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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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813. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 4. Oktober 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

813. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 4. Oktober 2012: 9.01 – 14.22 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für europäische und internationale Angele­genheiten gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Staats­sekretärs

2. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2011 der Bundesregierung

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Nominierung eines ordentlichen Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ......................................................................................................... 29

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über die Änderung des Ab­kommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................................. 31

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen bezüglich die Überarbeitung der Vertragswerke anlässlich des XXV. Weltpostkongresses durch den Herrn Bun­despräsidenten ............................................................................................................... 32

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen Kulturerbes im Staats-


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 2

eigentum für Ausstellungen auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates durch den Herrn Bundespräsidenten ..... 34

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit durch den Herrn Bundes­präsi­denten ................ 36

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen über die Wälder in Europa durch den Herrn Bundespräsidenten .............. 38

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Nigeria über die Förderung und den Schutz von Investitionen durch den Herrn Bundespräsidenten ..................................... 40

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Amtssitz des König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog durch den Herrn Bundespräsidenten ........... 42

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Aktuelle Stunde (16.)

Thema: „Etappenziele und nächste Schritte in der Bildungsreform“ .................... 7

Redner/Rednerinnen:

Christian Füller ....................................................................................................... ....... 7

Franz Wenger .......................................................................................................... ....... 9

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 12

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................  15, 26

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 18

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ..... 20

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ..... 23

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 25

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Enthebung des Staatssekretärs Dr. Wolfgang Waldner vom Amt sowie Ernennung von Herrn Dr. Reinhold Lopatka zum Staatssekretär im Bundesministerium für euro­päische und internationale Angelegenheiten durch den Bundespräsidenten              ............................................................................................................................... 29

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 44

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 28


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler Werner Faymann betreffend Inseratenkeiler Werner Faymann (2919/J-BR/2012) ................................... 78

Begründung: Hans-Jörg Jenewein .............................................................................. 78

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 82

Debatte:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 85

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 89

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 91

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 93

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 96

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 98

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für europäische und internationale Ange­legenheiten gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Staatssekretärs ........................ 45

Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 45

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ...................... 45

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 48

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 50

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 52

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 54

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 56

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ................................................................... ..... 58

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 63

2. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2011 der Bundesregierung (III-470-BR/2012 d.B. sowie 8791/BR d.B.) ................................................................................................................. 64

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch ...................................................................... 64

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 65

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 66

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ..... 69

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 71

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 74

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ................................................................... ..... 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-470-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 78

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Sicherheitsdirektor vom Burgenland (2902/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 4

Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend schikanöses Verhalten eines Polizeioffiziers des Stadtpolizeikommandos Schwechat (2903/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend staatsanwaltschaftliche Interpretation bei den Ermittlungsansätzen in der Causa Kampusch (2904/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die geplante Schließung des Bezirksgerichtes Landeck (2905/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Aufruf zur Besetzung des Parlaments (2906/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend: Sommerzeit ist Urlaubszeit ist Einbruchszeit (2907/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­ver­teidigung und Sport betreffend: Spindelegger stellt Battle Group in Frage (2908/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Katastropheneinsatz in der Steiermark (2909/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Inseratenaffäre und Verfahren gegen Staatssekretär Ostermayer (2910/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Flüchtlingsstrom aus Syrien (2911/J-BR/2012)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend PKK-Angriff auf türkische Fluggesellschaft in Wien am 27. Juli 2012 (2912/J-BR/2012)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Auseinanderreißen der Familie K. durch Abschiebung (2913/J-BR/2012)

Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Haftungen und Haftungsobergrenzen (2914/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend EU-Flughafenpaket – lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen (2915/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Grundwasserbelastung in Korneuburg mit Thalmethoxam und Clopyralid (2916/J-BR/2012)

Dr. Angelika Winzig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Neubau des Bahnhofes Attnang-Puchheim (2917/J-BR/2012)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einhaltung der Medienvielfalt und Pressefreiheit in Österreich (2918/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inseratenkeiler Werner Faymann (2919/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 5

Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Förderungen für den ASKÖ Landesverband Salzburg (2920/J-BR/2012)

Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend Förderungen für den ASKÖ Landesverband Salzburg (2921/J-BR/2012)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Verlängerung der derzeit geltenden Schwellenwerte-Verordnung (2922/J-BR/2012)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Bundesräte

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend PKK-Angriff auf türkische Fluggesellschaft in Wien am 27. Juli 2012 (2912/J-BR/2012) (Zu 2912/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Brand im Polizeianhaltezentrum Hernals (2680/AB-BR/2012 zu 2891/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Juliane Lugsteiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen (2681/AB-BR/2012 zu 2892/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen des Schweizer Steuerabkommens auf Österreich (2682/AB-BR/2012 zu 2893/J-BR/2012)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Problematik Hochwasserschutz Hagenbach, St. Andrä-Wördern (2683/AB-BR/2012 zu 2895/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Problematik Hochwasserschutz Hagenbach, St. Andrä-Wördern (2684/AB-BR/2012 zu 2894/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen betreffend Razzia in Deutschland gegen das rechtsextremis­tische Internet-Forum „Thiazi.net“ (2685/AB-BR/2012 zu 2896/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen betreffend Razzia in Deutschland gegen das rechtsextre­mistische Internet-Forum „Thiazi.net“ (2686/AB-BR/2012 zu 2897/J-BR/2012)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kollegin­nen und Kollegen betreffend: ORF-Journalist als KP-Agent mit österreichischen Steuergeldern bezahlt (2687/AB-BR/2012 zu 2898/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ORF-Journalist als KP-Agent mit österreichischen Steuergeldern bezahlt (2688/AB-BR/2012 zu 2899/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 6

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ladendiebstähle (2689/AB-BR/2012 zu 2901/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verhinderung von Schockrechnungen der Telekomunternehmen im Grenzgebiet zur Schweiz (2690/AB-BR/2012 zu 2900/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend staatsanwaltschaftliche Interpretation bei den Ermittlungsansätzen in der Causa Kampusch (2691/AB-BR/2012 zu 2904/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherheitsdirektor vom Burgenland (2692/AB-BR/2012 zu 2902/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen betreffend schikanöses Verhalten eines Polizeioffiziers des Stadtpolizeikommandos Schwechat (2693/AB-BR/2012 zu 2903/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Schließung des Bezirksgerichtes Landeck (2694/AB-BR/2012 zu 2905/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufruf zur Besetzung des Parlaments (2695/AB-BR/2012 zu 2906/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Sommerzeit ist Urlaubszeit ist Ein­bruchs­zeit (2696/AB-BR/2012 zu 2907/J-BR/2012)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Spindelegger stellt Battle Group in Frage (2697/AB-BR/2012 zu 2908/J-BR/2012)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Katastropheneinsatz in der Steiermark (2698/AB-BR/2012 zu 2909/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inseratenaffäre und Verfahren gegen Staats­sekretär Ostermayer (2699/AB-BR/2012 zu 2910/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Flüchtlingsstrom aus Syrien (2700/AB-BR/2012 zu 2911/J-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 7

09.01.27 Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich eröffne die 813. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 812. Sitzung des Bundesrates vom 19. Juli 2012 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Hermann Brückl, Efgani Dönmez, Elisabeth Greiderer, Monika Kemperle, Mag. Susanne Kurz, Stefan Schen­nach und Walter Temmel.

*****

Gemäß § 59 Abs. 8 der Geschäftsordnung gebe ich bekannt, dass Herr Bundesrat Efgani Dönmez seine an die Bundesministerin für Inneres gerichtete Anfrage mit der Nummer 2912/J-BR zurückgezogen hat.

09.02.18Aktuelle Stunde

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:

„Etappenziele und nächste Schritte in der Bildungsreform“

Ich darf dazu die Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner, eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt eine Rednerin, ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je eine Rednerin, ein Redner der Frak­tionen mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Füller. Ich erteile es ihm und mache ihn darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte sehr.

 


9.03.26

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde mit unserer Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied trägt die Bezeichnung „Etappenziele und nächste Schritte in der Bildungsreform“. Ich gehe davon aus, dass es sich da nicht nur um Etappenziele, sondern vielmehr um viele einzelne Quantensprünge in der Bildungspolitik handelt, zumal es in vielen Fragen hierzu immer wieder große Widerstände seitens der Ge­werk­schafterinnen und Gewerkschafter der Lehrerinnen und Lehrer, des Koalitions­partners gegeben hat oder auch die Interessen der Bundesländer zu überwinden gegolten hat.

Welche sogenannten Etappenziele wurden in den letzten vier Jahren erreicht bezie­hungsweise für welche Neuerungen wurde bereits der Grundstein gelegt?


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 8

Erstens: der Ausbau qualitativer Kinderbetreuung, den ich hier ansprechen möchte. Der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze geht Schritt für Schritt voran. Bis Anfang 2015 werden insgesamt 55 Millionen € für den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungs­einrichtungen zur Verfügung gestellt. Jedes Jahr können damit etwa 5 000 Plätze für unsere Kinder zusätzlich bereitgestellt werden. Der Schwerpunkt hierbei liegt bei der Betreuung der unter Dreijährigen. Zusätzlich wird auch die Förderung in Zukunft an die Öffnungszeiten gekoppelt. Das bedeutet, dass sich bis dahin die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen auf 47 Wochen im Jahr ausweiten werden.

Zweitens: die Neue Mittelschule als Regelschule. Die Einführung der Neuen Mittel­schule ist der erste Schritt für eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen. Bis zum Schuljahr 2018/19 werden alle vier Klassen aller rund 1 200 Hauptschul­standorte in die Neuen Mittelschulen umgewandelt. Das verbessert die Bildungs­chancen von rund 240 000 jungen Menschen, das sind rund 70 Prozent der 10- bis 14-Jährigen.

Als weiteren Punkt möchte ich die Reduzierung der KlassenschülerInnenhöchstzahlen und den zusätzlichen Kleingruppenunterricht ansprechen. Die Senkung der Höchstzahl auf maximal 25 wurde in allen Klassen der Hauptschulen, der Volksschulen, der Neuen Mittelschulen, der Polytechnischen Schulen, Sonderschulen und AHS-Unterstufen erfolgreich umgesetzt. Über 725 000 Schülerinnen und Schüler werden davon profitie­ren.

Als vierten Punkt möchte ich den Ausbau der Sprachförderung, der Deutschförder­kurse und des muttersprachlichen Unterrichts thematisieren. Die Deutschförderkurse für außerordentliche Schüler wurden verlängert und auch auf die AHS-Unterstufe ausgeweitet. Auch der muttersprachliche Unterricht wird weiterhin gefördert werden.

Fünftens: der Ausbau der ganztägigen Schulformen. Für den Ausbau von qualitativ hochwertigen ganztägigen Schulangeboten werden bis 2014 jährlich 80 Millionen €, also insgesamt 320 Millionen € österreichweit investiert. Damit wird das ganztägige Schulangebot im Pflichtschulbereich stufenweise von 120 000 auf 200 000 Plätze ausgeweitet.

Sechstens: mehr Qualität durch Bildungsstandards. Der Bildungsstandard, also der Qualitätscheck für den Unterricht, wird ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung an den Schulen sein und ist mittlerweile auch gesetzlich fixiert.

Nächster Punkt: Lehre mit Matura. Diese Maßnahme gibt Jugendlichen die Möglichkeit, parallel zur Lehre kostenlos die Matura zu absolvieren.

Weiter geht es mit der Reform der Oberstufe: mehr Leistung und mehr Förderung. Die Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schulen und der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen wird durch die Einführung eines Kurssystems in Modulform refor­miert.

Bei der Oberstufe Neu stehen individuelle Lernbegleitung und Fördermaßnahmen im Zentrum. Die semesterweise Lehrstoffverteilung fördert die schrittweise und kontinuier­liche Leistungserbringung der Schülerinnen und Schüler und bereitet sie besser auf die universitäre Ausbildung vor.

Neuntens: das kostenlose Nachholen von Bildungsabschlüssen, das Chancengerech­tigkeit fördern wird. Dieser Bereich – der mir, ich habe das hier schon mehrmals gesagt, persönlich sehr am Herzen liegt – schafft auch die Möglichkeit des kostenlosen Nachholens von Pflichtschulabschlüssen und der Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich der Basisbildung ab 2012, mehr Chancengleichheit und fördert den Zugang zu lebensbegleitendem Lernen. Dadurch werden sich auch für die Betrof­fenen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich verbessern. Bund und Länder


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 9

haben dafür gemeinsam 45 Millionen € bereitgestellt. Dafür möchte ich auch in dieser Runde hier im Bundesrat noch einmal Danke sagen.

Beim zehnten Punkt geht es um – erst kürzlich haben wir darüber diskutiert – das altersadäquate Nachholen des Pflichtschulabschlusses und die Modularisierung der Abendschule. Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet und keinen Pflichtschulab­schluss im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht erreicht haben, wird nun die Mög­lichkeit geboten, diesen in einer altersadäquaten Form nachzuholen. Das ist enorm wichtig, denn der Pflichtschulabschluss ist die Grundvoraussetzung für den Einstieg in den Beruf, für das berufliche Fortkommen und den weiterführenden Schulbesuch. Das neue Modell zeichnet sich durch eine erwachsenengerechte und zielgruppenorientierte Ausgestaltung der Prüfungsgebiete und der Kompetenzanforderungen aus.

Ein weiterer Punkt: die Matura Neu mit der Einführung der kompetenzorientierten und standardisierten Reife- und Diplomprüfung. Die neue Matura wird für höchste Qualität an Österreichs Schulen und für mehr Vergleichbarkeit und Transparenz sorgen. Auch die Pädagoginnen und Pädagogen sind vor möglichen ungerechtfertigten Vorwürfen, bezüglich Beurteilung oder Vergabe des Prüfungsstoffes gegenüber einzelnen Schülerinnen und Schülern ungerecht gehandelt zu haben, geschützt.

Als weiterer Punkt ist auch besonders wichtig – und ich habe das ja auch selbst in meiner Region erleben dürfen, wir stehen nämlich jetzt sozusagen kurz vor der Eröff­nung der neuen Bundeshandelsakademie und des Bundesgymnasiums und Bundes­realgymnasiums, beides mittlerweile toll umgesetzte Neubauten und Sanierungen –: Allein in den Jahren 2009 und 2010 investierte die SPÖ-geführte Bundesregierung 600 Millionen € in den Neubau und die Sanierung von Bundesschulen. Bis 2018 stehen für diese Bundesschulbauprojekte insgesamt 1,6 Milliarden € zur Verfügung. Die Vorteile: bessere Klassenzimmer, modernere Tagesbetreuungsplätze, bessere Lehrer­arbeits­plätze und mehr Sporteinrichtungen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Bundesministerin! Ich wollte mit dieser zugegebenermaßen nicht ganz kurzen Aufzählung daran erinnern, dass gerade im Bildungsbereich sehr viel weitergegangen ist, erreicht wurde und geschehen ist. Bestrebungen, hier weitere Schritte in die richtige Richtung zu setzen, unterstützen wir als SPÖ-Bundesratsfraktion sehr gerne, zumal sich ja auch jüngst Landeshauptleute der ÖVP positiv zur Gesamtschule und auch der Bildungssprecher der ÖVP, Werner Amon, positiv zur Ganztagsschule geäußert haben. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Tiefnig. – Bundesrat Mag. Klug: Passt schon, Christian! Nur so weiter!)

Ich gebe dir recht, ja, ich habe das jetzt verwechselt – aber kein Problem. Je mehr sich ÖVP-Landeshauptleute positiv zu den Bildungsreformen äußern, desto besser und desto schneller kommen wir an unser Ziel. Vielen Dank für die Aufklärung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind aber optimistisch – und das wollte ich noch ansprechen –, dass die Zeit dafür reif ist, diese Maßnahmen umzusetzen, weil alles dafür spricht. – Vielen Dank! Und danke schön noch einmal für die Berichtigung. (Beifall bei der SPÖ.)

9.11


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


9.11.34

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Der Vorredner hat ja wesentliche Etappenziele bereits erwähnt, und ich möchte anschließen, dass das österreichische Bildungssystem gute Voraussetzungen für eine positive Entwicklung des Landes bietet. Und ich glaube, dass in diesem Zu-


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sam­menhang auch einmal erwähnt werden soll, dass diese Entwicklung nur deshalb möglich ist, weil wir doch überwiegend sehr engagierte und motivierte Lehrerinnen und Lehrer haben. Und dafür auch einmal der dementsprechende Dank! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren teilweise grundlegend verändert. Wir sind sowohl mit Veränderungen konfrontiert, die Auswirkungen auf eine Vielzahl europäischer Länder haben, als auch mit Situationen, die nun in besonderer Weise für Österreich zutreffen. Das gilt auch für den Bildungs- und Schulbereich. Diese Veränderungen erfordern daher eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung unseres Schulsystems.

Bildungspolitik entscheidet, welche Chancen den Kindern, den Jugendlichen, aber auch den Erwachsenen geboten werden, wobei die bestmögliche Ausbildung für jeden das Ziel sein muss. Jeder Mensch hat unterschiedliche Anlagen, Begabungen oder Talente. Der Anspruch an ein gerechtes Bildungssystem ist daher, jeder und jedem das Angebot zur Verfügung zu stellen, das ihren und seinen Neigungen entspricht, jeder und jedem die Förderung, aber auch Herausforderung zu bieten, die er oder sie braucht. Es ist daher unerlässlich, die Bildungsdiskussion möglichst breit zu führen – also ein Bildungskonzept vom Kindergarten bis hin zur Erwachsenenbildung.

Trotz der bereits begonnenen Reform und der bereits umgesetzten Maßnahmen gibt es in Österreich zum Beispiel immer noch zirka 10 000 junge Menschen, die frühzeitige Bildungsabbrecher sind. Diesbezüglich sollte das Ende der neunten Schulstufe mit einem Bildungsabschluss verknüpft sein. Laut OECD-Bericht erreicht nur jeder vierte 25- bis 34-Jährige einen höheren Bildungsabschluss als die Eltern. Und als letztes Beispiel: Laut AMS haben zirka 50 Prozent der Arbeitslosen keinen Bildungsabschluss oder nun den einer Pflichtschule.

Dies sind mehr als ausreichend Gründe, sich mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden zu geben und die nächsten Schritte in der Bildungsreform umzusetzen. Diesbezüglich liegt ja ein umfangreiches Vorhabenspaket auf dem Tisch.

Als wesentliches Etappenziel wurde mit dem Schuljahr 2012/13 der Beginn der flächendeckenden Einführung der Neuen Mittelschule als Regelschule umgesetzt. Gemeinsamer Unterricht von Landes- und Bundeslehrern, offene Lernformen, Projekt­unterricht und möglichst viele Wahlfächer sind die Schwerpunkte der Neuen Mittel­schule.

Seit 2008 als Modellversuch geführt ist die Neue Mittelschule eine umfassend modernisierte und weiterentwickelte Hauptschule, die den Anforderungen der verstärk­ten Durchlässigkeit sowohl in Richtung AHS als auch in alle anderen weiterführenden Oberstufenformen wie berufsbildende mittlere und höhere Schulen und hin zur dualen Berufsausbildung in Richtung Lehre Rechnung trägt. Es wird nach den Grundsätzen der modernen Pädagogik Differenzierungsmöglichkeiten geben, die den Interessen, Begabungen und der Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler entsprechen.

Bis zum Schuljahr 2018/2019 werden alle Hauptschulen in Österreich in Neue Mittel­schulen umgewandelt. Die AHS bleibt von dieser Reform unangetastet und in ihrer bisherigen Ausprägung sowohl als Langform als auch als Oberstufenform erhalten. Damit bleibt das differenzierte Schulwesen auf der Sekundarstufe I voll erhalten. Man könnte also sagen: Die Mittelschule kommt, das Gymnasium bleibt.

Leider wurde in Salzburg die Möglichkeit des Schulversuches bei der Neuen Mittel­schule sehr spartanisch genützt. Und hier hätte ich, Frau Bundesministerin, die Frage, ob es einen mit Salzburg abgestimmten Umsetzungsplan bis 2018 gibt.


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Ein Thema beschäftigt uns Bürgermeister im Besonderen: Bei der Einführung der Neuen Mittelschule werden auch die Gemeinden als Schulerhalter gefordert. Eine Um­frage des Österreichischen Gemeindebundes hat ergeben, dass sich zum Teil beträchtliche Zusatzkosten ergeben. Viele Schulerhalter müssen das neue Schulge­bäude aufgrund der Tatsache adaptieren, dass die Neue Mittelschule Klassen auch in Kleingruppen vorsieht. Dadurch, dass zusätzliche Lehrer und Lehrerinnen unterrichten, sind auch die Konferenzzimmer zu erweitern. Durch den angestrebten Ausbau der ganztägigen Schulbetreuung fallen zudem zusätzliche Kosten für das Betreuungsper­sonal an.

In diesem Zusammenhang, Frau Bundesministerin, möchte ich an eine Veranstaltung in Wals zum Thema Betreuung bei ganztägigen Schulformen erinnern, sei es nun verschränkt oder getrennt. Wir haben damals nicht nur den Mangel an geeignetem Betreuungspersonal eingehend diskutiert, sondern vor allem auch, welche Qualifikation dieses Betreuungspersonal aufzuweisen hat.

Thema war auch das neue Berufsbild des Freizeitpädagogen. Dazu die Frage: Wann werden diese zur Verfügung stehen, und welche Mindestqualifikation hat das Betreu­ungspersonal der Gemeinden grundsätzlich aufzuweisen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bilanz dieser Gesetzgebung kann sich sehen lassen. Mein Vorredner hat bereits darauf verwiesen: Es wurde die Oberstufe neu gestaltet, die Tagesbetreuung ausgebaut – wesentlich dabei ist die Wahlfreiheit –, und immerhin werden zusätzlich 80 Millionen € mehr zur Verfügung gestellt. Der gemeinsame Einsatz unterschiedlicher Lehrer und Lehrerinnen an der Neuen Mittelschule und deren gemeinsame Fortbildung wird zwar als vorteilhaft angesehen, wirft aber auch Probleme auf – vor allem durch die unterschiedliche Entlohnung.

Ganz entscheidend werden daher die nächsten Schritte der Bildungsreform sein: das geplante neue Lehrerdienstrecht verbunden mit einem neuen Entlohnungsschema sowie die Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer, eine Verflachung der Einkommenskurve, höhere Einstiegsgehälter sowie dementsprechende Funktions­bezahlungen, zum Beispiel im Sinne des neu zu schaffenden mittleren Managements – also auch leistungsorientiert. Für besonders engagierte Pädagoginnen und Pädagogen soll es neben monetären Vorteilen attraktive Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten in einer modernen Schulstruktur geben.

Neben einem modernen, leistungsorientierten und bundesweit einheitlichen Lehrer­dienstrecht ist auch die Ausbildung von besonderer Bedeutung. Eine Lehrerbildung der Zukunft muss hohe fachwissenschaftliche Kompetenz vermitteln. In den letzten Jahr­zehnten ging der Trend in der Lehrerausbildung immer stärker in Richtung eines integrierten Modells von Fachausbildung, fachdidaktischer Ausbildung und Pädagogik. Erforderlich ist eine gleichwertige Ausbildung auf Masterniveau, die auf die unter­schied­lichen Aufgaben bestmöglich vorbereitet.

Die gestiegenen Anforderungen in einer veränderten Wissensgesellschaft an alle pädagogischen Berufe erfordern daher auch eine innovative und moderne Ausbildung aller Lehrenden. Eine nachhaltige Weiterentwicklung der bestehenden Aus-, Fort- und Weiterbildung hat einen wesentlichen bildungspolitischen Schwerpunkt einzunehmen.

Aufgrund der in den kommenden Jahren bevorstehenden Pensionierungswelle steuern wir auf einen Lehrermangel zu. Um dem zu begegnen, haben die Bereiche der Aus­bildung und des Dienstrechtes dementsprechende Priorität. Daher auch die Frage, Frau Bundesministerin: Wie ist in diesem Bereich der Stand der Verhandlungen?


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 12

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Bildungspolitik ist Chancenpolitik, und daher wird die ÖVP auch weiterhin einen gemeinsamen Weg unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.22


Präsident Georg Keuschnigg: Ich begrüße bei dieser Gelegenheit die Schülerinnen und Schüler und die sie begleitenden Lehrerinnen und Lehrer hier im österreichischen Bundesrat sehr herzlich!

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


9.22.43

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten! Etap­pen­ziele und nächste Schritte in der Bildungsreform: Es ist ja schon einiges von meinen Vorrednern gesagt worden. Der Kollege Füller hat die Etappenziele ja schon sehr ausführlich gebracht, unter anderem auch die Gesamtschule, das, was Sie als Neue Mittelschule bezeichnen. (Bundesrat Schreuder: Es ist keine Gesamtschule! Stimmt nicht!)

Der Kollege Füller hat es ein bisschen verräterisch gesagt: Sie sind umgewandelt worden. Das entspricht in etwa dem, was ich immer sage: Die Türschilder sind aus­getauscht worden, und man hat neue Ressourcen dazugewonnen, sprich mehr Geld in die Hand genommen und gesagt: Die Hauptschule ist jetzt die Neue Mittelschule. Jetzt ist die Frage: Was bringt das? Es gibt sie ja schon einige Zeit – auch wenn ich weiß, dass eine Umwandlung in der Schule immer mehrere Jahre dauert, bis diese greift, aber auch da könnte man vielleicht schon einige Erfolge sehen. Tut man das? – Nein.

Jeder fünfte Schüler hat Schwierigkeiten beim Lesen. Das heißt, er liest nicht nur holpernd, sondern er kann auch nicht sinnerfassend lesen. Jeder fünfte Schüler, also der, der nicht lesen kann, geht aber mit einem Sehr gut oder Gut in Deutsch nach Hause. 21 Prozent der Volksschüler sind Risikoschüler. Das wäre die Gesamtschule, die es gibt, seit sie besteht. Also wenn die Gesamtschule so toll wäre, dann würde das anders ausschauen. Sie wissen, wir sind mittlerweile ja die Einzigen, die noch immer vehement und aus gutem Grund dagegen auftreten, die ÖVP ist da mittlerweile schon sehr gespalten. 21 Prozent der Volksschüler sind Risikoschüler – 21 Prozent, das ist sehr viel!

In der vierten Klasse der Hauptschule und auch des Gymnasiums ist jeder Vierte ein Risikoschüler, aber immerhin kriegen 3 Prozent dieser Risikoschüler ein Sehr gut im Jahreszeugnis wir reden hier immer von Deutsch. 17 Prozent bekommen ein Gut, 41 Prozent ein Befriedigend, 37 Prozent ein Genügend, und lediglich 1 Prozent dieser Risikoschüler bekommt ein Nicht genügend.

Das sagt eine BIFIE-Studie, also quasi ein Institut des Unterrichtsministeriums, und nicht wir oder irgendeine Zeitung hat es behauptet, sondern die BIFIE-Studie hat diese Zahlen herausgegeben.

Jetzt wird natürlich sofort von einigen wieder der Ruf kommen, dann soll man halt die Noten abschaffen, wenn das alles so schlecht ist. Das hören wir ja auch nicht zum ersten Mal. Das würde das Problem nicht lösen, denn die Leseschwäche bleibt ja. So weiß man wenigstens, wo die Schüler stehen, und es ist nicht in irgendeinem Topf alles vermischt und keiner weiß etwas Genaues.

Es wird auch nichts nützen, was die Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl gefordert hat, nämlich Notenwahrheit. Ja, das wäre gut, Notenwahrheit zu haben, aber in Wien speziell, und da kann ich es am ehesten sagen, ist es kein Geheimnis, wenn zu viele


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Schüler ein Genügend oder gar ein Nicht genügend bekommen, dass der Direktor auf den Plan tritt und sagt: Das geht so nicht, da müssen wir etwas tun! Und jeder gestandene Lehrer weiß, was das heißt, nämlich die Note zu verbessern.

Dann gibt es natürlich auch noch die Kritik, dass die Eltern Druck ausüben. Das stimmt auch. Ja, ich weiß, dass Eltern auch Druck ausüben, vor allem auf die Volks­schullehrer, wenn es um die Nahtstelle geht, die bessere Note zu geben. Das muss man natürlich abstellen. Dazu wären zwei Dinge nötig, nämlich einerseits, dass die Lehrer standhaft bleiben, denn ich gehe einmal davon aus, dass sie wirklich nach bestem Können, Wissen und Gewissen die Note einigermaßen gerecht vergeben. Die totale Gerechtigkeit gibt es ohnehin nicht. Und es bräuchte auch eine Rückendeckung durch den Direktor und auch durch den Stadtschulrat, was nicht immer gegeben ist.

Bei der nächsten Regierung, das hat ja die SPÖ schon ausrichten lassen, ist die Gesamtschule eine Koalitionsbedingung. Da werden wir einmal schauen, wie das dann ausgeht erstens einmal wie die Wahl ausgeht und zweitens wie Koalitionsverhand­lungen ausgehen. Ich bleibe bei dem, was ich immer hier am Pult sage: Die Struktur­veränderung wird überhaupt nichts bringen.

Dieses Motto, die Gesamtschule kommt und alles wird gut, alle Probleme mit den Zuwandererkindern, die nicht Deutsch können, auch mit den problematischen öster­reichi­schen Kindern, die es ja auch gibt, die sozialen Unterschiede et cetera, das wird alles durch die Gesamtschule abgedeckt und gutgemacht, und dann haben wir überhaupt keine Probleme mehr, das stimmt nicht, und das weiß man von anderen Ländern auch. (Ruf bei der SPÖ: Das sagt niemand! Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Der Soziologe Bude, ein deutscher Soziologe, der ein Befürworter der Gesamtschule ist, hat das unlängst erst in einem Zeitungsinterview auch gesagt, dass das so nicht funktionieren wird.

Also was brauchen wir, zumindest unserer Meinung nach? Es sind die Ziele, die ja jetzt auch schon auf dem Tisch liegen, genannt worden. Ein neues Lehrerdienstrecht, ist schon gesagt worden: flachere Einstiegskurve, mehr Leistungsanreiz, auch mehr Mög­lichkeiten der Lehrer, sich irgendwo ein bisschen mehr zu positionieren, damit man etwas dazwischen hat, zwischen Lehrer-Sein und Direktor-Werden.

Auch die Forderung nach mehr Arbeitszeit in der Schule gibt es. Ja, da kann man darüber nachdenken, dass der Lehrer mehr Arbeitszeit in der Schule verbringen soll und muss, aber da sage ich schon: dann mit gut ausgestatteten Arbeitsplätzen. So wie das jetzt ist, kann das ganz sicherlich nicht sein. Dann könnte man, auch im Zuge der Bezahlung und dem Lehrerdienstrecht insgesamt, mehr darauf eingehen, was ein Lehrer an der Schule macht, wie unterschiedlich bewertet wird.

Ich werte jetzt nicht die Fächer, aber wenn jemand Deutsch und Englisch unterrichtet oder nur Deutsch unterrichtet und der andere Musik und Geografie oder Turnen und Geografie, ist der Arbeitsaufwand ein anderer – ohne dass ich jetzt sage, das eine ist eh unwichtig, wie das früher oft der Fall war, das sind die Nebenfächer, Zeichnen, Musik und Turnen, und die Hauptfächer sind Deutsch und Mathematik, Latein et cetera. Ich will es nicht werten, aber der Arbeitsaufwand ist ein anderer und gehört daher auch gewertet. Vielleicht kommt dann eine gewisse Bewegung in die Schule hinein, die ja nicht schaden kann.

Auch die Ferienregelung ist ein ewiger Quell der Kritik, meistens aus der Bevölkerung. Da wird gesagt, die Lehrer haben alle zu lange Ferien. Ich bin keine Lehrerin, aber da schlägt mein Herz wirklich für Lehrer. Es müssen wahrscheinlich nicht 13 Wochen im ganzen Jahr sein. Man könnte die letzte Woche vor Schulschluss und die erste Woche


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zu Schulbeginn wegstreichen, sie dafür nützen, die Wiederholungsprüfungen zu machen, Aufnahmeprüfungen zu machen, Konferenzen zu machen und so weiter.

Die restlichen elf Wochen, sage ich Ihnen ganz offen, gönne ich den Lehrern, weil ich glaube, dass sie sie wirklich nicht nur verdient, sondern auch nötig haben. Es ist nicht vergleichbar mit einem Büroalltag. Man muss das einmal gemacht haben, vor einer Klasse zu stehen. Die Kollegin Blatnik, die mir so aufmerksam zuhört, weiß sicher, wovon ich spreche. Es ist eine ständige Herausforderung. Das nimmt einen körperlich und psychisch her. Und wir wissen, wie viele Probleme es in den Ballungszentren gibt, mit den unterschiedlichsten Kindern. Also ich denke, dass man da den Lehrern schon eine Art Wertschätzung zeigen kann, indem man sagt, ihr habt euch eure Ferien verdient.

Dafür nehmen wir aber nur die besten Lehrer. Wir nehmen nicht nur die, die Lehrer werden wollen und eigentlich ungeeignet sind, wir nehmen die Besten, und dann lassen wir sie auch arbeiten, dann lassen wir sie ihren Job machen, und die Schüler machen sich die Dinge mit den Lehrern aus. Das hat sich immer bewährt. Einziger Einspruch ist, wenn ein Lehrer jetzt wirklich etwas Schlimmes macht, aber davon gehen wir ja jetzt nicht a priori aus.

Was sich aber für mich über alles drüberlegt, ist das Wichtigste überhaupt, und darüber wird zu wenig gesprochen: Wir müssen uns über den Begriff Bildung einig werden. Bildung ist nicht alleine die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler für den Arbeits­markt nach den Vorgaben der Wirtschaft. Man soll auch nicht am Markt vorbeibilden, aber es kann nicht sein, dass wir nur zielgerichtet auf das hin ausbilden, was die Wirtschaft uns gerade ausrichtet, was sie gerade braucht, morgen ist es wieder etwas anderes, sondern Bildung ist die Erziehung. Und zur Erziehung gehört auch  hat etwas mit „Ziehen“ zu tun , einen urteilsfähigen Menschen zu fördern. Dazu braucht es Kompetenzen. Dazu braucht es aber auch Wissen, was ja immer vernachlässigt wird. Wir reden immer nur von Kompetenzen, aber Wissen ist kaum noch als Begriff vorhanden. Es gehört aber auch Disziplin dazu, es gehört Leistungsbereitschaft dazu, und es gehört auch eine gewisse Anerkennung  und ich weiß, das ist ein Ausdruck, der sehr unbeliebt ist, weil er auch schon missbraucht wurde  von Autoritäten dazu.

Die Lehrer sollten eigentlich die Vorbilder für ihre Schüler sein. Ich sage Ihnen schon, wenn ich durch Wien gehe und Klassen treffe, muss ich mich manchmal anstrengen, um zu sehen, wo da eigentlich der Lehrer ist, denn der schaut genauso aus wie seine 16-jährigen Schüler. (Rufe bei der SPÖ: Na und?!) Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Die Schüler wollen keinen Lehrer, der so ausschaut wie sie. (Bundesrätin Grimling: Haben wir jetzt keine Junglehrer mehr? Nehmen wir nicht mehr auf?) Aber ein Junglehrer muss trotzdem nicht so ausschauen wie der 16-jährige Schüler und nicht unterscheidbar sein. Der kann sich ruhig ein bisschen abheben. (Bundesrat Schreuder:  Modevorschriften!) Nein, überhaupt nicht. Ich habe nicht gesagt, was er anziehen soll. Aber ich denke schon, dass sich ein Lehrer von seinen Schülern unterscheiden darf. (Unruhe im Saal.)

Ich glaube, dass wir uns darauf besinnen sollten, auf diese Kernsachen, die Struk­turdebatte weglassen sollen, weil wir da nicht einen Schritt weiterkommen. Ich glaube, wenn wir uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren, dann ist es völlig egal, in welcher Art der Schule, ob differenziert oder gesamt, sie umgesetzt werden. Wir sollen die Schüler fordern und fördern. Das habe ich immer gesagt. Da wäre schon viel gewonnen, und es kostet nichts – und das ist ja auch nicht so schlecht. (Beifall bei der FPÖ.)

9.34



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Präsident Georg Keuschnigg: Ich freue mich, den  (Ein Besucher betritt den Mittel­gang des Bundesratssaales und beginnt, Flugblätter mit der Aufschrift „Kein Jobverlust für Monika Steiner“ zu verteilen.) Das ist, glaube ich, nicht statthaft. (Unruhe im Saal. Der Besucher wird des Saales verwiesen.)

Die Ordnung ist wieder hergestellt. Wir fahren mit der Tagesordnung fort.

Ich freue mich, bei dieser Gelegenheit unseren langjährigen Kollegen Karl Boden, der mit zwei Schulklassen aus dem Waldviertel hier ist, herzlich begrüßen zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr mit der Bitte, die Redezeit von 10 Minuten zu beach­ten. – Bitte.

 


9.35.59

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Lehrerinnen und Lehrer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für die Einladung zur Aktuellen Stunde hier in den Bundesrat. Ich komme immer gerne zu Ihren Sitzungen, weil ich die Atmosphäre und den Umgang miteinander, auch die Form der Diskussion sehr schätze. Die Einladung zu dieser Aktuelle Stunde habe ich auch deshalb sehr, sehr gerne gerade jetzt angenommen, wo wir doch am Beginn des Schuljahres sind, weil das die Möglichkeit bietet, auch ein paar grundlegende Worte zur Bildungsreform zu sagen. Herr Bun-desrat Wenger, wenn Sie einverstanden sind, würde ich Ihre Detailfragen dann in meiner zweiten Wortmeldung beantworten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte meine Stellungnahme mit einem Zitat aus der Zeitung „Die Zeit“ beginnen. Dort stand geschrieben: „Wer das soziale Gefälle verkleinern will, muss in Bildung investieren.“

So wie das Herr Bundesrat Wenger auch formuliert hat, die Themenstellungen und Aufgaben „Gerechtigkeit“ und „Bildung“ hängen ganz eng zusammen. Ob jemand arm bleibt oder reich wird, sehr vereinfacht gesprochen, hängt sehr stark mit seiner Bildung und Ausbildung zusammen. Sehr einfach formuliert könnten wir auch sagen: Wer sich bildet, wer gut ausgebildet ist, dem geht es besser. Wer als Kind nichts gelernt hat, holt das später nur sehr schwer und mit sehr großen Mühen wieder auf.

Es ist auch ein Faktum, dass ungelernte Arbeitnehmer mit einfachen Arbeitsplätzen von Rationalisierungen in Unternehmen oft als Erste betroffen und dann oft besonders lang arbeitslos sind. Es gibt also die direkten Zusammenhänge zwischen Bildung und Ausbildung auf der einen Seite und Wohlstand auf der anderen Seite. Das betrifft jeden Einzelnen von uns, das betrifft uns aber auch als Gesellschaft.

Und um noch einen Zusammenhang herzustellen, den ich erst vor Kurzem auch in einer Studie gelesen habe: Mit steigender Bildung erhöht sich sogar die Lebens­erwartung. All das sind Zusammenhänge, die wir beachten sollten. Es steht daher für mich  und ich glaube, ich darf sagen, für uns  außer Zweifel, dass wir in Bildung und Ausbildung seitens der öffentlichen Hand investieren müssen, und ich schließe an: Wir müssen jede Investition auch mit Qualität und Innovation verbinden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Der österreichische Autor Alfred Komarek hat das vor Kurzem sehr gut, finde ich, formuliert, als er gefragt wurde, was wir denn unseren Kindern mit auf den Weg geben sollen. Da hat er geantwortet: Wir müssen unseren Kindern eine gute Bildung und Ausbildung geben und ein gesundes Selbstbewusstsein.


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Ich glaube, in diesem einen Satz ist alles sehr, sehr gut zusammengefasst, worauf es ankommt: Bildung, Ausbildung, beruflich orientiert, aber auch eine Ich-Stärke, eine persönliche Identität, eine Zivilcourage, einfach auch ein gesundes Selbstbewusstsein und auch so etwas wie Mut und Zuversicht, die Zukunft anzupacken.

Eines ist mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig, und ich möchte es einfach hier betonen: Alle Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die in Österreich leben, gehören zu unserem Land (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder), und alle Kinder – alle Kinder, ungeachtet ihrer Herkunft –, die jetzt unsere Schulen besuchen, bestimmen in 15, in 20 Jahren den Wohlstand unseres Landes, das soziale Klima in unserem Land, und auch die demokratiepolitische Qualität, die wir in Österreich haben. Wir dürfen daher kein einziges Kind in der Bildung und Ausbildung zurücklassen, wir können und dürfen es uns nicht leisten, auf Potenziale zu verzichten. Das ist für mich sowohl eine Frage der sozialen Verantwortung als auch eine Frage der ökonomischen Vernunft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist einfach Faktum, dass die Chancen für junge Menschen höchst unterschiedlich verteilt sind – Herkunft, sozialer Status, Aufmerksamkeit in der Familie, Einkommens­situation der Eltern. Jetzt würde es darauf ankommen, dass das öffentliche Schul­system, und da nehme ich jetzt auch gleich die Kindergärten als Bildungseinrichtungen mit dazu, dass also dieses öffentliche Bildungssystem diese unterschiedlichen familiä­ren Startbedingungen der jungen Menschen doch möglichst ausgleichen sollte. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich muss das als Unterrichtsministerin so deutlich sagen – schaffen wir derzeit mit unserem öffentlichen Schulsystem nicht.

Es ist, wenn man das Thema Gerechtigkeit ansprechen will, ungerecht, und die jüngst veröffentlichten OECD-Zahlen belegen das. Ich darf hier die Statistik bringen: Während in Österreich von 100, ich sage es jetzt vereinfacht, Akademikerkindern 66 die Matura und 41 den Universitätsabschluss schaffen, sind es von 100 Kindern, deren Eltern Pflichtschulabschluss haben – nur Pflichtschulabschluss haben – gerade 14, die die Matura schaffen, und fünf, die einen Universitätsabschluss schaffen.

Ich denke, die Chancen, die Interessen, die Begabungen, die Talente, die sind doch nicht so ungleich in der Gesellschaft verteilt! Ungleich verteilt sind die familiäre Herkunft, Einkommenssituationen und sind die Startbedingungen.

Wir müssen daher umfassend an den Reformen weiterarbeiten, Frau Bundesrätin Mühlwerth, und wenn es da eine Maßnahme gäbe, das wäre doch schön! Wir müssen ein ganzes Maßnahmenbündel verwirklichen, beginnend beim Kindergarten über die Volksschule und die Sekundarstufe. Das müssen wir gesamthaft betrachten, weil wir, wenn wir auch in Zukunft zu den Top-10-Ländern der Weltwirtschaft zählen wollen, einfach auf unsere Jugend setzen müssen.

Eines möchte ich an der Stelle auch betonen – und ich freue mich, dass das Wirt­schaftsminister Mitterlehner heute im „Morgenjournal“ herausgestrichen hat –, nämlich wie gut die berufsbildenden Schulen in Österreich sind. Die sind Weltspitze, und das muss auch in Zukunft so bleiben – daran müssen wir arbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der Herr Bundesrat Füller, aber auch der Herr Bundesrat Wenger, auch die Frau Bundesrätin Mühlwerth haben ja schon erwähnt, was wir so richtig mit vereinten Kräften in den letzten fünfeinhalb Jahren geschafft haben: eine gesetzliche Grundlage für sehr, sehr viele Reformvorhaben – insgesamt 49 Regierungsvorlagen. Im Ver­gleichs­zeitraum davor waren es 16, also es ist sehr, sehr viel in die Wege geleitet worden, in einer engen Zusammenarbeit der beiden Regierungsparteien – da möchte ich mich auch besonders bei den Bildungssprechern Elmar Mayer und Werner Amon für die gute Zusammenarbeit bedanken. Und sehr oft waren die Abstimmungen im


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Nationalrat und im Bundesrat von breiten Mehrheiten getragen, und darüber freue ich mich immer besonders.

Die Projekte wurden schon erwähnt: Kindergarten verpflichtend, kostenfrei ab fünf Jahren, kleinere Klassen – Stichwort: 25 –, Sprachförderung, Bildungsstandards, Neue Mittelschule als Regelschule – liebe Frau Bundesrätin Mühlwerth, Sie müssen mich bei einem meiner nächsten Besuche in eine Neue Mittelschule begleiten, denn da passiert viel mehr als nur das Austauschen der Türschilder, obwohl das auch passiert –, Ober­stufenreform, neue Matura, kostenloses Nachholen von Bildungsabschlüssen, Lehre Matura, Schulaufsicht neu und schließlich Investitionen in die Bundesschulen. – Also es wurde sehr, sehr viel erreicht.

Ich sage aber auch gleich dazu, viel Arbeit liegt vor uns, denn der Gesetzesbeschluss, die politische Einigung ist einmal ein Meilenstein, aber dann müssen die Projekte ja auch tatsächlich in den Klassenzimmern ankommen. Das ist viel Arbeit im Detail, und ich darf Ihnen versichern, bei jedem einzelnen Projekt sind wir voll und ganz dahinter, dass die Umsetzung auch gut gelingt und dass hier Fortschritte zu erzielen sind.

Ich bin auch regelmäßig in Schulen – zuletzt in Guntramsdorf, in Markt Allhau, in Karlstein, in Oberndorf –, und es ist eine Freude, wenn man dann abseits der manch­mal ideologisch geführten Debatten feststellt, dass vieles einfach gelingt, in der Praxis umgesetzt wird von engagierten und motivierten Lehrerinnen und Lehrern, und da sage ich auch einfach einmal: Danke! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Vielleicht jetzt ganz kurz – das war quasi so ein bisschen der Überbau, die Zielsetzung, was mich treibt, auch wo meine Motivation liegt, welche Projekte wir umsetzen – die wichtigsten Punkte, an denen wir arbeiten.

Der jetzt unmittelbar wichtigste Punkt ist für mich die Umsetzung der Bildungs­standards. Da sind mir sehr wichtig: gelebte Schulpartnerschaft, Einbeziehung der Schüler/Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen in Qualitätszirkeln an der Schule, gemeinsam mit den Pädagogischen Hochschulen, mit der Schulaufsicht.

Zweiter Punkt: Die Vorbereitung für die neue Matura läuft intensiv weiter. Wenn ich mir etwas wünschen darf: Also ich würde mich sehr freuen, wenn wir die eine oder andere Schule, den einen oder anderen AHS-Standort – sei er privat oder aus dem öffent­lichen Bereich – doch dafür gewinnen können, schon zum ursprünglich vereinbarten Termin die Matura zu machen, denn das wäre wohl motivierend für alle Beteiligten.

Der dritte Punkt ist ein enger Schulterschluss mit den Bürgermeistern und Bürger­meisterinnen. Die sind die zentralen Schulpartner. Eine gute Schule im Ort zu haben, das ist für jeden Bürgermeister/für jede Bürgermeisterin ein hoher Wert, mitunter sogar ausschlaggebend für Betriebsansiedlungen, und daher kooperieren wir besonders eng mit dem Gemeindebund und mit dem Städtebund bei der Umsetzung der Ganz­tagsschulen. Ich halte das für einen richtigen Schritt, und ich freue mich auch, dass da und dort die verschränkte Form zum Einsatz kommt, dass sie also auch klassenweise angeboten wird.

Die Neue Mittelschule wurde bereits erwähnt: Die ist in Umsetzung.

Ich komme jetzt zu den zwei großen strategischen Themen, die von meinen Vor­rednern auch schon angesprochen wurden.

Zunächst zum Dienst- und Besoldungsrecht für die Lehrerinnen und Lehrer. Ich kann die Eckpunkte, die Herr Bundesrat Wenger genannt hat, nur bestätigen. Genau darum geht es: attraktives Dienst- und Besoldungsrecht. Die Profession der Lehrer und Lehrerinnen macht es notwendig, dass wir Fachkarrieren anbieten, daher Bezahlung nach Funktion, klare Verantwortung für die Direktoren und Direktorinnen, gerade auch


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im Personalbereich – und ich hoffe sehr, dass wir hier als Regierung die entschei­denden Schritte setzen können.

Es laufen jetzt immer noch die Gespräche auf Beamtenebene. Es wird dann eine Regierungsrunde geben, wo die Chefverhandler berichten werden, und dann gehe ich davon aus, dass es wohl in die nächste Regierungsrunde gehen muss. Denn eines ist für mich auch völlig klar: Das neue Dienst- und Besoldungsrecht muss sozialpart­nerschaftlich verhandelt werden und auf sozialpartnerschaftlicher Grundlage zustande kommen. Das ist wichtig, damit es auch von den Lehrern und Lehrerinnen mitgetragen wird.

Und eng im Zusammenhang damit steht auch die PädagogInnenbildung neu, wo wir schon sehr weit gediehen sind, was die Curricula betrifft, nämlich eine vierjährige Bachelor-Ausbildung und ein ein- bis zweijähriger Master, der entweder sofort ange­schlossen werden kann oder dann berufsbegleitend erworben wird, mit entsprechender Begleitung auch beim Berufseinstieg.

Ich sage sehr klar, dass mir persönlich eine institutionelle Heimat für die Pädagogen und Pädagoginnen sehr wichtig ist. Die Pädagogischen Hochschulen sind zentrale Stellen nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der Fortbildung und in der Beglei­tung der Schulstandorte bei Innovationsprojekten.

Ich darf Ihnen sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Projekte wie Bildungs­standards oder neue Matura wären ohne Unterstützung der Pädagogischen Hoch­schulen in den Bundesländern nicht umsetzbar. Wir brauchen diese direkte Rückkopp­lung zu den bildungspolitischen Maßnahmen und, ja, eine Kooperation auf Augenhöhe mit den Universitäten, um einfach das Potenzial, auch das wissenschaftliche, best­möglich zu nutzen.

Ich darf noch einmal sagen, wir haben viel erreicht, aber es liegt auch noch sehr viel vor uns. Motivierte Lehrerinnen und Lehrer sind der Schlüssel zum Erfolg, und ich möchte Sie herzlich bitten, daran mitzuarbeiten, dass uns eine Kultur des Gelingens gelingt, sage ich jetzt einmal so (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP), dass wir respektvoll und entschlossen die Bildungsreformen umsetzen.

Und da morgen der Welttag der Lehrer und Lehrerinnen ist, möchte ich einfach uns alle aufrufen: Stärken wir den Lehrern und Lehrerinnen den Rücken, denn es ist wichtig, motivierte Lehrerinnen und Lehrer in unseren Schulen zu wissen, denn dann werden sich die Erfolge einstellen.

Vielen Dank, das war mein grundsätzliches Statement. Zu den Detailfragen dann etwas später. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum und Zangerl.)

9.52


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm. – Bitte.

 


9.52.47

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe KollegInnen! Liebe Schülerinnen und Schüler! Sehr geehrte Lehrer und Lehrerinnen! In 5 Minuten Bildungsdebatte zu machen, ist jetzt für mich logischerweise ein bisschen schwierig. Man kann nur gewissermaßen an der Oberfläche kratzen, aber – ich weiß nicht, wie es


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Ihnen gegangen ist, Frau Ministerin – heute Morgen, als ich hier herkam, war ich vor allem auf einen Punkt neugierig: Spricht heute vonseiten der ÖVP jemand aus Tirol?

Ich finde das sehr schade! Herr Präsident, vielleicht möchten Sie ja noch ein paar Sätze sagen? Es wurde vorhin in der ÖVP das Wort „Etappenziel“ genannt, und eines muss ich hier schon sagen: Liebe ÖVP, ich bin ja für Etappenziele zu haben, wenn man weiß, wohin man will. Nur bei der ÖVP weiß ich in der Bildungspolitik wirklich nicht, wohin sie überhaupt will. (Zwischenrufe der Bundesräte Kainz und Mayer.) Hier muss ich wirklich die Frau Ministerin in Schutz nehmen ... (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Mayer: Die grüne Landespolitik in der Bildungspolitik ist auch nicht besser!) – Ich habe nur 5 Minuten, Leute! (Heiterkeit des Redners.)

Aber ich finde es eben, wie gesagt, schade, denn wir wissen ganz genau, dass es innerhalb der ÖVP divergierende Meinungen gibt, und das finde ich ja prinzipiell gut. Ich bin ja nicht der Meinung, wie es oft von außen heißt, wenn die Parteien streiten: Die streiten sich und das ist etwas Schlechtes! In eine Demokratie gehört die Auseinandersetzung betreffend Standpunkte und das Ringen um Standpunkte und auch das Streiten um Standpunkte dazu. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich halte das für richtig, aber hier in einer Länderkammer, wo man ja sehr bewusst einmal die Perspektive der Länder einbringen könnte, wo man auch eine Diskussion, die es durchaus gibt, die in den Bundesländern auch unterschiedlich geführt wird, einmal transparent machen, nach außen zeigen könnte und auch verschiedene Standpunkte zu dieser total wichtigen Kernfrage der Republik, nämlich die Bildung, auch transparent machen und zeigen könnte, hier siegt dann wieder sozusagen die Hegemonie der Parteizentrale und alles muss sozusagen brav und nach Vorgabe gemacht werden (Zwischenrufe der Bundesräte Junker und Tiefnig), und das finde ich ausgesprochen schade.

Ich finde es auch schade, wenn der Staatssekretär, der zuständig ist für Integration, Integration mit Segregation verwechselt und Kinder mit Migrationshintergrund von Kindern ohne Migrationshintergrund trennen will. (Bundesrat Mag. Klug: Stimmt, bravo!)

Wenn jemand nicht gut Deutsch spricht – und das sage ich auch ganz besonders Richtung Frau Mühlwerth und der FPÖ –, dann hat das nicht primär etwas mit der Herkunft zu tun, glauben Sie mir – ich bin nämlich selbst zugewandert und ich war in meiner Klasse nicht der Schlechteste in Deutsch; auch nicht mein türkischer Kollege und auch nicht mein chinesischer Kollege –, dann hat das sehr oft damit etwas zu tun, aus welcher Schicht und aus welchen bildungsfernen Schichten man kommt. Und ich finde es, wenn ich ehrlich bin, beschämend, dass, wenn die Frau Ministerin diesen wunderschönen Satz sagt – ich kann ihn nicht wortwörtlich zitieren, aber sinngemäß –: Alle Kinder, die in diesem Land in eine Schule gehen, egal woher sie kommen, sind unsere Kinder und wir haben die Verantwortung!, alle applaudieren und Sie nicht. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum und bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Was will uns das sagen? Wollen Sie uns damit sagen, das sind nicht unsere Kinder, für die sollten wir keine Verantwortung übernehmen, uns nicht um sie kümmern? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich sage Ihnen eines ganz klar – Sie haben gesagt, die Gesamtschule ist nicht der Weisheit letzter Schluss; jetzt sage ich Ihnen etwas ganz ehrlich aus grüner Perspektive –, wir sind für die Gesamt­schule und die ganztägige Gesamtschule, und wir sind vehement dafür, aber es ist ja nicht so, dass eine Gesamtschule per se gut ist! Es gibt gute Gesamtschulen und es gibt schlechte Gesamtschulen, man kann sich das weltweit anschauen. Ich finde, Österreich soll sich einfach an die Besten halten (Neuerlicher Zwischenruf der Bundes-


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rätin Mühlwerth) – Kanada, Finnland und so weiter. (Beifall der Bundesrätin Kersch­baum und bei der SPÖ.)

Und wir wissen eines ganz genau, Frau Mühlwerth, ich war lange im Wiener Gemein­derat und ich kann mich genau an die FPÖ erinnern – da gab es die Plakate: „Deutsch statt ,nix versteh’n‘“ –, bei allen Deutschmaßnahmen, die man beschlossen hat, hat sie dagegen gestimmt. Warum?

Wir wissen ganz genau – das sagen alle PädagogInnen und da gibt es Studien seit den Achtzigerjahren, und bis heute wird das hier nicht umgesetzt –, Menschen, die ihre Muttersprache besser erlernen, erlernen auch jede weitere Sprache leichter. (Zwi­schen­ruf der Bundesrätin Mühlwerth.) So einfach wäre es, aber hier gibt es eine Blockadepolitik von vielen Seiten. Die ÖVP ist eine davon, und die FPÖ spielt ja zum Glück in einer Regierung noch keine Rolle – möge das auch bitte lange so bleiben. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Am Ende, ich glaube, das ist das Wichtigste in der Bildungspolitik, steht eines – abge­sehen davon, ja, dass Lehrerinnen und Lehrer vernünftige Arbeitsplätze brauchen, Computer, ein Büro, wo sie auch vertrauliche Gespräche führen können. Ich habe da eine Lehrerin, die musste immer mit den Öffis fahren, die musste immer diese ganzen Schularbeiten nach Hause mitnehmen, weil sie kein Büro hatte. Das ist ja traurig! Das war in den Achtzigerjahren so und es ist heute noch so, das ist ganz furchtbar! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Es muss ja nicht jeder Auto fahren, oder? Na also! (Bundesrat Mayer: Sie kann ja mit dem Fahrrad einen Anhänger ...!)

Am Ende brauchen wir eine Bildungspolitik, die eines bewerkstelligt, und das ist das Einfachste und das Schwierigste der Welt zugleich: Lernen muss Spaß machen, und das muss die Kernaufgabe von Bildungspolitik sein. (Beifall der Bundesrätin Kersch­baum, bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

9.58


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schweigkofler. – Bitte.

 


9.58.35

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Rufe: Ein Tiroler!) Liebe Schülerinnen und Schüler! Der Kollege hat gesagt, es meldet sich kein Tiroler zu Wort: Jetzt steht einer hier! (Bundes­rat Schreuder: Von der ÖVP!) – Ach so!

Da wir ja in Tirol seit vielen, vielen Jahren eine Koalition haben und daher auch das Land sehr gut führen und wir als Land auch sehr gut dastehen, haben wir auch viele Gemeinsamkeiten. Wir haben aber natürlich auch Dinge, wo die Meinungen ein bisschen auseinandergehen, und ich denke, heute kann ich es der ÖVP nicht ersparen, dass ich auf unseren Landeshauptmann Platter und seine Ideen in der Bildung eingehe. Das ist ja ganz klar.

Da seit 2007 sehr, sehr viel Bewegung in die Schule gekommen ist, möchte ich jetzt in die Praxis schauen. Wie schaut es denn wirklich aus? Es beginnt tatsächlich im Kindergarten: Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung. Es hat sehr viele Jahre gebraucht, bis man vor allem im ländlichen Bereich gemerkt hat, dass der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist und keine Aufbewahrungsstätte. – Gott sei Dank ist es jetzt so weit.

Gerade in den Kindergärten und Krabbelstuben sollten wir genau hinschauen, welche Kinder dorthin kommen, denn dort haben wir die Chance, sehr viel zu „reparieren“, was uns in späteren Jahren, wenn wir das nicht machen, sehr viel Geld kosten würde.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 21

Ich habe mir zum Beispiel das Programm von Nordrhein-Westfalen angesehen. Minis­terpräsidentin Kraft verfolgt dort ein komplettes Programm, es wird dort sehr viel Geld in die Kindergärten investiert, eben nach dem Motto: Was wir dort schaffen, das brauchen wir später nicht mehr zu bezahlen! – Ein absolut sinnvoller Ansatz!

Ich kann dazu ein Beispiel aus meiner Heimatgemeinde bringen: Vor 14 Tagen, gerade zu Schulbeginn, ist die Kindergartenleiterin zu mir gekommen und hat gesagt: Wir brauchen eine Stützkraft. Wir haben bei einem Kind besondere Auffälligkeiten, Defizite festgestellt, wir brauchen eine Stützkraft. Bitte, Bürgermeister, kannst du nicht eine Stützkraft einstellen?

Ich habe gesagt: Okay, machen wir, selbstverständlich! Aber was brauchen wir denn für eine Stützkraft? – Schreib die Stelle aus, dann wird sich schon jemand melden!, war ihre Antwort. Ich habe gesagt: Nein, das mache ich nicht! Ich habe nichts gegen Hausfrauen, die sagen, okay, zwei Stunden pro Tag im Kindergarten, das ist eine ganz nette Beschäftigung, das ist toll, aber was macht dann die Frau mit dem Kind? Hat sie eine pädagogische Ausbildung, dass sie das Kind auch entsprechend führen kann? – Nein, hat die Kindergartenleiterin gesagt, das macht dann sie. Meine Frage daraufhin: Und die anderen 15 Kinder in der Gruppe, was machen die dann in der Zwischen­zeit? – Ja die bekommen eine Aufgabe von mir und die Stützkraft hat das dann zu bewerkstelligen.

Genau das, muss ich sagen, ist der Fehler! Wir brauchen auch in den Kindergärten entsprechend ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen und Stützkräfte. Deshalb habe ich gesagt, wir stellen eine Kindergärtnerin ein, die die restliche Zeit für die anderen Kinder zur Verfügung stehen soll.

Wir wissen – und das haben wir auch im Besonderen Ausschuss zum Bildungsvolks­begehren gehört –, dass nicht jedes Kind gleich ist und auch nicht jedes Kind ab dem sechsten Lebensjahr schon so weit ist, dass es in die Schule gehen kann. Da müsste man in Zukunft eventuell einen fließenderen Übergang schaffen.

Kommen wir zur Volksschule! Ich höre von den Volksschullehrern in meiner Gemeinde, dass sie sehr zufrieden sind mit den Bildungsstandards. Sie sagen selbst: Das ist für uns eine Rückmeldung; wir wissen, wo wir stehen. Bis dato hat das eigentlich niemand wirklich gewusst. Es gibt den Lehrplan, und danach wurde unterrichtet, logischerweise mit allen Eigenheiten, die jeder einzelne Lehrer hat und die auch die Klasse hat, aber jetzt wissen wir durch den Vergleich, wo wir ungefähr stehen.

Sie sind wirklich begeistert, vor allem auch noch immer begeistert von den kleinen Klassen durch die niedrigeren Klassenschülerzahlen. Wir haben zum Beispiel 2 000 Ein­wohner, und wir haben immer zwischen 20 und 25, manchmal 30 oder 24 An­fänger. Bei 26 Kindern haben wir eben zwei Klassen mit je 13, und das ist natürlich eine ganz tolle Sache.

Frau Mühlwerth, an dieser Stelle muss ich vor allem Ihnen etwas sagen: Wir hatten einen Volksschuldirektor, der vor 35 Jahren zu uns gekommen ist – in Schlapfen, barfuß, mit langen Haaren. Die Leute haben sich gefragt, was das denn für ein Lehrer sei! – Das war der beste Lehrer, denn wir je gehabt haben! Das Erste, das er gemacht hat, war, dass er gesagt hat: Liebe Kinder, ich bin nicht der Herr Moser, ich bin nicht der Herr Lehrer, sondern ich bin der Elmar! Auch das führte wieder zu Aufruhr im ganzen Dorf. Jetzt sagen die Kinder zum Lehrer Du, zum Direktor sagen sie Du, das kann ja nicht gutgehen.

Es ist bestens gegangen! Es zählt halt nicht die äußere Schale, sondern das pädagogische Geschick, das ein Lehrer hat. Und er hat das pädagogische Geschick gehabt. Also ob jetzt die Lehrerin oder der Lehrer bei den Schülern gut ankommt oder


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 22

nicht, das ist wurscht, das spielt keine Rolle, sondern wichtig ist das pädagogische Geschick, das er/sie hat. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.) Und Gott sei Dank – das ist ja heute schon erwähnt worden – haben eben sehr viele Lehrerinnen und Lehrer wirklich dieses Geschick und arbeiten sehr engagiert.

Nächste Stufe: Sekundarstufe I, die Hauptschule. – Ich kann sagen, wir waren schon ganz nett überrascht im Heiligen Land Tirol, als unser Landeshauptmann vor einigen Wochen gesagt hat, in Tirol soll die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen einge­führt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.) Wir haben natürlich schon überlegt, woher denn der Sinneswandel kommt, was dahintersteckt.

Ich kann es auch nur vermuten. Da man in Tirol nicht mehr so gerne auf die Jagd geht, ist unser Landeshauptmann vielleicht ein paar Mal mit Landeshauptmann Durnwalder in Südtirol auf die Jagd gegangen, und der wird ihm dann erzählt haben, welch gutes Schulsystem die Südtiroler schon seit Jahrzehnten haben. Dann hat er vielleicht gesagt: Das machen wir im Norden auch!

Wir haben in den letzten Jahren schon immer Südtiroler Politiker zu uns nach Nordtirol geholt und sie gebeten, der ÖVP doch endlich ihr tolles Schulsystem zu erklären, die gemeinsame Schule, die so erfolgreich ist. Es kann ja nicht sein, dass das in Südtirol bestens funktioniert, aber in Nordtirol nicht möglich sein soll.

Mittlerweile ist es so. Ich kann nur unserem Landeshauptmann meine Hochachtung aussprechen, weil er das jetzt auch durchsetzt. Das Expertenteam steht, glaube ich, auch schon. Es wird daran gearbeitet, und wir hoffen, dass wir sozusagen das erste Bundesland sind, das flächendeckend die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen einführt, obwohl in den Hauptschulen sehr viele Kolleginnen und Kollegen fragen, warum jetzt noch die Neue Mittelschule umgesetzt wird, wenn dann ohnehin die gemeinsame Schule kommt. Wenn das das Ziel ist, sollte man dann nicht gleich über­haupt zur gemeinsamen Schule übergehen?! Also bei mir an der Schule wäre eine Mehrheit der Lehrer sofort dafür, die gemeinsame Schule einzuführen, anstatt den Weg dorthin über die Neue Mittelschule zu gehen.

Aber so ist es nun einmal. Wir wissen, die Bildungspolitik ist schwierig, es gibt mehrere Strömungen, aber wir kommen zum Ziel. Davon bin ich genauso wie du, Frau Minis­terin, überzeugt.

Ebenfalls erwähnen möchte ich, dass die Bildungsstandards auch in den Hauptschulen sehr gut angenommen werden und auch bestens funktionieren, höre ich von Kolle­ginnen und Kollegen.

Es gibt auch ein Projekt, das mich sehr beeindruckt und das das Unterrichts­ministe­rium gemeinsam mit dem Sozialministerium, glaube ich, betreibt. Das ist das Coaching am Ende der vierten Klasse Hauptschule, aber auch in der Polytechnischen Schule (Präsident Keuschnigg gibt das Glockenzeichen)  – Aha, das ist der Herr Präsident. Ich habe mir gedacht, da ich aus dem gleichen Bezirk wie er komme, hätte ich ein bisserl einen Vorteil, aber ich habe wohl keinen Vorteil. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mayer: Hast eh schon 3 Minuten überzogen!) – Ach so, habe ich schon. Danke schön, das kann man vielleicht irgendwo anders abzwacken.

Eines muss ich noch erwähnen, ein Superprojekt, Frau Ministerin: „Kunst macht Schule“. Das gab es in der Hauptschule in St. Johann heuer im Frühjahr, ich war da ein bisserl dabei, und ich muss sagen: Das ist ein tolles Projekt! Die Schüler haben eine Gaudi gehabt, die Lehrer haben eine Gaudi gehabt, und es vermittelt einfach Kunst. Deshalb die Bitte, auch dieses Projekt weiterzuführen und mit diesem Engagement weiterzuarbeiten, dann wird es für unsere Schule, für unsere Kinder vor allem, bestens ausgehen.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 23

Jetzt bleibt keine Zeit mehr für mein Hauptprojekt. Bitte, wir brauchen eine HTL im Bezirk Kitzbühel, Frau Ministerin! Wir erheben derzeit die Bedarfsstudie. Wir haben 60 000 Einwohner, und wir müssen 50 Kilometer weit bis zur nächsten technischen Ausbildungsstätte fahren. Wir haben keine in unserem Bezirk. Ich bitte um Unterstüt­zung, wenn wir dann soweit sind! Es wäre toll, wenn neben Kramsach, wo es jetzt eine Chemie-HTL gibt, im Bezirk Kitzbühel eine Informatik-HTL an die Handelsakademie Kitzbühel angeschlossen werden könnte. Ich bitte um kräftige Unterstützung! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte sehr.

 


10.07.43

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Was mir in letzter Zeit in der Bildungsdebatte auffällt – das haben wir auch heute wieder gesehen – und was mir eigentlich nicht gefällt, ist: Bildung, institutionelle Bildung zumindest, beginnt irgendwo im Alter zwischen drei und fünf Jahren im Kindergarten und endet für manche vielleicht rund um die Dreißig mit einem abgeschlossenen Studium, für manche hoffentlich nie, weil sie sich fort- und weiterbilden. Bildung dauert ein Leben lang, aber wir führen die politische Debatte irgendwie in der Weise, als ginge es immer nur um die 10- bis 14-Jährigen. Die Mittelschule, die Hauptschule, das Gymnasium sind die zentralen The­men, und das finde ich schade, weil es politisch unnötig und sachlich irgendwo unsinnig ist, diese Reduktion zu machen.

Ich sage, warum es aus meiner Sicht politisch unnötig ist. Politisch unnötig sind die vielen Diskussionen über den Status quo, den wir haben, über das Projekt, an dem wir arbeiten, weil es auf Regierungsebene eine Vereinbarung gibt. Die Vereinbarung heißt: Die Mittelschule kommt, und das Gymnasium bleibt. – Und dazu stehen wir. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe Kollegem Schreuder schon recht, man kann über alles diskutieren, denn Menschen sind unterschiedlicher Meinung und Diskussionen sollen nie ein Ende haben in der Politik. Deshalb wundert es mich umso mehr, dass ein Regierungsmitglied – nämlich Sie, Frau Bundesministerin – diese Sache nicht auf sich beruhen lässt. Es wundert mich, dass Sie das immer wieder in Frage stellen. Ich glaube, das schafft Verunsicherung, wenn Sie immer wieder so etwas sagen wie: Ich investiere nicht in die Gymnasien!, oder wenn wir medial immer wieder hören, dass Sie weiter an der Ge­samtschule arbeiten. Mir ist schon klar, es kommt ein SPÖ-Parteitag, und man muss auch die eigenen Mitglieder irgendwie zufriedenstellen, aber dafür sind mir die Schüle­rinnen und Schüler eigentlich zu schade.

Ich möchte noch einmal sagen – ich meine, ich kenne mich in der SPÖ nicht so gut aus (Bundesrat Stadler: Es ist wichtig, dass du dich in der Bildung auskennst, wenn du da mitredest!), aber Kollege Schreuder kennt sich auch in der ÖVP nicht aus; ist auch okay –, eines ist für uns alle hier herinnen und auch für die Zuseherinnen und Zuseher zu Hause klar, denke ich: SPÖ und Grüne wollen das Gymnasium abschaffen, aber mit der ÖVP gibt es das nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Wenn Sie aufmerksam Medien konsumiert haben – Herr Kollege Schreuder glaubt es immer noch nicht –, wissen Sie, was der Herr Vizekanzler und Bundesparteiobmann im „Sommergespräch“ sehr klar gesagt hat, nämlich dass die Strukturdebatte für ihn und damit auch für die ÖVP und für die Bundesregierung beendet ist.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 24

Wir stehen zu dieser Einigung, und ich sage auch, warum wir dazu stehen. Es hat für andere Lösungen Befürworter gegeben, aber das Entscheidende im politischen Prozess ist doch, dass wir, wenn es eine Einigung gibt, daran weiterarbeiten können und nicht weiter für Verunsicherung sorgen. Ich will, dass die Kinder darauf vertrauen können, in welche Schule sie jetzt, in den nächsten vier Jahren und darüber hinaus gehen können. Ich will, dass die Eltern wissen, in welche Schule sie ihre Kinder schicken, wie sich diese Schule entwickelt. Und ich will, dass die Lehrer wissen, in welche Schule sie ihre Zeit und Energie investieren sollen. Es kostet viel Kraft in den Schulen, die Neue Mittelschule zu entwickeln, das weiß ich aus eigener Erfahrung, aus vielen Gesprächen. Daher halte ich es für fahrlässig und nicht richtig, wenn man jetzt sagt, das ist ohnehin nur eine Zwischenstufe, man investiert eigentlich in etwas, das gar nicht bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist, wie gesagt, das eine. Diese Debatte ist aus meiner Sicht politisch überflüssig.

Sie ist aber auch sachlich unsinnig, und das ist schade. Wenn wir wollen, dass junge Menschen, alle jungen Menschen, Zukunftschancen und die Chance auf ein selbst­bestimmtes Leben haben – ich unterstelle einmal uns allen hier herinnen, dass wir das wollen, vielleicht aus unterschiedlichen Gründen, volkswirtschaftlichen, gesellschafts­politischen, menschlich-moralischen Gründen –, wenn wir wollen, dass junge Men­schen diese Chancen haben, dann geht es um viele andere Themen, ja Baustellen, möchte ich sagen. Es geht in erster Linie nicht darum, welches Namensschild auf einer Schule steht oder ob alle Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs in dasselbe Schulgebäude gehen. Es geht aus meiner Sicht vielmehr darum, was in dieser Schule, was in den Klassen vor sich geht.

Wir sollten also nicht über Strukturen reden, sondern eher über Methoden und Inhalte. Dazu nur einige Schlagworte:

Es geht zum Beispiel um Frühförderung, auch um sprachliche Frühförderung. Sie unterstellen Staatssekretär Kurz etwas ganz Falsches, Kollege Schreuder, wenn Sie sagen, er wolle Kinder unterschiedlich zuordnen. Es gibt jetzt schon ein Vorschul­system für Schülerinnen und Schüler, für Kinder, die kognitive, motorische Defizite haben, um sie darauf vorzubereiten, in die Volksschule einzusteigen. Wir wollen einfach, dass auch sprachliche Defizite als Grund dafür anerkannt werden, in die Vorschule zu gehen, damit dann der Schüler/die Schülerin  (Zwischenruf des Bun­desrates Schreuder.) – Nein, natürlich nicht, keine Frage, aber Staatssekretär Kurz darf doch wohl als Regierungsmitglied über alle Menschen reden. Es betrifft öfter Leute mit Migrationshintergrund, aber nicht nur – nicht mehr und nicht weniger.

Wir wollen haben, dass Schüler dem Unterricht folgen können, daher: sprachliche Frühförderung. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht sicher um Nahtstellen-Management. Diesbezüglich geschieht in der Neuen Mittelschule schon viel, aber das muss auch auf alle Schulstufen ausgeweitet werden.

Ebenso geht es um so etwas wie Bildungs- und Laufbahnberatung. Die Potenzial­analyse ist in Niederösterreich – Sonja Zwazl hat das mit Landeshauptmann Pröll umgesetzt – ein taugliches Modell, von dem wir uns wünschen, dass es auf alle Schulstufen und Altersstufen ausgeweitet wird.

Es geht um eine Änderung der Curricula, der Fächer, die unterrichtet werden. Niemand versteht, warum im Zeugnis immer noch nahezu dieselben Fächer stehen, die unsere Eltern schon hatten. Wir brauchen eine Fokussierung auf die Grundfertigkeiten in den Pflichtschulen, und wir brauchen in den Höheren Schulen auch im Sinne einer besseren Vorbereitung auf ein Leben in einer veränderten Welt mehr Naturwissen-


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 25

schaften, mehr Technik, wirtschaftliches Grundverständnis und endlich politische Bil­dung; diese brauchen wir mehr denn je.

Es geht aus meiner Sicht auch um Schulsozialarbeit. Es gibt in Niederösterreich flächendeckend Schulsozialarbeit in den Berufsschulen, aber wir brauchen das überall, das spüren wir. Diesbezüglich, Frau Bundesministerin, wünschen wir uns viel mehr Bewegung auch vonseiten der Bundesländer! (Bundesministerin Dr. Schmied: Aha?!)

Wir brauchen mehr Bewegung in den Schulen. Die tägliche Bewegungseinheit muss her, weil das gut ist für unsere Gesundheit, für die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler, aber letztendlich, wenn man so will, auch für das Gesundheitssystem in weiterer Folge. Außerdem fördert mehr Bewegung auch das Wohlbefinden und den Lernerfolg.

Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Es gibt viel zu tun. Die Bundesländer, das kann ich sagen – wir haben ja viele Beispiele gehört, was sich so tut –, sind bereit, auch das Parlament ist bereit, der Bundesrat ist bereit, die ÖVP ist bereit, all diese Dinge anzupacken. Gehen wir es gemeinsam an, damit mehr Bewegung ins Bildungssystem kommt – dort, wo sie wirklich gebraucht wird! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stadler: So wie bei der Gehrer!)

10.14

 


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


10.14.42

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Konzept, das Konvolut dieses gesamten Bildungsprogramms in Ehren, es ist sicherlich ehrenvoll und würdig, aber ich glaube, die Bundesregierung hätte genug Zeit gehabt, das umsetzen. Man kann wirklich nicht von einer Bildungsreform, von einem Konzept sprechen, denn letztlich haben wir es doch irgendwie mit einem Bildungsgewirr zu tun. Der ent­scheidende Maßstab für Bildung sind natürlich Investitionsmöglichkeiten, natürlich die Geldmittel, natürlich ein Strukturprogramm, wie immer das jetzt heißt. Maßstab für Bildung ist letztlich der Output, das, was rauskommt, das Ergebnis, mit dem wir heute konfrontiert sind.

Unsere Klubobfrau Monika Mühlwerth hat es heute schon formuliert: Jeder Vierte, also 25 Prozent, aller Absolventen der Bildungsinstitute kann nicht lesen und hat damit auch eine Schreibschwäche. (Bundesrat Schweigkofler: In Wien!) Und das ist eine ekla­tante Schwäche, mit der wir alle konfrontiert sind.

Herr Kollege Schreuder, du hast über integrative Ansätze in Bezug auf Deutsch-Kenntnisse gesprochen. Das ist natürlich ein Grundpfeiler der Integration, das ist über­haupt keine Frage, aber ein zweiter Grundpfeiler ist auch die Schaffung von Iden­titäten. Das ist wichtig, denn Identitäten schaffen Homogenität, Identitäten schaffen ein Gemeinschaftsgefühl und sind letztlich wichtig für einen Staatsbildungsprozess wie zum Beispiel hier in Österreich, um all die verschiedenen Bildungsschichten, verschie­denen Nationalitäten integrieren zu können.

Zur Identität gehört auch das kulturelle Erbe Österreichs, sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben heute über den Welttag der Lehrer und Lehrerinnen gesprochen, und ich darf daran erinnern, dass es vor Kurzem in Österreich auch den Tag des Denkmals vom Bundesdenkmalamt gegeben hat, das sich mit dem kulturellen Erbe Österreichs beschäftigt. Das ist auch eine Wissensvermittlung, eine Vermittlung von Wissen, die wir in Österreich brauchen.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 26

Ich darf an eine interessante Umfrage betreffend Bildungsdefizite, betreffend das kulturelle Erbe Österreichs erinnern. Damit – als Wiener Abgeordneter darf ich das sagen – müssen wir uns auseinandersetzen, weil 60 Prozent der historischen Bau­substanz Wiens letztlich aus dieser Zeit stammen, aus der Epoche des Barocks, des Klassizismus, des Historismus, letztlich aus der Zeit der Monarchie. Laut dieser aktuellen Umfrage, auf die ich vor Kurzem gestoßen bin, weiß ein Drittel der Wiener Bevölkerung nicht einmal, dass Österreich eine Monarchie war. Das gibt einem schon zu denken, wie Bildung vermittelt wird.

Gerade das historische Wien ist wichtig für unseren Tourismus – eine Erfolgsge­schichte Wiens, eine Erfolgsgeschichte unserer Kultur. Von den Baudenkmälern, den Gebäuden überhaupt, die besucht werden, wo die Kassen klingeln, stammt von den ersten zehn von der Bausubstanz her keine einziges aus dem sogenannten neuen, dem sogenannten modernen Wien. Da frage ich mich: Wo ist die Modernität? Wo ist die Vergleichbarkeit? Andere historische Städte Europas haben wesentlich bessere Bausubstanz, was die Moderne betrifft, als Österreich. Wir haben nach 1945 kaum Wesentliches geschaffen, wenn ich vielleicht von der UNO-City, dem Millennium Tower und dem Hundertwasserhaus absehe.

Das alte Wien ist ein kulturelles Erbe, mit dem wir uns befassen müssen. Ich darf an die Bausünden erinnern, die durch die Abrisse nach 1945 erfolgt sind. (Bundesrat Todt: Aber die Bautenministerin sitzt nicht da! Bautenminister ist schon jemand an­derer!) Die Zerstörung des kulturellen Wiens durch die Abrisse ist wesentlich höher, wesentlich mannigfaltiger als die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

Die Modernität der Architektur in Wien ist gekennzeichnet durch Einfallslosigkeit, durch Banalität, durch schnell und wertlos hochgezogene Glastürme in Containerform. Man vergisst die Menschen, die Menschen, die hier auch leben müssen, die Menschen, die hier auch arbeiten müssen.

Daher mein Ansuchen, Frau Ministerin, dass die Kompetenzen des Bundesdenk­mal­amtes erweitert werden, damit auch eine Rekonstruktion von Bauten des historischen Wiens möglich ist, damit wesentlich mehr eingegriffen werden kann, damit man sich auf die Erhaltung des alten Wiens konzentrieren kann, auf das kulturelle Erbe Wiens, weil die Architektur des historischen Wiens eine einzige Erfolgsgeschichte ist, was sich an den Zahlen ablesen lässt, und die Architektur des roten Wiens eine herbe Ent­täuschung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.19

 


Präsident Georg Keuschnigg: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zu Wort gemeldet. Ich darf Sie bitten, die Richtzeit von in etwa 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.

 


10.20.00

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich beginne einfach chronologisch, der Reihe nach beim Herrn Bundesrat Wenger: 9. Schulstufe – wir arbeiten daran. Es gibt einen Runden Tisch mit allen im Parlament vertretenen Parteien, um die 9. Schulstufe zu reformieren. Ich halte den Ansatz, da auch an Zertifi­kate zu denken, an Bildungsabschlüsse zu denken, für sehr sinnvoll. Polytechnische Schulen aufzuwerten, dort auch Modulsysteme einzurichten, dass einzelne Bereiche dann auch angerechnet werden, zum Beispiel für Lehre und Matura, halte ich für einen sehr sinnvollen Schritt.

Zur Neuen Mittelschule gibt es mit allen Bundesländern, auch mit Salzburg, einen Umsetzungsplan. Ähnlich ist es bei den ganztägigen Schulformen, der Umsetzung der


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 27

15a-Verträge, wo wir sehr eng in Abstimmung sind und wo wir versuchen – wir konnten die 15a-Verträge ja „nur“, unter Anführungszeichen, mit den Bundesländern ab­schließen –, uns da mit dem Städtebund, mit dem Gemeindebund, mit den Bürger­meistern und Bürgermeisterinnen hinsichtlich Information kurzzuschließen, damit diese Mittel auch gut eingesetzt werden. Sie haben recht, wir haben es da mit unter­schied­lichen Kompetenzlagen zu tun. Das war ja auch der Grund, warum ein 15a-Vertrag zur Umsetzung überhaupt notwendig war. Wenn Sie mich fragen, habe ich gegen eine Verbundlichung nichts einzuwenden. Ich war immer schon für eine Bundes­kompetenz im Schulbereich. (Ruf bei der ÖVP: Wettbewerb schadet auch nicht!)

Zum Thema Qualifikation von Beschäftigten im Bereich der Freizeitpädagogik: Da sind wir eben auch genau in der Kompetenzthematik; Herr Bundesrat Schweigkofler hat es ja auch angesprochen. Ich kann hier von meiner Seite nur sagen, dass wir die Curricula für die Ausbildung der Freizeitpädagogen fertiggestellt haben, dass die ersten Freizeitpädagogen an den Pädagogischen Hochschulen im Februar ihren Abschluss haben. Das heißt, wir versuchen, über diese Seite die Qualifikationskomponente ent­sprechend zu verankern, rechnen Qualifikationen an, zum Beispiel in Musikschulen oder in Sportvereinen, damit berufsbegleitend diese Ausbildung auch gelingen kann.

Zum Dienst- und Besoldungsrecht habe ich schon kurz Stellung genommen. Ein wesentlicher Punkt – und Sie haben ihn angesprochen – wird dabei natürlich sein, das Konzept des Sekundarstufe-I-Lehrers auch umzusetzen. Das beginnt bei der Aus­bildung und hat natürlich auch dienst- und besoldungsrechtliche Konsequenzen.

Zum Herrn Bundesrat Schreuder möchte ich sagen: Ja – dreimal unterstrichen –, Schule soll Freude machen. Wir wissen das ja von uns selber: Was wir gerne machen, geht uns gut von der Hand. Ich glaube aber gleichzeitig, dass Freude und Ernst­haftigkeit kein Widerspruch sind, sondern dass die Disziplin ja mit dem Interesse wächst und steigt und dass wir da an beides denken sollten.

Zur Bundesrätin Bettina Rausch: Da muss ich jetzt ein bisschen ausholen (Zwischenruf bei der ÖVP) – immateriell und symbolisch natürlich. In aller Wertschätzung und in großem Respekt: Die Neue Mittelschule ist ein Etappenziel für mich. Ich darf da schon auch noch einmal auf die sehr intensiven Gespräche Bezug nehmen, vor allem mit Elmar Mayer, mit Werner Amon, in denen wir wirklich – ich kann das sagen, aus meiner Sicht – professionellst zusammengearbeitet haben.

Wir haben versucht, unter Einbeziehung auch der Praktiker, ein modernes päda­gogisches Konzept mit der Neuen Mittelschule umzusetzen. Da sind all die Punkte drinnen, die uns allen, glaube ich, wichtig sind: Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche, Berufs­­­beratung, Bildungsberatung – verpflichtend, 3., 4. Klasse –, möglichst auch Freiraum für die Schulen, um Leitbilder zu entwickeln, die Direktoren auch dement­sprechend zu stärken, Wahlmöglichkeiten, Schwerpunkte.

Das ist also wirklich ein großes Werk – würde ich sagen –, das da gelungen ist, worauf ich auch stolz bin, worauf wir, denke ich, gemeinsam stolz sein können, und wo wir alles daran setzen, das jetzt auch umzusetzen. – Das ist der eine Punkt, aber auf der anderen Seite habe ich auch politische Ziele, wenn Sie so wollen, politische Fernziele. Mir ist schon klar, dass das jetzt, zu dieser Zeit, nicht umsetzbar ist, aber träumen wird man noch dürfen, Visionen wird man haben dürfen.

Mir jetzt zu sagen, ich dürfe über meine Ziele nicht reden, ist ein bisschen viel verlangt und geht über das hinaus. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: Das hat sie ja überhaupt nicht gesagt! Die Kollegin hat nur gemeint, dass es nett wäre, wenn Sie sich an die Regierungsvereinbarung halten würden!) – Sie formulieren das jetzt im Konjunktiv und unterstellen mir damit, dass ich mich nicht an ein Regierungs­übereinkommen halte!? (Bundesrat Mag. Himmer: Dass das Gymnasium bleibt !) 


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 28

Ja, ich glaube nicht, dass wir das jetzt in den nächsten Wochen als Regierung abschaffen; aber mein politisches Ziel bleibt die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Kurz zu Ihnen, lieber Herr Bundesrat Pisec: Sie haben vollkommen zu Recht die Zeit­komponente in der Bildungspolitik angesprochen. Da gibt es einzelne Maßnahmen, die sehr rasch wirken – es wurden etwa Coaching-Maßnahmen angesprochen, die unmittelbar wirken. Bei sehr vielen bildungspolitischen Maßnahmen – ich erwähne jetzt das verpflichtende Kindergartenjahr, die kleineren Klassen – ist es so, wenn wir sie aus Indikatoren wie zum Beispiel dem PISA-Test ablesen wollen, dann brauchen wir Durchhaltevermögen, weil wir das frühestens 2018, 2019 dann auch sehen werden, weil da die entsprechenden „Alterskohorten“ – unter Anführungszeichen – tatsächlich getestet werden.

Ich freue mich aber sehr über den Bericht aus der Praxis vom Herrn Bundesrat Schweigkofler, dass zum Beispiel die Bildungsstandards jetzt schon zu einer Kompetenzorientierung führen und damit die Qualität im Unterricht sehr, sehr stark beeinflussen, in den Vordergrund rücken. Das freut mich und bekräftigt mich, dass wir jetzt auch die Auswertung der Bildungsstandards, die Feedback-Prozesse an den Schulstandorten gut vorbereiten, dann auch begleiten, damit Eltern, Schüler, Lehrer diese Qualitätsgespräche auch führen können. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.27


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

Ich darf Herrn Vizekanzler Michael Spindelegger begleitet von Staatssekretär Reinhold Lopatka hier im österreichischen Bundesrat sehr herzlich willkommen heißen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

10.27.56Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Georg Keuschnigg: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2680/AB bis 2700/AB und

jenes Schreibens des Bundeskanzlers bezüglich der Ernennung jeweils eines ordent­lichen und eines stellvertretenden Mitglieds des Ausschusses der Regionen bezie­hungsweise

jenes Schreibens des Bundeskanzlers betreffend die Amtsenthebung des Staatssekre­tärs Dr. Wolfgang Waldner sowie die erfolgte Ernennung von Herrn Dr. Reinhold Lopatka zum Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten sowie

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit Albanien über die Änderung des Abkommens der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, Bildung und Wissenschaft sowie darüber hinaus

über die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen Kulturerbes im Staatseigentum für Ausstellungen auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates und bezüglich der

Überarbeitung der Vertragswerke anlässlich des 25. Weltpostkongresses beziehungs­weise

ein Abkommen mit Italien betreffend die polizeiliche Zusammenarbeit und


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 29

ein Abkommen über die Wälder in Europa beziehungsweise

ein Abkommen mit Nigeria über die Förderung und den Schutz von Investitionen sowie

ein Abkommen mit dem König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über dessen Amtssitz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 5)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung sowie gleichzeitige Ernen­nung eines Staatssekretärs:

                                                                                                                  „Bundeskanzleramt Österreich

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG

Parlament

1017 Wien

                                                                                                                                GZ 350.000/0002-I/4/12

                                                                                                                   Wien, am 11. September 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 31. August 2012, GZ S210.010/1-BEV/12, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungs­gesetz in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Staatssekretär Dr. Wolfgang WALDNER mit Wirksamkeit 3. September 2012 vom Amt als Staatssekretär enthoben hat.

Gleichzeitig beehre ich mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Ent­schließung vom 11. September 2012, GZ S210.010/2-BEV/12, gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes- Verfassungsgesetz Herrn Dr. Reinhold LOPATKA zum Staatssekretär ernannt und ihn dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten zur Unterstüt­zung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben hat.

Mit den besten Grüßen“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Vorschlag für Nominierungen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                  „Bundeskanzleramt Österreich

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 30

Herrn Präsident des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                     Wien am, 29. August 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung im Rahmen der 153. Sitzung des Ministerrates am 28. August 2012 beschlossen hat, Herrn Nationalratsabgeordneten Hannes WENINGER als ordent­liches Mitglied des Ausschusses der Regionen (AdR) und Herrn Bürgermeister Dipl. Ing. Markus LINHART als stellvertretendes österreichisches Mitglied des AdR gemäß Art. 23c Abs. 1 B-VG dem Rat der Europäischen Union vorzuschlagen.

Beide Kandidaten haben mit Schreiben vom 19. Juli 2012 dem Generalsekretär des AdR mitgeteilt, dass sie auf Grund eines innerstaatlich zwischen den beiden in Öster­reich bestehenden kommunalen Vertretungen (Gemeinde- und Städtebund) verein­barten Wechsels, von ihren Mandaten als ordentliches (Hr. Dipl. Ing. LINHART) und stellvertretendes Mitglied (Hr. Abg. z. NR WENINGER) des AdR zurücktreten und jeweils auf das Mandat des anderen Kandidaten zu wechseln beabsichtigen. Dies wurde dem Bundeskanzleramt mit am 19. Juli 2012 eingelangten E-Mail gemäß Art. 23c Abs. 4 B-VG zur weiteren Veranlassung mitgeteilt.

Die Ernennung eines ordentlichen und eines stellvertretenden Mitglieds des AdR erfolgt durch den Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 305 UAbs. 3 AEUV auf Grundlage der jeweiligen mitgliedstaatlichen Nominierung.

Die vorliegenden Nominierungen werden im Wege des Bundesministeriums für euro­päische und internationale Angelegenheiten und der Ständigen Vertretung Öster­reichs bei der EU dem Ratssekretariat zur weiteren Durchführung des Verfahrens zugeleitet. Mit der Ernennung der beiden Kandidaten kann im Laufe des kommenden Septembers gerechnet werden.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Beilagen:

Annex mit den wesentlichen Daten der beiden Kandidaten; wird nicht veröffentlicht

Auszug aus dem Beschlussprotokoll des Ministerrats.“

„BUNDESKANZLERAMT-BUNDESKANZLER

GZ 351.000/0031-I/4/12

Pkt. 5 des Beschl.Prot. 153

153. Sitzung des Ministerrates am 28. August 2012

5. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0015-IV/5/12, betr. Umnominierung des Abgeordneten zum Nationalrat Hannes WENINGER und Bürgermeister Dipl.Ing. Markus LINHART zu ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern des Ausschusses der Region; gemeinsamer Vorschlag des Gemeinde- und Städtebundes.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

Wien, 28. August 2012“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 31

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                                    2. August 2012

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-AL.8.33.02/0002-l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 24. Juli 2012 (Pkt. 11 des Beschl.Prot. Nr. 151) der Herr Bundespräsident am 28. Juli 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über die Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfol­gen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-AL.5.26.41/0013-V.1/2012

Änderung des Abkommens zwischen der

Regierung der Republik Österreich und dem

Ministerrat der Republik Albanien über die

Zusammenarbeit auf den Gebieten der

Kultur, der Bildung und der Wissenschaft;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Es besteht Interesse, das bestehende Abkommen zwischen der Regierung der Re­publik Österreich und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft (BGBl. III Nr. 164/2006) durch einen weiteren Artikel zu ergänzen.

Eine solche Änderung hätte den Zweck, dass die Vertragsparteien eine Kommission zur Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Rahmenvertrages über den gegenseitigen befristeten Leihverkehr von Kulturgütern zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien errichten.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Bot. Dr. Martin Eichtinger                                                                                           Delegationsleiter

                                                                                                         Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 32

Bot. Dr. Helmut Tichy                                                                                         Stv. Delegationsleiter

                                                                                                         Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

MR Mag. Norbert Riedl                                                              Bundesministerium für Unterricht,

                                                                                                                                               Kunst und Kultur

Ges. Dr. Hans-Martin Windisch-Grätz                            Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

LR Dr. Philip Bittner                                                                 Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Diese Änderung wird keine finanziellen Auswirkungen zur Folge haben. Sollte es den­noch solche geben, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zu Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Die geplante Änderung wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über die Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft zu bevollmächtigen.

Wien, am 18. Juli 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                                    2. August 2012

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                GZ: BMeiA-l9.8.33.02/0005-l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 24 Juli 2012 (Pkt. 14 des Beschl.Prot. Nr. 151) der Herr Bundespräsident am 28. Juli 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen bzgl. die Überarbeitung der Vertrags­werke anl. des XXV. Weltpostkongresses erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlun­gen wird ehestmöglich erfolgen.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 33

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-19.3.19.47/0059-111.6/2012

XXV. Weltpostkongress;

24. September bis 15. Oktober 2012, Doha;

österreichische Delegation

Vortrag an den M i n i s t e r r a t

Im Rahmen des Weltpostvereins, der 1874 gegründet worden ist, und dem Österreich seither angehört, wird voraussichtlich vom 24. September bis 15. Oktober 2012 in Doha der XXV. Weltpostkongress stattfinden. Der Kongress ist das oberste Organ des Weltpostvereins und tritt in vierjährigen Abständen zusammen. Der letzte Kongress wurde 2008 in Genf abgehalten.

Die Hauptaufgabe des Kongresses wird die Überarbeitung der Vertragswerke des Weltpostvereins sein, die das Funktionieren des weltweiten Postdienstes regeln. Weiters ist es Aufgabe des Kongresses, die Höchstbeträge der Ausgaben des Welt­postvereins sowie die Mitgliedsbeiträge für die kommenden Jahre festzulegen. Es werden im Rahmen des Kongresses auch die Mitglieder des Verwaltungsrates und des Rates für Postbetrieb sowie der Generaldirektor des Internationalen Büros und sein Stellvertreter gewählt.

Der Mitgliedsbeitrag zum Weltpostverein wird vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie getragen und orientiert sich jeweils an den Vorjahren. Sonstige finanzielle Belastungen durch den Kongress sind nicht zu erwarten.

Die Bedeutung der Beschlüsse des XXV. Kongresses für die künftige Gestaltung des internationalen Postwesens macht es unabdingbar, dass zur Wahrung österreichischer Interessen eine entsprechende Delegation entsendet wird. Es wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitsweise des Kongresses nicht in einer andauernden Plenarversammlung besteht, sondern dass fachspezifische Vorschläge (z.B. Brief, Paket, Budget, Entgelte) einzelnen Komitees, die gleichzeitig tagen, zur Behandlung zugewiesen werden, was die Entsendung einer Delegation in der nachstehend angeführten Zusammensetzung notwendig erscheinen lässt:

Mag. Sabine Joham-Neubauer                                                                              Delegationsleiterin

                                                                                          Bundesministerium für Verkehr, Innovation

                                                                                                                                               und Technologie

                                                                                         Leiterin der Gruppe Telekom-Post, Sekt. III

Rat Mag. (FH) Andreas Hach                                                                          Stv. Delegationsleiter

                                                                                          Bundesministerium für Verkehr, Innovation

                                                                                                                                               und Technologie

                                                                               Referent für internationale Post-angelegenheiten

Amtsdirektorin Helena Moser                               Bundesministerium für Verkehr, Innovation

                                                                                                                                               und Technologie

                                                                                                         Referentin für Postangelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 34

Hofrat Dr. Franz John                                              Bundesministerium für Verkehr, Innovation

                                                                                                                                               und Technologie

                                                                                                                                      Leiter des Postbüros

Dr. Georg Pölzl                                                             Österreichische Post AG Generaldirektor

DI Walter Hitziger                                                    Österreichische Post AG Vorstandsdirektor

DI Peter Umundum                                                 Österreichische Post AG Vorstandsdirektor

Mag. Johanna Taxerer                                                                               Österreichische Post AG

Thomas Greilinger                                                                                        Österreichische Post AG

MMag. Andrea Opietnik                                                                              Österreichische Post AG

Siegfried Völkl                                                                                                Österreichische Post AG

Die mit der Entsendung dieser Delegation verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in den Budgetsätzen des entsendenden Ressorts bzw. der entsendenden Institution. Es wird voraussichtlich keine Beschlüsse mit erheblichen finanziellen Auswirkungen geben; sofern dennoch solche gefasst werden, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Die geplante Überarbeitung der Vertragswerke wird gesetzesändernd bzw. gesetzes­ergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen. Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie stelle ich daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zur Teil-nahme an den Beratungen und Beschlussfassungen des XXV. Weltpostkongresses sowie die Leiterin der österreichischen Delegation, Mag. Sabine Joham-Neubauer, und im Fall ihrer Verhinderung den stellvertretenden Leiter der österreichischen Delegation, Rat Mag. (FH) Andreas Hach, zur Unterzeichnung der allfälligen Schlussakte der Kon­ferenz zu bevollmächtigen.

Wien, am 18. Juli 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                                  28. August 2012

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-AL.8.33.02/0003-l.2a/2012


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 35

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass auf Grund des Vorschlages der Bundesregierung vom 24. Juli 2012 (Pkt. 12 des Beschl.Prot. Nr. 151) der Herr Bundespräsident am 16. August 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen Kulturerbes im Staatseigen­tum für Ausstellungen auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-AL.5.26.41/0014-V.1/2012

Abkommen zwischen der Republik

Österreich und der Republik Albanien

über die Zusammenarbeit betreffend

die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen

Kulturerbes im Staatseigentum für Ausstellungen

auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates;

Verhandlungen

Vortrag an den M i n i s t e r r a t

Es besteht Interesse, zwischen Österreich und Albanien ein Abkommen über die Zusam­menarbeit betreffend den gegenseitigen befristeten Leihverkehr von beweg­lichen Kulturgütern im Staatseigentum auszuarbeiten. Das Abkommen soll an die geplante Änderung des Kulturabkommens mit Albanien (BGBl. III Nr. 164/2006) an­knüpfen, in welcher die Ausarbeitung dieses Abkommens in Aussicht genommen wird.

Ein solches Abkommen hätte den Zweck, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den gegenseitigen befristeten Leihverkehr von beweglichen Kulturgütern zur Ausstellung im jeweils anderen Land festzulegen. Ein zentrales Element des geplanten Abkommens wird die völkerrechtliche Absicherung der Immunität der verliehenen Objekte sein.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Bot. Dr. Martin Eichtinger                                                                                            Delegationsleiter

                                                                                                         Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Bot. Dr. Helmut Tichy                                                                                         Stv. Delegationsleiter

                                                                                                         Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

MR Mag. Norbert Riedl                                                              Bundesministerium für Unterricht,

                                                                                                                                               Kunst und Kultur

Ges. Dr. Hans-Martin Windisch-Grätz                            Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 36

LR Dr. Philip Bittner                                                                 Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Dieses Abkommen wird keine finanziellen Auswirkungen zur Folge haben. Sollte es dennoch solche geben, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zu Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweg­lichen Kulturerbes im Staatseigentum für Ausstellungen auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates zu bevollmächtigen.

Wien, am 18. Juli 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                         14. September 2012

Parlament, Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                            GZ: BMeiA- IT.8.33.02/0002-l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 28. August 2012 (Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 153) der Herr Bundespräsident am 31. August 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 37

BMeiA-IT.4.36.01/0006-IV.1/2012

Vertrag zwischen der Regierung der

Republik Österreich und der Regierung der

Italienischen Republik über die polizeiliche

Zusammenarbeit; Verhandlungen

Vortrag an den M i n i s t e r r a t

Zwischen Österreich und Italien besteht die Vereinbarung zwischen der Österreichi­schen Bundesregierung und der Regierung der Italienischen Republik über die poli­zeiliche Zusammenarbeit, BGBl. III Nr. 52/2000. Seit Inkrafttreten dieses Überein­kommens am 1. März 2000 sind jedoch die Anforderungen an die österreichische Polizei im Bereich der grenzüberschreitenden Kriminalität stetig gestiegen. Aufgrund dieser Entwicklungen sowie der zahlreichen Berührungspunkte auf dem Sektor der öffentlichen Sicherheit, die insbesondere mit unseren Nachbarländern bestehen, ist es unerlässlich über zeitgemäße Mittel in der polizeilichen Zusammenarbeit zu verfügen, deren rechtliche Grundlage nun in einem modernen bilateralen Staatsvertrag mit Italien geschaffen werden soll. Die Zurverfügungstellung moderner Instrumente würde eine maßgebliche sowie notwendige Effizienzsteigerung bei der Kriminalitätsbekämpfung bewirken. Im Vergleich zum Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) sowie zum Prümer-Vertrag würde ein bilateraler Staatsvertrag ebenfalls einen deutlichen Mehr­wert darstellen, da er in bestimmten Bereichen weitergehende und detailliertere Bestimmungen enthalten würde.

In Gesprächen zwischen Experten des österreichischen und des italienischen Innen­minis­teriums wurden insbesondere die folgenden Bereiche notwendiger Weiterentwick­lungen identifiziert:

Grenzüberschreitende Nacheile,

Grenzüberschreitende Observation,

Grenzüberschreitende kontrollierte Lieferungen,

Beweissicherung bei Gefahr in Verzug,

Zusammenarbeit beim Zeugen- und Opferschutz,

Gegenseitige Unterstützung im Bereich der illegalen Einwanderung,

Gemeinsamer Streifendienst,

Grenzüberschreitende Maßnahmen im Eisenbahn- und Schiffsverkehr,

Möglichkeit zur Schaffung gemeinsamer Zentren.

Der Abschluss eines solchen Vertrages würde die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Zusammenarbeit mit vergleichbaren Stellen in Italien bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, der Kriminalitätsbekämpfung sowie im fremdenpolizeilichen Bereich erweitern.

Die Verhandlungen mit Italien stehen im vollen Einklang mit Verpflichtungen Öster­reichs im Rahmen der Europäischen Union (EU).

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden voraussichtlich Vertreter/innen des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz angehören.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 38

Die mit der Verhandlung dieses Vertrags verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Der künftige Vertrag wird voraussichtlich keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfü­gung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafterin MMag. Dr. Elisabeth Tichy-Fisslberger und im Falle ihrer Verhinderung Botschafterin Mag. Elisabeth Ellison-Kramer zur Leitung der Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 22. August 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                         14. September 2012

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                           GZ: BMeiA- EU.8.33.02/0022-l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 28. August 2012 (Pkt. 14 des Beschl.Prot. Nr. 153) der Herr Bundespräsident am 31. August 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen über die Wälder in Europa erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest­möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

GZ. BMeiA-EU.3.18.81/0002-lll.6/2012

Abkommen über die Wälder in Europa;


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 39

Verhandlungen

Vortrag an de n M i n i s t e r r a t

Derzeit bestehen in Europa zum Schutz und der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern nur rechtlich unverbindliche Vereinbarungen: für den Bereich der Euro­pä­ischen Union in Form der EU Forststrategie und des EU Forstaktionsplans, für den gesamteuropäischen Raum in Form von Deklarationen und Resolutionen der Minister­konferenz zum Schutz der Wälder in Europa (Forest Europe). Nicht zuletzt deswegen ist die Forstpolitik in Europa von Fragmentierung und Marginalisierung gekennzeichnet. Verschiedene Sektoren und Politikbereiche nehmen auf unterschiedliche Art und Weise zum Teil erheblichen Einfluss auf den Wald, seinen Schutz und seine Bewirt­schaftung. Zugleich sind die Staaten zunehmend gefordert, in Fragen des Waldes nach außen hin eine konsistente Haltung zu vertreten.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen haben 46 Staaten (inklusive Russland) und die Europäische Union im Rahmen der sechsten Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (14. bis 16. Juni 2011, Oslo) beschlossen, Verhandlungen zu einem pan-europäischen rechtsverbindlichen Waldabkommen aufzunehmen. Die ent­sprechende Entscheidung (Oslo Mandat der Minister für die Verhandlung eines rechtlich bindenden Abkommens über die Wälder in Europa) regelt die Einrichtung eines zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses, steckt den inhaltlichen Verhand­lungs­rahmen ab und legt die praktischen Arrangements für die Verhandlungen fest.

Österreich als waldreiches Land mit hochproduktiver Forstwirtschaft, hohen Standards für die nachhaltige Waldbewirtschaftung und exportorientierter Holzwirtschaft tritt seit langem für starke multilaterale Instrumente für nachhaltige Waldbewirtschaftung ein. Dies gilt insbesondere auch für den europäischen Raum. Denn ein Abkommen über Wälder, dem alle Staaten Europas inklusive der Europäischen Union angehören, würde die politische Anerkennung für nachhaltige Waldbewirtschaftung in Europa ent­scheidend erhöhen und für den Forstsektor langfristig stabile Rahmenbedingungen schaffen. Damit wird nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des gesamteuropäischen Forst­sektors auf den internationalen Märkten erhöht. Es wird auch die Leistung des Waldes in Bezug auf umfassendere Politikbereiche wie nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Stärkung des ländlichen Raumes besser integrierbar.

Nachhaltige Waldbewirtschaftung bedeutet, die delikate Balance zwischen wirtschaft­lichen Interessen, Natur- und Umweltschutz sowie gesellschaftlichen Ansprüchen an den Wald in einer Weise auszugleichen, dass der vielfältige Nutzen, den der Wald für Umwelt und Gesellschaft zu erbringen vermag, optimiert und langfristig gesichert wird. Es gibt bereits eine Reihe von freiwilligen Instrumentarien, wie Kriterien und Indika­toren, nationale Waldprogramme und andere, welche auf die Sicherstellung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung abzielen. Es geht nun darum, die Rahmenbedin­gungen zu schaffen, dass diese Instrumentarien auch verstärkt umgesetzt werden.

Es wird ein Rahmenabkommen abgestrebt, das auf gesamteuropäischer Ebene Grund­sätze, Ziele und Maßnahmen festlegt, für deren Verfolgung die Länder selbst ihre individuellen Pläne gestalten und umsetzen. Damit soll ein einheitliches Dach geschaf­fen werden, zugleich aber auch jenes Maß an Flexibilität ermöglicht werden, welches die Vielfalt Europas erfordert.

Der Vorsitzende und das Büro des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses haben am 1. Juni 2012 den ersten Textentwurf für ein rechtlich verbindliches Wald­abkommen vorgelegt. Mit Vorliegen dieses Vertragsentwurfes beginnen die offiziellen


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 40

Verhandlungen, wobei laut dem Oslo Mandat bis Mitte 2013 die Endergebnisse der Verhandlungen vorliegen sollen.

Österreich beabsichtigt, eine Delegation mit folgender Zusammensetzung zur Teil­nahme an den Verhandlungen eines Abkommens über die Wälder in Europa zu entsenden:

SC DI Gerhard Mannsberger                                                                                    Delegationsleiter

                                                                             Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,

                                                                                                                   Umwelt und Wasserwirtschaft

MR DI Ingwald Gschwandtl                                                                              Stv. Delegationsleiter

                                                                             Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,

                                                                                                                   Umwelt und Wasserwirtschaft

DI Dr. Georg Rappold                                                                                         Stv. Delegationsleiter

                                                                             Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,

                                                                                                                   Umwelt und Wasserwirtschaft

Dr. Philip Bittner                                                                                                    Stv. Delegationsleiter

                                                                                                         Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Der Delegation werden die erforderlichen Berater beigezogen werden.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Der geplante Staatsvertrag wird gesetzesändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angegebenen Zusammensetzung zur Teil­nahme an den Beratungen und Beschlussfassungen des zwischenstaatlichen Ver­hand­lungs­ausschusses über ein Abkommen über die Wälder in Europa sowie den Leiter der österreichischen Delegation, SC DI Gerhard Mannsberger, und im Fall seiner Verhinderung den stellvertretenden Leiter, MR DI Ingwald Gschwandtl, und im Fall dessen Verhinderung den stellvertretenden Leiter, DI Dr. Georg Rappold, zur Unterzeichnung der allfälligen Schlussakte des zwischenstaatlichen Verhandlungsaus­schus­ses zu bevollmächtigen.

Wien, am 22. August 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 41

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                         19. September 2012

Parlament, Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                         GZ: BMeiA- NG.8.33.02/0001-I.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 11. September 2012 (Pkt. 8 des Beschl.Prot. Nr. 155) der Herr Bundespräsident am 12. September 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Nigeria über die Förderung und den Schutz von Investitionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-NG.3.19.25/0005-lll.3b/2012

Abkommen zwischen der Republik Österreich

und der Bundesrepublik Nigeria über die Förderung

und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen

Vortrag an den M i n i s t e r r a t

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Inves­titionen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, österreichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risiken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass Investitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen aber auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs-und Schwel­lenländer an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Ver­trages von Lissabon ist die Zuständigkeit zum Abschluss von Abkommen über Direkt­investitionen auf die EU übergegangen. Art. 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) schuf per 1. Dezember 2009 eine neue Unions­kompetenz für ausländische Direktinvestitionen. Es ist jedoch den EU- Mitgliedstaaten weiter möglich - sofern es kein entsprechendes Abkommen auf EU Ebene gibt – bilate­rale Investitionsschutzabkommen abzuschließen. Es gilt daher für Österreich, den derzeitigen Vertragsbestand zu bereinigen und Verhandlungsprozesse abzuschließen, beziehungsweise Neuverhandlungen dort zu beginnen, wo eine Vertiefung der in wechselseitigem Interesse gelegenen bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ebenso wie die Verfolgung konkreter Anliegen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ge­boten erscheint.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 42

Nigeria mit rund 170 Millionen Einwohnern ist nach Südafrika Österreichs wichtigster Handelspartner Afrikas, das Handelsvolumen betrug 2011 rund 880 Millionen Euro. Die Bundesrepublik Nigeria hat bereits vor längerem den Wunsch nach Abschluss eines Investitionsschutzabkommens geäußert. Im Rahmen meines Besuchs in Nigeria vom 6.- 8. Juni 2012 äußerte die nigerianische Regierung erneut den dringenden Wunsch nach Abschluss eines Investitionsschutzabkommens mit Österreich.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden Vertreter des Bundesminis­te­riums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, des Bundesministeriums für Finanzen und der Wirt­schaftskammer Österreich angehören.

Die mit der Entsendung der Mitglieder der Verhandlungsdelegation verbundenen Kos­ten werden vom jeweiligen Ressort getragen und finden im Ausgabenrahmen des Bundesfinanzrahmengesetzes ihre Bedeckung. Ebenso werden die finanziellen Auswirkungen des abzuschließenden Abkommens vom jeweils zuständigen Ressort innerhalb der zur Verfügung stehenden Mittel bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Hubert Heiss und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Michael Postl zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Nigeria über die Förderung und den Schutz von Investitionen zu bevollmächtigen.

Wien, am 30. August 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                         19. September 2012

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                GZ: BMeiA-l9.8.33.02/0008-l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 11. September 2012 (Pkt. 17 des Beschl.Prot. Nr. 155) der Herr Bundespräsident am 12. September 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Abkommen


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 43

zwischen der Republik Österreich und dem König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Amtssitz des König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog erteilt hat. Die Auf­nahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-19.8.19.03/0028-1.2/2012

Abkommen zwischen der Republik Österreich

und dem König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum

für interreligiösen und interkulturellen Dialog über

den Amtssitz des König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums

für interreligiösen und interkulturellen Dialog;

Verhandlungen

Vortrag an den M i n i s t e r r a t

Österreich hat das Übereinkommen zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog am 17. August 2012 ratifiziert, Spanien am 22. August 2012. Das Übereinkommen wird voraussichtlich in den nächsten Wochen in Kraft treten.

Das Zentrum hat seinen Sitz in Wien. Das Errichtungsübereinkommen sieht in seinen Art. III Abs. 1 und Art. XI Abs. 1 den Abschluss eines Amtssitzabkommens vor. Es soll daher ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Amtssitz des König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog abgeschlossen werden.

Die im Abkommen vorgesehenen Regelungen werden denen entsprechen, wie sie bei vergleichbaren internationalen Organisationen, etwa dem Joint Vienna Institute (BGBl. III Nr. 187/1997), der Energiegemeinschaft (BGBl. III Nr. 87/2007) oder der Inter­nationalen Anti-Korruptionsakademie (BGBl. III Nr. 100/2012) vereinbart wurden. Insbesondere wird das Abkommen Regelungen betreffend die Unverletzlichkeit des Amtssitzes, die Gerichtsbarkeit, die Unverletzlichkeit der Archive und die Befreiung von bestimmten Steuern und Zöllen in dem im Abkommen vorgesehen Umfang enthalten. Weiters werden die Privilegien und Immunitäten der Mitarbeiter des Zentrums und seines Generalsekretärs, der Vertreter der Mitgliedstaaten, der Mitglieder des Direk­toriums, des Beirates und der amtlichen Besucher geregelt werden.

Für die Verhandlungen über das Abkommen wird die nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Gesandter Mag. Gregor Schusterschitz                                                               Delegationsleiter

                                                                                                         Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Botschafter Dr. Erwin Kubesch                                          Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 44

Gesandter Dr. Marcus Bergmann                                     Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Legationsrätin MMag. Ulrike Köhler                                  Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen des entsendenden Ressorts. Die finanziellen Auswir­kungen des Abkommens werden sich in sehr engen Grenzen halten. Es kommt nicht zu einem Entfall von Einnahmen, sondern nur zum Verzicht auf Steuern und Zölle, die ohne die durch das Abkommen erst ermöglichte Ansiedlung des Zentrums in Österreich gar nicht anfallen würden.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhand­lungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Amtssitz des König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und inter­kulturellen Dialog zu bevollmächtigen.

Wien, am 5. September 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Georg Keuschnigg: Weiters gebe ich bekannt, dass ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundes­ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures von 30. September bis 4. Oktober 2012 in Indien bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos mit ihrer Vertretung eingelangt ist.

*****

Darüber hinaus ist der Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, eingelangt, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt sind der Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft und der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2013, die jeweils dem Ausschuss für Land-, Forst und Wasserwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurden.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 45

Dem zuständigen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten wurde jener bereits eingelangte Außen- und Europapolitische Bericht 2011 der Bundesregierung zuge­wiesen, der Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist. Der Ausschuss hat seine Vorberatung abgeschlossen und einen schriftlichen Ausschussbericht erstattet.

Ich habe den zuvor genannten Verhandlungsgegenstand beziehungsweise die Erklä­rung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten anläss­lich der Ernennung eines neuen Staatssekretärs auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Georg Keuschnigg: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inseratenkeiler Werner Faymann an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.31.521. Punkt

Erklärung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegen­heiten gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Staats­sekretärs

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und kommen zu deren 1. Punkt.

Ich begrüße Herrn Vizekanzler und Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger noch einmal sehr herzlich bei uns im österreichischen Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)

Bevor ich dem Herrn Vizekanzler und Bundesminister das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Spindelegger zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


10.32.54

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Sehr geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine Damen und Herren! Ich möchte heute diese Gelegenheit nutzen, den neuen Staatssekretär im Außenministerium Dr. Reinhold Lopatka vorzustellen, und möchte damit beginnen, dass ich die Beweggründe näher erläutere, warum ich ihn ausgewählt habe, in meinem Ministerium Staatssekretär zu sein. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Reinhold Lopatka hat im letzten Jahr intensiv im Nationalrat die Fragen der Europa- und Außenpolitik für die ÖVP-Fraktion betreut, er hat dabei viel wertvolle Erfahrung


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 46

gesammelt. Reinhold Lopatka war dreimal Regierungsmitglied – die jetzige Funktion miteingerechnet – als Staatssekretär, er kennt daher den Regierungsalltag.

Reinhold Lopatka hat als Marathonläufer auch gelernt, Ausdauer zu seinem Programm zu machen, und das ist wichtig, denn im Außenministerium heißt es, vielfältige Anforderungen auch in dauernder Belastung auszuhalten. Ich glaube daher, dass er insgesamt genau der richtige Mann ist, um im Außenministerium die Republik Österreich bei internationalen Konferenzen, in Brüssel, aber auch im Land zu vertreten, und begrüße ihn herzlich auf der Regierungsbank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte diese Gelegenheit aber auch wahrnehmen, um insbesondere auf Fragen der Europapolitik einzugehen, weil sie in Österreich, aber auch insgesamt eine Heraus­forderung darstellen, der wir uns einfach zu stellen haben. Ich darf in fünf kurzen Punkten erläutern, wo die Herausforderungen in der aktuellen Situation besonders zu finden sind.

Erstens: Wir müssen diese Vertrauenskrise in Europa bekämpfen, die sich jetzt in der Eurokrise manifestiert. Ich darf das noch einmal erwähnen, weil ich es schon vielfach gesagt habe: Wir brauchen Instrumente zur Stabilisierung des Euro, und diese Instrumente haben wir jetzt. Wir haben den Fiskalpakt, der in anderen Ländern noch zu ratifizieren ist, in Österreich schon beschlossen, und das heißt, jeder muss seinen Haushalt selbst in Ordnung bringen. Das ist eine Grundvoraussetzung, dass insgesamt der Euro wieder eine stabile Währung sein kann.

Wir haben den ESM im Nationalrat beschlossen. Mittlerweile gibt es durch das Urteil von Karlsruhe auch in Deutschland grünes Licht für die Ratifizierung, und damit ist ein Werkzeug geschaffen, wie man Ländern unter die Arme greifen kann – kurzfristig, als Überbrückung –, damit sie ihre Währung auch wieder stabilisieren können. Das ist eine zweite wichtige Voraussetzung, um wieder Vertrauen in den Euro zu schaffen.

Wir haben natürlich auch eines sicherzustellen, nämlich selbst wieder Vertrauen zu fassen – im Sinne von Optimismus, im Sinne dessen, dass wir einfach auch ins Zentrum stellen, dass diese Währung eine stabile sein wird. Wenn wir selbst ständig nur über die Krise reden, dann wird niemand anderer glauben, dass der Euro sicher ist und dass wir damit eine gute Zukunftssicherung gelegt haben. Darum möchte ich auch an dieser Stelle alle auffordern, wegzukommen vom reinen Krisengerede und wieder hinzukommen zur Zukunftsdebatte und damit der Sicherheit auch wieder den nötigen Spielraum zu geben.

Ich möchte zum Zweiten besonders auf diese Zukunft eingehen. Wir brauchen den Weg zurück in die Zukunft in Europa, und nicht ständig nur die Frage, wie wir uns gegenseitig Probleme zuschieben. Diese Zukunftsdebatte wurde eröffnet. Elf Außen­minister der Europäischen Union haben vor zwei Wochen ein Papier verabschiedet, in dem viele Fragen angesprochen sind, die die Zukunft Europas prägen werden – von den Institutionenfragen über die Sicherung der Wirtschafts- und Währungsunion bis hin zum Ausblick eines etwas weiteren Europas, was in diesen Tagen auch wichtig ist.

Ich möchte daher auch hier noch einmal betonen: Wir brauchen auch ein europäisches Reformkonzept, wo wir uns alle in eine Diskussion mit hineinbegeben, und da sind nationale Parlamente – egal, ob Nationalrat oder Bundesrat, aber auch Landtage – gefordert, sich so wie das Europäische Parlament an dieser Debatte zu beteiligen. Ich möchte die Gelegenheit heute wahrnehmen, auch den Bundesrat und die Bundes­rätinnen und Bundesräte zu bitten, sich dieser Debatte über die Zukunft zu stellen, ihre Ideen mit einzubringen, damit wir in einem Reformkonzept, das nächstes Jahr in der Europäischen Union diskutiert werden wird, miteinander unsere Ideen einbringen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 47

Ich möchte zum Dritten erwähnen, dass wir die Bürger in Österreich und generell in der Europäischen Union auf diesem Weg mitnehmen müssen. Wenn wir einen Konvent einsetzen – ich rechne damit, dass das mit Jahresende der Fall sein wird –, wird es nicht genügen, dort nur Repräsentanten hinzuschicken. Es wird notwendig sein, dass wir auch in Österreich diese Diskussion laufend mit den Bürgern führen.

Wir vom Außenministerium haben jetzt ein neues Konzept auf den Tisch gelegt, das diese Einbindung der Bürger in einer modernen Form vorsieht, indem wir uns einen Medienpartner suchen, indem wir Veranstaltungen an bestimmten Orten machen. Zweimal haben wir das bereits durchgeführt – einmal in Mautern in Niederösterreich, einmal in Steyr in Oberösterreich –, und wir werden das jetzt in Graz fortsetzen und viele andere Destinationen mitnehmen. Der Medienpartner wird Vorsorge dafür treffen, dass Bürger ihre Fragen bereits vorweg dorthin schicken können und wir in den Veranstaltungen speziell auf diese Fragen eingehen können. Das ist wichtig, denn letztlich müssen wir die Fragen beantworten, die die Bürger interessieren, und nicht jene, die wir gerne in den Vordergrund stellen wollen. Ich sehe anhand der ersten beiden Townhall Meetings – wie wir das nennen –, dass dieses Konzept voll aufgeht.

Daher: Bürger mitnehmen, sie an der Diskussion beteiligen, auch während eines Reformprozesses in Europa, das möchte ich gerne gewährleisten, und auch hier gilt die Aufforderung für alle Mandatare, sich in den Regionen zu beteiligen. Wir haben das jetzt schon mehrfach praktiziert, und es ist eine gute Gelegenheit, sich dort, wo man näheren Kontakt hat, wo man die Verhältnisse besonders kennt, als Mandatar einzubringen.

Das Vierte, das ich kurz erwähnen möchte, ist: Wir brauchen auch ein Europa mit mehr Biss. Es kann nicht sein, dass wir eine Europäische Union mit 17 Ländern haben, die eine gemeinsame Währung haben, dass wir aber für die gemeinsame Währungspolitik wenig Kompetenzen haben. Ein Wettbewerbskommissar in Europa kann in jedes Rechtsgeschäft eingreifen, wenn er glaubt, die Wettbewerbsregeln seien verletzt. Ein Währungskommissar ist de facto Zaungast beim Europäischen Rat. Das kann nicht die Zukunft sein. Daher brauchen wir auch Rechte, dafür stehe ich, die wir einem Wäh­rungskommissar künftig zugestehen müssen, und daher bin ich dafür, dass wir das auch in einer Vertragsreform gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich mit einem fünften Punkt schließen, und zwar mit dem Punkt, der die Europa-Agenda betrifft.

Natürlich brauchen wir in Europa auch Innovation und vor allem Wachstum. Es ist daher unsere Aufgabe jetzt, wo wir in diesem Jahr den mehrjährigen Finanzrahmen für die Periode bis 2020 beschließen wollen, vor allem den Wachstumselementen besonderes Augenmerk zu schenken.

Wir haben dazu auch als Österreich Ideen eingebracht für einen Wachstumsfonds, der besonders kleine und mittlere Unternehmen und da besonders die innovativen unterstützen soll. Diese Ideen sind auch in die jetzigen Programme eingeflossen – noch nicht zur Genüge, aber doch in einem bemerkenswerten Ausmaß, weil die Kommission bereits Vorschläge dazu erarbeitet.

Das wollen wir für die Zukunft gewährleisten: Kleine und mittlere Betriebe sind das Rückgrat nicht nur der österreichischen Wirtschaft, sondern auch der europäischen Wirtschaft, und die brauchen unsere Unterstützung. Gerade mit Basel II und Basel III haben sie bemerkenswerte Auflagen, die ihnen wenig Kredite ermöglichen, und daher müssen wir ihnen die Sicherheit geben, dass sich Investition lohnt. Dort werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen, und darum möchte ich, dass wir diese Wachs­tumsinitiativen besonders unter den Gesichtspunkt „kleine und mittlere Unternehmen und ihre Unterstützung“ stellen. Das ist das Programm! (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 48

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich möchte diese Gelegenheit, den neuen Staatssekretär vorzustellen, der sich voll und ganz in die Europa-Agenda in Österreich miteinbringen wird, dazu wahrnehmen, dies zu verbinden mit einer generellen Europa-Debatte. Ich hoffe, dass wir darüber einen konstruktiven Diskurs führen. – Vielen herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.41.59

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! Werte Zuseher zu Hause! Eingangs möchte ich betonen, dass es für mich als steirischen Abgeordneten immer eine Freude ist, wenn die Regierung durch einen weiteren Steirer – ich hätte jetzt fast gesagt: aufgewertet wird; ich sage das natürlich nicht (ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP) – ergänzt wird. Ich hoffe, dass es Ihnen, Herr Staats­sekretär, gelingen wird, über der Wahrnehmbarkeitsgrenze zu liegen und sich damit von Ihrem Vorgänger deutlich zu unterscheiden.

Allerdings ist die Freude, auch in Anbetracht dessen, was Sie soeben gesagt haben, Herr Bundesminister, enden wollend. Sie haben über die zukünftige Europapolitik gesprochen und gesagt, dass die Finanzkrise Reformen erfordere – da stimme ich Ihnen schon zu –, aber Sie haben interessanterweise auch gesagt, jeder müsse seinen Haushalt selber in Ordnung bringen. Was Sie aber nicht gesagt haben, ist, dass der jeweilige Staat das offensichtlich auf unsere Kosten machen soll und der einiger weniger anderer Länder. (Bundesrat Hammerl: Das kennen wir alles schon!) Und Sie haben auch mehr oder weniger dazu aufgefordert, die Krise totzuschweigen. Sie haben das als vertrauensbildende Maßnahme dargestellt, so, dass man darüber am besten gar nicht redet.

Wenn das Krisenbewältigungspolitik ist, dann habe ich, muss ich ganz ehrlich sagen, wenig Vertrauen in die Zukunft!

Wir können, meine Damen und Herren, die Faktenlage nicht wegdiskutieren. Ich habe gestern einen Bericht auf CNN gesehen, wo die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren, die Sie auch angesprochen haben, zwischen der EU, den USA und Japan miteinander verglichen worden ist. Und da war eine interessante Grafik zu sehen: Auf unterschiedlichem Niveau hat sich das in den vergangenen Jahren parallel entwickelt, allerdings geht seit letztem Jahr die Schere auseinander: In Europa, in der Euro-Zone steigt die Arbeitslosigkeit, während sie in den beiden anderen Ländern sinkt. Das sind durchaus bedenkliche Zahlen. Von der Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien will ich gar nicht reden. Aber wenn Sie sagen, darüber sollen wir nicht reden, damit schaffen wir Vertrauen, so bin ich nicht bei Ihnen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was eigentlich in dieser Situation notwendig wäre! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Reformen scheinen auch in eine falsche Richtung zu gehen beziehungsweise zu weisen. Ich möchte Sie eigentlich auffordern: Verhindern Sie, dass dieses Europa noch zentralistischer, noch bürokratischer wird, als es ohnehin ist, und dass noch mehr Souveränität an Brüssel abgegeben werden muss, denn damit würden wir uns eigent­lich selber schrittweise abschaffen!


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 49

Wir mussten leider auch zur Kenntnis nehmen, das bereits eine „kalte“ Reform, wenn ich das so bezeichnen darf, und zwar ohne Bürgerbeteiligung, ohne Einbindung der Österreicherinnen und Österreicher stattgefunden hat – hin zu einer Transferunion entgegen allen Verträgen von Lissabon. Nichts anderes ist in diesem ESM fest­geschrieben, der eine 90-Grad-Kehrtwendung der ursprünglich festgeschriebenen Prinzipien – nämlich: keine Schuldenunion, kein Bail-Out – darstellt.

Wir – und das können Sie uns nicht nehmen, Herr Bundesminister – werden nicht davon ablassen, auch in Zukunft diese Fehler aufzuzeigen und zu bekämpfen. Und wir sind ja nicht alleine damit, sondern wir befinden uns in guter Gesellschaft zahlreicher Experten, die unsere Ansichten durchaus teilen. Erinnern Sie sich nur an das Hearing, das hier im Hohen Hause zu der ESM-Debatte stattgefunden hat! (Ruf bei der ÖVP: Frank Stronach!) – Ich habe den Frank Stronach nicht als Experten bezeichnet. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie hätten also eigentlich, Herr Staatssekretär, die Chance, hier Profil zu zeigen, zumal der Herr Bundesminister, wie ich den Eindruck habe, diesen Job als Außenminister eigentlich nur als Nebenjob macht. (Bundesrat Hensler: Das ist ungeheuerlich!)

In Anbetracht der Tatsache, dass Sie, Herr Bundesminister, Vizekanzler sind, dass Sie Obmann Ihrer Partei sind und dass, wie ich hier heute bereits in der Debatte von vorhin feststellen musste, der Wahlkampf bereits ausgebrochen ist, muss ich eigentlich sagen: Im nächsten Jahr werden Sie nicht viel Zeit haben, Herr Bundesminister – vielleicht außer einiger medienwirksamer Auftritte (Bundesrat Mayer: Das ist eine Frechheit!) –, sich wirklich selber um die Außenpolitik zu kümmern. (Bundesrat Hensler: Gibt es bei dir irgendetwas Positives!? Das ist unerhört!)

Wir hoffen auf eine konstruktive Zusammenarbeit, aber verfallen Sie, bitte, nicht in genau das, was Sie, Herr Bundesrat, jetzt hier aufzeigen, nämlich in diese dumpfe, parteipolitisch motivierte, gebetsmühlenartig (Zwischenrufe bei der ÖVP) wiederholte Anschüttung gegen die FPÖ (Oje-Rufe bei der ÖVP), wobei immer wieder behauptet wird, dass wir den Schilling abschaffen wollen.  Das wollen wir nicht! Verzeihung, den Schilling einführen! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Das wollen wir nicht – im Gegensatz zum Stronach! –, sondern wir wollen eigentlich das Umgekehrte: Wir wollen, dass die Fehler der Vergangenheit behoben werden, da Staaten, die nicht reif waren und es auch heute noch nicht sind, in diese Währungsunion aufgenommen worden sind.

Wir sollten diesen Staaten eine Chance geben, ihre Haushalte, ihre Wirtschaft in Ordnung zu bringen. Es ist schon klar, dass das viel Geld kostet, aber warum sollen in der Politik alle Spielregeln, die es in der Wirtschaft und auch im Privatleben gibt, über Bord geworfen werden? Jede Firma, die konkursreif ist, wird auch in Konkurs gehen, und die Bank wird nicht sagen: Jetzt verlieren wir das Geld, deswegen schmeißen wir noch weiteres Geld nach! Das kann nicht die Lösung dieser Probleme sein! (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Aber sehr aufschlussreich war, Herr Bundesminister, in Ihrem Statement auch, dass Sie sich in Ihren Ausführungen ausschließlich auf die EU beschränkt haben. Ich will jetzt die Stichworte „Schengen“ und „Bulgarien-Beitritt“ gar nicht in den Mund nehmen, aber gerade Österreich, Herr Bundesminister und Herr Staatssekretär, hat in der Ver­gan­genheit als neutrales Land seine Stellung in der Welt besonders deutlich hervorgehoben. Und ich muss leider sagen: Nach Kreisky ist es mit der österreichi­schen Außenpolitik kontinuierlich bergab gegangen – so leid es mir tut! (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, wenn ihr über eure eigenen Fehler lacht, so mag das zwar nett sein, aber es trägt nicht zur Lösung bei. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 50

Österreich als exportorientiertes Land, und es geht auch um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich durch eine Außenpolitik außerhalb Europas, und damit meine ich nicht nur die klassischen Länder wie Brasilien, China und Indien, sondern ich meine damit auch viele kleinere  (Zwischenruf des Bundesrates Hensler. Können Sie einmal still sein hier? Kommen Sie heraus und reden Sie dann! (Bundesrat Hensler: Wer war in Amerika !)

Auch kleinere Länder, gerade in Südamerika, würden mehr Aufmerksamkeit verdienen. Vielleicht können da die Ideen der Wirtschaftskammer übernommen werden, die ja sehr gute Arbeit leistet. Es sollte der Boden aufbereitet werden, damit die Außen­handelsstellen produktiv und konstruktiv ihren Beitrag dazu leisten können. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Botschaften zu schließen, das ist sicherlich nicht der richtige Weg dorthin.

Abschließend lassen Sie mich noch einen Satz sagen (Bundesrat Mag. Klug: Auch zwei!): Wenn Sie es schaffen, dass man als Österreicher im außereuropäischen Aus­land nicht ständig mit Kängurus in Verbindung gebracht wird, dann haben Sie eine erfolgreiche Außenpolitik betrieben. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Hensler: Primi­tiver geht es nicht mehr!)

10.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.52.53

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wenn man meinem Vorredner aufmerksam zugehört hat – und ich habe diese Energie aufgebracht – und das bis zum Schluss versucht hat, dann muss man eigentlich sagen: Man müsste alle Ökonomielehrbücher neu schreiben, wenn das Gültigkeit hätte, und die Geschichtsbücher auch noch dazu. Ich will eigent­lich dem nichts mehr hinzufügen, denn das hat jenes Maß an Niveaulosigkeit übertroffen, das in diesem Haus gerade noch erträglich ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Krusche: Sie verwechseln Geschichtsbücher mit Parteibüchern!)

Es wird sehr viel über die Krise geredet, es wird sehr viel über die Krise diskutiert, es wird sehr viel über die Krise gesprochen – aber es braucht Leute, die Lösungen für diese Probleme bringen. (Bundesrat Jenewein: Und die kommen aus der ÖVP!) Es geht um Lösungen! Von Krisen reden viele, und in der Analyse sind viele, viele, viele große Meister – aber was gefragt ist, sind Lösungen!

Österreich steht trotz dieser Veränderungen ausgezeichnet da. Wir haben wesentlich dazu beigetragen, diese Krise hervorragend zu meistern. (Bundesrat Jenewein: Die ist ja noch nicht vorbei!) Unsere Bundesregierung hat alle Register gezogen, um diese Krise entsprechend zu meistern – und wir sind gut durchgekommen! (Bundesrat Jenewein: Ist die Krise schon vorbei?) Das mag Ihnen vielleicht nicht gefallen, weil das kein Humus für Ihre Argumente ist, aber wir haben die Krise gut gemeistert – und das ist ein Verdienst unserer Bundesregierung, unseres Europaministers und unseres Staatssekretärs! (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Mag. Klug. – Bundesrat Krusche: Warum steigen dann die Arbeitslosenzahlen?)

Heute wurde vom Herrn Vizekanzler und Außenminister der neue Staatssekretär vorgestellt. Und: Es ist tatsächlich derzeit – und da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Kollege – eine spannende Zeit, in der wir uns momentan bewegen, und zwar national, international und global. Es gibt viele Fragen zu beantworten. Wir haben derzeit eine tolle Phase von Veränderungen und haben deshalb auch viele Herausforderungen zu


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 51

bestehen, nicht nur wirtschaftlich und finanzpolitisch, sondern auch gesellschafts­politisch und global gesehen.

Und da stellen sich viele Fragen, wie zum Beispiel:

Wie kommen wir weg von dem zweifellos erfolgreichen Krisenmanagement zu einem Europa, das wir haben wollen und das ständig bemüht ist, diese Veränderungen entsprechend neu zu formulieren und zu gestalten? (Bundesrat Krusche: Wer ist „wir“, die ÖVP oder die Bürger?)

Wie kommen wir weg – und diese Frage wird auch in Zukunft zu beantworten sein; der Vizekanzler hat das in seinem Einleitungsstatement schon angeschnitten – von der derzeit relativ schwachen Führungsstruktur der Europäischen Union zu einer starken Führungsstruktur in der EU, die dafür sorgt, dass wir in unserem Europa in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben?

Das ist die zentrale Frage: die Wettbewerbsfähigkeit Europas zwischen den Vereinig­ten Staaten von Amerika, den USA, auf der einen Seite und Indien und China auf der anderen Seite! Wie können wir uns da behaupten als ein Bevölkerungsanteil in der Welt von 7 Prozent? Von 100 Personen Weltbevölkerung leben nur mehr 7 in Europa – und da geht es um Wissen, da geht es um Bildung, da geht es um Innovation, darum, dass wir uns da international behaupten können!

Wie können wir – und das ist eine wesentliche Frage, Herr Kollege! – die inter­natio­nalen Finanzspekulanten in die Schranken weisen? Wie können wir das Geld von diesen in die Realwirtschaft, in die Klein- und Mittelbetriebe umlenken!

Das sind die zentralen Fragen, die uns in den nächsten Monaten beschäftigen werden!

Wie geht es weiter mit der sozialen Marktwirtschaft? – Manchen kommen Zweifel, wenn die Spekulanten das Sagen haben. Wie können wir unser bewährtes System der sozialen Marktwirtschaft sichern? Wie können wir dieses System, das sich ja bei uns so toll bewährt hat, zu einem Exportmodell für andere Staaten machen?

Wie können wir Europa stabilisieren? Um diese Frage geht es: Wie können wir eine Stabilitätsunion einrichten? Und wie können wir die Menschen auf diesem Weg und bei diesen Fragen glaubwürdig mitnehmen?

Das sind die zentralen Fragen, mit denen wir uns beschäftigen sollten!

Wie können wir mehr Vertrauen in das gemeinsame Europa, in ein Europa des Miteinander schaffen? – Um diese Frage geht es in Zukunft!

Wie können wir Europa zu einer innovativen Region machen, zu einer Region, wo es gute und immer bessere Lebensbedingungen für die Menschen gibt? Wie können wir dazu wesentlich beitragen?

Das sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen sollten – und nicht mit den Kängurus, die Sie angeschnitten haben! (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Mag. Klug. – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es wird auch zu schauen sein, dass wir – und auch der neue Staatssekretär wird dazu beitragen – endlich mit der österreichi­schen Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer durchkommen, dass wir zumin­dest in der Euro-Zone unter den 17 Staaten die Koalition der Willigen zustande bringen und diese Finanztransaktionssteuer auch wirklich umsetzen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es geht darum: Wie können wir in Europa ohne Preisgabe unserer entwicklungspolitischen Verantwortung unseren Wohlstand sichern und unsere Werte, die wir aufgebaut haben und denen wir uns verpflichtet


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 52

fühlen, auch entsprechend bewahren! Dafür braucht es ein Miteinander, braucht es eine vertiefte Zusammenarbeit in Europa und braucht es eine stärkere Besinnung auf unsere gemeinsamen Ziele.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn wir diese Ziele festlegen, wird die entscheidende Frage sein: Mit welcher Organisationsstruktur in Europa wollen wir diese Ziele erreichen, damit das in Zukunft noch besser funktioniert und die Leute auch an dieses System glauben?

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir werden uns – und das ist eine Antwort, Herr Vizekanzler, auf deine Frage – auch als Mitglieder dieses Hauses, des Bundesrates, sehr stark einbringen. Wir haben durch die Subsidiaritätsprüfung zusätz­liche Kompetenzen bekommen, die wir nutzen. Ich danke allen, die im EU-Ausschuss diese große und wichtige Arbeit leisten, denn das stärkt das Vertrauen. Wir sind besser informiert über die Zusammenhänge in der Europäischen Union, weil wir mehr wissen. Und wenn wir mehr wissen, können wir der Bevölkerung bei Veranstaltungen, bei Zusammenkünften auch Orientierung geben. Das wird in Zukunft mehr denn je gefragt sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat gesagt, der neue Staatssekretär ist ein Marathonläufer. Er wird diese Ausdauer brauchen. Wir wünschen dir für diese neue Aufgabe alle Gute und viel Erfolg. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.01

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Klug. – Bitte.

 


11.01.43

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Auch bei uns im Bun­des­rat kommt natürlich heute bei dem Tagesordnungspunkt deutlich zum Ausdruck, wie sich Bundesräte von Regierungsparteien und Bundesräte von der Opposition im Allgemeinen unterscheiden, bei steirischen Bundesräten natürlich im Besonderen. Als steirischer Sozialdemokrat und Bundesrat habe ich überhaupt kein Problem damit, mich ganz zu Beginn deutlich von Kollegen Krusche aus der Steiermark zu unter­scheiden, indem ich eingangs festhalte: Ich freue mich außerordentlich, wenn ein Politiker aus der Steiermark die österreichische Bundesregierung verstärkt. Insofern heiße ich Sie sehr herzlich willkommen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Bravorufe bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es geht ums Außenministerium, damit um Außenpolitik, und das bedeutet im Moment eine deutliche Schwerpunktsetzung auf Europafragen. Das ist in der Debatte bisher auch schon deutlich zum Ausdruck gekommen. Trotzdem möchte ich zu Beginn kurz anmerken, dass es von uns im Bundesrat auch eine gewisse Erwartungshaltung gibt, die Belange betrifft, die über die europäischen Grenzen hinausreichen, die Umbrüche im arabischen Raum oder natürlich auch den Krieg in Syrien, um einige Beispiele hervorzuheben. Wir stehen da vor enormen sicherheits­politischen Herausforderungen. Ich möchte als allgemeine Erwartungshaltung depo­nieren, dass Sie, Herr Staatssekretär, Ihren politischen Aktionsradius auch dahin­gehend nutzen, um gerade in diesen Bereichen für mehr Demokratie, für mehr Rechtsstaatlichkeit und für mehr Sicherheit politisch aktiv zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die europäischen Probleme wurden heute schon beleuchtet, zum Teil unterschiedlich, aber eben auch mit einem Blick in die Zukunft.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 53

Insbe­sondere wurden die neuen Herausforderungen, die sich für ganz Europa, aber auch für Österreich stellen, kurz angesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn heute ein neuer Staatssekretär vorgestellt wird, kann ich zusagen, dass wir unseren Staatssekretär im Bundesrat immer begleiten, beobachten, auch kritisch beobachten werden. Es ist wahrscheinlich keine Über­raschung, wenn ich an dieser Stelle festhalte, dass wir in der österreichischen Bun­desregierung einen sozialdemokratischen Regierungschef haben, Minister und Ministerinnen und Staatssekretäre. Im Auftritt nach außen erwarten wir von der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion uns aber schon, dass es einen gewissen Gleichklang gibt. Daher sage ich auch ganz offen, sehr geehrter Herr Staatssekretär: Wenn es erste Interviews gibt, in denen der Regierungschef ganz offensiv kritisiert wird – sinngemäß: mangelnde Überzeugung in der Positionierung in der Europapolitik oder ein Kurs, so wie der Wind gerade weht; (Bundesrat Krusche: Das stimmt ja auch!) Nein, Moment! –, dann muss ich sagen: So, in dieser Form, sehr geehrter Herr Staatsekretär, geht es natürlich auch nicht! Das geht auch nicht von Steirer zu Steirer, und das geht auch, wenn Sie so wollen, von Marathonläufer zu Marathonläufer nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das muss ich auf das Schärfste zurückweisen, denn eines ist völlig klar: Von Anfang an hat unser sozialdemokratischer Regierungschef auf eine differenzierte Europapolitik gedrängt. (Bundesrätin Mühlwerth: Immer ganz klar auf Linie der „Kronen Zeitung“!) Von Anfang an wurde die unsoziale und unflexible Spardoktrin in Europa von unserem Bundeskanzler auf das Schärfste zurückgewiesen, weil wir auch im eigenen Land in diesem Zusammenhang eine differenzierte Politik betreiben. Kollege Kneifel hat schon angesprochen, wie wir uns in Österreich bemühen, die Herausforderungen anders zu bewältigen (Bundesrat Kneifel: Sparen und wachsen!): sinnvolles strukturelles Sparen – ja, aber in Verbindung mit deutlichen wirtschaftspolitischen Impulsen. Das Ergebnis ist, dass wir wirtschaftspolitisch gut dastehen und uns auch über eine geringe Arbeitslosigkeit in Österreich freuen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch, wenn es gelingt, in Europa – die Finanztransaktionssteuer wurde bereits angesprochen – insbesondere das große Problem der Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam zu bewältigen. Jobgarantieprogramme, die wir in Österreich gestartet haben, versuchen wir maßgeblich über unseren Bun­deskanzler in der Europäischen Union voranzutreiben. Der amtierende Kommissions­präsident Barroso ist in Österreich gewesen und hat sich das System der dualen beruflichen Ausbildung auch als Modell für ganz Europa gut angesehen.

Und liebe Kolleginnen und Kollegen! Last but not least bleibt es zweifelsohne letztlich immer dem Amtsinhaber selbst überlassen, wie er die Ausübung des Amtes anlegt. Ich habe vorhin schon angesprochen, dass wir uns gerne bemühen werden, unseren Staatssekretär im Außenamt und für europäische Fragen objektiv zu begleiten.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zu guter Letzt möchte ich für die sozial­demo­kra­tische Fraktion festhalten, dass wir uns außerordentlich freuen, Sie außerordentlich willkommen heißen und es auch außerordentlich unterstützen, dass Sie sozusagen mit einem Antrittsgeschenk von rund 6,6 Millionen € Ihr Staatssekretariat angetreten haben, indem Sie klar und deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass es zu keinen weiteren Kürzungen im Bereich der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit kommen wird.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Seien Sie in diesem Sinne im Bundesrat recht herzlich willkommen geheißen. Wir freuen uns über eine positive Zusammenarbeit. – Glück auf! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.08



BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 54

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 


11.09.10

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich bin vorhin, Herr Minister, das muss ich gestehen, bei Ihrer Erklärung kurz hängengeblieben, denn ich habe den Namen des Staatssekretärs bisher immer auf der zweiten Silbe betont, Sie auf der ersten Silbe. Obwohl wir Sie schon jahrelang begleiten, weiß ich jetzt nicht, wie man den Namen richtig ausspricht: Lopatka oder Lopatka? Vielleicht können Sie uns später darüber aufklären. (Heiterkeit bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Als Grüner stehe ich nicht an, Ihnen viel Erfolg zu wünschen in Ihrem Job. In der Außen- und in der Europapolitik sind Parteigrenzen nicht wirklich interessant. Da geht es darum, wie sich Österreich in der Außenpolitik und Europapolitik positioniert, dies natürlich in demokratischer Auseinandersetzung und auch mit sehr unterschiedlichen Konzepten, die wir entwickeln werden und worüber wir noch genug streiten werden, aber im Prinzip wünsche ich Ihnen alles Gute dabei.

Wenn bei der ÖVP Personalentscheidungen fallen, beobachten wir Grüne das mit großem Interesse, weil wir dann immer fragen, welches System denn gerade angesagt ist: Aus welchem Bundesland muss man kommen und welcher Teilorganisation muss man angehöhren? – Ich muss ehrlich gestehen: Mir ist es relativ wurscht, dass Sie Steirer sind. Ich verstehe auch die einschlägigen Ausführungen nicht. Mir geht es nur um die Qualifikation, und diesbezüglich werden wir Sie genau beobachten. Wir geben Ihnen jetzt die besten Glückwünsche mit auf den Weg, aber wir werden Sie natürlich kritisch begleiten, wie wir das bekannterweise immer tun.

Wenn der Betreffende schon für Sport zuständig war und für Finanzen und jetzt für Europa- und Außenpolitik zuständig ist, auch schon mal für die Partei zuständig war und in diesem Zusammenhang angeblich auch Dirty Campaigning bei den Republi­kanern kennengelernt hat, schauen wir uns das natürlich an. Die Europapolitik ist aber derzeit, wie gesagt, einfach zu wichtig, als dass wir jetzt ausschließlich innen­politisches Kleingeld wechseln wollten. Gleichzeitig ist genau das auch das Problem der Europapolitik, wie wir alle wissen. Europapolitik wird derzeit viel zu wenig im Europa­parlament und viel zu sehr von nationalen Regierungen gemacht, die sich allerdings keiner europäischen Öffentlichkeit stellen müssen, sondern immer nur der jeweiligen innenpolitischen Öffentlichkeit, und immer nur bis zu den nächsten Wahlen denken.

Herr Kollege Kneifel hat davon gesprochen, dass wir über die Organisationsstruktur der Europäischen Union nachdenken müssen. Sie haben allerdings auch gesagt – und das hat mich sehr irritiert –, dass wir eine starke Führungsstruktur brauchen, ohne zu erklären, was Sie damit meinen. (Bundesrat Kneifel: Europa braucht ein Gesicht, ja!) Wenn ich starke Führung höre, befürchte ich immer eine Entdemokratisierung, das sage ich ganz ehrlich. Da sind wir natürlich ganz anderer Meinung. Wir sind der Meinung, dass Europa viel mehr Demokratie braucht und nicht mehr ausschließlich von nationalen Regierungen geführt werden soll.

Europa steht derzeit – das haben wir alle in den letzten Jahren bemerkt – tatsächlich an einem Scheideweg. Wir werden uns entscheiden müssen und wir werden auch öffentlich diskutieren müssen, wohin die Reise geht. Propheten und Prophetinnen haben wir derzeit viele. Die einen sprechen davon, dass Europa schon morgen zerfal­len sein wird, andere sprechen davon, dass wir jetzt die Vereinigten Staaten von Europa brauchen. Das sind sozusagen die zwei (Ruf bei der ÖVP: Pole!) – danke, jetzt ist mir das Wort nicht eingefallen – Pole, zwischen denen wir uns bewegen und über die wir diskutieren.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 55

Wir werden das diskutieren müssen, aber wir werden das nicht ohne die Bürger und Bürgerinnen machen können. Und da gibt es die größten Defizite. Die Probleme beginnen auf der europäischen Ebene, auf der, wie soeben gesagt, die nationalen Regie­rungen viel zu wichtig und die demokratischen Strukturen der Europäischen Union viel zu wenig ausgeprägt sind.

Europa darf sich auch nicht nur als Wirtschaftsunion begreifen. Europa muss lernen – ich sage das jetzt immer vorab, denn ich finde das auch wichtig, es wird aber leider viel zu oft vergessen –, auch eine kulturelle Union in all ihren Facetten, aber auch in all ihren Gemeinsamkeiten zu sein, und Europa muss auch noch viel mehr eine soziale Union werden.

Die Finanztransaktionssteuer – wir haben damals hart verhandelt, als es um den ESM gegangen ist – ist so ein Punkt, zu dem wir sagen: Sie wäre eine Chance, Finanzmittel für eine stärkere soziale Union zu lukrieren. Wenn wir aber sehen, was jetzt auf den Straßen in vielen Ländern Europas los ist – in Spanien, Griechenland, Portugal, Italien –, so kann uns das nicht wurscht sein. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien kann uns nicht wurscht sein – das ist schon angesprochen worden –, und es kann uns auch nicht egal sein – auch wenn österreichische Regierungsmitglieder manchmal laut darüber nachdenken und damit international für großes Aufsehen sorgen, dass man Griechenland möglicherweise doch aus der EU werfen sollte –, dass in Griechenland die Armut in unerträglichem Ausmaß steigt. Die Lageberichte sind dramatisch. Die Leute wissen teilweise schon nicht mehr, wie sie zu Medikamenten kommen. Lohnsenkungen und soziale Einsparungen in dramatischem Ausmaß sorgen dort für ungeheure Armut in Europa.

Da gibt es unterschiedliche Konzepte. Ich möchte nicht auf die niveaulose Rede des Vorredners von der Freiheitlichen Partei eingehen. Ich habe auch nicht lachen können. Ich finde, die Europapolitik hat solch eine Niveaulosigkeit schlicht nicht verdient. Wir müssen allerdings schon darüber nachdenken, ob das, was Populisten in ganz Europa – in Österreich haben wir die mittlerweile schon bei einigen Parteien, bei neuen und bei alten – propagieren: die neue Nationalstaatlichkeit, das Zerbrechen von Europa, die Entsolidarisierung, das Mir-san-mir-Prinzip, eine Lösung wäre oder ob wir sagen: Wir haben auch im globalen Kontext viel zu erledigen, Wettbewerb, Klima­wandel, soziale Fragen. Natürlich geht es auch um die globale Verteilungs­ungerech­tigkeit, die erheblich ist. Jean Ziegler – Sie waren ja letzthin mit ihm in einer Fernsehdiskussion – hat nun einmal in vielen Punkten vollkommen recht. Das sind die großen Fragen, die wir zu beantworten haben werden, und da glaube ich nicht, dass die neue Nationalstaatlichkeit und die Kleinstaaterei, so wie die FPÖ das zum Beispiel will, eine Lösung darstellen. Im Gegenteil. Europa würde dann überhaupt keine Rolle mehr spielen.

Wenn ich höre: Wir geben etwas nach Brüssel ab!, muss ich sagen: Auch wir sind Brüssel, auch wir sind in Brüssel. Es wird immer so getan, als hätten die in Brüssel nichts mit uns zu tun. (Bundesrat Kneifel: Richtig! Wir bestimmen in Brüssel mit!) Das ist aber auch das Problem von Ministern, die sagen ja auch oft, dass die in Brüssel entschieden haben, und zu Hause macht man dann eine andere Politik. (Bundesrat Kneifel: Welche Minister?) – Nein, aber das passiert oft. Das ist ein Riesenproblem. (Bundesrat Kneifel: Wer? Nicht pauschalieren!) Wir müssen einfach damit aufhören.

Ich denke, dass wir auch in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit in den letzten Jahren viel zu viele Defizite gehabt haben. Es wurde viel zu viel auf das Innenpolitische Wert gelegt, auf die nächsten Wahlen, auf das Kleingeld, wenn ich das so nennen darf, und es gab zu wenig Ehrlichkeit, zu wenig Aufrichtigkeit und wurde zu wenige Klartext gesprochen. Wenn wir beispielsweise über den Euro reden, müssen wir in Rechnung stellen, dass die Leute die Krise zu einem erheblichen Teil nicht verstehen. Die intelli-


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gentesten Menschen in meinem Umfeld haben oft noch nicht verstanden, was da genau los ist, weil das ein kompliziertes Thema ist.

Das ist wahnsinnig schwer zu vermitteln, ich weiß es. Man muss jedoch trotzdem die Wahrheit sagen. Man muss, so denke ich, auch neue Kommunikationswege finden, um klarzumachen, dass es so ein Projekt, eine gemeinsame Währung mehrerer Staaten, in der Menschheitsgeschichte – außer man nimmt jetzt den römischen Denar als Gegenbeispiel, aber das war in der Antike und ist auch schon ein bisschen lange her –, zumindest in der Form und in der modernen Geschichte noch nie gegeben hat. Wie will man da alles immer gleich wissen? Das ist einfach nicht so, da muss man ehrlich sein.

Zum Abschluss, weil ich leider schon zum Schluss kommen muss, ich hätte noch sehr viel zu sagen, möchte ich meine tiefe Sorge zum Ausdruck bringen. Ich bitte Sie dringend, Herr Außenminister und Herr Staatssekretär, in der Sache aktiv zu werden. Ich mache mir große Sorgen um Ungarn. Bei der Rede, die Viktor Orbán gestern mit dieser Blut- und Bodenideologie gehalten hat, hat es mir wirklich die Schuhe gezogen. Ich hätte mir nicht gedacht, dass in einem Europa des 21. Jahrhunderts bei einem EU-Mitglied eine derartige Ideologie zu einer staatstragenden und alles erstickenden wird, dass Oppositionszeitungen, Oppositionsmedien auch durch wirtschaftlichen Druck – weil Firmen sich nicht mehr getrauen, dort zu werben – zum Schweigen gebracht werden. Ich spreche jetzt noch nicht von faschistoid, das wäre zu viel gesagt, aber stramm-national, nicht mehr pluralistisch, in diese Richtung geht die Entwicklung schon. Das halte ich für besorgniserregend.

Und ja, wir hätten natürlich auch außerhalb Europas viele Themen zu besprechen: Dass der Iran möglicherweise demnächst eine Atombombe haben wird und einem Land, das ums Eck liegt, mit der Vernichtung droht, das wussten wir seit Langem. Es ist seit Langem wenig gemacht worden, und es spitzt sich immer mehr zu. Ich hoffe, dass die Demonstrationen, die jetzt in Teheran ausgebrochen sind, auch tatsächlich einmal zu einer politischen Veränderung im Iran beitragen, aber da bin ich auch skeptisch. Wahrscheinlich Sie auch. Wir können nur versuchen, dort die Oppositions­parteien und die säkularen Kräfte mehr zu stärken.

Ein weiterer Punkt ist Syrien. Ich kann jetzt nicht mehr darüber sprechen, das Ende meiner Redezeit ist schon gekommen. Ich hätte noch viel zu sagen.

Ich wünsche Ihnen noch einmal alles Gute. Es gibt viele Baustellen, es ist viel zu tun. Gehen wir es an! Wo wir helfen können, helfen wir. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­rat Köberl. – Bitte.

 


11.20.16

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Kollege Mayer!°Auch ein Steirer, gell? – Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister und Vizekanzler! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der heutige Tagesordnungspunkt mit der Erklärung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten anlässlich der Ernennung eines neuen Staatssekretärs gibt uns Gelegenheit, Herrn Dr. Reinhold Lopatka, ich betone es so, bei uns im Bundesrat in seiner neuen Funktion begrüßen zu dürfen.

Einige Kollegen haben dies bereits getan. Gestatten Sie auch mir als Obmann des Außen­politischen Ausschusses, eingangs einen persönlich gehaltenen Willkommens­gruß. Persönlich zum Ersten, weil ich Reinhold Lopatka schon seit mehr als 25 Jahren kenne und in verschiedenen Funktionen als zielstrebigen, geradlinigen, engagierten


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und erfolgreichen Politiker schätzen gelernt habe. Persönlich zum Zweiten, weil wir uns als Steirer – einer hat sich nicht gefreut, haben wir gehört, aber ich bin der Überzeu­gung, viele, viele Steirer haben sich gefreut – freuen über die Ernennung zum Staatssekretär und über das Comeback auf der Regierungsbank. Und zum Dritten, aber das ist nur ein kleines Detail, weil wir beide am 27. Jänner Geburtstag haben. (Bundesrat Jenewein: Bravo!)

Lieber Reinhold! Aus deiner Homepage im Bundesministerium, aus deinem Lebenslauf gehen die wesentlichen Daten, Zahlen und Fakten und Stationen hervor, und es würde den Rahmen dieses Redebeitrages wahrscheinlich sprengen, diese lückenlos aufzuzählen. Lassen Sie mich aber trotzdem zwei Eigenschaften herausgreifen, weil sie wichtig und vielleicht so im offiziellen Lebenslauf nicht zu finden sind! Ziel­orientiertheit und Ausdauer, dies wurde schon angesprochen. Das heißt für mich, den Blick für das Wesentliche haben und auch in schwierigen Situationen nicht aufgeben. Wir wissen, dass es dir als passioniertem Marathonläufer – und du hast mehr als 70 Marathons absolviert, darunter auch einen Höhenmarathon über 100 Kilometer in Nepal, hast du mir persönlich erzählt – nie oder selten in den Sinn gekommen ist, aufzugeben, und du hast das Ziel stets erreicht.

Mut und Verlässlichkeit, das heißt, sich auch vor großen Herausforderungen nicht scheuen, mit Fleiß, Herz und Hirn übertragene Aufgaben umsetzen. Als passionierter Bergsteiger hast du einige der höchsten Berge in verschiedenen Kontinenten bezwungen, und auch in der Politik hast du bewiesen, dass mit vorbildlichem per­sönlichen Einsatz, Leidenschaft und strategischem Denken vieles erreicht werden kann.

Zu den Ausführungen meiner Vorredner: Kollege Krusche! Lass es mich so formu­lieren: Über manche Steirer oder über viele Steirer in der Politik freut man sich. Manches ist aber beschämend. (Bundesrat Mayer: Beschämend, jawohl! – Bundes­rätin Mühlwerth: Was ist da beschämend? – Beifall des Bundesrates Mayer.)

Frau Kollegin Mühlwerth! In einer immer stärker globalisierten Gesellschaft wie der unseren können innenpolitische Entscheidungen zunehmend nicht mehr losgelöst von einer gesamteuropäischen, ja sogar weltweiten Entwicklung gesehen und getroffen werden. Wir sind uns wohl darüber einig, dass wir viele aktuelle Probleme und offene Fragen nicht allein in Österreich lösen können, sondern nur in Gemeinsamkeit mit anderen Staaten. Das heißt, die europäische und internationale Politik gewinnt immer mehr an Bedeutung für die Sicherheit und auch den Wohlstand der Menschen bei uns in Österreich. Für die Österreichische Volkspartei war, ist und bleibt die Europa- und Außenpolitik ein ganz wichtiger Schlüssel für die Gestaltung unserer Zukunft in Österreich.

Unser Vizekanzler, wir haben es bereits gehört, hat erst jüngst wieder gezeigt, dass auch ein kleines Land federführend mitwirken kann, wenn es darum geht, die Zukunft Europas gemeinsam zu gestalten. Mit ihm haben sich zehn Politiker Europas gemeinsam auf den Weg gemacht und uns ein beachtliches Diskussionspapier zur Verfügung gestellt.

Zum neuen Aufgabengebiet als Staatssekretär gehören aber sicherlich auch die klassischen Aufgaben und Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik. Wir sind gut aufgestellt, wenn es um die unmittelbare und mittelbare Nachbarschaft geht, zum Beispiel um den Westbalkan, um den Donauraum, um die Schwarzmeerregion, aber auch in Nordafrika und im Nahen Osten ist das Engagement Österreichs zu sehen und zu bemerken. Wir müssen natürlich auch die klassischen transatlantischen Bezie­hungen entsprechend pflegen.


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Es kommen, und das haben wir auch gehört, immer neue Länder dazu, Schwellen­länder, die an Bedeutung gewinnen: Brasilien, Indien, China, aber auch die Türkei. Das sind große Wachstumsmärkte mit einem großen Zukunftspotenzial. Die müssen wir durch gute Kontakte im Interesse Österreichs nützen, denn eines dürfen wir nicht vergessen: Sechs von zehn Euro, die verdient werden, werden in Österreich durch den Export verdient.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch dem ausgeschiedenen Staatssekretär Waldner danken, der vielleicht nicht beim Kollegen Krusche angekommen ist, der jedoch mit viel Ruhe, viel Beharrlichkeit und ganz hoher Professionalität gezeigt hat, dass Österreich in Europa und in internationalen Gremien Gehör findet.

Ich freue mich, dass ein so ausgewiesener Fachpolitiker wie du, lieber Reinhold, sein Nachfolger wird. Du hast dich selbst definiert, du bist nicht der Diplomat, du bist ein Politiker. Das ist wichtig und richtig. Wie dir, so geht es vielen von uns um ein starkes Europa, um ein stabiles Europa, es geht aber auch darum, dass alle Staaten ihren Beitrag zur Weiterentwicklung zu leisten haben. Es darf nicht sein, dass ein Land sich auf den Erfolgen eines anderen ausruht, sondern es muss jeder seine Struktur­refor­men zuhause machen.

Reinhold Lopatka hat schon bisher den Europadialog stark forciert. Er steht für den Dialog, und ich denke, dass gerade dieser Dialog zwischen den europäischen Par­lamen­tariern, zwischen den Vertretern der nationalen Parlamente sehr, sehr wichtig sein wird. In den nächsten Wochen und Monaten werden noch viele Kompetenz­diskussionen zu führen sein. Kollege Schreuder hat das ja angesprochen. Ich meine, da war einiges Wichtige enthalten. Auf welcher Ebene können wir was am besten lösen? Was lässt sich am besten in den Regionen gestalten? Was lässt sich am besten national gestalten? Wo brauchen wir ein stärkeres Europa, um unser Österreich entsprechend zu schützen und weiterzuentwickeln?

Abschließend möchte ich noch darauf zu sprechen kommen, was Kollege Klug angesprochen hat, die Entwicklungszusammenarbeit. Auch sie ist beim neuen Staats­sekretär in guten Händen. Er bringt sich dafür mit einem ganz speziellen Sensorium ein. Er war vor Ort und hat sich immer wieder positiv eingebracht, und er hat gemein­sam mit dir, geschätzter Herr Außenminister, bewirkt, dass die vorgesehene Kürzung von 6,6 Millionen € nicht zum Tragen gekommen ist, dass diese also weiterhin zur Verfügung stehen.

Alles Gute für die Zukunft dir, lieber Reinhold, ein starkes Team, ein steirisches Glück auf und viel Erfolg! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Lopatka. – Bitte.

 


11.29.19

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Herr Vizekanzler und Außen­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingangs darf ich mich einmal für die doch freundliche Aufnahme bedanken, denn immerhin ist auch die freiheitliche Fraktion dafür, dass Österreich stark im Ausland vertreten ist. Was unsere Botschaften betrifft, haben Sie ein positives Wort gefunden, und das war auch für mich das Positivste, als ich diese neue Funktion angetreten habe. Ich habe sofort gemerkt, wie professionell man da von unserem Diplomatischen Corps unterstützt wird, und da sind auch viele Österreicherinnen und Österreicher froh, wenn sie über Nacht in Not geraten, dass sie eine entsprechende Vertretung im Ausland vorfinden. So gesehen


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habe ich heute hier keine Fraktion bemerkt, die nicht doch auch Positives finden kann an dem, was im Außenministerium, im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten geleistet wird.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte: Es ist Aufgabe eines Staatssekretärs, unabhängig davon, in welchem Ministerium er tätig ist, den Bundesminister best­möglich im Inland, und jetzt im Außenministerium kommt natürlich das Ausland hinzu, zu vertreten.

Wo liegt der Schwerpunkt in diesen Tagen? – Ich sage bewusst Schwerpunkt und nicht die alleinige Aufgabe! – Der ist natürlich zweifelsohne Europa, und da sehe ich auch eine doppelte Aufgabe. Zum einen geht es darum, Österreichs Interessen in Brüssel bestmöglich zu vertreten. Kurz nach meiner Angelobung habe ich schon die Möglichkeit dazu gehabt in den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen. Dabei kommt mir natürlich zugute, dass ich genau das davor auch im Finanz­ministerium gemacht habe. Dort ist man dann für das einjährige Budget in den Verhandlungen zuständig. Wir im Außenministerium haben die Verantwortung, den mehrjährigen Finanzrahmen bestmöglich aufzubereiten, und der Herr Bundeskanzler wird das am Ende sozusagen zum Abschluss zu bringen haben für Österreich im Konzert mit den anderen innerhalb der EU-27.

Es geht darum, alles zu tun, damit wir gegenüber den Steuerzahlern und Steuer­zahlerinnen in Österreich mit gutem Gewissen vertreten können, dass wir unsere Beiträge zahlen. Da sagen wir – wir haben das auf Englisch so unterschrieben –, wir sehen uns als „Friends of Better Spending“, bevor wir zum „More Spending“ kommen, also als Befürworter eines sorgsamen Umgangs, eines bestmöglichen Ausgebens der Mittel.

Zum anderen müssen wir natürlich auch sehen, dass unsere spezifischen österreichi­schen Anliegen durch dieses EU-Budget auch entsprechend unterstützt werden. Weil der Bundesrat ja die Vertretung der Bundesländer, der Regionen ist, sage ich Ihnen: Wir achten natürlich sehr, sehr genau darauf, dass das Geld von der Europäischen Union kommt, was die Regionalförderungen betrifft, was den ländlichen Raum anbe­langt. Das ist ganz wichtig. Ich weiß, wovon ich spreche. Im letzten Jahr war ich Vorsitzender eines solchen Regionalmanagements. Da kann die Europäische Union enorm viel leisten, wenn hiefür auch entsprechende Mittel zur Verfügung stehen.

Wichtig ist mir – und das ist genauso wichtig, sage ich, wie die Vertretung von Öster­reich in Brüssel auf europäischer Ebene –, dass wir unseren Mitbürgerinnen und -bürgern erklären, warum wir welche Entscheidungen in Europa treffen. Daher habe ich auch quasi als Auftrag vom Herrn Vizekanzler bekommen, in dem Zusammenhang auch in die Regionen hinauszugehen. Ich werde das auch tun. Ich hoffe, dass dann bei diesen Veranstaltungen neben Abgeordneten zum Nationalrat auch Bundesräte vertreten sein werden, weil ich diese Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamen­tariern und ich sage auch mit den Landtagsabgeordneten für äußerst wichtig halte. Wir haben in jedem Landtag entsprechende Ausschüsse, und wir brauchen diese Vertretung.

Wir dürfen nicht nur an die Europaabgeordneten denken. Die allein werden es nicht schaffen, denn selbst im kleinsten Bundesland Österreichs gibt es mehr Abgeordnete, als insgesamt an österreichischen Europaparlamentariern zur Verfügung steht, und die haben bekanntlich auch viel in Straßburg und Brüssel zu tun.

Der direkte Kontakt zu den Bürgern ist wichtig, aber ich sehe es als genauso wichtig an, den Kontakt zu unseren parlamentarischen Vertretern zu pflegen, und da muss uns auch einiges gelingen. Kollege Köberl war bei der ersten Sitzung, bei der Inauguration dieses interparlamentarischen Zusammenarbeitens zwischen den Europaparlamen-


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tariern und den Vertretern der nationalen Parlamente dabei. Ich gehe davon aus, dass wir auch in absehbarer Zeit noch nationale Parlamente haben werden, und daher sind diese entsprechend einzubinden.

Das Projekt Europa, und das möchte ich schon auch sagen, dürfen wir nicht quasi auf einen Finanzplatz in Nöten reduzieren lassen. Das Projekt Europa ist etwas Groß­artiges. Das merkt man vor allem dann, wenn man in jene Bereiche außerhalb von Europa kommt, die auch angesprochen worden sind. Unser Lebensmodell, die Sozial­systeme, die in Europa vorhanden sind, selbst in den Staaten, wo es jetzt Probleme gibt, die Pensionssysteme sind einzigartig.

Weil Spanien angesprochen worden ist: Ja, bitte, auch dort gibt es jetzt noch eine Pensionserhöhung, habe ich gerade erst heute gelesen. Das bei all den Problemen, die diese Staaten haben! Da geht es vor allem auch um das Gesundheitssystem, die Bildungsmöglichkeiten, also all das, was in Europa aufgebaut worden ist. Das gilt es auch in Zukunft zu bewahren, und dafür muss Europa wettbewerbsfähig bleiben.

Ich sehe als die größte Herausforderung, Europa wettbewerbsfähig zu halten. Das ist der entscheidende Punkt, damit wir uns all diese Leistungen, die es in der Form nur in Europa gibt, auch weiterhin leisten können. Das gilt übrigens auch innerhalb der reichen OECD-Staaten, wenn ich Richtung USA blicke, wenn ich mir die Systeme in Kanada ansehe oder wo auch immer. Ich sage, die europäischen Systeme sind mit Abstand für die breite Masse der Bevölkerung jene Systeme, die den Menschen Wohlstand und ein Leben ermöglichen, in dem man keine Angst haben muss, wenn man krank wird, keine Angst haben muss, wenn man ein Pflegefall wird, wenn man alt wird. Da ist Europa schon einzigartig, und darüber sollten wir auch alle gemeinsam positiv reden. Alle! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Eines muss jedoch gelten, damit keine Legendenbildungen aufkommen: Ja, Europa muss sich solidarisch verhalten, aber schon nach dem Grundsatz „Strenge Rechnung, gute Freunde“. Das heißt, dass diejenigen, die unsere Solidarität einfordern, auch die notwendigen Reformen umsetzen müssen.

Da hat Europa in der Vergangenheit vielleicht in dem einen oder anderen Bereich zu wenige Möglichkeiten gehabt. Ich kann nur hundertprozentig unterstreichen, was vom Außenminister heute schon angesprochen worden ist: Wir brauchen ein Europa mit mehr Biss. Was meine ich damit? – Wenn Solidarität eingefordert wird, und die Staa­ten, die diese Solidarität einfordern, das Vereinbarte nicht erfüllen können oder wollen, dann muss die Europäische Kommission Möglichkeiten haben, stärker einzugreifen als bisher. Das muss über Empfehlungen hinausgehen, und das war bisher nicht möglich.

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: Es kann nicht so sein, dass die Deutschen, denen immer das meiste abverlangt wird, darüber nachdenken, und sie haben es schon gemacht, das Pensionsalter auf 67 hinaufzusetzen, während andere Staaten, die Hilfe brauchen, darüber nachdenken, wie sie ihr Pensionsalter hinuntersetzen können. Irgendwann einmal ist sozusagen die Spannkraft erschöpft, und dann wird die Bereitschaft dazu nicht mehr da sein. Das heißt, wenn ich Solidarität einfordere, dann muss ich aber auch bereit sein, im eigenen Bereich, auch wenn es schmerzlich und hart umzusetzen ist, die entsprechenden Maßnahmen der Restrukturierung zu setzen.

Europa ist jedoch mehr als die Europäische Union, und das dürfen wir auch nie vergessen. Wir müssen auf die Menschen zugehen, auch wenn sie heute noch weit entfernt sind von einem Beitritt zur Europäischen Union. Ich war gestern in Serbien. Die Serben sind gar nicht mehr so weit entfernt, die haben schon Kandidatenstatus. Sie haben es in der Hand, wie lange es noch dauern wird. Das habe ich gestern auch den serbischen Partnern so gesagt.


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Das ist enorm wichtig für Österreich in vielfacher Hinsicht. Ich denke, Sie sind davor im Wiener Landtag gewesen. Die Serben haben mir gesagt: Wien, das ist unsere zweitgrößte Stadt, und es ist ja tatsächlich so, dass von der Sprache her, von ihrer Herkunft her an die 200 000 Serben hier in Wien leben. Es gibt hier also schon jetzt enorm viele Kontakte. Andererseits haben wir jetzt schon mehr als 400 österreichische Firmen in Serbien. Wir sind mit Abstand der größte Investor in Serbien.

Das heißt, auch in diesem Bereich ist unsere Außenpolitik neben der unmittelbaren Nachbarschaftspolitik richtig aufgestellt, dass wir uns eben des Donauraums, der Westbalkanstaaten entsprechend annehmen, und da werden wir auch europaweit als Experten gesehen. Letzte Woche war ich bei meinem Kollegen im Deutschland, beim deutschen Staatssekretär, um über den mehrjährigen Finanzrahmen zu reden. Was war sein Vorschlag? – Ob ich nicht bereit wäre, mit ihm gemeinsam eine Reise in diese Region zu machen, konkret nach Bosnien-Herzegowina. Warum? – Weil er weiß, dass auf österreichischer Seite die entsprechende Expertise gegeben ist. Das ist die Brückenfunktion, die wir wahrnehmen können, die wir aber auch wahrnehmen müssen.

Da ich gerade bei der Brückenfunktion bin: Nordafrika ist angesprochen worden. Noch als außenpolitischer Sprecher war ich in diesen Staaten unterwegs. Es ist eine enorme Aufgabe, wozu auch Frau Parlamentspräsidentin Prammer schon entsprechende Schritte gesetzt hat, dort die demokratischen Kräfte zu unterstützen. Es ist noch nicht endgültig entschieden, mit welchem Tempo und auch mit welchen ersten Schritten der Ausgestaltung tatsächlich gestartet wird, wie demokratisch es wird, welche Beachtung die Menschenrechte, gerade wenn es um Frauenfragen geht, finden und wohin die Reise insgesamt geht. Es war wichtig, dass dieser Arabische Frühling Platz gegriffen hat, aber noch wichtiger ist jetzt, dass die Entwicklung eine ist, über die man als Demokrat wirklich glücklich sein kann und bei der dann nicht die Sorgen größer sein müssen als das, worüber man sich freuen kann. Auch hier haben wir entsprechende Aufgaben, und da ist Österreich gut aufgestellt in diesen Ländern. Gerade auch was unsere Botschaften betrifft, haben wir dort exzellente Vertreter Österreichs.

Ich habe den internationalen Wettbewerb angesprochen: Wenn man sich die Wirt­schaftsdaten ansieht, sind die Zahlen von Österreich besser als die der Europäischen Union, auch in der Prognose, aber trotzdem natürlich weit entfernt von den soge-nannten BRIC-Staaten, ob das Brasilien ist, ob das Russland ist, ob das Indien ist, China, Südafrika, und da kommen immer noch weitere Staaten hinzu. Auch da gilt es, Schritte zu setzen, damit Österreich die entsprechenden Kontakte knüpft, damit wir dort auch vertreten sind.

Ich bin einer, der im Finanzministerium immer sehr darauf geachtet hat, wo man sinnvoll einsparen kann. Ein Bereich, in dem man sicher nicht einsparen kann, ist in der heutigen Zeit der Bereich des Außenministeriums. Dieses Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten hat so viele wichtige Aufgaben zu erfüllen. Wir werden ja bald das Budget diskutieren, und schauen Sie sich das Budget an, es ist wirklich sehr bescheiden im Vergleich zu anderen Ressorts, um all diese Aufgaben wahrnehmen zu können.

Damit bin ich auch gleich direkt beim Staatssekretär, denn von freiheitlicher Seite bin ich ja auch schon begrüßt worden mit: Den unnötigen Posten kann man einsparen. In 22 der 27 EU-Staaten ist man der Auffassung, auch in kleinen Ländern wie Zypern, dass man neben dem Außenminister einen eigenen Europaminister braucht oder zumindest einen Staatssekretär. Die Italiener, die jetzt auch einen Sparkurs fahren, haben einen Außenminister, einen Europaminister und zwei Staatssekretäre, um das hier anzusprechen. (Bundesrätin Mühlwerth: Kein gutes Vorbild!) Ich könnte Ihnen aber auch andere Beispiele nennen. Also ich sage Ihnen: Bei dieser Vielfalt an


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Aufgaben ist es sehr wohl gerechtfertigt, auch im Ministerium entsprechend aufgestellt zu sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Gott sei Dank ist Österreich, und insbesondere Wien als UNO-Stadt, eine Stadt, in der viele internationale Institutionen angesiedelt sind, eine Destination, in der beinahe kein Tag vergeht, an dem es nicht die Anfrage von einem Minister, von einem Staats­sekretär gibt, ob nicht die Möglichkeit zu einem Gespräch besteht. Und es ist das Mindeste, wenn Gäste, Regierungsmitglieder zu uns kommen, alles zu tun, um die notwendige Zeit aufzubringen, und das nicht – und bitte, mich da nicht falsch zu verstehen – auf Beamtenebene zu machen. Wenn ein Politiker kommt, so möchte der auch mit einem Regierungsmitglied, mit einem Politiker die Möglichkeit haben, aktuelle Themen zu besprechen. Auch auf dem Gebiet gibt es also enorm viel an Herausfor­derung.

Unser Ministerium ist dasjenige, in dem die Zukunftsfragen der Menschheit alle ent­sprechend bearbeitet werden müssen. Die Friedenssicherung, die Frage des Klimas, Menschenrechtsfragen sind schon angesprochen worden. Das gilt auch, wenn es um Fragen der Abrüstung, um den Dialog der Kulturen geht. Vorhin ist das neue Dialog­zentrum in Wien, das heuer im Herbst eröffnet wird, angesprochen worden. Das sind alles ganz wichtige Bereiche, die alle in unserem Bundesministerium angesiedelt sind.

Wir haben beim nächsten Tagesordnungspunkt die Möglichkeit, den Außenpolitischen Bericht zu besprechen. Wer von Ihnen sich die Zeit nimmt, mehr als 500 Seiten zu studieren, wird sehen, was an Arbeit geleistet wird, und diese Arbeit ist natürlich auch entsprechend politisch zu begleiten.

Österreich hat auf globaler Ebene, und auch das möchte ich nur noch ganz kurz an­sprechen, eigentlich immer mehr geleistet als das, was aufgrund der Größe des Landes von uns erwartet werden konnte. Denken Sie nur an die vielen Leistungen unserer Soldaten im Interesse des Friedens! Großartig, was hier junge österreichische Männer zur Friedenssicherung beigetragen haben und bis zum heutigen Tag noch beitragen. Da hat Österreich also viel geleistet.

Darüber hinausgehend: Jetzt gerade ist Österreich im Menschenrechtsrat mit ent­sprechenden Schwerpunktsetzungen, was die Meinungsfreiheit, was den Schutz von Journalistinnen, von Journalisten betrifft, was Religionsfreiheit betrifft, den Schutz religiöser Minderheiten – eine ganz wichtige Frage für mich persönlich als Christdemo­krat, auch wenn es um Kinderrechte geht. Da kann Österreich viel tun, und wir tun auch viel.

Ich erinnere an unsere Beiträge, als wir im Sicherheitsrat vertreten waren. Wir sind gefordert, neben der europäischen Perspektive – natürlich wird der Schwerpunkt von uns auf Europa gelegt – auch die Entwicklungszusammenarbeit zu sehen. Es war nicht ich, sondern Außenminister Spindelegger, der in den Verhandlungen ausnahmsweise diese Rücknahme von schon ausverhandelten Kürzungen erreichen konnte, was das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit betrifft. Dies ein wichtiger Punkt, in dem Österreich innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft aufgrund seines Wohl­stan­des auch besondere Verpflichtungen hat, und wir wollen denen nachkommen.

Ich suche vor allem das Gespräch mit den NGOs, also mit den Nicht-Regierungs­organisationen. Es gibt sehr, sehr viele, die mit großem Engagement in Österreich tätig sind. Ich hatte schon eine Reihe von Gesprächsrunden, werde diese Gespräche natür­lich auch fortsetzen.

Der zweite Punkt ist, dass wir in der Lage sind, dort ganz schnell zu helfen, wo die Not am größten ist, das ist bei Flüchtlingen, zuletzt war das bei Syrien der Fall, das ist bei Hungerkatastrophen, Dürrekatastrophen, denken Sie an die Sahel-Zone oder an das


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Horn von Afrika im Vorjahr. Wenn es zu humanitären Notsituationen kommt, geht es darum, sofort entsprechend eingreifen zu können. Ich bin mir sicher, dass wir auch dabei auf einem guten Weg sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist also eine sehr umfassende, breit­gefächerte Agenda, für die ich mich sehr und mit ganzer Kraft einsetzen möchte. Ich komme natürlich jedes Mal gerne in den Bundesrat, wie schon zuletzt in meinen anderen Funktionen innerhalb der Bundesregierung, weil ich gerade die Debatte hier, wenn es um internationale Fragen, wenn es um Europapolitik geht, für so wichtig halte. Wir müssen sie hinausbringen in die Regionen, in die Bundesländer, und Sie sind die Vertreter der Bundesländer. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Pisec. – Bitte.

 


11.46.49

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich mich nochmals kurz zu Wort melde, weil die KMU-Betriebe, also die Klein- und Mittelbetriebe Österreichs, von Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, angesprochen worden sind. Sie meinen, dass die Kreditklemme, unter der die Wirtschaft, die Realwirtschaft in Österreich zweifelsohne leidet, auf Basel II und Basel III zurückzuführen ist. – Das ist nur bedingt richtig. Basel II und Basel III sind ja gar nicht so schlecht, wenn den Banken restriktive Vorgaben gemacht werden. Was die Kreditklemme wirklich auslöst, ist eigentlich die europäische Bankenlandschaft, die nicht fähig ist, sich endlich auf die Beine zu bringen, und die gesamte Staaten­gemeinschaft.

Wenn ich an das Geldvolumen denke, das die EZB emittiert, diese Geldflutung der europäischen Märkte mit dem Euro, und es immer noch so eine Kreditklemme gibt, dann muss ich mir überlegen, dass möglicherweise irgendetwas anderes nicht stimmt und getan werden muss, um diese Banken und die Staatswirtschaft endlich auf die Beine zu bringen, denn die saugen die gesamten Geldbeträge auf, die von der EZB emittiert werden.

Solange es keine Bankenkonkursordnung respektive -insolvenzordnung gibt – die gibt es ja noch immer nicht in Österreich – und solange es keine Staateninsolvenzordnung gibt, wird das ganze Werkl nie funktionieren. Ein Land wie Griechenland gehört endlich in Insolvenz geführt. Das bringt nämlich so nichts, das geht nicht so weiter, wie sie die ganzen Geldvolumina aufsaugen, die letztlich der Wirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen.

Wenn ich kurz in meiner persönlichen Eigenschaft als Unternehmer sprechen darf: Bei meiner letzten Reise nach Asien hat sich vermehrt gezeigt, dass es ein europäisches Labelling gar nicht gibt. Die Identifikation mit Ländern, mit Nationen, auch wenn Kollege Schreuder dieses Wort nicht so gerne hat, mit Staaten ist größer als in der Vergangenheit. Das Labelling Made in Germany, Made in Austria als Trittbrettfahrer von Made in Germany, und anderer nordeuropäischer Staaten ist aktueller denn je. Es ist wesentlich leichter – das sage ich als Realwirtschaftler ganz ehrlich –, Geschäfte abzuschließen, weil die gesamte mediterrane Front, und das tut mir irgendwie leid, weggebrochen ist.

Das ist eine Wirkung des Euro, und deshalb muss man endlich unterscheiden zwischen den positiven EU-27 und dem absolut negativen Input der Euro-17. Aufgrund


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der Erfahrungen in Asien, aber auch in den USA, ist Europa für mich kein Identitäts­begriff, sondern ein Raumbegriff. Das sollte hier auch einmal unterschieden werden, bitte.

Sehr geehrter Herr Kollege Kneifel! Eine Krise, und die hat ja bekanntlich schon 2008 begonnen, bedeutet einen Einbruch in der Linearität der Entwicklung, und aus dem müsste man dann wieder herauskommen. In der Staatswirtschaft ist das noch lange nicht geschehen. Da befinden wir uns schon lange in einer großen Depression, die oft mit jener von 1929 bis 1933 verglichen wird, aber von einer Krise kann sicherlich nicht mehr gesprochen werden. (Bundesrat Kneifel: Wir sind sehr gut durch die Krise durchgekommen!)

Nach der Krisendefinition hättest du vielleicht für die Wirtschaft recht, denn der Wirtschaft geht es im Großen und Ganzen relativ gut, aber den Staaten, auch dem österreichischen, nicht. Das wage ich also zu bezweifeln. Gestern habe ich im Fern­sehen gehört, dass irgendjemand gesagt hat, wir sollten endlich Lösungen präsen­tieren. Eine Lösung wäre, endlich einmal ein ausgeglichenes Budget zu präsentieren. (Bundesrat Kneifel: Wart’s ab!)

Sehr geehrter Herr Kollege Kneifel! Du hast dir das gestern im Fernsehen sicherlich angeschaut, die Replik der Bundesregierung. Das Staatsdefizit tritt schon wieder aus den Ufern. Nicht einmal die 3 Prozent könnt ihr einhalten! Und ohne ausgeglichenes Budget wird es auch nie Geldwertstabilität geben, denn das ist die Basis, weil der Euro sonst entwertet wird. (Bundesrat Kneifel: Da musst du mit deinen Freunden in Kärnten reden!) Und dann sehe ich mir erste Reihe fußfrei an, wie Sie mit der Teuerung, die kommen wird, zurechtkommen und wie Sie den österreichischen Bürgern erklären, dass ihnen durch diese Politik verfügbares Einkommen weggenommen wird. Wir wissen ganz genau – das hat eine interessante Studie ergeben –, dass das verfügbare Einkommen seit dem Jahr 2000 sinkt und sinkt und sinkt, weil die Teuerung einfach falsch berechnet wird. Die liegt nicht bei 3,2 Prozent, sondern bei 10 Prozent und höher, wie wir alle wissen, weil der Lebenshaltungsindex steigt. (Bundesrat Kneifel: Da liegst du falsch!)

Aus diesem Grund bewegt sich Europa – und das tut mir als Unternehmer selbst auch leid, das sage ich ganz ehrlich – eher in Richtung Divergenz als in Richtung Kon­vergenz. – Das war eine Replik auf die österreichische Bundesregierung im Zusam­menhang mit dem gesamten Eurodesaster. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

11.51.412. Punkt

Außen- und Europapolitischer Bericht 2011 der Bundesregierung (III-470-BR/2012 d.B. sowie 8791/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


11.51.54

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2011 der Bundesregierung. Dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor.


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Ich stelle daher gemäß den Beratungen im Ausschuss den Antrag, diesen Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


11.52.34

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Herr Neo-Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Schade eigentlich, dass wir die Debatte heute nicht nur unter einem Tagesordnungspunkt durchgeführt haben, weil ja im Prinzip alles Hand in Hand geht. Zumindest die Begrüßung des Staatsekretärs Lopatka und die Repliken auf den Außen- und Europapolitischen Bericht sind natürlich thematisch sehr ähnlich. Somit sind einige Dinge bereits gesagt worden.

Mir bleibt, allen ein Dank auszusprechen, die an der Erstellung dieses Berichtes beteiligt waren. Es ist, wie ich das bereits im April geäußert habe, ein sehr umfang­reiches Konvolut mit wiederum über 500 Seiten. Damals hatte ich kurz die Anregung gebracht, dass man eventuell vielleicht nur noch die Neuerungen in einem Anhang bringen könnte. Das würde das dann vereinfachen. Leider ist es diesmal noch nicht möglich gewesen, vielleicht kommt es ja in Zukunft, dass eine andere Art und Weise des Publizierens gewählt wird.

Ein Lob gebührt, wie auch Sie, Herr Staatssekretär, richtigerweise gesagt haben, den konsularischen Mitarbeitern, die weltweit tätig sind und jeder Österreicherin und jedem Österreicher auf der ganzen Welt hilfreich zur Seite stehen, wenn einmal Not am Mann ist. Wenn man selbst Auslandserfahrung hat, ist man äußerst dankbar, wenn solche Institutionen verfügbar sind, auf die man jederzeit zurückgreifen kann.

Es gibt eigentlich rein technisch gesehen keine Veranlassung, diesen Bericht nicht zur Kenntnis zu nehmen, aber wenn man mit der generellen Marschrichtung oder gewis­sen richtungweisenden politischen Aussagen nicht übereinstimmt, dann ist eigentlich die einzige Variante oder die einzige Möglichkeit dem entgegenzutreten, dass man den Bericht einfach nicht zur Kenntnis nimmt. Eine andere Möglichkeit gibt es leider nicht.

Wir haben vorhin gerade über die Eurokrise gesprochen haben, die schon längere Zeit die Situation bestimmt und auch noch weiterhin die Lage bestimmen wird. In diesem Bericht kommt der Herr Außenminister zum Beispiel zu dem Schluss, dass es gelungen sei, notwendige Kriseninstrumente zu schaffen. Ich gehe davon aus, dass er damit den ESM und den Fiskalpakt meint. Unsere Auffassung ist, dass dieser ESM sicherlich kein Allheilmittel sein wird. Wir stellen das wirklich in Frage, und auch die Diskussion unter Experten zeigt, dass wir, wie bereits angesprochen, damit nicht allein auf weiter Flur stehen, sondern diese Meinung auch von anderen Experten geteilt wird.

Wir sind auch überzeugt, dass diese Diskussion geführt werden darf, auch wenn sie nicht dem Mainstream entspricht. Dazu leben wir in einer Demokratie, und ich finde es notwendig, auch andere Seiten der Medaille ansprechen zu dürfen, ohne sofort in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden. Das ist ebenfalls nicht der richtige Weg.

Die Europadialog-Tour des Außenministers wurde auch 2011 weitergeführt. Diese Europadialog-Tour hätte dazu dienen sollen – davon gehe ich einmal aus –, Vertrauen in Europa zu bilden oder zu erhöhen. Der Index des Vertrauens in die EU, den ich gestern noch nachgelesen habe, ist zum siebten Mal in Folge gesunken. Offensichtlich ist also die Absicht hinter dieser Tour nicht aufgegangen.


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Wir sind der Meinung, dass das Vertrauen in die EU nur dann gestärkt werden kann, wenn die EU in neue Bahnen gelenkt wird. Wir sind auch der Meinung, dass wir nicht mehr Brüssel brauchen, sondern weniger und dafür mehr Österreich, mehr Europa der Vaterländer mit ihren starken Regionen und keinen EU-Bundesstaat, von dem zum Beispiel EU-Abgeordneter Karas in seinem letzten Newsletter geschrieben hat, der sich ganz dezidiert die Vereinigten Staaten von Europa wünscht. Das entspricht nicht unserer Vorstellung! (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Kneifel hat vorhin das Niveau der Rede meines Kollegen Krusche ange­sprochen und hat dazu auch einen Fragenkatalog aufgeworfen, sprich Fragen, Fragen, Fragen. Auch er hat keine Lösungen präsentiert, aber er hat richtigerweise festgestellt, denn die Fragen hätte ich hier jetzt auch alle auf meinem Papier gehabt, dass sich irgendwer dann auch den Lösungen widmen muss. Wir sollten auch im Bericht nicht nur global berichten, sondern auch Lösungsansätze, die tatsächlich aus Österreich kommen, ansprechen beziehungsweise notieren, damit nachzuvollziehen ist, was getan wurde.

Eine zusätzliche Frage, die aus den Reihen unserer Partei kommt, ist die Südtirol-Frage. Die Monti-Regierung hat die Südtirol zustehenden Gelder logischerweise einfach mit dem Sparpaket gekürzt. Südtirol möchte selbstverständlich einen Beitrag dazu leisten, aber nicht auf die Art und Weise, dass Beiträge schlicht und einfach gekürzt werden. Da besteht ebenfalls eine Aufgabe des Außenministeriums, der wir uns widmen müssen.

Ich hätte auch gerne gefragt zur Österreich-Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat, in dem wir ja seit Juni 2011 Mitglied sind: Erstens: Wo konnte Österreich konkrete Akzente setzen? Angekündigt waren ja die Religionsfreiheit, die Medienfreiheit und der Schutz von Kindern. Was hat sich in diesen Bereichen Positives getan? Bei so einer Mitgliedschaft darf man auch nachfragen, was sie kostet.

Ebenfalls interessiert hätte mich die Haltung Österreichs oder die Strategie gegenüber den betreffenden Ländern nach dem „Arabischen Frühling“. Sie haben das schon kurz angesprochen. Die Menschen dort haben richtigerweise gegen die dortigen Macht­haber rebelliert. Wie geht es jedoch den Menschen in Ägypten, in Tunesien und aktuell in Syrien heute tatsächlich? Was können wir dort tatsächlich sichtbar tun? In diesem Zusammenhang stellt sich so nebenbei schon auch die Frage, ob das „König Abdullah Dialogzentrum“ tatsächlich als Unterstützung für diese Länder wirksam werden wird.

Ebenfalls interessieren würde mich die Haltung des Außenministers, des Außenminis­teriums oder in diesem Falle Ihre Haltung dazu, dass immer öfter christliche Kirchen Opfer von Anschlägen werden. Ich glaube, dass auch das eine Aufgabe für unser Außenministerium ist. Es ist auch unsere Aufgabe, die christliche Kultur in der Welt stark zu machen und Position zu beziehen. Ich hätte gerne gefragt, ob es diesbe­züglich sichtbare Zeichen von unserer Seite gegeben hat. (Präsident Keuschnigg übernimmt den Vorsitz.)

Diese Punkte veranlassen meine Fraktion, den vorliegenden Bericht nicht zur Kenntnis zu nehmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.00


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte.

 


12.00.57

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich eingangs für den großartigen Bericht bedanken. Der Vizekanzler hat andere Termine, aber ich


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 67

möchte ihm auf diesem Wege den Dank meiner Fraktion ausrichten. Es ist wirklich ein imposantes Werk mit mehr als 530 Seiten, es werden außenpolitische Angelegen­heiten, europäische Angelegenheiten in einem besonderen Licht dargestellt.

Es ist insgesamt, Frau Kollegin Michalke, einfach ein Erfolgsbericht, und es ist einfach eine fadenscheinige Ausrede, einige Fragen der Zukunft damit zu verquicken, einige Fragen zu formulieren. Es geht hier um den Bericht 2011, und im Bericht 2011 kann nun einmal nicht über die Angelegenheiten und die Weiterentwicklung in Ägypten gesprochen werden. Das ist technisch schon nicht möglich in einem Bericht 2011. Das muss man einfach in aller Deutlichkeit erwähnen.

Wenn Sie Kritikpunkte gegenüber dem Außenministerium haben, dann könnten Sie das vielleicht in einer Aktuellen Stunde anführen, aber dann wäre wahrscheinlich nach der Begrüßung keine Zeit mehr übrig, weil es an diesem Bericht 2011 nichts zu kritisieren gibt. Da müsste man nach der Begrüßung die Aktuelle Stunde wieder abbrechen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eure Sicht der Dinge!)

Ich könnte für euch diese 530 Seiten wirklich Seite für Seite vorlesen, damit bei euch auch nachhaltig die ganze Botschaft ankommt. Dann könnte man diese faden­schei­nigen Begründungen einfach abstellen, denn es ist wirklich fadenscheinig, hier herauszugehen und zu sagen: Ich lehne diesen Bericht ab, weil in die Zukunft gegriffen keine Positionen angebracht worden sind!

Der Bericht bietet ein umfassendes Spektrum außenpolitischer Aktivitäten Österreichs auf europäischer und globaler Ebene. Verdeutlicht werden politische Schwerpunkte wie etwa internationale Krisenbewältigung, europäische Integration, Menschenrechtsschutz und humanitäre Hilfe. Ein Beispiel: die rasche Entsendung des Krisenunterstützungs­teams des Außenministeriums, natürlich verstärkt durch das Innen- und Verteidigungs­ressort, bei der Evakuierung von tausenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus Tunesien, Ägypten, Libyen und Japan. Kein einziger Österreicher kam bei diesen Krisen zu Schaden. Wir sind somit unserem Auftrag, weltweit für diese Menschen da zu sein – und unter diesem Titel steht dieser Bericht – in vollem Umfang nachge­kommen. – Das ist auch ein entscheidender Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die gelebte Effizienz und Professionalität bei der Krisenbewältigung sind ein Beweis für die Kompetenz und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein Ergebnis der konsequenten Bemühungen zur Gewährleistung des bestmöglichen konsularen Schutzes.

Die Bewältigung der Wirtschaftskrise und der Finanzkrise wurde hier schon ange­sprochen. Selbstverständlich hat die übermäßige Verschuldung in einigen Staaten die Stabilität des gesamten Euroraums gefährdet und rasches Handeln der Mitgliedstaaten erfordert. Es ist wirklich gelungen, notwendige Kriseninstrumente zu schaffen; das hat Außenminister Spindelegger schon angesprochen. Darüber hinaus sind wir als kleines Österreich wirklich bemüht, in der Schulden- und Wirtschaftskrise alles nur erdenklich Mögliche einzubringen – dokumentiert auch mit unseren Wirtschaftszahlen, die europa­weit hervorragend sind. – So schaut es aus, und das kann man auch nur doppelt unterstreichen, Frau Kollegin Michalke! Neben den Kriseninstrumenten werden des­halb Initiativen zum nachhaltigen Wachstum, zur weiteren Ermöglichung von Beschäf­tigung natürlich auch gefördert.

Kollege Krusche kann vielleicht als freiheitlicher Beuteltierexperte gelten, aber als Außen­minister deiner Fraktion hast du wirklich einige besondere Schwächen bewiesen. Europapolitik ist heutzutage auch mehr und mehr Krisenbewältigung. In keinem Bereich in Europa ist die positive Dynamik derzeit so zu spüren wie bei der Erweiterung der EU. Beim Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien haben


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 68

Österreich und auch unser Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger hervorragende Leistungen erbracht. Es gab zum Beispiel in der Bucht von Piran Probleme, und da hat sich Österreich eingebracht.

Zu sagen, unser Außenminister liege sozusagen in der Hängematte und arbeite nichts, ist nicht nur eine Gemeinheit, sondern eine Frechheit, weil wir wissen, dass er ein hart arbeitender, allseits geschätzter und hervorragender Außenminister ist. Das wird inzwischen nicht nur in Europa, sondern seit seinem Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat auf der ganzen Welt anerkannt, Herr Kollege Krusche! (Beifall bei der ÖVP.)

Also nicht nur in der EU, sondern auch bei den Partnern in Südosteuropa wird Österreich mit starker Stimme und als treibende Kraft für die EU-Erweiterung am Westbalkan wahrgenommen. Mit dem Vorschlag für einen Kandidatenstatus auf Probe für Serbien – Staatssekretär Lopatka hat das erwähnt – hat das österreichische Außenministerium zusammen mit den französischen und italienischen Amtskollegen einiges eingebracht. Wenn die Serben aus diesem Potenzial nichts machen – der Dialog mit dem Kosovo steht praktisch seit Februar still –, dann ist das eine Angele­genheit der Serben, sie bestimmen schlussendlich das Tempo selbst, mit dem die Beitrittsverhandlungen fortgesetzt werden. Das hat unser Staatssekretär hier eindeutig erwähnt. Man sieht, mit welcher wirklichen Einsatzfreude sich unser neuer Staats­sekretär einbringt und wie Österreich im Dialog am Westbalkan wieder hervorragende Beispiele setzt.

Wir haben auch den Donauraum heute schon angesprochen. Der Außenminister hat gesagt, dass es eine besondere Strategie Österreichs gibt, die damals mit den Rumänen ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, das Potenzial der Donau als europäische Wasserstraße auszuschöpfen und die vorhandenen Ressourcen und Instrumente der EU bestmöglich zu nutzen. Österreich kann da laut einer umfassenden Expertise bei der umweltschonenden und effizienten Nutzung der Donau als Transportweg impulsgebend wirken.

Der Bundesrat hat sich zu dieser Donauraumstrategie in einer Enquete, die Bundesratspräsident Gottfried Kneifel initiiert hat, entsprechend eingebracht. Wir haben wichtige Impulse im Zusammenhang mit dieser Donauraumstrategie als österreichischer Bundesrat gesetzt. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit erwähnt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Krusche! Europa kann also auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn es von allen mitgetragen wird – und dazu seid ihr Freiheitlichen auch aufgefordert! Dazu braucht es auch eure positiven Impulse, anstatt alles schlecht und madig zu machen. Das ist für die Weiterentwicklung von Europa ganz wichtig!

Die Stärkung des Vertrauens in die EU gehört daher zu den Aufgaben, denen sich das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten besonders verpflichtet fühlt. In diesem Zusammenhang sei auch besonders die 2011 begonnene Europadialogtour erwähnt, im Rahmen welcher die Bundesländer besucht werden. Unser Außenminister Michael Spindelegger hat auch angedeutet, dass er das fortsetzen wird. Für diesen Schwerpunkt braucht es den direkten Kontakt, den Austausch, braucht es Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Europa­ange­legen­heiten auf Gemeindeebene. Europa beginnt auch in jeder kleinen Gemeinde. Es sei besonders erwähnt, dass die EU-Initiative bei Gemeinderätinnen und Gemeinde­räten großen Erfolg hat. Mittlerweile gibt es bereits über 500 Europagemeinderätinnen und Europagemeinderäte in ganz Österreich, in allen Bundesländern, aus allen politischen Parteien. An einen weiteren Ausbau ist gedacht, wie wir heute von Außenminister Spindelegger gehört haben. Diese sogenannten Townhall Meetings werden also fortgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 69

Für mich ist jetzt auch noch ein kleiner Punkt, was die Vereinten Nationen anbelangt wichtig. Das ist eigentlich ein großer Schwerpunkt. Ich möchte es hier erwähnen, weil man unmöglich in einer kurzen Redezeit diesen Bericht so ausführlich referieren kann.

Österreich hat natürlich auch einen Schwerpunkt bei den Vereinten Nationen. Seit 2011 ist Österreich Mitglied des UNO-Menschenrechtsrates, nach dem Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat, den das kleine Österreich auch hervorragend abgewickelt hat – nur so nebenbei erwähnt –, wobei dem Schutz der Religionsfreiheit, der religiösen Minderheiten, der Medienfreiheit und der Journalisten ebenso wie den Kinderrechten ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.

Wien ist nun einmal Drehscheibe für Frieden und Dialog, und das gilt es auszubauen. Es wird also eine konsequente Amtssitzpolitik seitens Österreichs und des österreichi­schen Außenministeriums betrieben. So erreichte man 2011 die Ansiedlung des Wiener Zentrums des UN-Büros für Abrüstungsfragen et cetera, et cetera.

Sehr verehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause! Das waren jetzt nur einige wenige Ausschnitte aus einem großartigen Bericht, Fragmente sozusagen. Ich darf mich abschließend bei den Beamtinnen und Beamten des Außenministeriums, bei unserem Außenminister Michael Spindelegger und natürlich auch bei unserem neuen, längst angelobten Staatssekretär Reinhold Lopatka recht herzlich für diesen groß­artigen Bericht bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.11


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar zu Wort. – Bitte.

 


12.11.26

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön für diesen doch sehr umfassenden Bericht, der einen sehr schönen Abriss über die Entwicklung in der Welt und Europa gibt, allen voran auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Außenministeriums.

Ich habe schon im Außenpolitischen Ausschuss gesagt, dass der Bericht einen sehr großen Schwerpunkt auf die Europapolitik legt. Das ist natürlich vor dem Hintergrund der Krise in Europa auch leicht nachvollziehbar. Es vergeht keine Bundesratssitzung, wo wir nicht über die großen Probleme in Europa diskutieren, über die steigende Jugendarbeitslosigkeit, über die steigende Armut, über die immer stärker werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Ich glaube, das ist auch besonders wichtig.

Gleichzeitig denke ich, dass natürlich aufgrund der Tatsache, dass wir in Europa sehr stark mit uns selbst beschäftigt sind – wenn ich das jetzt einmal so sagen darf – Themen der internationalen Entwicklung ein bisschen in den Hintergrund gedrängt werden. Sehr oft kommen viele Hintergrundinformationen auch zu kurz. Das ist mir vor allem bei meiner Visite Jordaniens sehr stark aufgefallen. Da ist mir erst recht bewusst geworden, wie stark Jordanien von seinen umgebenden Ländern betroffen ist. Jordanien liegt eben mitten in einer Region, die von Konflikten und Kriegen gezeichnet ist. Jeden Tag flüchten an die 3 000 bis 4 000 Flüchtlinge aus Syrien nach Jordanien, mittlerweile hat Jordanien 200 000 Flüchtlinge aufgenommen. Das Land stößt immer mehr an die Grenzen seiner Kapazitäten. Natürlich hat eine Destabilisierung der Region nicht nur für Jordanien sondern für die gesamte Nahostregion große Folgen.

In diesem Bericht ist ein ganzes Kapitel dem Nahostkonflikt und der Rolle Österreichs gewidmet, was ich auch sehr lobenswert finde. Es ist sogar sehr ausführlich. Daran erkennt man, dass Österreich gerade in der Nahostpolitik eine langjährige Tradition


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hat, die es auch weiterhin pflegt. Ich denke, dass gerade diese Vermittlerrolle Öster­reich sehr stark in der Welt ausgezeichnet hat.

Auch die Lage im Iran wird in diesem Bericht ausführlich behandelt. Es wird sehr stark auf die Verschlechterung der Menschenrechtssituation darin eingegangen, was auch sehr gut und wichtig ist. Ich muss Ihnen ehrlich und offen gestehen, dass ich mir in einem ersten Reflex gedacht habe: Wird auch die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien so detailliert beschrieben? – Das ist jetzt offen und ehrlich meine Meinung dazu, weil das doch zwei Nachbarländer sind und weil der Persische Golf diese Länder verbindet. Ich habe natürlich sehr neugierig nachgeschaut, habe aber nur einen Satz zu Saudi-Arabien gefunden. Vielleicht irre ich und habe etwas überlesen, wenn das so ist, dann nehme ich das natürlich sofort zurück. Dort ist gestanden, dass die Lage aufgrund der vielen Sozialtransfers stabil ist, und das vor dem Hintergrund, dass das eigentlich zwei Länder in derselben Region sind, vor dem Hintergrund, dass in beiden Ländern eigentlich Hinrichtungen stattfinden und es die Todesstrafe gibt.

Ich möchte da nicht missverstanden werden. Ich will die Menschenrechtslage im Iran überhaupt nicht schönreden, man muss aber fairerweise sagen, auch wenn der Iran im medialen Fokus steht, wenn ich beide Länder miteinander vergleiche – vielleicht darf man das nicht –, dann ist der Iran in mancherlei Hinsicht doch auch fortschrittlicher als Saudi-Arabien, auch wenn es um die Frage der Teilhabe der Frauen in der Gesell­schaft geht. Das ist natürlich weitgehend unbekannt, aber Sie wissen, dass 70 Prozent der Frauen im Iran Akademikerinnen sind und so weiter. Ich will das aber nicht in die Länge ziehen.

Warum erwähne ich diesen Punkt? Da möchte ich wirklich nicht missverstanden werden. Warum bin ich da vielleicht auch penibler als sonst? – Weil sich eben in der Region eine Entwicklung darlegt und sich zwei Machtblöcke, wenn man das so sagen kann, herauskristallisieren. Auf der einen Seite haben wir die arabischen Golfstaaten, die politisch mit dem Westen, mit den Vereinigten Staaten alliiert sind, und auf der anderen Seite haben wir den Iran, der mit Syrien, der Hisbollah im Libanon, jetzt immer mehr natürlich mit dem Irak und auch mit anderen Ländern wie Russland alliiert ist. Wir haben eben diese zwei Machtblöcke.

Gerade am Beispiel des Syrienkonflikts wird der Machtkampf dieser Blöcke sehr stark sichtbar. Der Konflikt in Syrien ist längst nicht mehr nur ein innenpolitischer Konflikt, sondern es ist auch ein Konflikt um Syrien mit handfesten wirtschaftlichen und politischen Interessen geworden. Syrien ist das einzige arabische Land, in dem es russische Militärstützpunkte gibt. Es ist ein wichtiger Absatzmarkt für Russland und China. Das erklärt natürlich auch die Haltung Russlands und Chinas im UN-Sicher­heitsrat. (Ruf bei der ÖVP: Aber es rechtfertigt sie nicht!) – Nein, das rechtfertigt sie natürlich nicht. Es ist eine Erklärung dafür. Gleichzeitig sehen wir, dass die arabischen Golfstaaten ein Interesse an der Schwächung oder an einem Sturz des Regimes haben. Das bekunden sie ja auch immer, weil sie natürlich auch ein Interesse an der Schwächung des Irans und damit an der Schwächung der iranischen oder der schiitischen Minderheiten in ihren Staaten haben. Also man sieht, es gibt sehr viele Interessen, die hier zum Ausdruck kommen.

Anhand des Beispiels Syrien sieht man einmal mehr, dass ein Stellvertreterkrieg geführt wird. Es ist daher wichtig, dass Österreich sich umso mehr in einem dritten Bündnis – wie wir es jetzt auch schon tun –, nämlich in einem Bündnis für Deeskalation und atomare Abrüstung, in der Region einsetzt. In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass es die Konferenz für einen atomfreien Nahen Osten gibt. Österreich hat sich ja sehr engagiert, dass diese Konferenz hier stattfindet. Es ist uns leider nicht gelungen, sie findet in Helsinki statt. Ich würde mir auch wünschen, dass es ein sehr starkes Engagement und eine sehr starke Beteiligung geben wird.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 71

Zum Abschluss kommend: Ich habe gestern in Brüssel an der Parlamentarischen Versammlung der Union für das Mittelmeer teilgenommen. Ich muss sagen, dass die Entwicklung in der gesamten arabischen Region sehr beunruhigend ist. Man muss sich vorstellen, dass 70 Prozent der Menschen der arabischen Welt unter 30 Jahre sind. Das heißt, wir haben in dieser Region eine der jüngsten Bevölkerungen mit einer sehr geringen sozialen und wirtschaftlichen Perspektive. Ich bin der Meinung, wenn weiter­hin vor allem die arabischen Golfstaaten, die bekannterweise eine sehr konservative Religion und Ideologie haben, die sie dort auch sehr stark verbreiten, einer der maßgeblichen Geldgeber in dieser Region bleiben – jetzt sind sie es schon –, dann ist angesichts der sozialen Ungleichheiten, die wir dort haben, eine Radikalisierung von zumindest Teilen der jungen Gesellschaft vorprogrammiert. Diese Radikalisierung und Destabilisierung der Region wird natürlich nicht ohne Folgen für Europa bleiben. Man wird das Problem nicht alleine mit Sicherheitspolitik in den Griff bekommen.

Ich wünsche mir daher von Europa, dass wir ein Engagement an den Tag legen, das Westeuropa bereits in den neunziger Jahren an den Tag gelegt hat, als es darum ging, osteuropäische Staaten auf dem Weg zur Demokratie zu unterstützen und zu begleiten – nämlich jetzt auch für Nordafrika, auch für den Nahen und für den Mittleren Osten. Ich glaube, das ist eben sehr wichtig, um mit den Problemen in Zukunft zurecht­zu­kommen. Ich halte das für sehr notwendig, um die demokratische Entwicklung in dieser Region zu unterstützen und zu verhindern, dass Fanatismus und Radikalisie­rung dort an Boden gewinnen.

Natürlich nimmt meine Fraktion diesen Bericht wohlwollend zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.20


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort. – Bitte.

 


12.21.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht ist wirklich sehr umfassend und erklärt auch, warum es einen Staatssekretär in diesem Bereich braucht. Außen- und Europapolitik ist ein derart umfassendes Feld, dass es wahrscheinlich mehr als einen Regierungsvertreter braucht, der in einigen Bereichen dazu Stellung nehmen kann, soll und will.

Prinzipiell ist der Bericht lobenswert. Er ist in manchen Bereichen etwas zu kurz gehalten (Ruf bei der ÖVP: Naja, über 500 Seiten!), auch wenn da schon 500 Seiten sind, wie Kollege Mayer vorhin erwähnt hat. Aber es gibt einige Bereiche, die stärker betont werden, und einige Bereiche, die eben nicht so intensiv betont werden.

Beim vorigen Tagesordnungspunkt ist das Thema Ungarn schon kurz vom Kollegen Schreuder angesprochen worden. Zum Thema Ungarn steht im Bericht: „Innenpolitisch setzte die bei den Parlamentswahlen 2010 mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit ausgestattete Regierung Orbán die Umgestaltung des Landes im national-konser­vativen Sinne fort, wobei einige legislative Maßnahmen (Mediengesetz, Neue Verfas­sung, Doppelstaatsbürgerschaftsgesetz) im europäischen Rahmen und von US-Seite Kritik und Besorgnis ausgelöst haben.“ – Also US-Seite und europäische Ebene.

Allerdings haben die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die für österreichische Betrie­be und österreichische Investoren nachteilige Auswirkungen gehabt haben, auch „Irritationen im bilateralen Verhältnis“ hervorgerufen. Da frage ich mich: Wo sind die Schwerpunkte? Also ich denke mir schon, dass auch Österreich öfter einmal zu den Entwicklungen in Ungarn Stellung nehmen sollte, die uns alle hier des Öfteren aufre-


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gen. Die Einhaltung der Menschenrechte in einem Nachbarstaat hin und wieder einmal anzusprechen und nicht nur auf die wirtschaftlichen Interessen zu schauen würde der österreichischen Regierung doch auch sehr gut anstehen, denn die Menschenrechts­charta gilt auch für Ungarn.

Zum Thema Reform der Wirtschafts- und Währungsunion beziehungsweise auch ESM: Wir haben in den letzten Jahren oder im letzten Jahr immer wieder sehr intensiv diskutiert, wie denn das am besten abzuwickeln wäre und wie denn das jetzt mit den vielen Hilfsgeldern ist, die nach Griechenland und in andere Staaten fließen. Im Bericht wird auch zu den einzelnen Ländern berichtet. In Griechenland ist die Task Force bereits im Einsatz und hat schon Programme ausgearbeitet. Auch in Irland, Italien, Spanien, Portugal merkt man, es geht um Sparmaßnahmen, die verhängt worden sind.

Was ich aber mit keiner Zeile erwähnt finde, sind die sozialen Auswirkungen dieser Sparmaßnahmen, die eben in diesen Ländern, wie heute auch schon angesprochen wurde, die Menschen auf die Straße treiben. Das ist jetzt nicht so einfach, dass man sagt: Europa braucht jetzt mehr Macht, um diese Sparmaßnahmen dort umzusetzen. Wer ist in diesem Fall Europa? Auf der zweiten Seite muss man auch dazusagen, dass man auch auf die sozialen Auswirkungen dieser Sparmaßnahmen Rücksicht nehmen muss und nicht immer nur sagen kann, man muss sparen, ohne zu schauen, wo gespart wird. Die Menschen in Griechenland kriegen nicht mit, dass die Hilfsgelder zu ihnen fließen. Sie haben eher das Gefühl, die Hilfe kommt ganz woanders und in Wirklichkeit wird bei uns nur gekürzt und gekürzt. Wir haben schon gehört, dass es wirklich katastrophale Zustände gibt. Die Leute gehen nicht umsonst auf die Straße.

Man sollte als Europäische Union auch darauf achten, dass Sparmaßnahmen, die gesetzt werden – zum Teil auch gesetzt werden müssen –, in die richtigen Kanäle gesetzt werden, damit nämlich dort gespart wird, wo es bei Gott gerade in Griechen­land noch möglich wäre. Ich brauche nur zu sagen: Steuereinnahmen und Militär­ausgaben. Das wissen wir ja, das wären die Punkte. Davon hört man nach wie vor nicht sehr viel. Ich denke, wenn die EU schon mitreden will, wo gespart wird, dann muss man wirklich auch vorher auf die sozialen Auswirkungen schauen und kann nicht einfach sagen, die Troika wird dort bestimmen, soll dort bestimmen können und Maßnahmen durchsetzen können, egal, ob die Leute das wollen oder können. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Einen dritten Punkt habe ich mir noch genauer angeschaut. Es gibt zwei Vereinigun­gen – zwei strahlende Vereine, kann man sagen –, die auch in diesem Bericht näher beschrieben werden, die die Förderung der friedlichen Nutzung der Atomenergie in ihren Statuten mehr oder weniger drinnen stehen haben. Das ist auf der einen Seite Euratom und auf der anderen Seite die Internationale Atomenergiebehörde, die ja auch in Wien ansässig ist. Die Beschreibung, die zu diesen beiden Organisationen geliefert wird, ist nicht sehr umfassend – sagen wir einmal so.

Letztendlich ist es ja so, dass Österreich auch Mitglied in den beiden Vereinen ist, dass wir auch Gelder abliefern, mehr oder weniger direkt. Bei Euratom wissen wir ja nicht genau, wie viel da wirklich hineinfließt, weil das indirekt über die EU läuft und man darüber nicht so genau reden kann. Die Argumentation, warum wir bei diesen beiden Vereinen dabei bleiben, ist immer wieder: Ja, wir müssen von innen etwas verändern und wir müssen die Euratom und die Internationale Atomenergiebehörde dazu bringen, dass es nur mehr um Sicherheitsmaßnahmen geht. Nur von diesen Bemühungen – abgesehen davon, dass man auch darüber streiten kann – ist weder im Bericht ernsthaft zu lesen, noch hört man sonst etwas.

Im September war erst eine Tagung zu einer Reform der Internationalen Atomener­giebehörde, und da war am Podium auch ein Vertreter des Außenministeriums. Irgend-


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wie habe ich mir gedacht: Gut, wenn man in der Atomenergiebehörde Österreich vertritt, dann tritt diese Verstrahlung vielleicht irgendwie ein bisschen über. Ich habe den Eindruck gehabt, der sitzt auf der falschen Seite. Er hat davon gesprochen, dass Atomwaffen natürlich ganz böse sind, aber die friedliche Nutzung ist ja jetzt nicht so schlimm. Wir haben ja auch chemische Industrie, warum sollten wir keine Atom­industrie haben? Da habe ich mir gedacht: Ist das jetzt wirklich ein Vertreter Öster­reichs in dieser Behörde? Wenn man dann im Internet nachschaut, was denn diese Vertreter Österreichs in der Atomenergiebehörde und bei Euratom von sich geben, dann findet man entweder nichts oder gar nichts. Informationen vom Außen­ministerium findet man darüber auch nicht wirklich. Ich würde mir wirklich wünschen, dass es da ein bisschen mehr dazu gibt, denn letztendlich geht es doch um sehr viele Gelder. Es geht um Forschungsgelder über Euratom.

Erst Anfang dieses Jahres haben wir auch im EU-Ausschuss kurz darüber gesprochen, wie das denn so ist mit den Unterstützungen für nicht-europäische Staaten im Bereich der Sicherheit der Atomenergie. Diese Atomkraftwerke, die zum Beispiel  (Ruf bei der ÖVP: Es gibt keinen anderen Staat in Europa, der sich intensiver gegen Atom­energie einsetzt!) – Letztendlich gibt es aber doch auch österreichische Gelder, die in die Förderung der Atomenergie fließen, und das ist dann ... (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, das ist kein wissenschaftlicher Nonsens, das ist so. Es gibt österreichische Gelder, die indirekt in die friedliche Nutzung der Atomenergie fließen. Dazu gibt es auch keine Information des Außenministeriums.

Im Prinzip würde ich schon gerne wissen, wie es denn nun mit den Forschungs­förderungen ist, wenn Euratom 500 Millionen für die Renovierung und Sanierung von uralten ukrainischen Atomkraftwerken freimachen kann, die dann mehr oder weniger unter Hebung der Sicherheitsstandards wieder eine Zulassung bekommen und 20 Jahre länger Atomstrom produzieren, oder auch wie das mit Krediten von der Europäischen Bank für Wiederaufbau ist, die auch 300 Millionen dafür locker machen soll. Darüber liest man leider in diesem Bericht nichts.

Ich würde mir wünschen, dass darüber und darüber, was die Vertreter unserer Behörden in diesen Organisationen so von sich geben, auch intensiver berichtet wird, dass das auch etwas transparenter wird. Denn beide Vereine, sowohl die Inter­nationale Atomenergiebehörde als auch die Euratom, sind nicht so übermäßig trans­parent, dass von dieser Seite informiert werden würde.

Letztendlich gibt es gerade in diesem Bereich ja massive Menschenrechtsverlet­zun­gen. Ich brauche nur an Weißrussland zu denken. In beinahe jedem Land, in dem Atomkraftwerke gebaut werden, wo Atomgegner vorhanden sind, gibt es Menschen­rechtsprobleme. Damit hätte auch das Außenministerium einiges zu tun.

Ganz kurz zu guter Letzt noch: Entwicklungszusammenarbeit. Es gibt in der Einleitung einen sehr netten Satz: „Die Bewältigung globaler Herausforderungen erfordert ganz­heitliche politische Ansätze. Dies gilt auch für die Entwicklungspolitik. Um effektiv und effizient zu sein, muss Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe vieler Politikbe­reiche verstanden werden. Es war uns daher auch 2011 ein Anliegen, die vielfältigen Verbindungen zwischen Wirtschaft, Sicherheit und Entwicklung aufzuzeigen und weiter zu intensivieren.“ Mir fehlen da ein paar Politikfelder.

Ich denke zum Beispiel an einen Betrieb wie Andritz: Trotz dieser mehr oder weniger sehr intensiven Beteiligung am Belo-Monte-Staudamm, der nicht nur ein ernsthaftes Umweltproblem, sondern auch ein Menschenrechtsproblem darstellt, gibt es weiter Förderungen. Es ist eigentlich nicht ersichtlich, warum. Es ist auch nicht ersichtlich, warum das Ministerium nur eine wichtige politische Spange zwischen Wirtschafts­sicherheit und Entwicklung aufzeigt und nicht davon spricht, dass Entwicklungs-


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zusammenarbeit auch etwas mit Umweltpolitik und mit Menschenrechtspolitik zu tun hat.

Ich würde mir wünschen, dass das in den künftigen Berichten doch intensiver berücksichtigt wird, auch wenn der Bericht schon sehr umfassend ist und sehr viele Punkte berücksichtigt. – Danke. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

12.31


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster ist Herr Bundesrat Köberl zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


12.31.43

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause an den Fernsehgeräten! Der Außen- und Europapolitische Bericht 2011 steht auf der Tagesordnung. Ich glaube, das ist ein Grund, sich zu fragen: Was ist eigentlich die Kernaufgabe der österreichischen Außenpolitik? Wie kann man ein so komplexes Thema vereinfachen und vielleicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen? – Lassen Sie es mich versuchen: Die vorrangige Aufgabe der österreichi­schen Außenpolitik ist es, die Beziehungen Österreichs zu allen Ländern der Welt zu pflegen und die Interessen Österreichs in den internationalen und regionalen Organi­sationen zu vertreten.

Der vorliegende Außen- und Europapolitische Bericht des Jahres 2011 ist ein umfassendes und sehr informatives Werk, wir haben es schon gehört, 535 Seiten stark. Er zeigt eine beeindruckende Leistungsbilanz der österreichischen Europa- und Außenpolitik im vergangenen Jahr. Für die Erstellung dieses Berichtes möchte ich allen Mitwirkenden sehr herzlich danken und mich bei dir, geschätzter Herr Staats­sekretär, stellvertretend für unseren Bundesminister für den persönlichen Einsatz und den damit verbundenen Erfolgen sehr herzlich bedanken und seinem Team im Außenministerium gratulieren. Man muss wirklich sagen, es ist eine Freude, diese bei der Arbeit zu sehen, auch bei der Arbeit in den Ausschüssen. Da bleibt keine Frage offen, da gibt es kompetente Antworten. Das ist professionelle Arbeit, wie man sie sich wünscht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Klug.)

Was mich natürlich heuer besonders freut, ist, dass der Bericht 2011 noch vor dem Nationalrat hier im Bundesrat präsentiert und diskutiert wird. Auch das ist ein Novum, und ich glaube, dies gibt uns Gelegenheit, dieses interessante Thema näher zu beleuchten.

Mein Kollege Edgar Mayer hat als Obmann des Europaausschusses die europäische Kom­ponente dieses Berichtes näher beleuchtet. Ein bisschen ist er auch auf das Internationale eingegangen, aber man kann eben nationale und europäische Angele­genheiten nicht immer klar trennen.

Lassen Sie mich kurz einige Themenschwerpunkte herausgreifen beziehungsweise auch auf Redebeiträge meiner Vorredner und Vorrednerinnen eingehen. Wir haben es gehört, die Serviceeinrichtungen des Ministeriums für Österreicherinnen und Öster­reicher im Ausland stehen unter dem Motto „Weltweit für Sie da“. Gerade das Jahr 2011 hat mit zwei großen Krisen begonnen, die auch schwerwiegende konsu­larische Konsequenzen zur Folge hatten und die Betroffenen vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt haben. Binnen weniger Wochen kam es in zwei ganz unterschiedlichen Weltgegenden zu unerwarteten Entwicklungen: die dramatische Entwicklung, der sogenannte Arabische Frühling, im lange Zeit statischen arabischen Raum und die Nuklearkatastrophe im hoch technologisierten Japan. Wir haben es schon gehört, Tausende Österreicher und Österreicherinnen mussten in wenigen


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Wochen bei der Bewältigung dieser Ereignisse und bei der Ausreise unterstützt werden. Alle – und ich betone noch einmal: alle – ausreisewilligen Österreicherinnen und Österreicher konnten die Krisengebiete verlassen, auch aus entlegenen Orten unter teils schwierigsten Bedingungen. Im Sinne einer EU-Zusammenarbeit wurden auch Bürger und Bürgerinnen anderer EU-Staaten unterstützt.

Lassen Sie mich noch einmal kurz auf Österreichs Position in den internationalen Gremien eingehen. Österreich tritt für eine starke Rolle der Vereinten Nationen sowie die Nutzung aller Möglichkeiten der OSZE und des Europarates ein. Der Respekt für das Völkerrecht, die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und der Rechte von Minderheiten sind für Österreich von großer Bedeutung.

Die unterschiedlichen Entwicklungen im Nahen Osten und in Nordafrika in den vergangenen Monaten zeigen die Aktualität der Schwerpunkte, die Österreich in seiner Außenpolitik seit vielen Jahren verfolgt. Dazu gehört vor allem die Stärkung der Herrschaft des Rechts. Das heißt, es muss auch parlamentarische Instrumentarien geben, damit solche Entwicklungen begleitet und letzten Endes gemeistert werden können; der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, die Rolle von Frauen bei der Bewältigung von Konflikten und auch die Hilfe beim Wiederaufbau. Im Hinblick auf die Notsituationen von zahlreichen kranken und verwundeten Libyern haben mehr als 150 Schwerstverletzte Behandlungen und Rehabilitation in Österreich erhalten.

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt aber auch eine andere Aufgabe und andere Herausforderungen. Es zeigt sich nämlich, dass die Österreicher und Österreicherin­nen immer mobiler werden. Mehr als die Hälfte, rund 60 Prozent, reisen zumindest einmal pro Jahr ins Ausland. Insgesamt wurden dabei mehr als 10 Millionen Urlaubs- und Geschäftsreisen von mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldeten Bürgerinnen und Bürgern gemacht. Dazu kommen rund 500 000 Österreicher und Österreicherinnen, die in anderen Ländern leben. Der Konsularbetrieb des Außenministeriums ist immer mehr gefordert. Jährliche Steigerungsraten von rund 10 Prozent brachten für das Außenministerium jährlich über 300 000 Konsularfälle, das heißt zirka 1 500 Fälle pro Arbeitstag. So hat das Außenministerium auch im Jahr 2011 seinen konsularischen Einsatz in vielfacher Hinsicht verstärkt.

Zu aktuellen Angelegenheiten – Kollegin Duzdar hat sie angesprochen, und ich habe es mir auch noch gestern für die heutige Rede herausgesucht –: Aber was gestern in den Medien gestanden ist, ist heute schon überholt, gerade was die Entwicklung in Syrien betrifft. War es gestern noch der Bericht über die Vorkommnisse in Aleppo, wo ein unwiederbringliches Weltkulturerbe zerstört wurde, der berühmte Basar, wo es Selbstmordattentate gegeben hat und um Kämpfe um Damaskus gegangen ist , so ist erstmals aufgetaucht, dass auch andere Länder aus Syrien beschossen wurden. Was das alles auslöst, mit einer hektischen Tagung des NATO-Rates! Wir haben es vernommen: eine militärische Aktion von der Türkei in Richtung Syrien. Es ist nur zu hoffen, dass sich letzten Endes Besonnenheit und auch die diplomatischen Bezie­hungen durchsetzen.

Wenn es ernst wird, ist oft die Lage nicht mehr einzuschätzen, meine Damen und Herren. Das gilt auch, gerade was die Entwicklung im Iran betrifft. Du hast sie ange­sprochen. Wir haben bisher immer nur die Dimension der Anreicherung von nuklearem Material für mögliche Atomwaffen gehört. Jetzt kommt eine andere Komponente dazu. (Bundesrätin Mühlwerth: Bei Nordkorea stört uns das nicht so!) – Ich sage dir gleich, warum ich auf das eingehe.

Es ist auch eine Frage der Betroffenheit, und natürlich bestimmt der Standort auch den Standpunkt. Wenn wir gemeinsam in Zypern gewesen sind und dort festgestellt haben,


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dass Zypern, ein Mitglied der EU, nicht einmal 100 Kilometer von Syrien entfernt ist, dass diese Dinge also vor unserer Haustür geschehen, dass man in Zypern mit noch mehr als 200 000 Flüchtlingen rechnet, dann sieht man sehr wohl, dass gerade diese Dinge für uns von Bedeutung sind.

Das Thema Iran spreche ich noch an, und lass es mich fertig argumentieren. Was die Vorkommnisse, die Demonstrationen und Gewaltausbrüche in iranischen Städten betrifft – dort geht es um den Verlust der Kaufkraft der heimischen Währung, des Rial –, ist eine sehr gefährliche Entwicklung im Gange. Manche glauben, dass der sogenannte Arabische Frühling auch den Iran erreichen wird, mit allen Vor- und Nachteilen und Auswirkungen.

Aber wir wissen auch, dass andere Mächte darauf drängen, dass alles darangesetzt wird, dass verhindert wird, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt. Es wird dort auch mit einem Angriffsszenario gedroht. Ich nehme eine weitere Schlagzeile heraus, da heißt es: „Sieben Monate bis zur Bombe“. Da weiß man, dass diese Dinge dort sehr gefährlich werden können. Warum erzähle ich das alles? – Wir wissen um die Ohnmacht zum Teil auch im Sicherheitsrat. Du hast sie begründet, es geht um unterschiedliche Zugänge, um unterschiedliche Interessen. Aber trotzdem dürfen diese Dinge nicht passieren, die ich hier in Ansätzen beschrieben habe.

Das heißt, letzten Endes ist auch Europa dort gefordert, letzten Endes sind wir alle dort gefordert und letzten Endes entwickeln sich Dinge oft sehr rasch, auf die man reagieren muss. Was gestern als sicher gegolten hat, ist heute in Frage zu stellen.

Aber es gibt noch andere Schauplätze. Ich will einen ganz kleinen, aber sehr dra­matischen Punkt herausgreifen. Es geht um die Situation der notleidenden Bevölke­rung in der Sahelzone. Dort verhungern unbeachtet von großen Schlagzeilen Kinder, Frauen und Männer, weil sie nichts zu essen haben. Oft gehen diese Meldungen unter und werden überschattet von aktuellen Dingen. Ich bin sehr froh, dass gerade auch Österreich eine Million Euro dafür zur Verfügung gestellt hat, damit man auf die unverändert schwierige humanitäre Situation durch die langanhaltende Dürre und die darauffolgende Überschwemmung reagieren kann. Das sind Dinge, die letzten Endes eine große Herausforderung bedeuten.

Auf der anderen Seite gibt es auch sehr viel Information für die Menschen über andere Länder, über die Situation in anderen Ländern. Ich glaube, du hast es angesprochen, ich habe mich selbst erkundigt. Meine jüngste Tochter hat sich in den Kopf gesetzt, einen Schüleraustausch zwecks Sprachferien in Costa Rica zu machen. Ich war am Anfang entsetzt – so weit weg. Und ich habe begonnen, mich zu informieren. (Bun­desrat Schreuder: Costa Rica ist super!) – Danke, Marco. Du kannst mich vielleicht noch beraten. Es gibt detaillierte Informationen. Die gehen bis hin zu Reisewarnungen in gefährlichen Regionen und so weiter.

Das ist ein weltumspannendes Netz, das wir als selbstverständlich erachten. Für ein kleines Land wie Österreich ist es nicht selbstverständlich, möchte ich sagen. Es bedarf großer Professionalität, auch mit einem reduzierten Budget diese Leistungen aufrechtzuerhalten. Dafür danke ich, beginnend bei unserem Bundesminister und dem Staatssekretär, und vor allem danke ich all jenen Damen und Herren, die im Dienste des Außenministeriums für uns Österreicher in aller Welt da sind. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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12.45


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer abschließenden Stellungnahme ist Herr Staats­sekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegen­heiten Dr. Lopatka zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

 


12.45.50

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den Debattenrednern und ‑rednerinnen ist ja eigentlich schon alles angesprochen worden, was in diesem umfassenden Bericht für das Jahr 2011 seitens des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten als wichtig erachtet worden ist.

Natürlich kann man bei dem einen oder anderen Kapitel der Auffassung sein, dass es vielleicht zu kurz ist oder dass etwas zu umfassend dargestellt wird. In der Sache aber ist zu sagen, dass dieser Bericht im Vergleich zu anderen Berichten, die vorliegen, meines Erachtens schon einen sehr guten Überblick gibt: einerseits darüber, was geleistet wird, und andererseits auch darüber, wie die Situation in den einzelnen Staaten ist, und vor allem darüber, wie umfassend die Arbeit des Ministeriums ist.

Wir haben mit 194 Staaten diplomatische Beziehungen. Österreich ist in Dutzenden multilateralen Aktivitäten und Engagements stark vertreten. Es ist heute teilweise schon angesprochen worden, wir sind natürlich als Sitz für internationale Organi­sationen von großer Bedeutung, und es gelingt uns immer wieder, Wien als Standort zu festigen. Im Bericht ist angeführt, dass die Zweigstelle für Abrüstungsfragen im Jahr 2011 hier errichtet wurde. Jetzt haben wir wieder eine zusätzliche Stelle, eine wichtige Stelle, die mit hohen budgetären Mitteln ausgestattet ist, das ist das Büro für Erneuerbare Energie für alle, das in Wien eröffnet wird.

Das hat in der Folge eine Bedeutung auch dahingehend, dass selbst Kleinstaaten, für die es nicht einfach ist, innerhalb dieser großen Staatengemeinschaft entsprechend vertreten zu sein – das sind zum Beispiel sieben kleine karibische Staaten –, bei uns in Wien dann eine diplomatische Vertretung eröffnen. Diese Kleinststaaten können es sich nur in ganz wenigen Ländern und an ganz wenigen Orten der Welt leisten, diplomatisch vertreten zu sein. Auf dieser Weltkarte der Diplomatie gewinnt dadurch Wien und somit Österreich immer mehr an Bedeutung.

Was den Bericht selbst betrifft, möchte ich eigentlich nur jene Bereiche ansprechen, zu denen konkret Fragen gestellt worden sind. Die Frage war konkret: Wenn Österreich im Bereich der Menschenrechte, im Menschenrechtsrat mitarbeitet, was kostet das? Frau Bundesrätin Michalke, von Ihnen ist das angesprochen worden. Das verursacht keine Zusatzkosten. Österreich hat aber zusätzliche Möglichkeiten, Initiativen zu set­zen. So konnten wir in diesem Bereich zum Beispiel im Menschenrechtsrat erreichen, dass – um eine konkrete Initiative zu nennen – zur Sicherheit von Journalisten eine Resolution verabschiedet worden ist, bei der 67 Staaten mitgegangen sind. Das sind mehr Staaten, als in diesem Menschenrechtsrat selbst vertreten sind. Das heißt, uns gelingt es, ganz konkrete Maßnahmen international abgesichert zu erreichen. Deswe­gen macht es einen Sinn, zum Beispiel im Menschenrechtsrat mitzuarbeiten, ent­sprechende Schwerpunkte zu setzen. Noch dazu geht Ihre Befürchtung ins Leere, dass das mit hohen Zusatzkosten verbunden ist.

Ein zweiter Punkt, der von Ihnen angesprochen worden ist, betrifft Nordafrika. Ich habe vorher schon gesagt, dass da durchaus auch das Parlament Beiträge leisten kann, was eine positive demokratische Weiterentwicklung betrifft.

Neben entwicklungspolitischen Leistungen ist Österreich auch bereit, sich zur Verfü­gung zu stellen, wenn es um Diplomatenausbildung geht – in diesem Fall konkret was Libyen betrifft. Also auch da gibt es ganz konkrete Maßnahmen von österreichischer Seite.

Das gilt auch für Syrien, weil es von Ihnen angesprochen worden ist. Sie waren gerade in Jordanien, Frau Bundesrätin Duzdar. Ein Teil dieser 2 Millionen €, die wir für die


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Syrienhilfe geben, geht zum Beispiel auch nach Jordanien. Also mit den Möglichkeiten, die wir haben, sind wir sehr wohl entsprechend vertreten. Das wird auch positiv bemerkt.

Ich könnte jetzt wieder unsere Soldaten erwähnen, die in dieser Region hoffentlich nicht in sehr gefährliche Situationen kommen. Sie stehen am Golan, und niemand weiß, wie lange diese Auseinandersetzung tatsächlich noch dauern wird und wie viel Blut leider noch vergossen werden wird, weil sich, wie Bundesrat Köberl richtigerweise erwähnt hat, Tag für Tag die Situation dramatisch verändert.

Das heißt, um es auf den Punkt zu bringen, weil Staatssekretär Ostermayer ja schon eingetroffen ist: Dieser Außen- und Europapolitische Bericht ist ein Dokument der vielfältigen Leistungen des Ministeriums, ein sehr gutes Nachschlagewerk für jeden, der sich für außen- und europapolitische Fragen interessiert. Die einzelnen Punkte, die angesprochen worden sind, werden wir uns dahingehend ansehen, inwieweit wir dem nachkommen können. Es sind ja auch Vertreter des Ministeriums hier. Nur: Je umfassender der Bericht wird, umso weniger habe ich die Hoffnung, dass der Bericht dann tatsächlich auch umfassend gelesen wird. Es ist eben immer einfacher, einzelne Kapitel herauszunehmen und zu sagen, das ist zu wenig, als es dann zu schaffen, einen Bericht zu machen, der tatsächlich auch noch für einen durchschnittlich Interessierten lesbar bleibt. Die Anregungen nehmen wir gerne auf, ob wir alle erfüllen können, werden wir sehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.52


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Herr Staatssekretär! Alles Gute für die weitere Arbeit!

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit der Fall. Der Antrag ist damit angenommen.

Ich begrüße nunmehr den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Herrn Dr. Ostermayer, bei uns im österreichischen Bundesrat sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

12.53.22Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler Werner Faymann betreffend Inseratenkeiler Werner Faymann (2919/J-BR/2012)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nunmehr zur Behandlung der Dringlichen Anfrage.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Jenewein als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

 


12.53.47

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Staatssekretär! Ich könnte es natürlich machen wie Herr Clint Eastwood und mit einem leeren Stuhl, mit dem fingierten


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Bundeskanzler sprechen. Leider Gottes hat es Bundeskanzler Faymann auch heute nicht geschafft, hierher zu kommen und zu wesentlichen Fragen, die sich in den letzten Tagen aufgrund des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ergeben haben, Rede und Antwort zu stehen.

Es gibt sicher nach wie vor Österreicherinnen und Österreicher, die nicht genau wissen, worum es da geht, für die das Wort „Inseratenaffäre“ ein bisschen im virtuellen Raum herumschwebt. Man sollte daher vielleicht ganz kurz darüber sprechen, worum es geht.

Es geht um 10 Millionen von den ÖBB und um 5 Millionen von der ASFINAG. Es gibt die Aussagen des Ex-ÖBB-Aufsichtsrats Gfatter und jene des ehemaligen ÖBB-Chefs Huber, der selbst als Beschuldigter in dem Verfahren geführt wird. Er spricht von „7 Millionen für den Werner“. – Ich weiß nicht, welchen Werner er meint, ich gehe einmal davon aus, dass er den damaligen Verkehrsminister und heutigen Bundes­kanzler Werner Faymann meint.

Die Rechnungshofprüferin, Frau Claudia Kroneder-Partisch, hat seinerzeit im parla­mentarischen Untersuchungsausschuss gemeint, dass diese Inserate, um die es da geht, eine reine Imagewerbung für den damaligen Verkehrsminister, heutigen Bundes­kanzler, waren. Das Ganze ist höchst intransparent abgelaufen.

Herr Staatssekretär Ostermayer, bei dem ich mich bedanke, dass er hier ist, hat vor Kurzem gesagt, dass das alles jetzt ohnehin obsolet ist, da durch das neue Transparenzgesetz diese Geschichten, wie sie vielleicht in den Jahren 2007, 2008 oder vielleicht auch vorher gelaufen sind, ohnehin vorbei sind. Da muss man natürlich auch fragen: Was hindert uns allerdings daran, ein bisschen Licht und ein bisschen Transparenz in die Sache zu bringen?

Derzeit schaut das Ganze eher aus wie eine Dunkelkammer. Derzeit schaut das Ganze eher so aus: Auf der einen Seite hat man zum Beispiel beim Komplex der Telekom Kronzeugen im Untersuchungsausschuss gerne zu Wort kommen lassen, da hat man den Untersuchungsausschuss mit Ernsthaftigkeit weitergeführt. Da ist es ja nicht gegen die SPÖ gegangen, sondern hauptsächlich gegen die ÖVP. Sehr viele innerhalb der SPÖ haben sich ein bisschen zurückgelehnt, haben süffisant gelächelt und zugeschaut. Auf der anderen Seite gibt es einen Kronzeugen wie Herrn Stefan Wehinger, der gestern bereit gewesen wäre, auf Antrag vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu treten. Da gibt es auf einmal die kalten Füße der SPÖ und der ÖVP. Da sagt man dann: Nein, wir können ihn nicht laden, leider Gottes, das war nicht ausgemacht! – Und das schaut schon danach aus, als wolle man nicht unbedingt Licht ins Dunkel bringen.

Es gibt natürlich Kronzeugen, auch in dieser Frage. Einer der Kronzeugen könnte natürlich Bundeskanzler Faymann sein. Er könnte Licht ins Dunkel bringen. Er hat ja selbst im „Sommergespräch“ am 10. September im ORF angekündigt: Ja wenn ich eingeladen werde, komme ich gerne! – Dann wird er eben nicht eingeladen, weil er ja nicht nur Bundeskanzler ist, sondern vor allem auch SPÖ-Vorsitzender. Und offenbar hat er seine eigenen SPÖ-Abgeordneten nicht sonderlich unter Kontrolle, denn sonst hätte er seinen eigenen Mitgliedern auch sagen können: Bitte, ich möchte unbedingt aussagen, ich möchte das endlich vom Tisch haben! – Das wollte er nicht. Darum hat man sich ganz vehement dagegen verwahrt, dass der Herr Bundeskanzler unter Wahrheitspflicht vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen soll.

Da muss man eben schon diagnostizieren: Er leidet leider Gottes unter politischer Impotens, denn eines ist klar  (Bundesrat Mag. Klug: Tststs!) – Na, Herr Klug, was haben Sie gegen das Wort? Ich habe nicht „Impotenz“ gemeint, ich habe nicht das gemeint, was Sie meinen. Ich habe es mit „s“ gesagt, lesen Sie nach: „Impotens“. Was


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heißt denn Impotens? – Machtlos. Offenbar ist der Herr Bundeskanzler machtlos. Diese Machtlosigkeit zeigt sich ganz vehement daran, dass er auf der einen Seite in ein „Sommergespräch“ geht und ankündigt: Ja wenn man mich einlädt, komme ich gerne!, auf der anderen Seite aber offenbar Druck auf seine eigenen Abgeordneten ausübt – beziehungsweise braucht er das gar nicht selbst zu tun, das machen natürlich seine Leute innerhalb der SPÖ für ihn –, dass man den Bundeskanzler ja nicht vor den Untersuchungsausschuss bringt, denn das könnte ein schlechtes Licht auf ihn werfen.

Den ÖBB ist durch seine Vorgehensweise wirtschaftlicher Schaden entstanden. Die Frage danach, wer die politische Verantwortung für diesen wirtschaftlichen Schaden trägt, zu klären, wäre eine klassische Aufgabe für den ehemaligen Verkehrsminister gewesen. Das möchte er aber nicht, und dabei zeigt sich nur ein Sittenbild, ein Sittenbild, wie innerhalb der SPÖ mit solchen Dingen umgegangen wird. Das ist ja nicht das erste Mal. Herr Werner Faymann – wir wissen das spätestens seit seinem Lebenslauf, den er mehrmals adaptiert auf verschiedenen Homepages veröffentlicht hat – hat das ja genau so gelernt. Er kommt ja aus der SPÖ. Er hat sein ganzes Leben lang nie woanders gearbeitet, war nie woanders tätig als innerhalb der SPÖ. Er ist ja quasi ein Parteigänger von der Wiege an.

Wir können auch nachlesen, wenn wir uns ein bisschen mit der Geschichte be­schäftigen, dass es das auch schon früher gegeben hat. Es hat schon seinerzeit, im Jahr 1980, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegeben. Der damalige Bundeskanzler Kreisky musste vor dem Ausschuss aussagen. Er hat überhaupt kein Problem damit gehabt. Kreisky ist hingekommen, hat alle Leute gemaßregelt und ist wieder gegangen. Das ist natürlich etwas, das Herr Faymann nicht kann, weil er es schon aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht kann. Aber schon damals ging es darum, dass Udo Proksch – er dürfte ja bei der SPÖ auch nicht unbedingt ein Unbe­kannter sein – Geschichten von Dr. Kreisky in seinem Namen hat inserieren lassen. Bezahlt hat das seinerzeit eine liechtensteinische Postkastenfirma. Das war schon im Jahr 1980 der Fall.

Später dann, ein paar Jahre später, war Herr Bundeskanzler Franz Vranitzky vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. (Bundesrat Mag. Klug: Später? 2012!) Ja, ich weiß, Herr Klug, das gefällt Ihnen nicht. (Bundesrat Mag. Klug: Wir haben 2012!) Ja, Sie wollen es nicht hören. Ich sage es Ihnen ja nur. Horchen Sie zu, Herr Klug! Außerdem ist das unter Ihrem Niveau. Sie sind klüger als dieser Zwischenruf, das weiß ich auch.

Im Jahr 1985 war also Franz Vranitzky vor dem parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss. Auch er hat kein Problem damit gehabt. Der ist vor den Untersuchungs­aus­schuss getreten, hat dort ausgesagt, und das war ebenfalls kein Problem. (Bun­desrat Todt: Was ist das jetzt? Haben wir Geschichtsstunde?)

Faymann hat nach eigenen Angaben mit 18 Jahren den Taxischein gemacht, obwohl das in Österreich erst mit 20 Jahren möglich ist. Auch da stimmt etwas mit seinem Lebenslauf nicht ganz überein. (Bundesrat Todt: Zum Thema hast du offenbar nicht viel zu sagen, wenn du über alles Mögliche reden musst!) – Ich weiß ohnehin, dass Ihnen das nicht gefällt, aber jetzt müssen Sie mir zuhorchen. Das ist leider Gottes Ihre Pflicht. Das hat etwas mit politischem Pluralismus zu tun. Das ist etwas, das müssen Sie noch lernen! In Pjöngjang ist das nicht so, das weiß ich, und Sie sehnen sich offenbar dorthin, aber hier ist es eben nicht so. (Bundesrat Mag. Klug: Es sollte halt eine Bereicherung werden!)

Sehen Sie, das unterscheidet uns! Wenn Sie etwas sagen, egal, ob es gegen die FPÖ gerichtet ist oder nicht oder ob es gegen mich geht, fühle ich mich bereichert, Sie fühlen sich angegriffen. Das unterscheidet uns, Herr Klug! Ich fühle mich immer be-


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reichert, wenn Sie etwas sagen, weil ich eigentlich auch so sozialisiert worden bin, dass ich mich nicht von irgendwelchen Zwischenrufen, die man aus parteitaktischen Gründen macht, in irgendeiner Form beeindrucken lasse. Mir ist das eigentlich relativ egal.

Faymann hat später nach diesem System weitergelebt. Er war ab 1996 Wohnbau­stadtrat. Herr Ostermayer wird sich an die Zeit erinnern. Seit damals wissen wir alle, wie es gewesen ist. Da wurde Wien beziehungsweise der Wiener Boulevard mit farbigen Beilagen in allen Zeitungen bedient. Der Ruf von Werner Faymann gründet darauf. Das war schon ab dieser Zeit als Wohnbaustadtrat so. Da hat es regelmäßig irgendeine Wohnungseröffnung, irgendeine Hauseröffnung gegeben, und es hat große Berichte im Boulevard darüber gegeben. Dafür hat es dann am Wochenende wieder eine farbige Beilage gegeben, und Wiener Wohnen hat das Ganze gesponsert. So macht man Politik, hat Herr Faymann gelernt, und nichts anderes hat er später gemacht, als er Verkehrsminister wurde. Da hat er es genauso gemacht.

Die Frage ist ja nicht, ob es verboten ist, zu inserieren. Das ist nicht die Frage! Die Frage ist vielmehr: Kann man einem staatsnahen Unternehmen Inserate aufs Auge drücken, obwohl die gar nichts davon wissen. Die bekommen später einfach nur die Rechnung präsentiert und wissen vielleicht überhaupt nicht, was sie mit diesen Rechnungen machen sollen. Die bleiben dann ein halbes Jahr liegen. Das können wir alles im Protokoll der letzten Befragungen im parlamentarischen Untersuchungs­aus­schuss nachlesen. Teilweise hat es da Rechnungen gegeben, von denen keiner gewusst hat, welche Rechnungen das sind. Das waren die Rechnungen von Werner – na dann hat man sie zahlen müssen. Teilweise sind sie ein halbes Jahr gelegen, und vielleicht auch noch länger, und so war das eben.

Herr Staatssekretär! Ich gehe nicht davon aus, dass Sie diese Anfrage inhaltlich beantworten werden. Da wird sicherlich wieder eine Ausflucht kommen, dass das jetzt im Detail nicht zu sagen ist oder dass das damit nichts zu tun hat; wir kennen das schon. Es ist ja leider Gottes in letzter Zeit immer wieder der Fall, dass  (Bundesrat Todt: Halten Sie jetzt gleich Ihre zweite Rede? Er war noch gar nicht am Wort, und Sie halten schon eine Gegenrede!)

Nein, ich nehme es gleich vorweg, weil es mich nicht weiter verwundern würde, weil das System dasselbe ist. (Bundesrat Todt: Damit ist dann die Gegenrede auch erledigt, und Sie brauchen sich dann nicht mehr zu Wort zu melden!) Herr Kollege! Würden Sie doch zuhorchen! Sie kommen ja ohnehin noch heraus ans Rednerpult, dann können Sie all das, was Sie hier Wichtiges zu sagen haben, nach mir noch vorbringen. Wir freuen uns ohnehin schon sehr darauf, denn das wird wieder ein Rundumschlag werden. Da werden wir wieder hören, dass wir überhaupt keine Ahnung haben, dass man das ohnehin alles schon beantwortet hat und dass beim Ausschuss nichts rausgekommen ist.

Ich sage Ihnen: Dieser Bundeskanzler Faymann ist nicht nur der schwächste Kanzler der Zweiten Republik. Ich weiß es ja sogar von Parteikollegen von Ihnen aus Wien, Herr Kollege, die wünschen sich Gusenbauer wieder zurück, weil sie sagen, dass die Partei unter Gusenbauer zwar auch nicht gut aufgestellt war, dass es da aber wenigstens noch besser gegangen ist. Faymann war wirklich ein ziemlicher Fehlgriff. (Bundesrat Mag. Klug: Wer sagt das?) Er ist der schwächste Kanzler der Zweiten Republik, er ist der feigste Kanzler der Zweiten Republik und er ist auch der unehr­lichste Kanzler der Zweiten Republik.

Wenn es mit ihm vorbei sein wird – es wird spätestens im Jahr 2013 so weit sein –, kann er ja versuchen, bei irgendeiner Boulevard-Zeitung als Inseratenkeiler anzuheu­ern, vielleicht nehmen ihn die. Einschlägige Erfahrung hätte er längst.


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Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, auch wenn die Aufmerksamkeit bei der SPÖ nur teilweise vorhanden war. (Beifall bei der FPÖ.)

13.04


Präsident Georg Keuschnigg: Zur Beantwortung hat sich Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.04.54

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrter Herr Bundesrat Jenewein, Sie werden verstehen oder ich hoffe, dass Sie verstehen, dass ich nicht auf Ihre Polemik eingehe, sondern dass ich sachlich antworten werde. Zur Sachlichkeit sollen auch einige Fakten beitragen.

Laut Focus Media wird jährlich in Österreich um 1,8 Milliarden € in Printmedien inseriert, davon um 1 Milliarde € in Tageszeitungen. Das zeigt, dass Inserate und Wer­bung für unser System, in unserer Marktwirtschaft notwendig sind, als notwendig erachtet werden. Sie informieren, sie stellen die Leistungsfähigkeit von Unternehmen dar, sie stärken deren Image und sollen das auch tun. Gleiches gilt für öffentliche Einrichtungen, egal ob auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene. Werben ist ein Teil der Realwirtschaft.

Inserieren heißt aber nicht, und das möchte ich wirklich noch einmal ganz deutlich betonen, dass man damit Zeitungen oder Journalisten/Journalistinnen kauft. Wenn jedes Inserat öffentliche und veröffentlichte Meinung kauft, müsste ein generelles Inseratenverbot beschlossen werden. Das zeigt schon die Absurdität dieses Vorwurfs. Außerdem ist es eine besondere Respektlosigkeit gegenüber Journalistinnen und Journalisten in diesem Land. Ich weise daher auch die in dieser Anfrage der FPÖ-Bundesräte erhobenen Vorwürfe auf das Schärfste zurück!

Ich sage noch etwas als Medien-Staatssekretär: Medien finanzieren sich zu einem beträchtlichen Teil durch Inserate. Würde man Inserate verbieten, würde das zu einer Gefährdung der österreichischen Medienlandschaft führen. Selbstverständlich haben Inserate eine wichtige Kommunikationsfunktion, wie ich schon ausgeführt habe, für die Wirtschaft, für Unternehmen, egal ob öffentliche oder private, auch für Parteien, wie wir wissen. Sie nutzen ja diese Kommunikationsform ebenso.

Das ist so, seit es Zeitungen gibt. Das gilt für alle Medien, das gilt auch für Minister, für Landeshauptleute, für Landesregierungen, für Konzerne et cetera. Gespräche mit Medien, Redakteuren/Redakteurinnen, Journalisten/Journalistinnen, Managern, Direk­to­ren, Betriebsräten, Mitarbeitern sind nicht Korruption, wie das zu insinuieren ver­sucht wird, sondern Gespräche bedeuten Wahrnehmung von Verantwortung.

Zur Wahrnehmung der politischen Verantwortung gehört auch, dass einem öffentliche Unternehmen nicht egal sind, sondern dass man sich um diese kümmert und mit den Verantwortlichen kommuniziert. Das Verkehrsministerium, das ja konkret ange­sprochen wurde, ist zu 100 Prozent Eigentümer der ASFINAG, der ÖBB und einiger anderer Unternehmen mit Zigtausenden Mitarbeitern. Gerade das Verkehrsministerium und die erwähnten Unternehmen sind ganz besonders eng verknüpft. Beide Unterneh­men tragen aufgrund ihrer Bedeutung für die Menschen in diesem Land, für die Wirtschaft, für die Umwelt, für die Bauleistungen ein besonders hohes Maß an Verant­wortung, sind besonders wichtige öffentliche Unternehmen.

Auch solche Unternehmen, die im öffentlichen Besitz sind, brauchen ein positives Image, brauchen Akzeptanz in der Bevölkerung. Wer die Leistungen der Bahn und des Autobahnbauers und -betreibers ASFINAG nicht öffentlich darstellt, riskiert, dass Verunglimpfungen aus parteipolitischen Gründen zu Negativberichterstattung, zu Ver-


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un­sicherung von mehr als 40 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen und dass auch große, wichtige Milliardeninvestitionen in die Zukunft der Infrastruktur gefährdet werden.

Daher gab es zwischen dem Ministerium und den Unternehmen regelmäßige und auf verschiedenen Ebenen geführte Gespräche über Strategie, Betrieb, finanzielle Lage, Ausbau der Infrastruktur, Rahmenpläne, Baupläne der ASFINAG und vieles mehr, unter anderem natürlich auch über die Kundenorientierung und Imageverbesserung.

Weder wurde irgendjemand in den Gesprächen über den Rahmenplan unter Druck gesetzt noch bei Gesprächen über Öffentlichkeitsarbeit und über die anderen Themen.

Entsprechend der Vorstandsverantwortung wurden meines Wissens die entsprechen­den Beschlüsse immer im Unternehmen gefasst, und zwar auch dann, wenn Ideen, Anregungen, Vorschläge aus dem Ministerium kamen oder von dort aus weitergeleitet wurden.

Es ging auch dem Ministerium als Eigentümervertreter immer und ausschließlich um den Nutzen für die Unternehmen selbst. In der Diskussion, die über die „Kronen“-Serie „Unsere Bahn“ stattgefunden hat, ist das auch durch einen Gutachter aus Deutschland, der von der Staatsanwaltschaft bestellt wurde, eindeutig festgehalten worden.

Wenn man sich über Ihre Polemik stellt und von der Realität ausgeht, ist noch Folgen­des festzuhalten. (Bundesrat Jenewein: Beantworten Sie meine Fragen!) Ich komme zur Beantwortung Ihrer Fragen, aber Sie gestatten mir, bitte, auch, dass ich einleitend Generelles sage. (Bundesrat Jenewein: Immer heißt es nur, das wird schon noch kommen!) Das habe ich schon gemacht.

Zu den von Ihnen und Ihrem Kollegen Vilimsky erhobenen Vorwurf – Stichwort Mag. Huber und Wehinger – habe ich im Untersuchungsausschuss ausführlich Stel­lung genommen. Die Vorwürfe beziehen sich ausschließlich auf mich. Daher ist es auch nicht möglich, dass dort der ehemalige Minister Antwort gibt. Ausschließlich von mir können Antworten gegeben werden, und das habe ich gründlich und ausführlich getan. (Bundesrat Jenewein: Sie waren doch der Kabinettschef des Ministers!)

Jetzt zu den einzelnen Fragen. Um Redundanzen zu vermeiden, werde ich ab und zu auch auf den U-Ausschuss und das Protokoll verweisen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Zur Höhe der Kosten und ihrer Aufschlüsselung nach den einzelnen Medien verweise ich auf die Beantwortung der entsprechenden parlamentarischen Anfragen, zum Bei­spiel 9421/J, 9068/J, 8772/J.

Zur Frage 3:

Ich verweise hiezu auf die Beantwortung der entsprechenden parlamentarischen Anfragen, wie zum Beispiel 3166/J, 4909/J sowie 568/J. (Bundesrat Jenewein: Was soll denn das?)

Zur Frage 4:

Eine genaue Zahl, wie oft der Bundeskanzler vorgekommen ist, konnte in der kurzen Zeit nicht erhoben werden. Im Jahr 2011 waren es rund 30 Schaltungen, in denen der Bundeskanzler mit Bild vorkam; wie gesagt, noch vor dem Medientransparenzgesetz. Seit Jahresbeginn 2012 wurden keine Schaltungen mit Abbildungen des Regierungs­chefs seitens des Bundespressedienstes mehr getätigt.

Zu den Fragen 5 und 6:

Nein.


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 84

Zur Frage 7:

Derzeit ermittelt aufgrund einer von der FPÖ eingebrachten Anzeige die Staats­anwaltschaft meines Wissens gegen 11 Personen.

Zur Frage 8:

Nein.

Zur Frage 9:

Ich gehe nicht von einer Anklageerhebung aus.

Zu den Fragen 10 bis 14:

Zu all diesen Fragen habe ich im Untersuchungsausschuss vor zwei Tagen ausführlich Stellung genommen, insgesamt zirka drei Stunden lang, wobei ich anders als einige andere Personen nicht von meinem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht habe, sondern ausführlich Rede und Antwort gestanden bin. Meine Aussagen zu allen hier angeführten Punkten sind in den entsprechenden Ausschussprotokollen festgehalten und öffentlich einzusehen und nachzulesen.

Zur Frage 15:

Wie schon der Bundeskanzler bei der Dringlichen Anfrage im Nationalrat festgestellt hat, kommentieren wir keine Weisungen der Justizministerin.

Zu den Fragen 16 und 17:

Auch diese Fragen wurden im U-Ausschuss ausführlich erörtert, beantwortet und sind im Protokoll nachzulesen.

Zur Frage 18:

Ich habe keine Kooperationen für Töchterunternehmen vereinbart. Im Übrigen ver­weise ich auch hiezu auf meine Aussagen im U-Ausschuss.

Gleiches gilt für die Fragen 19 bis 21:

Ebenfalls nachlesbar auf der Homepage des Parlaments.

Zur Frage 22, a bis c:

Den Artikel habe ich damals gelesen.

Und zur Frage Kontrollbehörde: Gemeint war in der Erinnerung die Überprüfung durch eine unabhängige Kontrollbehörde. Zum Bericht des Rechnungshofs im Jahr 2004 wurde seitens der geprüften Einrichtung eine entsprechende Stellungnahme abgege­ben. Die ist ebenfalls im Bericht nachlesbar.

Und die Buchstaben d und e der Frage 22

sind mit einem Nein zu beantworten.

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15


Präsident Georg Keuschnigg: Besten Dank, Herr Staatssekretär.

Wir treten nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 85

13.15.38

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich ge­nauso gekommen, wie es mein Kollege Hans-Jörg Jenewein vermutet hat: Die Beantwortung wird sehr dürftig ausfallen. Bei allem Respekt, Herr Staatssekretär, aber das ist eigentlich eine Nichtbeantwortung, denn der Verweis auf den Untersuchungs­ausschuss, wo Sie ohnehin ausgesagt haben, ist ja wohl wirklich eine Missachtung des Bundesrates. (Bundesrat Mag. Klug: Wieso? Das können Sie dort nachlesen!)

Dazu kommt noch, dass die „Presse“, nachdem Sie dort ausgesagt haben, die Titelzeile gehabt hat: „Neue Widersprüche in Inseratenaffäre“. Das heißt, Sie haben nichts zur Aufklärung beigetragen, sondern offensichtlich für neue Verwirrung gesorgt.

Ich darf namens meiner Fraktion schon unserem Befremden Ausdruck verleihen, dass es Herr Bundeskanzler Faymann nicht gewagt hat, vor den Bundesrat zu treten und hier Rede und Antwort zu stehen. (Bundesrat Mag. Klug: „Gewagt“? – Er hat nichts falsch gemacht!) Er geht nicht in den Untersuchungsausschuss, auch wenn er behauptet, wenn er eingeladen wird, käme er ohnedies. Er geht auch nicht in den Bundesrat. Sie wissen vielleicht, dass aufgrund dieser Tatsache der Name Faymann im Parlament und auch unter Journalisten schon als „Feigmann“ herumgeistert.

Das ist wirklich sehr, sehr bedauerlich, wahrscheinlich auch schädlich. Politisch müssen Sie das selbst beurteilen. Der Wähler macht sich ohnehin immer sein eigenes Bild, ob es gescheit ist, da zu mauern und einfach nicht zu kommen. Zum Vergleich: Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel hatte kein Problem damit, in einen Unter­suchungsausschuss über Gorleben zu gehen, obwohl der Untersuchungszeitraum Jahre zurückliegt, in einer Zeit, als sie noch Umweltministerin war. Auch Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, ein Parteigenosse von Ihnen, hat in der Noricum-Affäre vor einem U-Ausschuss ausgesagt. (Bundesrat Todt: Schon wieder Geschichts­stunde!) Der hatte offensichtlich auch keine Berührungsängste, obwohl dem genau das gleiche Spiel vorausgegangen ist: Ich gehe in den Ausschuss, wenn ich geladen werde. Die SPÖ hat die Mauer gemacht, aber immer mit Hilfe der ÖVP. Das hat ja mittlerweile auch Tradition. Letzten Endes hat er aber dann doch ausgesagt.

Und Sie verstecken sich feig – und ich sage das ganz bewusst – einer hinter dem anderen. Der Kanzler sagt – und das kommt mir vor, wie ein Kind, das pfeifend durch den Wald geht, um seine Angst zu verbergen –: Ich komme ja ohnehin in den Unter­suchungsausschuss, wenn ich eingeladen werde. Der Klubobmann der SPÖ im Nationalrat, Cap, sagt: Das ist nicht nötig, denn das ist ohnehin alles in den „Som­mergesprächen“ besprochen worden und daher gibt es nichts Neues. – Aha, die „Sommergespräche“ sind jetzt also der Ersatz für einen Untersuchungsausschuss. Das ist wirklich eine sehr interessante Annäherung an diese Frage.

Da wird eben gemauert, was das Zeug hält, und das ist mindestens so ungeheuerlich wie die ganze Inseratenaffäre selbst. Und leider macht da die ÖVP aus koalitions­internem Was-weiß-ich der SPÖ eifrig die Mauer. Wahrscheinlich, weil man die Geschichten, in die man selbst involviert ist, gar nicht so gerne aufdecken möchte.

Wir wissen ja, der Untersuchungsausschuss ist jetzt dann Mitte Oktober zu Ende. Und es ist wie beim Bankenausschuss auch: Wenn es brenzlig wird und wenn so die richtig fetten Dinge herauskommen könnten, wird einfach abgedreht. Und da sind sich SPÖ und ÖVP bei aller Koalitionsstreiterei immer einig.

Ich sage Ihnen jedoch eines: Aus dieser Sache kommen Sie nicht mehr heraus, denn diese offensichtlich gekaufte wohlwollende Medienberichterstattung hat sich ja genau ins Gegenteil verkehrt. Die Medien berichten ja mittlerweile sehr kritisch über die Geschichte, und die lassen Ihnen das nicht mehr so ohne Weiteres durchgehen.


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Und Sie, Herr Staatssekretär, haben ja im Untersuchungsausschuss letzten Endes, wenn man den Zeitungen Glauben schenken darf, auch nach dem Motto agiert: „Mein Name ist Hase. Ich weiß von nichts.“

Es gibt aber eine sehr lange Liste derjenigen, die Sie belasten, die Sie belasten und die auch den Bundeskanzler belasten, den Bundeskanzler damals als Verkehrs­minis­ter, Sie als seinen Kabinettchef.

Das Interview des „Falter“ mit Herrn Wehinger, dem ehemaligen ÖBB-Vorstand, ist schon interessant. Das möchte ich den Zusehern an den Fernsehgeräten, die ja den Text der Dringlichen Anfrage nicht kennen, nicht vorenthalten. Der „Falter“ ist nicht gerade unser Lieblingsmedium, aber der Redakteur, Herr Klenk, ist auch uns bekannt als einer der wenigen Traditionsjournalisten, die ihre Aufgabe wirklich ernst nehmen und sehr seriös recherchieren, auch wenn er eine ganz andere Meinung vertritt als wir. Daher meine ich sehr wohl, dass das, was da drinnen steht, eher stimmt als das, was vor dem U-Ausschuss ausgesagt worden ist, wo man immer sagt: Keine Ahnung!

Der Falter sagt: „Beginnen wir chronologisch. Im Januar 2007 schlugen Sie die Kronen Zeitung auf

Wehinger: und ich wunderte, ja ärgerte mich. Plötzlich sah ich einen zweiseitigen Bericht, in dem die ÖBB katastrophal schlecht dargestellt wurden. Darunter war ein Kasten, in dem der damalige Verkehrsminister Werner Faymann als Ombudsmann Abhilfe versprach.“

So viel also dazu, dass man die ÖBB und die ASFINAG nicht schlechtmachen soll. Die sind gut, und gegen die Mitarbeiter geht das überhaupt nicht, denn da arbeitet sicher jeder sehr gut und bringt sich bestmöglich ein. Man darf dann aber schon fragen, warum denn dann mit diesen beiden Staatsbetrieben so umgegangen wird. Also Ihr Appell ist wohl eher nicht an uns zu richten, sondern der fällt auf Sie selbst zurück.

Der Falter frägt: „Sie wussten von dieser Aktion nichts?

Wehinger: Nein. Kein ÖBB-Manager wusste meines Wissens davon. Und auch die Marketingabteilung war überrascht. Wir ahnten natürlich, dass Faymann diese Inserate initiiert hatte. Wir wussten damals aber noch nicht, dass wir die Inserate bezahlen sollten. Normalerweise werden Inseratenpreise ja von uns ausverhandelt. Wenn man eine Serie macht, gibt es gute Rabatte. All das ist hier nicht passiert.“

Weiter die Frage: „Faymann, als Eigentümervertreter der ÖBB, gibt also am Vorstand vorbei Inserate in Auftrag, die wer anderer zahlt. Dieses Vorgehen war Usus?

Wehinger: Nein, so etwas hatte es zuvor noch nicht gegeben und es war auch im konkreten Fall von uns absolut unerwünscht. Diese Negativschlagzeilen, auf die Faymann als ,Ombudsmann‘ antwortete, passten in keinster Weise in unsere Konzern­strategie. Sie müssen wissen, dass wir etwa vier Kampagnen pro Jahr planten. Die wurden lange vorbereitet und strategisch geplant. Die Inserate Faymanns passten da überhaupt nicht dazu. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Nach einiger Zeit hieß es auch, dass wir für diesen Unsinn“ – so bezeichnet er das – „auch noch bezahlen sollten.“

Frage: „Sie mussten also etwas bezahlen, was Sie nicht wollten?

Wehinger: Ja, und deshalb gab es massiven Ärger in den ÖBB und im Vorstand. Eine Krisensitzung zwischen Vorstand und Marketingabteilung jagte die andere. Wir fragten uns nur noch: Was wird morgen in der Krone stehen? Womit werden wir nun wieder attackiert? Wie sollen wir darauf reagieren? Die Inserate waren immer gegen den Personenverkehr gerichtet. Mit der Auflösung: Der Faymann wird’s schon richten.“


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Und noch eine Frage: „Faymann sagt, er habe den ÖBB mit seiner Aktion geholfen.“ – Da kommt jetzt also der Helfer in der Not! – „Welchen Wert hatten die Inserate aus Ihrer Sicht?

Wehinger: Keinen. Sie waren aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Schaden.“

So, so viel zur Aufforderung, dass die tolle ÖBB jetzt, bitte, keiner madigmachen soll, einfach nur, weil man Fragen dazu stellt. Niemand macht die ÖBB als solche madig, aber man darf schon hinterfragen, was mit dem Geld geschieht, denn das ist nämlich Geld des Steuerzahlers. Die ÖBB wird Jahr für Jahr mit Milliarden gesponsert, die ASFINAG übrigens auch. Also da darf man schon fragen, wie mit dem Steuergeld umgegangen wird.

Bei der ASFINAG haben wir ja durchaus etwas Ähnliches. Auch da wird der Kanzler, der heutige Kanzler und damalige Verkehrsminister durch einen Revisionsbericht belastet, der besagt, dass die Leistungen nicht von der ASFINAG in Auftrag gegeben wurden. Der Auftrag war aus dem Büro Faymann gekommen und direkt an die „Kleine Zeitung“ erteilt worden. Und weil der Vorstand eben offensichtlich nicht willfährig war, ist er dann auch gleich abgelöst worden, und man hat sich einen etwas schmeichel­weicheren Vorstand genommen, was den Steuerzahler doppelt so viel Geld gekostet hat, denn da sind ja wieder Abfertigungen für vorzeitige Entlassung schlagend ge­worden, die wieder aus dem Steuertopf, sprich aus der Geldbörse des Steuerzahlers bezahlt wurden. Und das sage ich Ihnen schon: Sie führen sich auf, als ob dieses Land ein Selbstbedienungsladen wäre, in dem Sie nehmen können, was immer Sie wollen. (Bundesrat Todt: Und das sagt gerade Ihre Partei!)

Und zum Hinweis auf die Inserate, die so wichtig sind: Die Medien bekommen nicht zu knapp Medienförderung. Es geht nicht darum, dass man an sich nicht inserieren darf. Es geht darum, ob man Inserate macht, um sachlich zu informieren oder um sich bestmöglich als Kanzler oder Minister darzustellen. Der Private, der seine Werbe­inserate schaltet, der steht draußen in der freien Marktwirtschaft in einem harten Wettbewerb. Selbstverständlich wirbt der für sein Unternehmen, selbstverständlich wirbt der für seine Produkte. Das ist auch sein gutes Recht, und er zahlt es aber auch aus der eigenen Tasche. Hier ist es aber nicht darum gegangen, Informationen zu verbreiten, wie das Ihr Auftrag gewesen wäre, sondern den Verkehrsminister best­möglich darzustellen. Daher ist es wirklich ein großer Unterschied, ob ein Privater inseriert oder ob Sie mit Steuergeldern eine Art Medienkampagne für sich selbst inszenieren, um mit öffentlichen Geldern hoffentlich auch eine freundliche Bericht­erstattung im redaktionellen Teil zu erreichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin der Meinung, dass man mit öffentlichem Geld drei Mal so sorgsam umgehen muss wie mit dem eigenen. (Bundesrat Mag. Klug: Da sind wir derselben Meinung!) Warum tut ihr es dann nicht? (Bundesrat Mag. Klug: Tun wir ja!) Ja, das merkt man! Auch die Staatsanwaltschaft ist da sehr kritisch gewesen. Dabei gab es vor einigen Monaten einen „Kurier“-Artikel, der aufgelistet hat, wie rot die Staatsanwaltschaft und auch die Richterschaft eingefärbt ist. Ich zitiere hier jetzt nur diesen Artikel. Selbst die Staatsanwaltschaft hat von einer Schutzbehauptung von Faymann und sonstigen Personen gesprochen.

Wenn man bei Wikipedia nachschaut, was das Wort „Schutzbehauptung“ bedeutet, erfährt man Folgendes: „Bei einer Schutzbehauptung handelt es sich um eine falsche Aussage, welche getätigt wird, um die eigene Schuld zu verbergen und einer Strafe zu entkommen. Der Begriff wird auch verwendet, um nicht direkt von einer Lüge sprechen zu müssen.“ – Zitatende. (Bundesrat Mag. Klug: Wikipedia für eine Dringliche?) Das ist, was laut Wikipedia, da kann man vielleicht auch ein Wörterbuch nehmen, unter „Schutzbehauptung“ verstanden wird.


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Auch ÖBB-Chef Huber, der in dieses Netzwerk bestens eingebunden war – wir haben schon einmal eine Dringliche zu seinen ÖBB-Geschäften gemacht –, hat Vorwürfe gegen Sie beide erhoben, dass Sie erkleckliche Summen aus dem ÖBB-Budget zur Disposition für Faymann verlangt haben, wie er sagt. Auch er war kurz danach seinen Posten los. Bei der Dringlichen damals haben wir uns auch darüber unterhalten, welche Millionenabfertigungen er bekommen hat, und auch die waren wieder aus der Geldbörse des Steuerzahlers. (Bundesrat Mag. Klug: Das waren nicht unsere Verträge! – Bundesrat Jenewein: Das war Schweigegeld!)

Und zu all diesen Vorwürfen sagt Cap, da ist nichts Neues zu erwarten, und die „Sommergespräche“ hätten das eigentlich alles schon erledigt. Da kann man sich schon fragen: Für wie blöd halten Sie eigentlich die Wähler, dass sie Ihnen das noch glauben sollen? Mit dieser Inseratenaffäre, vor allem mit der Weigerung, dafür auch die politische Verantwortung zu übernehmen, denn darum geht es ja auch, zeichnen Sie insgesamt ein Sittenbild der Politik, von dem sich der Wähler zu Recht mit Grausen abwendet. Die Forderung nach mehr direkter Demokratie ist verständlich, weil der Wähler Ihnen ja überhaupt nichts mehr zutraut, und das zu Recht. (Bundesrat Jenewein: Warum verlieren Sie seit 2005 alle Wahlen? – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da darf natürlich auch nicht unerwähnt bleiben, dass es ja nicht nur um die SPÖ geht, sondern jetzt auch Umweltminister Berlakovich in die Schlagzeilen geraten ist mit seiner Inseratenaffäre in der Zeitung des Bauernbunds, an der die ÖVP zu nicht unmaßgeblichen Teilen beteiligt ist. Der Rechnungshof hat gesagt, dass das ein Medium mit einer sehr geringen Reichweite ist, also eher als untergeordnet zu betrachten ist. (Bundesrat Kneifel: Das stimmt ja nicht!) – Es ist alles Unsinn, was die Zeitungen schreiben. Das glaube ich natürlich sofort. (Bundesrat Kneifel: Nicht alles, aber manches!) Das sind auch die üblichen Schutzbehauptungen: Alles nicht wahr, das kann alles nicht stimmen.

Auch da gibt es also sicherlich noch einiges aufzuklären. Das hat ja System. Wir kennen das ja in Wirklichkeit schon seit Jahrzehnten. Diesmal kocht es eben einmal wieder hoch, und dieses Mal wird es daher auch einmal sichtbar. Der Wähler hat schon lange, selbst dann, wenn nichts rausgekommen ist, das Gefühl gehabt: Die tun, was sie wollen, und das immer mit unserem Geld. Jetzt sind eben einmal ein paar ordentliche Dinge auf dem Tisch.

Noch einmal zur Forderung nach mehr direkter Demokratie, zu der Sie sich in Sonntagsreden auch immer bekennen: Sie kündigen an und machen dann am Ende gar nichts. Zuerst pflichten Sie unserer Forderung nach mehr Mitbestimmung der Bürger bei. Die Bürger wollen nicht nur bei der Wahl ein Kreuzchen machen, weil Sie sehen, dass der Zug in die falsche Richtung fährt mit ESM et cetera pp. Sie sagen da immer: Ist wunderbar, machen wir!, aber dann geht es schon los: Nicht so wenige Unterschriften, und nicht bei allen Dingen, und bei diesem nicht und bei jenem nicht; und am Ende ist Ihnen am liebsten gar keine direkte Mitbeteiligung der Bevölkerung.

Dass der U-Ausschuss ein Minderheitsrecht werden soll, so wie das in Deutschland seit Jahren, um nicht zu sagen, Jahrzehnten selbstverständlich ist, dazu höre ich jetzt schon mindestens seit 15 Jahren aus der SPÖ: Ja, das wollen wir machen. – Gekom­men ist bis jetzt überhaupt nichts. Jetzt, im Zuge dieser Krise heißt es natürlich wieder: Ja, das muss natürlich so kommen, und wir nehmen uns Deutschland als Vorbild. – Nein, auch diesmal wird wieder nichts kommen, und falls doch, dann wieder so ein- und schaumgebremst, dass man nicht von einem echten Minderheitsrecht wird sprechen können.

Ich sage Ihnen eines: Sie hängen da wirklich ganz tief drinnen. Und die Rechnung für diese Versäumnisse, für diese Mauscheleien, Vertuschungen und das Nichtüber-


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nehmen von politischer Verantwortung wird Ihnen ohnehin der Wähler am Wahltag präsentieren. Und ich kann Ihnen jetzt schon sagen, Sie werden zahlen müssen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Genau die FPÖ sagt das! – Ruf bei der SPÖ: In Kärnten dürft ihr dann gleich gar nicht mehr antreten!)

13.31


Präsident Georg Keuschnigg: Ich darf bei dieser Gelegenheit die Delegation aus der Gemeinde Oberndorf – diese Gemeinde liegt im Bezirk Kitzbühel, das ist der Heimat­bezirk des Kollegen Schweigkofler und von mir – sehr herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


13.32.32

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Gäste und Besucher des Bundesrates aus dem Bezirk Kitzbühel, herzlich willkommen im Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind derzeit bei der Behandlung und Abarbeitung einer Dringlichen Anfrage durch die Freiheitliche Partei, betreffend den Untersuchungsausschuss, die Ereignisse im Zusammenhang mit der Vergabe von Inseraten aus dem Verkehrsministerium und einiges andere mehr.

Ich finde, es ist das gute Recht von Parlamentariern einer Opposition, die Instrumente des Parlamentarismus zu nutzen, um Themen zu aktualisieren, die ihnen wichtig erscheinen. Dazu gehört das Fragerecht an die Minister, dazu gehört die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, dazu gehört auch das scharfe Instrument einer dringlichen schriftlichen Anfrage, wie wir das heute im Bundesrat erleben.

Ich stehe zu all diesen Rechten, ich stehe auch zum Untersuchungsausschuss, nur gibt es natürlich auch entsprechende Strukturen und Bestimmungen, die zu beachten sind. Ein Untersuchungsausschuss kann nicht endlos dauern. Ich habe Verständnis dafür, dass die Opposition natürlich am liebsten einen endlosen, einen ständigen, einen permanenten Untersuchungsausschuss einrichten möchte. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht um ein Jahr!) – Ich erkläre Ihnen das gleich, Frau Kollegin.

Es gibt im Staat eine Gewaltenteilung, es gibt die Legislative, die dafür zuständig ist, dass Gesetze ordentlich beschlossen werden – vorbereitet, vorberaten und beschlos­sen werden. Es gibt die Exekutive, die das auszuführen hat, was die Parlamente beschließen, und es gibt eine dritte wichtige Gewalt, das ist die Justiz. Und die Justiz hat eine eigene Aufgabe, die Exekutive hat eine eigene Aufgabe und die Legislative hat eine eigene Aufgabe. Wir sollten uns an diese verfassungsmäßigen Grundsätze halten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ein Untersuchungsausschuss – und ich stehe dazu, ich habe das schon betont – ist dazu da, die politische Verantwortung in aller Öffentlichkeit zu klären. Wir erleben das jeden Tag: Wenn der Untersuchungsausschuss tagt, sind Kameras, Mikrofone hier, sind Journalisten im Haus, sodass fast schon der übrige parlamentarische Betrieb gestört wird. Das ist aber wichtig, das ist äußerst notwendig, dass so etwas geschieht. Dazu stehen wir auch, und das soll auch in Zukunft so sein. Das macht eine funktio­nierende parlamentarische Demokratie aus. Aber es darf nicht zu einer Vermischung der Aufgaben kommen, sodass der Untersuchungsausschuss quasi eine Parallel-Staatsanwaltschaft wird, der Untersuchungsausschuss also die Aufgaben der dritten Gewalt in der Verfassung, nämlich der Justiz, gleich in einem miterledigt. Das ist nicht im Sinne unserer Verfassung. Das müssen die Gerichte beurteilen und die Beklagten und Angeklagten entsprechend verurteilen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)


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Wir haben in den letzten Wochen, wir haben sogar in den letzten Tagen erfahren, dass die Gerichte sehr exemplarische Strafen verhängen über Persönlichkeiten, Funk­tionäre, Mandatare, die nachweislich ein Fehlverhalten an den Tag gelegt haben. Das gilt zumindest für die erste Instanz, denn es ist noch nicht rechtskräftig.

Wir sollten das so lassen, wie es die Verfassung vorsieht. Wir sollten als Politiker nicht Staatsanwälte spielen, auch wenn das vielleicht die Medien interessiert und einige Beobachter der politischen Szene. Ich habe volles Vertrauen in die Justiz. Die Justiz in Österreich arbeitet hervorragend. Und ich möchte auch eines ergänzen: Ich stehe auch zum Weisungsrecht der Justizministerin. Immer wieder kommt der Vorwurf, dass die Politiker in Österreich ganz sanft angegriffen werden. Ich stehe dazu, dass Vorwürfe gegen Politiker besonders genau beachtet werden, weil die auch eine besondere Verantwortung haben. Das muss entsprechend geschehen, und dafür muss auch Platz sein in einer Demokratie, wenn es zu solchen Vorwürfen kommt.

Ich bin aber wirklich dagegen, um das noch einmal zu betonen, dass ein Unter­suchungsausschuss zu einer Schlammschlacht wird und dass sich das immer wieder wiederholt, immer wieder dieselben Vorwürfe kommen, die immer wieder aufgewärmt werden. (Bundesrat Jenewein: Er hätte sie ja entkräften können!) – Ich komme gleich darauf zu sprechen. Lassen Sie mich den Gedanken zu Ende führen!

Wissen Sie, was die Leute schätzen: Nicht nur, dass diese Probleme entsprechend in der Öffentlichkeit diskutiert werden, dass entsprechend harte Fragen im Unter­suchungsausschuss gestellt werden, sondern dass sich dann auch etwas ändert, dass etwas verändert wird, dass sich die Rahmenbedingungen insofern ändern, dass sich so etwas nicht mehr ereignen kann. Und ich muss Ihnen sagen, in dieser Hinsicht ist in letzter Zeit einiges gearbeitet worden. Da haben wir ein Parteienfinanzierungsgesetz beschlossen, da haben wir ein neues Lobbying-Gesetz beschlossen, das Korruptions­strafrechtsgesetz haben wir geändert. Wir haben das Unvereinbarkeitsgesetz geän­dert, wir haben die Meldepflichten für die politischen Mandatsträger eingeführt. Und das wollen die Leute. Es wird auch, und da sind wir uns, so denke ich, einig in diesem Haus, eine derartige Insertionspraxis nicht mehr geben. Das ist abgestellt, das gibt es in Zukunft nicht mehr. Und genau das schätzen die Leute: dass etwas geschieht, dass ein Gesetz beschlossen wird und dass sie die Sicherheit haben können, dass derartige Vorgänge in Zukunft nicht mehr vonstattengehen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Mühlwerth! Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Das letzte Wort in diesen Fragen haben der Wähler und die Wählerin, und ich gehe davon aus, dass alle politischen Kräfte in der Republik alles tun werden, um ihren Standpunkt in den Medien entsprechend darzustellen. Und ich gehe auch davon aus, dass die Menschen in dieser Republik imstande sind, das auch zu bewerten. Da brauchen sie keinen Vormund dafür, das können sie bewerten. Ich traue ihnen zu, dass das entsprechend bewertet wird, egal, wie dann die Bewertung ausfällt, was dann aber auch zu entsprechenden Handlungen führen muss.

In diesem Sinne sollten wir es auch dabei bewenden lassen. Die strafrechtlichen Vorwürfe werden ohnedies weiter geprüft. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht um die politische Verantwortung!) Ja. Die politische Verantwortung ist geklärt. (Bundesrat Jenewein: Wieso?) Die politische Verantwortung ist geklärt. Jetzt sollen in Zukunft die Gerichte handeln, und wir sollten uns eigentlich in die objektive Justiz in Österreich, zu der ich großes Vertrauen habe, nicht mehr einmischen. (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 91

13.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


13.41.29

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Besucherinnen und Besucher! Ein sonniger Herbsttag beginnt mit einer schwachen Dringlichen der Freiheitlichen. Dies ist, kurz zusammengefasst, meine politische Einschätzung zu diesem Tagesordnungspunkt, den wir jetzt diskutieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nicht zum ersten Mal, dass Sie mit Ihrer Einschät­zung falsch liegen!)

Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn darauf eingehe, dass wir uns als sozial­demo­kratische Fraktion selbstverständlich freuen, wenn der Herr Staatssekretär im Bun­desrat ist. Ich möchte aber auch kurz auf die Vertretungsthematik eingehen, die von den Freiheitlichen angesprochen wurde.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns in unserer Geschäftsordnung einstimmig Regeln für die Arbeit im Bundesrat gegeben – „einstimmig“ heißt klarer­weise, auch mit den Stimmen der Freiheitlichen. Im Zusammenhang mit den Dring­lichen Anfragen ist ganz klar und eindeutig geregelt, dass sich der zuständige Minister beziehungsweise der Bundeskanzler von seinem ihm zur Verfügung gestellten Staatssekretär auch hier im Plenarsaal des Bundesrates vertreten lassen kann. Das steht ganz klar und deutlich in unserer Geschäftsordnung. Das sind Regeln, die wir uns gemeinsam und einstimmig gegeben haben und an die wir uns auch gemeinsam halten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Aber eingeladen haben wir ihn auch! – Bundesrätin Mühlwerth: Das heißt aber überhaupt nicht, dass er nicht kom­men darf!)

Es ist schon deutlich zum Ausdruck gekommen, dass es auch funktionell sinnvoll ist, dass heute Staatssekretär Ostermayer im Bundesrat ist, denn die Angelegenheiten, die in der Dringlichen im Wesentlichen behandelt werden, betreffen das Verkehrs­ministerium, und in dem Zusammenhang macht es auch funktionell Sinn, dass der damalige Büroleiter des angesprochenen Verkehrsministers heute da ist und uns geeignete Informationen geben kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn es um die politische Verantwortung geht, sollte der damals politisch Verantwortliche kommen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Insofern muss ich ehrlich sagen: Ich verstehe zwar, dass man den politischen Willen äußert, aber dass man dann politisch zu weinen anfängt, dass der Staatssekretär da ist und der Minister nicht, das ist irgendwie nicht nachvollziehbar. (Bundesrat Jenewein: Geweint haben wir eher nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Politisch zentral angesprochen ist meines Erachtens die Frage: In welcher Form gibt es für das angesprochene Ressort, sprich für das Verkehrsministerium, in Österreich eine Infor­mationspflicht, aber vor allem die Verpflichtung des Verkehrsministers zu Informations­aktivitäten gerade in diesen beiden angesprochenen Unternehmen? Meines Erachtens besteht für einen Verkehrsminister selbstverständlich eine durchaus beachtliche Infor­mationspflicht. Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels, zum Beispiel der Rettungsgasse ausführen. In diesem Zusammenhang haben wir ein gemeinsames politisches Interesse, dass sämtliche Regeln, die zum Beispiel für die Rettungsgasse notwendig sind, nicht nur jetzt aktiv beworben werden, sondern dass wir diese wohl auch in Zukunft noch länger bewerben werden müssen. (Bundesrat Schreuder: Wir oder die ASFINAG? Das ist aber entscheidend!)

Ich sage: Aus meiner politischen Einschätzung gibt es auch seitens des Verkehrs­ministeriums eine deutliche Informationspflicht, na selbstverständlich. (Bundesrat Schreuder: Und dafür greifen Sie auf das Budget der ASFINAG zu?)


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Wenn ich mir jetzt die beiden angesprochenen Unternehmen – ÖBB und ASFINAG – vorstelle, dann gibt es noch zwei weitere gute Gründe, warum wir dort aktiv informieren und bewerben. Unter der Voraussetzung, dass man die beiden als funktionierende Unternehmen in der politischen Landschaft und am Wirtschaftsstandort Österreich haben will, liegt doch völlig auf der Hand, dass die ÖBB in einem permanenten, unmittelbaren Konkurrenzkampf mit dem Pkw-Verkehr stehen, na selbstverständlich. Gerade daher besteht für die ÖBB die Informationspflicht. Im Bereich der ASFINAG, werte Kolleginnen und Kollegen, gibt es insbesondere über den Rahmenplan, über die Infrastrukturmaßnahmen der ASFINAG einen unmittelbaren und massiven Eingriff dieses Unternehmens in öffentliche Interessen, die alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger betreffen. Daher ist auch naheliegend, dass durch das zuständige Ressort nicht nur die Informationspflicht, sondern auch eine politische Koordinierungs­funktion wahrzunehmen ist. Das liegt doch wohl selbstverständlich auf der Hand. (Bundesrat Jenewein: Besser Sie hören auf! Sie reiten sich da nur immer weiter hinein!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Primär geht es meines Erachtens den Freiheitlichen im Bundesrat offenkundig darum, in der Vergan­genheit erzielte Erfolge gerade in diesem Bereich sowohl hinsichtlich der Umsetzung des Rahmenplans im Bereich der ÖBB, aber natürlich auch Infrastrukturprojekte und Investitionen und damit auch Konjunkturbelebungspakete im Nachhinein kleinzureden. (Bundesrat Jenewein: Das stimmt ja so nicht!) Die Erfolge, die wir gemeinsam in Österreich gerade mit diesen konjunkturbelebenden Maßnahmen erzielen konnten, haben wir heute schon in der Europa-Debatte wohl gemeinsam festgestellt.

Nicht primär, aber sekundär, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, drängt sich daher natürlich der Verdacht auf, dass es bei diesem sogenannten Skandalisierungsversuch wohl lediglich darum geht (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Skandal!) – ich betone: Versuch! Versuch! –, von den eigenen Skandalen der FPÖ ablenken zu wollen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! Ich darf Ihnen an dieser Stelle schon sagen: Bei Ihnen gewinnt der Slogan „Unser Geld für unsere Leut’!“ eine ganz eigene Bedeutung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Warum also hier bei uns im Bundesrat? – Die wahren Gründe, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen ausschließlich in einer Showpartie. Es ist ein Faktum, dass der Bundeskanzler bereits im Nationalrat ausführlich Auskunft gegeben hat und das dort diskutiert wurde. (Bundesrat Jenewein: Aber geh! Das stimmt ja so gar nicht!)

Und parallel dazu, rund 50 Meter vom Plenarsaal des Bundesrates entfernt, findet noch immer der Untersuchungsausschuss statt. Wenn Sie umfangreicher und genauer gefragt hätten, was Sie nicht getan haben, dann könnten Sie in dem jetzt allgemein zugänglichen Protokoll des Untersuchungsausschusses (der Redner hält das Schrift­stück in die Höhe) auf den Seiten 93 bis 136 vieles nachlesen und auch Ihr Infor­mationsbedürfnis befriedigen. (Bundesrätin Mühlwerth: Da muss man schon so privilegiert sein wie Sie, dass man das zuerst bekommt!) Das setzt natürlich voraus, dass man sich der mitteleuropäischen Kulturtechnik des Lesens bedient.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der sogenannten Dringlichen der Freiheitlichen bleibt eine reine Showpartie. Hätten wir Montag, könnte man von einer „Millionenshow“ sprechen. Da wir aber Donnerstag haben, schließe ich meine politischen Ausfüh­rungen: Einem sonnigen Herbsttag wird eine schwache Dringliche beschert, eine schwache Dringliche der Freiheitlichen, die bereits im Versuchsstadium gescheitert ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.51



BundesratStenographisches Protokoll813. Sitzung / Seite 93

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


13.51.17

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Kollege Klug, erlauben Sie mir die harschen Worte, aber das war wohl die mit Abstand erbärmlichste Rede, die ich je von Ihnen in diesem Haus gehört habe. Es tut mir leid! Diesen Spin, den ihr da versucht nach dem Motto: Inserieren ist ohnehin okay, das tut auch ein jeder!, den nimmt euch keiner ab, es tut mir leid. Es geht nicht darum, ob Inserate prinzipiell gut oder schlecht sind, sondern es geht darum, ob ein Regierungs­verantwortlicher, ein Regierender, ein Minister in diesem Fall das Recht hat, so in die diversen Marketingpläne, beispielsweise der ÖBB, einzugreifen, wie das Herr Weninger im „Falter“-Interview sehr gut schildert, und sehr viel Geld auszugeben, das er denen nachher aufdrückt, um positive Berichterstattung zu bekommen. Darum geht es! Wenn Sie mit Rettungsgassenbeispielen oder was weiß ich daherkommen, dann nimmt Ihnen das niemand ab.

Wenn Sie von einer Show sprechen, wenn wir dieses Thema besprechen, dann sind Sie wirklich – ich weiß nicht, wo Sie sich den ganzen Tag über aufhalten, offensichtlich nur unter strammen Parteisoldaten der Sozialdemokratie – nicht da draußen, denn da draußen wird ganz anders diskutiert über dieses Thema, und den Leuten steht es bis hierher. (Der Redner vollführt die Geste mit der flachen Hand zum Hals.)

Und die Show, die hier abgezogen wurde, unter anderem von Ihnen, ist das, was so viel Frust auslöst, das ist das, worunter alle leiden – alle Parteien im Übrigen, weil der Frust über die Innenpolitik schon dermaßen groß ist, weil die Menschen dieses Kasperltheater nicht mehr ertragen möchten, da niemand mehr Verantwortung übernehmen möchte. Das ist der wesentliche Punkt in dieser Debatte! (Ruf bei der SPÖ: Dann ist die einzige Alternative, damit aufzuhören! Es bringt nichts, das Ganze noch einmal aufzukochen!)

Es war – und das muss man zur Erinnerung auch erwähnen, ich mache jetzt einen kleinen historischen Abriss – die schwarz-blaue Regierung, in der die vielen Korrup­tionsaffären aufkamen, und es waren übrigens damals schon Gabi Moser und Peter Pilz – wir machen übrigens kein Ablenkungsmanöver, Herr Klug, denn die Grünen sind nämlich ohne Korruption, das halte ich hier einmal fest und sage es ganz deutlich, also wir haben gar kein Interesse daran, von irgendetwas abzulenken –, die das, ange­fangen mit der Homepage-Affäre vom Grasser, angesprochen haben. Wir haben damals schon gesagt, da ist so viel Korruption im Spiel, und was wurden wir dafür beschimpft, und was wurden damals schon für unerträgliche Debatten geführt. Und dann kam es auf, in einem Moment, der uns alle auch überrascht hat und der uns auch gefreut hat, und dann wurde die Justiz aktiv, und nach und nach – Sie lassen sich ja gar nicht mehr an zwei Händen abzählen – wurden all diese Korruptionsaffären Thema, und wir bekamen einen Untersuchungsausschuss.

Und dieser Untersuchungsausschuss hat enorm gute Arbeit geleistet. Wir haben diesem Untersuchungsausschuss unglaublich viele Fortschritte zu verdanken: das Medientransparenzgesetz beispielsweise, ja, stärkere Korruptionsregelungen, ja, das ist ja gut. (Bundesrat Mag. Klug: Dem will ich auch nicht widersprechen!) Das heißt, es gab einen Moment in dieser Zeit des Untersuchungsausschusse, wo man sogar so etwas wie Hoffnung vermitteln konnte, nämlich: Diese Politiker und Politikerinnen lernen, diese Politiker und Politikerinnen begreifen, dass diese Selbstbedienungs­mentalität vorbei ist und dass Sauberkeit und Transparenz die Zukunft sein müssen in einer modernen Zeit, die auch über völlig neue technologische Möglichkeiten verfügt,


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die nebenbei bemerkt noch viel zu wenig genützt werden, um Korruption zu bekämp­fen.

Es begann mit der Aussage von Josef Cap: Faymann braucht doch nicht in den Untersuchungsausschuss zu gehen, er hat ohnedies im Fernsehen bereits alles gesagt! Damit ist das alles mit einem Schlag zunichte gemacht worden. Und es ist kein Wunder, und es darf euch auch nicht wundern, wenn in den Umfragen die sogenannte große Koalition schon unter 50 Prozent liegt. Die Leute haben von diesem Theater die Schnauze voll und, nebenbei bemerkt, ich auch. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum, Jenewein und Michalke.)

Was da kam, das war wirklich nicht zu ertragen, und ich muss hier Gabi Moser erwähnen, die wirklich eine hervorragende Vorsitzführung geliefert hat. Zu Recht waren übrigens die Grünen die Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. Wir waren die Einzigen ohne Korruptionsfall, so einfach ist das! (Bundesrat Mag. Klug: Das ist jetzt Eigenwerbung!) Nein, das ist keine Eigenwerbung, das ist ein Fakt. Und da brauchen Sie (in Richtung des Bundesrates Mag. Klug) gar nicht so hämisch zu grinsen. Wir haben keinen Dreck am Stecken, das wissen Sie ganz genau!

Da kamen dann diese Rücktrittsaufforderungsgeschichten, bei denen völlig klar war, dass wir uns der Inseratenaffäre nähern, und dann hieß es von Ihrer Seite, dieser Untersuchungsausschuss gehört gestoppt. Darum ging es, und um nichts anderes! Es ging in Wahrheit nie um Gabi Moser, es ging immer nur darum: Wir gebrauchen jetzt jedes verfügbare Mittel, um diesen Untersuchungsausschuss abzudrehen! Das war das einzige Interesse, das da dahintersteckte.

So, ich streife jetzt immer diese Schutzhüllen von den Mikrofonen. (Der Redner stülpt die Schaumstoffhütchen wieder über die Mikrofone am Rednerpult. – Bundesrätin Mühlwerth: Das passiert mir auch häufig! Das ist so, wenn man mit Engagement spricht!)

Dann hat euch Gabi Moser einen Strich durch die Rechnung gemacht mit dem Satz – ich habe das übrigens bereits als Spruch des Jahres eingereicht, diesen Satz –: Ich trete nicht zurück, ich mache den Weg frei! Sie tat das tatsächlich, um den Unter­suchungsausschuss am Leben zu halten. Und dann kam – ich brauche es nicht zu wiederholen, jeder weiß es und jeder hat das noch in bester Erinnerung – dieser unfassbare Erpressungsversuch, nein, was heißt Versuch, es war eine Erpressung im Nationalrat, zuerst mit dem Fristsetzungsantrag und dann mit den Worten: Entweder Ihr stimmt jetzt unserem Zeitplan zu, oder der Untersuchungsausschuss ist tot! Das ist pure Erpressung! Und die Leute da draußen sind nicht dumm, und sie empfinden das hier nicht irgendwie als eine Show, sie empfinden es als Notwendigkeit.

Eure Verteidigungsversuche, Herr Kollege Klug, empfinden sie als unerträgliche Show und als Phrasendrescherei, die nicht mehr zu ertragen ist. So ist es nämlich in Wahrheit! (Bundesrat Mag. Klug: Das glaube ich nicht!)

Und wissen Sie, es gibt etwas, was mich am meisten ärgert, und das ärgert mich schon lang. Und, Herr Kollege Kneifel, ich finde das völlig richtig, was Sie über die Säulen der Demokratie, Legislative, Exekutive und Judikative, gesagt haben. Ich gehe ja viel mit Sozialdemokratinnen und -demokraten, auch mit Leuten von der ÖVP, nie mit Freiheitlichen, zugegeben, auf einen Kaffee, und fast jeder Parlamentarier von der Sozialdemokratie, den man trifft, sagt hinter vorgehaltener Hand – und ich nenne jetzt ohnedies keine Namen –: Das war ein Wahnsinn, was wir da gemacht haben! Ich verstehe nicht, warum ihr nicht in den U-Ausschuss geht! Das ist unerträglich! (Bundesrat Mag. Klug: Eigenwahrnehmung! – Bundesrat Jenewein: Das ist so!)


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Nein, nein, nein, Herr Kollege Klug! Das ist so! Oder die von der ÖVP, die sagen: Ich verstehe nicht, warum wir jetzt alle unsere Affären aufdecken haben lassen, und kaum kommt die SPÖ dran, ist es aus! – Das versteht niemand!

Damit kommen wir schon zu einer prinzipiellen Strukturfrage der Republik. Und deswegen bin ich so froh, dass wir Basisdemokratie haben und nicht die Parteispitze unsere Listenplätze bestimmt. (Bundesrat Mag. Klug: Mit der Basisdemokratie ist es auch so eine Sache!) – Nein, das ist wichtig! Weil die Legislative derartig abhängig ist in Sachen Listenplätze und weil die Angst haben um das eigene Leiberl, so ist es, machen sie auch brav, was die Parteispitze sagt. Und die Parteispitze stellt in eurem Fall zugleich die Spitzen der Regierung. Deswegen gibt es keine, was Sie sich zu Recht wünschen, Trennung von Legislative und Exekutive in diesem Staat, in diesem Land. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Wenn wir das ernst nehmen, dann müssen wir auch über die Verhaberung zwischen Boulevardmedien und Politik reden. Ich weiß nicht, wer gestern den „Club 2“ geschaut hat, aber ich fand das ja hochinteressant. Zum einen fand ich Frau Weish wunderbar, die zu Recht gesagt hat, dass wir, wenn wir von JournalistInnen reden, so zehn bis 15 Leute im Kopf haben. In Wirklichkeit arbeitet ein Großteil der Journalisten und Journalistinnen fast im Prekariat. Das sind junge Leute, die kommen zu den Zeitungen, zu den Medien, verdienen wenig und müssen sich einmal diesem System unterordnen. Dieses System heißt eindeutig: Wem gehört die Zeitung? – Das ist nicht selten die Raiffeisen. Wer inseriert in dieser Zeitung? Wem steht man nahe und mit wem ist man verhabert? – So ist es!

Ich kann mich selbst erinnern – und ich nenne jetzt keine Namen, denn ich habe jetzt keine Lust auf einen langen Prozess –: Wiener Gemeinderatswahlkampf 2010  (Bundesrat Todt: Du bist immun!) – Ja, aber ich habe trotzdem keine Lust. (Bundesrat Mag. Klug: Die Lust ist unterschiedlich!) Es kann sich eh jeder denken, um welche Boulevardzeitung es geht.

Gemeinderatswahlkampf 2010: Das war unangenehm, auch wir haben manchmal unan­genehme Geschichten. Ein paar Bezirksrätinnen und -räte, die niemand kannte, sind aus den Grünen ausgetreten und haben eigene Listen gegründet. Das wurde in einem Boulevardmedium so groß aufgebläht, über Monate bis zur Wahl. Gleichzeitig sind freiheitliche Bürgermeister in der Steiermark aus der FPÖ ausgetreten – nicht irgendwelche unbekannten BezirksrätInnen, die niemand kannte, sondern Bürger­meister. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das war eine Randnotiz, und nie wieder wurde darüber berichtet. Dann fand ich es sehr interessant, wer in dieser Boulevardzeitung inseriert hat und wer nicht. Die Freiheitliche Partei war sehr präsent in diesem Medium. Ich werfe euch nicht vor, dass ihr euch verhabert habt. Das weiß ich auch nicht – vielleicht, vielleicht auch nicht. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth.)

Jetzt komme ich wieder zum Systemproblem: Es gibt vorauseilenden Gehorsam. Es ist ein Prinzip der Boulevardmedien, dass die, die inserieren, gut beschrieben werden, sie werden sozusagen schöngeschrieben, und die, die kein Geld haben und nicht inse­rieren, werden niedergeschrieben. So ist es! Und das wissen die Regierungsparteien ganz genau. Natürlich wurde das hemmungslos ausgenützt, und das kann man, wenn man in der Regierung sitzt und dann noch diese ganzen großen Firmen wie ÖBB und ASFINAG sozusagen als Spielball für Inserate hat.

Das muss einmal aufgedeckt werden, es muss in den Untersuchungsausschuss, wir müssen über die politische Verantwortung reden – nicht deshalb, weil wir politisches Kleingeld wechseln wollen, sondern deswegen, weil das für die Zukunft abgestellt gehört! Das ist nämlich der wesentliche Punkt! Es geht nicht einmal um Herrn


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Faymann alleine, es geht wirklich darum, dass das so in einer sauberen Demokratie nicht vorkommen darf. Dafür werden wir weiterkämpfen! – Danke. (Beifall der Bundes­rätin Kerschbaum und bei der FPÖ.)

14.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.03.54

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich prinzipiell noch einmal mit dem Thema der Dringlichen Anfrage beschäftigen. Ich möchte feststellen, dass die Dringliche Anfrage an den Herrn Bundeskanzler von Staatssekretär Oster­mayer ausführlich beantwortet worden ist. Darüber hinaus hat Kollege Klug ganz klar darauf hingewiesen, dass Herr Staatssekretär Ostermayer im Untersuchungsaus­schuss ausführlich zu diesen Fragen Stellung genommen hat.

Jetzt zu den Punkten, die Kollege Schreuder angesprochen hat: Ja, es stimmt, dieser Untersuchungsausschuss hat sehr viel bewirkt. Es gibt als Folge davon ein Medientransparenzgesetz, das übrigens von Herrn Staatssekretär Ostermayer als dem Medienstaatssekretär ausgehandelt worden ist. Um alle diese Fragen, die Sie jetzt auch wieder angesprochen haben – Boulevard und alle anderen Dinge – wissen wir in der Republik seit ewigen Zeiten Bescheid. Das wissen wir, es gibt auch Unter­suchungen dazu, Arbeiten an den Universitäten. Das gibt es alles, man kann das alles nachlesen, es ist das alles vorhanden. Ein Gesetz, das jetzt daraus gemacht wurde, ein positives Produkt des Untersuchungsausschusses, ist dieses Medientransparenz­gesetz. Das ist an sich ein großer Erfolg, der da erzielt worden ist. Das muss man ja auch ganz klar feststellen.

Zweite Geschichte: Parteientransparenzgesetz. Auch in dieses Gesetz sind viele Erkenntnisse, die im Untersuchungsausschuss ans Tageslicht gekommen sind, mit hineingekommen und unter Druck verwirklicht worden. Viele dieser Punkte, die Kollege Schreuder angesprochen hat, werden künftig mit ziemlicher Sicherheit durch dieses Parteientransparenzgesetz verhindert werden.

Zum Punkt Inserate: Es ist im Prinzip Geschmackssache, wie Inserate zu bewerten sind – so oder so. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist keine Geschmackssache!) – Na sicher! Dann sage ich nicht Geschmacks-, sondern Auffassungssache. Es ist eine Auffassung, ob man ein Inserat schalten muss oder nicht oder was man tun muss. Dass es eine Koordinations- und Informationspflicht gibt, ist wohl ziemlich klar. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nicht die Frage!) Kollege Klug hat auch sehr klar festgestellt, dass über bestimmte Vorhaben, die auch hier beschlossen worden sind, zu informieren ist – wie zum Beispiel die Rettungsgasse, über die man sich jetzt lustig macht.

Es ist darüber zu informieren, ob es Bahnhofausbauten gibt oder ob es das nicht gibt. Ein Eigentümer hat selbstverständlich die Pflicht, wenn über ein Unternehmen schlecht geschrieben wird, dass er sich dagegen wehrt. Es muss da zu einer Kampagne kommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Minister als Ombudsmann, das ist ja lächer­lich!) – Na selbstverständlich, Frau Mühlwerth! Es muss zu einer Kampagne kommen, um das Unternehmen aus den schlechten Schlagzeilen wieder herauszubringen. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass ein Eigentümer das zu tun hat. Ich meine, was ist da schlecht daran? Was haben wir da für ein Problem? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das verstehe ich überhaupt nicht. Sie machen das zum Problem, und darum geht es. (Ruf bei der FPÖ: Aber die Staatsanwaltschaft !) – Die hat ja an sich die Geschichte zurückgelegt. Das wissen wir eh schon, das brauche ich


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hier nicht zu erzählen. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Oberstaatsanwalt hat das anders gesehen, Gott sei Dank!) Es gibt ein weiteres Verfahren und das wird dort besprochen werden – aus, fertig. Mir steht es nicht zu, hier irgendwelche Dinge zu übernehmen, was die Staatsanwaltschaft noch ermitteln wird, ob das jetzt dann zurückgelegt wird oder nicht. Das ist die eine Sache.

Was den Untersuchungsausschuss betrifft, ist das abgehandelt worden. Frau Moser kann ich nicht freisprechen davon, dass sie in der Vorsitzführung einige Fehler gemacht hat. Meine Hochachtung ebenfalls, da gebe ich Ihnen recht, dass sie zurück­getreten ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Welche Fehler?) – Na welche? – Es gab einen klaren Antrag. Zuerst sage ich: Der Antrag ist verfassungswidrig! Dann sage ich: Er ist doch nicht verfassungswidrig, wir stimmen ab!

Also im Prinzip gibt es Fehler, die man gemacht hat, und die sind passiert. Das hat sie auch öffentlich zugegeben. Das ist ja kein Problem. Meine Hochachtung gebührt ihr dafür, dass sie gesagt hat: Ich trete zurück, damit etwas weitergeht! Das ist auch geschehen, und es gibt eine Einigung. Der Untersuchungsausschuss geht weiter.

Der Herr Staatssekretär war ja dort und hat auch entsprechend ausgesagt. Das ist auch ausführlich nachzulesen und ist in den Medien entsprechend kommentiert worden. Wenn man das alles in den Zeitungen liest, dann kann man sagen: Es gab durchwegs sehr positive Kommentare dazu, dass der Staatssekretär Ostermayer sich dort geäußert hat, dass er auf alle Fragen geantwortet hat. Genauso hat er heute die Dringliche Anfrage entsprechend beantwortet. Was schon einmal gesagt worden ist, muss man hier nicht wiederholen, man kann auch darauf verweisen, dass dazu etwas gesagt worden ist.

Gestatten Sie mir noch ein paar Punkte anzusprechen. Bundeskanzler Werner Faymann ist ein ausgezeichneter Bundeskanzler. Ich verstehe natürlich vom partei­politischen Standpunkt die Opposition, dass sie einen ausgezeichneten Politiker entsprechend vorführen möchte. (Bundesrätin Mühlwerth: Darum geht es nicht! – Bun­desrat Schreuder: Das interessiert niemanden!) Darum geht es ja! Es geht im Untersuchungsausschuss darum, einen erfolgreichen Bundeskanzler zu denunzieren, einen erfolgreichen Bundeskanzler anzupatzen. Das wollten Sie tun, und das haben wir nicht zugelassen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Frau Mühlwerth, es ist gut, Ihre Zwischenrufe bringen mich nämlich auf die Idee, auch ein bisschen auf Ablenkung zu spielen. Sie machen mit dieser Dringlichen Anfrage auch Ablenkungspolitik – Ablenkungspolitik von Ihren eigenen Skandalen, die es ganz einfach gibt. Ist die FPÖ in Kärnten keine FPÖ mehr? Gehören die nicht mehr dazu? (Ruf bei der FPÖ: Das ist die FPK!) Gehört es nicht dazu, dass die sogenannte Ikone Haider jetzt auch in Kärnten zu wanken beginnt, dass diese sogenannte Ikone Haider in Wirklichkeit nichts anderes gemacht hat, als einfach das Geld zu nehmen? – Das sind die Skandale, die in dieser Republik passiert sind! (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Es gehört auch zu diesen Skandalen, dass diese FPÖ in Kärnten Neuwahlen blockiert, obwohl 75 Prozent der Bevölkerung einen Neubeginn für dieses Land wollen und die anderen Parteien sich einig sind, dass es zu Neuwahlen kommen soll. – Das sind die Skandale! (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann ja nur abwarten. Herr Dörfler war der Straßenbaureferent in Kärnten. Er hat ganz offen gesagt: 1 bis 10 Prozent der Auftragssumme – ich weiß es nicht, in Kärnten – für die FPÖ, für Kulturvereine, für Gesangsvereine, für wen auch immer. Er sagt klar und deutlich: Da gibt es einen Auftrag, und dafür gebt ihr Geld her! – So funktioniert das bei euch! Und dann heißt es: Dann machen wir eine Dringliche


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Anfrage, und bei dieser Dringlichen lenken wir einfach ab! (Ruf bei der FPÖ: Machen wir einmal eine Dringliche! Reden wir über das Geburtstagsfest vom Häupl!)

Gut, wir schauen uns das an! Das Urteil, das in Kärnten gesprochen wurde, spricht ja Bände. Schauen wir einmal, ob die anderen auch noch alle angeklagt werden! Es gibt ja ein paar Punkte, die noch offen sind, wie zum Beispiel diese Broschüre, die von der FPÖ herausgegeben worden ist und die von der Landesregierung letztlich bezahlt wurde. Es gibt noch eine Reihe anderer Dinge, bei denen nicht geklärt ist, wo denn das Geld hingekommen ist. Einer ist jetzt einmal sehr stark verurteilt worden. Vielleicht gelingt es der Kärntner Justiz auch noch, die anderen an den Pranger zu stellen.

Wir haben unsere Informationen entsprechend weitergegeben. Sie können im Protokoll des Untersuchungsausschusses nachlesen, was der Herr Staatssekretär angegeben hat. Sie können es auch in anderen Bereichen nachlesen.

Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie wollen mit dieser Dringlichen Anfrage von Ihren Skandalen ablenken! (Beifall bei der SPÖ.)

14.15

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin. (Bundesrat Mag. Klug: Elisabeth, sagst etwas zu Kärnten? Zur Legislative und Exekutive?)

 


14.15.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Klug, ich lasse mir nicht ansagen, was ich reden soll. (Beifall des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Mag. Klug: Das verstehe ich!)

Herr Staatssekretär! Ich muss Ihnen schon irgendwie Hochachtung aussprechen, denn Sie sind immer derjenige, der kommt und sich die Ohrfeigen holt, die eigentlich jemand anderem gehören würden. Ich finde es persönlich sehr schade, dass es der Herr Bundeskanzler nicht schafft, hierher zu kommen und ein Wort zu diesen Vorwürfen, die gegen ihn vorgebracht werden, zu sagen. Prinzipiell waren Sie damals nicht der politisch Verantwortliche, und deshalb ist es jetzt vielleicht auch nicht gerechtfertigt, dass Sie zum Handkuss kommen. Es wäre eben auch schön, wenn der Herr Bundes­kanzler sich einmal so weit herabtrauen würde, in den Bundesrat zu kommen. Ich habe ihn damals bei seiner Angelobung gesehen, seither war er nicht mehr hier, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Einmal vielleicht, weiß ich nicht. Aber im Prinzip ist er nicht sehr häufig hier.

Ich schätze es sehr, wenn Sie kommen, weil ich mir von Ihnen üblicherweise die besseren Antworten erwarte. Aber in diesem Fall wäre es schon richtig und wichtig gewesen, dass derjenige kommt, an den die Dringliche Anfrage eigentlich gerichtet ist und der die politische Verantwortung für all das zu tragen hat, worum es in dieser Dringlichen Anfrage geht. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Aber gibt es irgendeine neue Frage, die er noch nicht beantwortet hat?) – Meine letzte Frage kommt zum Schluss, vielleicht bekomme ich ja dann noch eine Antwort darauf.

Zu dieser ganzen Angelegenheit mit den Inseraten: Es gibt einen damaligen Verkehrs­minister Faymann, es gibt einen Noch-Umweltminister Berlakovich, die, glaube ich, was Inserate mit Köpfen darauf betrifft, ziemliche Weltmeister waren – abgesehen von Parteiinseraten, wo sicherlich die FPÖ Weltmeister ist. Aber das ist eine andere Geschichte, denn das zahlt ja die Partei hoffentlich selbst und nicht irgendjemand anderer.

Was die Faymann- und Berlakovich-Weltmeisterschaften bei Inseraten betrifft, kann man schwer sagen, wer da der Sieger ist. Letztendlich sind die Verlierer die, die es


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indirekt zahlen, nämlich die SteuerzahlerInnen, indem über die ÖBB oder auch über das Umweltministerium einfach Gelder ausgegeben werden, nur damit ein Ministerkopf in die Zeitung kommt. Statt der Argumentation mit der dringlich notwendigen Mitteilung und der Unterstützung der ÖBB im Konkurrenzkampf mit dem Pkw, lieber Herr Kollege Klug, würde ich mir eine Politik erwarten, die die ÖBB darin unterstützt, mit dem Pkw einen Konkurrenzkampf aufzunehmen. Aber ob ein Kanzlerkopf oder ein damaliger Ministerkopf wirklich die Leute motiviert, vermehrt in die Bahn zu steigen, sei dahin­gestellt, und das war sicher niemals Ziel und Sinn und Zweck dieser Inserate. Ich steige nicht deswegen in die Bahn ein, weil der Herr Faymann mir entgegenlacht. Das kann mir keiner erzählen, dass das in dieser Hinsicht irgendetwas gebracht hätte.

Was auch schon besprochen wurde und was sicher auch wichtig war, ist, dass dieser Untersuchungsausschuss einiges gebracht hat. Es wurden Dinge umgesetzt, es gibt ein Medientransparenzgesetz, es sollte sich nicht mehr so wiederholen, und es wird sich auch nicht mehr so wiederholen.

Aber jetzt komme ich schon noch zu der neuen Frage, nach der Sie mich gefragt haben: Gibt es eine Einsicht? Gibt es eine Einsicht bei der SPÖ, aber auch bei der ÖVP, was Berlakovich betrifft, dass das, was man anno damals gemacht hat, nicht richtig war? Es geht einfach um die Aussage: War das okay oder war es nicht okay? Das ist es, was die Leute interessiert! Kann man darauf nicht einfach eine Antwort geben? Darauf habe ich keine Antwort bekommen. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt ein Gesetz! Es ist besser geworden!) – Ja, es gibt ein Gesetz. (Ruf bei der ÖVP: Es ist ein Ergebnis !) Ja, es ist das Ergebnis, aber heißt das jetzt: Was vorher gemacht wurde, ist falsch gewesen? Habt ihr das jemals gesagt? Habt ihr das jemals zugegeben? Hat das der Herr Bundeskanzler jemals zugegeben? Es wird besser, aber trotzdem muss man darüber reden, was war und warum man es ändert.

Ich verstehe nicht, warum der Herr Bundeskanzler es nicht schafft, hierher zu kommen und Rede und Antwort zu stehen. Ich verstehe auch nicht, warum der Herr Bundes­kanzler es nicht schafft, einem Untersuchungsausschuss gegenüber Rede und Antwort zu stehen. (Beifall des Bundesrates Schreuder und bei der FPÖ.)

Es geht um die politische Verantwortung, es geht nicht um die juristische Verant­wortung, das hat nichts mit der Justiz zu tun. Im Prinzip geht es darum, ob der jetzige Herr Bundeskanzler einsieht, dass das damals doch etwas überzogen war. Ich per­sönlich finde das, was damals geschehen ist, moralisch unanständig. (Bundesrat Todt: Ich nicht! Da gibt es einfach Auffassungsunterschiede!) Es war Machtmiss­brauch, und es war Verschleuderung von Steuermitteln.

Es sind Konsequenzen gezogen worden, aber es fehlt in letzter Konsequenz die Auf­arbeitung. Die könnte nur in einem vernünftig geführten, nicht begrenzten und nicht abgedrehten Untersuchungsausschuss erfolgen. (Bundesrat Todt: Das ist ja kein Beichtstuhl!)

Im Prinzip ist heute auch schon über die Rechte der Opposition geredet worden. Herr Kollege Kneifel, schön, dass du uns das alles zugestehst, aber ich kann nur sagen: Was  (Bundesrat Kneifel: Ich habe die Verfassung zitiert!) – Ja, aber du hast auch gesagt, du gestehst der Opposition das Recht auf Anfragen und auf Untersuchungs­ausschüsse zu. Wenn ich mir die Antwort auf so manche Anfrage, die man so stellt, durchlese, dann steigen mir die „Grausbirnen“ hoch, weil die Antworten, so wie heute, meistens sehr viel Blabla und Lala sind. In Wirklichkeit geht es nicht sehr viel anders, als dass man auf eine Dringlichen Anfrage eine Antwort bekommt, wo sich dann auch die Bürgerin/der Bürger eine Meinung darüber bilden kann, wie Regierungspolitiker und -politikerinnen ihre Antworten geben und wie ernst Anfragen genommen werden.


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Ich würde mich auch auf das Recht der Opposition versteifen. (Ruf bei der ÖVP: Konsequenzen sind gezogen worden!) – Konsequenzen sind gezogen worden. Aber ich denke, dass die Opposition auch ein Recht darauf hat, ihre Kontrollbefugnisse auszuüben und nicht einfach nur – ich weiß jetzt nicht, ob es einen Ordnungsruf dafür gibt – durch blöde Antworten „abgeschasselt“ zu werden. – Danke. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

14.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

14.21.36Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen, 2902/J-BR/2012 bis 2922/J-BR/2012, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist der 31. Oktober, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen wie immer jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs­recht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 30. Oktober 2012, ab 14 Uhr, vor­gesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

14.22.13Schluss der Sitzung: 14.22 Uhr

 

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Parlamentsdirektion

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