir haben heuer im April im Nationalrat und dann bei uns hier im Bundesrat die Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden diskutiert und beschlossen. Wir hatten vorher neun Sicherheitsdirektionen, 14 Bundespolizeidirektionen, neun Landespolizei­kom­manden, also insgesamt 32 Behörden. Wir haben das zusammengeführt auf jetzt neun Landespolizeidirektionen, die direkt dem Bundesministerium für Inneres als oberster Sicherheitsbehörde nachgeordnet sind.

Jetzt ist die Neuordnung der Bezirksgerichte im Gange. Auch da findet ein sach­gerechter Zugang statt. Es gibt bereits Einigungen in Niederösterreich, wo die Zahl der Bezirksgerichte von 32 auf 23 reduziert wird, es gibt eine Einigung in Oberösterreich, und es gibt, sagen wir, jetzt eine gute Diskussion in den anderen Bundesländern, um hier zu sachgerechten Lösungen zu kommen.

Lassen Sie mich aber hier etwas ausholen. Ich glaube, gerade bei diesem Prozess werden wir in vielerlei Hinsicht gemeinsame Lösungen finden – einmal, was das Bür­gerservice betrifft, einmal, was die Erreichbarkeit für die Bürger betrifft und auch was geographische Sondersituationen betrifft. Was wir aber in Zukunft mit Sicherheit mehr beachten müssen, sind regionalpolitische Aspekte. Wir brauchen qualifizierte Arbeits­plätze in den Regionen, und da hat die öffentliche Hand eine Vorbild- und Beispielsfunktion zu erfüllen. Wir brauchen die Daseinsvorsorge in den Regionen und müssen den Ausdünnungstendenzen entgegenwirken. – Das ist aber eine andere Diskussion, die brauchen wir heute nicht zu führen. Ich sage das aber auch, weil bei allen Verwaltungsreformen in Zukunft auch diese Aspekte mitzudenken sind.

Heute geht es um eine große Verwaltungsreform, die eine herzeigbare Reihe von Reformvorhaben fortsetzt, die Österreich fitter macht, die Österreich bürgerfreundlicher macht und die zu schlankeren Strukturen führt. Es sind diese Diskussion und dieser Beschluss ein Beweis dafür, dass das Zusammenwirken von Bundesländern und Bund funktioniert, wenn man auf gleicher Augenhöhe und ehrlich miteinander umgeht, wenn man sauber verhandelt und wenn man die Subsidiarität ernst nimmt.

Ich darf hier vielleicht eine kleine Brücke auch zu anderen Diskussionen schlagen. Wir sind gerade als Bundesrat sehr stolz auf die Subsidiaritätsprüfung, die wir im Rahmen des Lissabon-Vertrages vor allem im Europaausschuss durchführen. Ich glaube, dass


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 44

dieses Prinzip, auf das wir so stolz sind, auch innerösterreichisch gelebt werden muss, dass wir also jede Entscheidung daraufhin überprüfen müssen, ob die Subsidiarität stattfindet, ob nicht die untere Ebene das genauso gut oder besser regeln kann als die übergeordnete, sprich dass eine konsequente Regionalität, Subsidiarität in all diesen Entscheidungen Ausdruck findet.

Wir von der Österreichischen Volkspartei stimmen dieser Regelung, die eine für Österreich sehr gute ist, selbstverständlich zu. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


11.05.00

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Auch wenn wir über ein, na ja, sagen wir, nicht sehr emotional aufgeladenes Thema sprechen, darf man trotzdem emotional sein. Ich gebe zu, es ist ein glücklicher Moment, jetzt hier zu stehen, Sie reden gehört zu haben. Herr Kollege Schreuder hat gesagt, es ist ein außergewöhnlicher Moment, dass sozusagen Einigkeit herrscht. Ich darf es jetzt zum zweiten Mal erleben – bei der Ortstafelthematik hatten wir hier fast auch einen einstimmigen Beschluss. Ich möchte wirklich allen danken und muss das Lob, das gespendet wurde, weitergeben, weil natürlich nicht ich alleine an dem gearbeitet habe und das bewerkstelligt habe, sondern viele Menschen beteiligt waren. Ich werde dann noch darauf zurückkommen.

Ich muss sagen, gut Ding braucht Weile, wenn man sich anschaut, wie lange die Dis­kussion schon dauert. Der Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofes Dr. Holzinger hat darauf hingewiesen, dass das schon vor 26 Jahren, als er in den Verfassungs­dienst des Bundeskanzleramts kam, ein Thema war. Wenn man es sich genauer anschaut: 1958 ist Österreich der Europäischen Menschenrechtskonvention beige­treten, 1964 ist die EMRK in Verfassungsrang getreten, und ab dem Moment ist eigentlich über eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit geredet worden.

Das hat sich dann in der Folge natürlich intensiviert: 1992 Perchtoldsdorfer Abkom­men, dann Österreich-Konvent von 2003 bis 2005. Wir haben es dann auch in das Programm dieser Legislaturperiode aufgenommen und sind 2010 mit einem Entwurf in Begutachtung gegangen, und ab diesem Zeitpunkt, also ab Jahresbeginn 2010, hat sich dann die Diskussion sehr stark intensiviert. Wir haben versucht, Kosten auf Bundesebene zu erheben – wie viele fallen sozusagen in den einzelnen Ressorts an, wie viele Akten sind dort? –, und haben auch versucht, sozusagen zu ermitteln, was so eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit kosten kann, weil natürlich immer auch die Diskussion darüber geführt wird: Entstehen da sehr große Mehrkosten, oder kann man sagen, dass sich à la longue eine Kostenersparnis ergibt?

Wir haben dann mit den Ländern intensive Gespräche geführt. Wir haben im Verfas­sungsausschuss mehrere Aussprachen, Hearings gehabt. Da war unter anderem auch die Frage des damaligen Verfassungssprechers Willi Molterer, ob ich mir auch vorstellen kann, wenn die Länder nicht mitgehen, dass wir nur ein Bundesverwaltungs­gericht und ein Bundesfinanzgericht beschließen. Ich habe damals gesagt – das war, glaube ich, zu Jahresbeginn des Vorjahres –, dass ich darum kämpfen werde, dass die Länder dabei sind. Und bei der LH-Konferenz in Kaprun konnten wir uns dann auch grundsätzlich verständigen. Dann war noch ein Bund-Länder-Gipfel mit Bundeskanzler und Vizekanzler und den Landeshauptleuten, und dort konnten wir es dann endgültig fixieren.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 45

Ich danke wirklich allen ganz herzlich, die so intensiv an diesem Projekt mitgearbeitet haben, dieses unterstützt haben. Selbstlob ist, glaube ich, nicht der richtige Zugang, ich zitiere daher andere. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Holzinger – ich habe ihn vorher schon erwähnt – hat beim Juristentag vor einigen Wochen gesagt, dass die verfassungspolitische Bedeutung dieses Beschlusses gar nicht hoch genug einzuschätzen ist, dass es der wichtigste Schritt der Verwaltungsreform ist, der seit vielen Jahren oder seit Jahrzehnten stattfindet, dass es auch das größte Reformwerk ist, seit es die österreichische Bundesverfassung gibt. Beim Hearing im Verfassungs­ausschuss, das übrigens hier in diesem Saal stattgefunden hat, haben der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes sowie andere Experten gesagt, es ist ein epochaler Schritt, ein großer Wurf. Es ist schön, das alles zu hören, ich gebe es schon zu.

Und jetzt muss ich wirklich sagen, dass wir so weit gekommen sind, Herr Kollege Schreuder, liegt nicht nur an der Regierung, sondern liegt auch an den Oppositions­parteien. Und ich möchte mich da wirklich ausdrücklich bedanken. Wir haben intensive und vor allem sehr konstruktive Diskussionen gehabt, wo es nicht darum ging, ob man jetzt sozusagen öffentlich den anderen vorführen oder überfordern kann, sondern ob wir gemeinsam etwas zustande bringen können, das Jahrzehnte hindurch nicht geglückt ist und wo man vielleicht dann durch die Diskussion zu einem noch besseren Ergebnis kommt als jenem, das als Regierungsentwurf vorgelegen ist.

Es war ein intensiver und ein sehr konstruktiver Diskussionsprozess. Ich hoffe, dass das Gleiche jetzt bei der Frage des Transparenzpaketes stattfindet. Ich verhandle auch dieses Thema gerade intensiv. Wir haben sehr gute Gespräche. Ich hoffe, dass auch dort die Opposition bereit ist, Schritte zu setzen; die Regierungsparteien sind es auch, und das ist notwendig, wenn man einen Kompromiss finden will.

Georg Simmel, der große Soziologe, hat 1908 gesagt, der Kompromiss ist eine der größten Erfindungen der Menschheit. Wenn das auch noch zu einem guten Ergebnis, zu einer guten Lösung führt, dann haben wir jetzt den Beweis geliefert, dass er mit seiner These recht hat.

Abschließend noch einmal: Ich möchte mich bei allen Klubs, bei den Mitarbeitern der Klubs bedanken für die intensive Diskussion, bei den Experten, die am Hearing teilgenommen haben, bei Sektionschef Hesse vom Verfassungsdienst und seinen Mitarbeitern, die die textliche, legistische und auch inhaltliche Betreuung gemacht haben, bei den Landesamtsdirektoren, insbesondere bei den Landesamtsdirektoren Pesendorfer und Hechtner, die da sehr viel beigetragen haben, sehr gute Unterstützer waren, bei den Verfassungssprechern aller Parteien und letztendlich bei einem Mitar­beiter im Büro des Bundeskanzlers, Dr. Klingenbrunner, der hier anwesend ist, und bei einem Mitarbeiter im Büro des Herrn Vizekanzlers, Patrick Segalla. Die haben viele Nächte, kann man sagen, miteinander verbracht (Heiterkeit), damit es letztendlich vollbracht werden konnte.

Und ich sage abschließend, weil das natürlich auch vorher angesprochen wurde: Ja, es steht jetzt ein großes Stück Arbeit vor uns. Der Zeitpunkt 1. Jänner 2014 ist extrem ambitioniert. Nachdem hier der Beschluss gefasst, es vom Bundespräsidenten unter­schrieben, vom Kanzler gegengezeichnet und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist, werden wir sofort mit der Ausschreibung für die Höchstpositionen hinaus­gehen. Wir haben da auch ein sehr gutes Procedere mit den Oppositionspar­teien vereinbart, und wir werden, und das haben wir auch zugesagt, nächstes Jahr im Plenum des Nationalrates und natürlich gerne auch hier berichten, wie der Um­setzungsstand ist.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 46

Ich danke vorweg schon für das Vertrauen. Wir werden all unsere Kraft einsetzen, damit es dann auch gut auf den Boden kommt. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

11.14.022. Punkt

ORF-Jahresbericht 2011 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-463-BR/2012 d.B. sowie 8732/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr kommen wir zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um den Bericht.

 


11.14.10

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den ORF-Jahres­bericht 2011 gemäß § 7 ORF-Gesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 den Antrag, den ORF-Jahresbericht 2011 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-463-BR/2012 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 47

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


11.14.45

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Die „Parlamentskorrespondenz“ hat im April 2012 zum Jahresbericht des ORF getitelt: „ besser als erwartet“. „Besser als erwartet“, das ist nicht unbedingt eine Jubelmeldung. „Besser als erwartet“, das hat man zu Beginn dieser Koalitionsregierung ja auch über Bundeskanzler Faymann gesagt. Man hat gesagt, er macht es nicht schlecht, er macht es besser als erwartet. Also „besser als erwartet“ ist nicht unbedingt die Schlagzeile, die man sich wünschen würde, wenn es darum geht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich zu betiteln.

Der Jahresbericht sagt im Großen und Ganzen aus, dass der ORF an Marktanteil verloren hat, um ganze 1,4 Prozent. Er schlüsselt dann weiter auf, in welchen Seg­menten des öffentlich-rechtlichen Auftrages der ORF Marktanteile zur Verfügung gestellt hat. Und das zieht sich eigentlich wie ein roter Faden durch diesen Jahres­bericht 2011, der sich teilweise weniger wie ein Bericht liest, sondern mehr wie ein Werbeartikel des ORF, der sich hier natürlich selbst ins beste Licht zu rücken versucht. Das ist ja auch ganz klar und ist auch nichts Verwerfliches, denn natürlich versucht jedes Unternehmen, sich so gut wie möglich darzustellen. Faktum ist allerdings, dass gerade der öffentlich-rechtliche Auftrag – und der ORF ist ja laut ORF-Gesetz, § 4a, dazu verpflichtet, die Qualitätskriterien, das Qualitätssicherungssystem im ORF sicherzustellen, und natürlich nimmt das in diesem Bericht sehr breiten Platz ein – hier einiger Anmerkungen bedarf.

Wenn man nämlich sieht, dass der ORF Marktanteile verloren hat, dann stellt man sich natürlich auch die Frage, warum das so ist, ob man diesem öffentlich-rechtlichen Auf­trag überhaupt gerecht wird und wie sich dieser öffentlich-rechtliche Auftrag überhaupt definiert.

Und wenn man dann ein Fernsehprogramm zur Hand nimmt – ich habe da jetzt wahllos eine Tageszeitung hergenommen, ich möchte keine Werbung machen – und sich das heutige Fernsehprogramm einmal anschaut, dann sieht man, dass uns jetzt – wir haben jetzt in etwa 11 Uhr 17 Minuten – zum Beispiel in ORF eins die schöne Komödie „Mensch, Dave!“, eine Wiederholung, erwarten würde. Wenn wir ein bisschen vorher schauen, haben wir da „The Big Bang Theory“, ebenfalls eine Wiederholung. Zwei weitere Sendungen: „Malcolm mittendrin“ – eine Wiederholung –, „Bezaubernde Jeannie“ – eine Wiederholung –, und so geht das weiter.

Schauen wir uns ORF 2 an: Da habe ich dann „Frisch gekocht mit Andi und Alex“ – eine Wiederholung –, „Julia“ – eine Wiederholung –, „Um Himmels Willen“ – eine Wiederholung, und so geht es dahin. (Bundesrat Stadler: ORF III? – Kollege, ORF III?)

Seien Sie nicht aufgeregt, ich komme schon zu ORF III. Das ist nämlich der Riesen­schmäh, den der ORF macht, und das ist auch der Grund, warum wir diesem Jahres­bericht sehr kritisch gegenüberstehen: Jenen Auftrag, der eigentlich dem ORF zukommen würde, nämlich zu informieren, nachhaltig zu informieren, versteckt er im schwächsten Sender im gesamten Segment, nämlich in ORF III. Der hatte von Oktober bis Dezember, Herr Kollege, einen Marktanteil von 0,8 bis 1,2 Prozent. Das ist nicht unbedingt die Welt, vor allem wenn man sich anschaut, dass mit Servus TV im Vorfeld der Markteinführung von ORF III ein wirklich ausgezeichneter Qualitätssender etabliert wurde, der sich mittlerweile der 4-Prozent-Hürde nähert. Man muss sich schon die Frage stellen, ob der ORF, der jedes Jahr ein Gesamtvolumen von 924 Millionen € zur Verfügung hat, es wirklich nur schafft, die Qualitätssendungen in ORF III zu bringen.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 48

Diesen Sender muss man natürlich auch loben, denn Ehre, wem Ehre gebührt, selbstverständlich ist das ein guter Sender.

Nur, verstehen Sie nicht, worauf ich hinauswill? – Ich will darauf hinaus, dass der ORF in seinen großen Sendern, in ORF eins und ORF 2, nichts anderes macht als eindeutig Kommerzprogramm.

Jetzt ist das vorweg noch nichts Verwerfliches, wenn man Kommerz macht, denn selbstverständlich muss auch das Unternehmen ORF Geld verdienen, und selbst­verständlich ist es auch notwendig, dass hier Geld in die Kasse kommt. Aber das Programm, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ich Ihnen vorhin aufgelistet habe, das geht ja dann am Nachmittag weiter, das geht auch am Abend weiter. Sie müssen, wenn Sie auf ORF eins oder auf ORF 2 eine Qualitätssendung sehen wollen – außer den Nachrichtensendungen, die jeweils einen kurzen Block einneh­men – auf ORF eins eigentlich warten bis 22.50 Uhr. da haben Sie dann die „Science Busters“, und gleichzeitig haben Sie auf dem anderen Kanal das Magazin „€CO“. Vorher haben Sie in diesen beiden Sendern Kommerz. Und das ist etwas, womit der öffentlich-rechtliche Auftrag in keinster Weise befriedigt wird.

Da frage ich mich: Wo bleibt da eigentlich das Qualitätssicherungssystem? Beschränkt man sich darauf, dass man sagt: Na ja, wir haben ja ORF III, und da machen wir das jetzt alles gut, und den Rest stellen wir in Konkurrenz mit RTL, Sat 1 und wie diese Sender sonst noch alle heißen!?

Aber ich sage Ihnen noch etwas, was auch nicht irrelevant ist. Wir haben ja beim Radio eine ähnliche Situation. Bei ORF III kann man sich jetzt natürlich darauf ausreden und sagen, dass es den Sender ja noch nicht so lange gibt, dass er erst seit Oktober auf Sendung ist, der Bekanntheitsgrad noch nicht da ist, die Reichweite noch nicht gegeben ist; das ist mir schon klar. Wir haben mit Ö1 ein Qualitätsmedium mit einem Anteil von 6 Prozent. Ich weiß natürlich, dass der Musikgeschmack nicht immer gleich ist, manchem gefällt die Musik, die dort gespielt wird, vielleicht nicht, aber Ö1 ist ja keineswegs ein reiner Musiksender, sondern Ö1 ist ja auch ein sehr informativer Sender, er bringt Magazine, Informationsformate, et cetera. Auf der anderen Seite haben wir Ö3 mit 2,8 Millionen Hörern täglich, und es ist bis zum heutigen Tag nicht möglich, dass der ORF versucht, die Segmente zumindest einander zu nähern, vermischen wird man sie nicht können, das ist mir schon klar.

Was spricht denn dagegen, wenn ich versuche, den 2,8 Millionen Hörern, die Ö3 täglich hat, ebenfalls qualitätvolles Programm zu bieten? Da spreche ich jetzt wieder nicht von der Musik, denn der Musikgeschmack ist ja, wie wir alle wissen, immer unterschiedlich, sondern es geht darum, dass man versucht, auf Ö3 für die 2,8 Mil­lionen Hörer in den Programmschienen Informationssendungen zu bringen, die sich in der Qualität vielleicht ein bisschen von dem unterscheiden, was man gemeinhin als oberflächlich und trashig bezeichnet. (Bundesrat Dönmez: Aber die würden dann auf KRONEHIT Radio umschalten!) – Das mag sein.

Natürlich weiß ich auch, dass gerade auf dem Radiomarkt aufgrund der Öffnung durch die vielen Privatsender große Konkurrenz gegeben ist, aber das haben Sie beim Fernsehen auch. Sie haben ja auch beim Fernsehen mittlerweile Gott sei Dank Privat­sender in Österreich, und ich unterstelle dem ORF auch hier, dass die Markteinführung von ORF III nur deswegen so rasch erfolgt ist, weil mit ServusTV ein wirklich großer Konkurrent im Qualitätsspektrum erschienen ist.

Das TV-Programm habe ich hiermit abgearbeitet, damit möchte ich Sie nicht weiter belästigen, denn wenn man es laut vorliest, dann ist das teilweise nichts anderes als eine Belästigung, da es vor Wiederholungen und Kommerz strotzt, es ist nichts Infor­matives dabei. Ich kann sagen, auf der einen Seite ist es das Arbeitslosen-Fern-


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sehprogramm und auf der anderen Seite das Schulstangl-Fernsehprogramm, nämlich für die Personen, die die Möglichkeit haben, am Vormittag fernzusehen, da sie keiner geregelten Arbeit nachgehen beziehungsweise nicht in die Schule gehen. (Zwischen­rufe bei ÖVP und SPÖ.) Denn wer sonst kann sich um 11 Uhr am Vormittag irgendwelche Jugendserien anschauen? – Vielleicht gibt es ein paar, aber im Großen und Ganzen nicht.

Welche Programme hatten wir denn früher am Vormittag? (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich komme schon noch zu Ihnen, keine Sorge, ich habe das schon gehört. (Ruf bei der ÖVP:  Zeit!) – Ich bin noch in der Zeit, ich beeile mich. (Bundesrat Stadler: Sonst wird die Qualität in ORF III leiden!) – Das glauben Sie, dass die Qualität leidet. Im Gegenteil, ich sage Ihnen, Meinungspluralität steigert die Qualität. Ich weiß, dass das nicht in Ihr marxistisches Weltbild passt, das ist mir klar (Ruf bei der SPÖ: Marxistisch“? – ironische Heiterkeit bei der SPÖ), denn im Staatsfernsehen von Nordkorea gibt es nur eine Meinung, nämlich die Meinung der regierenden Partei, und das hätten Sie auch gerne, aber das gibt es in Österreich nicht mehr, lassen Sie sich das gesagt sein!

Abschließend möchte ich feststellen – das ist auch mein Appell im Zusammenhang mit dem ORF  (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Vielleicht kann man für ein bisschen mehr Ruhe sorgen, dafür, dass die Herrschaften wieder zuhören, das wäre sehr schön. Ich weiß, dass das für Sie schmerzhaft ist, aber Sie können sich vorstellen, dass es umgekehrt auch nicht immer eine Freude ist, Ihnen zuzuhören. Das gehört nun einmal dazu, da kann ich Ihnen nicht helfen.

Aktuell und heute druckfrisch herausgekommen ist der „Public-Value-Bericht 2011/12“, und mein Appell ist, diese beiden Berichte zusammenzuziehen, den „Public-Value-Bericht“ und den Jahresbericht. Ich denke, der Jahresbericht hätte noch einen Monat warten können, und wir hätten dann beide Berichte gleichzeitig debattieren können, denn in einem Monat werden wir wahrscheinlich den „Public-Value-Bericht“ hier auf der Tagesordnung haben, und dann werden wir dieselbe Debatte abführen wie heute. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


11.24.37

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat heute so gut begonnen, nämlich mit einer einstimmigen Beschlussfassung zu Tagesordnungs­punkt 1, aber dann war es auch schon wieder aus mit der Einhelligkeit.

Wir diskutieren jetzt den ORF-Jahresbericht 2011, der mit 174 Seiten sehr umfang­reich, aber klar strukturiert, klar geschrieben und mit Tabellen und Statistiken unterlegt ist.

Eines kann ich gleich vorweg sagen: Der ORF übertraf durch die Fortsetzung der erfolgreichen Konsolidierung und auch durch Mehreinnahmen seitens der Werbung den vorgegebenen Plan recht deutlich.

Schauen wir uns einmal die Fakten an: Die Umsatzerlöse stiegen von 920,4 Millionen auf 924,1 Millionen. Die Erlöse aus Programmentgelten betrugen im Jahr 2011 584,2 Mil­lionen, das bedeutet um 4 Millionen mehr als 2010. Die Werbeeinnahmen stiegen auf 216,7 Millionen. Und das EGT des Konzerns, das Ergebnis der gewöhn­lichen Geschäftstätigkeit, beträgt 11,4 Millionen € und liegt damit 3,6 Millionen über dem Plan.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 50

Diese wirtschaftlichen Daten zeigen ganz klar, dass es unter Mitwirkung aller Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter des ORF gelungen ist, die wirtschaftlichen Ziele überzuerfüllen und abermals – nach 2010 – schwarze Zahlen zu schreiben. Daher gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ORF für dieses gute wirtschaftliche Ergebnis besonderer Dank. Die mehr als 50 Auszeichnungen, die 2011 an ORF-Redakteurinnen und -Redakteure gingen, bestätigen die tagtäglich gute Arbeit.

Das Jahr 2011 war für den ORF aber nicht nur ein wirtschaftlich sehr gutes Jahr, sondern auch ein historisch gesehen besonderes Jahr. Durch den Start der beiden neuen 24-Stunden-Spartenkanäle „ORF III Kultur und Information“ sowie „ORF SPORT +“ am 26. Oktober vergangenen Jahres konnte die Senderfamilie erweitert und den Österreicherinnen und Österreichern noch mehr Programm, mehr Vielfalt und mehr Österreich geboten werden als je zuvor. Zum Zeitpunkt der Bericht­erstellung haben bereits – und das ist, glaube ich, keine geringe Zahl – 3,49 Millionen Seherinnen und Seher ORF III und 1,36 Millionen SeherInnen ORF SPORT + genutzt, was eindeutig die richtige Entscheidung für die neuen Spartenkanäle dokumentiert.

Von diesen neuen Sendern profitieren schlussendlich auch wir im Bundesrat, da seither sämtliche Bundesratssitzungen auf ORF III live mitverfolgt werden können.

Die gute Arbeit des ORF bestätigen aber auch die einigermaßen stabilen Zahlen betreffend Reichweiten und Marktanteile, wodurch der ORF – laut Bericht – einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Programmanbieter Europas ist.

Natürlich, das will ich nicht verhehlen, wirkt sich die starke Konkurrenz im Fernseh­bereich aus. Der durchschnittliche Marktanteil der ORF-Fernsehprogramme betrug 36,4 Prozent. Damit verbrachten die Österreicherinnen und Österreicher aber mehr als ein Drittel der gesamten Fernsehnutzungszeit mit den beiden ORF-Programmen. Knapp ein Fünftel entfiel 2011 auf andere öffentlich-rechtliche Sender, der Rest auf Privatsender.

Schlüsselt man die Marktanteile nach einzelnen Sendern auf, lagen beide ORF-Programme – ORF eins mit 2,2 Millionen Zuseherinnen und Zusehern pro Tag und einem Marktanteil von 13,8 Prozent, ORF 2 mit täglich 2,8 Millionen Zuseherinnen und Zusehern und einem Marktanteil von 22,6 Prozent – jeweils deutlich vor den übrigen Sendern. Also dürfte das Programm doch nicht so schlecht sein, wie vorher angemerkt wurde. (Ruf bei der FPÖ: Wenn man Seher verliert?)

Die stärksten Konkurrenten waren 2011 Sat 1 und RTL mit einem Marktanteil von jeweils 6,5 Prozent.

Bezogen auf die Programm-Kernzone, die wichtigste Fernsehzone, also zwischen 17 und 23 Uhr, erreichten die beiden ORF-Programme im Jahr 2011 einen Marktanteil von insgesamt 41,6 Prozent. Trotz des immer stärker werdenden Konkurrenzdrucks waren sowohl ORF eins als auch ORF 2 im Jahr 2011 nicht nur insgesamt, sondern auch bei der jüngeren Bevölkerung von 12 bis 49 Jahren die stärksten Einzelsender, wobei die Daten auch klar zeigen, dass ORF 2 eindeutig beliebter ist als ORF eins. Mit der gesamten Senderfamilie von ORF 2 Europe, den Spartensendern ORF III Kultur und Information, ORF SPORT + und 3sat erreichte der ORF im Jahr 2011 einen Marktanteil von 38,9 Prozent.

Und beim Radio – rund 5,2 Millionen Hörerinnen und Hörer tagtäglich –, das sich insbe­sondere dadurch auszeichnet, dass es ein schnelles Medium ist, also sofort auf aktuelle Ereignisse reagieren kann, ist die Reichweite laut Bericht 69,6 Prozent. Der Marktanteil liegt bei 75 Prozent; das heißt, drei von vier Personen hören Radio.

Der erfolgreichste Radiokanal ist, wie Sie alle wahrscheinlich wissen, Ö3, der mit täglich rund 2,8 Millionen Hörerinnen und Hörern und einem Marktanteil von 31 Pro-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 51

zent in allen Zielgruppen an der Spitze lag und trotz verschärfter Konkurrenz auch bei den Tagesreichweiten noch zulegen konnte.

Ö1, der Kultur- und Informationssender schlechthin, war mit täglich mehr als 720 000 Hörerinnen und Hörern und einem Marktanteil von 6 Prozent laut Bericht einer der erfolgreichsten Kultursender Europas.

Besonders hervorzuheben ist aber auch die Arbeit der ORF-Landesstudios. Die neun regionalen Ausgaben von „Bundesland heute“ erzielten im Jahresdurchschnitt 2011 eine Reichweite von knapp über einer Million Menschen, was einem Marktanteil von insgesamt 55 Prozent entspricht.

Bei den Regionalradios, die ihr Programm mehrheitlich selbst produzieren und mit täglich 2,5 Millionen Hörerinnen und Hörern eindeutig die Vorherrschaft unter den regionalen Angeboten haben und deren Tagesreichweite bei rund 34,3 Prozent liegt, ist der Marktanteil bei 36 Prozent der Bevölkerung.

Des Weiteren konnten die ORF-Landesstudios auch 2011 mit einer Vielzahl von Kulturveranstaltungen und Kulturinitiativen in ihrem jeweiligen Bundesland wichtige Impulse als Kulturträger der österreichischen Regionen vom Neusiedler See bis zum Bodensee setzen.

Zu guter Letzt möchte ich noch kurz auf den weiteren Ausbau der Barrierefreiheit eingehen. Immer weiter wurde inzwischen der Service für gehörlose und schwerhörige Menschen ausgebaut. Laut Bericht wurden im Jahr 2011 in ORF eins und ORF 2 bereits mehr als 9 000 Sendestunden untertitelt. Das ist eine Untertitelungsquote von knapp 52 Prozent und bedeutet im Vergleich zu 2010 eine Steigerung von knapp 11 Prozent.

Bei Live-Sendungen wie zum Beispiel Nationalratsdiskussionen werden moderne Spracherkennungstechniken eingesetzt. Neben Informationssendungen wie „Zeit im Bild“ oder „Heute in Österreich“ werden auch sämtliche österreichische Fernsehfilme und internationale Blockbuster untertitelt. Für sehbehinderte Menschen gibt es fort­laufend den Ausbau der Audiodeskriptionen. 676,5 Sendestunden waren es 2011, somit wurde bereits das für 2013 geplante Etappenziel erreicht.

Die Liste der positiven Ergebnisse aus dem Bericht 2011 ist noch wesentlich länger: Online-Angebot der Videoplattform ORF-TVthek, die sich auch 2011 weiter auf Erfolgskurs befand, die besondere Bedeutung des ORF im Bereich Humanitarian Broadcasting im Dienste des Publikums und der Menschlichkeit und so weiter. Kurz gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Jahresbericht 2011 dokumentiert klar, dass der ORF in seinen Programmen den Versorgungsauftrag, den öffentlich-recht­lichen Kernauftrag und die besonderen Aufträge erfüllt hat.

Ich möchte mich daher abschließend im Namen meiner Fraktion für die Erstellung und die Vorlage des Jahresberichtes 2011 noch einmal ganz herzlich bedanken und bin überzeugt davon, dass der ORF bei Beibehaltung dieses Kurses unter Generaldirektor Dr. Wrabetz gut gerüstet ist, um auch die kommenden schwierigen Jahre und damit die Herausforderung der Zukunft positiv zu bewältigen. Unsere Fraktion wird daher diesen Bericht sehr gerne positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.34


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


11.34.12

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 52

Hause vor den Fernsehgeräten! Der vorliegende ORF-Jahresbericht für das Jahr 2011 gibt uns heute im Bundesrat wieder einmal Gelegenheit, uns mit dem aktuellen Leitmedium der österreichischen Medienszene, dem Österreichischen Rundfunk, näher zu beschäftigen, und das, das ist neu, während einer Direktübertragung in ORF III.

Meine Vorredner – Herr Kollege Jenewein, der sich als ausgewiesener Experte von ORF eins erwiesen hat, ich werde noch darauf zurückkommen (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein), und Kollege Lampel, der die erfolgreiche Bilanz und Zahlen detailliert dargestellt hat – haben schon einiges zum Bericht gesagt. Lassen Sie mich zunächst näher auf das Kapitel Radio im ORF eingehen.

Wir haben schon gehört, die österreichischen Radiosender behaupten insgesamt einen Marktanteil von rund 75 Prozent, das heißt, drei von vier gehörten Radiominuten in Österreich werden von österreichischen Sendern gehört. Das meistgehörte Radiopro­gramm – vor allem in der Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren – ist Ö3 mit rund 2,8 Millionen HörerInnen und 31 Prozent Marktanteil, das ist aber ein Rückgang beziehungsweise etwa das gleiche Niveau wie 2010, als es noch 32 Prozent waren.

Interessant ist, dass der Anteil der regionalen ORF-Radioprogramme sehr schwankt, nämlich zwischen 15 Prozent in Wien und – das werden die Kärntner Kollegen gerne hören – 45 Prozent, der Rekordwert, bei Radio Kärnten.

Jener von Ö1 liegt konstant bei rund 6 Prozent. Österreich 1, das ich persönlich für das beste ORF-Radioangebot halte, hören demnach durchschnittlich über 600 000 Per­sonen. (Bundesrat Schennach: Jetzt sagen Sie einmal, wie hoch das in Wien ist ! – In Wien sind das über 15 Prozent!) – Das spricht wieder für die Bildungsqualität von Wien, Herr Kollege Schennach. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Der Versorgungsgrad der Radioprogramme – und das ist ein Detail, auf das ich zu sprechen kommen möchte – liegt laut Bericht bei rund 98 Prozent, aber gerade in diesem Zusammenhang möchte ich auf ein spezielles Problem von Österreich 1 hinweisen.

Wie bereits gesagt, höre ich gerne Ö1 und schätze die Qualität des „Mittagsjournals“ und diverser anderer Informationssendungen, wie der Beiträge aus der Welt der Wissenschaft und Kultur. Auf der Fahrt von Bad Aussee nach Wien fährt man durch 17 Tunnel, und ich ärgere mich jedes Mal, Herr Staatssekretär, wenn der Empfang von Ö1 in 14 von 17 Tunneln ausfällt. Das ist für viele StammhörerInnen ein österreich­weites Ärgernis und ist auch nicht im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrages.

Deshalb, Herr Staatssekretär, darf ich hier im Hohen Haus meine konkrete Forderung nach einem raschen Schließen dieser Versorgungslücken von Ö1 erheben. Wenn private Radiosender dort empfangen werden können, dann muss dies auch für einen öffentlich-rechtlichen Sender möglich sein. Die ORF-Führung ist aufgefordert, rasch zu handeln und diesen Missstand umgehend abzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Kapitel Fernsehen wurde schon erläutert. Es gliedert sich in die Themenbereiche Information, Kultur/Religion, Wissenschaft/Bildung/Lebenshilfe, Sport, Unterhaltung, Kinderprogramme von ORF 2 Europe bis ORF III.

Was den Marktanteil und die Reichweiten betrifft, so macht sich der Konkurrenzdruck, das haben wir schon gehört, deutlich bemerkbar. Der durchschnittliche Marktanteil sank von 37,8 Prozent auf rund 36,4 Prozent. ORF 2 hat, das haben wir schon gehört, einen Marktanteil von 22,6 Prozent und ORF eins einen von 13,8 Prozent. Auch ich persönlich bin nicht begeistert vom Programmangebot, wie es Kollege Jenewein geschildert hat, es handelt sich großteils um Wiederholungen von alten amerikani­schen Serien.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 53

Positiv hat sich – das möchte ich hervorheben und das wurde auch schon erwähnt – das Angebot der neuen 24-Stunden-Spartenkanäle ORF III und ORF SPORT + ent­wickelt.

In eigenen Kapiteln werden bundesweit ausgestrahlte ORF-Fernsehprogramme berücksichtigt, die die individuellen Interessen der Länder behandeln. Viele kennen dadurch die Berichte und eindrucksvollen Bilder auch vom Narzissenfest im Ausseerland, das österreichweit ausgestrahlt wird.

Das Kapitel 2.5 „ORF Internet“, wo es eine stetige Zunahme gibt, beschäftigt sich mit dem teilweise überarbeiteten Online-Angebot des ORF. Dieses konnte 2011 durch­schnittlich 44,5 Millionen Visits von 5,46 Millionen Endgeräten pro Monat verzeichnen, was gegenüber 2010 einer Steigerung von 15 Prozent entspricht. Allein auf „newsORF.at“ wurden 39 500 Beiträge bereitgestellt, also um rund 25 Prozent mehr als 2010. Und so mancher von uns wird sich dabei ertappen, dass er auch in diesem Haus das Angebot von „ORF Online“ nutzt, weil es einfach rasch Informationen bringt.

Rekordwerte bei Einschaltquoten haben auch Informationssendungen und Magazine des ORF im Jahr 2011 erzielt. Es waren vor allem die Berichterstattung über den Arabischen Frühling, über die Atomkatastrophe von Fukushima, aber auch Berichte zur europaweiten Schuldenkrise, die mit großem Interesse von den Menschen verfolgt wurden. So haben rund 82 Prozent der heimischen TV-Seher zumindest einen der – und jetzt hören Sie sich die Zahl an! – rund 550 ORF-Beiträge zum Umsturz in Ägypten mit verfolgt.

Weitere Informationen enthält der insgesamt 176 Seiten starke Jahresbericht über die Qualitätssicherungssysteme des ORF, über das Angebot für seh- und hörbehinderte Menschen und über den Anteil der Finanzmittel der ORF-Landesdirektionen.

Lassen Sie mich abschließend auch ein paar persönliche Anmerkungen zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Diskussion um Postenbesetzungen beim ORF machen.

Die Umsatzerlöse – wir haben es gehört – liegen bei etwa 925 Millionen, das ist eine Steigerung um 5 Millionen; insgesamt 584 Millionen Programmentgelte und 216 durch Werbeeinnahmen. Der ORF-Führung – und das ist lobend anzumerken – gelang es erneut, die Personalkosten zu senken. Sie lagen mit 335 Millionen € um 10 Millionen € unter dem Wert von 2010.

Doch bei genauerer Betrachtung erscheinen manche Zahlen und manche Entwick­lungen, meine Damen und Herren, auch in einem anderen Licht. Die Pro-Kopf-Kosten beim Personalaufwand zu senken wird auch noch in Zukunft notwendig sein – aus einem guten Grund: weil wir dort im internationalen Vergleich noch immer zu hoch liegen.

Aber auch einige Finanzdaten des ORF geben Anlass zur Sorge. Der ORF hat in den letzten Jahren fast die Hälfte seines Eigenkapitals verbraucht. Erst die Finanzspritze des Bundes, die wir gemeinsam beschlossen haben und zu der wir uns auch bekennen, und auch die gesetzlich von uns erzwungenen wirtschaftlichen Spar­maßnahmen im Unternehmen haben dazu beigetragen, dass der ORF jetzt auf einem besseren Kurs ist als vorher.

Wir ÖVP-Bundesräte bekennen uns zu einem dualen Rundfunksystem, das heißt konkret zum öffentlich-rechtlichen Element beim Rundfunk, weil einfach Information, Dokumentation, Kultur, aber natürlich auch Unterhaltung wesentliche Elemente des öffentlich-rechtlichen Auftrages sind. Das ist es ja letzten Endes, meine Damen und Herren, was das Gebührenprivileg des ORF mit rund 600 Millionen von den Gebührenzahlern jährlich rechtfertigt. Nur durch diese öffentlich-rechtlichen Aufträge


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und durch manche Einschränkungen, die zu Recht bestehen, ist das Gebührenprivileg zu rechtfertigen.

Eine immer wieder angedachte Ausweitung der ORF-Werbezeiten würde zu einer weiteren Wettbewerbsverzerrung mit den Privatsendern in Österreich führen. Ö1 und ORF2 haben schon jetzt einen weit höheren Werbeanteil als zum Beispiel die deutschen öffentlich-rechtlichen Programme. Zudem liegt der ORF bei einem Informa­tionsanteil von rund 20 Prozent, also gegenüber den deutschen Öffentlichenrechtlichen um rund die Hälfte unter dem, was die dort anbieten, nämlich 40 Prozent.

Kein Ruhmesblatt für die Verantwortlichen – und das wissen wir alle – waren die Vorgänge um die versuchte Bestellung von Niko Pelinka zum Büroleiter des wieder­gewählten ORF-Generalintendanten Alexander Wrabetz. Der Wechsel des 25-jährigen Niko Pelinka vom SPÖ-Stiftungsratsitz in das Büro des ORF-Chefs Alexander Wrabetz wurde letztlich durch den couragierten und viel beachteten Einsatz der ORF-Mitarbeiter verhindert. Mehr als 1 300 Journalisten des öffentlich-rechtlichen Senders setzten sich mit einer Unterschriftenliste für einen unabhängigen ORF durch und übten dabei harsche Kritik an den Vorgängen.

So wie ich, meine Damen und Herren, tritt unsere Fraktion geschlossen für einen starken, objektiven und unabhängigen ORF ein, der seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachkommt und weiterhin das Leitmedium der österreichischen Medienszene darstellt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.44.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Würde man eine Hitparade machen, über welche Bereiche in Österreich am meisten diskutiert und gestritten wird, wo man sich sozusagen gegenseitig den Schädel einschlägt, wie man auf Wienerisch sagt, dann würde wahrscheinlich die Fußball­national­mannschaft auf Platz eins liegen und der ORF auf Platz zwei oder drei, was ja irgendwie logisch ist, denn es handelt sich da um eine öffentlich-rechtliche Institution, die alltäglich, jeden Abend, bei den meisten Österreichern und Österreicherinnen sozusagen zu Hause auf Besuch ist. Man holt sie sich quasi ins Haus. Der ORF kommt sozusagen direkt zu den Menschen hin. Das ist der große Unterschied zu vielen anderen Bereichen.

Bei jungen Leuten schaut das schon wieder ein bisserl anders aus, aber dazu werden wir später noch kommen. Ich muss sagen, ich höre auch gerne Ö1, aber ich höre auch ganz gern einmal Black Eyed Peas und Ö3. Ich schaue mir auch gerne Infor­mationssendungen, Kultursendungen und ORF III an, aber ich glaube, hier drinnen sitzen wahnsinnig viele Leute, die sich „Dancing Stars“ und auch einmal eine „CSI“-Folge anschauen. Ich denke, man sollte nicht immer so tun, als ob Unterhaltung etwas ganz Schlimmes wäre. Ich finde, man darf sich auch einmal unterhalten lassen, und das darf man auch durchaus einmal, meine ich, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anbieten. Es hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen wirklich eine alte Tradition von wirklich guten Unterhaltungssendungen. Ich finde, Unterhaltung ist nicht etwas, was man unbedingt kritisieren muss.

Außerdem: „Bezaubernde Jeannie“ – Herr Kollege Jenewein, das nehme ich Ihnen übel. Das ist doch wohl eine der besten Serien aller Zeiten! (Heiterkeit.) Uralt, wunderbar! (Bundesrat Jenewein: Ja, die können wir herausnehmen!) Ich freue mich jedes Mal, wenn der ORF das wieder bringt. (Bundesrat Kneifel: Keine Programm-


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Konferenz!) Ja, na bitte: „Bezaubernde Jeannie“! – Aber werden wir lieber wieder ernst­haft!

Ich möchte drei Bereiche ansprechen, die wohl für die Zukunft des ORF von Bedeu­tung sein werden. Das ist erstens die politische Unabhängigkeit oder politische Ab­hängigkeit, das ist zweitens die Standortfrage und das ist drittens das Online-Angebot.

Ein politisch unabhängiger Stiftungsrat – und es ist zuvor zu Recht vonseiten der ÖVP gesagt worden, im Zuge der Postenbesetzungen in letzter Zeit  (Bundesrat Zangerl steht vor der ersten ÖVP-Reihe und spricht mit den Bundesräten Köberl und Mayer.) Liebe Kollegen von der ÖVP, wollt ihr zuhören oder habt ihr jetzt gerade ein Privatissimum? (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Okay. Ich wollte es ihm sagen, aber wenn es nicht geht, geht es nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Bundesrat Zangerl geht zu seinem Platz zurück.)

Wenn die ÖVP sagt, dass die Postenbesetzung von Niko Pelinka so hätte nicht passieren dürfen, dann muss ich sagen: Da habt ihr recht! Aber wenn ich mich daran erinnere, was in Zeiten einer Monika Lindner im ORF passiert ist (Beifall bei der SPÖ und der Bundesrätin Kerschbaum), was da für eine parteipolitisch hemmungslose Einflussnahme vonseiten der ÖVP auf den ORF ausgeübt worden ist, dann muss ich sagen: Da würde ich an eurer Stelle ein bisschen vorsichtiger sein! (Bundesrat Mayer:  Pius Strobl hineingenommen ! Vergiss das nicht! – Ruf bei der ÖVP: Pius Strobl!) Der Pius Strobl ist aber nicht direkt vom Stiftungsrat in den ORF gekommen. Deswegen haben wir ja die „Abkühlungsphase“ vorgeschlagen. Das ist nämlich ein großer Unterschied.

Aber ihr könnt ja gerne mit uns Grünen mitgehen. Es gibt jetzt eine Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt – ich glaube, da haben Sie, Herr Staatssekretär, auch eine tra­gende Rolle –, wo genau diese Fragestellungen jetzt erörtert und diskutiert werden, wo auch alle Parteien wieder dabei sind. Wenn das so funktioniert wie bei der Ver­waltungsreform, die wir vorher besprochen haben, dann könnte ohnehin etwas Gutes dabei herauskommen.

Wir schlagen hier Folgendes vor: Es gibt da ein Beispiel, das ist das ÖIAG-Gesetz, da gibt es ein politisch unabhängiges Gremium, das sich selbst erneuert, ohne dass die Parteipolitik Einfluss hat. Das wäre doch ein Vorbild! Analog dazu könnte man den ORF-Stiftungsrat so bestellen!

Zum Zweiten – und jetzt spreche ich als Wiener Grüner –, zur Standortfrage: Ich finde tatsächlich, es ist – wie soll ich sagen? – nicht angenehm, wenn man jetzt immer unterschiedliche Zahlen hört, welch hohe Kosten welcher Standort wie verursachen würde. Das ist eher unglücklich gelaufen, würde ich einmal meinen. Ich möchte aber als einer, der in der Kulturpolitik Wiens sehr aktiv war, schon auch sagen, dass ich persönlich eine Aufgabe des Funkhauses ausgesprochen bedauern würde. Ich fand es auch traurig, dass Generaldirektor Wrabetz das Gebäude als „austrofaschistisches Bauwerk“ bezeichnete. Das ist es de facto nicht! Das ist ein wunderschöner Clemens Holzmeister-Bau.

Das Funkhaus stellt mittlerweile mit dem RadioKulturhaus tatsächlich eine kulturelle Versorgung der Stadt Wien dar. Ich halte das RadioKulturhaus für fast unverzichtbar für die Stadt Wien. Es finden dort hervorragende Veranstaltungen statt. Ich finde, es ist sozusagen eine schöne Brücke zwischen Radio- und Analogveranstaltungen mit Zuschauern und Zuschauerinnen. Ich würde es daher sehr bedauern, wenn das Funkhaus aufgegeben würde. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 56

Gleichzeitig müssen wir auch ganz offen sagen: Wie würde man, wenn man ein Architekt wäre, jetzt, 2012, wenn man die Möglichkeit hätte, die Zentrale eines öffentlich-rechtlichen Senders neu zu bauen, planen? – Man würde wahrscheinlich nicht mehr festungsartig weit draußen, auf einem Berg, wie eine Burg, sozusagen abgehoben von allem, eine Zentrale bauen. Das würde man vermutlich nicht tun. Man würde heutzutage, 2012, vernetzt denken.

Der ORF ist nach wie vor einer der größten Filmförderer – das ist auch wichtig – des österreichischen Films. Dass der österreichische Film erfolgreich sein kann, wissen wir. Und da spielt der ORF eine total wichtige Rolle, neben all den anderen Film­förderungsinstitutionen, die wir haben. (Bundesrat Schennach: Der jüngste Haneke-Film ist eine ORF-Koproduktion !) Das ist eine Koproduktion Frankreich/ORF, richtig. – Nur: Heutzutage denkt man natürlich vernetzter. Es gibt sehr viele junge Medienunternehmer, es gibt sehr viele junge Filminstitutionen seitens der Stadt und seitens des Bundes, und da würde St. Marx möglicherweise, jetzt rein vom Vernet­zungstechnischen her, eine moderne Ansage sein. Andererseits wäre es jetzt wirklich einmal spannend, die richtigen, die genauen Zahlen auf den Tisch zu bekommen. Am Ende wird das ohnehin der Stiftungsrat entscheiden müssen.

Nun zum dritten Punkt, zum Internet-Angebot des ORF: Da werde ich nicht müde – ich werde das hier so oft wiederholen, bis ich erfolgreich bin –, zu sagen: Ich halte die „Sieben-Tage-Regelung“ im ORF-Gesetz, dass Sendungen, die im ORF gezeigt worden sind, nur sieben Tage lang online nachzusehen sind und danach nicht mehr, für veraltet und nicht zeitgemäß. Ich verweise wiederholt auf die BBC. Da kann man sich wunderbar uralte Sendungen aus dem Archiv online anschauen. Das ist für alle, die forschen, für Schüler/Schülerinnen, für Historiker/Historikerinnen eine einmalige Gelegenheit, wenn man sich Nachrichtensendungen zu einem gewissen Thema aus den siebziger Jahren oder aus den sechziger Jahren anschauen will.

Da würde ich wirklich das ORF-Gesetz noch einmal dahin gehend überprüfen, ob das noch zeitgemäß ist, und mich nicht dem Druck der privaten Medien so sehr aussetzen.

Und das „Social Media-Verbot“ des ORF halte ich für wahnwitzig absurd. Dass der ORF, eine öffentlich-rechtliche Institution, mit seinen Kundinnen und Kunden in den neuen öffentlichen Räumen, die wir jetzt haben, auf Facebook, auf Twitter, auf YouTube, wo auch immer, nicht kommunizieren darf, halte ich für einen großen Fehler. Das gehört dringend repariert! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


11.52.59

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! So schnell geht es: Beim vorher­gehenden Tagesordnungspunkt „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ Konsens über mehr Rechtsstaatlichkeit, Einstimmigkeit zu diesem Tagesordnungspunkt. Und dann geht es gleich los, nicht nur, indem verbal ganz anders agiert wird – das werden auch die Zuseherinnen und Zuseher bemerkt haben –, sondern indem man das vergisst, was man eigentlich davor beschlossen hat.

Was meine ich damit? – Es wird hier plötzlich eine Diskussion begonnen über das Tagesprogramm des ORF. Herr Bundesrat Kneifel hat gesagt: Bitte, keine „Programm-Konferenz“! Ich kann mich dem nur anschließen, und zwar schlicht und einfach deshalb, weil  (Bundesrat Jenewein: Weil es peinlich ist!) – Nein, nicht, weil es


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peinlich ist (Bundesrat Jenewein: Natürlich!), sondern aus rechtsstaatlichen Gründen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Im Parlament wurde vor knapp zwei Jahren ein großes Paket an Mediengesetzen beschlossen, unter anderem das ORF-Gesetz und auch etwas, das übrigens zehn Jahre lang diskutiert wurde und nicht zustande kam und dann eine Verfassungs­mehrheit bekam, nämlich die Schaffung der verfassungsrechtlich unabhängigen KommAustria, also der Medienbehörde.

Die KommAustria ist die Stelle in der Republik Österreich, die dafür zuständig ist, zu prüfen, ob der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt. Das heißt nicht, dass nicht jeder seine Meinung zum Programm haben kann; da hat der Herr Bundesrat Schreuder schon recht. So wie halt jeder sozusagen ein wunderbarer Trainer im Fußballbereich ist, ist auch jeder berufen, sozusagen ORF-Geschäftsführer zu sein. Also das hat nichts damit zu tun, dass man gegen die Meinungsfreiheit wäre. Ich will nur, weil wir ja auch hier in einer verfassungsrechtlich geschaffenen Einrichtung der Republik Österreich sind, darauf hinweisen, dass es eine verfassungsrechtlich geschaf­fene Einrichtung auch da gibt, nämlich die KommAustria, die für die Prüfung, ob der öffentlich-rechtliche Auftrag eingehalten wurde, zuständig ist.

Es wurden übrigens damals auch noch einige weitere Punkte mit Verfassungsmehrheit beschlossen, die mit dazu beigetragen haben, dass die Programmvielfalt, dass ein bestimmtes Angebot, das jetzt herrscht, dass auch ORF III, der Info- und Kulturkanal, geschaffen werden konnte, etwa die Gebührenrefundierung, an die verschiedene Voraussetzungen oder Bedingungen geknüpft wurden, unter anderem die Schaffung von ORF III, unter anderem die Fortführung des Film/Fernseh-Abkommens, das mit dazu beiträgt, dass der österreichische Film erfolgreicher geworden ist, ohne – um das gleich klarzustellen – den Erfolg der Regisseure, der Produzenten, der Schauspieler und Schauspielerinnen schmälern zu wollen, denn am Ende braucht es auch Geld, um erfolgreiche Filme produzieren zu können, und da ist halt auch ein gewisser Beitrag notwendig, der geleistet wird.

Dritter Punkt: Quote, Marktanteil. – Ob die Quote zurückgeht oder nicht, hängt natürlich immer auch vom Umfeld ab. Rein mathematisch betrachtet: Wenn mehr Angebot ge­schaffen wird, wenn es mehr Sender gibt, auf die man mit der Fernbedienung hin­zappen kann, dann wird tendenziell der Marktanteil des Größten eher kleiner werden. Der ORF hat relativ große Konkurrenz, ist in einem eher komplizierten Umfeld, weil ein großer gleichsprachiger Nachbar da ist. Das ist ein Problem, das die Franzosen, die französische Schweiz, die Belgier, die Iren, englischsprachig, mit dem österreichischen Rundfunk teilen.

Es gibt auch ein eigenes Angebot, das geschaffen wurde: ORF III, ORF Sport+ und auch die TVthek. Wenn man unser aller eigenes Medienverhalten betrachtet, so wird es wahrscheinlich bei Ihnen ähnlich sein wie bei mir beispielsweise: dass wir nicht immer Zeit haben, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Fernseher zu sitzen, aber die Möglichkeit haben, es uns im Nachhinein dann in der TVthek anzuschauen. Ich vermute, Sie werden sich ähnlich verhalten. Aber das hat natürlich auch mit der Frage der Marktanteile zu tun.

Interessant ist aber auch: Wie schaut das im internationalen Vergleich aus? – Wir leben im Vergleich. Wir machen das beispielsweise bei der Frage der Zahl der Be­schäftigungsverhältnisse, bei der Frage der Arbeitslosenquote, und man kann es natürlich auch in diesem Fall machen.

Kollege Schreuder hat vorhin erwähnt, dass es jetzt einen Arbeitskreis gibt, wo alle Mediensprecher eingebunden sind. Da hatten wir letzte Woche die erste Runde. Diese Arbeitsgruppe wird von mir im Auftrag des Bundeskanzlers geleitet. Es gab da eine


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durchaus konstruktive Diskussion, bezogen auf die Frage Stiftungsrat, Publikumsrat, und es gab die Anregung, dass wir auch über die künftige Finanzierung von Medien diskutieren.

Wir hatten auch einen internationalen Gast, Buchautor Roger de Weck, den ehe­maligen Chefredakteur der Zeitung „Die Zeit“, des „Tages-Anzeigers“. Er ist seit etwa eineinhalb Jahren der Chef der SRG, des öffentlich-rechtlichen schweizerischen Fernsehens. Er hat uns die Modelle erklärt, wie dort der Aufsichtsrat zusammengesetzt wird. Er hat aber auch auf eines hingewiesen: dass wir, international betrachtet, auf einem extrem hohen Niveau diskutieren. Er sagte, dass ihm der ORF immer als Vorbild diente, was Marktanteile, Reichweite, aber auch Programm, Programminhalt, Pro­gramm­vielfalt anlangt. – Das sollte man bei aller Polemik, bei allem Reiben am öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch mit berücksichtigen.

Letzter Punkt: Wenn man von politischer Seite das Programm kritisiert, dann sollte man neben der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit, die ich vorhin schon bei der Kontrolle erwähnte, immer auch berücksichtigen, dass dies implizit natürlich immer auch eine Kritik an den vielen Zuseherinnen und Zusehern ist. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zweite Wortmeldung: Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


12.00.01

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Frau Vorsitzende! Herr Staatssekretär! Ich möchte das nicht so stehen lassen. Es geht nicht um eine Programmdiskussion, es geht darum, dass der ORF als öffentlich-rechtliche Institution auch mit den Gebühren der ÖsterreicherInnen, die einer Art Steuer gleichkommen, finanziert wird. Es ist als Staatsbürger, aber auch als Vertreter der Legislative nicht nur mein Recht, sondern auch meine Pflicht, auch das anzusprechen, was wir hier beschlossen haben. Bitte schön, diese KommAustria ist ja nicht gottgegeben!

Wir sind hier dazu da, Gesetze zu machen, und ich als gewählter Mandatar kann selbstverständlich auch hier herausgehen und sagen: Mir gefällt das nicht! – Gesetze sind nicht in Beton gegossen und nicht in Stein gemeißelt, sondern können auch geändert werden.

Und wenn das politische Schaffen bei unseren Regierungsmitgliedern mittlerweile so gestaltet ist, dass es nur mehr darum geht, Gesetze, die beschlossen wurden, zu verwalten und nicht mehr zu gestalten, dann wundere ich mich, ehrlich gesagt, auch nicht mehr über die Verdrossenheit, die in der Öffentlichkeit teilweise über diese Politiker herrscht.

Denn eines sollten wir nicht vergessen: Wir haben seit Monaten eine Debatte über die Transparenz bei Politikergehältern, wir haben seit Monaten eine Debatte über jene Staatsbürger, die aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, und ich hätte hier auch gerne eine Debatte über jene Institutionen, wie zum Beispiel auch den ORF, die ebenfalls aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Und es wird mir hier sicherlich niemand den Mund verbieten können, das hier zu sagen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich betreffend das Programm, das vom ORF gesendet wird, dieser Meinung bin, dann ist das keine Kritik am Zuseher, Herr Staatssekretär, denn im Endeffekt haben ORF eins und ORF 2 Seher verloren.

Vielleicht sollte man sich auch einmal Gedanken darüber machen, ob das nicht vielleicht an den Wiederholungen liegt, daran, dass man am Tag vier-, fünfmal


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dieselben Sachen spielt beziehungsweise dieselben Serien wiederholt, auch wenn man andere Folgen abspult, und sich auch einmal Gedanken darüber machen, ob der seit Jahren andauernde Seherverlust beim ORF nicht vielleicht auch daher rührt, dass man einfach ein Programm auf ORF eins und ORF 2 anbietet, das dem Geschmack des Publikums nicht mehr entgegenkommt. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Das ist die Aufgabe des Geschäftsführers!) – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.02.26

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das kann man nicht so stehen lassen, deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet.

Herr Kollege Jenewein, ich saß im „alten“ ORF-Kuratorium. Ich war über elf Jahre lang intensivst mit Medienpolitik befasst. Wissen Sie, dass der ORF denselben programm­schöpfenden Output hat wie die ARD – die ARD, die zehnmal mehr an öffentlichen Gebühren bekommt in Deutschland, das mehr Bundesländer hat, mehr Möglichkeiten bei den Anstalten?

Wenn Sie sich die Zahlen anschauen – und ich kann Ihnen sagen, ich kenne die Zahlen; Sie offensichtlich nicht, denn sonst hätten Sie hier nicht so einen Nonsens geredet (Bundesrat Jenewein: Danke, Herr Professor! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) –, dann sehen Sie, der ORF hat das selbe Ausmaß an Programm­schöpfung (Bundesrat Jenewein: Jetzt haben wir gerade gehört, die ist nicht so gut!) wie die ARD, und das, wie Kollege Köberl schon gesagt hat, in einem internationalen Netz.

Und wenn Sie sich einmal anschauen, was die EBU an Anteilen des ORF bekommt und europaweit ausstrahlt – einer der größten Exportschlager des ORF ist übrigens die Sendung „Orientierung“; das nur als Hinweis –, dann können Sie so etwas nicht sagen, dass der ORF von irgendwelchen billigen Tschinbumm-Wiederholungsfilmen lebt und nichts betreffend die Wertschöpfung und die Programmschöpfung tut.

Tut mir leid, Sie haben hier einfach keine Ahnung (Bundesrat Jenewein: Und Sie können nicht lesen!), und das ist auch in Ihrer zweiten Rede zum Ausdruck gekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Jenewein: Opfer der Wiener Bildungspolitik! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von FPÖ und SPÖ.)

12.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich möchte die Möglichkeit ... (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von FPÖ und SPÖ.) – Darf ich um Aufmerk­samkeit bitten!

Ich möchte die Möglichkeit, Ordnungsrufe zu erteilen, nicht überstrapazieren und das in diesem Fall auch nicht unbedingt anwenden, aber doch darauf hinweisen, dass die Debatte zwar griffig sein darf, aber ich bitte darum, Worte wie „Nonsens“, die dem Wort „Schwachsinn“ ähnlich sind und auch schon mit Ordnungsrufen geahndet wurden, in der Debatte beiseitezulassen.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 60

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.05.213. Punkt

35. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2011) (III-462-BR/2012 d.B. sowie 8739/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte um die Berichterstattung.

 


12.05.32

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Der Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitio­nen über den 35. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2011) liegt Ihnen schriftlich vor, daher verzichte ich auf seine Verlesung und komme gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 den Antrag, den 35. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2011) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.06.37

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein herzliches Grüß Gott auch an die Zuseher an den Bildschirmen zu Hause. Wie eingangs dieses Berichtes – und der ist immerhin 289 Seiten lang – zu lesen ist, kommt es im 35. Jahr des Bestehens der Volksanwaltschaft zur größten Kom­petenzerweiterung für diese Institution, denn ab 1. Juli 2012 wird sie auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zuständig sein.

So werden Orte, wo es zwangsläufig zu Freiheitsentziehung und unmittelbarer ver­waltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kommt, aber auch Einrichtungen für behinderte Menschen – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – von der Volks­anwaltschaft und den Kommissionen der Volksanwaltschaft aufgesucht und ent­sprechenden Kontrollen unterzogen.

Wie erwähnt, geht damit auch eine sehr gelungene Adaptierung des Volksanwalt­schafts­gesetzes einher, wo es jetzt zu umfassenden Anhörungsrechten für die zu schaffenden Kommissionen kommt, die gemeinsam mit dem Volksanwalt und den Volksanwältinnen die Feinarbeit leisten werden.

Insgesamt 600 Personen, so habe ich gehört, haben sich für diese Kommissionen beworben, und hier finden auch intensive Gespräche statt, weil mit jeder dieser Per­sonen, die sich für diese Kommissionen gemeldet haben, auch Kontaktgespräche geführt werden, und ich denke, das ist auch ein besonderer Aufwand, der hier von den Volksanwältinnen und Volksanwälten im Rahmen dieser OPCAT-Geschichte bewerk­stelligt wird, die wir ja auch schon im Bundesrat diskutiert haben.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 61

Die Volksanwaltschaft schreibt in ihrem Bericht darüber hinaus, dass der neue ver­fassungsgesetzliche Auftrag auch ein neues Amtsverständnis erfordert. Das kann man in diesem Zusammenhang auch sehr gut verstehen.

Ich glaube, man kann durchaus von einem historischen Tag für die Menschenrechte in Österreich sprechen. Die Volksanwaltschaft soll zum „Menschenrechtshaus der Republik“ Österreich mutieren – so steht es im Bericht. Ich denke, das können wir auch sehr gut nachvollziehen, und ich finde diesen Terminus auch sehr, sehr passend.

Wir haben schon bei früheren Berichten der Volksanwaltschaft darauf hingewiesen, welchen hohen Stellenwert die Volksanwaltschaft in der Bevölkerung genießt, aber auch bei der Politik. Wir haben heute wirklich vor, diesen Bericht hier einstimmig zur Kenntnis zu nehmen. Das ist auch eine besondere Qualität im Bundesrat beziehungs­weise in der Diskussion.

Wir wissen auch, wie hoch angesehen diese Einrichtung ist, und vor allem, wie in einem hoch entwickelten Rechtssystem, wie es Österreich vermeintlich vorzuweisen hat, sich immer noch eine derart unglaublich hohe Zahl an Menschen – und die Zahl steigt ja nach wie vor jährlich weiter – mit ihren Sorgen und Problemen an die Volksanwaltschaft wendet.

Die Menschen suchen nach einem Anker, einem Halt, weil sie durch dieses komplexe Rechtssystem oft überfordert sind. Wir sprechen von insgesamt 16 239 bearbeiteten Beschwerden, beinahe 1 000 mehr als im letzten Berichtsjahr. Dabei nahm die Zahl der Fälle, bei denen jemand von einer Behörde auf Bundes-, Landes- oder Gemeinde­ebene schlecht behandelt und/oder unzureichend informiert wurde, wie gesagt, gegenüber dem Vorjahr deutlich zu. Im Berichtsjahr 2011 waren es insgesamt nicht weniger als 12 331 Beschwerdefälle, was einen signifikanten Zuwachs von mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr gleichkommt.

Natürlich kommt es auch dementsprechend öfter zur Einleitung eines detaillierten Prüfverfahrens: insgesamt bei 7 287 Fällen oder bei 59 Prozent der Beschwerden.

Nur die Zahl der Beschwerden, die außerhalb des Prüfauftrages der Volksanwaltschaft lagen, bei denen aber trotzdem versucht wurde, helfend, unterstützend zu wirken, ging etwas zurück. Im Bereich der Länder und Gemeinden waren es 2 622 Fälle – ausge­nom­men Tirol und Vorarlberg, denn dort gibt es ja eigene Landesvolksanwalt­schaften –, das bedeutet für die betroffenen Länder eine Zuwachsrate von 5,4 Prozent.

Wenig überraschend, dass die Zahlen der Prüfungen in den bevölkerungsreichen Bundesländern – wie Wien, Niederösterreich oder der Steiermark – auf den ersten Plätzen sind, während das Ganze dann nach Westen hin rückläufig ist. Es ist nicht erwiesen, dass die Verwaltungen im Westen besser arbeiten oder die Bevölkerung zurückhaltender ist – oder braver, könnte man auch sagen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Für Vorarlberg nehme ich das jetzt einmal auf jeden Fall so an.

Nach wie vor ist es der Sozialbereich – im Verantwortungsbereich von Volksanwalt Peter Kostelka – mit insgesamt 28,3 Prozent aller eingeleiteten Prüfverfahren, in dem die meisten Beschwerden und Prüfverfahren anfallen. Hier ging es um Mängel bei der Pflegegeldeinstufung, Probleme mit der Pensionszuerkennung, dem Kranken-, Kinder­betreuungs- und Arbeitslosengeld, die viele Menschen existenziell betreffen und wo auch eine rasche Klärung ganz, ganz wichtig ist. Die Volksanwaltschaft tritt dazu mit allen Sozialversicherungsträgern sowie Geschäftsstellen direkt in Kontakt. Fallweise muss auch über das Arbeits- und Sozialministerium Kontakt aufgenommen werden beziehungsweise wird dieses befasst.

646 Beschwerden über die Justiz wurden 2011 an die zuständige Volksanwältin Gertrude Brinek gerichtet, das waren 13,8 Prozent aller Prüfverfahren. Ich nehme hier


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 62

nur einige Bereiche heraus und nicht alle Fälle beziehungsweise alle Bereiche, die von den VolksanwältInnen behandelt werden. Die Anzahl der Beschwerden ist allerdings rückläufig – das verbesserte Angebot der Justiz-Ombudsstellen scheint hier also doch Wirkung zu zeigen.

Im Bereich Sicherheit, für den die Volksanwältin Terezija Stoisits zuständig ist, gab es einen massiven Anstieg der Beschwerden um 67 Prozent. In absoluten Zahlen waren es 1 306 gegenüber 781 Fälle im Jahr 2010. Das ist auch auf die zahlreiche fremden- und asylrechtliche Beschwerdeführung zurückzuführen.

Wesentlich ist für mich aber auch, dass den Prüfberichten der Volksanwaltschaft immer wieder Empfehlungen für legistische Maßnahmen angeschlossen sind. Im Jahres­bericht sind insgesamt 26 neue Anregungen an die Ministerien für gesetzliche Ände­rungen aufgelistet. Wir hoffen, dass hier auch entsprechend auf die Volksanwaltschaft gehört wird.

Aufmerksam machen möchte ich auch noch auf den Bürgerservice im Sinne von Sprechtagen und auch auf die Sendung „BürgerAnwalt“, die jetzt bereits ihr zehn­jähriges Jubiläum feiert. Diese Sendung hat eine Einschaltquote von zirka 330 000 und ist nicht nur gut gestaltet und mit einem großartigen, eloquenten Moderator Dr. Peter Resetarits sozusagen „bestückt“ – unter Anführungszeichen –, sondern hier sieht man auch wirklich, wie sich die VolksanwältInnen für ihre Kundschaft „ins Zeug schmeißen“, wie man auf Vorarlbergerisch sagt, wie sie also für die Probleme der Menschen da sind, für sie einstehen und wie sie für sie fighten. Das ist einfach hervorragend und das möchte ich auch den Leuten, die jetzt zu Hause an den Bildschirmen zuschauen, noch einmal entsprechend ans Herz legen.

Immer stärker wird auch das Internet genützt. 66 000 Klicks auf volksanwaltschaft.gv.at sprechen auch eine ganz deutliche Sprache.

Ich möchte abschließend, weil mir das auch wichtig ist, noch ganz kurz auf zwei beson­dere Bereiche in dem Bericht zu sprechen kommen, nämlich auf die Unter­stützung von behinderten Menschen bei der Diskriminierung aufgrund von Krankheit und Behin­derungen, wie sie anhand eines Beispiels für mangelnde Barrierefreiheit hier im Bericht aufgezeigt wird. Im Bereich Behindertenangelegenheiten insgesamt hat die Volks­anwaltschaft in den letzten Jahren Großartiges geleistet. Das sage ich auch als jemand, der in der Behindertenarbeit, in der Altenarbeit ehrenamtlich tätig ist.

Wie schon erwähnt, gibt es auch im Bereich der Pflege und der Vorsorge für ältere Menschen ein unglaubliches Potenzial an Beschwerden, sei es im Bereich mangelnder Unterstützung von pflegenden Angehörigen – immerhin 80 Prozent der Menschen, die gepflegt werden, werden zu Hause gepflegt und betreut –, bei Problemen bei der Vollziehung des Zuschusses bei der 24-Stunden-Betreuung und so weiter und so weiter.

Abschließend bedanke ich mich bei den Volksanwältinnen Dr. Gertrude Brinek und Mag. Terezija Stoisits und bei Volksanwalt Dr. Peter Kostelka für eine beispielgebende Arbeit für unsere Bevölkerung und bei den MitarbeiterInnen und den VolksanwältInnen für einen großartigen Bericht, dem wir hoffentlich alle einheitlich zustimmen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf nachholen, dass wir zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt Frau Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek sehr herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 63

12.16.20

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksanwaltschaft! Ja, es ist ein Jubiläum, das wir heute hier miteinander begehen – das 35. Jahr der Volksanwaltschaft –, und gleichzeitig das Jahr des großen Wandels, denn in einem Monat verändert sich die Kompetenzlage der Volksanwaltschaft erheblich, nämlich mit dem neuen Menschenrechtsmandat, das nun an die Volks­anwalt­schaft ergeht, mit der Schaffung eines Menschenrechtsbeirates im Rahmen der Volksanwaltschaft und damit natürlich einem noch stärkeren Spin, einer stärkeren Ausrichtung in Richtung der Menschenrechte und der Grundrechte.

Wäre dies heute eine Wirtschaftsdebatte, dann würden sich die Frau Zwazl und viele andere über diese Zuwachsraten freuen. Aber wir sprechen nicht von Wirtschaftsdaten, sondern wir haben hier jedes Jahr eine Zuwachsrate bei Beschwerden von Bürgern und Bürgerinnen, die sich meist in einer Phase der großen Verzweiflung an die Volksanwaltschaft als letzte Hoffnung wenden.

16 239 Beschwerden im Jahr. – Ich habe vor einem Jahr davon gesprochen und auch Edgar Mayer hat von dieser Stelle aus gesagt – und die Überlegung ist gar nicht von der Hand zu weisen –, bei einer solchen Zunahme an Fällen, bei solch einer Ausdehnung mit neuen Aufgaben wird man sich irgendwann überlegen müssen, ob drei Volksanwälte tatsächlich ausreichen.

Ein Kompliment ist zu machen – eine Zahl, die Edgar Mayer noch nicht genannt hat –, denn immerhin wurden 50 Prozent der herangebrachten Fälle erledigt, und das ist schon enorm. Das sind 8 377 Fälle, die in diesem Jahr erledigt wurden.

Und die Vorsprachen bei der Volksanwaltschaft sind ja nicht so, dass das zeitlich, vom Zeitmanagement her, „easy going“ ist, denn bei den jetzt auch weiter ausgedehnten Sprechtagen sprechen immerhin 1 800 Menschen persönlich vor. Persönliche Vor­sprachen im Rahmen einer Verzweiflung, die können nicht kurz sein. Daran sieht man auch, welche Leistung hier insgesamt erbracht wurde.

Ich teile einen Begriff, den sich die Volksanwaltschaft selbst gegeben hat, nämlich das „Menschenrechtshaus der Republik“ zu sein.

Das können wir, zumal wir jahrelang mit der Volksanwaltschaft in Diskussion sind, auch wirklich sagen: Ja, dieses Selbstbild stimmt mit der Wirklichkeit überein!; etwas, das nicht überall in der Politik oder im Leben der Fall ist.

Ich darf im Folgenden nur ganz kurz streifen, was auffällt.

Kollege Edgar Mayer hat den Bereich der Behinderten angesprochen; wir sind ja in diesem speziellen Programm, dem UN-Behindertenprogramm bis 2020. Wir haben in diesem Bereich wirklich eine Zunahme der Anzahl der Beschwerden bei den Sach­walterschaften zu verzeichnen. Ich schneide das jetzt nicht an, weil es gerade eben diese sehr ungustiöse Diskussion darüber gibt, wie – na ja – einer alten Frau mit einer Stiftung vielleicht ihr Vermögen entzogen wurde, sondern weil es generell um die Sachwalterschaften Diskussionen gibt.

Sachwalterschaften muss man einmal von der Seite der Betroffenen sehen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Sachwalterschaften !) – Ich weiß, dass das keine Sachwal­terschaft ist, sondern dass das eine Stiftung ist, aber was mit dieser Stiftung gemacht wurde (Bundesrat Krusche: Das wissen Sie nicht!), also wirklich, bei einer 90-jährigen Frau in langjährige Immobilien anzulegen, das weiß doch schon jeder Volksschüler, dass das eine Sache ist, die zum Himmel schreit und stinkt. (Bundesrat Krusche: Vermögensberater ist er auch schon!) Nein, da braucht man kein Vermögensberater zu sein, dass man weiß, wie eine alte Frau um ihr Guthaben oder ihre kleinen Ersparnisse


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 64

praktisch (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nur eine Behauptung!)  – Ja, ich wieder­hole die Behauptung hier auch im Schutze meiner Immunität, und ich bleibe dabei, dass das zum Himmel stinkt. Ob ich jetzt einen Ordnungsruf bekomme, weiß ich nicht. Aber auch eine Müllhalde stinkt zum Himmel, also ich glaube, das könnte man durchaus noch in einer Diskussion durchgehen lassen.

Die Anregung der Volksanwaltschaft, dass man stärker aufklärt in Richtung frühzeitige Selbstbestimmung, etwa bei der Patientenverfügung, bei der Vorsorgevollmacht und so weiter, halte ich für sehr, sehr wichtig, und das wird in dem Bericht auch ange­sprochen.

Auch dass die Volksanwaltschaft mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechts­kon­vention eine präventive Kontrollaufgabe hat, ist eine neue Aufgabe.

Ich gehe heute nicht auf Einzelpunkte ein, aber einen Hinweis in diesem Bericht möchte ich doch speziell aufgreifen: dass die Entschuldigungskultur der öffentlichen Verwaltung eine Minderleistung ist. Wir sollten in dieser Hinsicht ein bisschen weiterkommen, auch in unseren Kontakten, dass niemandem eine Perle aus der Krone fällt, wenn er sich entschuldigt, wenn er etwas falsch gemacht hat. Die Volksan­walt­schaft hält das explizit fest, dass die Entschuldigungskultur, die Kultur, sich für einen Fehler zu entschuldigen, unterentwickelt ist.

Der Bericht 2011 zeigt, dass wir beim Asylrecht und beim Fremdenrecht nach wie vor eine Gesetzeslage haben, die Fälle produziert. In Zahlen ausgedrückt: 67 Prozent Zuwachs im Bereich des Asylrechts – von Edgar Mayer angesprochen – bedeutet: von 222 Fällen im Jahr 2010 auf schon 717 Fälle im Jahr 2011. Das explodiert!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder wird die überlange Verfahrens­dauer angesprochen – egal, ob im Asylrecht oder in der Verwaltung –, und dazu möchte ich schon ein kritisches Wort sagen. Wenn wir im Zusammenhang mit Sparen immer sagen: Personal abbauen, Verwaltung einsparen, Beamte einsparen und so weiter, dann darf man sich nicht wundern, wenn den Bürgern und Bürgerinnen in der Verwaltung letztlich Recht vorenthalten wird, weil die Sache nicht erledigt wird. Was heißt denn: überlange Verfahren? – Das heißt, dass das Recht nicht durchgesetzt wird. Ich entziehe jemandem das Recht. Und das ist eine Folge dessen, wenn wir Hurra schreien, wenn es heißt: Es wird eingespart, da werden 20 Posten eingespart, dort wird nicht nachbesetzt!, und so weiter. Das ist eine Verletzung der Leistung gegenüber den Recht suchenden Bürgerinnen und Bürgern. Das ist es, und das muss man auch einmal ganz ungeschminkt hier zum Ausdruck bringen.

Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich allerdings auch etwas Selbst­­kritisches für uns alle sagen. Die Volksanwaltschaft hat 26 neue Gesetzes­initiativen angeregt, Reparaturen, Veränderungen, zum Beispiel im Familienrecht, zum Beispiel bei pflegenden Angehörigen – 117 sind offen! Dieser Gesamtsumme von 143 stehen ganze 23 positive Reaktionen von Ministerien gegenüber, was allerdings nicht heißt, dass sie auch schon etwas getan haben, denn in Bezug auf mehr als die Hälfte dieser 23 ist noch nichts erfolgt. Man hat nur gesagt: Ja, die Volksanwaltschaft hat recht!, aber es ist noch nichts erfolgt.

Wenn dann steht: Ministerium sieht keinen Handlungsbedarf, Änderungen sind nicht beabsichtigt, Änderung nicht erfolgt, keine Änderung aufgrund der Budgetsituation!, wenn das Ministerium sagt: Nein, wir sehen das anders – das ist ja ein gutes Recht –, Ressort teilt Bedenken nicht!, dann müssen wir feststellen, dass die Volksanwaltschaft unsere Einrichtung ist, die Einrichtung des Gesetzgebers, und uns irgendwann einmal überlegen, den Berichten der Volksanwaltschaft an Nationalrat und Bundesrat und deren Anregungen, die sie in unserem Auftrag macht, auch mit einem höheren Nachdruck gegenüber der Bundesregierung mehr Ausdruck zu verleihen.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 65

117 offene Anregungen, das geht ja schon zurück bis ins Jahr 2006 – also ich meine, man könnte zumindest einmal eine Stellungnahme von einem Ressort einfordern, denn gleichzeitig produzieren diese offenen Anregungen der Volksanwaltschaft die Fälle des Jahres 2012. Wenn nichts geschieht, wenn ein Ressort das eben anders sieht, kommt der nächste Fall hereinspaziert.

Deshalb, glaube ich, sollten wir alle uns gemeinsam überlegen, wie wir den Anre­gungen der Volksanwaltschaft in den Ministerien mehr Gehör verschaffen können. Ich glaube, das sollte die Lehre dieses 2011er Berichtes sein. – Ich danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.27.17

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich wieder typisch, dass Kollege Schennach die Debatte über den Bericht der Volksanwaltschaft dazu missbraucht (He-Rufe bei der SPÖ), noch schnell in einem laufenden Verfahren einen Seitenhieb auf die FPÖ auszuteilen. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Ihr teilt nie aus?!) Das war schon verräterisch, im Zusammenhang mit der Stiftung von Sach­walterschaft zu sprechen, denn genau das ist jetzt die Masche: diese Frau Meschar so darzustellen, als ob sie nicht ganz bei Sinnen wäre oder nicht ganz Herr ihrer Sinne wäre und nicht wüsste, was damals geschehen ist oder was sie getan hat oder was sie nicht hätte tun wollen.

Tatsache ist – das ist ein laufendes Verfahren, aber so viel sei schon dazu gesagt –: Diese Frau Meschar ist von zwei Notaren unabhängig voneinander beraten und darüber aufgeklärt worden, welche Folgen das hat, und befragt worden, ob sie das auch wirklich so will und warum, und, sollte Ihnen das nicht genügen, von einem unab­hängigen Gericht noch einmal darüber belehrt worden. Also das Ganze jetzt so hinzu­stellen, als hätte ihr das nie jemand gesagt – was sie jetzt nämlich sagt –, ist die typische Schutzbehauptung. Nie habe ich etwas davon gehört, sagt sie. – Das geht gar nicht, da würde sich jeder Notar schuldig machen, und das ist eindeutig nicht ge­schehen!

Im Übrigen würde ich sagen: Warten Sie doch einmal den Ausgang des Verfahrens ab und schütten Sie nicht immer wahlweise um sich herum! Immer dann, wenn die FPÖ gut liegt, geht die Schütterei erst richtig los. Wenn man schon nicht mit politischen Argumenten dagegenhalten kann, dann versucht man es halt mit der Anschütterei – in der Hoffnung, dass irgendetwas hängen bleibt. Ich finde das unredlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Wir sind jetzt beim Bericht der Volksanwaltschaft und nicht bei der Causa Stiftung! (Bundesrat Boden: Eben!) Ja, aber es wird ja wohl erlaubt sein, auf eine Anschüttung auch eine Antwort zu geben. (Bundesrat Boden: Zuerst beschweren Sie sich !) Nein, so, meine lieben Kollegen von der SPÖ, geht es nicht! Ihr schüttet einfach einmal hin, und wir müssen das zur Kenntnis nehmen und dürfen nichts sagen – das hättet ihr gerne. Kollege Jenewein hat schon gesagt, in der marxistischen Denkweise würde das auch funktionieren, hier in der Demokratie geht das nicht. Gott sei Dank! (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Kneifel hat heute im Zusammenhang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gefragt: Wohin soll sich denn der Bürger wenden? – Unter anderem wendet er sich auch an die Volksanwaltschaft. Wir haben gehört, jedes Jahr werden es mehr. Im Jahr 2011 sind es laut Bericht 10 Prozent mehr als im Jahr davor.


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Aufgefallen ist mir auch, dass die meisten Beschwerden aus dem Sozialbereich kom­men. Das sind immerhin fast 24 Prozent, und sie betreffen Pflegegeld­einrichtungen, Pension, Kranken-, Kindergeld, Arbeitslosengeld und so weiter. Das ist schon ein erstaunlich großer Teil, fast ein Viertel.

Es gibt auch ganz konkret einige Dinge im Sozialbereich, die von der Volks­anwaltschaft kritisiert werden beziehungsweise wozu sie Anregungen ausführt, nämlich dort, wo es um die Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt geht, vor allem in den staatlichen Institutionen. Wir kennen ja alle die Diskussionen, die es gegeben hat, und wissen, dass es vor allem im Zusammenhang mit den Missbräuchen in den Heimen der Stadt Wien – sozialistisch geführt, möchte ich anmerken – unzählige Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch gibt. Es gibt zwar Entschädigungen, und es gab Entschädigungen, die Kritik ist aber, dass diese länderweise sehr verschieden sind. Es hat auch in anderen Bundesländern Vorfälle gegeben, und ich glaube, eine bun­desweite Vorgangsweise wäre zielführend, denn dem Opfer ist es egal, ob es in Wien oder in Niederösterreich oder in Vorarlberg lebt – die Leiden, die seelischen wie die körperlichen, sind überall dieselben. Daher glaube ich, eine bundesweite Vorgangs­weise wäre wünschenswert.

Es wäre auch wünschenswert – auch das ist eine Anregung der Volksanwaltschaft –, dass es Untersuchungsergebnisse gäbe. Wenn es sie gibt, so nur aus dem Ausland. Österreich hinkt da im internationalen Vergleich leider wieder einmal hintennach. Man könnte sich doch an gewisse Standards annähern.

Was ich auch ansprechen möchte – weil auch schon von Pflege und Senioren gesprochen worden ist –, ist der Hinweis der Volksanwaltschaft auf die sprachliche Diskriminierung der älteren Personen. Das wird im Bericht der Volksanwaltschaft dargestellt, und das möchte ich auch vorlesen, worüber da Klage geführt wird:

„() unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit geführte Verteilungs­debatten sind aber keine Rechtfertigung für herabsetzende sprachliche Etikettierungen älterer Personen. Bilder einer ,Überalterung oder Vergreisung der Gesellschaft‘“ –

was wir schon immer wieder hören –,

„der ,Altenlast‘ usw. vermitteln den Eindruck, dass alte Menschen mit ihren Ansprüchen auf eine angemessene Alterssicherung“ –

und die haben sie sich auch verdient –

„und Gesundheits- bzw. Pflegevorsorge eine bedrohliche Katastrophe wären, gegen die sich der Staat und die jüngere Generation schützen müsste.“

Wenn wir jetzt in uns gehen, müssen wir sagen, das hört man schon immer wieder. Ich verstehe daher, dass ältere Menschen sagen, sie fühlen sich diskriminiert. Sie haben ihr ganzes Leben lang etwas geleistet, etwas dazu beigetragen, dass dieser Staat funktionieren kann, dass ihre Enkelkinder etwas haben, dass es eben Gesund­heits­einrichtungen, Pflegeeinrichtungen et cetera gibt. Das haben diese Damen und Herren mit ihrer Steuerlast geschaffen. Daher, glaube ich, muss man da wirklich sensibel sein. Die Sprache ist eben auch ein Instrument des sozialen Handelns, und man muss aufpassen, was man sagt und wie man etwas sagt.

Ein weiterer Kritikpunkt beziehungsweise Beschwerden ergeben sich aus dem Budget­begleitgesetz – das wir ja immer „Belastungspaket“ genannt haben –, das zu besonderen Härtefällen führt, so zum Beispiel durch die Streichung des Alleinverdie­nerabsetzbetrages für Ehepaare, die keine Kinder mehr zu versorgen haben. Ich sage ja nichts, wenn jemand nie Kinder gehabt hat, aber – und ich habe das schon damals in der Debatte gesagt – ich finde das wirklich extrem ungerecht, dass der Alleinverdie-


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nerabsetzbetrag gestrichen worden ist, nur weil jemand keine eigenen Kinder mehr zu versorgen hat. Wie wir wissen, kämen viele junge Familien ohne Omas und Opas nicht über die Runden.

Ich meine, jemand, der Kinder großgezogen und damit auch seinen Beitrag für die Gesellschaft geleistet hat, darf nicht bestraft werden, indem man sagt: Okay, jetzt hast du keine kleinen Kinder mehr, jetzt streichen wir den Absetzbetrag, weil wir sparen müssen! Man kann und muss sich auch überlegen, wo man sparen kann, aber man muss nicht immer gerade bei solchen Personen sparen. Darüber sollte man vielleicht noch einmal nachdenken.

Der Pflegebereich ist von meinen Vorrednern auch schon angesprochen worden, und auch hier gibt es wiederum besondere Härtefälle. Ein Beispiel möchte ich zitieren:

Eine Mutter, die eine schwerbehinderte Tochter pflegt, hat sich an die Volksanwalt­schaft gewandt, weil sie sich, weil die Tochter keine eigene Krankenversicherung hat, nicht als pflegende Angehörige beitragsfrei mitversichern lassen kann. Sie ist deshalb gezwungen, sich selbst zu versichern. Die Möglichkeit der begünstigten Selbst­versicherung für diesen Personenkreis besteht nicht.

Die Volksanwaltschaft konnte aufgrund des besonderen Härtefalls wenigstens eine Minderung des monatlichen Beitrags erreichen. Die Situation ist aber immer noch unbefriedigend – wie auch die Volksanwaltschaft erneut fordert; es gibt also auch Forderungen der Volksanwaltschaft, die schon älter sind und noch nicht positiv erledigt sind. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Im Übrigen, Kollege Mayer, sind Sie Mitglied einer der Regierungsparteien, es wird an Ihnen und Ihren Kollegen liegen, ob solche Forderungen der Volksanwaltschaft dann auch wirklich in ein Gesetz umgesetzt werden, was ich Ihnen in dem Fall nur empfehlen kann (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer), weil die Forderung nach einer Ausdehnung der beitragsfreien Mitversicherung auf Personen, die einen Angehörigen ohne eigene Krankenversiche­rung pflegen, natürlich auch erhoben wird, und da könnte man ja tätig werden.

Ein weiterer Kritikpunkt – auch nicht zum ersten Mal, auch nicht im Rahmen der Debatte über den Bericht der Volksanwaltschaft – ist die Notstandshilfe, die aufgrund der durch die Inflation gestiegenen Lebensmittelkosten immer mehr Menschen in die Armut zwingt. Das wird wirklich immer dramatischer. Es gibt – konnte man heute in einer Beilage der „Presse“ nachlesen – auch eine sehr hohe Anzahl von Menschen, die sich bis über beide Ohren verschuldet haben, die eigentlich potenzielle Kandidaten der Schuldnerberatung sind, und schon deswegen immer weniger zum Leben haben. Im Umgangston würde man sagen: Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig!

Auch darüber muss nachgedacht werden, kann ich nur allen ans Herz legen. Anträge von den Oppositionsparteien liegen genug vor, vielleicht nimmt man sie einmal auf, redet darüber und findet einen Konsens. Herr Staatssekretär Ostermayer war heute ohnehin schon so harmoniebedürftig, vielleicht können wir auch in diesem Zusam­menhang dieser Harmoniebedürftigkeit Rechnung tragen und zu einem Konsens kommen.

Ein ganz interessanter Fall ist auch noch die Landesverteidigung, nämlich die Kritik an der willkürlichen Postenvergabe. Das kennen wir als gelernte Österreicher, das geschieht nicht zum ersten Mal. Es gibt eine Beschwerde von einem Herrn N. N., und die Volksanwaltschaft hat in einem Prüfungsverfahren festgestellt, dass er für die Stelle im Bereich Landesverteidigung, Leiter der Verwaltung, objektiv in jeder Hinsicht als besser geeignet anzusehen ist als sein Mitbewerber. Das ist aus einer Eignungs­beurteilung des Kommandanten der Heeresmunitionsanstalt Stadl Paura hervorge­gangen.


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Was ist passiert? – Das wissen wir: Natürlich hat er den Posten nicht bekommen! Man kann wieder einmal die Vermutung äußern, dass er wahrscheinlich „die falsche Farbe“ gehabt haben wird. Ein Umstand und ein Zustand, der von uns schon sehr, sehr lange kritisiert wird, weil wir immer der Meinung waren, die Qualifikation ist das Ausschlag­gebende und nicht das Parteibuch. (Bundesrätin Mag. Duzdar: War das bei Schwarz-Blau auch so?) Es darf kein Hindernisgrund sein, aber es darf nicht quasi das erste Qualifikationsmerkmal sein. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der auch ein Dauerbrenner ist – auch diesbezüglich hat die Volksanwaltschaft Kritik geübt –, ist dieser grenzüberschreitende Kindergartenzugang; vor allem Wien und Niederösterreich sind besonders betroffen. Es ist nahezu unmöglich, wenn man in Wien wohnt, sein Kind in Niederösterreich, weil vielleicht dem Arbeitsplatz näher, in den Kindergarten zu schicken und umgekehrt.

Das ist etwas, das für viele Eltern wirklich einen echten Hemmschuh darstellt, noch dazu, da es ja normal sein sollte, dass man sich den Kindergarten aussuchen kann. Der eine ist einem eben aus verschiedenen Gründen lieber als der andere. Hier denke ich, Sie reden doch immer von einem grenzenlosen Europa, und Sie sind dafür, dass alle Grenzen offen sind. Und dann scheitert es natürlich ganz genau im Kleinen! Näm­lich zwischen Wien und Niederösterreich – vielleicht woanders auch, aber hier weiß ich es besonders – scheitert es, sodass die Kinder nicht einen bestimmten Kindergarten besuchen können. Langsam wird es also lächerlich, würde ich sagen. Vielleicht können sich die Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich einmal einigen, dass man einen Konsens findet, dass der gegenseitige Besuch über die Landesgrenzen hinweg kein Hindernis mehr sein sollte. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ansonsten möchte ich den Mitarbeitern der Volksanwaltschaft meinen herzlichen Dank für diesen ausgezeichneten Bericht aussprechen, und auch den Volksanwälten. Rich­ten Sie das bitte Ihren Kollegen auch aus: Herzlichen Dank für Ihre hervorragende Arbeit, und weiter so! (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

12.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Dönmez. – Bitte.

 


12.41.09

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Brinek! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch unser Dank seitens meiner Fraktion gilt dem sehr ausführlichen Bericht.

Vieles wurde schon gesagt. Kollege Schennach hat auf wesentliche Aspekte, auf die auch ich eingehen wollte, Bezug genommen, darum erspare ich mir das. Ich habe mir aber aus dem Bericht drei Bereiche herausgenommen, wo ich denke, dass man das thematisieren muss, weil es auch, im Bereich der Staatsbürgerschaft zum Beispiel, was den Vollzug betrifft, eines auf jeden Fall betrifft, und zwar ist das der Bereich des Staatsbürgerschaftswesens.

Hier wurden sehr viele Fälle an die Volksanwaltschaft herangetragen, wo bei Men­schen, die über Jahrzehnte die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, die Be­hörde im Zuge eines Verfahrens draufkommt, dass ihnen vor 20 oder 30 Jahren aufgrund eines behördlichen Irrtums fälschlicherweise die österreichische Staats­bürger­schaft zuerkannt worden ist, und sie ihnen wieder aberkannt wird. Das hat massivste Auswirkungen in negativer Hinsicht auf die Betroffenen selber, aber auch auf deren Familienangehörige.

Wir haben im Staatsbürgerschaftsrecht allgemeine Voraussetzungen, die von jeder­mann zu erfüllen sind, darunter die deutsche Sprache, Unbescholtenheit, Einkom-


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mens­grenze und so weiter. Menschen, die kurz vor der Pension stehen und diese Einkommensgrenze nicht erfüllen können, haben ein riesengroßes Problem.

Ein Problem haben auch viele, viele Menschen, die sich um die österreichische Staats­bürgerschaft bewerben und alle Voraussetzungen erfüllen bis auf eine. Denn eine der Voraussetzungen ist, dass ein durchgehender Aufenthalt von mindestens neun Jahren für die Erteilung der Staatsbürgerschaft erforderlich ist. Da kommt es manchmal vor, dass aufgrund einer gewissen Familienkonstellation – dass die Kinder krank sind, oder was auch immer – diese Menschen die Frist um ein, zwei Tage übersehen. Dann kommt es dazu, dass die Frist wieder von Neuem beginnt.

Das ist meines Erachtens, menschlich gesehen, wirklich sehr tragisch. Da kommen nicht nur zur Volksanwaltschaft viele, viele Menschen, die diese Probleme haben, sondern auch zu mir ins Bundesratsbüro. Das heißt, da sind wir auch als Gesetzgeber und als Land, die wir für den Vollzug zuständig sind, dafür verantwortlich. Ich hoffe, dass wir – „diese Missstände“ will ich nicht sagen – diesen Umstand, der zu sehr vielen Härtefällen führt, auch bereinigen können, indem wir vielleicht gemeinsam eine Geset­zesinitiative an den Nationalrat herantragen, dass das geändert werden soll. – Das ist der eine Punkt.

Ein zweiter Punkt – den hat auch Kollege Schennach schon angesprochen – ist, dass es um Diskriminierungen geht. Es ist bei uns nach wie vor alltäglich, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft der Zutritt zu Lokalitäten verweigert wird. Beim Großteil ist es so – das belegt auch eine Studie, es sind über 83 Prozent –, dass sie es gar nicht zur Anzeige bringen oder es schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Und in den wenigen Fällen, in denen es zur Anzeige kommt, ist es dann so: Im Berichtszeitraum sind insgesamt österreichweit zwei Fälle zur Anzeige gebracht worden, davon wurde einer eingestellt, und einer ist noch im Laufen.

Da müssen wir sicher noch einiges dazu beitragen, dass es nicht schulterzuckend zur Kenntnis genommen wird, wenn Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft nicht in Lokale hineingelassen werden, weil das massive Folgeprobleme nach sich zieht. Sie gehen dann in ihre eigenen Lokale, und es entwickeln sich gewisse Parallelstrukturen, was ja auch nicht gewünscht ist. Letztendlich ist das, wenn die Betreiber mit keinen Strafen oder mit sehr, sehr geringen Strafen zu rechnen haben, eine Praxis, die wir nicht werden abstellen können. (Bundesrat Ertl: ... wenn sie nicht hineindürfen in die anderen Lokale, weil sie da verwiesen werden!)

Es passiert tagtäglich aufgrund der Herkunft. Da braucht man noch nicht einmal im Lokal zu sein und sich blöd aufzuführen, denn dann gäbe es ja einen nachvoll­ziehbaren Grund. Wenn sich jemand nicht anständig benimmt – egal, wo –, dann kann man ihn zu Recht verweisen. Aber die Menschen werden ja nicht einmal hinein­gelassen! (Bundesrat Ertl: Stimmt ja nicht!) – Es stimmt! Es ist mir persönlich auch schon einige Male passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist sicher nicht etwas, was erfunden wird. Das ist eine Realität, und diese wird leider Gottes von den Behörden schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Da müssen wir auch den Fokus darauf richten. – Das ist der zweite Bereich.

Der dritte Bereich, den ich ansprechen möchte, ist folgender. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns ein Ziel gesetzt: Wir haben uns das Ziel gesetzt, im Asylverfahren die Verfahren zu beschleunigen. Ich glaube, da herrscht Konsens in diesem Haus, in dieser Kammer. Jedoch, wenn man sich die Anmerkungen der Volks­anwaltschaft in diesem Bereich ansieht, dann ist deutlich erkennbar, dass wir diese Zielsetzung bei Weitem nicht werden erreichen können!

Ich habe auch in meinen Reden, in denen es um die Thematik Asylverfahren gegangen ist, mehrfach herausgearbeitet, dass das mit dem Personalstand und mit den Mitteln,


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die insbesondere der zweiten Instanz, dem Asylgerichtshof, zur Verfügung stehen, nicht zu bewerkstelligen ist. Wir haben mittlerweile das Faktum, dass in der zweiten Instanz, beim Asylgerichtshof, die Akten drei Monate, bis hin zu drei Jahren, noch nicht einmal in Bearbeitung genommen werden können. Das heißt, wir haben ohnehin schon einen Rucksack aus den Altfällen, den wir mitnehmen und der abgebaut werden soll. Jetzt haben wir wieder einen Rucksack, der sich in der zweiten Instanz anhäuft, und jetzt sind wir gerade dabei, eine neue Instanz zu schaffen. Das heißt, die neue Instanz wird auch wieder diese Altfälle und die Rucksäcke übernehmen müssen.

Da sind wir als Gesetzgeber wirklich gefragt, genau hinzusehen: Wes bedarf es zur Beschleunigung der Asylverfahren? – Es nützt uns allen nichts, wenn auf dem Papier Konsens darüber herrscht, es aber in der Realität nicht funktioniert, weil eben die Gerichte unterbesetzt oder die Sprachkompetenzen mangelhaft besetzt sind. Wir haben zum Beispiel für Somali österreichweit nur eine Person, die diese Überset­zungen durchführen kann. Da haben wir uns mittlerweile, dank Unterstützung der Volksanwaltschaft, Unterstützung von einer Agentur aus Deutschland hereingeholt.

Da müssen wir massivst Änderungen herbeiführen, denn sonst schleppt sich das zulasten aller Beteiligten wie ein roter Faden durch. Es ist, glaube ich, weder im Interesse der Betroffenen noch im Interesse von uns allen, dass es zu überlangen Asylverfahren kommt. Es hat nämlich massive Konsequenzen, wenn Leute nicht einmal zum Arbeitsmarkt zugelassen werden, wenn sie in der Grundversorgung sind, und die Mehrheit der Österreicher weiß ja nicht, dass die meisten nicht arbeiten dürfen. So schaukelt sich ein Klima der Ablehnung auf, und das ist meiner Ansicht nach entbehrlich.

Einen Punkt möchte ich zum Abschluss noch herausarbeiten, diesen halte ich für ganz, ganz wesentlich, für ganz, ganz wichtig. Das hat Kollege Schennach schon mit einem Halbsatz angefangen: Die Personen, die sich an die Volksanwaltschaft wenden, haben das Gefühl, dass sie in irgendeiner Weise unrecht oder nicht richtig behandelt worden sind. Da geht es meistens auch darum, sich zu entschuldigen. Das ist eine Kultur, die bei uns, glaube ich, noch ein Potenzial zur Entfaltung und zur Entwicklung hat. Diese ist nicht besonders erkennbar, insbesondere in einem Fall, den ich noch ganz kurz erwähnen möchte.

Im Polizeianhaltezentrum wurde aufgrund eines Brandes ein Flüchtling massivst ver­letzt, es mussten ihm Gliedmaßen amputiert werden. Es hat bis dato keine Entschul­digung seitens des Ministeriums oder irgendeine Stellungnahme gegeben! Daher werde ich heute ganz konkret zu diesem Fall auch eine Anfrage einbringen, die mittlerweile in der Direktion eingegangen ist, um hier sozusagen auf eine Reaktion zu warten.

Wie auch immer, aber es kann nicht sein, wenn Unrecht geschieht – egal, wem gegenüber –, dass man das schweigend zur Kenntnis nimmt. Dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, uns allen passieren Fehler. Aber man sollte dann auch die Größe haben, sich dazu zu bekennen und sich bei den Betroffenen entschuldigen.

Auf jeden Fall einen herzlichen Dank für den tollen Bericht! Ich freue mich schon auf den Bericht im nächsten Jahr, wenn die Agenden, die bisher beim Menschen­rechtsbeirat im Innenministerium angesiedelt waren, in Ihre Agenden übergehen. Ich bin schon gespannt, wie ausführlich dieser Bericht sein wird. Wir haben ja auch im Ausschuss schon intensiv darüber diskutiert.

Danke noch einmal für Ihr Bemühen: Herzlichen Dank! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.50



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 71

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Tiefnig. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.50.47

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Volksanwältin Dr. Brinek! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! 1977 wurde Jimmy Carter Präsident der USA, in Österreich wurde die Volks­an­waltschaft gegründet. Man sieht: Präsidenten vergehen, politische Parteien ver­schwinden oder spalten sich – die Volksanwaltschaft hat Bestand! Das zeigt auch das Interesse von 323 000 Haushalten, die wöchentlich die Sendung „Bürgeranwalt“ verfolgen und denen Sie als Volksanwälte entsprechende Beispiele präsentieren können, die vor Ort anstehen.

Ein wichtiger Punkt, der immer wieder vorkommt, ist das Thema Pflege. Meine Vorredner haben zu diesem Bereich schon dementsprechend ihre Worte eingebracht. Für mich ist es aber auch wichtig, dass im Bereich der verschiedenen Sozialversiche­rungsanstalten immer wieder verschiedene Einstufungen im Pflegebereich stattfinden und es hier auch zu mehr Klarstellung kommen soll. Ich danke Ihnen, und es ist auch die Politik gewesen, die mit dem Bundespflegegesetz Ihren Anweisungen Folge geleistet hat, die pflegenden Angehörigen bei der Einstufung im Pflegebereich entsprechend mitwirken zu lassen oder die Ärzte mitwirken zu lassen.

Ein Punkt, der hier ganz wichtig ist, ist auch die Sachwalterschaft, in der immer wieder Missstände auftreten, wie wir heute schon gehört haben. Auch da ist es wichtig, dass sich die Volksanwaltschaft immer wieder einbringt.

Ein weiterer Punkt wurde auch von meiner Vorrednerin angesprochen. Es sind oft Kleinigkeiten, zum Beispiel die, dass in Stadl-Paura die Nachbesetzung beim Bundes­heer so erfolgt ist. Sie haben den Fall verfolgt und auch Vorschläge eingebracht.

Leider wurden diese nicht umgesetzt, so wie es in der Landwirtschaft beim Thema Ferkelschutzkorb gewesen ist, wo ich ja letztes Jahr noch heraußen gestanden bin, um in dem Bereich die Verteidigung der Landwirte zu übernehmen. Jetzt ist hier eine Lösung zustande gekommen, die für beide Partner verträglich ist. Da sieht man es wieder: Ein gemeinsamer Weg für die Betroffenen und auch für den Tierschutz hat hier Früchte getragen. Ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass hier die Möglichkeit bestanden hat, alle Partner einzubinden!

Ein Thema, das ich auch im Bericht gelesen habe – der, wie gesagt, 287 Seiten umfasst –, ist das Thema Studiengebühren. Da wird wahrscheinlich im kommenden Jahr wieder mehr an Sie herangetragen werden, weil doch die Universitäten Studiengebühren einführen. Ich stehe zu Studiengebühren. Dementsprechend sollten auch die Universitäten hier die Freiheiten haben.

Was auch im Bericht enthalten ist, ist das Thema Studienbeihilfe, weil doch auch einige Kollegen von Ihnen, glaube ich, vorschlagen, dass das Höchstalter bei der Studien­beihilfe von 30 auf 35 Jahre erhöht werden soll, weil die Menschen auch länger im Arbeitsmarkt sein sollen oder sind. Ich glaube, dieser Vorschlag ist nicht so produktiv, denn somit würde man die Studienzeit nur hinauszögern. Es ist doch wichtig für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere Gesellschaft, entsprechend schnell die Menschen auf dem Markt zur Verfügung zu haben, damit sie der Wirtschaft und auch der Gesellschaft zur Verfügung stehen.

Insgesamt muss ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft zu diesem umfangreichen Bericht gratulieren. Sie haben sicherlich auch viel mit kom­munalen Bereichen zu tun. Es ist nicht einfach in diesem Bereich, auch die Konsense zwischen Bürgern und Bürgermeister oder Gemeindefunktionären herzustellen. Ich


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danke Ihnen für die Geduld und für den Nachdruck, mit dem Sie immer wieder arbeiten, und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft, auch Ihren KollegInnen! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Köberl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.54.39

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Volksanwältin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Wie ja schon von meinen Vorrednern und der Vorrednerin berichtet wurde, steht die Volksanwaltschaft vor der größten Kompetenzerweiterung und der tiefgreifendsten Reform seit ihrer Gründung 1977. Ab 1. Juli 2012 wird die Volks­anwaltschaft ja auch für den Schutz und die Förderung von Menschenrechten zuständig sein.

Das heißt aber auch, es sollen in Zukunft 4 000 öffentliche und private Einrichtungen von der Volksanwaltschaft – wohlgemerkt: unangemeldet! – kontrolliert werden. Ich denke, das ist eine enorme Herausforderung für die Volksanwaltschaft, nicht nur in zeitlicher, sondern auch in personeller Hinsicht. Diese Einrichtungen sind Einrich­tungen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung Gefahr laufen können, miss­handelt, unmenschlich behandelt oder ihrer Freiheit beraubt zu werden. Dazu zählen die Justizanstalten, Kasernen, Dienststellen der Sicherheitsexekutive, psychiatrische Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Wohngemeinschaften für Jugendliche sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung.

Bisher standen durch Beschwerden Einzelner initiierte nachprüfende Verwaltungs­kontrollen im Mittelpunkt der Tätigkeit der Volksanwaltschaft. Diese Aufgaben werden nun durch die präventiv ausgerichteten Kontrollaufgaben erweitert. Wie wir schon im Ausschuss erfahren durften, musste neues Personal rekrutiert werden, bisherige Arbeitsabläufe mussten neu strukturiert werden, und das alles, wie uns berichtet wurde, mit einem mehr als knappen Budget. Ich bin schon sehr gespannt auf die kommenden Berichte, die sicherlich durch die zusätzliche Aufgabe noch ausführlicher, umfangreicher und spannender sein werden.

Ich darf mich an dieser Stelle sowohl bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch bei den Volksanwälten für diesen Bericht bedanken, der wirklich sehr gut lesbar ist und den man sich auch als Abendlektüre mitnehmen kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich möchte mich auch für das Stichwortverzeichnis hinten bedanken, für die Abkürzungen, denn in manchen Berichten ist das sehr, sehr schwer zu lesen.

Man kann diesen Bericht auch als Nachschlagewerk nutzen. Durch die vielen Fallbei­spiele ist er eben sehr gut und lebendig lesbar. Ich kann – an unsere Zuseherinnen und Zuseher – nur sagen, dieser Bericht ist auf der Homepage „www.volksanwaltschaft.gv.at“ zum Nachlesen. Ich denke, es ist sehr viel Arbeit, und das sollte auch in der Bevölkerung nachgelesen werden können.

Im Berichtsjahr 2011 wandten sich – das haben wir ja schon gehört – 6 239 Menschen an die Volksanwaltschaft. Wir haben auch gehört, dass fast die Hälfte der Prüffälle, 8 733, abgeschlossen werden konnte. Wie ich dem Bericht entnahm, sind das um 6 Pro­zent mehr als im Vorjahr. Es gibt 276 Sprechtage, wo es 1 800 Vorsprachen gibt. Die österreichische Bevölkerung schätzt, wie ich dem Bericht entnehmen kann, die unkomplizierte Kontaktaufnahme mit der Volksanwaltschaft, ob das persönlich bei einem Sprechtag, telefonisch oder schriftlich ist.


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Ich darf hier noch einmal auf die hohen Einschaltquoten der Servicesendung „Bürgeranwalt“ im ORF, die es ja bereits seit zehn Jahren gibt, hinweisen. Die Sendung ist sicherlich neben der Homepage der Volksanwaltschaft, welche 66 000 Zu­griffe im Jahr 2011 verzeichnete, die größte und wichtigste Plattform für die Anliegen der Volksanwaltschaft.

Im Schnitt wurden Betroffene, welche Anfragen an die Volksanwaltschaft gestellt hatten, nach 49 Tagen darüber informiert, ob in ihrem Fall ein Missstand festgestellt werden konnte. Denn es wird ja bei der Volksanwaltschaft niemand abgewiesen, und nicht in jedem Fall handelt es sich um ein Vergehen einer Behörde. Ich denke mir, durch die geplanten Zusammenlegungen der Bezirksgerichte und die Abschaffung der Gerichtstage – das ist ein Ausfall einer Servicestelle – ist bestimmt auch noch mit einer Zunahme bei der Volksanwaltschaft zu rechnen.

Wenn es sich nicht um das Vergehen einer Behörde handelt, dann wird in diesen Fällen versucht, Aufklärung und Hilfe zu leisten. Wie ich schon sagte: Es wird niemand abgewiesen, und es wird den Menschen Information zur Verfügung gestellt. Ich denke, die Volksanwaltschaft ist gelebtes Bürgerservice. Es werden Anfragen in den verschiedensten Bereichen gestellt, das wurde ja von meinen VorrednerInnen schon erörtert.

Der Bericht der Volksanwaltschaft ist eine wirklich wichtige und gute Lektüre, welche uns einen Gesamtüberblick gibt und aufzeigt, welche Probleme und teilweise auch Hürden BürgerInnen in unserem Land tagtäglich haben. Wie schon von meinen Kolleginnen und Kollegen berichtet wurde, sind die meisten Beschwerden und Prüfverfahren im Bereich Soziales zu finden. Es gibt Beschwerden bezüglich der Pflegegeldeinstufung, Probleme bei der Pensionszuerkennung sowie dem Kranken-, Kinderbetreuungs- oder Arbeitslosengeld.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da geht es meist um existenzielle Fragen für die betroffenen Menschen, eine rasche Klärung der Vorwürfe ist erforderlich. Einer lang­jährigen Forderung der Volksanwaltschaft wurde zum Beispiel im Pflegegeld­reform­gesetz 2012 Rechnung getragen. Die Zahl der Entscheidungsträger wurde reduziert, die Einbindung von Pflegekräften in die Begutachtung des Pflegebedarfs wurde festgelegt. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, gibt es immer wieder Beschwerden hinsichtlich der Pflegegeldeinstufung, besonders bei demenzkranken Menschen durch mangelnde Begutachtung, wo die geistige und psychische Beeinträchtigung und deren Auswirkungen auf die Pflege unzureichend berücksichtigt wurden.

Von der Pflegegeldeinstufung ist nicht nur die Höhe des auszuzahlenden Betrages abhängig, sondern es hängen auch viele andere Leistungen, wie etwa der Zuschuss zur 24-Stunden-Betreuung, der Bezug von sozialen Diensten oder die sozialrechtliche Absicherung pflegender Angehöriger davon ab.

Wie wir alle wissen, sind die größte Gruppe der Pflegenden in Österreich die Ange­hörigen, denn rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt. Leider gibt es nach wie vor Lücken in der sozialversicherungs­rechtlichen Absicherung von pflegenden Angehörigen. Wenn wir an Pflege denken – die Pflege ist in Österreich ja weiblich –, denken wir immer an eine Frau, die ihre alten, kranken Eltern oder Schwiegereltern pflegt und vielleicht auch noch ihren pflege­bedürftigen Mann. Man denkt aber kaum daran, dass Pflege auch heißt, sein schwer krankes oder schwerbehindertes Kind zu pflegen. Und was passiert, wenn es sich in diesem Fall um ein Kind handelt, hat uns Frau Kollegin Mühlwerth schon berichtet, dass es dann nämlich für die Mutter nicht möglich ist, sich beitragsfrei kranken­ver­sichern zu lassen.


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So gäbe es noch unzählige Beispiele aus dem Bericht. Wir haben ja schon sehr viele gehört. Es geht nicht immer nur um Probleme mit der öffentlichen Verwaltung, sondern es geht auch um Gesetzeslücken, die aufgezeigt werden. Was für uns als Länder­kammer in diesem Bericht besonders interessant ist, ist, dass von den insgesamt über 12 000 Beschwerden 2 600 Fälle die Landes- und Gemeindeverwaltung betreffen; an der Spitze liegt hier der Bereich der Raumordnung und des Baurechts.

An den vielen Beispielen sieht man, wie wichtig die Volksanwaltschaft als Organ des Parlaments ist. Sie prüft die Auswirkungen der Gesetze auf unsere Bürgerinnen und Bürger und gibt dem Parlament in ihrem Bericht ein Feedback. Der vorliegende Bericht beinhaltet auch zahlreiche Anregungen an den Gesetzgeber; das haben wir schon gehört. Diese sind wieder sehr gut in neue Anregungen, umgesetzte Anregungen und noch offene Anregungen aufgegliedert. Leider ist die Liste der offenen Anregungen sehr lang. Kollege Schennach hat ja ausführlich darüber berichtet.

Beim Lesen des Berichtes und der Fallbeispiele hat man aber immer wieder das Ge­fühl, dass sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Volks­anwältinnen und den Volksanwalt diese Fälle nicht nur eine Nummer sind, sondern dass hinter jedem Fall der betroffene Mensch gesehen wird, und jeder der Fälle hat auch ein Gesicht. Jeder Fall wird mit großem Engagement verfolgt. Dafür herzlichen Dank, dass es bei der Volksanwaltschaft menschelt.

Wir stimmen der Kenntnisnahme dieses Berichtes sehr gerne zu. Ich wünsche der Volksanwaltschaft viel Elan, das gleiche Engagement und auch die notwendigen finanziellen Mittel für die neue Herausforderung. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Duzdar. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.04.48

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Heute wird der Bericht der Volksanwaltschaft 2011 zur Kenntnis genommen. Als Letztrednerin zu diesem Bericht möchte ich bereits Gesagtes hier nicht wiederholen. Es ist ja wirklich sehr viel und sehr ausführlich dazu gesprochen worden. Das zeigt, wie spannend dieser Bericht ist. Es ist für mich persönlich immer sehr interessant, diesen Bericht zu lesen, weil anhand der zahlreichen Beschwerden und Anliegen, die an die Volksan­waltschaft herangetragen werden, in einer sehr einfachen und gut strukturierten Art und Weise ein Überblick über zahlreiche Probleme in unserer Gesellschaft gegeben wird.

Der Bericht legt anhand vieler Probleme und Anliegen die soziale Lage vieler Menschen dar, auch Probleme auf dem Arbeitsmarkt, Lücken im Arbeitsrecht, Prob­leme im Fremden- und Asylrecht und wirft menschenrechtliche Fragen auf. Insofern ist der Bericht hochpolitisch, weil er uns als Parlamentariern und Parlamentarierinnen aufzeigt, wo Handlungs- und Änderungsbedarf besteht.

Wir wissen – und es ist heute auch gesagt worden –, dass die Prüfungskompetenzen der Volksanwaltschaft mit 1. Juli 2012 stark erweitert werden. In Hinkunft wird die Volksanwaltschaft auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zuständig sein. Erstmals in der Geschichte der Volksanwaltschaft, seit ihrer Gründung im Jahre 1977, werden auch private Einrichtungen geprüft und nicht nur die öffentliche Verwaltung, die im Zentrum der bisherigen Kontrolltätigkeit stand.


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In Form eines menschenrechtlichen Monitorings wird die Volksanwaltschaft nun in Zukunft auch die Aufgabe haben, die Einhaltung der UN-Menschenrechtskonvention, die Österreich ratifiziert hat, zu gewährleisten.

Mit diesem neuen verfassungsrechtlichen Auftrag betritt die Volksanwaltschaft erstmals neues Terrain. Man wird bereits im nächsten Jahr sehen, wie dieser Neustart ange­laufen ist, weil dieses Verfahren bei Weitem nicht einfach sein wird, da es natürlich auch die Vernetzung und Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Institutionen voraussetzt.

Erinnert euch, werte Kollegen und Kolleginnen, wir haben vor einigen Monaten hier im Bundesrat das Durchführungsgesetz zur Umsetzung des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe beschlossen! Mit diesem Gesetz haben wir die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass die Prüfungs­kompetenzen der Volksanwaltschaft erweitert wurden und dieses menschenrechtliche Monitoring eingeführt wurde. Man wird in Zukunft sehen, welche Auswirkungen dieses menschenrechtliche Monitoring auf die menschenrechtliche Entwicklung in Österreich haben wird.

Trotz dieser neuen Kompetenzen darf aber nicht vergessen werden, worin die Kern­aufgaben der Volksanwaltschaft liegen. Die Themen, die hier bereits aufgrund der Beschwerden und Anliegen behandelt wurden, sind, wie ich eingangs gesagt habe, sehr vielschichtig. Es gibt kaum einen Aspekt, der in diesem Bericht nicht vorkommt. Zahlreiche Problemfelder wurden schon genannt und skizziert.

Insofern zeigt das auch, wie wichtig die Volksanwaltschaft als Institution ist, weil sie es schafft, aus den zahlreichen Gesprächen, die sie mit den Menschen führt, politische und gesetzliche Empfehlungen an die Regierung und an das Parlament zu richten. Es gibt im Bericht einen eigenen Anhang mit Gesetzesempfehlungen. Einige Empfeh­lungen – das muss man dazusagen – gibt die Volksanwaltschaft schon seit Jahren ab. Es muss, glaube ich, auch ziemlich enttäuschend sein, wenn dann alle Jahre wieder die gleichen Empfehlungen im Bericht vorkommen, diese aber nicht in die Regierungs­vorlagen einfließen.

Da kann ich nur meinem Kollegen Schennach beipflichten, dass wir uns vielleicht im Parlament einmal überlegen sollten, wie wir diesen Anregungen mehr Gehör ver­schaffen können. Ich nenne hier nur das Staatsbürgerschaftsgesetz als Stichwort, wo Menschen ohne ihr Verschulden aufgrund von Behinderung, aufgrund von geringem Einkommen vom Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen werden.

Aber ich möchte an dieser Stelle noch ein paar Punkte nennen, die ich beim Durch­lesen des Berichtes als sehr nennenswert empfunden habe, weil sie in der Öffent­lichkeit kaum vorkommen und auch heute nur zum Teil genannt wurden. Der eine betrifft die arbeitsrechtliche Stellung von Hausangestellten in diplomatischen Haus­halten, wo aufgrund des Prinzips der diplomatischen Immunität nicht immer rechtlich klar ist, ob diese Hausangestellten österreichischen ArbeitnehmerInnenvorschriften unterliegen oder nicht und ob bei Verletzung dieser Vorschriften aus dem Be­schäftigungsverhältnis ein Verfahren gegen Angehörige des Diplomatischen Dienstes angestrengt werden kann oder nicht.

Wir wissen, dass es in diesem geschützten Bereich immer wieder zu ausbeuterischen Verhältnissen und Praktiken bis hin zum Tatbestand des Menschenhandels kommt. Die große rechtliche Streitfrage spitzt sich da immer wieder dahin gehend zu, ob diese Beschäftigungsverhältnisse in diplomatischen Haushalten entweder in die dienstliche oder in die außerdienstliche Immunität fallen. Da, denke ich, wäre Handlungsbedarf


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gegeben, um für Hausangestellte in diplomatischen Haushalten klare Rechtsver­hältnisse zu schaffen und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Österreich abzustellen.

Interessant habe ich auch – das ist von Frau Kollegin Mühlwerth gekommen – die Beschwerden von älteren Menschen gefunden, welche sich an die Volksanwaltschaft gewandt haben, weil sie empfinden, dass im Zuge von Pensionsreformdebatten sehr abfällig und sehr herabsetzend mit Begriffen wie „Überalterung“ und „Vergreisung der Gesellschaft“ gesprochen wird. Es klingt meines Erachtens in der Tat manchmal auch durch die mediale Berichterstattung so, als ob ältere Menschen nur eine Bürde und eine Last für unsere Gesellschaft und ihre Ansprüche auf eine angemessene Alterssicherung eine Bedrohung für unsere Gesellschaft wären. Insofern ist diese Kränkung und Betroffenheit auch sehr nachvollziehbar und meiner Ansicht nach keineswegs überraschend gewesen.

Es wird nämlich schon des Öfteren im Zuge von Pensionsreformdebatten eine Gesell­schaft gezeichnet, in der Generationen in Konkurrenz zueinander stünden und es nur mehr eine Frage der Zeit sei, wann sich die eine gegen die andere Generation durchsetzt. Der Aspekt der Solidarität geht hier meines Erachtens viel zu sehr verloren. Es ist kein Wunder, dass Menschen dadurch total verunsichert werden.

Ich habe auch die Behandlung des Themas Notstandshilfe sehr wichtig und interessant gefunden, wonach die Volksanwaltschaft ja zum Schluss kommt, dass die Geld­leistungen aus der gesetzlichen Arbeitsversicherung zunehmend ihre existenzsichern­den Funktionen verlieren. Es ist schon so, dass es eine Reihe von Gesetzesnovellen gegeben hat – das muss man schon sagen, im Jahr 2010 hat es stark mindest­sichernde Elemente gegeben –, aber angesichts der zuletzt gestiegenen Preise sind diese Geldleistungen gerade für die Güter des täglichen Bedarfes unzureichend. Ich denke, dass auch hier natürlich die Politik gefragt ist, in Zukunft weitere Maßnahmen und Schritte gegen die Verarmung unserer Gesellschaft zu setzen.

Insgesamt ist der Bericht gerade aus sozialpolitischer Sicht eine wichtige politische Lektüre für uns Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Ich danke Ihnen auch im Namen meiner Fraktion für diesen wirklich umfassenden und ausführlichen Bericht und vor allem für die darin enthaltenen politischen und rechtlichen Schlussfolgerungen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Volksanwältin Dr. Brinek. – Bitte.

 


13.13.36

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich versuche jetzt das Kunststück, aus all diesen Rede­beiträgen, Anregungen und Bemerkungen eine kleine Replik zu gestalten. Zu Beginn: Lassen Sie mich die Grüße von Volksanwältin Stoisits und Volksanwalt Kostelka überbringen – in einem Fall ein lang geplanter Auslandstermin und im anderen Fall ein Krankenhausaufenthalt mit Rekonvaleszenz, aber auf dem besten Wege. In Ihrem Sinne nehme ich die Grüße an beide mit.

Ich bedanke mich, dass Sie zum Bericht insgesamt Stellung genommen haben. – Ja, wir haben uns weiter um mehr Professionalität und Professionalisierung in der Abfas­sung, in der Strukturierung, in der Zusammenstellung und auch in der sprachlichen Darstellung bemüht. In der Tat sind es nicht die Seitenzahlen, die beeindrucken sollen, sondern die Qualität, sowohl in der Ausführlichkeit als auch in der Dichte und in der Repräsentativität der Beispiele und der Zusammenfassung.


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All denjenigen in der Volksanwaltschaft, die im Hintergrund arbeiten, die heute nicht mitbegleitend tätig sein konnten, nehme ich diesen Dank mit, denn Sie wissen genauso gut: Die Menschen dahinter – das ist zwar immer noch ein unzutreffendes Bild – sind diejenigen, die die Arbeit machen.

Damit will ich gleich auf eine Anregung eingehen: Brauchen wir mehr Volksanwälte an der Spitze, an der Front? Ich nehme dazu nicht Stellung. Das ist eine politische Entscheidung, die unter anderem auch hier getroffen wird, aber seien Sie versichert: Hinsichtlich der neuen Aufgaben und der Beibehaltung der alten Kernaufgaben sind wir dabei, unser Personal aufzustocken. Wir haben das gut kalkuliert und werden das Aus­langen finden. Wir sind dabei, die letzten Personalgespräche zu führen, die Mitar­beiterin­nen und Mitarbeiter aufzunehmen und sie auch noch gut im Haus mit Umbauten und mit entsprechenden Vorsorgen unterzubringen.

Gleich eine Anmerkung zum Budget: In der Tat haben wir uns sehr darüber gefreut, dass uns dieses Vertrauen für die neuen Aufgaben im Rahmen des OPCAT-Durch­führungsgesetzes im Dezember von beiden Kammern geschenkt wurde, und waren dann etwas erstaunt – sage ich jetzt einmal ohne Wertung –, dass mit dem Bun­desfinanzrahmengesetz gleich wieder ein Stück davon wegkommen soll, zumindest ab 2015. Wir sind entspannt, aber hören nicht auf – unter anderem auch mit Ihrer Hilfe –, darauf hinzuweisen, dass es nicht dazu kommen soll – ich will es einmal so dynamisch formulieren –, dass die Beauftragung vom Dezember mit der Kundmachung im Jänner durch ein Gesetz im Frühjahr bedeutet, dass wir eigentlich 2015 wieder einen Rückbau vornehmen müssen.

Aber wir gehen davon aus, dass wir das Ziel gemeinsam verfolgen und es nicht dazu kommen wird – unter der Maßgabe, so wie für alle anderen Einrichtungen und Obersten Organe auch, dass Konsolidierung und Sparsamkeit und effizienter Mittel­einsatz auch für uns gelten. Das ist das Prinzip, das nicht nur in meinem Vorsitzjahr walten sollte und gewaltet hat, sondern das trägt das ganze Haus mit. Das wird auch die künftige Vorsitzführung und werden die künftigen Volksanwälte tragen und tragen müssen. Also vielen Dank, ich nehme den Dank mit.

Ich freue mich sehr, weil der Bundesrat – das darf ich, ohne zu schmeicheln, sagen – eine Kammer ist, die Kammer ist, die uns, der Volksanwaltschaft, den Eindruck vermittelt, dass Sie sich sehr sorgfältig mit dem Bericht auseinandersetzen, dass Sie sich sehr sorgfältig damit auseinandersetzen, wie wir uns den Problemen zuwenden. Jemand von Ihnen hat gesagt, die Zahlen haben ein Gesicht, haben eine Struktur und vermitteln den Eindruck: Ihr beschäftigt euch wirklich damit.

So ist es! Stellen Sie sich nur vor – da Sie die Sprechtage angesprochen haben –: Jede/r von uns führt 600 bis 700 Einzelgespräche. Das ist nicht nur eine Heraus­forderung hinsichtlich der Gesprächsdisziplin und des Herausfilterns, was denn das Problem dahinter ist, sondern auch eine emotionelle Herausforderung. Aber wir sind gut vorbereitet, wir sind auch ordentlich bezahlt, und ich glaube, wir leisten jetzt und auch in Zukunft die Dinge sehr zufriedenstellend und in Ihrem Sinne.

Zu ein paar inhaltlichen Anmerkungen: Ich der Tat ist, wie immer, der Sozialbereich Spitzenreiter. Das hat viele Gründe, die Ihnen zum Teil ja durch das langjährige Studium der jeweiligen Berichte auch zugängig sind. Das hat mit der Entwicklung der Bevölkerung zu tun, das hat auch mit dem zu tun, was von mehreren Bundesrätinnen und Bundesräten unter Sachwalterschaft angesprochen wurde.

Ich will es formulieren, so wie ich es kürzlich im Monitoring-Ausschuss des Sozial­ministeriums im Zusammenhang mit Behindertenfragen oder Menschen mit Behin­derung gehört habe: Wir müssen uns darauf einstellen, dass unsere legistischen Mittel noch nicht ausreichen, dass wir mit Menschen konfrontiert sind, die langsam in die


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Hilfsbedürftigkeit hineinaltern. Das heißt: Welche Art von Hilfe, welche Art von Heraus­forderung, welche Art von gesetzlichen Angeboten auf Gemeinde-, Landes- und Bun­desebene machen wir damit? Stellen wir uns darauf ein, dass wir zumindest im Sozialbereich – aber ich schließe damit eigentlich alle Bereiche ein – eine ständige Beobachtung und Überprüfung der Tauglichkeit unserer Mittel durchführen müssen!

Die Vorstellung, einmal ein Jahrhundertgesetz gemacht zu machen, das dann 30 Jahre hält, davon müssen wir uns ganz sicher verabschieden, weil wir uns so ändern und weil wir in Österreich auch auf hohem Niveau – Gott sei Dank! – sozialpolitische Angebote machen und auch künftig machen wollen.

Dasselbe gilt für Menschen mit Behinderung. Da ist die neue Aufgabe angesprochen worden, aber auch die alte, die schon im Kern die Volksanwaltschaft betreffende, und in anderen Fragen jene der Menschenrechte.

Ich darf auch noch sagen, dass ich immer wieder eine Rückmeldung bekomme, weil zum Teil im Bereich Justiz die Zahl der Beschwerden oder deren Bearbeitung zurück­gegangen ist. – Ja, das hat damit zu tun, dass wir im Kern natürlich für Rechts­prechung nicht zuständig sind, aber für das, wo man mit Rat, Hilfe, Orientierung, Weg­weisung – wohin kann die Reise gehen? – konfrontiert ist und damit eine Kernaufgabe des 35 Jahre alten Volksanwaltschaftsgesetzes erfüllt.

Menschen wollen Hilfe und kümmern sich nicht um die Frage, ob wir da im Kern und ganz konkret zuständig sind, sondern sie sagen: Ihr seid meine letzte Rettung! Ihr seid meine letzte Station! Das noch dazu, ohne dass sie das Geldbörserl aufmachen und dafür auch noch bezahlen müssen. Wir wollen diese Aufgabe weiter erfüllen, auch dank Ihrer Unterstützung, dass Sie uns nicht daran messen, ob wir dafür auch zuständig waren.

Wir führen diese Gespräche auch mit der Wissenschaft, wir führen sie mit Standes­vertretern, mit den Richtern und StaatsanwältInnen, soweit ich das aus meinem Bereich sagen kann. Ich kann auch für die anderen Kolleginnen und Kollegen sagen, dass sie das mit ihren jeweiligen Stakeholdern – oder wie immer der neudeutsche Begriff dazu heißt – führen und damit auch Bewusstsein schaffen. Sie schaffen damit Bewusstsein, dass bestimmte Dinge nicht in einer simplen Kausalität abzuändern sind, sondern dass Awareness gegeben sein muss, dass Bewusstseinsarbeit geleistet werden muss.

Ich darf noch auf weitere Dinge mehr kursorisch eingehen. Der Kindergartenzugang ist angesprochen worden. In Wirklichkeit ist aber auch gemeint: Wo sind föderale Strukturen ein Limit? Aus dem Sozialbereich kann ich es sagen: Wenn es für einen Wachkoma-Patienten aus Salzburg eine richtige Einrichtung in der Akutphase, wo noch viel repariert werden kann, damit dann Pflege hausnah, familiennah geschehen kann, ein Angebot in Graz gibt, und er es nicht konsumieren kann, weil das ein anderes Bundesland ist und die Träger sich über die Rückfinanzierung nicht einigen können, dann ist der Föderalismus – das sage ich hier im Bundesrat – ein Hemmnis.

Gleichzeitig bedanke ich mich beim Bundesrat für gesetzliche Initiativen, die schon stattgefunden haben. Ich darf die Initiative zur interkommunalen und interbehördlichen Zusammenarbeit, die von hier ausgegangen ist und ins Werk gesetzt wurde, die auch meine Arbeit im Besonderen betrifft, ansprechen.

Das ist genau das, was die Volksanwaltschaft über Jahre sagt. Das ist menschen­freundlich, kundenfreundlich, behördenfreundlich, verwaltungsfreundlich und führt dann zu einer anderen Art von Begegnung, damit Entschuldigung, da wo sie notwendig ist, auch gemacht und gesetzt werden kann. Es ist nicht nur, dass man keine Angst vor einem Amtsmissbrauchsverfahren haben muss, wenn man sich entschuldigt. Es ist oft


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die Art und Weise, wie geschrieben wird. Wenn ich durch bestimmte erklärbare Versäumnisse später Antwort gebe, darf ich einen Brief von einer Behörde damit einleiten: Bitte haben Sie Verständnis, aus diesen und diesen Gründen kommt erst heute die Antwort, und dazusagen, wann eine konkrete Lösung, wann ein Ergebnis einzutreffen hat, damit ich mich einfach einstellen kann.

Damit bin ich bei dem von Ihnen angesprochenen Punkt, der Verzögerung, Verfahrens­dauer und so weiter anbelangt. Ja, es ist – wenn Sie mir erlauben, meinen eigenen Prüfbereich anzusprechen – im Finanzbereich auch ein Ärgernis, wenn ich jahrelang keinen Bescheid kriege – auch wenn ich annehme, dass da drinnen steht, dass ich doch so und so viel zu zahlen habe.

Es ist aber noch ein schwerwiegenderes Ärgernis, wenn in einer Obsorge-, Besuchsrechts- und Unterhaltsfrage drei, vier, fünf Jahre keine Entscheidung getroffen wird. Da geht es nicht nur um Geld, sondern da geht es um das Kindeswohl. Da geht es um Trennungen von Eltern-Kind-Beziehungen. Da geht es um nachhaltige Wirkun­gen, die durch Verzögerungen und Versäumnisse ausgelöst werden. Da höre ich nicht auf zu drängen, dass es um menschliche Anliegen im ganz originären und nachhaltigen Sinne geht. Daran arbeiten wir ganz sicher auch noch fortwährend.

Zu den neuen Aufgaben: Ich sage nur eine kleine Anmerkung dazu. Weil ich dann zu den neuen Aufgaben komme, heißt das nicht, dass ich nicht noch gerne zu Ausfüh­rungen oder Fragen Stellung nehme, sollten Sie noch kommen.

Um sich ein Bild zu machen: In der Tat werden wir in der Volksanwaltschaft selbst 15 Personen als neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufnehmen. Sie werden die aus den Besuchskommissionsprotokollen resultierenden Beschwerden, Darstellungen, Erfahrungsberichte bearbeiten und dann zu einem Ergebnis kommen: Ist hier ein Missstand? Ist hier ein – wenn Sie so wollen – Aufschrei zu tun, im Sinne der präventiven Ermahnung, im Sinne der präventiven Maßnahmensetzung auf der Basis von Standards und von Argumenten? Da müssen wir uns an internationalen Standards orientieren, müssen diese Besuchskommissionsmitglieder erst auch schulen und trainieren, um auf gemeinsame Standards zu kommen.

Gegenwärtig ist der neue Menschenrechtsbeirat fix abgeschlossen. Bitte nicht verges­sen: Er wandert nicht einfach vom Innenministerium zu uns sondern ist neu aufgestellt, hat die NGOs sich durch eine Selbstfindungsphase gruppieren lassen. Der Men­schenrechtsbeirat hat eine Vorsitzende und eine stellvertretende Vorsitzende, er arbeitet schon, obwohl die rechtliche Regelung mit 1. Juli in Kraft tritt.

Der Menschenrechtsbeirat ist eingerichtet. Kommissionen, Kommissionsleiter und Kom­missionsleiterinnen sind nach dem Prinzip Kontinuität und Erneuerung, aber Professionalität auf jeder Ebene bestellt. Sie können sicher sein, die publizierten Namen haben wir in den ersten Gesprächen und in den Hearings, die wir Volksanwälte selbst geführt haben, wirklich sehr bewusst ausgewählt. Jetzt geht es um die finale Shortlist, darum, in allen sechs Kommissionen, in allen Regionen Österreichs die entsprechenden Kommissionsmitglieder zu hören, die Kandidatinnen und Kandidaten.

Wir haben schon einen Hearing-Tag in Wien gehabt. Wir werden zwei weitere in Wien haben, das betrifft immer Wien, Niederösterreich, Burgenland. Wir werden einen in Graz haben, einen in Linz und einen in Innsbruck. Am Ende werden wir – das sage ich dazu – mindestens 42 Kommissionsmitglieder für sechs Besuchskommissionen haben. Wir werden Expertendelegationen zusammenstellen, um den neuen Aufgaben ent­sprechen zu können. Mit 1. Juli werden wir hoffentlich mit Schulungsmaßnahmen und dann umgehend mit Besuchen starten.


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Nur zu Ihnen gesagt: Bisher haben die Besuche nach dem Sicherheitspolizeigesetz etwa sechs Kommissionen à 100 Besuche gemacht. Das wird auf der einen Seite jetzt nicht die Steigerung sein können gegenüber den hinzugekommenen Einrichtungen, aber es wird mehr sein.

Das bedeutet Reisekostenabrechnungen, Protokolle, Rückfragen, Beratungen mit dem MRB. Das heißt das alles, und dazu brauchen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir freuen uns auf die Aufgabe. Wir sehen Ihre Rückmeldung heute und schon bei früheren Gelegenheiten als Auftrag, weiterhin und verstärkt das Menschenrechtshaus der Republik zu werden und zu sein.

Wir sehen unsere Aufgabe auch unabhängig von der Größe und der Anzahl der Ge­richte. Vergleichen Sie die nur mit der Größe und Zahl der Bezirkshauptmannschaften! Wohin geht man öfter? – BHs gibt es weniger.

Wir sehen es als Auftrag, gelebtes Bürgerservice zu unserem leitenden Motiv zu machen und Ihnen sehr bald, laufend und jederzeit Rechenschaft über die neuen Aufgaben abzulegen, spätestens aber entweder mit dem ersten Sonderbericht, Quartalsbericht oder regulären Bericht der Volksanwaltschaft. – Vielen Dank. (Allge­meiner Beifall.)

13.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Volksanwältin Dr. Brinek: Ich bedanke mich!)

Ich bedanke mich auch. Ich bin schon seit vielen Jahren hier im Bundesrat, und es bekommt niemand, der auf der Regierungsbank Platz nimmt, so viel Lob wie die Volksanwälte. (Volksanwältin Dr. Brinek: Wir wissen das, und ich nehme die Energie mit in die Singerstraße! Danke!) – Das muss ein schöner Beruf sein; wichtig ist er auf alle Fälle.

13.28.314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Ver­trags­bedienstetengesetz 1948, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2012 – Päda­go­gische Hochschulen) (1626 d.B. und 1772 d.B. sowie 8733/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte um den Bericht.

 


13.28.47

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediens-


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teten­gesetz 1948, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz geändert werden. Das ist die Dienstrechts-Novelle 2012 – Pädagogische Hoch­schulen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt sehr herzlich Frau Bundesminister Heinisch-Hosek begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.30.02

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Dienstrecht für die Pädagogischen Hochschulen ist für mich so ein Gesamtbereich, der Bildung heißt, auch wenn selbstverständlich Sie als zuständige Ministerin heute hier sind und nicht die Unterrichtsministerin. Bei diesem Dienstrecht setzt auch schon unsere Kritik an. Das wird Ihnen jetzt nichts Unbekanntes sein, weil meine Kollegen es im Nationalrat ähnlich gesagt haben. Aber tatsächlich sehen wir es so.

Es wird jetzt generell ein neues Dienstrecht für alle Beamten und alle Vertrags­be­diensteten verhandelt. Das betrifft auch die Lehrer. Jetzt nehmen wir wieder etwas heraus, machen ein Sonderbaurecht. Ich sage so ähnlich wie meine Kollegen im Nationalrat, dass die Baustelle Bildung um einen Abschnitt erweitert wird, weil das wieder separat behandelt worden ist und behandelt wird. Ich glaube, es wäre gescheiter gewesen, das in einem Paket zu machen. Ich will dieses Gesetz nicht in Bausch und Bogen verurteilen und sagen: Es ist alles schlecht, nur weil es separat gemacht wird. Aber es fehlen schon wesentliche Dinge.

Heute war ja der Abschluss des Ausschusses, der das Bildungsvolksbegehren behandelt hat. Auch da ist ziemlich klar herausgekommen, dass sich im Grunde alle Parteien, alle Fraktionen, die im National- und Bundesrat vertreten sind, einig sind, dass die Lehrerausbildung und auch die Kindergartenpädagogik in den tertiären Sektor verlagert werden müssten.

Völlig ausgeklammert ist da die Kindergartenpädagogik. Es heißt immer wieder, wie wichtig die Kindergartenpädagogik als erste Bildungseinrichtung ist. Sie ist aber damit auch nicht umfasst.

Diese Pädagogischen Hochschulen haben ja den Namen von den Akademien bekom­men, man hat das in Pädagogische Hochschulen übergeleitet und auch umbenannt. Manche haben gesagt, das Türschild sei ausgewechselt worden. Ich glaube, das gehört in den universitären Bereich, und zwar vom Kindergarten bis zum AHS-Professor. Das wäre wichtig. Das ist leider immer noch nicht geschehen, und ich finde das sehr bedauerlich.

Woran scheitert es eigentlich, wenn sich im Grunde alle einig sind? – Es kann immer noch an den Details scheitern, ja. Aber wir sind noch nicht einmal bei den Details, wir sind ja noch nicht einmal bei den Grundzügen. Wir haben noch nicht einmal begonnen. Einstweilen wäre der Konsens da, und da müsste man eben schauen, worauf man sich einigen kann.


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Ich finde das wirklich schade, weil unsere Bildungseinrichtungen nur so gut sind wie die Lehrer, die an den Bildungseinrichtungen unterrichten. Das gilt für die Schulen, das gilt aber natürlich auch für die Pädagogischen Hochschulen, wo die künftigen Lehrer ausgebildet werden.

Wir wissen ja aus diversen Umfragen – heute in der „Presse“ ist es wieder gestanden –, dass wir unter unseren Lehrern bei bestem Bestreben und bei bestem Engagement trotzdem einen Teil haben, der nicht gut geeignet ist. Das muss man einfach sagen und man muss es auch sagen dürfen. Monatlich können wir lesen, dass die Volks­schüler – und da kann man jetzt streiten, ob es jeder Vierte oder jeder Fünfte ist – nicht sinnerfassend lesen können. Wieso? – Das kann nicht nur an den Schülern liegen. Es muss auch an den Unterrichtenden liegen. Wir wissen schon, dass es die Problemschüler gibt, die gegen so ziemlich alles immun sind, wo die Lehrer auch wenig Handhabe haben. Ich sage auch, dass die Lehrer schon unterrichten können müssen, und sie müssen sich disziplinäre Dinge auch mit den Schülern ausmachen können.

Aber es muss schon auch gesichert sein, dass die Lehrer gut ausgebildet sind. Bei der ganzen Diskussion über gemeinsame Schule, Gesamtschule und Sonstiges: Das wird von Finnland immer so gerne angenommen, weil das der eigenen Ideologie entspricht. Was die Finnen aber auch machen – und das finde ich viel besser –, ist, dass sie sich diejenigen aussuchen, die Lehrer werden dürfen. Bevor sie auf die Universität oder die entsprechende Bildungseinrichtung gehen, gibt es einmal ein Auswahlverfahren. Ich vermisse, dass diese Idee aufgegriffen und weiterverfolgt wird. Es gibt ja offensichtlich Tests, die einigermaßen gut konzipiert sind, sodass man sicher sein kann, dass nicht jeder Fünfte, der geeignet wäre, durch die Maschen fällt, sondern dass man wirklich schaut, dass man qualifiziertes Lehrpersonal bekommt. (Präsident Hammerl übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Folge ist ja auch – und auch das ist in Finnland wirklich sehr bemerkenswert –, dass die Lehrer einen ganz anderen Stellenwert haben als bei uns. Bei uns ist doch der Lehrer eigentlich der, der immer so ans Kreuz geschlagen wird. Jeder unterstellt dem Lehrer, dass der Grund, warum er Lehrer geworden ist, Juli und August heißt. Wir wissen, dass das nicht so ist. Natürlich leiden die Lehrer auch unter dieser mangelnden Anerkennung. Das verstehe ich auch. Man sollte vielleicht einmal in die Richtung gehen und schauen, warum in anderen Ländern die Lehrer mehr anerkannt sind als bei uns.

Sie haben in diesem Dienstrecht natürlich mit einigem aufgeräumt. Unter anderem hat man mit diesem Zulagenwesen, das ja im gesamten Dienstrecht schon sehr über­bordend war – im Wiener Dienstrecht, bei den Gemeindebediensteten in Wien übrigens im Besonderen –, Gott sei Dank aufgeräumt. Das ist durchaus positiv. Aller­dings muss man schon wieder sagen, es wäre nicht die Regierung, wenn diese Regierung nicht gleich wieder neue Zulagen eingeführt hätte, die sich für bestimmte Personengruppen auch in diesem Gesetz wiederfinden.

Durchaus positiv anzumerken ist, dass es Leistungsprämien gibt. Schön wäre es aber, wenn man definieren wollte, was Leistungen überhaupt sein können. Das wird man nie hundertprozentig in einem Katalog anführen können, aber kein Mensch weiß eigentlich, welche Leistung gemeint ist. Natürlich steht der Verdacht sofort im Raum, dass da wieder Günstlingswirtschaft betrieben wird und der, der dem Direktor persönlich oder politisch am nächsten steht, natürlich in den Genuss dieser sogenannten Leistungsprämie kommen wird. Das muss ja nicht sein, das soll auch nicht sein. Daher verstehe ich nicht, warum hier nicht wenigstens Beispiele angeführt werden konnten.


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Die Dienstrechts-Novelle ist wirklich wieder so ein Konvolut, und es ist auch nicht ganz einfach lesbar, muss ich sagen. Ich glaube, wenn wir wissen, wie sehr Lehrende in der öffentlichen Diskussion stehen, dann sollten Dienstrecht und Besoldung auch für einen Außenstehenden transparent und nachvollziehbar sein – das ist übrigens eine Forderung, die seit 30 Jahren herumgeistert. Das ist es einmal ganz sicher nicht. Das muss man zweimal lesen, damit man genau weiß, worum es da jetzt eigentlich geht und was gemeint ist.

Aber der zentrale Grund unserer Ablehnung ist der, dass wir wollen, dass es einen Gesamtentwurf, ein Gesamtpaket gibt, in dem klar geregelt ist, wer was wann und wo zu tun hat und was er dafür bezahlt bekommt. Das ist leider nicht gelungen, und daher werden wir nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.38


Präsident Gregor Hammerl: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Füller. – Bitte.

 


13.38.15

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, ich verstehe, dass Sie hier auch Kritik üben und anbringen möchten. Aber im Großen und Ganzen war ein großer Teilbereich Ihres Redebeitrags durchaus Zustimmung zu dieser Dienstrechts-Novelle, und so hat man es auch heraushören können.

Sie haben auch davon gesprochen, dass es letztendlich oft an Kleinigkeiten scheitert. Ich bin überzeugt davon, dass man auch in Zukunft, wenn man merkt, dass es viel­leicht da oder dort ein Problem geben sollte, das verändern kann. Insofern hätte ich mich gefreut, wenn diese Novelle von allen Fraktionen hier in diesem Haus heute auch Zustimmung gefunden hätte.

Der vorliegende Tagesordnungspunkt beschäftigt sich meines Erachtens mit sehr richtungsweisenden Weichenstellungen im Bereich des Dienst- und Besoldungsrechts bei den Pädagoginnen und Pädagogen. Dieser Beschluss, der insgesamt Änderungen in sechs Gesetzen mit sich bringt, wird auch wesentliche Verbesserungen in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung mit sich bringen.

Besonders auch die Debatten im Ausschuss zur Beratung des Bildungsvolksbegehrens haben fraktionsübergreifend gezeigt, dass es einfach wichtig ist, noch stärker und noch besser Lernschwächen bei den Schülerinnen und Schülern zu minimieren, gezielt auf die Stärken und Begabungen der Schülerinnen und Schüler einzugehen und damit die Kinder in den Mittelpunkt sämtlicher bildungspolitischer Initiativen zu stellen.

Im Regierungsprogramm wurde die Weiterentwicklung der Pädagogischen Hoch­schulen vereinbart, und jetzt ist es gemeinsam mit der Gewerkschaft gelungen, als wichtigen Aspekt davon ein neues Dienst- und Besoldungsrecht vorzubereiten, das eine wesentliche Basis und die Grundvoraussetzung für die gemeinsame Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen sein soll.

Mit diesem Schritt werden inhaltlich wesentliche Neuerungen einhergehen. Niemand – auch keiner, der in dieser Debatte als Zweifler auftritt – wird behaupten können, dass sich letztendlich nur Türschilder geändert haben, weil sich in der Vorlage wesentliche inhaltliche Neuerungen finden. Besonders die Verankerung der forschungsgeleiteten Lehre an den Pädagogischen Hochschulen und die Kooperation der Pädagogischen Hochschulen mit anderen Bildungsinstitutionen und Forschungseinrichtungen, auch mit Universitäten im Ausland, sind wichtige und wesentliche Beiträge zu einer modernen, der Zeit und den Erfordernissen angepassten Ausbildung.


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Ein wesentlicher Punkt ist auch, dass ein flexiblerer Einsatz des Personals in den Bereichen Organisation, Management, Schulentwicklung und in der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung auch in den Sommermonaten möglich sein wird. Allein daran lässt sich erkennen, dass sich wesentliche Neuerungen ergeben haben.

Zu guter Letzt bleibt von unserer Seite positiv anzumerken, und die Frau Bundes­ministerin hat es ja auch in der Nationalratsdebatte bereits angesprochen, dass es für insgesamt 110 000 Lehrerinnen und Lehrer ein neues Dienst- und Besoldungsrecht inklusive Begleitmaßnahmen geben soll. Mit der Gewerkschaft wurde bereits zu verhandeln begonnen, und wir können davon ausgehen, dass sämtliche Bereiche der Bildungsreform auf gutem Wege sind. Daher möchte ich mich bei allen Beteiligten, bei den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaft und der Frau Bundesministerin und ihrem Team für das Zustandekommen dieses Beschlusses bedanken. Die SPÖ-Bundesratsfraktion wird diesen Beschluss selbstverständlich mittragen und unter­stützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 


13.42.05

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher! Ich darf zu Beginn ganz kurz auf den Besonderen Ausschuss zum Bildungsvolksbegehren zu sprechen kommen. Ich war bei allen drei Sitzungen anwe­send, auch bei der heutigen. Es wurde übrigens vom Vorsitzenden sehr positiv beurteilt, dass auch die Bundesrätinnen und Bundesräte anwesend waren. Der Bogen der Themen spannte sich – das wissen wir ja, denn wir haben auch hier über das Bildungsvolksbegehren gesprochen – von der Elementarpädagogik bis hin zur PädagogInnenausbildung. Da setze ich auch an, weil das genau in den Bereich dieses Gesetzes fällt.

Wir haben vorige Woche erstmalig die Bildungsstandards flächendeckend erhoben. Ich darf ganz kurz aus dem Schreiben der Frau Bundesministerin, das in dem Zusammenhang an uns, an die Schulaufsicht ergangen ist, vorlesen:

„In den vergangenen Jahren hat sich das Verständnis von Lernen und Schule stark gewandelt. Lernen wird als zutiefst persönlicher, aktiver und individueller Prozess erkannt, welcher unter verschiedensten Umständen, mit unterschiedlichen Ausgangs­bedingungen, auf eigenen Wegen, mit vielfältigen Ergebnissen stattfindet. Schule wird zunehmend als Ort der Lern- und Entwicklungsbegleitung begriffen, wo sich alle Schülerinnen und Schüler gemäß ihrer Persönlichkeit eigenständig entfalten kön­nen. Vordringliches Ziel ist der Erwerb von Kompetenzen, während die bloße Wieder­gabe von Faktenwissen an Bedeutung verloren hat.“

Das Bild des Lehrenden und des Lernenden hat sich verändert. Das bedarf natürlich einer guten Ausbildung unserer Pädagoginnen und Pädagogen. Es wurde auch im Bildungsvolksbegehren und auch heute im Besonderen Ausschuss mehrfach ange­sprochen, dass Bildung – der Vorsitzende hat es so genannt – ein Dampfer und kein Schnellboot sei. Das heißt, es geht im Bildungsbereich Schritt für Schritt viel weiter, aber wir müssen auch Geduld haben. Wir brauchen neue Unterrichtsmethoden und deswegen eine entsprechende Ausbildung.

Wenn ich als Bezirksschulinspektorin die Junglehrerinnen und Junglehrer bei der Ange­lobung frage, was sie von der Pädagogischen Hochschule noch brauchen würden, kommen immer wieder Wünsche und Anregungen. Es gibt nicht eine Lehrerin


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oder einen Lehrer, die/der sagte, man brauche gar nichts mehr, man sei genug aus­gebildet und brauche keine Weiterbildung mehr. Den Pädagogischen Hochschulen kommt also in der Ausbildung, aber auch in der Fort- und Weiterbildung eine ganz große Bedeutung zu.

Kollegin Mühlwerth ist zwar gerade nicht im Saal anwesend, aber ich glaube natürlich auch, dass wir weitergehen müssen. Wir brauchen ein modernes Dienstrecht, das ist schon angesprochen worden. Wir brauchen aber auch für die Institutionen, die Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen ausbilden, entsprechende Rahmenbedingungen. Die Inhalte wurden ja schon genannt. Die haben Sie mit Ihrem Gesetz gesetzt, und deswegen stimmt meine Fraktion, die ÖVP-Fraktion, diesem Gesetz auch gerne zu. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.45


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.45.42

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich war bis auf den heutigen Tag bei den Ausschusssitzungen dabei. Es war dies eine sehr span­nende Diskussion mit Beteiligung von Experten und Expertinnen und der Teilnahme der BildungssprecherInnen der jeweiligen Parteien. Ich bin da drinnen gesessen und habe mir gedacht: Wo liegt eigentlich das Problem? Im Ausschuss waren sich alle einig, dass etwas geändert gehört. Wir haben von den Experten und Expertinnen gehört, was geändert gehört und wie man das machen sollte. Dann verlässt man den Ausschuss, und am nächsten Tag in der Zeitung liest man schon wieder, wie die Beile gegeneinander losfliegen.

Die daraus resultierende Verunsicherung betrifft nicht nur Lehrer und Lehrerinnen, Schüler und Schülerinnen, sondern auch die Eltern. Es wäre unsere Aufgabe als Politiker, hier Klarheit hineinzubringen, Klarheit in einem ganz wichtigen Bereich unserer Gesellschaft, und das ist nun einmal die Bildung vom Kindergarten, sofern man ihn als eine Bildungseinrichtung anerkennt – für mich ist der Kindergarten eine Bildungseinrichtung –, bis zum tertiären Bereich. Da brauchen wir natürlich die Besten der Besten, und da braucht es Änderungen.

Als Jungvater ist mir umso unverständlicher, wenn ich miterleben muss, dass meine Kinder wegen parteipolitischer Unterschiede wahrscheinlich beim Zugang zu einer adäquaten Bildungseinrichtung behindert werden, weil von der einen Fraktion Schulformen präferiert werden, die die andere zu verhindern sucht. Das geht auf Kosten unserer Kinder, und das ist nicht nachvollziehbar.

Unser Land besitzt keine reichen Bodenschätze. Wir müssen auf Know-how, auf technische Innovation und den Dienstleistungssektor setzen, und dazu bedarf es Menschen mit guter Ausbildung. Es ist äußerst bedenklich, wenn wir pro Jahr 10 000 SchulabbrecherInnen haben, denn das sind die vorprogrammierten Arbeits­losen von morgen, und die kosten uns im Endeffekt noch mehr Geld. Es ist auch äußerst bedenklich, wenn man jüngsten Studien entnehmen muss, dass jedes fünfte Volksschulkind nicht sinnerfassend lesen kann. Man muss jedoch auch anerkennen, dass Österreich Modelle im Bildungssystem hervorbringt, an denen sich andere Länder orientieren, wie zum Beispiel die duale Lehrausbildung. Ich weiß aus Gesprächen, dass zum Beispiel die Türkei mittlerweile sehr großes Interesse hat, dieses System bei sich zu implementieren.

Es ist also beides möglich, aber wir müssen es schaffen, dass wir in der Bildungspolitik wirklich Meter machen. Persönlich habe ich jedoch den Eindruck, dass es in abseh-


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barer Zeit leider Gottes nicht zu großen Veränderungen kommen wird, denn 2013 stehen Wahlen ins Haus, und das wird wahrscheinlich, so wie es sich derzeit abzeichnet, ein Thema für den Wahlkampf sein. Das finde ich äußerst schade, denn wir hätten eigentlich schon vorgestern diese Änderungen vornehmen müssen.

Das Dienstrecht gehört geändert, gehört angepasst. Wir sehen das auch so, dass die Leistungen der Menschen entsprechend finanziell abgegolten werden sollen. Mit der vorliegenden Novelle haben wir zumindest einen Schritt in eine richtige Richtung getan, und daher wird auch unsere Fraktion dem vorliegenden Gesetzesbeschluss die Zustimmung erteilen.

Mein Kollege Harald Walser, unser Bildungssprecher im Nationalrat, hat eine Home­page erarbeitet, auf der es Informationen für Lehrer/Lehrerinnen, Schüler/Schülerinnen gibt. Sie findet sich unter www.grueneschule.at. Dort gibt es Informationen, denn mittler­weile führt die Informationsflut aufgrund der unterschiedlichen Zwischenrufe zu Verunsicherung. Mein Kollege hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier Klarheit reinzu­bringen. Alle ZuseherInnen zu Hause, die sich einen persönlichen Eindruck verschaf­fen möchten, können auf der Homepage grueneschule.at Informationen holen, ganz konkret zurzeit zum Bereich der Zentralmatura.

Also auch unsere Fraktion wird die Zustimmung erteilen, und danke nochmals für die Bemühungen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.50


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


13.51.13

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon alles gesagt, nur nicht von jedem.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Hochschul­gesetz 2005 über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen hat im Jahr 2007 dazu geführt, dass neun öffentliche und fünf private Pädagogische Hochschulen gegründet wurden. Seitens der Rektorenkonferenz sind damals, im Gründungsjahr, im Umsetzungsjahr 2007/2008, an die politischen Entscheidungsträger folgende Forde­run­gen gerichtet worden: Sicherung der Pädagogischen Hochschulen als eigen­stän­dige Kompetenzzentren, Verankerung der Pädagogischen Hochschulen im tertiären Bildungsbereich, Ausbildung aller PädagogInnen an Pädagogischen Hochschulen, dies auch im Zusammenwirken mit den Universitäten, Integration fachlicher und päda­gogischer Ausbildung, ein neues Dienstrecht, das die einer Hochschule entsprechen­den Aufgaben berücksichtigt, und auch die Diskussion zur Entwicklung der Lehrer­bildung.

Die Leitfragen waren anno dazumal: Wie gestaltet sich eine von Pädagogischen Hoch­schulen und Universitäten gemeinsam angebotene Lehrerbildung? Auf welchen Säulen ruht die Lehrerbildung und wie sind sie miteinander verbunden? Wie kann der Bedarf an Fort- und Weiterbildung gehoben und gesteuert werden, oder welche Karriere­modelle für Lehrer und Lehrerinnen sollen angestrebt werden?

Die Pädagogischen Hochschulen gibt es seit 2007, und jetzt beschließen wir ein neues Dienstrecht dafür, obwohl wir uns mittlerweile in der Diskussion über die neue Lehrerausbildung ja schon völlig auf tertiärer Basis befinden. Das erfolgt also fünf Jahre später, aber mit den damals geforderten Inhalten. Offensichtlich sind einige der Meinung, dass es auch noch fünf weitere Jahre hätte dauern können. Anders kann ich mir nicht erklären, warum dieses Gesetz jetzt abgelehnt wird.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 87

Es handelt sich um Dinge, die nicht nur in den vergangenen fünf Jahren ausführlich diskutiert wurden, sondern die auch im Bildungsvolksbegehren entsprechenden Nie­der­schlag gefunden haben. Mit dem gegenständlichen Beschluss wird sichergestellt, dass die Pädagogischen Hochschulen ihre Aufgaben im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften adäquat erfüllen können. Es wird ein mehrgliedriges Verwendungsbild für das Lehrpersonal geschaffen, und im Gegensatz zum bisherigen Lehrerdienstrecht werden die Dienstpflichten neu festgelegt und die Besoldungs­bestim­mungen vereinfacht. Das alles sind Forderungen, die vor fünf Jahren bereits formuliert worden sind und jetzt umgesetzt werden.

Grundsätzlich und insgesamt ist mit diesem Gesetz aber auch ein wichtiges Teilstück der Bildungsreform gelungen, und es ist mit Sicherheit ein richtiger Schritt in Richtung einer angestrebten Gesamtlösung. Übrigens weist auch die Österreichische Hochschü­lerschaft in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass durch die vorliegende Novelle die längst überfällige Weiterentwicklung jetzt vollzogen worden ist.

Einen Kritikpunkt vom Rechnungshof gab es bezüglich der Finanzierung. Vielleicht, Frau Bundesministerin, gibt es eine kurze Antwort darauf. Der Rechnungshof ist sich nämlich nicht ganz sicher, ob es eine kostenneutrale Finanzierung geben kann.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Der Besondere Ausschuss zum Bildungsvolks­begehren ist bereits erwähnt worden. Heute Vormittag wurde über die Arbeit dieses Ausschusses Bilanz gezogen. Die Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens fanden lobende Worte, lobende Worte dafür, wie die Politik die Themen dieses Volksbe­gehrens bisher bearbeitet hat. Es wurde aber auch mit Nachdruck darauf verwiesen, dass Adressat dieses Volksbegehrens letztendlich das Parlament ist.

In der Diskussion wurde von nahezu allen geladenen Experten mehrmals darauf hingewiesen, dass Österreich einen Aufholbedarf hat und in den internationalen Rankings und Vergleichen in den letzten Jahren zurückgefallen ist. Es gab die unter­schiedlichsten Begründungen dafür, warum das Schulsystem ineffizient und teuer ist. Dabei wurde betont, dass es nicht immer nur daran liegt, dass das Angebot nicht vorhanden ist, sondern vielmehr auch daran, dass die Qualität der Ausbildung eine wesentliche Ursache ist, warum andere Länder im Ranking weiter vorne liegen.

Es wurde aber auch darüber diskutiert, dass aufgrund der komplexen Themenstellung eine Bildungsreform in ihrer Gesamtheit wahrscheinlich nur Schritt für Schritt realisiert werden kann, vor allem auch deshalb, weil die Neugestaltung der bestehenden Kompetenzverteilungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ihre Zeit braucht. Wenn es um Kompetenzverteilungen geht, wird die Abstimmung natürlich schwierig werden.

In der vorliegenden Causa geht es ausschließlich um die Bundeskompetenz, und es ist daher auch wichtig und richtig, dass dieses Gesetz jetzt kommt und nicht mit der fadenscheinigen Ausrede „Alles oder nichts!“ zugewartet wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn vom Ausschussvorsitzenden positiv erwähnt worden ist, dass die Bundesräte bei den Sitzungen anwesend waren, dann hat er dies auch deshalb betont, weil beim Thema Bildungsreform der Länderkammer wahrscheinlich noch eine sehr aktive Rolle zukommen wird.

Dieses Gesetz ist insgesamt ein richtiger Schritt in die richtige Richtung einer Gesamt­reform und findet daher natürlich die Zustimmung der ÖVP. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.58


Präsident Gregor Hammerl: Ich darf nun Herrn Staatssekretär Mag. Schieder herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. Ein herzliches Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 88

Ich darf nun Frau Bundesminister Heinisch-Hosek um ihren Beitrag bitten. – Bitte.

 


13.58.18

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Da uns das föderale System in Österreich 36 verschiedene Dienstrechte beschert, kann es, glaube ich, nicht sein, dass wir so quasi von heute auf morgen eines daraus machen. Wir arbeiten selbst­verständlich daran, und es gibt Harmonisierungsbestrebungen allgemeine dienstrecht­liche und besoldungsrechtliche Anliegen betreffend. Vor allem arbeiten wir gerade jetzt mit Hochdruck daran, für ein Drittel aller öffentlich Bediensteten, für die große Gruppe der Lehrer und Lehrerinnen, wie das heute schon gesagt wurde, ein neues Dienst- und Besoldungsrecht zu bauen, das allen Berufsgruppen in diesem Bereich gerecht wird. Bis wir die gemeinsame Ausbildung aller in pädagogischen Berufen Tätigen haben, müssen wir ja Parallelstrukturen aufgebaut haben, denn bis die Ersten fertig ausge­bildet sein werden, werden ja noch einige Jahre vergehen. Auch diese gemeinsame Ausbildung, die heute schon erwähnt wurde, ist ja im Fertigwerden, und trotzdem wollen wir aber jetzt schon an einem gemeinsamen Dienst- und Besoldungsrecht arbeiten.

Mit dem einheitlichen neuen Dienstrecht für alle an Pädagogischen Hochschulen Tätigen ist also ein wichtiger Schritt gelungen. Danke für die vielen positiven Worte. Es gilt für alle, die jetzt schon in diesem Bereich tätig sind, also nicht nur für neu Ein­tretende, wie es bei den Lehrern und Lehrerinnen, die kommen werden, der Fall sein wird.

Die rund 1 200 Bediensteten, die in diesem Bereich tätig sind, nehmen zur Kenntnis beziehungsweise nehmen Folgendes in Kauf: fünf bis sechs Wochen Urlaub pro Jahr, 40-Stunden-Woche, Forschungstätigkeit inkludiert in die Tätigkeit des Unterrichts. Das ist eine gute Mischung, um auch hochschulfit zu sein und diesen Forschungsbereich hier voranzubringen. Das ist kostenneutral, wie wir meinen, weil das gerade in der Vorbereitung eine Frage war, und natürlich in Abstimmung mit der Gewerkschaft. Also es ist sozialpartnerschaftlich abgestimmt und mit allen Beteiligten auch gut durch­diskutiert. Ich glaube, damit können wir einen großen Schritt in Richtung Bildungsre­form im Allgemeinen machen.

Es wäre mir als ehemaliger Lehrerin natürlich jetzt auch ein Bedürfnis, hier zu den Vorwürfen der ersten RednerInnen Stellung zu nehmen, aber ich glaube, es ist besser, sich jetzt auf das Dienst- und Besoldungsrecht zu beschränken, denn das wollen wir heute hier im Bundesrat beschließen. Es wird dann in einigen Bereichen schon ab Herbst wirksam sein, in einigen anderen nächstes Jahr.

Das mit zusätzlichen Zulagen, was vorher gesagt wurde, ist nur eine technische Anpassung, weil ja alle Hauptschulen in Mittelschulen umgewandelt werden. Es gibt keine einzige Zulage mehr in diesem Fall, um das auch klarzustellen.

Ich bedanke mich wirklich sehr herzlich für die Wortmeldungen dazu und für das Entgegenkommen. Es ist klar, dass Bildungspolitik, wie gesagt, von einem föderalen System getragen, vom Bund zwar verhandelt, aber nicht von einem Tag auf den anderen umgebaut werden kann. So wie wir das auch in anderen Bereichen tun, ist auch hier Eile mit Weile, wenn Sie so wollen, geboten und nicht Eile ohne Weile, damit auch etwas Ordentliches und Anständiges herauskommt.

Daher noch einmal herzlichen Dank für die Zustimmung. Ich hoffe, Sie sind alle dabei, wenn wir demnächst über das neue Lehrer- und Lehrerinnendienstrecht hier im Bun­des­rat befinden werden. Ich möchte auf jeden Fall den Druck hier aufrechterhalten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.02



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 89

Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.02.205. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Be­triebspensionsgesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, die Rechtsanwalts­ordnung und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden (1749 d.B. und 1779 d.B. sowie 8734/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


14.02.57

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsaufsichts­ge­setz, das Betriebspensionsgesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, die Rechts­anwaltsordnung und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


14.03.57

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Novelle des Pensions­kas­sengesetzes betrifft 800 000 anspruchs- und mehr als 70 000 leistungsberechtigte Österreicher. Das sind Menschen, die den überzogenen Versprechungen der Regie­rung vertraut haben und mit Pensionseinbußen von bis zu 50 Prozent bestraft wurden. Sie haben, um Ihr Kassensystem an den Mann zu bringen, Renditen von 6 bis 7 Prozent in Aussicht gestellt und keinerlei gesetzliche Verankerungen und Vorkeh­rungen zur Absicherung der anvertrauten Gelder getroffen.

Für dieses Fehlverhalten hat allein unsere Regierung die Verantwortung zu tragen. (Ruf bei der SPÖ: Unseres ist gar nicht so falsch! – Unruhe im Saal.) Und ich muss hier schon deutlich sagen, dass es von einer gewissen Unverfrorenheit zeugt (Bundesrätin Kemperle: Der hat die falsche Rede mit! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), wenn Sie den Menschen wieder das Blaue vom Himmel versprechen mit einer sogenannten Sicherheitspension, wohlwissend (Ruf bei der SPÖ: Wer war denn 2003 in der Regierung? – Ihr wart das!), dass auch die vorliegende x-te Novelle diese nicht


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 90

wird garantieren können. Trotzdem bedeutet der Umstieg in die Sicherheits-Veran­lagungs- und Risikogemeinschaft für die Betroffenen einen weiteren sofortigen Verlust von 30 bis 60 Prozent.

Sie geben vor, das Pensionskassensystem für die Zukunft attraktiver zu gestalten. Ja, das sehen wir auch so (Bundesrätin Lugsteiner: Wirklich?!), aber lediglich für die Banken wird das attraktiver werden. Sie vertreten nicht mehr die Interessen der Menschen, die sich den verdienten Ruhestand durch eigenfinanzierte Pensions­ansprüche absichern wollen, sondern die des Kapitalmarktes. (Bundesrat Todt: Sie wissen schon, worüber wir reden?) Die von den Regierungsparteien viel gepriesene Vorabbesteuerung von Pensionskassen-Pensionen betrifft nur Anwartschaftsberech­tigte, die am 1. Jänner 2013 60 Jahre alt sind. Sie ignorieren die über 50 000 Ge­schädigten der Hochzinsverträge und bieten auch in dieser Gesetzesnovelle keine sozial gerechte Lösung für deren Verluste an. Wir von der FPÖ fordern etwa immer wieder eine Haftungsübernahme durch den Staat.

Die Regierung ist auch nicht bereit, die Unverfallbarkeitsregelung komplett aufzu­lassen, die den Pensionskassenberechtigten nach Beendigung des Arbeitsver­hältnisses einen sofortigen Anspruch zusichern würde. Es sind vom Gesetzgeber immer noch keine Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der Veranlagungs­strategien vorgesehen, und aufgrund dieser Unterlassung ist eine neuerliche katastro­phale Entwicklung bei den Betriebspensionen vorprogrammiert.

Aber zu diesen notwendigen Maßnahmen, zur Schadensbegrenzung im Sinne der Pensionskassenberechtigten, können oder wollen Sie sich nicht durchringen, obwohl die Regierung ohne Volksabstimmung und ohne mit der Wimper zu zucken in den letzten Jahren Haftungsübernahmen für österreichische und europäische Banken in vielfacher Milliardenhöhe gewährt hat. Aber unsere Regierung, meine Damen und Herren, hält weiter am Drei-Säulen-System fest, obwohl die zweite Säule der Betriebs­pensionen auf Kosten der durch Rentenkürzung mehrfach geschädigten Pensionskas­senpensionistInnen eindeutig gescheitert ist. (Bundesrätin Astleitner: Die zweite Säule ist aber die Abfertigung neu!)

Die Pensionskassenreform, die für den Normalbürger auch nicht mehr durchschaubar ist, dient einmal lediglich dazu, mehr Geld in die Kassen der Banken zu füllen. Die Per­formance, der Veranlagungserfolg eines Jahres der österreichischen Pensionskassen liegt europaweit auf dem untersten Niveau. Das Risiko liegt aufgrund der bereits erwähnten Verweigerung einer Bundeshaftung weiterhin bei den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten. Die Rechte der Pensionskassenberechtigten werden in dieser Novelle nur minimal aufgewertet. So preisen Sie die Verbesserung der Informations­pflicht an, die dem Arbeitgeber und Pensionisten unter anderem auf Verlangen die Vorlage des Pensionskassenvertrages zugesteht. – Ja, das ist wohl selbstverständlich und das Mindeste, das man jemanden zugesteht, der über Jahrzehnte in seine Pensionskasse einbezahlt hat.

Auch die Wahlmöglichkeit der Betriebspension beschränkt sich auf einen einmaligen Wechsel – ich wiederhole: auf einen einmaligen Wechsel – vom Pensionskassen­system in eine betriebliche Kollektivversicherung oder umgekehrt. Das bedeutet, dass den Leistungsberechtigten kein Ausstieg aus einer maroden oder auf Gewinnsucht ausgerichteten Pensionskasse ermöglicht wird. Die Pensionskasseneinzahler sind somit, wie auch schon mehrmals in der Vergangenheit, dazu verdammt, die Vernich­tung ihrer Pensionsvorsorge sehenden Auges über sich ergehen zu lassen.

Das Lebensphasenmodell der Pensionskassennovelle zielt darauf ab, dass die Risikobereitschaft gerade bei jüngeren Menschen höhere Gewinne erbringt. Hier zeigt sich, dass die Verantwortlichen nicht bereit sind, aus den Erfahrungen der Vergangen-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 91

heit zu lernen. Anstatt den jungen Menschen eine vernünftige und bedachtsame Vorsorgestrategie anzubieten, wird mit deren Geld seitens der Pensionskassen und mit Unterstützung unserer Regierung auch weiterhin auf dem Kapitalmarkt gezockt. (Bundesrat Perhab: Wie schaut das aus?) Und trotz all dieser Aspekte sind Sie sich nicht zu schade, den Menschen eine Stabilisierung und Verbesserung des Pensions­kassensystems vorzugaukeln.

Wir werden die Menschen vor derartigen Aussagen der Regierung warnen, und wir werden sie darauf aufmerksam machen, dass es sich dabei um eine Marketing­strategie handelt, um weiter Geld in die Pensionskassen zu spülen. Die FPÖ wird dieser Gesetzesnovelle aufgrund der angeführten Schwachstellen nicht zustimmen. Wir fordern eine Bundeshaftung, die die Verluste der Versicherten übernimmt, und eine grundlegende Reform, um die Ansprüche der Pensionskassenberechtigten zu sichern. (Beifall bei der FPÖ.)

14.11


Präsident Gregor Hammerl: Nächster Redner: Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


14.11.48

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat es schon gesagt: Das Pensionskassenmodell stammt aus den neunziger Jahren. Da wurde neben der staatlichen Pension das Drei-Säulen-Modell geschaffen, nämlich neben der staatlichen die betriebliche und die private Vorsorge. Und ich verstehe überhaupt nicht, dass gerade ein FPÖ-Vertreter dann genau dieses Modell madigmacht, da ja gerade ihr diejenigen wart in den neunziger Jahren, die immer sehr stark dafür gekämpft haben, dass es auf drei Säulen steht. Damals habt ihr ja immer gesagt, dem Staat kann man nicht trauen, nur dem Kapitalmarkt kann man trauen – und jetzt ist es genau das Gegenteil. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!)

Und was ich auch nicht verstehe, ist, dass gerade Ihre Partei die ganze Zeit sagt: weniger Staat, mehr privat. Hier wird jetzt wieder nach mehr Staat, also mehr Staatshaftungen gerufen und verlangt. Also das passt in keiner Weise zusammen, das ist reiner Populismus, um den Leuten einfach irgendetwas vorzuspielen. Es ist zwar richtig, dass bei den betrieblichen Pensionsvorsorgen in den neunziger Jahren und Anfang 2000 hohe Erwartungen erzeugt wurden. Aus der damaligen Sicht waren auch Renditen von 6 Prozent, 6,5 Prozent realistisch und normal. Das kann man im Nach­hinein zwar infrage stellen, aber damals war das ja nicht nur bei den Pensionskassen oder bei den privaten Vorsorgen, sondern auch bei den ganzen Bildungsträgern so.

Überall, wo Vorsorge getroffen wurde, ist dieser Zinssatz angenommen worden, und zum Teil hat er sich auch bewahrheitet, nur seit der Finanz- und Schuldenkrise 2008 gab es natürlich herbe Verluste, gab es verminderte Auszahlungen. Aber von 50 Pro­zent Verlust und mehr zu sprechen, ist auch nicht richtig, das stimmt sicherlich nicht, und es hat auch vor dem Pensionskassenmodell Pensionszusagen von Firmen gegeben, die dann vor der Pensionierung der Arbeitnehmer pleitegegangen sind, und somit war auch die Pensionszusage hinfällig. Also man sollte das schon immer in die richtige Relation setzen.

Durch die vorliegende Novelle wird ein gewisses Sicherheitsnetz, um drastische Kür­zun­gen zu verhindern, geschaffen. Grundlage für die Berechnung ist das sogenannte Lebensphasenmodell. Es besteht die Wahlfreiheit, ob eine eher risikoreiche oder eine eher sichere Veranlagung bevorzugt wird. Und es weiß auch jeder normale Öster­reicher, wenn er sehr jung und sehr bald einsteigt und risikoreicher am Beginn veranlagt, dann hat er höhere Renditen, als wenn er spät und etwas sicherer veranlagt,


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 92

denn eines passt nicht zusammen: hohes Risiko und hohe Sicherheit. Entweder man fährt die eine oder die andere Schiene. Das weiß heutzutage jeder Bürger, der sich bei einer Versicherung oder bei einer Bank beraten lässt.

Wahlfreiheit, Flexibilität, Umstiegsmöglichkeiten und die Befreiung von den Schwan­kungsrückstellungen sind die wichtigsten Schritte in die richtige Richtung. Bei dieser Pensionskassenreform geht es zum einen um 800 000 Menschen, das hat der Vorred­ner schon gesagt, und hier geht es auch darum, wie viel Geld sie im Alter für ihr Leben noch haben. Aber es geht bei dieser Reform auch um die Vorsorge von vielen jungen Menschen, die immer mehr der betrieblichen und der privaten Vorsorge vertrauen. Und deshalb, glaube ich, ist diese Novelle richtig und wichtig. Unsere Fraktion, die ÖVP, stimmt deshalb dieser Novelle auch zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.15


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.15.50

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich wollte an und für sich auch schon anmerken, dass es jetzt meines Erachtens ein bisschen schade ist, dass der Herr Staatsekretär da sitzt. (Heiterkeit im Saal.) – Ich meine jetzt nicht, dass ich Sie nicht gerne da sitzen sehe, aber den Auslöser des Problems, ganz ehrlich, die Geschichte mit der zweiten und dritten Säule würde ich doch eher auf dieser Seite der Regierungsbank vermuten. (Bundesrat Mag. Klug: Das war inhaltlich gemeint!) – Ja, genau. Ich meine das nur inhaltlich, nicht persönlich, und insofern finde ich es fast ein bisschen schade, wenn sich jetzt der Herr Staatssekretär anhören muss, die jetzige Regierung ist schuld daran, dass das so ist.

Ich meine, die Probleme, die sind ja schon in einigen Bereichen aufgezeigt worden. Die Probleme sind einfach: Es gibt Pensionskassen, und die Leute, die einbezahlt haben, viele Jahre einbezahlt haben, kommen jetzt in den letzten Jahren drauf, dass einfach hinten weniger herauskommt als vorne einbezahlt worden ist. Und das ist natürlich frustrierend für die Menschen.

Die Finanzmarktaufsicht hat im März 2012 einen Verlust von 3 Prozent bei den Pensionskassen festgestellt, und sie hat auch kritisiert, dass die Pensionskassen Anleihen im fallenden Markt verkauft haben. Also es ist jetzt nicht so, dass man sagen kann: Ja, es hat jetzt eine Finanzkrise gegeben, und wir haben ja alle daraus gelernt, und es wird künftig ohnehin besser werden. Offensichtlich ist es schon auch ein bisschen ein heftigerer Systemfehler, der vielleicht auch daran liegt, dass die Mutter­gesellschaften dieser Pensionskassen vielleicht nicht unbedingt das größte Interesse daran haben, dass die Pensionsbezieher die tollsten Renditen bekommen, sondern möglicherweise – vielleicht hat man deshalb Anleihen im fallenden Markt verkauft – haben sie doch andere Interessen.

Laut Arbeiterkammer belaufen sich die Verluste der Pensionskassen seit 2008 auf 13 Prozent. Das ist schon ganz schön üppig. Und ich weiß jetzt nicht, ob es stimmt – aber das kann mir Frau Präsidentin Zwazl vielleicht noch näher erläutern –, dass auch die Wirtschaftskammer überlegt, ihr Pensionskassensystem aufgrund der nicht so erfolgreichen Performance aufzulösen oder zusammenzuführen. (Bundesrätin Zwazl: Das stimmt nicht!) – Okay. Na, dann wirst du das vielleicht noch näher erläutern. (Bundesrätin Zwazl: Es wird bei uns absolut nichts !) – Das habe ich gehört. Na, dann stimmt das nicht, okay. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 93

Unbestritten ist jedenfalls, dass es sehr vielen so ergangen ist, auch in diesem Haus, wo ja auch Pensionskassen angeboten werden, dass man einfach viel mehr eingezahlt hat, als man am Ende herausbekommen hat, und dass das die Leute unzufrieden stimmt und dass das dringenden Handlungsbedarf im System erfordert.

Das Problem, das wir jetzt in dieser Gesetzesvorlage sehen, ist, dass einfach keine Systemänderung an sich vorangeht, sondern es ist nur so ein bisschen ein An­schrauben von lockeren Schrauben. Die verbesserte Informationspolitik hat Herr Kollege Ertl schon angesprochen. Also dass ich jetzt als Dienstnehmer oder als eine oder einer, die oder der einzahlt, den Vertrag auf Nachfrage vorgelegt bekomme, ist vielleicht ein Fortschritt, aber es ist eigentlich unverständlich, dass das bis jetzt nicht der Fall war, denn wenn ich einen Vertrag abschließe, wo ich regelmäßig einzahle, und den nicht vorgelegt bekomme, dann frage ich mich schon: Wo kommen wir denn da hin?

Die Wahlmöglichkeit, die auch schon angesprochen worden ist, innerhalb einer Kassa zwischen risikoreich und risikoarm wechseln zu dürfen, ist jetzt auch nicht das Optimum, weil man sich letztendlich die Kassa nicht aussuchen kann und auch nicht, wie diese mit meinem Geld wirtschaftet, ob jetzt risikoreich oder risikoarm. Das heißt, es ist in Wirklichkeit nur ein bisschen mehr Verlust oder ein bisschen weniger Verlust am Ende. Und die Garantiepension ab 55 kostet auch eine Menge Geld, wenn man die in Anspruch nehmen will.

Das heißt, es handelt sich letztendlich um einen Systemfehler, den man behandeln müsste. Es wird nicht reichen, kleine Schrauben anzuziehen, um da wirklich etwas zu erreichen.

Das System krankt daran, dass es weder Fisch noch Fleisch ist. Es ist nicht freie Marktwirtschaft, wo ich mir aussuchen kann, bei wem ich mein Geld anlege, wo jener, der die beste Performance hat oder mir das sicherste Angebot macht, meinen Zuschlag bekommt. Das ist es nicht, ich kann nur das nehmen, was über die Firma angeboten wird. Auf der anderen Seite habe ich aber auch nicht wirklich so einen geregelten Markt, wo ich eine entsprechende Kontrolle und eine entsprechende Aufsicht habe. Es ist also weder Fisch noch Fleisch.

Das größte Übel ist, dass in Wirklichkeit weder der Dienstgeber noch der Dienst­nehmer, die ja üblicherweise beide mitzahlen, die Performance beeinflussen können. Sie können einzahlen, Dienstnehmer können jetzt immerhin in den Vertrag Einsicht nehmen, aber sie können keinen Einfluss darauf nehmen, wie die Gelder veranlagt werden; und wenn man einmal drinnen hängt, kann man nicht wirklich aussteigen.

Diesen Systemfehler wird man mit diesen kleinen Verbesserungen, die es da jetzt gibt, sicher nicht bekämpfen können. Wenn dieses System – das ja mehr oder weniger öffentlich mitfinanziert wird, indem es Steuervorteile dafür gibt – nicht funktioniert, wenn dieses System für die Menschen zu Verlusten führt, dann ist die Regierung diesbe­züglich mitverantwortlich und sollte sich zumindest dringendst überlegen, nicht so kleine Reparaturen zu machen, sondern wirklich das System insgesamt zu ändern, indem man sagt: Gut, wenn ich schon fördere, dann will ich aber passende Kontrolle und wirklich vernünftige Auflagen, damit solche Verluste künftig nicht mehr passieren können.

14.21


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


14.21.48

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin ja sehr froh, Kollegin


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 94

Kerschbaum, dass du zurechtgerückt hast, welche Regierung dafür verantwortlich ist, wie dieses Pensionskassengesetz geschaffen worden ist und welche Systemfehler damals schon begangen worden sind.

Es gibt nun einmal dieses System; und wenn es 800 000 Menschen gibt, die an­spruchs- oder leistungsberechtigt sind, ob jetzt oder in der Zukunft, dann muss man etwas machen, um zumindest diese großen Verluste der Bezieher der über­betrieb­lichen Pensionskassen, der Renten, ein bisschen besser zu schützen, als es bisher geschehen ist.

Die Unternehmen haben ja einen Teil der Entlohnung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Form eines Beitrags zum persönlichen Betriebspensionskonto eingezahlt. Es ist schon klar, das ist ein aufgeschobener Gehaltsanteil, der für die Dienstneh­merinnen und Dienstnehmer veranlagt wurde, um die Altersrente mit einer Betriebs­pension ein bisschen aufzubessern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen, wenn sie in Pension gehen, aus dieser Pensionskassa entsprechend Geld. Derzeit gibt es 71 000 Bezieher, und rund 800 000 Arbeitnehmer sind in Zukunft von diesem Bereich betroffen.

Tatsache ist, dass es in den letzten Jahren bei den Pensionen – und das ist mehrmals angesprochen worden, dem würde ich auch nicht widersprechen – Verluste von bis zu 45 Prozent gegeben hat. Das ist natürlich sehr viel Geld. Menschen, die darauf gezählt haben, dass sie das bekommen, sind da ordentlich geschädigt worden. Es ist eine Tatsache, dass das geschehen ist; deshalb erfolgt jetzt – und dafür müssen wir der Bundesregierung dankbar sein – eine Reparatur dieses Gesetzes. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der övp.)

Ich muss dazusagen: Als Seniorenvertreter hätte ich mir natürlich mehr beziehungs­weise eine andere Reparatur vorgestellt. Wir sind heute in einer Zeit, in der wir mit Kompromissen fertigwerden müssen; und ich denke, dass das ein Kompromiss ist, der den Menschen auf alle Fälle hilft.

Ich möchte, Kollege Ertl, nur in Erinnerung rufen: 2003 ist der Kardinalfehler begangen worden, dass die Mindestgarantie gestrichen worden ist. Nur zur kurzen Erinnerung: 2003 gab es eine ÖVP-FPÖ-Bundesregierung. Ihr wart also sehr wohl daran mitbe­teiligt, dass es zu diesen Verlusten gekommen ist. Das will ich Ihnen auch sehr deutlich sagen. Und wenn Sie sich hier herstellen und ganz einfach sagen, die Regierung ist schuld an all diesen Miseren, muss ich feststellen: Die Miseren liegen genau in der Zeit, in der ihr die Verantwortung gehabt habt! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätin Kerschbaum.)

Mit der Schaffung eines sogenannten Lebensphasenmodells soll bei der Anwart­schaftsberechtigung in der Pensionskasse eine Wahlmöglichkeit zwischen risiko­reiche­rer oder risikoärmerer Veranlagungsstrategie – ist auch schon von meinen Vorrednern genannt worden – geschaffen werden.

Die Garantiepension als neues Produkt einer Sicherheits-Veranlagungs- und Risiko­gemeinschaft, also VRG, garantiert, dass die laufenden monatlichen Pensionszahlun­gen zu keinem Zeitpunkt, und das ist das Entscheidende, geringer sind als die erste Monatspension. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Natürlich, als die erste Monatspension. Das heißt, es wird nicht geringer werden. Gut. Dafür ist es auch eine Veranlagungsform, es hängt also davon ab, wie die Veranlagung durchgeführt wird. (Bundesrätin Kerschbaum: Genau!) Jetzt gibt es dieses Gesetz. Es gibt 800 000 Leute, die da drinnen sind, also muss man das zumindest soweit reparieren; und einen Systemwechsel kann man nur dann machen, wenn es nicht eine derartig riesige Zahl ist.


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Es ist schon gesagt worden, welche Möglichkeiten es gibt, auszusteigen. Da kann man jetzt umsteigen, wenn die Performances der Pensionskassen sich verändern. Da gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, also nicht fünf Jahre, sondern drei Jahre und vieles andere mehr. (Bundesrat Ertl: Aber nur einmal!) – Nur einmal. Das ist anzuschauen und dann zu entscheiden. Das ist eine Entscheidung, die zu treffen ist. Jeder Mensch ist auch mächtig, nachzudenken, welche Entscheidung er trifft; und das muss man doch jedem zugestehen.

Man kann nicht ständig herumswitchen, denn du kannst ja bei einer Lebens­versicherung nicht sagen: Ich schließe heute bei der Städtischen eine Lebens­ver­sicherung ab, und morgen gehe ich zur UNIQA, weil die besser zahlt – und über­morgen gehe ich zur Volksbank oder sonst wohin. Das wird nicht gehen. Daher wird es ein normales System geben, sonst kann man auch nicht veranlagen. Das wird nicht funktionieren, Kollege Ertl. Daher wird man das nur einmal zugestehen. Einmal wird man das machen können, aber nicht jedes Jahr, wenn es hier oder dort besser ist. Da musst du das privat machen, da musst du dir eben privat Aktien kaufen und dort spekulieren, dann wirst du jederzeit herumswitchen können, so viel du willst.

Ich möchte dazu noch sagen, dass auch die Vorschläge des Österreichischen Seniorenrates in diese Novelle miteingearbeitet wurden. Wir sind nicht mit allem zufrieden, was drinnen ist. Es ist ein erster guter Ansatz, und – ich habe es schon gesagt – wir leben mit Kompromissen.

Grundsätzlich ist mit dem neuen Pensionskassengesetz eine Reparatur gelungen. Wir haben aber gesehen, wie Krisen auf dem Finanzmarkt bei Betriebspensionen Ver­luste – ich habe es schon genannt – von bis zu 45 Prozent herbeiführen können. Daher ist es besonders wichtig, dass wir ein staatliches, abgesichertes Pensionssystem haben. Unser Umlagesystem hat in Krisenzeiten seine Stabilität unter Beweis gestellt. Es hat sich bewährt, und darauf können wir stolz sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.29


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gelangt Frau Bundesrat Dr. Winzig. – Bitte.

 


14.30.00

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der einzig positive Effekt der Finanzkrise ist, dass jetzt hoffentlich alle Bürgerinnen und Bürger zur Einsicht gekommen sind, dass diese Traumrenditen, mit denen viele gerechnet haben, nur Eintagsfliegen sind und sicherlich keine kontinuierlichen Erträge einbringen.

Genauso war es bei den Pensionskassen: anfangs erfolgreich und dann ein starker Einbruch. Ich möchte aber auch erwähnen, Herr Kollege Ertl: Es handelt sich bei diesem zwar sehr großen Personenkreis um einen gut abgesicherten Personenkreis. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Personen die gesetzliche Pension, die Abfertigung und eine betriebliche Pension beziehen. Ich möchte eine andere Gruppe erwähnen: 50 Prozent aller Unternehmer verdienen im Jahr weniger als 11 000 €, und 43 Prozent der KMUs machen Verlust. Diese Personen haben diese Absicherung nicht; und ich hoffe, Sie setzen sich für diesen Personenkreis, wenn wir das einmal diskutieren, genauso intensiv ein.

Trotzdem ist dieses Drei-Säulen-Modell eine gute Errungenschaft. Wir müssen nur die Fundamente dieser Säulen besser absichern; und ich glaube, das ist ein guter Weg, wie wir ihn jetzt gehen. Auf die mangelnden Kenntnisse über den Kapitalmarkt mancher


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möchte ich jetzt auch nicht eingehen. Vielleicht hat der Herr Staatssekretär mehr pädagogische Fähigkeiten dafür.

Summa summarum bringt diese Pensionskassenreformnovelle wichtige Verbesserun­gen im Sinne der Systemstabilisierung. Sie wird Durchlässigkeit zwischen den An­bietern erleichtern und den Wettbewerb fördern. Es ist also ein Schritt in die richtige Richtung, dem wir gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.31


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schieder. – Bitte.

 


14.31.58

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die vorliegende Novelle zum Pensionskassengesetz und auch zum Betriebspensionsgesetz ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Bevor ich ausführlich eingehe auf das, was hier gesagt worden ist, möchte ich noch einmal den politischen Rahmen, in dem wir uns befinden, in Erinnerung rufen.

Erstens, und das ist, glaube ich, wichtig: Es ist die zusätzliche Säule zur staatlichen Pension. Es ist ganz wichtig zu betonen, dass die staatliche Pension sicher ist und sich in Zeiten der Finanzkrise als einzig sichere Pension mit Werterhaltung in die Gegenwart und in die Zukunft dargestellt hat und mit allen Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, auch in Zukunft weiterhin sicher sein wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Zweitens möchte ich auch darauf hinweisen, dass einerseits die gesetzliche Grundlage zum Teil auf die 1990er Jahre, aber in konkreter Ausformung auf 2002 zurückgeht. Herrn Bundesrat Ertl, glaube ich, möchte ich sagen, dass das zu der Zeit war, als die FPÖ gefunden hat, dass in Österreich alles toll ist, weil sie ja selbst mit am Regierungstisch gesessen ist und das in ihre Regierungszeit fällt. Das gilt auch für die letzte Novelle – in welcher Farbe auch immer, aber die war 2005.

Seit 2009 wurde in der SPÖ-ÖVP-Regierung massiv darüber gesprochen, wie man die Schwächen des Systems verbessern, beseitigen kann. Dazu hat es unzählige Ge­spräche mit den Stakeholders, wie man so schön sagt, also mit den Sozialpartnern, den Interessengemeinschaften und so weiter, gegeben.

Die Grundlage dafür, dass es zu einer Schieflage gekommen ist – und das muss man auch ganz ehrlich sagen – sind zweierlei Dinge.

Das eine ist: Übermäßige Versprechungen bei der Finanzierung von Pensions­sys­temen über den Kapitalmarkt, mit Verrechnungszinsen, die auch aus damaliger Sicht, aus quasi noch Boom-Sicht, schon irrational hoch waren und sehr oft quasi miss­verständlich dargestellt wurden.

Zweitens muss man natürlich sagen, dass du, wenn du ein kapitalmarktorientiertes Produkt hast, auch abhängig bist von den „ups and downs“. Sprich: Wenn der Markt besser funktioniert, kannst du eine höhere Pension erwarten; wenn er schlechter funktioniert, kannst du auch eine niedrigere erwarten.

Dieses Risiko, dass es rauf und runter gehen kann, ist in der Boom-Zeit so nicht gerne dargestellt worden. Da hat man immer nur gehört, es wird alles besser, schöner und glänzender. Dass dem nicht so ist, dass uns die Finanzkrise sehr wohl brutal, mit massiven Auswirkungen, vor Augen geführt hat, dass hohe Zinssätze nur mit hohem Risiko verbunden sind, und hohes Risiko auch heißt, dass es auch die Wahrschein-


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lichkeit gibt, dass es so nicht kommt, haben wir und leider auch viele Pensionskas­senpensionistInnen erleben müssen; und das ist natürlich eine schwierige Situation.

Als zweite Rahmenbedingung möchte ich auf etwas hinweisen, das zwar nicht direkt, im engeren Sinne, Gegenstand dieser Novelle ist, nämlich auf die Maßnahmen, die wir im Zuge des Konsolidierungspaketes gesetzt haben und die ja schon in Kraft sind: Dass nämlich Pensionskassenbezieher mit dem Vorsteuermodell jetzt eine Möglichkeit bekommen haben, letztlich weniger Steuern für ihre Pensionskasse zu bezahlen, indem sie vorab besteuern und somit sozusagen eine höhere Nettopension nachhaltig bekommen werden.

Da die privaten Pensionskassen dieser Tage all ihren Anwartschaftsberechtigten und Einzahlenden Informationsbriefe zusenden: Ja, die Diskussion, die jetzt hier stattfindet, ist in der Regel das, wovon diese Informationsbriefe handeln, weil die dann unten hinschreiben: vorbehaltlich der gesetzlichen Beschlussfassung.

Was sind jetzt im Kern die Änderungen?  – Die Schaffung eines sogenannten Lebens­phasenmodells: Damit soll den Anwartschaftsberechtigten, also denen, die in so eine Pensionskassa einzahlen, eine Wahlmöglichkeit für risikoreichere oder auch risikoärmere Veranlagungsstrategien gegeben werden.

Es ist ganz wichtig, dass die Leute nicht auf ewig in ihrem Leben gezwungen sind, in der Risikosituation zu bleiben, sondern, wenn sie dem Zeitpunkt näher kommen, wo sie sich denken, jetzt ist es bald einmal so weit, dass die Pension ausgezahlt wird, können sie sagen: Ich wechsle lieber in eine risikoärmere und weiß dafür auch, dass, wenn es doch besser läuft, ich nicht voll mitpartizipiere; aber auch wenn es schlechter läuft, bin ich auf der sichereren Seite. – Und das ist wichtig.

Zweitens: Die Schaffung einer Garantiepension als neues Produkt in einer Sicherheits-Veranlagungs- und Risikogemeinschaft, sodass ich mir versichern kann: Das ist die ausgerechnete und dann nachher auch beziehbare Pension. Das heißt, Garantie der Antrittspension, der ersten Monatspension – dass die Pensionskassa garantiert, dass die dem Leistungsberechtigten gebührende monatliche Pension zu keinem Zeitpunkt geringer ist als die erste Monatspension, die sich zum erstmaligen Zeitpunkt des Abrufs der Pensionskassenleistung ergibt.

Es ist eben ganz wichtig, dass ich, wenn ich in die Pension wechsle und bei meiner Pensionskassa meine Pension beziehe, weiß: Ich habe jedes Monat mindestens das, was dort eingezahlt worden ist, und nicht weniger, wie es jetzt mitunter der Fall sein kann. Das ist hiermit beseitigt.

Der Anwartschaftsberechtigte, wie es so schön heißt, also der Pensionskas­senein­zahler, hat nach nachweislicher Information ab dem 55. Lebensjahr ein Options­recht auf Wechsel in die Sicherheits-Veranlagungs- und Risikogemeinschaft. Er kann also mit 55 – das ist das, was ich vorhin gemeint habe –, beziehungsweise wenn er dem näher kommt, auch dorthin wechseln; wobei auch die Leistungsberechtigten, also die Bezieherinnen und Bezieher, eine Übertrittsmöglichkeit in diese Sicherheitsgruppen haben.

Es gibt mehr Informationsrechte – das ist hier schon angesprochen und diskutiert worden.

Es gibt eine Anbindung der Vermögensverwaltungskosten – was ebenfalls sehr oft kritisiert wurde, dass eben die staatlichen Pensionsversicherungsanstalten wesentlich geringejre Verwaltungskosten haben als alle privaten Institutionen. Das soll auch einmal gesagt werden, nämlich zum Thema: Ist die öffentliche Verwaltung effizient oder nicht? In diesem Bereich ist sie es jedenfalls.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 98

Es gibt hier auch einfach das ökonomische Gesetz der sinkenden Skalenerträge. Das heißt, große Veranlagungsgemeinschaften lassen einfach auch die Verwaltungskosten für den Einzelnen sinken. Da ist es jetzt so, dass die Performance der Pensionskasse im Sinne des Leistungsprinzips bei der Veranlagung quasi daran gekoppelt ist und das nicht – wie oft in der Vergangenheit – höher steigen kann, als man es für gerechtfertigt erachtet.

Der Seniorenrat ist auch schon angesprochen worden – diese Interessenvereinigung der österreichischen älteren Generation, jener, die nicht im Ruhestand sind, sondern sehr viel positive Unruhe in die Gesellschaft bringen, weil sie ihre Interessen ganz massiv artikulieren. Diese Menschen haben immerhin auch drei Forderungen in der Umsetzung hier, die in dieser Gesetzesnovelle berücksichtigt werden:

Die steuerliche Begünstigung als Ausgleich für die Verluste bei den Pensionen – wie schon erwähnt, schon im Stabilitätsgesetz umgesetzt –; dass Pensionistinnen- und Pensionistenvertreterinnen und -vertreter im Aufsichtsrat der Pensionskassen sein werden, womit erstmalig auch die Betroffenen am Tisch sitzen können; und keine Schwankungsrückstellung bei den Pensionisten; diese drei zentralen Forderungen des Seniorenrats werden alle umgesetzt.

Beim Betriebspensionsgesetz kommt es auch zu einigen Änderungen: Die Möglichkeit zur Leistung variabler Beiträge in die Pensionskasse durch Arbeitgeber wird aus­geweitet. Die Unverfallbarkeitsfrist bei Pensionskassenzusagen wird von maximal fünf auf drei Jahre herabgesetzt. Also das, was zuerst kritisiert worden ist, wurde berück­sichtigt: Die Frist wird von fünf auf drei Jahre verkürzt. Außerdem soll die Durch­lässigkeit zwischen den Pensionskassensystemen und der betrieblichen Kollektiv­versicherung ausgeweitet werden. Das ist auch ein wichtiger Punkt, dass die Durchlässigkeit zwischen den Systemen in einem aufrechten Arbeitsverhältnis er­möglicht wird.

Alle diese Maßnahmen werden – sofern der Hohe Bundesrat dem Gesetz nicht seine Zustimmung verweigert, was ich sehr hoffe, dass es quasi auch eine positive Stel­lungnahme des Bundesrates dazu gibt – mit 1. Jänner in Kraft treten. Damit wird eines gesichert, nämlich dass neben der sicheren staatlichen Pension, über die wir heute nicht diskutiert haben, die nicht Thema dieser Beschlussfassung ist, auch in die Säule der privaten Pensionsvorsorge, gebunden an den Kapitalmarkt, ein Stück mehr Kon­sumentenrechte, Pensionistenrechte und Sicherheit kommt.

Was wir nicht beseitigen können, ist, dass die Zusatzpensionen über den Kapitalmarkt auch immer an die Entwicklungen dieses Kapitalmarkts gebunden sind und daher sich jeder selbst überlegen muss, ob und in welcher Form das für ihn richtig oder nicht richtig ist. Und ganz wichtig ist, dass die Grundpension über das ASVG, über die Pensionsversicherung, über die anderen Versicherungstöpfe in diesem Land gesichert bleibt, weil das uns in dieser Regierung Wichtige ist, neben der Sanierung dieser Probleme, dass es eine Grundversorgung in der Pension gibt, die sicher ist und allen Österreicherinnen und Österreichern einen schönen, angenehmen und menschen­würdigen Lebensabend ermöglichen soll. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.42


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Zwazl.

 



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 99

14.42.23

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, du hast mich angesprochen, sonst würde ich euch jetzt nicht aufhalten. Wir haben als Wirtschaftskammerorganisation für unsere Mitarbeiter freiwillige Vorsorgemodelle. Wir haben einen Pensionsfonds, den hat es aber nur für wenige Mitarbeiter gegeben. Seit 1999 haben wir eine Pensionskasse. Wir haben voriges Jahr eine Performance von 2,38 Prozent gehabt. Also wir sind bei den Veranlagungen, ob das jetzt unsere Wertpapiere oder die Pensionskasse betrifft, vorzüglich unterwegs.

Wir haben voriges Jahr, wenn du das meinst, bei der Biometrie Anpassungen gehabt. Diese Kosten hat aber auch die Wirtschaftskammerorganisation getragen. Aber ich weiß, ihr habt immer ein bisschen Probleme, wenn es um unsere Veranlagungen geht. Ich möchte dich nur erinnern, dass ihr in Niederösterreich Plus mit Minus verwechselt habt und gesagt habt, wir hätten schlecht veranlagt. Dabei stehen wir sehr gut da. (Bundesrat Ertl: Wie hat denn das vor zwei Jahren ausgeschaut?)

Vor zwei Jahren haben wir genauso über 2 Prozent gehabt, und wenn wir die Ver­anlagung nicht in der Höhe haben, dann zahlen die Wirtschaftskammern das ein. Unsere Mitarbeiter bekommen das, was wir ihnen versprochen haben. Da braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Außerdem sind wir Profis, was die Veranlagungen betrifft. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.)

14.44


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Frau Bundesrätin.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.44.206. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Zweites Protokoll zur Abänderung des am 9. Dezember 1976 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada zur Vermeidung der Doppel­besteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 15. Juni 1999 in Wien unterzeichneten Protokolls (1738 d.B. und 1780 d.B. sowie 8735/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Abänderung des am 8. Juni 2006 in Prag unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteu­erung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1739 d.B. und 1781 d.B. sowie 8736/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 100

Berichterstatter zu den Punkten 6 und 7 ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um die Berichte.

 


14.45.18

Berichterstatter Michael Lampel: Werter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Zweites Protokoll zur Abänderung des am 9. Dezember 1976 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 15. Juni 1999 in Wien unterzeichneten Protokolls.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 mit Stimmen­mehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme gleich zum zweiten Bericht des Finanzausschusses, jenem über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Abänderung des am 8. Juni 2006 in Prag unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher auch gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke für die Berichte.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Zweites Protokoll zur Abänderung des am 9. Dezember 1976 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 15. Juni 1999 in Wien unterzeichneten Protokolls.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 101

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Abänderung des am 8. Juni 2006 in Prag unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.49.518. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. April 2012 betreffend Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut; Annahme der deutschen und französischen Sprachfassung (1673 d.B. und 1754 d.B. sowie 8737/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Vor der Berichterstattung darf ich noch Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich bei uns im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu Punkt 8 ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte um den Bericht.

 


14.50.21

Berichterstatter Walter Temmel: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 19. April 2012 betreffend Übereinkommen über das Euro­päische Forstinstitut; Annahme der deutschen und französischen Sprachfassung liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Deshalb verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 102

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


14.51.17

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Im vorliegenden Beschluss des Nationalrates betreffend ein Über­einkommen über das Europäische Forstinstitut geht es ja eigentlich um einen Formalakt, indem die deutsche und die französische Sprachfassung zu authentifizieren sind.

Was ist aber dieses Europäische Forstinstitut? – Zweck dieses Forstinstitutes ist es, eine europaübergreifende Zusammenarbeit in allen wald- und holzrelevanten For­schungsarbeiten zu schaffen, mit dem Ziel, den Erhalt und die nachhaltige Bewirt­schaftung der Wälder in Europa zu fördern und zu sichern. Ich denke, das ist gerade auch für Österreich eine sehr wichtige und bedeutende Aufgabe.

Die Forstwirtschaft spielt ja auch in Österreich eine sehr große Rolle. Mehr als die Hälfte unserer Landesfläche ist mit Wald bedeckt. Mehr als 280 000 Menschen arbei­ten in der Wald- und Holzwirtschaft und beziehen daraus auch ihr Einkommen. Der Wald ist damit Wirtschafts-, Lebens- und Erholungsraum. Er liefert erneuerbare Rohstoffe, er schafft Einkommen, er garantiert sauberes Trinkwasser und er schützt vor allem auch vor Naturkatastrophen – eine immer wichtiger werdende Rolle, wenn wir nur an die extremen Wetterverhältnisse der vergangenen Jahre denken.

Ich möchte aber auch den Wert des Waldes als natürlichen CO2-Speicher hervor­heben. Wir wissen, dass zu viel CO2 in der Atmosphäre für den Klimawandel und all seine negativen Ausflüsse verantwortlich ist. Wir wissen auch, dass Bäume die Fähigkeit haben, CO2 aus der Luft in Form von Holz zu speichern. Experten haben berechnet, dass etwa vier Bäume in einem Jahr so viel an CO2 speichern, wie ein durchschnittlicher Pkw jährlich an CO2 ausstößt. Wenn man dann hergeht und dieses Holz auch noch sinnvoll verwendet, es nämlich als Baustoff verwendet, um damit zum Beispiel ein Holzhaus zu bauen, dann ist in diesem Bauholz für dieses Holzhaus so viel an CO2 gebunden, wie ein Pkw in 40 Jahren ausstößt. Das heißt, Häuser in Holzbauweise errichtet leisten einen enorm wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Sie sind besonders energieeffizient, und – eigentlich das Wichtigste für den Bauherrn – sie schaffen natürlich auch ein hervorragendes und gemütliches Wohnklima.

Aber auch wenn wir Holz zur Energiegewinnung verwenden, haben wir eine ausge­glichene CO2-Bilanz, weil bei der Verbrennung nur jenes CO2 freigesetzt wird, welches auch wieder durch das Nachwachsen des Holzes gebunden wird. Wir haben so einen geschlossenen CO2-Kreislauf, wohingegen bei der Verbrennung von Öl, Kohle oder Gas ja bekanntlich eingelagertes CO2 freigesetzt wird.

Weil die österreichischen Waldbesitzer ihren Wald sehr nachhaltig und umsichtig bewirtschaften, wächst nach wie vor mehr Holz nach, als genutzt wird. Wir können daher mit ruhigem Gewissen mehr Holz sowohl energetisch als auch als Bau- und Rohstoff verwenden. Ich bin auch davon überzeugt, dass für die Erreichung des österreichischen Klimazieles die stärkere Verwendung von Holz eine wesentliche Rolle spielt. Bauen mit Holz ist meiner Meinung nach daher ein Gebot der Stunde.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 103

Übernächste Woche ist ja wieder die Woche des Waldes, wo in zahlreichen Veran­staltungen der unschätzbare Nutzen des Waldes aufgezeigt wird, sowohl in wirt­schaftlicher als auch in ökologischer Sicht. Und eines steht für mich außer Frage, nämlich dass die aktive und nachhaltige Waldbewirtschaftung die beste Form des Naturschutzes ist. Der Begriff „schützen durch nützen“ ist hier auf jeden Fall richtig.

Unser Wald ist nur deshalb in einem so wertvollen Zustand, weil er über Generationen bestens und nachhaltig von seinen Besitzern bewirtschaftet wird und diese auch bereit sind, die neuesten Erkenntnisse, wie sie auch vom Europäischen Forstinstitut kommen, umzusetzen. Wir können stolz sein auf den Zustand unseres Waldes. Unser Wald ist bestimmt in guten Händen, und so soll es auch bleiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.56


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


14.56.35

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Uns Sozialdemokraten ist die Entwicklung des ländlichen Raumes immer wieder ein besonderes Anliegen. Gerade der ländliche Raum bietet in seiner Vielfältigkeit den Regionen und den dort lebenden Menschen viele Chancen; Chancen, die aber die Betroffenen allein nicht bewältigen werden können, und daher muss die Politik auch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.

Neben der Förderung des ländlichen Raumes müssen auch in Zukunft große Heraus­forderungen im Bereich Natur und Umwelt von der europäischen Agrarpolitik bewältigt werden. Um diese Aufgaben aber konkreter erfüllen zu können, ist das Europäische Forstinstitut als internationales Organ eingerichtet worden. Ziel dieses Forstinstitutes ist es, auf gesamteuropäischer Ebene Forschungsarbeiten in den verschiedensten Bereichen der Forstpolitik, Ökologie, Mehrzwecknutzung, Ressourcen und Gesundheit der europäischen Wälder durchzuführen. Nur so können der Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in Europa gewährleistet und garantiert werden.

Das Institut wird den Entscheidungsträgern Informationen in Bezug auf Forst- und Holzwirtschaft zur Verfügung stellen, sei dies in Form von Forschungsarbeiten, Forschungsmethoden beziehungsweise wissenschaftlichen Tagungen.

Die assoziierte Mitgliedschaft beim Forstinstitut steht allen Forschungsinstituten, Bildungs­einrichtungen, Forstbehörden, gewerblichen und nichtstaatlichen Organisa­tionen und ähnlichen Einrichtungen in den europäischen Staaten zu. Finanziert wird die Arbeit aus Mitglieds- und freiwilligen Beiträgen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zirka drei Millionen Menschen leben in ländlichen Gebieten, und da ist es besonders wichtig, dass neben dem Erhalt der 120 000 land­wirtschaftlichen Betriebe auch Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen außerhalb der Landwirtschaft erhalten bleiben. Die Gestaltung der gesamten Gemeinsamen Agrar­politik ist von besonderer Bedeutung, denn letztendlich geht es auch um die Gesund­heit der Menschen in Österreich, um die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Pro­dukten. Es geht um die Umwelt und es geht um die Lebensqualität für die Bevölkerung.

In diesem Sinne hoffe ich auf eine positive und zukunftsorientierte Agrar- und Um­weltpolitik, eine Politik, die Maßnahmen setzt, um in Zukunft den ländlichen Raum inter­essanter zu gestalten und eine weitere Ausdünnung dieser Region zu verhindern.

Unsere Fraktion stimmt diesem Übereinkommen zu. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.59



BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 104

Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Pirolt zu Wort. – Bitte.

 


15.00.01

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Prä­sident! Hohes Haus! Österreich hat weltweit eines der besten Forstgesetze, und das resultiert aus dem Wissen oder der Erfahrung, die gemacht wurde, als Venedig gebaut wurde. Damit konnte letzten Endes der Karst seinen Werdegang nehmen, und Österreich hat daraus entsprechende Lehren gezogen.

Aber dieses Wissen hat maximal gereicht, um Blochholz zu exportieren, also maximal Bretter zu schneiden und diese ins Ausland zu verschicken. Da haben die nordischen Länder, im Speziellen Finnland oder Schweden, einen Riesenvorsprung gehabt, was einerseits die Sägetechnologie anbelangt und in weiterer Folge auch die Erntetechnik. Da ist das Europäische Forstinstitut Wegbereiter gewesen, um dieses Wissen auch europaweit zur Verfügung zu stellen, und Österreich hat daraus, wie ich meine, den besten Nutzen gezogen. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Das beweisen Firmen wie URBAS oder Kohlbach, die mittlerweile weltweit in der Kesseltechnologie bis 15 Megawatt Leistungseinheiten führend sind, oder in der Forsttechnik – nicht der größte Produzent, aber von der Technik her weltweit führend – die Konrad Forsttechnik, auch ein Betrieb wie Kohlbach und URBAS, der in Kärnten angesiedelt ist.

Weiters war das Europäische Forstinstitut auch Wegbegleiter oder Lieferant von Wissen für die Österreichischen Bundesforste, die lange Zeit miserabel bewirtschaftet, defizitär waren und letzten Endes heute einen Betrieb darstellen – auch geführt von einem Kärntner, dem Georg Erlacher –, der gewinnbringend ist. (Ruf bei der ÖPV: Ein Kärntner?) – Georg Erlacher, bitte schön. Tu nachlesen, dann weißt du es! (Heiterkeit bei Bundesrätin Zwazl.)

Grundsätzlich ist alles zu unternehmen – und wir werden es sehen, der heutige Be­schluss wird positiv ausfallen –, damit weiterhin Wissen schnell und effizient trans­portiert werden kann, damit man die Ressourcengrundlagen nutzen kann, auch in Form von Forschung. Güssing ist eines der weltweit anerkanntesten Beispiele, was die Beschaffung von Grundstoffen für die Energiegewinnung, für Karosserietechnik und so weiter betrifft, für die Dämmung und ähnliche Grundstoffe.

Unsere Fraktion wird heute zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


15.02.55

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Europäische Forstinstitut hat eine zentrale Bedeutung in der gesamteuropäischen forstlichen Forschung, wo es darum geht, die Aspekte des Wal­des forschungsmäßig auszubauen. Es geht um ökologische Fragen, Umwelt­aspekte, wirtschaftliche Nutzung oder schlicht und einfach um die Mehrfachnutzung des heimischen Waldes, der er immer stärker ausgesetzt ist. Österreich unterstützt daher dieses Europäische Forstinstitut, weil es einen wichtigen Beitrag leistet, um Wälder in Österreich und in Europa gesund zu erhalten.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 105

Es haben die Vorredner bereits auf die Bedeutung des Waldes in Österreich hin­gewiesen. Knapp die Hälfte unserer Fläche ist bewaldet, und der Wald ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Das, was die österreichische Forstwirtschaft berühmt macht, ist die Nachhaltigkeit. Es findet sich das Wort der Nachhaltigkeit erstmals in einem öster­reichischen Forstgesetz vor 150 Jahren. Das zeigt, dass wir sehr viel Know-how in der schonenden Bewirtschaftung von Wald und auch in der schonenden Bewirt­schaftung von Fluren haben.

Nachhaltigkeit, Sustainability ist mittlerweile ein Begriff, den die ganze Welt diskutiert. Demnächst in Rio bei der großen UNO-Konferenz geht es um eine nachhaltige Entwicklung, nicht nur des land- und forstwirtschaftlichen Sektors, sondern der Wirt­schaft, der Gesellschaft insgesamt in der Welt.

Das, worauf wir stolz sein können, ist, dass wir Wald so bewirtschaften, dass wir nicht von der Substanz unserer Wälder leben. Wir haben die Waldnutzung unter dem Thema Holzmobilisierung gesteigert. Das heißt, es gelingt uns durch die Programme, die wir aufgestellt haben, mehr Holz aus den Wäldern zu bringen, um Märkte abzudecken  im Heimbereich, aber auch im Export. Das bedeutet eine wertvolle Nutzung des Holzes, Holz als Baustoff, Holz in der Architektur, Holz für die Möbelindustrie und dann natürlich auch Holz für die energetische Nutzung, Papiererzeugung. Aber dass gestei­gert wurde, bedeutet, dass wir eben nicht von der Substanz leben. Wir nutzen 80 Pro­zent des jährlichen Zuwachses, und das ist ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Immerhin leben knapp 300 000 Menschen vom Wald, beziehen ein Einkommen aus dem Wald, aus der Forst- und Holzwirtschaft, und das wollen wir sichern. Wir haben im Jahr 2011 das Internationale Jahr des Waldes dazu genutzt, um die österreichische Bevölkerung mit dem Thema Wald zu konfrontieren, nämlich auf die Herausfor­derungen hinzuweisen. Wald ist Wirtschaftsraum, Wald ist aber auch Erholungsraum. Immer mehr Menschen nutzen den Wald als Erholungsraum: Jogger, Reiter, Spazier­geher, die Jagd, Wanderer. Der Wald ist aber auch ein zentraler Faktor im Klimaschutz als CO2-Speicher, als Wasserspeicher, als Sauerstofflieferant. Wald ist aber auch ein Standort für Biodiversität, vielen Tier- und Pflanzenarten gibt er Schutz und Heimstatt.

Uns geht es daher darum, die Wälder gesund zu erhalten, und darum, dass die Menschen in Österreich wissen, dass man Wald schützen und schonend bewirt­schaften muss. Daher haben wir ein Ganzjahresprogramm gemacht, um den Men­schen zu sagen, Wald ist mehr als Bäume, Wald hat vielfältige Funktionen. Wir haben bei den Kindern angesetzt. Wir haben im Rahmen von waldpädagogischen Führungen, im Vorjahr und auch generell, Kinder mit dem Thema Wald konfrontiert, damit sie über ökologische Kreisläufe Bescheid wissen. Ich danke den Lehrerinnen und Lehrern, den Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern, dass sie diese Programme annehmen und auch Kinder mit diesem Thema konfrontieren, damit diese Bescheid wissen.

Wir haben ein Ganzjahresprogramm geboten, bis hin zur internationalen Solidarität. Es wurde von einem österreichischen Chocolatier eine Schokolade für ein Waldstück produziert. Der Erlös aus dem Verkauf daraus wurde verwendet, um in Laos ein Regen­waldprojekt zu unterstützen, dort einen Wald aufzuforsten. Die Österreicher haben sich als naschfreudig erwiesen, rund 200 000 € haben wir hereinbekommen. Das ist ein Beitrag, um Wälder auch international zu schützen.

Ich danke Ihnen für die Unterstützung, dass wir diesen Weg im gemeinsamen Interesse unserer Gesellschaft gehen.  Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

15.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 106

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.07.399. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Mag. Gerald Klug und Efgani Dönmez, PMM betreffend die aktuelle Menschenrechtslage in der Ukraine (189/A(E)-BR/2012 sowie 8738/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen somit zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. Bitte um den Bericht.

 


15.07.53

Berichterstatter Christoph Kainz: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für auswärtige Ange­legenheiten über den Entschließungsantrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Mag. Gerald Klug und Efgani Dönmez betreffend der aktuellen Menschenrechtslage in der Ukraine.

Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird aufge­fordert,

sich bilateral umgehend für eine entsprechende, medizinische Versorgung von Julija Timoschenko einzusetzen und

sich auf EU-Ebene für gemeinsame, außenpolitische Maßnahmen für eine rasche Reform für ein unabhängiges Justizsystem einzusetzen.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Hohen Hause die Annahme des gegenständlichen Entschließungsantrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten somit den Antrag, der Bundesrat wolle die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossene Entschließung annehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt auch den Botschafter der Republik Ukraine, seine Exzellenz Herrn Andrii Bereznyi, sehr herzlich in unserer Mitte willkommen heißen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.09.09

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Botschafter! Der erste Punkt des Ent­schließungsantrages ist bereits obsolet. Julija Timoschenko ist in der Zwischenzeit behandelt worden. Der Antrag liegt aber auch schon länger, das muss man auch sagen.

Was den Antrag betrifft, muss man grundsätzlich – und Sie wissen, ich habe mich auch im Ausschuss schon sehr kritisch dazu geäußert – einmal beleuchten, wer eigentlich diese Person Julija Timoschenko ist, wo jetzt ganz Europa in heller Aufregung ist, die


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 107

EM boykottieren will und viele, auch österreichische Politiker beschlossen haben, dort nicht hinzufahren. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Auf jeden Fall ist Julija Timoschenko eine widersprüchliche Persönlichkeit, und 3sat schreibt in seiner Printausgabe: Julia Timoschenko ging „jeden Schritt in ihrer wechsel­haften Politkarriere“  Entschuldigung, ich habe ein bisschen einen Frosch im Hals (Bundesrat Mayer: Ja, das glaube ich!)  „berechnend und mit hohem Risiko.“

Ich sage, Julija Timoschenko wurde in einer Demokratie gewählt, aber eben auch wieder abgewählt, und nach ihrer Abwahl ist ihr ja auch vorgeworfen worden, öffentliche Gelder veruntreut zu haben  also nicht ganz das Unschuldslamm, als das sie jetzt hingestellt wird, und nicht die Lichtgestalt, auf die wir uns zu konzentrieren haben.

Die Medien schreiben: „Nach dem Verlust ihres Regierungsamts wurden gegen Timoschenko – wie auch gegen Mitglieder ihres Kabinetts  mehrere Strafverfahren eingeleitet. Ab Mai 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft erneut wegen des alten Verdachts, sie habe im Jahr 2003 versucht, Richter des Obersten Gerichtshofs der Ukraine zu bestechen. Ein zweites Verfahren wurde nach Veröffentlichung eines Berichts von US-amerikanischen Anwaltsfirmen“  also nicht irgendein finsterer ukraini­scher Richter, der ihr Böses will  „eingeleitet. Sie hatten die zweite Regierungszeit Timoschenkos untersucht“  also diese Anwaltsfirmen  „und Hinweise auf den Missbrauch öffentlicher Gelder, Betrug und Geldwäsche durch Beamte, mehrere Ministerien und private Unternehmen festgehalten.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte in drei Angelegenheiten:

1. die zweckfremde Verwendung von Einnahmen aus dem Handel mit Kohlendioxid-Rechten,

2. der Kauf von Rettungswagen zu überhöhten Preisen,

3. Amtsmissbrauch bei der Aushandlung von Verträgen über die Lieferung von Erdgas mit Russland.“

Die „FAZ“ behandelt dieses Thema ebenfalls und nimmt auch Bezug darauf, dass Berichte aus Amerika vorliegen, die von keinem Geringeren als Kenneth L. Wainstein unterschrieben sind, dem späteren stellvertretenden Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten. Da schreibt sie unter anderem:

nach dem Zerfall der Sowjetunion im Schutz gewendeter   Nomenklatura-Seil­schaften mit alerten, improvisierten Geschäften“ ist Julia Timoschenko „zuerst wohl­habend geworden, dann unermesslich reich. Gefördert vom stellvertretenden Minister­präsidenten und späteren Regierungschef Lasarenko“, der aus derselben Stadt kommt wie sie, „war die energische, gutaussehende Frau irgendwann auf eine Goldader gestoßen:

Als Präsidentin der ‚Vereinigten Energiesysteme der Ukraine‘ (EESU) hatte sie eine jener Zwischenhändlerpositionen erobert, die in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion bis heute so ergiebig sind wie die Lizenz zum Gelddrucken.“

Lasarenko ist dann mit einem falschen Pass, laut Medienberichten, nach Amerika geflohen, ist dort aber gleich verhaftet worden, weil er einen Teil der Schmiergelder, die ihm von seinen Schützlingen zugeflossen waren, über amerikanische Konten gewaschen hatte. Er sitzt in Amerika eine mehrjährige Haftstrafe wegen Korruption, Erpressung und anderen Delikten ab. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

49 Seiten ist dieses Konvolut der Amerikaner lang, und im Mai 2011 hat das Bundesgericht des Staates Oregon in der Stadt Portland ein Urteil gefällt, wonach in


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 108

den Staatshaushalt der Ukraine von besagtem Lasarenko 19 Millionen Dollar zurück­gezahlt werden müssen, die von der Regierung Julija Timoschenko für den Erwerb von medizinischen Präparaten zu erhöhten Preisen über eine Kette von Mittelsmännern aufgewendet wurden. Dagegen ist natürlich Berufung eingelegt worden, aber am 23. Mai bestätigte die Berufungsinstanz in den USA  ja, in den Vereinigten Staaten von Amerika!  das Urteil aus erster Instanz und lehnte damit die Forderungen der Verteidigung ab.

Da sind wir jetzt beim Punkt: Sie sind immer sehr schnell unterwegs, um mit dem moralischen Zeigefinger auf alle anderen zu zeigen und zu sagen, ihr dürft das so nicht machen, denn wir haben die Demokratie erfunden. Wir wissen genau, wie es geht, das müsst ihr machen, und zwar jetzt sofort und genau so, wie wir das machen!

Ich möchte nur daran erinnern, dass wir in Europa ziemlich lange gebraucht haben, bis wir zur heutigen Demokratie gekommen sind, wie sie sich heute uns und nach außen präsentiert. Das hat viel Blut und Tränen gekostet, das darf man auch nicht verschweigen; und auch wir sind heute nicht immer zufrieden mit unserem Zustand der Demokratie.

Ich brauche nur an die Korruptionsskandale der letzten Wochen oder Monate zu erinnern. (Bundesrat Mag. Klug: Graf!) Also auch bei uns ist ja nicht immer alles zum Besten. Daher glaube ich nicht, dass wir das Recht haben, den anderen immer zu sagen, wo es langgeht und wie sie es machen müssen. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir anderen Zeit geben die nicht auf so eine lange Tradition zurückblicken können, denn wir blicken ja jetzt auch schon auf über 60 Jahre zurück , sich zu entwickeln. Ja, man kann dabei helfen, aber ich würde doch eher sagen, nicht mit einem Boykott, sondern eher auf dem diplomatischen Weg.

Ich möchte noch kurz aus dem „FORMAT“ zitieren, Wirtschaftszeitung „FORMAT“  (Bundesrat Mag. Klug: Oh je!) Wieso „oh je“? Habt ihr etwas gegen das „FORMAT“?

„Land der Widersprüche“ (Bundesrat Mayer: Unglaublich!) ja, unglaublich, nicht, dass das „FORMAT“ schreibt „Land der Widersprüche“?!

„Politiker und Promis wollen die Fußball-EM boykottieren. Österreichische Unter­nehmer“  schade, dass die Kollegin Zwazl nicht mehr da ist (Rufe: Sie sitzt eh da!)  „halten das für falsch.“

Da sagt der Anwalt Johannes Trenkwalder, der in Kiew das Büro CMS Reich-Rohrwig Hainz leitet: „Die Rechtssicherheit ist nicht vergleichbar mit Mitteleuropa, aber mit anderen osteuropäischen Staaten ist sie sehr wohl vergleichbar.

Dann geht es weiter im Artikel:

„Es braucht Zeit. Die Ukraine habe in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, meint Wolfgang Kindl, der CEO der Uniqa International“  also das ist ja nicht gerade eine Pimperlfirma –. „‚Natürlich wird das Land sich noch weiterentwickeln – wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch. Aber dafür braucht es Zeit‘, sagt er. Aus der Sicht des Westens gehe es darum, diesen Transformationsprozess zu unterstützen. ‚Ein Boykott der Europameisterschaft ist hier der falsche Weg‘“.

Das sagen die Unternehmer, und Sie sind ja sonst bei anderen Staaten auch nicht so zimperlich. Es ist ja nicht so, dass die Empörung so gleichmäßig auf alle verteilt ist, wo immer etwas passiert. Wir errichten jetzt den Wahhabiten da ein wunderbares Zentrum, der saudische Großmufti will aber die Zerstörung aller christlichen Kirchen im arabischen Raum. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Und da weiß man aus Saudi-Arabien, dass Religionspolizisten und -wächter vom Staat toleriert werden, die die einheimi­schen, aber auch die ausländischen Christen drangsalieren, einsperren, gefangen


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 109

halten und so weiter. Wer regt sich auf?  Niemand! (Beifall bei FPÖ und Grünen.  Zwischenruf bei der SPÖ.)

Da ist niemand mit der Moralkeule da und sagt, das geht nicht. Nein! Und da ist der Vizekanzler und Außenminister mächtig stolz gewesen, dass wir jetzt dieses interreligiöse Kommunikationszentrum in Wien errichten. Das ist wirklich unglaublich.

Die „Presse“, die als einzige darüber geschrieben hat, schreibt:

„Wenn man die systematische Entrechtung der Christen in Saudi-Arabien, dem Iran oder Pakistan für einen bedrückenden ‚Normalzustand‘ nimmt, ist die Lage derzeit im Irak am schlimmsten. Der Irak gehört mittlerweile mit Afghanistan, Algerien und dem Nordsudan zu den Staaten, in denen sich die Situation der Christen in den letzten Jahren besonders dramatisch verschlechtert hat. Seit 2003 sind bereits zwei Drittel der seinerzeit mehr als eineinhalb Millionen Christen ausgewandert.“ (Bundesrat Mag. Klug: Entschließungsantrag! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

„In Nigeria hat mit der Einführung der Scharia in zwölf Bundesstaaten des Nordens eine Welle mörderischer Attacken gegen Christen eingesetzt  In rund 60 Staaten werden heute etwa 250 Millionen Christen wegen ihrer Religion verfolgt oder diskri­miniert. Die Verfolger sind nicht immer die Staaten unmittelbar, sondern oft religiöse Warlords und fanatische Gruppen wie in Nigeria oder im indischen Bundesstaat Orissa, wo es 2007 und 2008 zu großen Pogromen gegen Christen durch radikale Hindu-Fundamentalisten gekommen ist.“ (Ruf bei der SPÖ: Sie können ja einen Antrag einbringen! Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Niemand hat sich da aufgeregt. Da gab es keinen Entschließungsantrag, da gab es gar nichts. Das wird zur Kenntnis genommen. Das heißt, da wird nicht mit zweierlei Maß gemessen, da wird mit vielerlei Maß gemessen. Und für Sie sind halt die bösen Buben die, die Ihnen gerade aus irgendeinem Grund nicht in den Kram passen. (Bundesrat Mag. Klug: Und deshalb sind Sie dagegen?)

Ich bin der Meinung – und da halte ich es mit Helmut Schmidt, dem ehemaligen Bun­des­kanzler der Bundesrepublik Deutschland –, dass man sich tunlichst nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten einmischen sollte. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Die Ukraine ist keine Diktatur, sie ist eine Demokratie.  Sie stellen es ja so dar, als ob es eine Diktatur wäre. (Bundesrat Mag. Klug: Nein!) Sie ist, wie wir gehört haben, auf einem guten wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftspolitischen Weg. Und wenn Sie sich schon in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen wollen (Bundesrat Mag. Klug: Das tun wir ja nicht!), dann machen Sie es bitte nicht so selektiv, sondern dann machen Sie es bei allen gleich!

Das, so wie es hier geschieht, findet nicht unsere Zustimmung, und wir werden diesem Antrag auch aufgrund neuer Informationen, die wir in der Zwischenzeit bekommen haben (Bundesrat Mag. Klug: Die uns verschwiegen werden!), nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


15.20.21

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach den vielen Zitaten kehre ich wieder zurück zum Thema. Ich bin nicht der Richter, der über Julija Timoschenko zu urteilen hat, sondern ich überlasse es den Gerichten, den nachvollziehbaren Gerichtsurteilen.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 110

Die Ukraine ist auf dem Weg nach Europa und ist ein Zielland der europäischen Nachbarschaftspolitik. Selbstverständlich hat die Ukraine auch die ganze Finanz- und Wirtschaftskrise im Herbst 2008 schwer getroffen, wie viele andere Länder, und hat jetzt auch mit vielen Problemen zu kämpfen.

Österreich zählt zu den größten ausländischen Investoren in der Ukraine, das Gesamtvolumen beträgt ungefähr 3,6 Milliarden Dollar. Den Hauptanteil machen Lieferungen von Maschinen, Apparaten, elektronischen und mechanischen Geräten und vieles andere mehr aus.

Ebenso verzeichnen wir im Bereich der Importe einen Anteil von fast 55 Prozent. Wir beziehen Erz, wir beziehen Kohle. Derzeit sind zirka 250 Niederlassungen österreichi­scher Firmen in der Ukraine. Immer beliebter werden auch die Winterurlaube: Viele Ukrainerinnen und Ukrainer machen bei uns im Winter Urlaub.

Trotz all dieser positiven Werte erfüllt uns die Menschenrechtssituation doch mit Sorge. Für uns ist eine gerechte und nachvollziehbare Gerichtsbarkeit wichtig, und diese ist in einer Demokratie unabdingbar und unverzichtbar. Der Rechtsstaat hat viele tragende Säulen, eine davon ist die wichtige Gerichtsbarkeit.

Für uns ist es selbstverständlich, Meinungen öffentlich zu sagen, wenn uns etwas nicht passt, dies kundzutun, sei es in den Medien oder bei Demonstrationen. Vergessen wir aber nicht: Das ist nicht in allen Ländern so. Dort gibt es teilweise Verfolgung, Ein­sperren, Folterung und vieles andere mehr.

Regierung und Opposition sind für uns eine Selbstverständlichkeit. In anderen Ländern werden Oppositionelle verfolgt, da geht man mit denen ganz anders um.

Im Fall der Ex-Premierministerin Julija Timoschenko gibt es doch erhebliche Zweifel oder Unsicherheit, ob das ganze Verfahren so abgelaufen ist, wie wir es gewohnt sind, nämlich nach den Regeln der Rechtsstaatlichkeit, und im Besonderen gehört gefordert, dass Inhaftierte gesundheitlich betreut werden müssen. Auch in solchen Fällen sind die gesundheitliche Vorsorge und Betreuung unerlässlich und unverzichtbar. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Es darf keine zweifelhaften Methoden geben, sondern vielmehr eine gesundheitliche Sicherstellung. In besonderem Maße ist in diesem Fall die Europäische Union gefordert.

Auch die Anwesenheit des Herrn Botschafters, den ich hiermit herzlich begrüße, sehe ich als ein Zeichen der gewünschten Kooperation. Dank gebührt auch dem Außen­ministerium, Außenminister Dr. Spindelegger und seinem Team, die sich wie im Fall der Ukraine oder in vielen anderen Ländern für die Menschenrechte sehr stark einsetzen. Ich denke zum Beispiel an den Besuch des Dalai Lama vor kurzer Zeit und vieles andere mehr. Also auch in diesem Fall ist ein Dank abzustatten.

Ich darf abschließend darum ersuchen, diesem Entschließungsantrag die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

15.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


15.24.43

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Erlauben Sie mir eines gleich anfangs klarzustellen: Es geht bei der vorliegenden Entschließung der Bundesräte Kneifel, Klug, Dönmez, Kolleginnen und Kollegen betreffend der aktuellen Menschenrechtslage in der Ukraine überhaupt nicht um eine unangemessene Ein-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 111

mischung des österreichischen Bundesrates in die inneren Angelegenheiten der Ukraine, sondern es geht darum, dass es bei uns sehr wohl ein politisches Thema ist, ob von einem Land, das Mitglied des Europarates ist, menschenrechtliche Mindest­standards eingehalten werden oder nicht.

Darüber hinaus wird sich ein Land, das mit der Europäischen Union wichtige Verträge abschließen will beziehungsweise sich dieser auch annähern will, Fragen nach demo­kratiepolitischen und menschenrechtlichen Standards wohl gefallen lassen müssen und sollte zu diesem sachlichen Dialog über anstehende Probleme auch tatsächlich bereit sein.

Die Kritik am Vorgehen der Ukraine, insbesondere gegenüber der früheren Minister­präsidentin Julija Timoschenko, ist sehr breit gefächert. US-Außenministerin Hillary Clinton hat klar ihre kritische Position vorgebracht. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat festgestellt, dass die rechtsstaatliche Lage in der Ukraine Grund zur Sorge sei. Viele Spitzenpolitiker und ‑politikerinnen und Parlamente in Europa haben sich sehr kritisch zur Menschenrechtslage in der Ukraine geäußert, und selbst der Europarat hat eine Reihe von Mängeln in Bezug auf die Haftbedingungen in der Ukraine festgestellt. Anlässlich der Verurteilung von Julija Timoschenko hat übrigens der Generalsekretär des Europarates erklärt, dass in einer Demokratie die Beurteilung der politischen Entscheidungen dem Parlament oder den Wählern überlassen werden sollte und nicht den Gerichten.

Werte Kolleginnen und Kollegen, das Traurige an der Situation in der Ukraine ist, dass dieses Land schon auf dem besten Wege in Richtung einer funktionierenden Demo­kratie, von Menschenrechten und Bürgerrechten war. Es ist deshalb verständlich, dass die internationale Gemeinschaft und besonders die Organe der Europäischen Union, wie die Europäische Kommission, die Rückschläge der jüngeren Zeit nicht kommen­tarlos hinnehmen.

Es geht dabei nicht nur um Julija Timoschenko. Aber das Verhalten ihr gegenüber ist praktisch ein Gradmesser dafür, ob die Ukraine und deren Behörden bereit sind, internationale Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, einzuhalten oder nicht.

Natürlich geht es auch um Menschenrechte anderer Personen, anderer Inhaftierter, wie etwa des früheren Innenministers Luzenko, dessen Gesundheitszustand sich nach Meldungen von Berichterstattern der Parlamentarischen Versammlung des Europa­rates rapid verschlechterte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meines Erachtens sind die Zeiten vorbei, in denen sich Länder in Europa abschotten konnten und die Staatsführung sagt, wie wir unsere Bürger behandeln oder wie wir deren Menschenrechte einhalten, geht niemanden etwas an.

Es geht uns alle etwas an, ob in einem Mitgliedsland des Europarates grundlegende Menschenrechte eingehalten werden. Und so ist es auch richtig, wenn der Bundesrat heute den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten auffor­dert, sich einerseits auf europäischer Ebene für gemeinsame außenpolitische Maß­nahmen, für eine rasche Reform und für ein unabhängiges Justizsystem in der Ukraine einzusetzen und sich andererseits bilateral umgehend für eine entsprechende medi­zinische Versorgung Julija Timoschenkos stark zu machen.

Es ist zu hoffen, dass der Vertreter der Ukraine in diesem Dialog und nach diesem Dialog die richtigen Schritte setzt. Denn die Ukraine ist ein wichtiges Land in Europa, und seine Bürgerinnen und Bürger haben es sich verdient, die gleichen Rechte wie


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 112

andere Europäer auch zu haben. – Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.30.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Es freut mich, dass mein letzter Redebeitrag sozusagen zu diesem heutigen Diskussionspunkt ge­führt hat. Ich habe diesen Stein ins Rollen gebracht und habe auch Argumente angeführt. Aber man lernt dazu.

Ich habe in der Diskussion mit Parteikollegen, ‑kolleginnen und mit Außenstehenden Folgendes dazugelernt. Ich habe bei meiner letzten Antrittsrede, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich erinnern, eingefordert, dass es ein sichtbares Zeichen wäre, würde die Fußball-EM boykottiert, würde man durch Abwesenheit glänzen. Ich bin mittlerweile eines Besseren belehrt worden und sehe es mittlerweile so, dass es gut wäre, wenn von der Merkel abwärts alle dieses Land besuchten und mit den Regierungsvertretern, ‑vertreterinnen den Dialog in Menschenrechtsbelangen suchten und auch mit den NGOs, die in diesem Bereich tätig sind.

Die Abwesenheit wäre ein sichtbares Symbol, eine Art Protestruf und würde eines bewirken, dass das Unverständnis seitens der Ukraine, glaube ich, größer würde und dass letztendlich beim Weg in Richtung westlicher Werte und Einstellungen die Türe etwas zugehen und wahrscheinlich gegen Russland eher weiter aufgehen würde. Und ich glaube, das ist nicht in unserem Interesse. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Faktum ist, dass es hier um mehrere Prozesse geht. Gestern waren es 300 Tage, dass Julija Timoschenko in Haft ist. Sie wurde vom Petschersky Bezirksgericht am 5. August 2011 verhaftet und ist seitdem inhaftiert. Um ihren Gesundheitszustand war es nicht gut bestellt.

Man muss aber auch eines erwähnen, Frau Timoschenko war jahrelang Ministerin und hätte es in ihrer Macht gehabt, auch die Haftbedingungen und die Rahmen­bedin­gungen zu verbessern, hat das allerdings in jener Zeit, in der sie doch ein sehr gewichtiges Amt innegehabt hat, nicht getan.

Und wenn hier von – die Kollegin Mühlwerth hat das gesagt, das möchte ich noch einmal herausstreichen – unterschiedlichem Maße gesprochen wird, dann kann ich dem ein bisschen beipflichten. Kollege Saller hat davon gesprochen, dass uns Sorgen bereitet, wie die Menschenrechte in den Gefangenenhäusern gehandhabt werden. Ja, das ist der Fall, aber, sehr geehrter Herr Botschafter, nicht nur in der Ukraine, sondern auch in anderen Ländern und auch in Österreich. Und ich habe in meiner vorher­gehenden Rede über die Schubhaftbedingungen im Polizeianhaltezentrum ge­sprochen, wo auch auf österreichischem Territorium jemand verletzt worden ist, dem dann Gliedmaßen amputiert werden mussten, wo auch Menschen in Schubhaft in Österreich umgekommen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Auch das ist eine Wirklichkeit, auch das gehört zu Österreich dazu. Wenn wir schon mit unterschied­lichem Maße messen, dann müssen wir auch selbstkritisch sein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Also es ist nicht nur ein Punkt, der die Ukraine betrifft, sondern auch bei uns gibt es Dinge, die verbesserungswürdig sind. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Dass ihr euch da jetzt aufregt, kann ich mir vorstellen. Das ist Faktum. Es sind auch Menschen in Österreich in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen, auch wenn man das nicht hören möchte.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 113

Dass Julija Timoschenko sicher keine Prinzessin und kein Unschuldslämmchen ist, steht, glaube ich, auch außer Zweifel. Sie stammt aus einem sehr einflussreichen Clan, dem Dnipropetrowsk-Clan, der gute Beziehungen zur Gazprom-Führung unterhielt. Später wurde der frühere ukrainische Ministerpräsident Lasarenko in den USA wegen Geldwäsche und so weiter angeklagt. Timoschenko war also jahrelang Teil eines korrupten Systems.

Der Aufstieg Timoschenkos weist damit Parallelen zu den Karrieren zahlreicher ande­rer Oligarchen innerhalb der Ex-Sowjetunion auf. Viele von ihnen zog es nach dem wirtschaftlichen Aufstieg in die Politik, meistens deswegen, um ihre eigenen Pfründe abzusichern.

Egal, wie das abläuft, nichtsdestotrotz darf niemandem, egal, ob es sich um eine ehemalige Spitzenpolitikerin handelt, ob es sich um Menschen, die in der Opposition tätig sind oder waren, um Journalisten und Journalistinnen oder um ganz normale Gefangene handelt, medizinische Versorgung, egal, in welchem Land, vorenthalten werden. Unrecht bleibt Unrecht, egal, von wem und gegen wen ausgeführt. Und das müssen wir in aller Klarheit auch in freundschaftlicher Weise zur Sprache bringen. – Danke vielmals. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum, Schreuder und Michalke.)

15.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


15.35.54

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich darf mich doch auf einige ganz besondere Redebeiträge kurz beziehen. Frau Kollegin Mühlwerth, sozu­sagen vom Saulus zum Paulus im Ausschuss oder von der Sauline zur Pauline viel­leicht auch, wenn man das so nennen möchte. (Heiterkeit.)

Frau Kollegin Monika Mühlwerth meldet sich im Ausschuss zu Wort und stimmt zu, dass man diesen Entschließungsantrag einstimmig annimmt. Dann geht sie zwei Tage später hier her und hält ein Lamento von den USA bis tiefst hinunter Nigeria und so weiter, an den Haaren herbeigezogen. Ärger geht es also wirklich nicht mehr, Frau Kollegin Mühlwerth.

Ich muss dann schon in aller Deutlichkeit anmerken, die Ukraine bewegt sich in der derzeitigen Situation weg von Europa und auch weg von der EU, weil dort demo­kratische, rechtsstaatliche Prinzipien praktisch völlig außer Acht gelassen werden. Sogar Kollegin Merkel hat gesagt, dass die Ukraine keine Demokratie mehr ist. Da muss man nach Bewertung all dieser Fakten sagen, eine couragierte Frau und sie hat wahrscheinlich recht.

Der Europarat wurde heute hier schon vom Kollegen Klug zitiert. Dieser hat sich mehrmals mit der Sache auseinandergesetzt und Resolutionen verfasst. Der Europarat ist doch die Institution für Menschenrechte in Europa, wo die Ukraine auch Mitglied war und wo die Ukraine bis November den Vorsitz hatte. Das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen. Der Ukraine fehlen nicht nur in diesem Verfahren, speziell Timo­schenko, sondern allgemein wesentliche rechtsstaatliche Elemente, ein unabhängiges, faires Gerichtsverfahren. Und das ist ganz ein wesentlicher Punkt, dass diese Ver­fahren auch in einer fairen Art und Form ausgeprägt sind, dass man Inhaftierten, Eingesperrten auch den entsprechenden Schutz gewährt und dass man sie auch entsprechend gesundheitlich betreut.

Da geht es jetzt nicht nur um den Fall Timoschenko, sondern auch um andere, die auch dokumentiert sind, die man heute hier schon gehört hat, die zum Teil auch ohne


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Verfahren inhaftiert sind, weil dort einfach Menschenrechte, Mindeststandards, die in Europa üblich sind, auch von allen Mitgliedstaaten des Europarates anerkannt werden, nicht eingehalten werden. Und darum geht es, Frau Kollegin.

Präsident Viktor Janukowitsch hat sich in seiner Rede im Oktober 2011 – Kollege Schennach und ich haben dem zugehört, weil es da auch zu massiven Zwischenrufen kam – eine Stunde lang über das Demokratiebestreben und die Demokratie in der Ukraine ausgelassen und gesagt, was dort alles vor sich geht und was dort gemacht wird. Die Redner haben dann das Ganze natürlich entsprechend auseinandergebaut. Der Europarat hat sich eine Stunde lang – viele haben dann gesagt, das war eine skandalöse Rede – mit dem auseinandersetzen müssen. Und viele Europarats­mit­glieder sind inzwischen soweit, dass sie auch schon sagen, die Ukraine gehört auf Grund dieser Situation suspendiert. Das ist an und für sich eine wilde Anschuldigung. Die kommt nicht von ungefähr.

Es ist auch richtig, dass wir die Europameisterschaft jetzt für diese Zwecke nutzen – nicht dass wir sie absagen, das ist falsch; wir werden mit dem Sport nicht Politik machen; das ist ein ganz falscher Bereich, den wir nicht unterstützen möchten –, aber das ist vielleicht auf Jahre hinaus die einzige Möglichkeit, eine Plattform zu finden, um das demokratische System wieder zurückzubringen. Und das ist das Problem, das wir heute hier zu behandeln haben.

Herr Kollege Dönmez! Abschließend muss ich noch sagen: Es ist blamabel – blamabel für einen Bundesrat –, wenn man österreichische Verhältnisse, die österreichische Rechtsstaatlichkeit, die österreichische Demokratie, die österreichischen Gefängnisse mit einem Staat wie der Ukraine vergleicht; blamabel, Herr Kollege Dönmez, in aller Form. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Aus Sicht meiner Tätigkeit als Europarat und Bundesrat kann ich diese Entschließung, die zurückhaltend formuliert ist, nur vollinhaltlich unterstützen (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez) – aber auch jede Unterstützung für die Ukraine, wenn sie sich zu einem demokratischen Rechtsstaat zurückbewegt, und so schaut es aus, Herr Kollege Dönmez. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.41.18

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, man sollte wieder ein bisschen vom Gas runtergehen. Es ist so eine Debatte immer sehr unangenehm, vor allem wenn sich hier manche Vertreter des Bundesrates aufspielen als jene, die offenbar die Wahrheit gepachtet haben und die offenbar von hier aus feststellen können, ob ein rechtsstaatliches Verfahren in der Ukraine den allgemeinen Anforderungen entspricht oder nicht.

Wahrscheinlich haben Sie Ihre Informationen aus den Zeitungen – aus vielen Zeitun­gen, keine Frage –, das Problem ist nur, manchmal schreiben  (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Warum unterbrechen Sie mich schon wieder? Warum unterbrechen Sie mich schon wieder? Sie haben schon wieder überhaupt kein Benehmen, Herr Kollege. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Ja, das kommt aus der richtigen Ecke! Zwei Monate da und zwei Ordnungsrufe !) – Unterbrechen Sie mich nicht! Hören Sie zu! Hören Sie doch zu! Hören Sie doch zu!


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 115

Ich versuche gerade darzustellen – und ich versuche, es recht nüchtern darzustellen –, warum es der Republik Österreich eigentlich nicht gut ansteht, da Ratschläge zu erteilen. Ich darf daran erinnern, im Jahr 2000 hat es ebenfalls Sanktionen gegen die Republik Österreich gegeben, auf bilateraler Ebene, einfach weil eine Regierung gewählt wurde, die von manchen Teilen Europas nicht gewünscht wurde.

Es geht auch in diesem Fall darum. Es geht doch nicht um Menschenrechte, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es geht um Schürfrechte, es geht um nichts ande­res. (Bundesrat Mag. Klug: Bei Ihnen! Bei Ihnen geht es um Schürfrechte!) 5 Prozent des weltweit jährlich produzierten Eisenerzes kommen aus der Ukraine, und da hat man natürlich ganz gerne eine Regierung, die vielleicht sehr angenehm ist und mit der man leichter zusammenarbeiten kann, nicht?

Ich habe es jetzt vom Kollegen Edgar Mayer gehört – und mache das jetzt nicht sehr emotional –: Sie orientieren sich in Ihren Ausführungen dahin gehend, was die Bundeskanzlerin Merkel gesagt hat. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist Ihr gutes Recht, und die Frau Merkel ist ja durchaus eine wesentliche Politikerin in Europa, aber Sie müssen natürlich auch zur Kenntnis nehmen, dass die Frau Merkel extrem an Amerika, atlantisch orientiert ist.

Gerade wenn wir uns aus dieser politischen Ecke Ratschläge erteilen lassen, dann schauen wir uns doch bitte auch die Menschenrechtssituation in den Vereinigten Staaten von Amerika an! Wie schaut es denn dort aus? – Stichwort Guantánamo. Herr Präsident Obama hat im Zuge seines Wahlkampfes versprochen, Guantánamo zu schließen. Und, ist es geschlossen worden? Wo ist die Resolution?

Was ich nicht verstehe – und das wollte ich eigentlich zum Ausdruck bringen, bevor ich unterbrochen wurde –: Wir haben jetzt mehrere Redebeiträge gehört, und eigentlich wollte ich mich zu den Ausführungen von Herrn Dönmez zu Wort melden, weil mir eigentlich sehr gut gefallen hat, was er gesagt hat, denn das war einer der wenigen Beiträge im Zuge dieser Debatte, der auch differenziert hat.

Es ist falsch, mit aufgelegten Sanktionen – und seien sie nur verbaler Art – auf so eine Entwicklung zu reagieren, denn: Wie wird denn ein Volk in Europa darauf reagieren, wenn man von außen sagt: Das, was ihr da macht, ist schlecht, das ist böse, und das wollen wir überhaupt nicht? Ja was machen die Menschen dann? – Sie ziehen sich zurück und sagen: Na gut, also wenn man uns nicht will, aufdrängen werden wir uns auch nicht.

Darum finde ich den Ansatz auch richtig, zu sagen, diese ganzen Boykottaufrufe bezüglich der Ukraine sind absolut falsch. So etwas soll nicht sein, solche Sachen sollten wir in Europa wirklich überwunden haben. Ob das jetzt eine Regierung ist, die mir zu Gesicht steht oder die mir nicht zu Gesicht steht, das ist ja überhaupt nicht die Frage. Faktum ist, sie ist demokratisch gewählt, sie ist demokratisch legitimiert, und nur die Ukrainer selbst haben im Prinzip das Recht, über diese Regierung abzu­stimmen und zu sagen, die wollen wir oder die wollen wir nicht.

Die Frau Timoschenko, die bei Gott kein Unschuldslamm ist – und das hat Herr Kollege Dönmez ja auch klargelegt –, wurde eben einmal abgewählt, und es gibt durchaus ernst zu nehmende Vorwürfe, die gegen sie erhoben wurden und die ja auch nicht von der Hand zu weisen sind. Die werden im Übrigen auch von der internationalen Völkergemeinschaft gar nicht bestritten. Sie wurden nicht bestritten. (Bundesrat Mag. Klug: Weil sie damit nichts zu tun haben! Weil sie nichts zu tun haben damit!) – Na ja, selbstverständlich haben wir etwas damit zu tun (Bundesrat Mag. Klug:  bei Ihnen geht’s um Schürfrechte!), sonst würden wir uns ja heute nicht damit beschäftigen – selbstverständlich, ja.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 116

Ich darf Sie daran erinnern, dass ein gewisser Herr Pawel Lasarenko – er war einmal Geschäftspartner von der Gasprinzessin – seit dem Jahr 2004 in den Vereinigten Staaten von Amerika wegen Geldwäsche in Haft sitzt. Wenn wir uns die Vorwürfe anschauen, die im Anklageentwurf gestanden sind, dann sehen wir, dass die sehr ähnlich waren. Das heißt, es ist ein ähnliches System dahinter.

Wenn Sie hier heute vorwerfen – in einer veralteten Resolution –, dass die Frau Timoschenko keine medizinische Grundversorgung bekommt, dann stimmt das ganz einfach nicht, weil das Gegenteil der Fall ist. Das heißt, jeder, der hier heute für diese Resolution stimmt, stimmt Punkten zu, die überhaupt nicht mehr auf der Tagesordnung stehen.

Ich würde mir wirklich wünschen, da einen Nachdenkprozess zu starten, statt vom Bundesrat aus den pädagogischen Zeigefinger zu erheben und zu sagen: Das wollen wir, das wollen wir nicht. Versuchen wir doch den Dialog! Das wäre doch das viel schönere Signal, das viel schönere Signal auch in Richtung Ukraine: den Dialog anzubieten und zu sagen, wir wollen reden.

Ich finde es sehr, sehr schade, dass der Botschafter hier kein Rederecht hat. Es würde mich nämlich persönlich viel mehr interessieren, was der Botschafter zu dieser Situ­ation zu sagen hat, als das, wie irgendwelche vorgefertigten Parteimeinungen dazu lauten. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ. – Unruhe im Saal.)

Ich wäre eigentlich schon zum Schluss gekommen, leider Gottes ist der Lärmpegel hier im Raum allerdings mittlerweile sehr hoch. (Bundesrat Mag. Klug: Das liegt am Inhalt!) Die Vorsitzende kümmert sich auch nicht unbedingt darum, dass der Lärmpegel vielleicht ein bisschen runtergeht. (Bundesrat Mag. Klug: Das liegt am Inhalt!) – Ja, das mag sein, dass es am Inhalt liegt.

Dass Ihnen das nicht gefällt, Herr Klug, das weiß ich schon. Wissen Sie, Ihre Zwi­schenrufe – sie sollen vielleicht lustig sein, oder sie sollen mich aus dem Konzept bringen. Es funktioniert nicht. Mich bringen Sie sicher nicht aus dem Konzept. Das schaffen Sie nicht. (Bundesrat Mag. Klug: Aber es ist gerade wieder gelungen!) Sie können mich auch nicht beleidigen. Es ist völlig irrelevant. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich ersuche wirklich, dass wir den Weg des Dialogs gehen, nicht den Weg gehen, dass wir Resolutionen verabschieden, den pädagogischen Zeigefinger hier erheben, in der zweiten Kammer der Republik, die von vielen Menschen, selbst in Österreich, ohnehin nicht ernstgenommen wird – das muss man nämlich auch einmal so offen sagen –, sondern klar und deutlich sagen: Wir wollen den Dialog, und wir wollen, bitte schön, dass die demokratische Entwicklung in der Ukraine weiter einen guten Verlauf nimmt. Zu sagen, die Ukraine sei nicht demokratisch, das ist schlicht und ergreifend falsch; es ist eine Anmaßung und es ist dreist, und wir lehnen das deshalb ab. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

15.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zum zweiten Mal hat sich Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.48.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Botschafter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, sehr ge­ehr­ter Herr Botschafter, auch in diesem Haus geht es sehr emotional zu, und ich muss ehrlich sagen, ich bin jetzt ein bisschen wütend. Kollege Edgar Mayer, nach deinem Beitrag möchte oder muss ich dich oder euch, denn der Applaus ist ja von der rechten Seite des Bundesratssaales gekommen, aus dem ÖVP-Sektor, wieder an eure christlich-sozialen Wurzeln erinnern.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 117

Auf einem Auge einen Balken, auf dem anderen einen Dorn – so hat sich das angehört nach diesem Redebeitrag. Was ich hier gesagt habe, sind keine Erfindungen, das sind Fakten, Fakten, die man mit Recherche untermauern kann: 1. Mai 1999: Marcus Omofuma in Polizeigewahrsam verstorben (Ruf bei der SPÖ: Effi, was ist denn ?); 3. Mai 2000: nigerianischer Häftling Richard Ibekwe verstorben; 3. August 2002: Schub­häftling verstorben, Hernalser Gürtel; 22. Februar 2005: Algerier in Schubhaft verstorben; 13. August 2005: wieder zwei Todesfälle; 4. Oktober 2005: 18-jähriger afrikanischer Schubhäftling verstorben (Zwischenruf des Bundesrates Ertl); 7. April 2006: Bakary J. wird in Polizeigewahrsam zusammengeschlagen, weil eine Abschie­bung nicht funktioniert hat; 25. Dezember 2006: im Linzer Polizeianhalte­zentrum ist ein nordafrikanischer Asylwerber verstorben; 14. September 2009: indi­scher Schubhäftling verstorben.

Also: Was ich hier gesagt habe, sind keine Erfindungen, auch bei uns gibt es Miss­stände. Und wenn wir schon von Österreich aus mit dem Zeigefinger in andere Länder deuten, dann sollten wir auch bei uns hinschauen und nicht mit zweierlei Maß messen. Das war der Redebeitrag. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

15.50


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ:  und jetzt weiß er von nichts!)

 


15.50.17

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich habe mich jetzt doch kurz zu Wort gemeldet, nicht nur weil ich Mitglied des Monitoring-Komitees des Europarates bin, sondern weil ich die letzten beiden Redebeiträge nicht so als Schluss dieser Debatte stehenlassen möchte.

Kollege Effi Dönmez, ich verstehe dich nicht. (Ruf bei der SPÖ: Ich auch nicht!) Es gibt Fehlleistungen von Beamten und es gibt einen Rechtsstaat, in dem Beamte dafür auch zur Verantwortung gezogen werden. Das ist etwas anderes, als wenn ein politisches Regime, eine politische Regierung zu einer Politjustiz auffordert und ein System imple­mentiert. Das ist etwas anderes.

Wir haben heute zum Beispiel nicht umsonst ein rechtsstaatliches Mittel gehabt, nämlich die Diskussion des Volksanwaltschaftsberichtes, der die Missstände, etwa im Inneren – das übrigens gleich viele Beschwerden hat wie das Kapitel Soziales –, auf den Tisch gelegt hat. Da funktioniert ja der Überblick im eigenen Staat.

Zum Redebeitrag davor: Es gibt in einem Punkt keine Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, und da geht es um Menschenrechte. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Jeder Staat, der Mitglied der UNO ist, verpflichtet sich dazu. Die Durchsetzung der Menschenrechte zum Mindeststandard, die UN-Konvention gegen die Kinderarbeit, die UN-Konvention zum Schutz von Behinderten – zum Beispiel; ich nenne hier nur einige –, das sind alles gemeinsame Standards, und diese Standards erlauben es in einer Völkerfamilie, sich einzumischen, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

Wir können auch sagen, wir mischen uns nicht ein, wenn es Kinderprostitution in Thailand gibt. – Nein, wir mischen uns ein, und wir haben zum ersten Mal die Situation, dass bei einer Tat, die in Thailand verübt wird, der Täter hier in Österreich zur Ver­antwortung gezogen werden kann. Aber es gibt auch umgekehrt die Einmischung, und bei Menschenrechten hört sich das auf.

Jawohl, wir mischen uns ein, denn wir mischen uns auch jetzt ein. Und Boykott ist nichts Schlechtes. Ich bin aufgewachsen mit dem Südafrika-Boykott, dem Boykott


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 118

gegen das Apartheidregime, eines menschenverachtenden Regimes, das Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe ausgegrenzt und um alle bürgerlichen und demokratischen Rechte gebracht hat. Die Vertreter des Schwarzen Afrikas haben gesagt: Wenn ihr unsere Früchte nicht mehr kauft, dann trifft uns das hart, aber schlimmer ist, dass dieses Regime uns jedes Recht nimmt, nämlich auch das Recht vor dem Gericht.

Oder: Wenn wir jetzt sagen, wir boykottieren Syrien – kein Handel mit Syrien –, so ist das eine Einmischung, um ein Morden in Syrien zu unterbinden. Natürlich folgt immer und immer wieder auch die Dialogebene, aber man muss Maßnahmen setzen und man muss zeigen (Zwischenrufe bei der FPÖ), wenn man Menschenrechte durchsetzen will, dass man dazu auch Instrumente hat, und deshalb ist das eine ganz andere Ebene.

Und nun kommen wir zur Ukraine: Im Monitoring-Ausschuss der EU steht die Ukraine schon länger hinsichtlich der demokratischen Entwicklung (Zwischenruf der Bun­desrätin Michalke) und hinsichtlich der Menschenrechtslage unter Beobachtung. Das Prinzip im Europarat ist, dass sowohl Vertreter der Opposition als auch Vertreter der Regierung zu Wort kommen. Und das ist der Unterschied – weil Sie dem Kollegen Mayer vorgeworfen haben, er habe das in der Zeitung gelesen –: Wir selbst partizi­pieren an den Dialogen, die dort stattfinden. Und da wird eine Fact-Finding-Mission hingeschickt, da wird ein Report erstellt, und er wird verschärft werden, was die Ukraine betrifft.

Deshalb soll man jetzt nicht so tun, die Lage der Christen im Irak sei in einem Antrag zu behandeln; jetzt geht es darum, dass es in einem europäischen Partnerland eine Situation gibt, die demokratiepolitisch unbefriedigend ist, und es ist eine Schande, wenn eine nachfolgende Regierung nichts sagt.

Das gilt auch für Ungarn. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn die ungarische Regierung sagt: Wir stellen alle Minister der vorhergehenden Regierung vor Gericht!, dann ist das genauso eine politische Einflussnahme. Aber: Es gilt nicht, hier einen Wald- und Wiesenantrag einzubringen.

Sie, die jetzt alle gerufen haben, Sie können beim nächsten Plenum mitstimmen, wenn es um die Solidarität mit den palästinensischen Abgeordneten, die unverschuldet in Verwaltungshaft in Israel sind, geht. Das wird hier in diesem Plenum bei der nächsten Debatte ein Antrag sein. Aber gehen wir doch Stück für Stück! Und heute geht es um die bedenkliche Entwicklung in der Ukraine! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­räten von ÖVP und Grünen.)

15.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


15.56.01

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist schon einmal eine gute Nachricht. Wir als Bundesrat entsenden ja auch Mitglieder in den Europarat, in die Parlamentarische Versammlung des Europarates, und wir haben jetzt erlebt, was Kollege Mayer zu sagen hat und was Kollege Schennach zu sagen hat.

Diese Kollegen, die uns im Europarat vertreten, wissen aus ihrer politischen Arbeit auf­grund der vielen Kontakte, die sie dort haben, wie schwierig es ist und welch schwie­riger Prozess es ist, sich für Menschenrechte einzusetzen. Das ist eine ganz hehre, wichtige Aufgabe, und es gibt mir ein gutes Gefühl, dass wir da jetzt zwei Vertreter reden gehört haben, auch wenn man nicht jede Meinung teilt. Ich teile nicht einmal jede Auffassung des Kollegen Mayer, jene des Stefan Schennach schon gar nicht (Heiter-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 119

keit), aber was mich einfach freut – und das ist es, was es braucht –, ist, dass das Herz voll bei der Sache ist, wenn es um die Frage der Menschenrechte geht.

Jetzt zurück zur zweiten Kammer: Wenn wir als zweite Kammer in Österreich hier eine Entschließung verabschieden, dann wissen wir natürlich, dass davon nicht die ganze Erde scheppert. Ich glaube, das ist uns schon bewusst. (Heiterkeit.) Aber gerade wenn man zum Beispiel die Tätigkeit in der Parlamentarischen Versammlung des Euro­parates betrachtet, dann weiß man, dass es eben oft ein Bohren von dicken Brettern ist, wo man eben auch sehr hartnäckig dranbleiben muss, um bei diesem Thema nachhaltig etwas zu verändern.

Ich möchte fast sagen, es hat mich ein bisschen amüsiert, das ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber es hat mich schon ein bisschen gewundert, wie heftig eine Debatte zu einem Thema sein kann, zu dem wir eigentlich eine gemeinsame Entschließung gehabt haben. Wir haben damit begonnen, dass wir gesagt haben, da gibt es ein Thema. Ich weiß, offen gesagt, gar nicht mehr – ich habe versucht, das jetzt kurz zu recherchieren, weil ich es gar nicht mehr gewusst habe –, ob das Gottfried Kneifel war, der als Erster die Idee gehabt hat, oder ob du es warst, Kollege Effi Dönmez. Ich wusste es gar nicht mehr, ich weiß es auch jetzt nicht. Ich glaube, es ist auch unerheblich. Am Ende des Tages hatten wir gemeinsam eine Entschließung, und dann hatten wir da jetzt eine kontroversielle Diskussion – auch fein.

Ich möchte aber zum Abschluss einfach noch eines betonen, und zwar in Richtung des Kollegen Efgani Dönmez: Ja, ich teile die Meinung des Kollegen Mayer und finde diesen Vergleich Österreichs mit der Ukraine falsch, und ich sage auch, warum. Es macht ja einen Unterschied, ob man sozusagen von einer langjährigen, über Jahr­zehnte entwickelten Demokratie wie Österreich spricht. Die Fälle, die dann aufgezählt werden – natürlich gibt es auch bei uns Sünden, aber dem Anspruch wird ja kein noch so demokratisches Land gerecht, dass es dann mit den handelnden Personen auch noch sündenfrei agiert. Aber hier geht es ja um das System, und im System ist es einfach in der Ukraine gegenwärtig offensichtlich anders.

Und deswegen möchte ich eigentlich nur zu diesem Thema sprechen.

Und weil du dann hergehst und sagst, wir sollen nicht auf andere mit dem Finger zeigen, möchte ich betonen, es ist schon richtig, dass, wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt, in diesem Moment immer drei Finger in die eigene Richtung zurück­zeigen. Nur möchte ich in diesem Fall schon daran erinnern, dass du selber es warst, der auf diesen Antrag draufgegangen ist. Und dann erregst du dich hier am Rednerpult darüber, dass es einen Antrag gibt?! – Das ist schon ein bisschen eine Steigerung. (Bundesrat Dönmez: Wortmeldung vom Kollegen Mayer!)

Nur damit wir am Ende der Debatte wissen, wovon wir jetzt die letzte halbe Stunde oder Stunde gesprochen haben, möchte ich die Entschließung noch einmal vorlesen, denn ich glaube, das ist jetzt eigentlich untergegangen, wie stark unsere Einmischung ist, die wir hier jetzt beschließen werden:

„Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird aufgefordert“ – und jetzt kommen wir zum Thema der Einmischung –, „sich bilateral umgehend für eine entsprechende, medizinische Versorgung von Julija Timoschenko einzusetzen“ (Zwischenrufe bei der FPÖ) – na, sind wir aufgeregt? – „und sich auch auf EU-Ebene für gemeinsame, außenpolitische Maßnahmen für eine rasche Reform für ein unabhängiges Justizsystem einzusetzen“. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ist das eine starke Einmischung?

So, das wollte ich nur zum Thema Temperatur runterfahren, zur Beruhigung sagen. Das sind die zwei Sätze, die in dieser Entschließung enthalten sind, die wir jetzt – mög-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 120

licherweise mit Mehrheit statt mit Einstimmigkeit – zur Beschlussfassung bringen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


16.01.41

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Inhaltlich haben wir uns jetzt bemüht, eine breite Debatte abzuhalten. Insofern möchte ich an Inhaltlichem jetzt auch nichts mehr anbringen. Da ich aber vom Kollegen Jenewein persönlich angesprochen wurde, möchte ich schon eines ganz klar festhalten:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt mir bei der politischen Debatte und bei meinen Debattenbeiträgen im Bundesrat seit Beginn – und da darf ich jetzt sagen: seit 2005 – fern, auch nur eine einzige Kollegin oder einen einzigen Kollegen beleidigen zu wollen. Seit 2005!

Und daher betrifft das auch alle Kolleginnen und alle Kollegen von der freiheitlichen Fraktion. Es liegt mir auch fern, von Ihnen jemanden beleidigen zu wollen. Insofern lasse ich mir das auch nicht vorwerfen.

Zum Zweiten, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn jemand in der politischen Debatte und in der politischen Selbsteinschätzung zu diesem jetzt breit diskutierten Thema für sich persönlich feststellt, dass es bei diesem Thema nicht um Menschenrechte, sondern um Schürfrechte geht, dann gibt es einen zweiten guten Grund, warum ich Sie, Herr Kollege Jenewein, ganz sicher nicht beleidigen möchte. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Jenewein: Das können Sie auch nicht!)

16.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


16.03.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht mir nur einfach darum, weil das jetzt schon das dritte Mal erwähnt worden ist: Ich glaube, ihr habt den Effi Dönmez einfach falsch verstanden.

Ich habe ihn von Haus aus so verstanden: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, dann sollte man gleichzeitig auch auf sich selber schauen. – Und dass es auch in Österreich Fälle gibt, das zeigt sich etwa daran – und das hat er auch erwähnt –, dass wir heute hier einen Volksanwaltschaftsbericht diskutiert haben, der auch einen Teil umfasst, in dem über Menschenrechtsprobleme geschrieben wird.

Mein Kollege Dönmez hat nie behauptet, dass man Österreich und die Ukraine gleich­setzen kann. Das würde er nie machen, und dessen sind wir uns schon bewusst. Daher bitte das auch zu akzeptieren, dass man, wenn man auf andere zeigt oder wenn man bei anderen etwas kritisiert, vielleicht gleichzeitig auch darüber nachdenken soll, wie es bei einem selber daheim aussieht. – Danke. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Zwazl.)

16.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nun nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 121

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der Annahme der Ent­schließung betreffend die aktuelle Menschenrechtslage in der Ukraine ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Die gegen­ständliche Entschließung ist somit angenommen. (E 236-BR/2012.)

16.05.1110. Punkt

Petition betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska (31/PET-BR/2012 sowie 8740/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Bitte um den Bericht.

 


16.05.23

Berichterstatter Christian Füller: Bericht über die Petition betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska:

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Am 29. Mai 2012 hat der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


16.06.04

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um einer Diskussion, wie wir sie gerade gehabt haben, gleich vorweg den Wind aus den Segeln zu nehmen, möchte ich den Text der Petition vorlesen – es ist ein sehr kurzer Text –, damit klar ist, worum es hier gegangen ist:

„Kinderlärm ist Zukunftsmusik

Ich trete mit meiner Unterschrift für eine Gesetzesinitiative ein, mit welcher Klagen gegen Kinderlärm erschwert werden sollen.

Kinderfreundlichkeit und Toleranz gegenüber Kindern muss ein öffentliches Anliegen sein und von allen mitgetragen werden.

Es muss auch in Österreich erschwert werden, mit dem Argument „die Kinder sind zu laut“ vor Gericht zu ziehen und damit die Errichtung von Kindergärten oder Spielplät­zen zu verhindern.

Denn unsere Kinder sind unsere Zukunft!“

Diese Petition beziehungsweise die Unterschriften zu dieser Petition wurden Anfang dieses Jahres abgegeben. Es wurden zirka 2 000 Unterschriften innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums gesammelt.

Ich möchte es hier jetzt noch einmal unterstreichen, weil ich diese Petition wirklich für wichtig halte: Es gibt natürlich viele, viele verschiedene Anlässe für diese Petition. Der konkrete Anlass, warum ich diese Petition gestellt habe, ist, dass in meinem Heimat-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 122

bundesland, im Burgenland, in einer Gemeinde meines Heimatbezirks Mattersburg, in Forchtenstein, ein Kindergarten einen Zubau bekommen hat, die Anrainer sich be­schwert haben und dieser Kindergarten jetzt eine Lärmschutzwand um den Kinder­garten aufstellen muss, eine Lärmschutzwand, die nicht ganz 2 Meter hoch und 4 Meter lang ist. Und das kann uns in ganz Österreich passieren, weil wir es bis jetzt versäumt haben, entsprechende Regelungen zu treffen.

Diese Regelungen im Hinblick darauf, dass Kinder mehr Toleranz brauchen, gilt es nicht nur auf Bundesebene zu treffen, sondern das gehört auch auf Landesebene und natürlich auch in Gemeinden geregelt. Es gibt Ballspielverbote, wo Kinder in einem Hof nicht mehr mit dem Ball spielen dürfen, weil es zu laut ist. In den Baurechten, wie ich es vorhin gerade erwähnt habe, spielt auch das eine Rolle.

Ich glaube daher, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass wir hier ein Zeichen setzen, dass Österreich ein kinderfreundliches Land ist – und nicht, dass in Österreich, so wie es zurzeit der Fall ist, Lärm mit Lärm gleichgesetzt wird, nämlich Baumaschinenlärm mit Kinderlärm.

Ich habe hier eine Lärmmessung, eine Emissionsgrenzwertmessung. (Die Rednerin verweist auf entsprechende Unterlagen.) Und zwar ist es so, dass die gesetzlichen Toleranzwerte unter den verschiedenen Lärmquellen zeigen, dass es hier ein krasses Missverhältnis gibt: Während ein 55 dB übersteigendes Lärmniveau von spielenden Kindern bestraft wird, wird ein Autolärm von 74 dB oder ein Motorradlärm von 80 dB toleriert. – Daher denke ich, dass wir hier sehr wohl einiges zu tun haben.

Es ist in Österreich anders als in Deutschland, wo dieses Gesetz schon beschlossen wurde. Unser OGH sagt, wir sollen den Kinderlärm tolerieren. – Das ist eine nette Vorgabe, ist sehr schön, dass er das macht, aber es ist keine gesetzliche Grundlage.

Ich glaube, dass wir diese aber brauchen. Unsere Gerichte sollen/dürfen/können/müs­sen sich nicht mehr mit Kinderlärm beschäftigen, sondern Kinderlärm soll wirklich das sein, was er ist: notwendig für die Entwicklung der Kinder. Wenn Kinder mit anderen Kindern spielen, Kinder lachen, Kinder miteinander auch toben, brauchen sie es für ihre Entwicklung, und daher sollte es in Österreich so sein, dass das auch möglich ist.

Wir haben in Österreich ein Bundesland, wo im Durchschnitt sieben Menschen am Tag dieses Bundesland verlassen und wegziehen. Meistens sind es junge Menschen, die von dort wegziehen. Meistens sind das Menschen, die wegziehen, weil dieses Bundesland nicht sehr kinderfreundlich und familienfreundlich ist.

Ich habe, als wir diese Initiative „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ gestartet haben, sehr, sehr viele Mails bekommen – manche mit Zustimmung, manche mit wüsten Beschimp­fungen. Eines dieser Mails mit wüsten Beschimpfungen kam aus diesem Bundesland, und darin wurde mir geschrieben, dass es keine Katastrophe sei, neben Kindern zu wohnen, sondern dass es die Hölle sei, neben Kindern zu wohnen. Und es bleibe einem nichts anderes übrig, wenn man wo eine Wohnung oder ein Haus habe, als das ganze Hab und Gut zu packen und diese Wohnung, dieses Haus zu verkaufen, wobei man dann aber 20 Prozent weniger von dem Wert bekomme, den man sich geschaffen habe – aber bei einem monatlichen Verdienst, so wie ich als Bundesrätin ihn hätte, wisse ich ja natürlich gar nicht, was das zu bedeuten habe, und ich könne so etwas ja wahrscheinlich leicht wegstecken, weil ich ja am Rande einer Stadt wohnen würde, in einer großen Villa und so weiter. – Von Vorurteilen triefend ist also dieses Mail aus der Stadt Klagenfurt, aus dem Bundesland, wo täglich sieben Menschen wegziehen, weil dieses Bundesland anscheinend in manchen Teilen kinder- und familienfeindlich agiert.


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 123

Ich denke mir, hier müssen wir wirklich ganz klare Zeichen setzen, hier müssen wir auch ganz klar zeigen: Nur im Wahljahr Hunderter zu verschenken hilft nichts, es sollte in Kärnten schon mehr für Kinder- und Familienfreundlichkeit getan werden.

Ich denke, hier sollten wir ganz klare Zeichen setzen, um gemeinsam mit den Kräften, die auch hier im Bundesrat wirklich etwas tun wollen, etwas zu verändern im Sinne unserer Kinder und für die Zukunft unserer Kinder. Und vielleicht gelingt es uns auch, hier in Österreich eine kinderfreundlichere Gesellschaft zu schaffen, sodass Kinder gut aufwachsen können, sich wohlfühlen und auch in ihrer Entwicklung toleriert werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


16.12.27

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken für die gute Diskussion, die wir über diese Petition geführt haben und im Zuge derer wir gemeinsam geprüft haben, überlegt haben, wie wir die seit geraumer Zeit in der Verfassung verankerten Kinderrechte auch in der Praxis, in der Realität lebbar und erfahrbar machen. Danke auch an die Experten – Dr. Filler, der vonseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend diese Diskussionen begleitet hat, ist heute auch hier anwesend.

Es gibt dabei zwei Aspekte, die auch die Frau Kollegin schon angesprochen hat, und zwar auf der einen Seite den verwaltungsrechtlichen, öffentlich-rechtlichen Aspekt, wo es unter anderem um Baubewilligungen geht und wo einige Bundesländer – vier, soweit ich mich an die Stellungnahmen richtig erinnere – schon den Schritt gegangen sind, dies in ihren Baubewilligungen und im Zuge der Verfahren zu thematisieren, und die Kinderlärm da nicht mehr als Verhandlungsgegenstand, wenn man so will, akzep­tieren. Da liegt es auch an uns, die wir ja in den entsprechenden Landtagsklubs eingebunden und in den Landtagen vertreten sind, das auch in jenen Bundesländern, wo es noch Handlungsbedarf gibt, anzusprechen.

Der zweite Aspekt ist der privatrechtliche Aspekt, wo es darum geht: Kann ich gegen Kinderlärm klagen, und werden diese Klagen Erfolg haben? Aus den Stellungnahmen entnehmen wir, dass OGH-Erkenntnisse zeigen, dass von einem Kinderspielplatz ausgehender Lärm zum Beispiel grundsätzlich nicht als Störung angesehen werden kann, der die Brauchbarkeit einer Wohnung vermindert. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass solche Klagen auch in Zukunft keinen Erfolg haben werden, oder gibt den Weg vor. Der OGH weist auch darauf hin, dass ein „verständiger Durchschnittsmensch“, wie es in der Rechtssprache so schön heißt, auf eine kinder- und jugendfreundliche Umgebung stets Bedacht zu nehmen hat.

Ich denke, das sollten wir uns heute zu diesem Zeitpunkt und bei diesem Verhand­lungsstand, wenn man so will, auch ins politische Stammbuch schreiben. Die Petition der Frau Kollegin Posch-Gruska hat ja das Ziel, dass derartige Klagen keine Aussicht auf Erfolg haben, dass es sie überhaupt nicht geben soll.

Was können wir alle beitragen? – Ich denke, und damit würde ich gerne schließen, wir alle können in unserem politischen, aber nicht nur im politischen, oft kommunal­politischen, sondern auch im persönlichen Wirkungsbereich darauf achten, dass es eben gegenseitiges Verständnis zwischen allen Generationen gibt, dass Menschen die Unterschiedlichkeit in den Bedürfnissen und letztlich auch im Leben von Jungen und Alten als Bereicherung wahrnehmen und dass ungerechtfertigte Anschuldigungen, die es da gibt, und auch eine ungerechtfertigte Überempfindlichkeit gar nicht erst ent­ste-


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 124

hen. Dann tragen wir aus meiner Sicht am meisten dazu bei – nicht nur wir, sondern hoffentlich auch alle, die uns heute von zu Hause aus zuschauen –, dass es solche Klagen in Zukunft nicht gibt, für die niemand Verständnis hat, der es mit Kindern ernst meint. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.15


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


16.15.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch zunächst einmal Kollegin Posch-Gruska dafür danken, dass sie die Petition eingebracht hat, dass wir wirklich zweimal sehr gute und spannende Diskussionen geführt haben. Ich glaube auch, dass der Bundesrat in diesem Fall ein sehr geeignetes Gremium ist, weil sehr viele GemeindepolitikerInnen unter uns sind, und wir haben im Ausschuss ja feststellt, beinahe in jeder Gemeinde hat man schon einmal etwas davon gehört: der Kinderspielplatz braucht einen Lärmschutzdamm, oder da gibt es eine Beschwerde gegen den Fußballplatz.

Es ist einfach so, dass diese Beschwerden immer mehr werden. Früher war das irgend­wie gang und gäbe, da gab es auch noch mehr Freiraum und mehr Platz für Kinder und Jugendliche. Das ist leider abhandengekommen. Jetzt hat man eben in der Stadt oft das Problem, dass manche Menschen sich sehr gestört fühlen. Ich hätte mir eigentlich schon gewünscht, dass es, wie wir es das letzte Mal besprochen haben, diesbezüglich zu einem Entschließungsantrag kommen wird, denn aus meiner Sicht besteht da schon ein großer Unterschied: Wenn es jetzt OGH-Urteile gibt, dann ist das gut und schön und recht, aber im Prinzip hat man trotzdem als Anrainer – und es gibt, wir wissen es alle, Menschen, die Vergnügen daran finden, lästig zu sein – noch immer das Recht zu klagen. Ich denke mir, es wäre schöner, wenn man das einfach aus dem Weg räumt und sagt, da besteht ein Unterschied, und diesen Unterschied kann man auch gesetzlich festschreiben.

Aber vielleicht gibt es ja noch weitere Verhandlungen und vielleicht reden wir ja doch noch einmal darüber, ob wir uns mehr trauen, als die Petition zu beschließen, und vielleicht doch noch einen Antrag für eine diesbezügliche Entschließung an die Bundesregierung einbringen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez sowie bei SPÖ und ÖVP.)

16.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


16.17.17

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Frau Kollegin Posch-Gruska, natürlich ist in Kärnten nicht alles grundsätzlich kinder- und jugendfeindlich. In meiner Gemeinde unternehmen wir alles, um Kinder zu fördern. Wir unternehmen alles, um Kindern Betreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, von einem Jahr bis zum Kinderhort, bis sie von der Schule weggehen. Wir unternehmen alles, um junge Familien in Straßburg, in meiner Gemeinde, anzusiedeln. Diese werden extra gefördert.

Kärnten kann weiters darauf verweisen, dass es hinsichtlich der Kinderbetreuung das erste Bundesland mit einer Gratis-Kindergartenbetreuung für das letzte Kindergarten­jahr war. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein, nein, wir sind da mit und bei. Wir brauchen uns da nichts vorwerfen zu lassen. Diese Einzelmeinung, die Sie da gebracht haben, die ist „lieb“ und „nett“, aber das gilt


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 125

sicher nicht für das gesamte Bundesland Kärnten, und diese Verallgemeinerung ist daher aus dieser Sicht schärfstens zurückzuweisen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über die Petition 31 betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Ausschuss­bericht zur gegenständlichen Petition zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständ­lichen Ausschussberichtes ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.18.55Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend eine Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zu verlesen, damit dieser entsprechende Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussausfertigung ermöglicht werden.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnung siehe Beilage/A.

Die Sitzung beginnt mit einer Aktuellen Stunde zum Thema „Modernes und reaktions­schnelles Österreichisches Bundesheer, weitere Reformschritte!“ (Bundesminister für Landesverteidigung und Sport).

Der Präsident gibt das Einlangen eines Schreibens des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, eines Schreibens der Bundesministerin für Finanzen bzw. von Schreiben des Bundesminis­teriums für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG sowie eines weiteren Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mit­gliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union bekannt.

Der Wortlaut dieser Schreiben wird als Mitteilung des Präsidenten des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 GO-BR dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung ange­schlossen.

Der Präsident gibt weiters das Einlangen von Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen sowie eines Schreiben des Bundeskanzlers betreffend verfassungsgemäße Vertretung des Herrn Bundespräsidenten und des Herrn Bundeskanzlers bzw. des Herrn Vizekanzlers bekannt.

Gegen den Vorschlag des Präsidenten, die Tagesordnungspunkte 6 und 7 unter einem zu verhandeln, wird kein Einwand erhoben.

TO-Punkt 1: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend eine Verwal­tungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (1618 d.B. und 1771 d.B. sowie 8730/BR d.B. und 8731/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll809. Sitzung / Seite 126

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

wird angenommen (mit Stimmeneinhelligkeit),

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates mit Stim­meneinhelligkeit (d.h. mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit) angenommen.

Es liegt ein schriftliches Verlangen von 5 Mitgliedern des Bundesrates gemäß § 64 Abs. 2 GO-BR auf Verlesung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesord­nungspunktes 1 vor (Beilage B).“

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

16.22.02Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2889/J-BR/2012 bis 2892/J-BR/2012, eingebracht wurden.

Darüber hinaus teile ich mit, dass die Bundesräte Mag. Muna Duzdar, Günther Köberl, Efgani Dönmez, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Entschließungs­an­trag 190/A(E)-BR/2012 betreffend die aktuelle Lage inhaftierter palästinensischer Abgeordneter eingebracht haben, der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 28. Juni 2012, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 26. Juni 2012, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

16.23.00Schluss der Sitzung: 16.23 Uhr

 

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