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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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815. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 29. November 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

815. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 29. November 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 29. November 2012: 9.03 – 17.53 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversi­cherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Ge­webesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpassungsgesetz 2012)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge der obersten Or­gane des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments (Bundesbezügege­setz – BBezG), BGBl. Nr. 64/1997, geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EU-Amtshilfegesetz erlassen wird und das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungs­steuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bau­ern-Sozialversicherungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Gebührenge­setz 1957, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versiche­rungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Flugabgabegesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bun­desabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Norm­verbrauchsabgabegesetz 1991, das Biersteuergesetz 1995, das Mineralölsteuerge­setz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Ta­baksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Finanzstrafgesetz und


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das Ausfuhrerstattungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2012 – AbgÄG 2012)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Mag. Muna Duzdar sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Er­satzmitgliedes in den Bundesrat                        8

Angelobung des Bundesrates Mag. Josef Taucher .................................................... 9

Erklärung des Landeshauptmannes von Tirol Günther Platter gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung – Bekanntgabe ................................................................................................................... 29

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung                   29

Landeshauptmann Günther Platter ........................................................................... 29

Debatte:

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 33

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 35

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 37

Marco Schreuder .......................................................................................................... 39

Anneliese Junker .......................................................................................................... 42

Landeshauptmann Günther Platter ........................................................................... 45

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Bereichen Reschenpass, Tim­melsjoch und Brennerpass durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 48

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Aktuelle Stunde (18.)

Thema: „10 Jahre Universitätsgesetz – Bilanz und Ausblick: Der Weg der Universitäten in die Autonomie“ ................................................................................................................... 10

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ............................................................................................................... 10

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................... 12

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 15

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................  18, 27

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 21

Josef Saller ................................................................................................................... 23


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 3

Stefan Schennach ........................................................................................................ 24

Gerd Krusche ............................................................................................................... 25

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 50

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 50

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 51

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 47

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft betreffend Einleitung von kontaminiertem Grundwasser in die Donau (2932/J-BR/2012) ............................................................... 98

Begründung: Elisabeth Kerschbaum .......................................................................... 98

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 100

Debatte:

Johann Ertl .................................................................................................................. 102

Martin Preineder ......................................................................................................... 107

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 109

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 110

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Schmiergeldaffäre Eurofighter (2931/J-BR/2012) ...... 112

Begründung: Hans-Jörg Jenewein ............................................................................ 112

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 118

Debatte:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 128

Franz Perhab ............................................................................................................... 131

Hans-Jörg Jenewein (tatsächliche Berichtigungen) .........................................  133, 136

Mag. Reinhard Pisec, BA (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 133

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 133

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 136

Christian Füller ........................................................................................................... 139

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 141

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geän-


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dert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G) (1936 d.B. und 1979 d.B. sowie 8818/BR d.B.) ................................................................................................................. 51

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ........................................................................... 52

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ........................................................................................................  52, 64

Johanna Köberl ............................................................................................................ 54

Marco Schreuder .......................................................................................................... 55

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 57

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 59

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 61

Mag. Christian Jachs ................................................................................................... 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 64

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von mensch­lichen Organen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Öster­reich GmbH geändert werden (1935 d.B. und 1980 d.B. sowie 8814/BR d.B. und 8819/BR d.B.) ............................... 64

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 65

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1981 d.B. sowie 8820/BR d.B.) ..................................................................................... 64

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 65

Redner/Rednerinnen:

Johanna Köberl ............................................................................................................ 65

Gregor Hammerl .......................................................................................................... 66

Stefan Schennach ........................................................................................................ 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 69

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (1898 d.B. und 1982 d.B. sowie 8821/BR d.B.) ....... 70

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 70

Redner/Rednerinnen:

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 70

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 71

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 71


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 5

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volks­befragungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpassungsgesetz 2012) (2100/A und 1994 d.B. sowie 8816/BR d.B.)                        71

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 72

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 72

Franz Perhab ................................................................................................................. 72

Marco Schreuder .......................................................................................................... 73

Staatssekretär Sebastian Kurz ................................................................................... 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 73

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge der obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments (Bundesbezüge­gesetz – BBezG), BGBl. Nr. 64/1997, geändert wird (2057/A und 1995 d.B. sowie 8817/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 73

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 74

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Amtshilfegesetz erlassen wird und das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgrün­dungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerbsteuerge­setz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuerge­setz 1992, das Flugabgabegesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenver­waltungsorganisationsgesetz 2010, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Biersteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Alkoholsteu­ergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuergesetz 1995,
das Tabakmonopolgesetz 1996, das Finanzstrafgesetz und das Ausfuhrerstat­tungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2012 – AbgÄG 2012) (1960 d.B. und 1977 d.B. sowie 8815/BR d.B. und 8823/BR d.B.) ................................................................................................................. 74

Berichterstatter: Robert Zehentner .............................................................................. 74

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA............................................................................................. 75

Edgar Mayer .................................................................................................................. 77

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 78

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 79

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 80

Monika Kemperle ......................................................................................................... 82

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 87

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 6

ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (1961 d.B. und 1978 d.B. sowie 8824/BR d.B.) ................................... 87

Berichterstatter: Robert Zehentner .............................................................................. 88

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 88

Josef Steinkogler ......................................................................................................... 89

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 89

Inge Posch-Gruska ....................................................................................................... 90

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 93

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird (1843 d.B. und 1965 d.B. sowie 8822/BR d.B.)                        93

Berichterstatter: Klaus Konrad ..................................................................................... 93

Redner/Rednerinnen:

Franz Wenger ................................................................................................................ 93

Werner Stadler .............................................................................................................. 94

Marco Schreuder .......................................................................................................... 96

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................... 97

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..................................................... 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 98

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Schmiergeldaffäre Eurofighter (2931/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Einlei­tung von kontaminiertem Grundwasser in die Donau (2932/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft, Familie und Jugend betreffend Seveso-Betriebe in Österreich (2933/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Qualität des (nieder-)österreichischen Trinkwassers (2934/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haftungen und Haftungsobergrenzen (2702/AB-BR/2012 zu 2914/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU-Flug­hafenpaket – lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen (2703/AB-BR/2012 zu 2915/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 7

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen für den ASKÖ Landesverband Salz­burg (2704/AB-BR/2012 zu 2921/J-BR/2012)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Grundwasserbelastung in Korneuburg mit Thiamethoxam und Clopyralid (2705/AB-BR/2012 zu 2916/J-BR/2012)

*****

des Präsidenten des Bundesrates auf die Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend seine Aussagen anlässlich seines Besuches in Südtirol (2706/ABPR-BR/2012 zu 2923/JPR-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 8

09.02.36Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich eröffne die 815. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 814. Sitzung des Bundesrates vom 31. Oktober 2012 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Elisabeth Grimling, Jo­hann Schweigkofler, Juliane Lugsteiner und Ing. Maurice Androsch.

Einlauf

 


Präsident Georg Keuschnigg: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes:

„Herrn                                                                                                              PROF. HARRY KOPIETZ

Präsident des Bundesrates                                                                          ERSTER PRÄSIDENT

Georg Keuschnigg                                                                               DES WIENER LANDTAGES

Parlament

1017 Wien                                                                                                     Wien, 22. November 2012

03956-2012/0001-MDLTG

Wahl eines Mitgliedes und

eines Ersatzmitgliedes

des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das an elfter Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates Mag. Muna Duzdar hat am 18. November 2012 ihr Mandat im Bundesrat zurückgelegt .

Das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied Abgeordneter Friedrich Strobl hat sein Mandat im Bundesrat am 17. November 2012 zurückgelegt.

Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtages und Gemein­derates wurden in der Sitzung des Wiener Landtages vom 22. November 2012 als neues Mitglied für die elfte Stelle Mag. Josef Taucher und als an gleicher Stelle ge­reihte Ersatzmitglied Abgeordneter Friedrich Strobl gewählt.

                                                                                                                   Mit vorzüglicher Hochachtung

                                                                                                                                          Prof. Harry Kopietz

Beilage“

„WIENER BUNDESRÄTE

                                                                                                                          Stand: 22. November 201


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 9

2

1. Stelle:           Reinhard Todt

Ersatz:              Alois Aschauer

2. Stelle:           Monika Mühlwerth

Ersatz:              Dkfm. Hubert Grillmayer

3. Stelle:           Monika Kemperle

Ersatz:              Martina Ludwig-Faymann

4. Stelle:           Stefan Schennach

Ersatz:              Martina Malyar

5. Stelle:           Mag. Reinhard Pisec

Ersatz:              Mag. Martin Hobek

6. Stelle:           Mag. Harald Himmer

Ersatz:              Dr. Norbert Schnedl

7. Stelle:           Wolfgang Beer

Ersatz:              Kurt Wagner

8. Stelle:           Marco Schreuder

Ersatz:              Zerife Yatkin

9. Stelle:           Elisabeth Grimling

Ersatz:              Katharina Schinner

10. Stelle:         Hans-Jörg Jenewein

Ersatz:              Dr. Herbert Madejski

11. Stelle:         Mag. Josef Taucher

Ersatz:              Fritz Strobl

Auf die Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats entfal­len die 1., 3., 4., 7., 9. und 11. Stelle.

Auf den Klub der Wiener Freiheitlichen entfallen die 2., 5. und 10. Stelle.

Auf den ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien entfällt die 6. Stelle.

Auf den Grünen Klub im Rathaus entfällt die 8. Stelle.“

*****

09.03.57Angelobung

 


Präsident Georg Keuschnigg: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause an­wesend, und ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.04.06

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Saller leistet der Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien) seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 10

Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank.

Ich begrüße das neue Mitglied Mag. Josef Taucher sehr herzlich hier im österreichi­schen Bundesrat. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

09.06.41Aktuelle Stunde

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

10 Jahre Universitätsgesetz – Bilanz und Ausblick:
Der Weg der Universitäten in die Autonomie“

Ich darf dazu Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Universitätspro­fessor Mag. Dr. Karlheinz Töchterle im österreichischen Bundesrat herzlich willkom­men heißen. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner, eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit je­weils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls etwa 10 Minuten betragen soll. Danach folgt ein Redner, eine Rednerin der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner, eine Rednerin der Fraktionen mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stel­lungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet wäre unsere Kollegin Mag. Bettina Rausch gewesen, sie ist aber ein Opfer des Staus geworden. Wir fahren daher in der Rednerliste fort. Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm. – Bitte sehr.

 


9.08.05

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Morgen! Im Prinzip freue ich mich, denn wir haben heute auch ein Gesetz auf der Tagesord­nung, mit dem wir die Vorgaben für die Infrastruktur verbessern werden. Ich freue mich, wenn wesentlich mehr Bahnstrecken eröffnet werden, damit diese morgendli­chen Staus, die durch die Autos verursacht werden, hintangehalten werden und wir so­mit auch rechtzeitig zu den Bundesratssitzungen kommen können.

Herr Bundesminister! Ich beginne mit einem Zitat. „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, so heißt es schon im Staatsgrundgesetz von 1867. Die Selbstverwaltung der Uni­versitäten ist daher die geeignete Organisationsform für moderne und erfolgreiche Wis­senschafts- und Forschungsinstitutionen.

Das sagt hier ein SPÖ-Mandatar, denn die Universitäten wurden gegen den Willen der SPÖ mit dem Universitätsgesetz 2002 in die Vollrechtsfähigkeit, Autonomie entlassen. Seitdem sind die Universitäten, so wie zum Beispiel Kammern oder Gemeinden, auto­nome Körperschaften, die als eigenständige Betriebe geführt werden.

Vorarbeiten für diese Ausweitung der Autonomie hat es allerdings in den neunziger Jahren auch schon gegeben, und zwar unter Bundesminister Einem. Jedoch sollte den Universitäten Zeit für die Weiterentwicklung gegeben werden, das heißt, zunächst sollte mit einigen Pilotprojekten an kleineren Universitäten begonnen werden, um diese neue Entwicklung zu erproben.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 11

Aus den Ende der neunziger Jahre angebahnten Reformüberlegungen hat die damali­ge Regierung jedoch etwas ganz anderes gemacht. Seit dem UG sind die 21 öffent­lichen Universitäten ähnlich wie Aktiengesellschaften organisiert: mit einem mehrköpfi­gen Rektorat als Vorstand und den Universitätsräten als Aufsichtsrat. Die Universitäts­räte sind meist Laien und werden zur Hälfte von VertreterInnen der Universitätsange­hörigen und zur Hälfte von der Bundesregierung bestellt; aktive Politiker sind vom Amt ausgeschlossen. Damit üben die Universitätsräte nebenberuflich Aufsichtsratsfunktio­nen aus, die bisher von Ministerialbeamten mit jahrzehntelanger Erfahrung hauptbe­ruflich wahrgenommen wurden. Die Qualität der Aufsicht ist damit stark von der jewei­ligen Person abhängig und in vielen Fällen stark verbesserungsfähig.

Die gegenwärtigen Strukturen weisen ein Demokratiedefizit auf. Es gibt kein Durch­griffsrecht des politisch verantwortlichen Ministers und nur mangelhafte Mitbestim­mungsrechte der VertreterInnen der Universitätsangehörigen, des Personals und der Studierenden gegenüber den Rektoraten. Zugleich können die Rektorate aber sehr weitgehend Angelegenheiten selbst regeln beziehungsweise über ihr Vermögen und Personal frei verfügen. Die Vollrechtsfähigkeit hat allerdings zu einer Vervielfachung des Verwaltungsaufwandes geführt, weil jede der 21 Universitäten einen vollständigen Bürokratieapparat aufbauen musste. Die gemeinsame Nutzung von Personalressour­cen ist dabei eine seltene Ausnahme, da gibt es also noch sehr viel zu tun, denn die Universitäten sind nunmehr konkurrierende Betriebe.

Der Herr Minister wäre eigentlich zu einer zentralen Koordinierung dieser sich autonom entwickelnden Betriebe berufen, er könnte Zielvereinbarungen mit den Universitäten abschließen. Leider, Herr Bundesminister, üben Sie diese Befugnis kaum aus. Im Er­gebnis haben die einzelnen Universitäten daher unnötig viele Parallelstrukturen, das Studienangebot ist bundesweit betrachtet nicht aufeinander abgestimmt. Umgekehrt kommt es auch zu einer Auseinanderentwicklung, die Durchlässigkeit zwischen den Universitäten hat stark abgenommen, zum Beispiel bei den Studienwechseln oder bei weiterführenden Master- und Doktoratsstudien an anderen Universitäten.

Davon abgesehen hat die Vollrechtsfähigkeit natürlich – und das ist erfreulich – auch positive Effekte. Zum Teil konnten verkrustete Strukturen an den Universitäten aufge­brochen und Reformen eingeleitet werden, zum Teil hat die Autonomie sicher auch zu einer Entrümpelung der alten Studienpläne geführt. Der Aufbruch der Universitäten in die Autonomie ist grundsätzlich ein internationaler Trend, der sich weltweit bewährt hat, und Österreich hat da als Vorreiter klar international neue Standards gesetzt. Zahlrei­che Staaten sind Österreichs modernem Weg in die Autonomie gefolgt: einige deut­sche Bundesländer, die wichtige Elemente des österreichischen Universitätsgesetzes in ihre Hochschulgesetzgebung übernommen haben, und Frankreich, dessen Universi­tätsgesetz 2007 Züge des UG 2002 trägt. Und die OECD zog das österreichische Beispiel als Best-Practice-Beispiel für die Beratung Tschechiens heran. Das Ziel und die Aufgabe der Autonomie ist die Selbstbestimmung der freien Wissenschaft, Lehre und Forschung in einem festen Rahmen.

Der Staat wird dadurch aber nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern die Uni­versitäten in ihrer Freiheit gestärkt. Mehr Freiheit bringt mehr Wettbewerb und dadurch auf allen Gebieten leistungsfähigere Universitäten. So brachte uns die Universitäts­autonomie eine steigende Qualität der Lehre, mehr Erfolg in der Forschung, eine stär­kere Internationalisierung von Lehrenden und Studierenden und eine deutliche Sen­kung der Durchschnittsstudiendauer. Die durchschnittliche Studiendauer von Absolven­tInnen der Bachelor- und Diplomandenstudien beträgt aktuell 10,7 Semester, das ist ein Rückgang der durchschnittlichen Studiendauer um knapp drei Semester.

Die Universitäten sind heute im Bologna-Zeitalter angekommen, da ist die Umstellung sehr gut vorangeschritten. Im Wintersemester 2011 machten Bachelor- und Masterstu-


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dien bereits 84 Prozent des ordentlichen Studienangebotes von insgesamt 1 058 ein­gereichten Studien aus, 10 Prozent waren Doktoratsstudien und nur mehr 6 Prozent Diplomstudien. Aktuell entfallen 56 Prozent der Studienabschlüsse auf das dreigliedri­ge Studiensystem.

Die Entflechtung von Lehre und Forschung, die man auch durchaus kritisch sehen kann, hat aber zu mehr Erfolg in der Forschung durch eine verstärkte Wettbewerbsfä­higkeit der österreichischen Universitäten geführt. Erfolgreiche Universitäten mit hoher Qualität in der Forschung sind auch für Drittmittelgeber attraktiver: Die Drittmittelfinan­zierung der Unis hat sich mehr als verdoppelt, auch die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen alleine der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der Universitäten ist von 38 200 auf 45 200 deutlich gestiegen. Es kam in den letzten Jahren auch zu einer stär­keren Internationalisierung unter den Lehrenden und Studierenden.

Da das Licht bereits blinkt, komme ich zum Schlusssatz: Es ist also gelungen, und es ist ein Erfolgsmodell, Herr Minister, aber es gibt noch sehr viel zu tun.

Auf die finanziellen Fragen der Universitäten in diesem Zusammenhang wird dann mein Kollege Schennach in seiner Rede eingehen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

9.17


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte sehr.

 


9.17.38

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause an den Fernsehschirmen!

Im Artikel 17 des Staatsgrundgesetzes heißt es: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, und gemäß § 1 des Universitätsgesetzes 2002 sollen sich die Universitäten und ihre Organe auch in größtmöglicher Autonomie und Selbstverwaltung konstituieren, quasi in Anlehnung an diesen Artikel im Staatsgrundgesetz.

Die Uniautonomie – das haben wir vorhin vom Kollegen Todt gehört – ist nicht nur ein internationaler Trend, sie ist auch ein sinnvolles Anliegen, denn sie bedeutet mehr Frei­heit, die Motivation, sich selbst zu beteiligen, die Möglichkeit, die Universität selbst zu gestalten und auch die Kreativität in Forschung, in Wissenschaft und Lehre zu fördern. Die Autonomie macht die Universitäten auch flexibler, wenn es gilt, auf internationale Trends, aber auch auf ganz konkrete Anliegen in den einzelnen Staaten, auf Anforde­rungen der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Studierenden und der Lehrenden zu re­agieren. Die Uniautonomie hat gezeigt, dass sie positive Effekte hat – auch das haben wir gehört – im Bereich der Institutionalisierung, im Bereich der Qualität von Forschung und Lehre und auch bei der Effizienz, wenn man so will, des Studierens, was man auch an der Studiendauer in den letzten Jahren erkennen kann.

Wir schauen heute bei dieser Aktuellen Stunde zurück auf zehn Jahre Universitätsge­setz, und wir schauen nach vorne, wie der Weg in die Autonomie weitergehen kann. Wenn wir zurückschauen, sehen wir, dass jede Uni und jede Fachhochschule die Au­tonomie in unterschiedlichem Maße nutzt. Und ich denke, der eine oder andere Stand­ort kann sich da im Sinne der Studierenden auch von den Vorreitern etwas abschauen. Ich will nur ein Beispiel nennen, und ich möchte es unter das Thema „Effizient bezie­hungsweise effizienter studieren“ stellen: Wenn ich mir anschaue, welche Angebote es etwa für Werkstudentinnen und Werkstudenten gibt und wie sehr manche Unis – ich denke da beispielsweise an die WU in Wien – die vorlesungsfreie Zeit nutzen, um an Sommerunis und Winterunis ein Vorlesungs-, Lern- und Studierangebot anzubieten, dann würde ich sagen, dass da viele noch in der Autonomie die Möglichkeit hätten,


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sich dem anzuschließen und nicht nur Werkstudentinnen und Werkstudenten, sondern allen, die ihre Zeit besser nutzen wollen, da Angebote zu machen.

Wir und somit auch ich stellen uns aber jedenfalls auch vor, dass die Autonomie in ei­nem nächsten Schritt weitergeht, dass sie so weit geht, dass jede Uni selbst entschei­det, ob und von wem sie in welcher Höhe Studienbeiträge einhebt.

Bundesminister Töchterle schlägt ja hier etwa einen Korridor von 100 bis 500 € pro Semester und Student vor, in dessen Rahmen die Universitäten selbst entscheiden können, ob und in welcher Form sie diese zusätzlichen Mittel lukrieren wollen, und zwar auch – und das halte ich für entscheidend – mit Differenzierungsmöglichkeiten zwischen einzelnen Studienrichtungen.

Ich möchte sagen, das ist international üblich und, gepaart mit entsprechenden Stu­dienförderungen, sozial gerechter als jedes andere Modell, von dem ich bisher gehört habe; und es ist erprobt.

Bei den FHs ist es ja jetzt schon so, dass sie die Möglichkeit haben, bis zu einer Ober­grenze von 363 € pro Semester frei zu entscheiden, ob sie diese Beiträge einheben oder nicht. Würden die Unis hier gleichziehen, so wäre das auch wieder ein Schritt in Richtung Harmonisierung des Hochschulsektors.

Wenn wir von Studienbeiträgen reden, dann ist dabei für mich wichtig, dass das keine Absage an die staatliche Finanzierung im tertiären Bildungsbereich ist, ganz im Ge­genteil: Ich denke, die Hochschulmilliarde, das Geld, das für die Jahre 2013 bis 2015 zur Verfügung gestellt wird, und die Tatsache, dass wir im Vergleich zu anderen eu­ropäischen Ländern keine Kürzungen im Bildungsbereich vornehmen, hat gezeigt, dass sich Österreich klar dazu bekennt, in die Bildung und auch in die tertiäre Bildung Mittel zu investieren. Das Ziel von 2 Prozent des BIP an Ausgaben für Wissenschaft und Forschung haben wir nach wie vor alle miteinander vor Augen.

Für die Lehrenden und Studierenden ist das ebenso wichtig wie für alle Menschen in Österreich, weil ein dynamischer Wirtschaftsstandort auch einen dynamischen Wissen­schafts- und Forschungsstandort braucht, eine dynamische Wissenschafts- und For­schungsszene braucht, die dann auch Motor für eine florierende Wirtschaft, für Arbeits­plätze und für Zukunftsperspektiven in Österreich sein kann.

2 Prozent sind das Ziel. Wo stehen wir? – Wir stehen aktuell bei 1,4 Prozent des Brut­toinlandsproduktes. Das investieren wir und sind damit schon deutlich über dem Schnitt der OECD-Länder. Den Löwenanteil – auch das wissen wir alle – trägt dabei aber die öffentliche Hand. Wenn hier eine Steigerung möglich sein soll, dann wissen wir, wo wir ansetzen müssen, nämlich beim privaten Anteil, der derzeit unter einem Prozent der Forschungs- und Wissenschaftsausgaben liegt.

Der private Anteil sind zum einen Studienbeiträge – aber wir wissen, dass das auch nicht der Löwenanteil sein kann, und über diesen Anteil sollen die Unis und FHs auch selbst entscheiden –, zum anderen müssen wir bei privaten Spendern, bei Sponsoren, bei Investoren und Mäzenen ansetzen.

Kollege Todt hat auch schon von der Drittmittelfinanzierung gesprochen und hat ge­sagt, dass da in den letzten Jahren viel gelungen ist. Es ist aber noch viel, viel mehr drinnen, wenn wir uns anschauen, was Unis und Forschungseinrichtungen internatio­nal zustande bringen. Ich denke da an das ISTA Klosterneuburg, nicht nur, weil ich aus Niederösterreich komme, sondern weil es auch in unmittelbarer Nähe zu unserem heu­tigen Tagungsort liegt und weil es ein sehr junges Beispiel dafür ist, wie Drittmittelfi­nanzierung gelingen und wie hier in Österreich eine renommierte Forschungseinrich­tung entstehen kann. Es kann und darf aber nicht die einzige bleiben, diesem Beispiel müssen weitere Institutionen folgen.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 14

Ebenso wie wir uns zur staatlichen Finanzierung im tertiären Bildungsbereich beken­nen – in Kooperation mit privaten Investoren und Sponsoren –, bekennen wir uns auch zur Studienförderung, sowohl zu sozial ausgerichteten Förderungen, damit niemand nicht studieren kann, weil er oder sie oder die Eltern sich die Beiträge oder andere Ausgaben nicht leisten können, als auch zu Leistungsstipendien, die von der öffentli­chen Hand finanziert werden.

Gleichzeitig – und wir reden ja heute auch über die Autonomie – soll es den Unis mög­lich sein – und sie sollen das auch in Anspruch nehmen –, eigene Förderprogramme ins Leben zu rufen, um speziell ihre Schwerpunkte im Rahmen ihrer Autonomie zu un­terstützen.

Noch ein letzter Punkt, bei dem wir und somit auch ich uns vorstellen können, dass Au­tonomie genutzt werden soll: die Zugangsregelungen zu Studien. Wir wollen ja nicht nur, dass viele Menschen anfangen zu studieren, wir wollen, dass sie dieses Studium auch abschließen und abschließen können. Die Vergangenheit – oder unsere Uni-Ge­schichte in Österreich – hat uns gezeigt, wenn jeder und jede ungeregelt jedes und al­les überall studieren kann, was er oder sie sich im Moment vorstellt, ganz unabhängig davon, ob man dann auch einen Job findet oder vom Interesse her länger dranbleibt, dann ist das nicht förderlich für die Studienbedingungen und nicht förderlich, was Aka­demikerquote oder Drop-out-Quote betrifft.

Studienzugangsregelungen sind im Sinne der Studierenden. Das ist nicht etwas, was mir heute einfällt, sondern da gibt es eine Umfrage der WU, die das zeigt. Was die Stu­dierenden am meisten stört – da gab es 55 Prozent der Nennungen; der nächste Punkt, nur damit Sie sehen, wie die Relation ist, scheint erst mit 18 Prozent im Ranking auf –, ist die Überfüllung an den Universitäten und das Gefühl, in einem Massenstu­dium angekommen zu sein, wo man nur eine Nummer ist.

Zugangsbeschränkungen und Zugangsregelungen werden als mögliches Mittel gese­hen, das zu lösen, und zwar von 60 Prozent der Studierenden. Auch das soll man an dieser Stelle sagen: 60 Prozent sind für Zugangsregelungen beim Bachelor, und dabei vor allem auch dafür, das im Rahmen einer Studieneingangsphase in unterschiedli­chen Varianten zu lösen. Ich denke, das müssen wir auch ernst nehmen, denn das sind die Menschen, um die es im Bereich der Forschung und Wissenschaft geht. Das sind die, die jetzt studieren und dann später auch in der Forschung weiter aktiv sein können.

Zugangsregelungen sind im Sinne der Studierenden, weil sie bessere Bedingungen bringen, weil sie bessere Betreuungsverhältnisse bringen – auch das muss uns be­wusst sein (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) – und weil sie effizienteres Stu­dieren möglich machen. Sie sind auch im Sinne von uns allen als Gesellschaft, weil sie die Drop-out-Quoten senken, weil wir die Mittel, die wir in Studierende investieren, auch besser und zielgerichteter investieren und weil wir damit auch dem Ziel einer ent­sprechenden Akademikerquote eher nachkommen können.

Diese Regelung – das noch einmal zum Thema Autonomie – soll auch von den Unis im Rahmen ihrer Autonomie und Selbstverwaltung festgelegt werden könne


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 15

n.

Sie sehen also, es ist in den letzten Jahren viel geschehen, dank des Universitätsge­setzes und dank des Engagements vieler Beteiligter. Man kann somit sagen, die Welt hat sich gedreht und wir uns mit ihr und die Unis haben viele Möglichkeiten genutzt, um flexibel auf die neuen Anforderungen zu reagieren.

Es gibt aber auch noch viel zu tun. Ich denke etwa an die Umsetzung der Bologna-Architektur, die für viele noch nicht zufriedenstellend erfolgt, für Lehrende wie Studie­rende. Ich denke daran, dass die Anerkennung des Bachelor als akademischer Ab­schluss zwar im Bundesdienst schon erfolgt, in vielen Landesdienstrechten aber noch nachgezogen werden muss. Ich denke auch, dass diese Abschlüsse in der Privatwirt­schaft besser bekannt und besser anerkannt werden müssen. Ich denke an das, was zum Thema Studienplatzfinanzierung im Raum steht, wo wir für mehr Transparenz, Planbarkeit und Gerechtigkeit der autonomen Unis sorgen müssen.

Herr Bundesminister! Du hast nicht nur aufgrund deiner hohen Sach- und Fachkennt­nis, die uns allen bekannt ist, sondern auch aufgrund deiner konstruktiven und sehr ko­operativen Art, unaufgeregt und lösungsorientiert an die Dinge heranzugehen, in den letzten Monaten und Jahren viel erreicht. Ich bin insofern zuversichtlich, dass die nächsten Herausforderungen auch gut gemeistert werden, nicht nur von dir und dei­nem Ministerium, sondern von uns allen, die wir in diesem Bereich Verantwortung tra­gen.

Wir sind zu jeder Mitarbeit bereit, um die Unis in Richtung noch mehr Autonomie zu be­gleiten, im Sinne der Studierenden und Lehrenden, im Sinne der Wissenschaft und Forschung, aber vor allem im Sinne des Wirtschaftsstandortes Österreich und damit der Arbeitsplätze in Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

9.28


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.28.22

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass mein sozialistischer Vornamenskollege schon die Pointe des heutigen Abends ge­bracht hat (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Des Tages!) – des Tages, Pardon! – im Plenum gebracht hat, und zwar: Wissenschaft, Forschung und Lehre ist frei – heute würde man sagen: sind frei. Das steht im Neuen Institutsgebäude im ersten Stock und in der Aula der Akademie der Wissenschaften geschrieben. Das ist es, worauf wir uns berufen, und das ist es, was Forschung und Lehre ausmacht.

Gehen wir auf die Genese zurück. Wie ist das Ganze entstanden? – Und da muss man zurückgreifen auf das Staatsgrundgesetz 1867. Wie ist es dort festgeschrieben wor­den? Durch die Universitätsreform von Thun-Hohenstein und Exner wurden praktisch im Rahmen des Revolutionsjahres 1848 die Wissenschaften und Universitäten zu dem gemacht, worauf wir heute stolz sein können. Damals hat es nur die Trias von Medizin, Jura und Theologie gegeben – die Wirtschaftswissenschaften waren damals ein Teil des Juridikums, Teil der politischen Ökonomie.

Meine geschätzte Vorrednerin hat schon gesagt, die Tradition der Universitäten sollte in der allgemeinen Praxis anerkannt werden. – Aber eine Tradition muss sich eine Uni­versität bitte erst erarbeiten! Wir haben eine derartige Fülle von Bachelor- und Master-Absolventen in Österreich, dass in der Praxis ein Titel eigentlich zu wenig sein muss. Österreich muss bezüglich dieser Titelsucht abspecken, es kommt nämlich darauf an, wo man studiert hat und was man studiert hat.

Und wenn ich auf die größte Universität des Landes verweisen darf, auf die Universität Wien mit 91 000 Studierenden, mit über 180 Studienfächern, die dort angeboten wer­den, und man – ich darf jeden nur einladen dazu – lustwandelt im wunderschönen Ar­kadenhof dieser Universität, dann sieht man, welche Power, welche Kraft Österreich in der Wissenschaft und Forschung ursprünglich einmal hatte. Dort sieht man Wandge­mälde, Büsten, Reliefs von über neun Nobelpreisträgern Österreichs – und damals hat es in den Wirtschaftswissenschaften noch keine Nobelpreisträger gegeben, die wurden bekanntlich erst 1969 eingeführt, sonst wären die großen Österreicher, deren Büsten dort hängen, auch alle nobelpreisfähig.


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Ich darf erinnern an die großen Österreicher Carl Menger, Friedrich Wieser, Eugen Böhm-Bawerk, der am alten Hunderter drauf war, bis hinauf zu Ludwig Mises und Os­kar Morgenstern – allesamt wunderbare Österreicher, die heute in Amerika (Zwischen­ruf des Bundesrates Mayer) sehr populär sind. Der Senator Paul Ryan hat auf diese wunderbaren Österreicher in den Wirtschaftswissenschaften verwiesen (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer), aber in Österreich sind sie alle vergessen.

Heute ist dank der EU – das muss man auch einmal sagen; vielleicht nicht dank der EU, aber dank der österreichischen Bundesregierung (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug) – Österreich zum Skriptorium von EU-Gesetzen degeneriert worden, zu ei­ner Schreibstube ohne eigene Überlegungen. Das, muss man sagen, ist ein guter Ver­gleich, was Österreich einmal war und was Österreich vielleicht wieder einmal sein könnte oder sollte.

Die Autonomie der Wissenschaft ist ein wesentlicher Punkt, aber das muss man zwei­teilen: Einerseits gibt es die Autonomie dank des Universitätsgesetzes 2002, das si­cherlich ein Meilenstein war, wo alle universitären Institutionen die Vollrechtsfähigkeit bekommen haben und eine Eigenverantwortung leben dürfen – aber den Instituten und den Fakultäten wurde die zuvor vorhandene Teilrechtsfähigkeit genommen. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber im Rahmen dieses Gesetzes verpflichtet, die Universität mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren.

Einerseits ist diese Autonomie im Zuge der Rechtspersönlichkeit sicherlich gegeben, aber ob die Autonomie gegeben ist, dass die Wissenschaft, die Forschung und Lehre heute wirklich frei sind – wirklich frei sind! –, und die Popularwissenschaft doch nicht Einfluss auf die Kulturwissenschaft hat, das wage ich zu hinterfragen. Hier, sehr ge­ehrter Herr Minister, sollte man sich doch überlegen, ob nicht alle – oder die meisten – Forscher an den Universitäten aus einer Perspektive zu einem Thema forschen. Es fällt nämlich auf, dass die Themen praktisch gleichgeschaltet werden.

Da wäre es doch interessant, gerade das Ungleichzeitige und das Gleichzeitige zu er­forschen. Das wäre ja gerade – ich glaube, Sie sind ein sehr verständiger, ein exzel­lenter Geisteswissenschafter und Kulturwissenschafter – das Interessante, im Unter­schied zu diesen exakten Naturwissenschaften, eben auf die Flexibilität, auf die unter­schiedlichen Perspektiven der Kultur- und Geisteswissenschaften Wert zu legen und diese zu berücksichtigen.

Das sieht man vor allem bei der Vergabe der Forschungsförderungen des FWF, des Forschungsförderungsfonds, dass dort die Geistes- und Kulturwissenschaften leider zu wenig gefördert und auch zu wenig gefordert werden. Da sollte man sicherlich andere Präferenzen setzen und nicht immer nur die Naturwissenschaften, nicht immer nur die Grundlagenwissenschaften in die erste Reihe stellen.

Betreffend die aktuellen Probleme der Universität, zum Beispiel hier an der Hauptuni­versität Wien, fällt auf, dass allein beim dreistufigen Bachelor-Programm-Prozess, der bei den Geisteswissenschaften 2008 eingeführt worden ist, schon dreimal die Lehran­gebote komplett erneuert wurden: Es gibt also das Angebot 2008, das Angebot 2009 und das Angebot 2011. Ob es bei einer relativ engen Studienrichtung für Geisteswis­senschaften notwendig ist, innerhalb so kurzer Zeit so viele Reformansätze zu bringen, wage ich zu bezweifeln.

Das zweite Problem des Hauses, das unweit von hier gelegen ist – drei Gehminuten von hier –, ist, dass über 180 Studienfächer einfach zu viel sind, und es fällt auf, dass bei manchen in einem Semester sehr viele Lehrangebote gestellt werden, in manchen Semestern überhaupt keines, und die Studierenden stehen vor geschlossenen Türen. Sie können nicht einmal studieren, sie stehen! Also da gehören die Kräfte gebündelt, gehören zusammengezogen, weniger Studienfächer mit wesentlich mehr Lehrangebot.


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Weil es immer heißt, es gibt zu wenig Professoren: Professoren gibt es genug, exzel­lente Professoren, exzellente Forscher, aber die kommen zu keinem Lehrangebot, die dürfen nicht lehren, weil es da zu wenige Möglichkeiten gibt. Offensichtlich gibt es ex­treme Kürzungen, die aber nicht notwendig sind. Ein Forscher, ein Wissenschafter möchte doch etwas präsentieren, möchte seine Lehre seinen Studierenden kundtun, und die Studierenden haben auch ein Recht darauf, den aktuellen Forschungsstand mitzubekommen und zu inhalieren, wenn ich das so sagen darf. Also da gehören die Kräfte gebündelt: weniger Angebote bedeutet mehr Angebot.

Ein weiteres aktuelles Problem sind vielfältigere Forschungsthemen – nicht Einfältig­keit, Vielfältigkeit ist wesentlich! –, vielfältige Fragestellungen und eine breite Wirkung. Deswegen habe ich zuvor kurz auf die Wirtschaftswissenschaften des letzten Jahrhun­derts verwiesen. Die sind ja nur aufgrund der Vielfältigkeit entstanden, nur entstanden, weil jeder Forscher, weil eben jede Wissenschaft und Lehre frei war und nicht gebün­delt war und gebunden an irgendwelche Drittmittel, die sicherlich positiv zu bewerten sind, die aber die Forschung niemals leiten dürfen!

Es kann nicht sein, dass die Staatspolitik – das muss man ganz offen aussprechen – Wissenschafter diszipliniert, um ihre eigenen Ziele zu legitimieren. Das kann es nicht sein, das ist unmöglich! Man sieht hier im Haus immer öfter, dass außeruniversitäre Wissenschafter von der Wirtschaft eingeladen werden – das muss man ganz offen sa­gen –, die, und das sind auch Koryphäen, sich aber völlig verbiegen müssen, damit das, was hier im Hause oft passiert, legitimiert wird. Das kann es nicht sein! Daher muss die Wissenschaft und Lehre frei sein – aber in jedem Sinne.

Was die Vermarktung betrifft, haben wir Freiheitlichen schon vor Jahren vorgeschla­gen – das steht im Forschungsprogramm „Horizont 2020“ drinnen –, die Drittmittelauf­bringung im Sinne von Privatfinanzierung, Risikokapital, Beteiligungskapital stärker zu fördern, dass also auch Privatunternehmen die Forschung unterstützen dürfen. Da gibt es sicherlich verschiedene Steuerungsmöglichkeiten, damit Unternehmen da ihren Bei­trag leisten können, damit die Forschung einfach mehr Geld bekommt.

Meine Vorrednerin hat von den Werkstudenten gesprochen. Da gebe ich ihr vollkom­men recht! Es ist nicht notwendig, dass man fünf Monate im Jahr Urlaub haben muss, man kann die Zeit sicherlich nützen. In Australien zum Beispiel gibt es das zweijährige Bachelor-System, da gibt es Trimester für schnelle Studenten. Man muss nicht immer nur an einen Werkstudenten denken, sondern es gibt viele, die einfach nur studieren wollen, die sich nur der Forschung hingeben wollen, und die haben ein Recht darauf, dass in dieser vorlesungsfreien Zeit auch etwas angeboten wird.

Zu den Standorten: Es ist nicht notwendig, dass in Wien zum Beispiel drei Wirtschafts­standorte angeboten werden, das ist eine Auffächerung. Wenn ich an die Wirtschaft denke, so kann man Wirtschaft am BWZ in der Brünner Straße studieren, hier am Uni­versitätsring und in der Augasse. – Also das kann es auch nicht sein, hier sollte man bündeln! Ein Standort mit einem massiven Angebot ist besser.

Die Auslagerung von zahlreichen Fakultäten in verschiedene Bezirke Wiens ist nicht sinnvoll, man sollte da eine Campus-Ideologie schaffen, einen Thinktank. Gerade Stu­dierende wollen sich untereinander treffen, untereinander besprechen, was los ist auf dieser oder anderen Fakultäten. Die Publizisten sind dort, das Juridikum ist an einer anderen Stelle; das UZA I und das UZA II werden schon abgerissen, weil diese neue Bautechnik überhaupt nicht studierendenfreundlich ist. Nicht umsonst studiert jeder gerne an unserer Universität Wien, die vor über hundert Jahren errichtet worden ist.

Interessant ist noch – zum Schluss –, dass Wissenschaftsstandort und Wirtschafts­standort einander bedingen. Das sieht man am größten Forschungsland der Welt, den USA, wo die Forschung praktisch erarbeitet wird, den Studierenden beigebracht und wo sie auch verbreitet wird – und die USA sind bekanntlich die stärkste Volkswirtschaft


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der Welt. Also diesbezüglich sollte man sich doch überlegen, warum es in Österreich nicht möglich ist, einen gescheiten Forschungsstandort aufzubauen, der auch immer mit dem Wirtschaftsstandort positiv korreliert. Je schlechter die Wirtschaft, desto schlechter die Forschung – das gehört einfach zusammen.

Abschließend: Die Wissenschaft ist frei und muss wieder frei werden, denn diese Wis­senschaft ist leider nicht mehr so autonom, wie sie vor über hundert Jahren war. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Mag. Rausch.)

9.39


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.39.10

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen drei Wort­meldungen, die ich jetzt gehört habe, war eine Fülle von Anregungen enthalten, auf die ich gerne einginge. Das würde allerdings den Zeitrahmen sprengen. Erlauben Sie mir daher, dass ich nur auf einige Punkte eingehe, von denen aus ich dann meine Sicht zum Thema zehn Jahre UG expliziere.

Es ist vielfach auf ältere Geschichte Bezug genommen worden, so hat Herr Mag. Pisec zum Beispiel gesagt, dass die Unis früher vor allem aus drei Fakultäten bestanden hät­ten. Es gab aber im 18. Jahrhundert natürlich sehr wohl schon eine ganz bedeutende vierte Fakultät, die man gerade dann, wenn man für die Geisteswissenschaften redet, nicht vergessen dürfte: die Fakultät für Philosophie, die ursprünglich in der Tat eine un­tergeordnete, dienende Rolle hatte als sogenannte Artistenfakultät, die aber dann um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert von der Dienerin zur Königin der Fakultäten wurde und bis heute eigentlich die Königin ist. Allerdings waren in der Philosophie im­mer auch die Naturwissenschaften drinnen, und diese sind heute die Königsdisziplinen; die Geisteswissenschaften waren es im 18. Jahrhundert.

Solche Paradigmenwechsel findet man in der Forschung natürlich ständig. Es gibt da­zu inzwischen auch ein großartiges Buch von Kuhn, das diese Paradigmenwechsel in der Wissenschaft beschreibt, auch ihre Ursachen und Effekte. Natürlich finden ständig Paradigmenwechsel statt. Das gilt für den Inhalt der Wissenschaften, das gilt für die Einzelwissenschaften, das gilt aber auch für die Organisation von Universitäten. Die Universitäten haben eine fast tausendjährige Geschichte, und sie haben in dieser tau­sendjährigen Geschichte immer wieder Wandlungen durchgemacht. Ein Kennzeichen zieht sich jedoch durch – das sieht man, wenn man auf erfolgreiche Universitäten schaut –: das Kennzeichen ihrer Freiheit, das heute auch schon oft betont wurde. Nur dann, wenn Universitäten frei und unabhängig forschen und lehren durften, waren sie wirklich international führend. Sobald sie in den Dienst irgendeiner Ideologie, irgend­eines Interesses genommen wurden, sind sie zurückgefallen.

Das jüngste und das erschreckendste Beispiel, das wir dazu haben, ist ja die Zeit des Nationalsozialismus im 20. Jahrhundert. Vor dieser Zeit war die deutsche Wissenschaft die beste der Welt. Sie war es auch, weil die deutschen und die österreichischen Uni­versitäten durch die Humboldt’schen Reformen – in Deutschland schon 1810, in Öster­reich, auch schon erwähnt, nach 1848 – eine neue Struktur bekommen haben, eine neue Struktur, in der die Freiheit der Wissenschaft noch einmal ganz stark betont und auch organisatorisch fixiert wurde.

Diese Reform und der Geist, der dahinter stand – das war der Geist des deutschen Idealismus und des Neuhumanismus –, haben die deutschsprachige Wissenschaft, um es einfach einmal so zu sagen, an die Weltspitze geführt. Die ganze Welt ist damals schon nach Deutschland und Österreich gepilgert, um zu schauen, wie es die machen,


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dass sie so gut sind. Diesen Vorsprung haben wir aber leider Mitte des 20. Jahrhun­derts durch die erwähnte Katastrophe eingebüßt.

Vor dieser Katastrophe war Deutsch auch die führende Wissenschaftssprache der Welt. Man musste, um international Wissenschaft zu treiben, Deutsch lernen. Relikte dieser Dominanz kann man noch sehen. Wenn man zum Beispiel führende Unis in China besucht, stellt man mit Überraschung fest, dass dort noch immer Deutsch neben Englisch eine ganz wichtige und auch gelernte und beherrschte Wissenschaftssprache ist.

Es gibt also ständig diese Paradigmenwechsel und ständig den ganz klaren Befund: Wenn sich Regierende, wenn sich Mächtige zu stark in das innere Getriebe von Uni­versitäten mengen, tut das den Universitäten nicht gut.

Deswegen hat Österreich in den letzten Jahrzehnten da auch entsprechende Reform­werke begonnen, an deren Ende das UG 2002 steht. Es gab ja schon vorher zwei be­deutende Reformgesetze oder mehrere – ich nehme jetzt einmal nur die Organisa­tionsgesetze, es gab natürlich auch Reformen der Studiengesetze, die ebenso wichtig sind. Ich, der ich nun seit über vier Jahrzehnten an Universitäten agiere, habe ja selbst all das erlebt und kann aus eigener Anschauung all das auch bewerten.

Ich stehe nicht an zu sagen, dass zum Beispiel auch das UOG 1975 ein gewaltiger Re­formschritt war. Es war ein gewaltiger Reformschritt, der alte, verkrustete Strukturen völlig umgestürzt hat, der allerdings wohl auch des Guten zu viel getan hat durch eine übertriebene Demokratisierung von Entscheidungsabläufen, die nicht demokratisch sein können und nicht demokratisch sein müssen. Da haben dann spätere Reform­werke nachgebessert, und das UG 2002 hat wieder einen anderen Weg eingeschla­gen, wo viele Entscheidungen wieder monokratisch fallen.

Das hat bei mir ursprünglich durchaus auch Skepsis ausgelöst. Ich habe aber dann als einer, der in diesem Getriebe tätig ist, dieses Getriebe aus verschiedenen Perspektiven sehen konnte, gelernt, dass das UG 2002 ein segensreiches und stimmiges Gesetz in die richtige Richtung war. Und es ist heute schon treffend erwähnt worden, dass uns viele Länder da nachgefolgt sind und viele Elemente dieses Gesetzes übernommen haben – das ist, wie gesagt, treffend bemerkt worden.

Der Kern dieses Gesetzes ist Autonomie. Was heißt Autonomie? – Das ist ein grie­chisches Wort, das aus zwei Bestandteilen besteht. Ho autos, das heißt derselbe, oder to auton, dasselbe oder das selbst. Nomos ist das Gesetz, das dürfte bekannt sein. Hinter nomos steckt das Verbum nemein, und deswegen ist das noch interessanter, denn nemein heißt eigentlich zuteilen. Also der autonomos teilt sich selbst die Sachen zu. Und genau das ist der Kern der Autonomie: Die Universität entscheidet selbst, wie sie sich ihre Mittel zuteilt, wie sie sich ihre Organisation im Inneren gibt, welche Schwerpunkte sie setzt und so weiter.

Allerdings, und das ist auch gut so, gerade in Österreich ist der Staat immer noch der größte Geldgeber der Universitäten, und deshalb hat der Staat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, eine gewisse Aufsicht zu führen, dass diese Gelder, die ja öf­fentliche Gelder, Steuergelder sind, verantwortungsvoll und effizient eingesetzt werden. Und das ist ein Spannungsfeld. Es ist ein Wechselspiel, wie wir so viele in der Welt ha­ben, wo man zwei Dinge hat, die sich eigentlich widersprechen, und man immer einen Ausgleich zwischen den beiden Dingen finden muss, wo aber auch immer die Gefahr besteht, dass eine der beiden Seiten zu dominierend wird.

Dieses Wechselspiel wird auch immer wieder zu Konflikten, zu Spannungsverhältnis­sen, zu Diskussionen führen, wie die Demokratie natürlich überhaupt eine Staatsform, eine Gesellschaftsform ist, in der es darum geht, Konflikte zu sehen, auch zu leben, auszuhalten, auszutragen und irgendwann dann aber eine Lösung dieser Konflikte


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herbeizuführen. Das ist die Kunst, die wir und gerade Sie im Parlament ständig zu üben haben, die jeder verantwortliche Politiker zu üben hat. Und da glaube ich schon, dass ich einen gewissen Vorteil habe, weil ich beide Seiten kenne und sehe, dass man auf jeder Seite stehend andere Perspektiven hat. Aber das erleichtert auch die Arbeit, glaube ich, und ermöglicht es eher, eine kluge Steuerung vorzunehmen.

Wir haben in der relativ kurzen Zeit, in der ich nun im Amt bin, im Bereich der Steue­rung einiges nachgebessert, begonnen, einiges aufzubauen. Der Hochschulplan zum Beispiel, den wir seit vielen Jahren als Desiderat hören, befindet sich nun in Umset­zung. Der Hochschulplan wird nie ein endgültiges Produkt sein, sondern er ist ein Pro­zess. Wir haben diesen Prozess nun dezidiert und ganz intensiv eingeleitet. Sein wich­tigstes Gremium ist die Hochschulkonferenz, in der wir alle wichtigen Fragen, die die künftige Entwicklung der Universitäten betrifft, diskutieren, und zwar mit den unmittel­bar Betroffenen.

Ich glaube, dass das ein sehr gutes Element der Steuerung ist und dass uns dieses Element hilft, die Erfolgsgeschichte des UG 2002 nach dem Dezennium in diesem gut und produktiv gelebten Spannungsfeld erfolgreich weiterzuschreiben.

Natürlich werde ich nicht müde zu sagen, dass Österreich, wenn es noch besser wer­den will, bessere Rahmenbedingungen braucht. Man muss schon widersprechen, wenn hier gesagt wird, die österreichischen Universitäten seien in irgendeiner Weise international zweitrangig. Sie sind erstrangig! Ihnen fehlen noch ein paar Dinge, damit das auch in der Statistik, im Ranking, in der allgemeinen Wahrnehmung so sichtbar wird, wie dies der Fall sein sollte.

Es gibt viele Indizien dafür, dass die österreichischen Universitäten erstrangig sind; ich könnte jetzt viele Belege nennen, einige sind erfreulicherweise schon von den vor mir Sprechenden genannt worden, zum Beispiel die gewaltige Steigerung der Publikations­tätigkeit. Es ist nicht nur eine quantitative Steigerung, sondern noch mehr eine qualita­tive Steigerung, denn man sieht, wo die Leute publizieren, wie sie zitiert werden, wie die internationale Aufmerksamkeit auf unseren Forschungsergebnissen liegt et cetera.

Ein anderer und besonders schöner Beleg ist unsere Stärke, wenn es darum geht, For­schungsgelder aus dem EU-Raum anzuwerben, denn diese Forschungsgelder werden in einem scharfen internationalen Wettbewerb eingeworben. Und da kann nur beste­hen, wer in diesem Wettbewerb der Beste ist. Wir sind überaus erfolgreich im 7. Rah­menprogramm, wo wir 130 Prozent der Gelder, die wir dort eingezahlt haben, einge­worben haben. Wir sind überaus erfolgreich in den ERC Grants, die es seit drei Jahren gibt, diese Forschungsgelder für Einzelforschungsprojekte des European Research Councils, wo wir sehr, sehr gut abschneiden und wo vor allem etwas ganz bemer­kenswert ist, das man eher weniger sieht: Wir haben die größte Zahl von Grants oder Grantees, die mit ihren Forschungsgeldern aus dem Ausland zu uns kommen. Da lie­gen wir derzeit vor der Schweiz. Die Schweiz ist das zweitbeste Land – die Schweiz zählt da immer mit zum EU-Raum, obwohl sie nicht zur EU gehört. Wir sind die Besten.

Was heißt das? – Österreich ist als Forschungsland sehr, sehr, sehr attraktiv. Hier fin­den viele Forscher hervorragende Bedingungen vor, sonst würden sie nicht mit diesen Geldern zu uns kommen. Sie sind in jedem Land begehrt, in jedem Land willkommen und von jedem Land umworben – sie kommen nach Österreich!

Ich könnte hier noch viele solche Beispiele nennen, möchte aber auch nicht verschwei­gen, dass wir noch Verbesserungsbedarf haben. Dieser Verbesserungsbedarf liegt in Rahmenbedingungen, die uns noch fehlen; sie sind schon genannt worden.

Wir haben unsere Universitäten und Fachhochschulen gut finanziert. Wir liegen im Schnitt der EU, was die Gesamtfinanzierung anlangt. Wir liegen weit über dem Schnitt der EU, was die öffentliche Finanzierung anlangt. Wir liegen weit unter dem Schnitt von


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EU und OECD, was die private Finanzierung anlangt. Von den 1,44 Prozent vom BIP, die uns die letzte OECD-Statistik ausweist, sind nur 0,05 Prozent private Finanzierung. 0,05 Prozent! Das heißt, 1,39 Prozent sind öffentliche Finanzierung. Der Schnitt in der EU liegt bei 0,3 Prozent privater Finanzierung. Also sechsmal so viel private Finanzie­rung in der EU! Der Schnitt in der OECD ist 0,5 Prozent, zehnmal so viel wie bei uns.

Das heißt, wir müssen, wenn wir die Finanzierung der hohen Schulen noch verbessern wollen – und das wollen wir –, auch und vor allem private Quellen erschließen. Es gibt mehrere private Quellen. Wir setzen zum Beispiel jetzt im Hochschulraum-Struktur­fonds entsprechende Anreize, dass mehr solche Quellen erschlossen werden – eine sind aber auch Studienbeiträge. Und ich gebe nicht auf, da noch für eine bessere Si­tuation zu kämpfen. Wir haben jetzt einmal eine Einigung mit dem Koalitionspartner er­zielt, die den Universitäten Rechtssicherheit bietet. Das ist erfreulich, aber wenn es uns gelingt, wofür es ja mehrere Arbeitsgruppen gibt, auch eine bei der SPÖ und eine in der Hochschulkonferenz, im Zuge einer guten sozialen Absicherung der Studierenden ein neues und autonomeres Modell zu erreichen, wie es ja die Fachhochschulen schon haben, dann, denke ich, haben wir hier eine Rahmenbedingung geschaffen, die für die Zukunft wichtig ist.

Eine zweite Rahmenbedingung, die auch schon genannt wurde, wo wir jetzt auch die ersten Schritte gesetzt haben, ist die Hochschulplatzfinanzierung, wo wir jetzt einmal in sehr stark nachgefragten Fächern, wo es wirklich teilweise unzumutbare Studienbedin­gungen gibt, einerseits die Betreuungsrelation verbessern, indem wir viel mehr Lehren­de dorthin geben, aber andererseits auch sagen: Wir können die Anzahl der Lehrenden nicht unbegrenzt steigern, wir müssen irgendwann, um die Betreuungsrelation gut zu halten, eine Obergrenze an Studienplätzen einziehen! Das beginnen wir jetzt in fünf Fächern zu tun, da, wo es notwendig ist, um bessere Betreuungsrelationen zu errei­chen, die sowohl den Lehrenden als auch den Studierenden nützen. Das liegt auf der Hand und muss hier nicht weiter erklärt werden.

Diese und andere Rahmenbedingungen gilt es noch zu verbessern. Daran arbeite ich, und dafür erbitte ich auch die Unterstützung des Souveräns, dass er mir bei entspre­chenden Gesetzesmaßnahmen seine Zustimmung gibt. Und ich bedanke mich für die sehr konstruktive Diskussion und Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.54


Präsident Georg Keuschnigg: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Ak­tuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


9.54.21

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Der Weg der Universi­täten in die Autonomie“ ist der Titel der heutigen Aktuellen Stunde, oder lassen Sie es mich anders formulieren: Die Wege zum Herrn sind vielfältig und unergründlich – so wie der angekündigte Weg der Universitäten in die Autonomie.

Sie, sehr geehrter Herr Minister, befinden sich meiner Meinung nach in einer klassi­schen Sandwichposition: Auf der einen Seite haben wir eine Finanzministerin, die Ih­nen ein bestimmtes Budget zur Verfügung stellt in dem Wissen, dass Sie mehr brau­chen, und auf der anderen Seite haben Sie Rektoren und Rektorinnen, die Sie in regel­mäßigen Zeitabständen immer wieder daran erinnern, dass die Mittel, die gegenwärtig zur Verfügung gestellt werden, kaum ausreichen, um den Status quo aufrechtzuer­halten.


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Wir wissen, dass mit der angekündigten Hochschulmilliarde der Status quo gerade aufrechterhalten werden kann, ohne dass es überhaupt zu qualitativen Verbesserun­gen kommt. Von den angepeilten 2 Prozent vom BIP möchte ich gar nicht reden.

Erlauben Sie mir, dass ich Klartext rede! Seit Jahrzehnten hat die ÖVP die Universi­täten wirklich stiefmütterlichst behandelt. Wir haben vom Kollegen Todt gehört, dass die SPÖ widerwillig zugestimmt hat, dass die Universitäten den Weg der Autonomie beschritten haben. (Bundesrat Todt: Nein! Wir haben es abgelehnt damals!) – Abge­lehnt, genau. Aber dennoch ist nicht viel weitergegangen. Und „nicht viel weiterge­gangen“ ist ein Sinnbild (Bundesrat Todt: Das stimmt leider auf der anderen Seite nicht! Es ist viel weitergegangen, das habe ich aber gesagt!) – vom Kindergarten über die Schulen bis zu den Universitäten. Wir haben einen Stillstand in der Bildungspolitik, und das auf Kosten der Betroffenen, vom Kindergarten bis zu den Hochschulen. (Bei­fall des Bundesrates Schreuder. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Für die Studierenden bedeutet das – der Herr Minister hat das schon erwähnt –: über­füllte Hörsäle, Zugangsbeschränkungen, welche sich auch schon auf andere Studien­richtungen auswirken werden. Für das beschäftigte Personal bedeutet das prekäre Ar­beitsverhältnisse – und da rede ich noch gar nicht von Forschung, denn Forschung be­deutet, dass ich Arbeitsplatzsicherheit habe, dass ich weiß, dass ich in ein paar Jahren auch noch ein Beschäftigungsverhältnis habe. Unter den Rahmenbedingungen, unter denen die meisten unserer Wissenschafter beschäftigt sind, wo sie nicht einmal wis­sen, ob im nächsten Jahr der Arbeitsvertrag verlängert wird, kann man nicht sinnvolle Forschung und Lehre betreiben. Das wirkt sich negativ auf die Qualität aus.

Kettenverträge sind Standard, es gibt ein Ungleichgewicht im Verhältnis von Betreuer und Studierenden, die ArbeitnehmerInnen-Schutzbestimmungen werden wieder hi­nausgezögert, Personal wird in manchen Studienrichtungen abgebaut, weil man ohne­hin nicht weiß, wie es weitergehen soll, geplante technische Innovationen und Umbau­maßnahmen werden hintangestellt – außer, und das haben auch viele meiner Vorred­ner und Vorrednerinnen schon angemerkt, in jenen Studienrichtungen, die für die Wirt­schaft und für die Industrie von Interesse sind, denn da gibt es ja sozusagen die Dritt­mittel.

Drittmittel sind willkommen, keine Frage. Wir müssen uns überlegen, wie wir das noch ausbauen können, damit es da zu einem guten Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Industrie, Forschung und Lehre kommt. Aber wir haben auch viele, viele Studienrich­tungen, wo die Wirtschaft einfach nicht profitieren wird. Wie schaut es denn dort aus? Wie schaut es in den geisteswissenschaftlichen Fächern aus? Sind uns die genauso viel wert?

Sie, Kollege Pisec, haben in Ihrer Rede gesagt, dass wir um die 180 Studienrichtungen haben und dass diese Vielfalt zu hinterfragen ist, ob wir überhaupt so viele Studien­richtungen brauchen, haben aber im nächsten Satz erwähnt, dass die Vielfalt erhalten werden soll. Na was jetzt? Ich kenne mich nicht aus! (Bundesrat Mag. Pisec: Vielfalt der Forschung! Das ist ein Unterschied!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich festhalten: Österreich – ich sage das fast in jeder Rede, wenn es um Bildung geht – verfügt über keine Boden­schätze, verfügt über keine Bodenressourcen. Neben der schönen Landschaft und dem, was wir im Bereich Tourismus anzubieten haben, sind das Potenzial dieses Lan­des die jungen Leute. In diese müssen wir investieren! Wir sollten uns nicht Gedanken darüber machen, wie wir so viele wie möglich von einem Studium abhalten können, da­mit wir die chaotischen Zustände auf den Universitäten halbwegs in den Griff bekom­men. – Das wäre der falsche Ansatz.

Wir können froh sein, wenn es viele junge Leute gibt, die studieren möchten, denn wir wissen, dass allein der OECD-Schnitt nicht zu halten ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie


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sollen es auch können, nicht nur wollen!) Wir sind zurzeit bei 25 Prozent Akademiker­quote, der OECD-Schnitt ist bei 38 Prozent. Wir müssen uns überlegen, wie wir noch mehr Studierende auf die Unis bringen. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass immer weniger Kinder zur Welt kommen. Allein in Oberösterreich werden wir im Jahre 2020 um 14,5 Prozent weniger junge Leu­te haben. Das hat ja Gründe. Wir müssen ein bisschen über den Tellerrand hinaus­schauen und das Ganze ganzheitlich betrachten. (Präsident Keuschnigg: Bitte zum Schlusssatz kommen!)

Wir sehen, wir buttern sehr viele finanzielle Mittel in die Familienunterstützung, aber der Output ist trotzdem nicht besonders gut. Es ist nicht alles in Geld messbar, sondern wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, das fängt beim Kindergarten an, geht über die Schulen bis zu den Universitäten. Und es ist unsere Aufgabe, uns Ge­danken darüber zu machen – nicht darüber, wie wir den Zugang zur Bildung beschrän­ken, sondern, wie man das Ganze ausbauen kann. – Danke. (Beifall des Bundesra-
tes Schreuder.)

10.00


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


10.00.05

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zum Kollegen Dönmez schon sagen, von einem Stillstand in der Bildungspolitik kann nicht die Rede sein. (Bundesrat Dönmez: Sie wissen, was gemeint ist!) Ich glaube, wir haben ein aus­gezeichnetes Bildungssystem mit viel Neuem, es ist viel in Bewegung, auch im univer­sitären Bereich. Also das möchte ich nicht unwidersprochen lassen.

Ich möchte mich in gebotener Kürze ein wenig mit der Studienplatzfinanzierung be­fassen.

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung im universitären Bereich ist in Europa, aber auch weit darüber hinaus sowohl für Lehrende als auch für Studierende mit Sicherheit mehr an Qualität zu gewährleisten. Es liegt nun eine, wie ich glaube, doch sehr wohl­durchdachte Studienplatzfinanzierung vor. Sie ist auch unabdingbar. Die Bundesregie­rung hat sich hier ab 2013 auf eine Testphase geeinigt.

Worum geht es eigentlich hier in dieser Sache? – Es geht zuerst einmal um mehr Transparenz für die gesamte Universitätsfinanzierung, es geht darum, mehr Durchsicht hineinzubringen, zusammenzuführen. Es geht auch um mehr Personalressourcen. Wir brauchen diese, wie wir aus der Praxis wissen. Es sind ja hier an die 95 Professorin­nen und Professoren mehr vorgesehen, und das bedeutet natürlich auch eine Verbes­serung der gesamten Betreuungssituation. Es geht – drittens – auch um einen gere­gelten Universitätszugang, der gerade in den nachgefragten Fächern notwendig ist. Das wissen wir. Damit ist auch eine Stabilisierung der Studierendenzahlen verbunden.

Dieses Modell wurde abgestimmt und ist Voraussetzung dafür, dass die Zahl der Stu­dierenden österreichweit nicht verringert wird beziehungsweise eine gewisse Ausdün­nung erfährt.

Ich möchte sagen, dass die Definition der Ziele der neu zu schaffenden Struktur, die Umsetzungsschritte vom derzeitigen Modell zum neuen und die Beschreibung der vor­bereitenden inhaltlichen Maßnahmen auch damit einhergehen.

Wir brauchen ein zusätzliches Qualitätspaket, um auch die Rahmenbedingungen für die besonders gefragten Fächer zu schaffen. Wir wissen, bei Informatik, Biologie, Bio­chemie, Architektur, Städteplanung, Pharmazie, Management und Wirtschaft gilt es, besonders anzupacken.


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Es geht also um zwei Hauptforderungen, um zwei Hauptfaktoren, nämlich den Ausbau des Personalstandes und die Stabilisierung der Studierendenzahlen. Dann kommen wir vorwärts.

Das Thema Zugangsregelungen kann natürlich hier nicht ausgespart werden, ebenso wird die Debatte über die Studienbeiträge nicht einschlafen. Denken Sie an das Er­folgsmodell der Fachhochschule Salzburg oder die private medizinische Universität! Es kann nicht sein, dass alles nur eine staatliche Aufgabe ist.

Ansprechen möchte ich auch noch die Ausbildung der Pädagogen und Pädagoginnen, diese neue Ausbildung. Das ist nicht so einfach, denn es muss mit einem neuen Dienstrecht einhergehen, und die Erstellung eines neuen Lehrerdienstrechtes ist kein einfacher Prozess. Die Neuregelung der Ausbildung wird ja seit vielen Jahren mit Ex­perten und Interessenvertretern thematisiert und ist ein zentrales Thema. Es geht um die Anforderungen und die Umsetzung im Elementar-, Primar- und Sekundarbereich – das wissen wir –, ebenso um die professionellen Kompetenzen.

Zentral ist also das Curriculum mit Bachelor, Induktionsphase und Master. Hier soll es den Zertifizierungsrat geben, der das Ganze dann prüft.

Ich komme zum Schluss, meine Zeit ist schon wieder abgelaufen. – Die Regierung un­ter der Federführung von Minister Töchterle hat sowohl in der Studienplatzfinanzierung als auch in der Ausbildung Wichtiges auf den Weg gebracht. Das möchte ich in aller Deutlichkeit festhalten, und ich darf dir, Herr Minister, namens unserer Fraktion dafür sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.05


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


10.05.39

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Opposition hat 2002 zu Recht Nein gesagt zum UOG 2002. Nicht, weil wir gegen die Autonomie sind – in den neunziger Jahren wurde die Autonomie der Universitäten bereits vorbereitet; Sie wissen das, Herr Minister, dass es eine Testphase gegeben hat –; warum wir Nein gesagt haben, war die Art und Weise, wie das 2002 erfolgt ist. Das wurde übers Knie gebrochen. Die Universitäten waren darauf nicht vorbereitet, die großen Universitäten waren noch gar nicht im UOG drinnen.

Man hat mit der Einführung der Studienräte vielfach personell und peinlich danebenge­griffen von Regierungsseite. Es gab keine kollektivvertragliche Regelung, sodass uns zehn Jahre lang junge Wissenschaftler in der Forschung verloren gegangen sind, weil es während dieser zehn Jahre Kollektivverträge gar nicht gegeben hat. Es gab, wie Kollege Todt schon gesagt hat, eine explodierende Verwaltung, die nicht mit einem Verwaltungsabbau im Ministerium einhergegangen ist. Allein an der Medizinuniversität, zentrale Verwaltung, gab es eine Steigerung von 16 auf 200 Dienstposten.

Ende der neunziger Jahre wollte man eine Stück-für-Stück-Autonomie, also zuerst mit kleinen Universitäten wie Leoben anfangen und nicht gleich alles übers Knie brechen.

Was ist passiert in diesem Vakuum, Herr Minister? – Wir haben heute Rektoren-Uni­versitäten, einfach Rektoren-Universitäten. Die Gestaltungsmöglichkeit, das Durch­griffsrecht des Wissenschaftsministers ist, wie Kollege Todt schon gesagt hat, enden wollend. Die demokratische Mitwirkung an den Universitäten ist zurückgegangen und durch andere Formen ersetzt worden. Und dort, wo es noch Mitwirkung gibt, ist die Kompetenz entzogen worden – siehe Studienräte!

Herr Bundesminister, ja, die Unis waren immer nicht nur ein Hort der Lehre und der Forschung, sondern sie waren die Trendsetter. Sie haben die Moderne eingeleitet, sie


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haben die Gesellschaft gestaltet. Wir befinden uns heute in einem Verschulungspro­zess, eine negative Begleiterscheinung des Bologna-Prozesses.

Wir haben eine niedrige Akademikerrate. Und die Finanzierung – das höre ich von Kol­legin Rausch, höre ich vom Kollegen Saller, und ich höre sozusagen schon die Gegen­rede des Herrn Wissenschaftsministers – durch Spender, Mäzene, Sponsoren ist in Österreich mit 0,05 Prozent enden wollend. Salzburg hat da Glück, dass es einen Herrn Mateschitz gibt, der 70 Millionen an die Paracelsus Privatuniversität gibt, und an­dere haben Glück, dass es eine Hannes Androsch Stiftung gibt, der Androsch 10 Mil­lionen gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Rausch.)

Sie haben gesagt, wie wunderbar die eine Milliarde ist, die der Herr Minister hat. – Die hat er ja nicht nur für die Universitäten, da wird doch etwas abgezwackt! Da muss er abzwacken für Gugging, da muss er abzwacken für die Fachhochschulen, da muss er den Fonds für Forschungsförderung finanzieren. Da muss überall abgezwackt werden, das ist nicht für die Universitäten alleine.

Frau Kollegin, wenn Sie den Universitätsbericht 2011 gelesen haben, was ich anneh­me, finden Sie darin etwas Interessantes: dass zwischen 2000 und 2007 das BIP um 37 Prozent gestiegen ist, aber die Mittel für die Unis nur um 15 Prozent. Das ging also zurück, und seit 2009 ist es weiter rückläufig.

Und weil Sie von dieser Milliarde gesprochen haben: Was ist denn 2005, 2006 und 2007 geschehen? – Da wurde den Unis eine Milliarde pro Jahr weggenommen. Das heißt, wir finanzieren ja eigentlich nur ein bisschen nach. Und was steht im Uni-Bericht drinnen? – Dass die Universitäten derzeit notorisch unterfinanziert sind. In Wirklichkeit bräuchte der Herr Minister sofort eine zweite Milliarde dazu, um aus dieser notorischen Unterfinanzierung herauszukommen und überhaupt die Richtung von 2 Prozent des BIP anzustreben.

Aber so wie damals die Autonomie mit Studiengebühren übers Knie gebrochen wur­de – nirgendwo in der Welt gibt es eine Universität, die studiengebührenfinanziert ist –, so ins Reich der Fantasie kann man das verweisen, wenn man sagt, es werden ein paar Spender und Mäzene kommen. Der WIFO-Bericht sagt, die Universitäten brau­chen bis 2020, Frau Kollegin Rausch, 8,4 Milliarden – und wir sind derzeit bei 4,8 Mil­liarden. Wo soll denn das herkommen? Von ein paar Spendern? Da klafft ein Loch von über 4 Milliarden bis 2020!

Da ist jetzt der Herr Minister gefordert, nicht nur zu sagen, wir brauchen einen höheren Privatanteil, sondern das darzustellen. Das wird die Aufgabe von Wissenschaftspolitik oder des Wissenschaftsministers sein.

Die Autonomie war richtig. Der Weg, wie sie geschaffen worden ist, ist beispielhaft für die Ära Gehrer, und das waren leider viele verlorene Jahre für die Universitäten. (Bei­fall bei SPÖ und Grünen.)

10.11


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


10.11.56

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher! Als Letztredner ist man in der Situation, dass schon sehr vieles gesagt wurde. Ich kann daher meine Verantwortung als Vertre­ter für meine Region wahrnehmen und an dem anknüpfen, was sich ein bisschen wie ein roter Faden durchgezogen hat: die Finanzierung. Und ich nehme die Finanzierung für die Montanuniversität in Leoben als Beispiel.

Die meisten Universitäten Österreichs haben für die nächste dreijährige Leistungspe­riode ihre Leistungsvereinbarungen bereits zu einem mehr oder weniger zufriedenstel-


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lenden Abschluss gebracht; die TU Wien gehört noch nicht dazu und leider auch die Montanuniversität Leoben. Hier klafft zwischen den Vorstellungen der Universitäten und denen des Ministeriums eine Lücke von 34 Millionen €.

Herr Bundesminister! Alle großen Universitäten in Österreich erhalten teilweise wesent­lich mehr – die 95 neuen Professoren wurden bereits angesprochen. Ich möchte am Beispiel dieser Montanuniversität auf eines ganz besonders hinweisen: Sie bringt ei­gentlich genau das, was in Österreich gefordert ist, sie wirkt, wie auch die anderen technischen Universitäten, dem immer wieder beklagten Technikermangel entgegen. Es sind gesuchte Absolventen, die hier ausgebildet werden, und durch die technischen Universitäten werden der Wirtschaftsstandort Österreich und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs insgesamt gestärkt.

Die Montanuniversität weist nicht nur steigende Hörerzahlen auf, sondern ist durchaus auch ein gutes Beispiel für internationale Herzeigbarkeit. Sie haben das bereits an ei­nigen anderen Beispielen erwähnt, und ich darf daran erinnern, dass die Materialwis­senschaften an der Montanuniversität im Fachranking weltweit an siebter Stelle, in Europa an zweiter Stelle rangieren, noch vor Einrichtungen wie der ETH und dem MIT beispielsweise.

Worum geht es jetzt im Speziellen, wo liegen die Probleme, und wo spießt es sich? –Etwa bei der Basisfinanzierung: Ein ganz wesentlicher Grund, dass man hier nicht zu­sammenkommt, ist der Umstand, dass von der Basis aus dem Jahr 2007 ausgegangen und dabei nicht berücksichtigt wird, dass wir in Leoben mittlerweile neue Kunst­stoffinstitute, neue Lehrstühle bekommen haben, die damit faktisch durch den Rost fal­len.

Bei den Leistungsprojekten gibt es drei ganz wesentliche Dinge, deren Finanzierung bis jetzt noch in der Luft hängt. Das eine ist das sogenannte Zentrum am Berg, eine Forschungseinrichtung am Erzberg, die international bereits Nachahmer findet, obwohl sie noch nicht im Boot ist. Die Italiener, die Polen wollen ähnliche Dinge machen. Wir können hier nicht warten, vor allem nicht, wenn wir EU-Gelder haben wollen in den nächsten drei Jahren. Wenn wir dieses Projekt jetzt nicht umsetzen können – es gibt bereits Zusagen zu einer Mitfinanzierung, sowohl vonseiten des Landes Steiermark als auch von Frau Bundesminister Bures –, dann ist dieses zukunftsweisende Projekt ge­storben.

Es gibt den Wunsch einer Professur für Industrielle Energietechnik und für Cyber-Phy­sical Systems. Das klingt sehr kompliziert; hier geht es um Hochautomatisierung.

Das sind alles Dinge, die den Wirtschaftsstandort stärken, und zwar nicht nur in der Region, nicht nur bei der Montanuniversität, sondern österreichweit. Diese Gelder – das kann ich Ihnen versichern – werden verantwortungsbewusst eingesetzt.

Ich hoffe sehr, dass zumindest meine steirischen Kollegen auch der anderen Fraktio­nen dem zustimmen und ihren Beifall zollen wollen und werden. Es handelt sich hier nicht um Parteipolitik. Ich kann nur sagen, auch in der Stadt Leoben, im Gemeinderat fallen alle Beschlüsse zu erheblichen Unterstützungen unserer Universität einstimmig. Da ziehen alle an einem Strang.

Ich glaube, dass die Wichtigkeit dieser Universität, die keine Massenuniversität ist, an­erkannt werden sollte. Morgen findet in Leoben der traditionelle Ledersprung statt, das ist der gesellschaftliche Höhepunkt im Universitätsjahr Leobens, und ich würde mich sehr freuen, Herr Bundesminister, wenn Sie in Ihrer Replik hier noch ein positives Sig­nal aussenden könnten, das ich nach Leoben mitnehmen und dort berichten kann.

In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

10.17



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 27

Präsident Georg Keuschnigg: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme ist der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.17.53

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Präsident! Hohes Haus! Es haben sich jetzt einige sehr kritische Stimmen geäußert. Ich bin für Kritik immer offen und sogar dankbar, wenn sie konstruktiv ist; sie schmerzt mich dann, wenn sie auf sachlich völlig falschen Voraussetzungen beruht. Ich muss ei­nige Voraussetzungen einfach korrigieren – ich nenne jetzt keine Namen, die Kritiker wissen, wen ich meine –, denn so, wie das geäußert wurde, stimmt das schlicht nicht.

Man kann zum Beispiel nicht sagen, die österreichischen Universitäten sind generell überfüllt. Wir haben zwölf Fächer, wo es solche Überfüllungen gibt; zwölf von 180 zum Beispiel in Wien. Also man kann und darf das nie und nimmer pauschalieren. Wir sind jetzt mit der Studienplatzfinanzierung dabei, das in diesen Fächern zu verbessern und zu verändern.

Wenn gesagt wird, bei uns sind alle jungen Leute prekär angestellt, dann stimmt das einfach nicht. Im Gegenteil, wir haben, auch durch den Kollektivvertrag – der übrigens nicht zehn Jahre auf sich hat warten lassen, sondern von der Implementierung bis zu seinem Inkrafttreten hat es fünf Jahre gedauert; das ist eine erträgliche Zeit –, die Mög­lichkeit der Qualifizierungsvereinbarung, und die wird von den Universitäten verstärkt genutzt. Das ist eine Form, wie man jungen Leuten eine unbefristete Stelle anbieten kann, ähnlich dem amerikanischen Tenure-Track, und wir haben viele andere Möglich­keiten, junge Leute zu entfristen.

Man muss aber auch sehen, die Universität braucht immer eine große Anzahl hoch qualifizierter Ausbildungsstellen, also Doktoratsstellen und auch Postdoc-Stellen. Wenn das Ausbildungsstellen sind, dann können sie nicht anders als befristet sein, denn sonst ist irgendwann dieser Bereich zu, kein junger Mensch kommt mehr hinein, weil schon alles besetzt ist mit unbefristeten Stelleninhabern. Das geht nicht.

Es muss auch an einer Universität ausgehalten werden, dass es eine Fülle von befris­teten Stellen gibt. Jeder Mensch, der eine solche Stelle antritt, weiß ja, dass sie befris­tet ist und nach vier Jahren wieder endet. Es ist nur meistens so, dass der Abschied dann auch oft für den Betreuenden und für das Institut schwerfällt, weil sich der junge Mensch als sehr tüchtig erwiesen hat. Das schmerzt, aber es geht nicht anders. Wir brauchen auch die befristeten Stellen.

Was mich besonders wundert, ist, dass man heute seitens der Grünen die Bildung nur ökonomisch argumentiert. Natürlich ist das ökonomische Argument wichtig, aber für mich persönlich sind das gesellschaftliche und das individuelle Argument noch wichti­ger. Bildung bereichert den jungen Menschen persönlich als Individuum, und das ist mindestens gleich wichtig wie das ökonomische Argument. Bildung ist nicht nur Univer­sitätsbildung. Bildung ist zum Beispiel auch eine Lehre, Bildung ist auch eine höhere Schule.

Österreich hat ein Bildungssystem, das offensichtlich sehr krisentauglich ist, das volks­wirtschaftlich offensichtlich sehr gut passt, sonst wären wir nicht so gut durch die letzte Krise gekommen, sonst hätten wir nicht schon seit Langem die niedrigste Arbeitslosig­keit in der EU. Das alles zeigt doch: Wir bilden sehr nah an der Wirtschaft und für den Arbeitsmarkt sehr angemessen aus. Wenn ich an Spanien denke, wo eine viel höhere Akademikerquote und eine enorme Jugendarbeitslosigkeit zu finden sind, dann muss ich sagen, das kann nicht das Allheilmittel im ökonomischen Sinne sein.

Wenn behauptet wird, die Hochschul-Milliarde käme nicht bei den Hochschulen an, so ist das schlicht falsch. Von dieser Hochschul-Milliarde, die faktisch 990 Millionen sind, geht kein einziger Cent nicht an die Hochschulen. Es geht alles an die Hochschulen.


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40 Millionen gehen an die Fachhochschulen, und der Rest geht an die Universitäten. Nach Gugging kommt eine weitere Milliarde im Laufe von zehn Jahren und teilweise leistungsbezogen. Und es gibt noch eine dritte Milliarde, die hier kaum erwähnt wird, nämlich die Bau-Milliarde. Derzeit fließen 1,2 Milliarden € an sich im Bau beziehungs­weise im Fertigwerden befindende Universitäten. Daran kann man sehen, wie unglaub­lich viel Geld auch in Zeiten von Konsolidierung die öffentliche Hand, der österreichi­sche Steuerzahler sozusagen in das tertiäre System fließen lässt.

Diese Dinge muss man einfach richtigstellen. Es sind böswillige Behauptungen, wenn man sagt, die Hochschul-Milliarde käme nicht bei der Universität an. Auch der FWF wird mit keinem Cent aus der Hochschul-Milliarde finanziert. Das ist einfach falsch. Diese Dinge bitte ich, richtigzustellen und sozusagen in einer weiteren Argumentation auch nicht mehr vorzubringen.

Zu Leoben: Leoben – das ist vollkommen richtig gesagt worden – ist eine sehr gute Universität in Feldern, die für uns sehr wichtig, auch ökonomisch wichtig sind. Leoben wird ein sehr gutes Angebot von uns bekommen. Die letzte Verhandlungsrunde wird übernächste Woche stattfinden. Wir sind auch bereit, dieses Zentrum am Berg mitzufi­nanzieren. Ich bin überzeugt, dass wir zu einem Abschluss kommen werden.

Es ist normal, dass die Unis höhere Forderungen stellen, als wir erfüllen können. Das ist ein normaler Verhandlungsprozess, und ich bin sicher, dass wir auch in Leoben in Wertschätzung dieser sehr guten Universität zu einem Abschluss kommen werden.

Um die Relationen einmal klarzustellen: Die 95 Professoren, die da angeführt worden sind, kosten 36 Millionen. Der Gap, den wir in Leoben haben, sind 34 Millionen. Das heißt, eine Uni fordert nahezu so viel mehr, wie wir für alle neuen Professoren an allen Unis finanzieren. Das muss man schon auch sehen, wenn man die Relationen be­denkt.

Lassen Sie mich zum Schluss etwas zum Vorwurf des „Stillstands“ sagen! Wir stehen überhaupt nicht still. Wir bewegen uns fort, wir bewegen uns schnell und zügig fort, was wir aber nicht tun und was heute auch als falsch kritisiert worden ist, ist: Wir ma­chen nichts überstürzt. Es wurde manchmal gesagt, das UG 2002 sei überstürzt einge­führt worden. Eines diesbezüglichen Kommentars enthalte ich mich jetzt, weil man das umfassender ausführen müsste. Wie gesagt, wir überstürzen nichts, aber wir gehen voran.

Ich darf auch noch eine Bemerkung aufnehmen, die heute gefallen ist, nämlich den Hinweis von Abgeordnetem Saller zur PädagogInnenbildung Neu. Wenn es uns ge­lingt, das umzusetzen, was ich hier gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Dr. Schmied in Gang gesetzt habe und was wir bei der letzten Regierungsklausur auf einem gewis­sen Status einmal festgeschrieben haben, dann werden wir für das österreichische Bil­dungssystem etwas tun, das seinesgleichen sucht.

Gut ausgebildete PädagogInnen vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe 2 sind eine ganz entscheidende Basis für die Bildungsstärke eines Landes. Und genau das wollen wir noch in dieser Legislaturperiode umsetzen. Damit würden wir einen gewaltigen Sprung nach vorne machen. Also von „Stillstand“ kann keine Rede sein. – Danke. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.24


Präsident Georg Keuschnigg: Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

Herr Bundesminister! Ich darf mich ganz herzlich bei dir für die Abhaltung dieser Ak­tuellen Stunde bedanken. Alles Gute auch für die weitere Arbeit! – Viel Glück! (Allge­meiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 29

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Tirol
gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich begrüße nun Herrn Landeshauptmann von Tirol Günther Platter sehr herzlich bei uns im Bundesrat (allgemeiner Beifall) und gebe be­kannt, dass er seine Absicht bekundet hat, zum Thema „Aktuelle Themen und Heraus­forderungen aus der Sicht der Länder“ eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates abzugeben.

Es liegt mir hiezu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vor, im Anschluss an die von Herrn Landeshauptmann Platter abgege­bene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen ausreichend unter­stützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres nachgeben.

Ich darf vorab aber auch die Gelegenheit nützen und dir, Herr Landeshauptmann, sehr herzlich für die Regie bei der Herbeiführung des Beschlusses der Landeshauptleute­konferenz zur Reform des österreichischen Bundesrates danken. Mit diesem einstim­migen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz und mit dem gleichlautenden Be­schluss der Landtagspräsidentenkonferenz vom 12. Oktober 2012 liegt nun erstmals eine abgestimmte einheitliche Position der Bundesländer zur Reform des Bundesrates vor.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es hier um mehr geht als um die Reform der Länderkammer. Das Ziel ist die Koordinierung der Positionen der einzelnen Länder als Voraussetzung für eine wirkungsvolle, effiziente Mitwirkung der Bundesländer an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat. Das Ziel ist eine Neuausrichtung, eine Wei­terentwicklung des Föderalismus in Österreich.

Ich darf dir, Herr Landeshauptmann, sehr herzlich für diese Vorarbeiten danken und dir das Wort für deine Erklärung erteilen. – Bitte sehr.

10.27.37Erklärung des Landeshauptmannes von Tirol zum Thema
„Aktuelle Themen und Herausforderungen aus der Sicht der Länder“

 


10.27.44

Landeshauptmann von Tirol Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich wieder einmal hier im Bundesrat sein darf. Ich habe früher öfters Gelegenheit dazu gehabt und kenne noch sehr viele Gesichter hier. Heute bin ich natürlich in einer ganz anderen Funktion hier, nämlich als Landeshauptmann von Tirol, jenes Landes, das derzeit den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz innehat.

Der Bundesrat hat vor Kurzem eine Enquete betreffend den ländlichen Raum abge­halten. Leider war es mir nicht möglich, dabei zu sein, ich möchte aber jetzt die Wich­tigkeit dieser Enquete zum Ausdruck bringen, denn das Thema ländlicher Raum be­schäftigt nicht nur die gesamte Republik Österreich, sondern auch das Bundesland Ti­rol.

Eines muss man schon in aller Deutlichkeit sagen: Wir haben alle die Aufgabe, Rah­menbedingungen zu schaffen, damit die ländlichen Räume weiterhin besiedelt bleiben. Wir brauchen starke Städte, aber auch blühende Täler, Orte und Weiler. Es geht letzt­lich auch darum, dass junge Leute eine Zukunftsperspektive haben.

Wenn man über die ländlichen Räume redet, dann muss man sagen, die Täler, Orte und Talschaften sind die Äste und Zweige eines Baumes, und der Stamm sind die Zen­tren, und insbesondere an der Kraft der Äste und Zweige erkennt man, wie gesund der Baum ist. Deshalb wünsche ich mir natürlich blühende Bäume im Sinne der Täler, Orte


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und Weiler, damit die Weiterentwicklung in den Tälern, Orten und Weilern weiterhin ge­geben ist.

Das sind sehr blumige Worte, die ich jetzt gesagt habe. Diesen Worten müssen natür­lich Taten folgen, und Taten folgen – und da bin ich sehr eng in Abstimmung mit dem Präsidenten des Bundesrates – erstens in die Richtung Breitbandoffensive. So, wie frü­her Autobahnen gebaut wurden, ist es jetzt notwendig, dass wir rasche Datenverbin­dungen haben, damit die Kommunikation funktioniert. Es darf keine Rolle spielen, ob man im ländlichen Bereich oder in der Stadt zu Hause ist.

Zweitens: Der Ausbau des öffentlichen Personen- und Nahverkehrs ist weiterhin drin­gendst notwendig, um einfach auch den Leuten in den Tälern dieses Angebot zu legen.

Des Weiteren: Bildungsangebote, bedarfsgerechte Kinderbetreuung und letztlich auch Kulturangebote und eine aktive Regionalpolitik.

Ich rede von der Gleichwertigkeit von Stadt und Land. Gleichwertige Rahmenbedin­gungen, gleichwertige Lebenschancen und gleichwertige Lebensqualität – ganz gleich, ob das die Stadt betrifft oder die Länder.

Wenn man von Gleichwertigkeit spricht, so geht es nicht nur um das Verhältnis Stadt : Land, sondern auch um Gleichwertigkeit zwischen Bund und Ländern. Da spre­che ich den Föderalismus an, ich kann zu 100 Prozent ein Bekenntnis für den Födera­lismus abgeben. Es ist dringendst notwendig, dass in den Ländern, in den Gemeinden Selbstverantwortung übernommen und auch selbst entschieden wird. Und wenn man über Föderalismus spricht, dann muss man auch dazusagen: Aufgaben, die in den klei­neren Einheiten nicht bewältigt werden können, müssen nach oben delegiert werden. Das ist auch notwendig. Deshalb habe ich, als ich die Vorsitzführung in der Landes­hauptleutekonferenz übernommen habe, gesagt, das Thema muss sein: maximale Effi­zienz und maximale Bürgernähe.

Man hört immer wieder in Diskussionen, die Länder seien die Blockierer. – Das stimmt letztendlich nicht! Ich darf nur einige Maßnahmen aufzählen:

Den Stabilitätspakt haben wir gemeinsam mit Unterstützung der Länder in eine positive Richtung gebracht.

In Bezug auf die Landesverwaltungsgerichte haben wir in Tirol im Landtag schon die Rahmenbedingungen beschlossen, damit alles umgesetzt werden kann. Das ist ein kompletter Umbau der gesamten Landesverwaltung im Land Tirol und nun auch in an­deren Bundesländern. Diese Reformbereitschaft ist in hohem Maße gegeben.

Ich erwähne auch den Pflegefonds bis hin zur Neustrukturierung der Sicherheitsbe­hörden, was für mich als ehemaligen Innenminister wirklich auch eine sehr positive Entwicklung darstellt.

Daran erkennt man, wie gerne die Länder bereit sind, vernünftige Reformen mit einzu­gehen. Wer also angesichts dieser verschiedenen Reformen von Stillstand spricht, der weiß nicht – wie auch der Herr Wissenschaftsminister schon gesagt hat –, wovon er spricht.

Der nächste Schritt ist die Gesundheitsreform. Wir haben in den letzten Monaten und Wochen intensivst darüber verhandelt. Es geht im Kernbereich um zwei Dinge, nämlich zum einen darum, dass eine effiziente gemeinsame Zielsteuerung stattfindet, damit So­zialversicherung, Bund und Länder in einem Boot sind, sowohl was den niedergelas­senen Bereich als auch was den stationären Bereich betrifft. Wir sind schon sehr weit, derzeit laufen noch Verhandlungen, die Gesundheitsreferenten werden noch einmal ta­gen, damit wir letztlich die inhaltlichen Bereiche zustande bringen.

Zum anderen geht es um die Kostendämpfung. Ich betone ausdrücklich Kostendämp­fung, denn fälschlich wird das immer wieder so dargestellt, dass Kosteneinsparungen


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stattfinden, und das ist völlig falsch. Wir müssen nur die ständigen Steigerungen, die anfallen, auf 3,6 Prozent Steigerung jährlich dämpfen. Es wird sehr viel machbar sein im Bereich der Gesundheit in den einzelnen Bundesländern, aber damit wir diesen ho­hen Versorgungsgrad weiterhin langfristig garantieren können, braucht es einen Kos­tendämpfungspfad.

Wir haben mit den Finanzreferenten und letztlich bei der Landeshauptleutekonferenz – hoch oben auf der Zugspitze, auf knapp 3 000 Meter – einhellig einen Kostendämp­fungspfad beschlossen, wonach die Bundesländer 2 058 000 000 € an Kostendämp­fung zu übernehmen haben. Wir haben den Aufteilungsschlüssel schon vorgenommen und auch Konsens erreichen können.

Deshalb ist es Zielsetzung, dass wir jetzt noch die weitergehenden Verhandlungen füh­ren, um am 19. Dezember zu einer 15a-Vereinbarung zu kommen. Ich bin sehr gerne bereit, noch eine außerordentliche Landeshauptleutekonferenz einzuberufen, damit wir diese Thematik „Gesundheitsreform“ über die Bühne bringen.

Nächster Punkt, der uns beschäftigt, ist die Frage der Bildung. Wir haben bei der letz­ten Landeshauptleutekonferenz auf der Zugspitze ein zwar kleines Paket – es ist nicht groß –, aber eines mit Auswirkungen beschlossen. Es geht einerseits darum, dass Di­rektoren die Möglichkeit haben, mehrere Schulen zu verwalten, denn das macht durch­aus Sinn. Und andererseits haben wir beschlossen, dass die Bezirksschulräte abge­schafft werden sollen. Das ist eine nicht notwendige Verwaltung und darüber hinaus ein Prozess, der nur in die Länge ziehend ist. Das wurde letztlich auch von der Bun­desregierung als ein richtiger Schritt gesehen.

Ich gebe zu, dass ich mich momentan sehr mit der Frage Bildung auseinandersetze und es dazu natürlich unterschiedliche Meinungen gibt, aber ich glaube, dass es Sinn macht, darüber zu diskutieren, welcher der beste Weg ist im Zusammenhang mit der gemeinsamen Schule, und zwar nicht nach dem Modell Gesamtschule und Einheits­brei, wie das manche meinen, sondern eine gemeinsame Schule für 10- bis 14-Jährige mit einer ganz eindeutigen Differenzierung in der Schule, indem man Schülerinnen und Schüler, die wirklich viele Fähigkeiten haben, individuell fördert und anderen, die weni­ger Fähigkeiten haben, zusätzliche Unterstützung gewährt.

Es ist natürlich so, dass wir diese Debatte gerade im Bundesland Tirol so führen, weil es in Südtirol seit 30 Jahren ein gutes Modell der gemeinsamen Schule gibt. Dort funk­tioniert das auch nicht als Einheitsbrei, sondern indem man ganz genau, individuell auf die Schülerinnen und Schülern schaut und sie entsprechend unterstützt.

Nächster Punkt: Ganztagsschule. Ich werde heute mit Frau Bundesministerin Schmied noch ein Gespräch zu führen haben. Die Länderposition ist eindeutig. Wir wollen die­sen Weg der Ganztagsschule gehen, aber unter zwei Bedingungen. Die erste ist natür­lich – und das, glaube ich, interessiert die Ländervertreter schon –, dass der Bund das Geld zur Verfügung stellen muss, das ist ja vollkommen klar, und die zweite ist, dass sichergestellt ist, dass sie nicht verpflichtend ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Zangerl.)

Deshalb gibt es auch diese zwei Modelle: Einerseits gibt es die klassische Ganztags­schule mit der Verschränkung Freizeit/Unterricht, und andererseits brauchen wir die Nachmittagsbetreuung, aber es darf niemals der Fall sein, dass sie verpflichtend ist. Es darf nicht sein, dass Kinder verpflichtet werden, wenn Elternteile zu Hause sind, am Nachmittag in der Schule zu sein. Das kann es nicht sein! Deshalb müssen wir hier ei­nen Weg gehen, der sehr flexibel und bedarfsgerecht ist.

Darüber hinaus soll es auch ermöglicht werden – wenn es in Anspruch genommen wird –, dass die Schülerinnen und Schüler, die in Vereinen tätig sind, diesen Aktivitäten im Rahmen der Nachmittagsbetreuung nachkommen können.


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Ich glaube, das ist letztlich ein Modell, gegen das eigentlich niemand sein kann. Ich werde heute versuchen, mit Frau Bundesministerin Schmied diesbezüglich einen Schritt weiterzukommen.

Nächster Punkt, den ich ganz kurz ansprechen will, weil das für mich sehr bedeutsam ist, ist das Volksbegehren am 20. Jänner 2013. Ich habe mit dieser Thematik schon ei­niges zu tun gehabt, auch in der Vergangenheit. Ich war vier Jahre lang Verteidigungs­minister, dann Innenminister, als der ich für den Zivildienst Verantwortung übernom­men habe, und ich kann dazu Folgendes sagen: Die Bundesheerreformkommission unter Helmut Zilk hat ein Reformpaket beschlossen, und es waren alle im Parlament vertretenen Parteien mit eingebunden. Es hat dann drei Modelle gegeben, die von die­ser Kommission bewertet wurden. Das erste Modell war das klassische Berufsheer, das zweite Modell war: Wehrpflicht mit einer großen Auslandskomponente, und das dritte Modell war: Wehrpflicht mit Inlands- und Auslandsaufgaben. Von der Bundes­heerreformkommission wurde dann einhellig – es waren alle vertreten – das dritte Mo­dell beschlossen: Wehrpflicht mit Inlands- und Auslandsaufgaben.

Ich kann nur eines sagen: Jetzt können wir hin und her diskutieren über Bundesheer ja oder nein, aber wir sind ein neutraler Staat und haben natürlich die Verantwortung für ein effizientes Bundesheer, für die klassische Landesverteidigung. Denken wir zurück an den Beginn der neunziger Jahre: Wie dankbar waren die Steirerinnen und Steirer für die Unterstützung durch das österreichische Bundesheer!

Seien wir froh, dass wir seit Jahrzehnten Frieden haben, aber dieser ist nicht selbstver­ständlich. Wir müssen weiterhin die Garantie haben, dass ein effizientes österreichi­sches Bundesheer zur Verfügung steht, und deshalb stelle ich an die erste Stelle, was die Wehrpflicht betrifft, die Landesverteidigung.

Das Zweite sind die Assistenzeinsätze. Und machen wir uns nichts vor: Wir leben in einem schönen Land, aber es kommt immer wieder zu Naturkatastrophen. Ich denke etwa an das Jahr 2002: Im Jahr 2002 waren 13 000 Grundwehrdiener im Einsatz! Und man muss das so sehen: Wenn es zu einer solchen Katastrophe kommt, haben wir Gott sei Dank Blaulichtorganisationen – Feuerwehr, Rettungsdienst, Wasserwacht, Wasserrettung, Bergrettung et cetera –, die sofort zur Stelle sind, wenn irgendetwas passiert. Es wird hier sensationelle Arbeit geleistet, aber die Leute müssen nach drei, vier Tagen wieder arbeiten gehen. Und wenn so eine Unterstützung über Wochen hin­durch erfolgen muss, wie es im Jahr 2002 der Fall war, brauchen wir die Grundwehr­diener dazu, sonst können wir für die Bevölkerung dieses Service nicht mehr leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

Und noch ein zweites Beispiel: Ich war im Sommer 2005 als Verteidigungsminister in Afghanistan und habe dort einen Anruf erhalten, dass es eine große Katastrophe in Tirol und Vorarlberg gegeben hat. Und auch da sind wieder alle Blaulichtorganisatio­nen zur Verfügung gestanden. Manche Menschen haben damals sozusagen ihre gan­ze Heimat verloren, und es war wirklich schrecklich, wie das Land ausgeschaut hat. Damals sind allein in Tirol 3 500 Grundwehrdiener zur Verfügung gestanden – was dann letztlich nicht mehr der Fall wäre. Geben wir doch nicht auf dem Altar des Popu­lismus alles preis! Tun wir das, was wir damals im Rahmen der Bundesheerreform­kommission unter Helmut Zilk beschlossen haben (Beifall bei ÖVP und FPÖ), statt plötzlich eine solche Kehrtwendung zu machen!

Und der letzte Punkt, der damit natürlich verbunden ist: Zivildienst. Allein in Tirol haben wir 1 400 Zivildiener. Und sagen wir es auch ganz ehrlich: Wer würde diese Leistungen erbringen im Pflegebereich, im Gesundheitsbereich, im Rettungswesen? Ich bin der Meinung, dass es unanständig ist, jungen Leuten Geld anzubieten, und daneben sind Freiwillige nach der Arbeit unterwegs (Bundesrat Stadler: Das gibt es jetzt auch schon,


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Herr Landeshauptmann!) – das hört man nicht so gern –, die letztlich eine Unterschied­lichkeit darstellen, was natürlich falsch ist.

Und vergessen Sie eines nicht: Gerade durch die Zivildiener haben wir eine Rekrutie­rung von Leuten, die dann weiterhin freiwillig tätig sind. Vergessen wir das niemals: Die meisten sind freiwillig tätig.

Und deshalb: Wenn man von Modellen spricht, ist für mich entscheidend, dass wir ei­nerseits den jungen Leuten die Möglichkeit geben, sich als Soldat auszubilden, und zum Zweiten, dass sie im Bereich Katastropheneinsätze perfekt ausgebildet werden für eine spätere Rekrutierung für Feuerwehren et cetera, und im Zivildienst dann auch für eine spätere Rekrutierung im Freiwilligenbereich der verschiedenen Einrichtungen im Bereich Pflege und Gesundheit.

Das ist meine Position. Diese ist unverrückbar, und ich werde sie auch in der nächsten Zeit noch deutlich machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Punkt: Bundesratsreform. – Herr Präsident! Die Forderung nach einer Bundes­ratsreform ist eigentlich so alt wie der Bart vom Andreas Hofer. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Aber jetzt ist endlich etwas weitergegangen. Jetzt ist etwas weitergegangen, wo­für ich sehr dankbar bin, Herr Präsident, auch den Landtagspräsidenten dankbar bin, denn eines ist klar, damit das von vornherein hier gesagt ist: Wir brauchen eine zweite Kammer, unbestritten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)

Wo wären wir denn, wenn die Bundesländer die zweiter Kammer aufgeben?! Es ist völlig falsch, wenn man andere Meinungen vertritt. Aber: Es braucht eine Aufwertung des Bundesrates, darüber sind wir uns auch alle einig, und da müssen wir darum kämpfen, dass wir jetzt mit der Bundesregierung etwas zustande bringen. Mir ist das schon klar, denn ich bin auf der anderen Seite auch gesessen: Da hat man keine be­sondere Freude, wenn zu viel dreingeredet wird. Es ist so! Aber wir Länder, wir Föde­ralisten haben den Auftrag, zu schauen, dass hier auch der Bundesrat mehr Gewicht bekommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bedanke mich. – Und so haben wir dieses Modell – Herr Präsident des Bundesra­tes, du warst ja bei diesem Tagesordnungspunkt ebenfalls anwesend – hoch oben auf der Zugspitze mit dem notwendigen Weitblick, der am Gipfel immer gegeben ist, letzt­lich einhellig befürwortet, alle Landeshauptleute, dass ein verstärktes Mitwirkungsrecht des Bundesrates gegeben ist, dass das Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Ver­fassungsänderungen gegeben sein soll, und auch die Einrichtung eines funktionsfä­higen Vermittlungsverfahrens, damit schon vor der Gesetzwerdung der Bundesrat mit eingebunden wird, damit hier die Interessen der Länder noch deutlicher durch den Bundesrat vertreten sind.

Deshalb darf ich mich bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken für die Arbeit im Inter­esse der Bundesländer, ich wünsche Ihnen allen eine gute Zukunft! (Allgemeiner Bei­fall.)

10.47


Präsident Georg Keuschnigg: Herzlichen Dank, Herr Landeshauptmann, für deine Ausführungen.

Wir treten nun in die Debatte ein. Die Redezeiten sind mit 10 Minuten begrenzt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


10.47.36

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Landes­hauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Verehrte Zuseher an den Fernsehgeräten! Einen Vorwurf, glaube ich, kann man Ihnen, Herr Landeshaupt-


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mann, nicht machen: dass Sie um die aktuellen und heißen Themen, die die Republik derzeit bewegen, einen Bogen gemacht haben. Sie haben die wichtigsten Themen, die uns beschäftigen, angesprochen und haben auch Lösungsansätze gezeigt, wie sich das Zusammenwirken der Länder mit dem Bund zu einem sinnvollen Ganzen für die Bürgerinnen und Bürger dieses Staates weiterentwickeln kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Heute ist ein „Tirol-Tag“ im Bundesrat, in der Länderkammer. Zuerst war Minister Töch­terle hier bei der Aktuellen Stunde, jetzt ist der Landeshauptmann von Tirol bei uns, und das unter der Präsidentschaft des Tiroler Bundesratspräsidenten Keuschnigg. Und „Tiroler-Tage“ in der Länderkammer waren immer gute Tage für Österreich. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Stadler: Na klatscht doch!) – Ist erlaubt! (Bundes­rat Stadler: Aber überragend war der Applaus nicht!) Man soll auch positive Dinge nennen und nicht nur immer Kritik üben, wenn es um gute Impulse für unser Land geht.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Man merkt sowohl im Vorsitz der Landes­hauptleutekonferenz als auch bei der Präsidentschaft des Bundesrates, dass diese aus einem Guss ist, dass hier ein Zusammenwirken für gute Lösungen erfolgt. Das merken wir auch an den Ergebnissen der letzten Monate. Einige, Herr Landeshauptmann, hast du schon erwähnt: Gesundheitsreform, Sicherheitsreform, Landesverwaltungsgerich­te. – Alles Themen, die beweisen, dass die Bundesländer keine Reformblockierer sind, sondern dass die Bundesländer sehr gut und eng zusammenwirken und wissen, wo Reformbedarf ist und wie man die Probleme für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch lösen kann.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Landeshauptmann! Ich bin dankbar dafür, dass in Ihrem Statement auch die Reform des Bundesrates aufgegriffen wurde. Mitverantwortung und Föderalismus sind gleichbedeutend. Föderalismus heißt Mitver­antwortung an dem gemeinsamen Ganzen, an der Gesetzwerdung – zum Wohl unse­rer Bürgerinnen und Bürger. Und es heißt auch, regionale Verantwortung wahrzuneh­men, regionale Verantwortung in verschiedensten Bereichen.

Die Schulverwaltung ist schon genannt worden. Ich habe mit großem Interesse regis­triert, dass zum Beispiel bei der Vorarlberger Landesverwaltung ein Beamter für 280 Bürgerinnen und Bürger zuständig ist. Bei der Bundesverwaltung, im Schulbereich ist ein Beamter nur für 125 Lehrer und Lehrerinnen verantwortlich. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, dass Landesverwaltung sehr effizient und ökonomisch auch für die Bür­gerinnen und Bürger gestaltet werden kann.

Das Ehrenamt ist schon erwähnt worden, die Ehrenamtlichkeit, die natürlich von der Länderebene wesentlich besser gesteuert und organisiert werden kann, weil sich die Ehrenamtlichen mit den Ländern viel mehr identifizieren und einen größeren Impetus, einen größeren Ehrgeiz haben, sich ehrenamtlich für etwas einzusetzen.

Man könnte das erweitern auf die Energieversorgung, denn wenn wir heute von der eu­ropaweiten Energieversorgung sprechen, wissen wir auch, dass dezentrale Energie­versorgung wesentlich besser ist als zentrale Lösungen, die im Katastrophenfall emp­findlicher sind. Energielösungen im Landesbereich, in der kleinen Einheit sind besser und zukunftsorientierter. Und ich kann natürlich auch aus dem Bereich der Wirtschaft Beispiele nennen, wo sich Föderalismus besser auswirkt, im Betriebsansiedlungsma­nagement, wo die Regionen ihre Stärken wesentlich besser ausspielen können und durch regionale Wirtschaftsförderung auch für Arbeit und Wirtschaft mehr für die Be­völkerung leisten können.

Herr Landeshauptmann, ich bin sehr dankbar dafür, dass auch das Thema Bundes­ratsreform einen wesentlichen Platz in deinem Statement eingenommen hat. Die De­batte über den Bundesrat ist eine fast endlose. Seit es den Bundesrat gibt, wird an ihm herumgenörgelt, herumkritisiert, und vor allem jene, die von Staatsreform und Ver-


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waltungsreform eigentlich wenig Tau haben, haben nur eine Antwort, wenn sie schon sonst nicht wissen: Der Bundesrat gehört abgeschafft!

Das ist nicht unsere Linie. Ich danke deshalb für das Bekenntnis zur Länderkammer. Die Bundesländer müssen auf Augenhöhe an der Bundesgesetzgebung beteiligt sein und daran mitwirken. Das verlangen wir, und wir danken dafür, dass das heute wieder klar ausgesprochen wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, was die Reform des Bundesrates angeht. Erst­mals in der Geschichte der Zweiten Republik haben wir ein akkordiertes, ein abge­stimmtes Konzept nicht nur der Landtagspräsidenten, sondern auch der Landeshaupt­leute aller neun Bundesländer. Diese haben sich zu einem Vorschlag bekannt, haben sich auf ein Konzept geeinigt, und jetzt geht es darum, alle Anstrengungen zu unter­nehmen, dieses Konzept auch entsprechend umzusetzen.

Wichtige Punkte dieses Konzeptes sind:

das verstärkte Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei Bundesgesetzen, die elementare Interesse der Bundesländer berühren,

ein allgemeines Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Verfassungsänderungen,

eine frühzeitige Befassung des Bundesrates bei der Gesetzwerdung, und nicht erst post festum. Das dient den Bürgern nicht. Wir wollen im Vorhinein in die Erstellung der Gesetze und in den Gesetzwerdungsprozess miteingebunden sein.

Dem Bundesrat sollte es schließlich auch möglich sein, redaktionelle Fehler eines Ge­setzesbeschlusses des Nationalrates zu korrigieren, ohne gleich den gesamten Pro­zess der Gesetzwerdung aufzuhalten, sondern technische Korrekturen, wenn es not­wendig ist, durchzuführen, um diese Gesetze dann auch optimal zu verabschieden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute, glaube ich, ein wichtiger Tag für den Bundesrat, das ist ein wichtiger Tag für die Länderkammer, das ist ein wichtiger Tag für einen starken Föderalismus in Österreich – nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck, die Ziele für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Republik noch besser, noch bürgernäher bewerkstelligen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.56


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile es ihm.

 


10.56.14

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann und Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn auch für die sozialdemokrati­sche Fraktion ganz allgemein zum Ausdruck bringen, dass es uns freut, wenn der am­tierende Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz in den Bundesrat kommt, und wir nehmen gerne die Gelegenheit wahr, gemeinsam auch in diesem Kreis eine Debatte zu den aktuellen politischen Themen, einerseits natürlich für die Bundesländer, aber andererseits auch für den Bund, durchzuführen.

Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Wenn Kollege Kneifel etwas überschwänglich be­gonnen hat mit der Aussage, dass „Tirol-Tage“ im Bundesrat immer besonders gute Tage für Österreich sind, dann, lieber Gottfried, muss ich noch einmal betonen, ist es doch etwas überschwänglich gemeint. Wir freuen uns natürlich auch, und das Bundes­land Tirol ist uns Steirern und der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion ein sehr liebgewordenes Bundesland, aber ich mache doch aufmerksam auf eine Sitzung, bei der auf Ihrem Sessel, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, der damalige Landes-


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hauptmann van Staa gesessen ist (Oh-Rufe bei der SPÖ), und das war zumindest für uns eine äußerst beachtliche ÖVP-Debatte und auch für den Bundesrat im Allgemei­nen eine sehr beachtliche Sitzung, an die wir uns auch heute noch gerne erinnern. (Bundesrat Kneifel: Jedenfalls für die Demokratie ein guter Tag!)

Ob das jetzt ein guter Tag für Österreich oder ein guter Tag für Tirol war, das ist eine politische Einschätzung (Bundesrat Kneifel: Für die Demokratie ein guter Tag!), die ich mir nicht überantworten möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben den Bogen aufgrund der aktuellen Entwicklungen sehr weit gespannt. Sie haben die ak­tuelle Debatte zum weiten Bereich der Landesverteidigungspolitik angesprochen. Ich möchte da vielleicht ein bisschen Emotion herausnehmen und sagen, da sind Anfang Jänner die Österreicherin und der Österreicher am Wort, und wir schauen einmal, wie sich die Ergebnisse Ende Jänner darstellen werden.

Aber Sie haben klarerweise auch, und da bin ich auch sehr froh darüber, mit einem in Nuancen anderen Zugang, die Themen im Bereich der Bildungspolitik, aber auch im Bereich der Gesundheitspolitik angesprochen. Ich möchte mir jetzt nicht anmaßen, das inhaltlich zu werten, aber ich freue mich, dass hier auch einem breiteren Rahmen jene Informationen zugänglich geworden sind, die das intensive Zusammenarbeiten der Landeshauptleute in den letzten Monaten auf diesem Gebiet doch deutlich zu Tage ge­bracht haben.

Sicherlich, jedes Bundesland, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat in unserem schönen Österreich seine eigenen Prioritäten, seine eigenen Aufgaben und seine eigenen politi­schen Schwerpunktfelder. Wenn Sie, Herr Landeshauptmann von Tirol, eine Breitband­initiative in den Raum gestellt haben, ist das nachvollziehbar.

Es ist auch kein Geheimnis, dass wir in der Steiermark – das werden wir bei einem an­deren Tagesordnungspunkt noch ein bisschen diskutieren – eine intensive Verwal­tungsreform mit den beiden Reformpartnern ÖVP und SPÖ im Moment auf die politi­sche Agenda gestellt haben, die im Bereich der Bezirksverwaltungen, aber auch im Be­reich der Gemeindeverwaltungsstrukturen wesentliche Veränderungen in den nächsten Monaten und Jahren bringen wird.

Damit auch ich in diesem Zusammenhang nicht falsch verstanden werde, heißt das na­türlich, dass jedes Bundesland seine eigenen Aufgaben primär zu Hause zu bewältigen hat. Das heißt im Bereich der Gemeindestrukturreform natürlich nicht, dass das eins zu eins auf andere Bundesländer umzulegen ist. Wir haben mit 546 Gemeinden in der Steiermark eine sehr inhomogene kleinstrukturierte Gemeindestruktur, die mit anderen Bundesländer meines Erachtens keinesfalls vergleichbar ist. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was das Ziel betrifft, sind wir wieder mit vielen Bundesländern gemein­sam. Unser Ziel in diesem Zusammenhang formuliert der steirische Landeshauptmann Franz Voves immer so: „Heimat rund um den Kirchturm erhalten.“

Mit der Enquete, die Sie angesprochen haben: Landflucht versus Städtewachstum be­deutet unter dem Strich natürlich, dass auch auf Landesebene möglichst jene sinnvol­len Strukturen auf die Reise geschickt werden, die es sowohl den Städten, aber auch dem ländlichen Raum und den Kleinst- und Kleingemeinden auf Zeit ermöglichen, für die Bürgerinnen und Bürger ein attraktives Angebot zu erhalten. Diesbezüglich bedeu­tet die bevorstehende Gemeindestrukturreform zum Beispiel für die Steiermark natür­lich maßgebliche Herausforderungen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sie haben das politische Ziel maximale Effi­zienz in den Raum gestellt. Ich freue mich auch über diesen bestehenden Grundkon­sens. In Verbindung mit der von Ihnen angesprochenen Debatte um die Länderkam­mer darf ich für unsere Fraktion auch ein Kompliment dafür aussprechen, dass Sie ein


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deutliches Zeichen hinsichtlich der grundsätzlichen Überlegung zur Länderkammer ab­gegeben haben. Das Kompliment spreche ich deshalb aus, weil ja gerade Sie im Zuge Ihrer politischen Tätigkeit unglaublich tolle Erfahrungen mit dem Bundesrat hatten. Sie haben auf der einen Seite als Mitglied der Obersten Organe der Vollziehung nicht im­mer die angenehmsten Erfahrungen mit dem Landesverteidigungsausschuss des Bun­desrates gemacht. Heute von Ihnen zu hören, dass es da ein grundsätzliches Bekennt­nis gibt, obwohl man nicht immer die angenehmsten Erfahrungen hatte, ist eine be­achtliche Ansage. Insofern möchte ich Ihnen gerne ein Kompliment aussprechen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Uns eint auch die grundsätzliche Überlegung, dass man sich diese Strukturverwaltungsreform nicht leicht machen sollte. Es ist zu einfach und zu kurz gedacht, zu sagen: Da drehen wir an einem kleinen Schrauberl und dann wird die Nummer schon passen. Ich glaube, dass man sich rechtzeitig die Mühe machen sollte, dass diese schon bei der Landtagspräsidentenkonferenz aber auch bei der Landeshauptleutekonferenz dargelegten Einigungen eine Basis für einen inhaltlichen Zugang darstellen.

Ich verwende jetzt nicht die Formulierung: Papier ist geduldig. Ich bin aber der Mei­nung, dass diese Punkte in eine möglichst große Gesamtreform – ohne dass der Ruck­sack zu groß wird – eingearbeitet werden sollen. Es haben sich nachvollziehbarerwei­se die Aufgaben im Bereich der nationalen Gesetzgebung vor dem Hintergrund der eu­ropäischen Entwicklung deutlich verändert. Das bedeutet, dass wir sowohl im National­rat als auch im Bundesrat mit neuen Herausforderungen und neuen Aufgaben konfron­tiert sind.

Ich möchte an dieser Stelle die sich jetzt langsam gut entwickelnde Arbeit des EU-Aus­schusses des Bundesrates mit den Landtagsklubs hervorheben. Das ist eine völlig neue Herausforderung, auch für den Bundesrat. Ich bin aber der Meinung, dass wir auch kritisch beleuchten sollten, in welchen Bereichen wir noch ausschließliche natio­nale Gesetzgebungskompetenz unabhängig von europäischen Entwicklungen haben und in welchen Bereichen die Kontrolle der Vollziehung eigentlich für die gesetzgeben­den Körperschaften zugenommen hat. Dies alles in Einklang zu bringen ist aus meiner Sicht möglich, wenn man die Arbeit rechtzeitig ernsthaft gemeinsam beginnt. Es ist aber auch klar – ohne einen allzu passiven Zugang zu wählen –, dass dies letztlich wohl in eine neue Legislaturperiode auf Bundesebene Eingang finden wird.

Ich hoffe, dass wir in diesem Zusammenhang einige Punkte nochmals hervorheben konnten. Ich freue mich auch, dass jetzt einmal Konsens in der Landtagspräsidenten­konferenz und in der Landeshauptleutekonferenz zu diesem Thema vorliegt. Auf dieser Basis bin ich sehr optimistisch, dass es bei einem gemeinsamen politischen Willen auch zu einer vernünftigen, gut überlegten inhaltlichen Weiterentwicklung kommen kann. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.06


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.06.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Ich spreche hier namens der Freiheitlichen als Wienerin, daher kann ich sagen: Wien grüßt Tirol! (Landeshauptmann Platter: Danke!) Wie schon Kollege Kneifel ge­sagt hat, haben Sie heute zu sehr aktuellen Themen Stellung genommen.

Um an Kollegen Klug anzuschließen: Die Tatsache, dass im Jänner das Volk zur Wehrpflicht befragt wird, bedeutet ja nicht, dass man als Landeshauptmann dazu keine Meinung haben und sie nicht öffentlich äußern darf. Wir sind uns bei dem Thema auch


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im Wesentlichen einig, unsere Einschätzungen und unsere Stellungnahmen zur Beibe­haltung der allgemeinen Wehrpflicht sind durchaus sehr ähnlich.

Etwas anders schaut es bei der gemeinsamen Schule aus. Wir lehnen diese gemein­same Schule ja strikt ab – auch, weil wir es für ein ideologisches Manifest der SPÖ und der Grünen halten. Uns konnte bis jetzt noch nie bewiesen werden, dass das tatsäch­lich zum Vorteil der Schüler ist, und dass all jene Unterschiede und Schwachstellen, die wir jetzt orten, damit plötzlich weg sind. Was Sie gesagt haben und was Ihnen vor­schwebt, ist ja ein interessanter Ansatz. Diese Art additive gemeinsame Schule hätte ja durchaus etwas, ich bleibe aber auf meinem Standpunkt.

Ich spreche ja hier immer zur Bildung, und es ist mir auch ein Anliegen. Diese indi­viduelle Förderung der Schüler kann man auch im bestehenden System machen. Es gibt genügend Fachleute, die sagen – und ich sehe das auch so –: An der Organisation liegt es nicht. Es liegt an anderen Dingen, und die muss man angehen. Es wäre wirk­lich an der Zeit, von diesem Rahmen wegzugehen und zu sagen: Diskutieren wir jetzt nicht, ob es eine gemeinsame Schule geben muss oder nicht, sondern stürzen wir uns auf die Inhalte. Das scheint mir wesentlicher zu sein.

Auch ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass es erstmals möglich war, dass eine einheitliche Stellungnahme zum Thema Bundesrat nicht nur der Landeshauptleute – da sind auch immer ein paar ausgeschert, das kennen wir ja –, sondern auch der Land­tagspräsidenten zustande gekommen ist. Ich halte das wirklich für einen positiven Schritt, jetzt müssen wir ihn mit Leben erfüllen. Ich hoffe, dass das bald und auch in ei­ner wirklich guten Form für die Länderkammer geschieht.

Ich habe aber noch ein Thema, das auch aktuell ist und noch nicht angeschnitten wor­den ist, und das ist Südtirol. Es ist durchaus Aktualität gegeben: Die Regierung Monti in Italien höhlt die Autonomiebestimmungen der Südtiroler aus, es gibt immerhin 13 Verfassungsklagen dazu. Sie beschneidet die finanzielle Situation Südtirols, hält sich nicht an die Autonomiebestimmung, dass 90 Prozent des erwirtschafteten Budgets der Südtiroler wieder an diese zurückfließen müssen. Dann kommt natürlich noch die eine oder andere Aussage dazu. Monti hat etwa gesagt, die Schutzfunktion Österreichs sei einfach nicht mehr aktuell, man brauche sie nicht mehr.

Das sind alles Dinge, die bei vielen Menschen durchaus Bedenken ausgelöst haben – nicht nur bei uns Freiheitlichen, wir haben das auch bei der Südtiroler Volkspartei ge­sehen.

Es gibt noch einen bedenklichen Aspekt dabei, den jetzt erst Herr Professor DDr. Mat­scher von der Uni Salzburg vorgebracht hat, nämlich die internationale Absicherung. Nur wenige Autonomiebestimmungen der Südtiroler sind auch beim Internationalen Gerichtshof einklagbar. Natürlich gibt es unter Ableitung aus dem Pariser Vertrag von 1946 dann kaum eine Möglichkeit, international tätig zu werden. Die Verfassungskla­gen sind ja alle in Rom beim Verfassungsgericht anhängig. Es wäre schon auch wich­tig, darüber nachzudenken, wie man den internationalen Aspekt zugunsten Südtirols ausweiten kann.

Daher meinen wir, dass Österreich sehr wohl als Schutzmacht Südtirols weiterhin ge­fordert ist. Die Aussagen Montis kann man nicht so verharmlosen, wie das einige getan haben, die gesagt haben: Vielleicht hat er einen Versuchsballon steigen lassen und vielleicht hat er es gar nicht so gemeint. Ich glaube, das sollten wir sehr ernst nehmen, denn Italien ist dabei, sich eine neue Verfassung zu geben. Das ist jetzt erst in Dis­kussion. Aber gerade im Falle Südtirols gegenüber Italien kann man nur sagen: Wehret den Anfängen! Aufpassen ist wirklich gefordert. Das sehen ja auch die Vertreter der Südtiroler Volkspartei durchaus so.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 39

Was mich wirklich traurig macht, ist, dass sich immer erst die Südtiroler an Österreich wenden müssen. In der ganzen Debatte haben wir weder vom Außenminister Spindel­egger noch, ehrlich gesagt, von Ihnen, Herr Landeshauptmann, etwas gehört. (Bun­desrat Kneifel: Aber schon! – Zwischenbemerkung von Landeshauptmann Platter.) – Wenn das nicht stimmt, dann nehme ich es zurück. Mir ist bis jetzt nichts bekannt, dass wirklich dezidiert etwas gesagt worden wäre.

Aber Tatsache ist, dass sich wieder einmal Landeshauptmann Durnwalder an Öster­reich gewandt hat. Landesrat Theiner hat sich auch an Österreich gewandt und Abge­ordneter DDr. Zeller an den österreichischen Botschafter. In jedem Fall war das Thema die Bitte um Unterstützung Österreichs und um Ausübung seiner Schutzmachtfunktion.

Ich halte das auch wirklich für ganz wichtig. Daher stellen sich jetzt auch für uns Frei­heitliche in dieser Debatte ein paar Fragen: Warum haben Sie sich angesichts dieses Herunterfahrens der Autonomie – zumindest nach unserer Kenntnis – nicht mit Lan­deshauptmann Durnwalder ins Einvernehmen gesetzt und eine akkordierte Position vereinbart? Wäre es nicht vielleicht doch gut, die aufgelassene Südtirolabteilung in der Tiroler Landesregierung wieder mit Leben zu erfüllen oder überhaupt zum Leben zu erwecken? – Sie ist ja abgeschafft worden, das ist jetzt eine EU-Abteilung. Wir glauben nicht, dass Südtirol allein damit geholfen ist, dass man sagt, es ist jetzt eh alles EU und das kann durchaus da untergebracht werden.

Wir fragen uns auch, ob Sie sich vorstellen können, wieder laufend Südtirolkonferen­zen einzuberufen, wie sie auch einmal üblich waren, wo Fachexperten und Vertreter des Bundes, aber auch der Opposition dabei waren. Wir glauben, dass man diesen Dialog durchaus wieder aufgreifen und mit Leben erfüllen könnte, denn es ist eben nicht so, dass diese Geschichte Südtirol gegessen ist, eh alles auf Schiene ist, und dass man sich nicht weiter darum zu kümmern braucht.

Daher würde ich an Sie, Herr Landeshauptmann, appellieren, aber auch an den Herrn Außenminister und an die Vertreter des Bundes, bei Südtirol ganz besonders aufzu­passen und diese Schutzmachtfunktion Österreichs beizubehalten und vor allem da­rauf zu achten, dass sie auch angewandt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

11.14


Präsident Georg Keuschnigg: Da es keine abschließende Erklärung des Landes­hauptmannes gibt, darf ich bei dieser Gelegenheit als Präsident  (Landeshauptmann Platter: Doch!) – Entschuldigung, bitte, Korrektur. Ich ziehe das zurück.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.15.02

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Lan­deshauptmann! Schön, dass Sie da sind! Es ist schon eine schöne Tradition – bei mir ist es erst das dritte Mal, denn ich bin erst seit einem Jahr hier im Haus –, dass die Landeshauptmenschen zu uns in den Bundesrat kommen. (Ruf bei der ÖVP: „Landes­hauptmenschen“?! Landeshauptleute!) – Ja, Frauen und Männer. Man darf doch „Men­schen“ sagen, oder?

Nur eine kleine Anmerkung zu meiner Vorrednerin: Ich finde Minderheitenpolitik ganz wichtig – egal, wo auf der Welt, auch in Italien. Aber ich würde mir wünschen, dass sich die FPÖ so sehr, zum Beispiel in Kärnten für die Slowenen und Sloweninnen ein­setzen würde, wie Sie es derzeit für die Südtirolerinnen und Südtiroler in Italien ma­chen. (Ruf bei der FPÖ: Für die Deutschen in Slowenien!) Das sei nur eine kleine An­merkung, dass ich mir das wirklich wünschen würde.

Jetzt zu den inhaltlichen Themen, die Sie angeschnitten haben, Herr Landeshaupt­mann: Ich bin auch aus Wien, also so gesehen kann ich mich den Wünschen von Frau


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 40

Mühlwerth anschließen. Ich fahre auch sehr gerne nach Tirol. Heute habe ich zufällig auch einen Tiroler Kugelschreiber mit. (Der Redner zeigt einen Kugelschreiber.) Der wird Ihnen weniger gefallen, er ist von Frau Christine Oppitz-Plörer, die ja Bürgermeis­terin von Innsbruck ist. Sie führt eine tolle Regierung in Innsbruck in einer tollen Koa­lition. (Ruf bei der ÖVP: Da kriegst nachher einen ÖVP-Kuli von mir!) – Okay. Dann kriege ich also auch einen ÖVP-Kugelschreiber, ich gebe dir auch einen von den Grü­nen. Sehr schön.

Aber jetzt im Ernst: Ich finde, Sie haben eines der ganz wichtigen Themen der Zukunft angesprochen – nicht nur für Österreich, denn eigentlich ist das ein globales Thema –, nämlich die Frage der Ausdünnung des ländlichen Raumes und die immer größer wer­denden Metropolen. Es gibt nicht wenige Zukunftsforscher und -forscherinnen. Das ist eine ganz interessante Entwicklung, die denken ja oft über Jahrzehnte. Sie sagen, der Nationalstaat wird in Zukunft nicht mehr so eine starke Bedeutung haben, globale Ver­netzungen werden immer stärkere Bedeutung haben und vor allem die großen Metro­polen dieser Welt werden die wahre Macht, global gesehen, werden.

Gleichzeitig haben die Metropolen – und jetzt kann ich als Wiener reden – natürlich auch ein Riesenproblem. Man bedenke, dass Wien bis ungefähr 2035, 2040 um die Einwohnerzahl von Graz wächst. Die Einwohnerzahl von Graz kommt in den nächsten Jahrzehnten nach Wien und wird hier leben. Man bedenke, was das auch für eine Kommune wie Wien bedeutet: Man muss neue Stadtviertel bauen, diese Stadtviertel brauchen Kanalisation, brauchen öffentliche Verkehrsmittel, brauchen Kindergärten, brauchen Schulen, die brauchen, die brauchen, die brauchen. Das ist ein unglaublicher Aufwand. Da ist es auch aus Sicht der Metropolen wichtig, darüber nachzudenken: Wie bewerkstelligen wir das, wie finanzieren wir das, wie organisieren wir das?

Als Sie mit ländlicher Ausdünnung angefangen haben, habe ich sofort Breitbandoffen­sive geschrien. In dem Augenblick sagten Sie es auch, worüber ich froh bin, denn die Breitbandoffensive ist sicher eines der ganz wesentlichen Momente, wie wir auch im ländlichen Raum Bedingungen – auch Arbeitsbedingungen – schaffen können, die in einer globalisierten Welt auch funktionieren.

Aber man sollte aus meiner Sicht noch weiter denken. Denken wir wiederum an Wien, wo ich eben herkomme: Wir leiden unter unglaublich großem Pendlerinnen- und Pend­lerverkehr, so wie alle großen Städte, auch Innsbruck, Linz oder Graz. Dezentrales Ar­beiten ist in einer modernen technologischen Welt möglich. Ich glaube, wir müssen, wenn wir über die Ausdünnung des ländlichen Raums reden, auch verstärkt darüber nachdenken, inwieweit zentrales Arbeiten in Zentralen in der Großstadt überhaupt noch nötig ist. Natürlich wird es Konferenzen brauchen, natürlich muss man sich tref­fen. Das wird es auch weiter geben müssen, keine Frage. Aber es gibt technologische Möglichkeiten. Ich denke da als Wiener zum Beispiel an das Burgenland. Warum kann man es nicht fördern, dass es dort Büros gibt, wo Menschen, die Tele-Working ma­chen, die Computerarbeit machen, arbeiten?

Das gilt im Übrigen auch für die öffentliche Verwaltung. Dass die Menschen nicht im­mer in die Landeshauptstadt oder die Bundeshauptstadt zum Arbeiten fahren müssen, sondern dass das dezentral möglich ist, ist eines der ganz wichtigen Themen, mit denen wir uns sicher in den nächsten Jahren intensiver auseinandersetzen werden müssen.

Zur Föderalismusfrage. Ich sage jedem Landeshauptmann, jeder Landeshauptfrau, der oder die hier herkommt: Ich freue mich ja über jeden Vorschlag zur Reform des Bun­desrates. Ich habe immer gesagt – das ist kein Geheimnis –: Entweder man reformiert ihn ordentlich, oder man schafft ihn ab – das war immer meine Haltung. Ich habe aber auch immer gesagt: Die zunehmende Bedeutungslosigkeit des Bundesrates liegt ja auch darin begründet, dass es seit den 1970er Jahren eines der mächtigsten Gremien


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 41

in diesem Land gibt, eines der absolut mächtigsten Gremien, das es im Gesetz und in der Verfassung nicht gibt, und das ist die Landeshauptleutekonferenz.

Die Protokolle sind nicht öffentlich, Bürger und Bürgerinnen können sich nicht darüber informieren, was in der Landeshauptleutekonferenz beschlossen worden ist. Der Bun­desrat ist öffentlich – ja, aber das ist nicht die Landeshauptleutekonferenz, es tut mir leid. Sie machen 15a-Vereinbarungen  (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich bin selber so oft Beschlüssen der Landeshauptleutekonferenz nachgerannt, weil ich sie gebraucht hätte, bekam sie aber nicht. Es gibt sie nicht, sie sind nicht öffentlich. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Wenn wir über eine Verfassungsreform reden, und wenn wir über eine neue Form des Föderalismus reden, müssen wir auch über die Landeshauptleutekonferenz reden; ent­weder man schreibt sie in die Verfassung, oder es gibt sie nicht mehr, so einfach ist das. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Nur weil man nicht dabei ist !) – Wenn ihr dafür seid, dass die Landeshauptleutekonferenz geheim ist (Bun­desrat Mag. Klug: Für uns ist sie nicht geheim!), die Protokolle nicht öffentlich sind, dann habt ihr eine andere Perspektive von Demokratie als ich. (Bundesrat Mag. Klug: Nur weil man nicht dabei ist, muss man nicht weinen!)

Und wenn man schon darüber redet – wir haben über die Gesetzwerdung geredet –, dann sollte man auch ehrlich sagen, wo Gesetze in Österreich geschrieben werden: in den Ministerien – und wir winken sie durch. (Bundesrat Mag. Klug: Ihr vielleicht!) Wir haben keine saubere Trennung  Nein ihr, ihr von der großen Koalition winkt sie durch.

Ein Beispiel, Herr Landeshauptmann! Das ist eine föderale Kammer; wir hatten in der letzten Bundesratssitzung eine Bildungsdebatte, Frau Ministerin Schmied war da. Ich hätte mich gefreut, hätte sich ein Mandatar der Tiroler ÖVP zu Wort gemeldet und noch einmal eine glühende Rede für die Gesamtschule gehalten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich bin froh, dass Sie es tun, aber es meldet sich kein einziger Tiroler ÖVPler, weil es den Parteizentralen nicht recht ist – das ist die Wahrheit, so arbeiten wir hier, so ist das. (Bundesrätin Mühlwerth:  vielleicht doch nicht so gut ist!) – Was? Die Ge­samtschule? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Nein, ich werde nicht sagen, dass die Gesamtschule nicht gut ist, ganz im Gegenteil. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.)

Ich sage hier jetzt ganz klar: Die Grünen stehen dazu und bedanken sich bei Ihnen, dass Sie jetzt sozusagen ein Partner geworden sind (Zwischenrufe bei der ÖVP), um zu erklären, um auch in der Öffentlichkeit zu erklären, warum eine Gesamtschule gut ist, und warum eine Ganztags-  (Unruhe im Saal.) – Kann ich hier auch einmal re­den, oder seid ihr jetzt nur am Schreien? Herr Präsident, bitte! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Darf ich hier reden, oder was wollt ihr jetzt? Was ist los mit euch? (Bun­desrat Mag. Klug: Ist das jetzt eine Wahlkampfrede? Dass Sie überhaupt reden wollen in einem Gremium, das Sie abschaffen wollen !)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Bitte fortzusetzen!

 


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Herr Landeshauptmann, ich habe mit gro­ßem Interesse Ihr Interview im „Standard“ gelesen – ich fand es sehr interessant –, in dem Sie auch ein ganz klares Plädoyer für die Ganztagsschule und die Gesamtschule gehalten haben (Zwischenruf bei der ÖVP), nur eines habe ich nicht verstanden: Sie wollen nach wie vor Schulversuche. Schulversuche zur Gesamtschule gibt es in Öster­reich seit den siebziger Jahren, also unfassbar viele Schulversuche zur Gesamtschu­le, und zur Ganztagsschule gibt es auch Versuche, unfassbar viele.

Sie haben selber gesagt, dass es in Südtirol seit 30 Jahren die Gesamtschule gibt – ich glaube, evaluieren, ausprobieren, auswerten muss man nicht mehr. Es sind alle Papie-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 42

re auf dem Tisch, alle Pädagogen und Pädagoginnen haben sich dazu gemeldet, alle Experten und Expertinnen haben sich zu Wort gemeldet. Es ist jetzt nur noch eine Frage der politischen Entscheidung: Macht man es, oder macht man es nicht? Und ich sage hier ganz klar, laut und deutlich: Ja zur Gesamtschule und ja zur Ganztagsschule.

Eines muss ich Ihnen schon ehrlich sagen: Sie haben bei der Wehrpflichtdebatte ge­sagt, dass Sie gegen Populismus seien; Sie sind aber selber auch ein bisschen popu­listisch geworden. Den Katastrophenschutz kann man unabhängig vom Bundesheer sehen. Man kann den Katastrophenschutz auch ohne Bundesheer organisieren, das zeigen zahlreiche europäische Länder. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich bin übrigens überrascht, Herr Klug, dass die SPÖ hier nicht stärker sozusagen ihr Mo­dell verteidigt, so als wäre ihr das jetzt peinlich, dass es die Volksbefragung geben wird. (Bundesrätin Mag. Kurz: Nein, nein, nein, das ist gar nicht peinlich! – Bundesrat Mag. Klug: Wieso peinlich?)

Also den Katastrophenschutz kann man ohne Bundesheer organisieren (Ruf bei der FPÖ:  ein Beispiel!) – das Technische Hilfswerk in Deutschland ist ein Beispiel –, und man kann, man muss sogar Menschen, die nicht Dienst an der Waffe leisten möchten, die Möglichkeit geben, Katastrophenschutz zu leisten (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth), nämlich Männern und Frauen; das halte ich für ganz, ganz wich­tig.

Zum Zivildienst. Da finde ich es schon sehr interessant, dass die Diskussion immer so stark in die Richtung geht: Wir haben dann keine Freiwilligen mehr. – Also da wird dann immer so getan, als wäre das Freiwilligenarbeit. Im Pflegebereich, in all diesen Bereichen, das sind die Zukunftsjobs, die wir brauchen werden. Wir alle kennen die de­mografische Entwicklung (Präsident Keuschnigg gibt das Glockenzeichen), Pflegebe­rufe sind total wichtig. Und wir werden nicht Menschen ausbeuten können, sondern wir werden sie ordentlich bezahlen und ordentlich ausbilden müssen (Zwischenruf bei der ÖVP), und da ist ein Leben ohne Zivildienst sogar eine Riesenchance, dass wir endlich in diese Richtung vorangehen. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.26


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


11.26.28

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Landeshauptmann Günther Platter! Meine Damen und Herren! Gottfried Knei­fel hat schon recht gehabt: Heute ist ein guter Tag für Österreich, denn unser Landes­hauptmann hat den Bundesrat bestätigt und ist für Reformen, für gute Reformen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Zum Kollegen Schreuder möchte ich Folgendes sagen: Die 15a-Vereinbarungen be­schließen der Nationalrat und der Bundesrat. Die Landeshauptleute können darüber diskutieren, aber wir beschließen. (Bundesrat Mag. Klug:  ein paar Sachen verwech­selt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich darf heute – weil ein guter Tag für Österreich ist, da der Tirol-Tag ist – über mein Bundesland reden. (Bundesrat Mag. Klug: Na sowieso!) Ich bin eine ganz engagierte Tirolerin (Ruf: Fesch!), ich bin aber auch eine Österreicherin; und da möchte ich ganz kurz ein bisschen auf die Gepflogenheiten und die Unterschiede eingehen.

Der höchste Berg in Tirol ist die Wildspitze, leider nicht der Großglockner, aber die Wildspitze ist auch 3774 Meter hoch, und wenn man ins Burgenland fährt, nach Apet­lon, liegt das auf nur 114 Meter. – Also man sieht schon die Unterschiede in Öster­reich. Den Unterschied machen in diesem Fall 3660 Höhenmeter aus. (Heiterkeit.) Ich


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 43

sage das, weil dies die unterschiedliche Strukturiertheit unseres Landes zeigt, wie ver­schieden die Anforderungen an das Gemeinwesen in Österreich sind, und wie vielfältig unsere Natur, die Menschen, unsere kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftspoli­tischen Errungenschaften sind.

Wir in Tirol sind gerne und überzeugte Österreicherinnen und Österreicher und tragen in unserem Herzen nicht nur das Tirolerische, sondern eben auch das Österreichische.

Zu unserer geografischen Lage in Tirol: Da haben wir einmal die Nord-Süd-Achse und einmal die Ost-West-Achse. Wir sind zwischen den Alpen eingebettet, zwischen Vorarl­berg, der Schweiz auf der einen und Salzburg auf der anderen Seite und Osttirol hat auch Grenzen zu Kärnten.

Wir arbeiten wirtschaftlich auch sehr viel mit dem Südtiroler Raum und dem Trentino zusammen. Und da möchte ich Folgendes sagen: Der Dreierlandtag, Frau Mühlwerth, wird in Tirol gelebt. Es werden Anträge eingebracht, sie werden abgearbeitet und wer­den dann auch vollzogen; diese drei Länder – Tirol, Südtirol und Trentino – beschlie­ßen und vollziehen die angenommenen Anträge auch. Vorarlberg hat im Dreierlandtag einen Beobachterstatus.

In Tirol sind nur 12 Prozent der Landesfläche als Dauersiedlungsraum geeignet, das erfordert große Anstrengungen bei der Raumordnung. Das Land hat die höchste Dich­te bei den Lebensmittelkonzernen, die meisten Sporthändler und auch die höchste Quadratmeteranzahl pro Einwohner, was den Möbelhandel anbelangt. Was dies so­wohl wirtschaftspolitisch als auch verkehrstechnisch bedeutet, brauche ich in diesem Raum hier nicht mehr zu erläutern.

Die Struktur unserer heimischen Wirtschaft ist geprägt von den vielen kleinen und mitt­leren Betrieben: der sogenannte Lebensmittelhändler im Ort als Drehscheibe der menschlichen Kommunikation, das Postamt oder der Postpartner als Anziehungspunkt für die Bewohner einer Region, das Wirtshaus als Ort für lokale Veranstaltungen und das Vereinswesen – das ist es, was wir in Tirol erhalten wollen. Das ist das Bekenntnis zum ländlichen Raum, denn nur wenn in den Orten Leben herrscht, dann kann es kei­ne Absiedelung geben.

Bei der Enquete zum Thema „Zukunft Land“ haben wir gehört, dass es auch einen Le­bensraum für Frauen braucht. Frauen müssen sich in ihren Orten wiederfinden, Frauen müssen ansprechende Veranstaltungen, Vereine vor Ort finden, um nicht abzusiedeln. Wenn Frauen absiedeln, gibt es auch keine Kinder und das Dorf stirbt aus.

Bei uns in Tirol sind wir bemüht, dass der ländliche Raum weiterwächst, dass die glei­chen Bedingungen – wie unser Landeshauptmann schon ausgeführt hat – im ländli­chen Raum und im städtischen Raum vorherrschen. „Die gleichen Bedingungen“ heißt aber nicht, dass das, was für die Großstädte wichtig ist, auf dem Land umgesetzt wer­den muss. Das Land hat eigene Voraussetzungen, eigene Gesetze, und nur so können wir den ländlichen Raum wirtschaftlich auch als Lebensraum weiterführen.

Der Landeshauptmann hat den ländlichen Lebensraum als Baum bezeichnet. Für mich ist der ländliche Lebensraum wie eine Vene, durch die Blut rinnt. Wenn die Vene ver­stopft ist, stirbt der Körperteil ab. Wenn im ländlichen Raum keine Betriebe mehr sind, wenn es im ländlichen Raum keine Möglichkeiten für Schulen, Kindergärten gibt, dann stirbt der ländliche Raum ab.

In Tirol gibt es eine Breitbandinitiative, die auch vom Landtag und von der Landesre­gierung mit Geld unterstützt wurde. Ich möchte mich dafür ganz herzlich bedanken und dazu ein kurzes Beispiel anführen: Ich arbeite bei einem Steuerberater. Wir haben in den letzten fünf Jahren zehn Kinder zur Welt gebracht – also nicht ich, sondern die Mit­arbeiterinnen (Heiterkeit) –, und mehr als die Hälfte dieser Frauen arbeitet zu Hause.


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Sie sind vernetzt mit unserem Betrieb; der Klient ruft im Betrieb an, ich sehe im Betrieb, wie weit die Buchhaltung ist, was herauskommt. – Das ist eine Möglichkeit für diese jungen Mütter, bei den Kindern zu sein, es zu genießen, zu sehen, wie ihre Babys zu Schulkindern werden, sie haben aber trotzdem den Fuß im Berufsleben.

Eines muss uns nämlich schon auch klar sein: Die gute Ausbildung, wenn sie zwei, drei Jahre brachliegt, ist keine gute Ausbildung mehr. Es braucht Weiterbildung, und vor allem muss man auch im Geschehen sein, mit seinem Berufsfeld vernetzt sein, um den Beruf auch weiter ausüben zu können. Und da plädiere ich auch für die Teilzeitar­beit. Die Teilzeitarbeit wird von Gewerkschaftsseite immer als schlecht und böse hin­gestellt (Rufe bei der SPÖ: Wenn sie unfreiwillig ist!), aber ich denke mir: Unsere jun­gen Mütter sind glücklich, dass sie in Teilzeitarbeit ihre Fälle abarbeiten können, denn nur so ist es möglich, dass sie auch den Fuß im Berufsleben halten können.

Dass die Tiroler länger leben und gesünder sind, brauche ich ja nicht zu sagen. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Dass die Tiroler weniger oft geschieden werden, ist auch eine Tatsache. – Da sieht man einfach: Wir sind ein glückliches Land und die Frauen viel­leicht manchmal ein bisschen „aushaltiger“.

Was noch erfreulich ist, sind die Zahlen. Im Juli hat die EU die Zahlen über die Be­schäftigung in den 271 Regionen Europas veröffentlicht, und die Schlagzeile dazu in der renommierten deutschen Zeitung „DIE WELT“ lautet: „Von 2 Prozent in Tirol bis 30 Prozent in Andalusien“.

Tirol hat knapp über 2 Prozent Arbeitslose, und das kommt nicht von ungefähr. Das liegt an der nachhaltigen Arbeit der Tiroler Landesregierung unter unserem Landes­hauptmann, der Voraussetzungen dafür schafft, dass in diesem Bereich auch nachhal­tig gearbeitet werden kann. „Nachhaltig“ bedeutet, dass Geld in Forschung und Ent­wicklung geht – in Tirol sind es 2,8 Prozent des Bruttoregionalprodukts –; dass wir dieses Geld, die 2,8 Prozent, für Forschung und Entwicklung haben, ist aber auch ein Verdienst unserer Landesregierung, denn sie hat mit der Verwaltungsreform frühzeitig begonnen, noch bevor andere Bundesländer auf eine Verwaltungsreform eingestiegen sind. So hat Tirol Geld, um diese Dinge auch zu vollziehen.

Tirol ist ein Tourismusland. Wir können sagen, wir sind Weltmeister im Tourismus. Tirol hat mit seinen 43 Millionen Nächtigungen im Tourismus mehr Nächtigungen als Grie­chenland, von dem wir glauben, es wäre ein touristisches Land. Tirol punktet mit der Freundlichkeit, mit der Qualität seiner Betriebe (Ruf: Speck!), mit den Angeboten, sei es auf sportlicher, auf kultureller oder eben auch auf Bildungsebene. Ich lade an dieser Stelle alle Damen und Herren ein: Machen Sie Urlaub in Tirol! Genießen Sie Tirol! (Ruf: Machen wir gern!) Genießen Sie unsere Luft und unsere Kultur! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt. – Ruf bei der SPÖ: Das war ein schöner Schluss!) – Tirol ist so ein tolles Land, da gibt es so viele Sachen, ich habe noch nicht einmal alles gesagt.

Tirol ist auch ein Industrieland. Jeder zweite Euro in Tirol wird im Export verdient, und das zeigt auch die Ausgewogenheit, die wir haben. Der Transit – da ich mich beeilen soll  (Ruf bei der SPÖ: Es ist schon abgelaufen!) – Meine Damen und Herren, Sie kennen mich. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Kneifel: Hast einen to­leranten Präsidenten! – Bundesrat Todt: Ein bisschen noch die Tonnagen über den Brenner ! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich berufe mich auf meine früheren Aussagen. Lesen Sie sie nach! Aber ich glaube, wir sind mit der Unterinntaltrasse und dem Brenner-Basistunnel sicher einen Schritt wei­tergekommen. Ich glaube, dass wir auch bei der Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene einen guten Schritt weiterkommen, wenn 2026 der Brenner-Basistun­nel eröffnet werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 45

Ich lasse jetzt alles andere aus und komme zum Schluss: Tirol ist ein starkes und selbstbewusstes Land. Die Kooperation von Tirol mit den Bundesländern ist mutig, ist nachhaltig, und ich wünsche mir, dass viele Dinge, die wir in Tirol uns vorstellen, dann auch in Österreich umgesetzt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.39


Präsident Georg Keuschnigg: Aus dem Plenum liegen dazu keine weiteren Wortmel­dungen vor. Ich lade daher den Herrn Landeshauptmann zu einer zusammenfassen­den Schlusserklärung ein.

 


11.39.24

Landeshauptmann von Tirol Günther Platter: Herzlichen Dank für diese unendliche Güte, dass ich die Möglichkeit habe, zum Schluss noch einiges zu sagen! Danke auch der Frau Bundesrätin Junker für dieses Plädoyer für Tirol. Das ist richtig dargestellt worden. Ich kann Sie auch einladen: Kommen Sie nach Tirol auf Urlaub! Im Übrigen: Es schneit momentan in Tirol, also die Rahmenbedingungen für den Winter werden in Ordnung sein.

Ganz kurz zu einigen Themen, die angesprochen worden sind:

Der Herr Bundesrat Kneifel hat die Energie erwähnt, auch in Verbindung mit dem länd­lichen Raum. – Herzlichen Dank dafür. Nur muss man immer wieder schauen, dass die Länder auch ihre Möglichkeiten ausschöpfen können. So wie im Osten eher die Wind­kraft im Vordergrund steht, steht bei uns im Westen die Wasserkraft im Vordergrund. Und wenn wir alle von Atomkraft frei sein wollen, dann braucht es auch eine Antwort, dass wir entsprechende Maßnahmen ergreifen können. Da geht es natürlich auch um bundesgesetzliche Maßnahmen. Ich werde nicht müde werden, hier dementsprechen­de Initiativen einzubringen.

Herr Bundesrat Klug, was die Breitbandinitiative betrifft, so ist das schon eine sehr ent­scheidende Angelegenheit. Ich möchte aber hier eines deutlich machen: Wir brauchen auch mehr Unterstützung vom Bund. Wir im Land Tirol haben dementsprechende Bud­gets vorgesehen, damit wir es wirklich schaffen können, dass es gegenüber der Stadt kein Nachteil mehr ist, wenn man in einer peripheren Region zu Hause ist. Früher war der Güterwegebau sehr wichtig, aber jetzt ist einfach alles in die Initiative Breitband zu investieren, damit diese schnelle Kommunikation überall möglich ist. Und ich fordere den Bund auf, hier ebenfalls ein Paket zu schnüren, damit wir in dieser Frage noch besser vorankommen können.

Es wurde erwähnt das Thema Gemeindestrukturen im Zusammenhang mit der Steier­mark. Das ist sicherlich eine gescheite Maßnahme, die da unternommen wird, aber je­des Bundesland muss für sich selbst beurteilen, was gescheit ist. Und ich glaube, je­des Bundesland ist auch selbst verantwortlich dafür, wie die Budgets sind. Der Herr Klubobmann Kopf kennt sich aus und weiß ganz genau, dass das Budget im Land Tirol in Ordnung ist, das möchte ich auch einmal sagen. Denn wir haben frühzeitig Refor­men durchgeführt, und das hat natürlich Früchte getragen.

Und wenn wir von Verschuldung reden, so kann ich sagen, im letzten Jahr haben wir ein Plus von 17 Millionen € gemacht. Wir haben für das Jahr 2013 ein ausgeglichenes Budget beschlossen und haben insgesamt 278 Millionen € Schulden. Dem gegenüber steht aber das Eigentum des Landes. Wir sind zu 100 Prozent Eigentümer des Landes­versorgungsunternehmens TIWAG, zu 100 Prozent der Hypo und zu 100 Prozent der Wohnbauförderung. Wenn man das zusammenrechnet, sind das rund 6 Milliarden €. Und deshalb kann ich schon behaupten – und das ist auch bewiesen –, dass wir den niedrigsten Verschuldungsgrad haben, und das ist letztlich Ergebnis einer konservati­ven Tiroler Politik. Und diese konservative Tiroler Politik hat dem Land Tirol auch gut-


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getan, wie man jetzt an diesen Zahlen sieht – und bei der Beschäftigung ebenfalls. (Beifall bei der ÖVP.)

Nächster Punkt: Südtirol. Frau Bundesrätin Mühlberger, glaube ich. Ist das richtig? (Bundesrätin Mühlwerth: Mühlwerth!) Mühlwerth, okay, gut. Frau Bundesrätin, wenn Sie hier behaupten, dass ein Landeshauptmann von Tirol sich nie zu Wort gemeldet hat, was die Südtirol-Frage betrifft, lesen Sie nicht die Zeitung. Entweder haben Sie keine Zeit oder Sie machen bewusst solche Aussagen, denn ich kann Ihnen Folgendes sagen: Wir stammen von Südtirol. Mein Vater wurde in Südtirol geboren, und es ist mit sehr viel Herzblut verbunden. Und der Landeshauptmann Durnwalder und ich, wir stim­men uns immer eng ab, was die gesamte Südtirol-Frage betrifft.

Zu Südtirol ist schon eines zu sagen: Es war ein Unrecht, was damals passiert ist, die­se schmerzhafte Trennung von Südtirol und Tirol. Es waren das die Folgen des Ersten Weltkrieges. Und es war eine schwierige Situation in den sechziger Jahren. Und letzt­lich haben es dann Magnago und Wallnöfer geschafft, dass Südtirol die Autonomie be­kommen hat, die sich weiterentwickelt hat. Es waren auch Magnago und Wallnöfer jene, die dafür gesorgt haben, dass es zu einer ARGE ALP gekommen ist, wo zehn Regionen dabei sind. Dazumal hat es geheißen, das ist eine Revolution der Provinzen. Heute sieht man, dass das die richtigen Maßnahmen sind, wenn wir Europa der Regio­nen betrachten. Der Weg war immer sehr fortschrittlich, den die Tiroler gemeinsam mit Südtirol gegangen sind.

Und da muss man schon dazusagen, dass wir jetzt Sorge haben, wie man mit der Au­tonomie umgeht. Monti hat Aussagen gegenüber Bundeskanzler Faymann getätigt, wo man eigentlich sofort Einspruch erheben muss. Man kann nicht sagen, wenn man die Entwicklung der Südtirol-Politik betrachtet: Na ja, eigentlich hat das nicht mehr diesen Wert, wie es früher einmal war. – Im Gegenteil, ich bin zutiefst der Überzeugung, dass wir immer wieder schauen müssen, wie man mit Minderheiten insgesamt umgeht, und auch, wie man mit der Minderheit Südtirols umgegangen ist, wenn man die gesamte Geschichte betrachtet. Deshalb gibt es eine große Sorge seitens Südtirol, dass die Au­tonomie ausgedünnt wird. Und wir brauchen mehr Autonomie und nicht weniger Auto­nomie.

Wir haben die Möglichkeit, im Rahmen der Europaregion Tirol, wo auch Trentino mit eingebunden ist, Welschtirol, das ja ebenfalls diesen Autonomiestatus hat, das Thema zu behandeln. Bei jeder Sitzung setzen wir uns hier mit Autonomiefragen auseinander. Und jetzt, nach diesen Meldungen – nicht nur Meldungen Montis, sondern auch nach einigen Aussagen im Parlament –, gibt es schon Verunsicherung in Südtirol, was die Gesamtpolitik betrifft. Nicht, dass Südtirol auch einen finanziellen Beitrag leisten muss – das ist Südtirol klar, darum geht es nicht –, sondern es geht darum, dass die Autonomie weiter ausgebaut werden kann.

Das Land Tirol hat da eine eindeutige Position. Wir haben erst kürzlich mit Vizekanzler und Außenminister Spindelegger gesprochen und klargemacht, dass die Schutzmacht­funktion der Republik Österreich natürlich dementsprechend gegeben sein muss. Da gibt es eine eindeutige Aussage von Außenminister Dr. Michael Spindelegger, der da eine ganz klare Position bezogen hat. Morgen wird Landeshauptmann Durnwalder nach einer Besprechung mit mir in Wien sein und hier dementsprechend die Sorge zum Ausdruck bringen, dass die Unterstützung seitens Österreich gegeben ist.

Also mehr Autonomie und nicht weniger! Die Zusammenarbeit zwischen Südtirol und Tirol ist exzellent, und ich gehe davon aus, dass die Republik Österreich hier ihre Ver­pflichtung wahrnimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Letzter Punkt, weil das österreichische Bundesheer noch einmal angesprochen wurde. Schauen Sie, ich frage mich wirklich: Welche Debatten führen wir in der Republik Ös-


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terreich? Und ich frage mich wirklich: Warum gibt es jetzt so unterschiedliche Meinun­gen, was die Wehrpflicht betrifft, wenn damals, wie ich bereits gesagt habe, in der Bun­desheerreformkommission unter Helmut Zilk Einhelligkeit bestanden hat? Es hat in die­ser Frage Einhelligkeit geherrscht. Ob das Grün, Rot, Blau, Schwarz oder andere Par­teien waren, alle haben gesagt: Jawohl, wir brauchen weiterhin die Wehrpflicht! – Was hat sich seither geändert?, frage ich mich. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war Häupl im Wahlkampf!) Ja, gut, das ist auch ein bedeutender Landeshauptmann, da brauchen wir gar nicht zu reden. (Bundesrat Schreuder: Die ÖVP war auch schon einmal für das Berufsheer!)

Das ist nicht eine Frage der Parteien, ist nicht eine Frage der Ideologie, sondern die Frage der Wehrpflicht ist eine Frage der Staatsverantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

Und so habe ich hier natürlich eine eindeutige Position, und ich lasse es mir nicht neh­men, hier Position zu beziehen. Wenn man für ein Land Verantwortung hat und wenn man Sorge hat, dass wir der Bevölkerung diese Unterstützung im Katastrophenfalle nicht mehr weiter garantieren können, und weil ich weiß, wie die Bevölkerung darauf reagiert, ist es notwendig, dass man auch in so einem Gremium, wie der Bundesrat eines ist, eindeutig Stellung dazu bezieht. Da ist nichts schwammig, sondern die Stel­lungnahme ist eindeutig: Ja zur Wehrpflicht!

Es sind drei Säulen notwendig. Erstens brauchen wir eine Entscheidungsmöglichkeit. Wir brauchen Soldaten, wir brauchen die militärische Landesverteidigung, denn das aufzugeben wäre ein Fehler, der nie mehr wieder gutzumachen wäre. Zum Zweiten brauchen wir Leute, die sich im Bereich Katastrophenschutz ausbilden lassen und für diesen Bereich zur Verfügung stehen, damit wir solche Katastrophen wie in den Jah­ren 2002, 2005 und auch heuer in Tirol auch in Zukunft bewältigen können. Und zum Dritten brauchen wir junge Leute, die im Zivildienst tätig sind, damit wir weiterhin diese Qualität im Pflege- und Gesundheitsbereich zur Verfügung stellen können.

Und hier von einer Ausbeutung der jungen Leute zu reden ist für mich, meine Damen und Herren, unfassbar! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

Reden Sie mit den jungen Grundwehrdienern, die beim Katastropheneinsatz dabei wa­ren! Ich habe das in Galtür und im Paznauntal gesehen: Bis zum Umfallen haben sie gearbeitet – und sie haben eine riesige Freude gehabt, diese Unterstützung zu geben.

Und ich muss abschließend auch eines sagen: Wenn junge Leute sechs Monate für den Staat Verantwortung übernehmen, dann ist das aus meiner Sicht auch sinnvoll. – In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.51


Präsident Georg Keuschnigg: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Herzlichen Dank für deine Ausführungen hier im Bundesrat. Alles Gute für die weitere Arbeit im Bundesland Tirol und auch für die Republik Österreich! Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz (den Vorsitz übernehmend): Wir setzen nun mit der Sitzung fort.

11.51.27Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2702/AB bis 2706/AB beziehungsweise

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen, und


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 48

jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag mit der Italienischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Bereichen Reschenpass, Timmelsjoch und Brennerpass sowie

jenes Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich am 28. und 29. November 2012 in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union bei gleichzeitiger Wahrnehmung seiner An­gelegenheiten im Bundesrat gemäß Artikel 73 Abs. 3 B-VG am 29.11. durch die Bun­desministerin für Finanzen Dr. Maria Fekter

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                          14. November 2012

Parlament, Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                            GZ: BMeiA-IT.8.33.02/0005-I.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 6. No­vember 2012 (Pkt. 8 des Beschl.Prot. Nr. 163) der Herr Bundespräsident am 8. No­vember 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Bereichen Reschenpass, Timmels­joch und Brennerpass erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmög­lich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Johannes Kyrle

Beilage“

                                                                                                       „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-IT.4.36.11/0005-IV.2b/2012

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über Ände­rungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Bereichen Reschenpass, Timmelsjoch und Brennerpass; Verhandlungen


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 49

Vortrag an den Ministerrat

Mit dem gegenständlichen Vertrag soll der Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik in den Bereichen Re­schenpass, Timmelsjoch und Brennerpass zum Zwecke der besseren Erkennbarkeit geändert werden. Dies vor allem unter dem Aspekt, dass es in diesen Bereichen unter Berücksichtigung der Verkehrssituation zu einer großen Anzahl von Grenzübertritten kommt. Ein Entwurf für einen solchen Grenzänderungsvertrag wurde bereits von der Ständigen Österreichisch-Italienischen Grenzkommission erstellt.

Im Grenzabschnitt A, Unterabschnitt a (Bereich Reschenpass) verläuft die Staatsgren­ze über mehrere Bruchpunkte im Stillerbach, dann über neun Bruchpunkte hinweg, die Fahrbahn beim Grenzübergang und dem Radweg überquerend. Die Kommission hat die Situation besichtigt und festgestellt, dass eine klare Erkennbarkeit des Verlaufes der Staatsgrenze nicht gegeben ist. Nunmehr soll die Staatsgrenze über einen einzi­gen Bruchpunkt hinweg im Bereich des Grenzüberganges geradlinig verlaufen. Die Grenzänderung erfolgt insgesamt flächengleich und beträgt 994 m2.

Im Grenzabschnitt A, Unterabschnitt c (Bereich Timmelsjoch) verläuft die Staatsgrenze über zahlreiche Bruchpunkte, sodass die Erkennbarkeit im Bereich der Fahrbahn und im Gelände wesentlich erschwert ist. Durch die Grenzänderung wird ein geradliniger Grenzverlauf in der Fahrbahn und im Gelände erreicht. Weiters kommt dadurch ein beim Passübergang errichtetes Gebäude und ein altes Zollgebäude nunmehr außer­halb des Grenzstreifens von 5 Metern (Artikel 17 des Staatsgrenzvertrages) zu liegen. Die Grenzänderung erfolgt insgesamt flächengleich und beträgt 350 m2.

Im Grenzabschnitt B, Unterabschnitt e (Bereich Brennerpass) verläuft die Staatsgrenze derzeit durch einen Kreisverkehr und schneidet einige Bahngleise in Längsrichtung. Durch den neuen Grenzverlauf sollen diese Problematiken entschärft werden. Die neue Grenzlinie verläuft am Rand des Kreisverkehrs und der Straße, im Bereich der Bahn zwischen zwei Gleisen und schneidet im weiteren Verlauf die Gleise in einem na­hezu rechten Winkel. Der Grenzverlauf wurde unter Hinzuziehung von Vertretern der betroffenen Grundeigentümer (u.a. ASFINAG, ÖBB, italienische Staatsbahnen) festge­legt. Die Grenzänderung erfolgt insgesamt flächengleich und beträgt 2181 m2.

Der Vertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Geneh­migung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Inneres und dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Christian Berlakovits und im Falle seiner Verhinderung Gesandte Mag. Katharina Wieser zur Leitung der Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Ös­terreich und der Italienischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemein­samen Staatsgrenze in den Bereichen Reschenpass, Timmelsjoch und Brennerpass zu bevollmächtigen.

Wien, am 30. Oktober 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 50

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2011 (III-350, III-319 und 1976/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2013 (Bundesfinanzge­setz 2013 – BFG 2013) samt Anlagen (1910 und 1999/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2012 betreffend ein xx. Bundesge­setz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2013 bis 2016 geändert wird (1959 und 1998/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                                   Geschäftszahl: 350.200/0140-I/4/12

                                                                                                                                                 Abteilungsmail:

An den                                                                                          Sachbearbeiterin: Gabriele Munsch

Präsidenten des Bundesrates                                 Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

Parlament                                                                                                    Telefon: 01/531 15 20/2217

1017 Wien                                                                                                  Datum: 13. November 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.Ing. Nikolaus BERLA­KOVICH am 28. und 29. November 2012 in Brüssel aufhalten wird. Seine Angelegen­heiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt er am 29. November 2012 durch Bundesministerin Dr. Maria FEKTER wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weiters gebe ich bekannt, dass das Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bun­desministers für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Mi­chael Spindelegger am 28. und 29. November 2012 in Serbien bei gleichzeitiger Beauf­tragung der Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner mit seiner Vertre­tung eingelangt ist.

*****

Darüber hinaus sind die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Ver­fassungsgerichtshofes für das Jahr 2011 und der Tätigkeitsbericht des Asylgerichts­hofes für das Jahr 2011 eingelangt, die jeweils dem Ausschuss für Verfassung und Fö­deralismus zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Ebenso eingelangt ist der Mittelstandsbericht 2012, der dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 51

Genauso ist der Sozialbericht 2011/2012 eingelangt, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

In der Zwischenzeit begrüße ich den Herrn Minister sehr herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesrätin­nen und Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schmiergeldaffäre Eurofighter an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters liegt mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesrätinnen und Bundesräte Elisabeth Kerschbaum und Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einleitung von kontaminiertem Grundwasser in die Donau an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vor.

Die Behandlung dieser Dringliche Anfrage findet im Anschluss an die erste Dringliche Anfrage statt.

11.55.281. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G) (1936 d.B. und 1979 d.B. so­wie 8818/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Friedrich Reisinger. Ich bitte um den Bericht.

 



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 52

11.55.39

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesund­heitsausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher gleich den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom
13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelema­tikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetz­buch geändert werden, ELGA-Gesetz, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte.

 


11.56.38

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Es dürfte allgemein be­kannt sein, dass die Freiheitlichen diesem Gesetzesantrag nicht zustimmen werden, und ich möchte nachfolgend kurz unsere wesentlichen Bedenken aufzeigen.

Ein ganz wichtiger Punkt, der erste Punkt, sind datenschutzrechtliche Bedenken, die wir hinsichtlich ELGA haben. Es wurde im Gesundheitsausschuss die Anfrage bezüg­lich Datenschutz insofern relativiert, als gesagt wurde, auch jetzt ist es in den Arzt­praxen so, dass die Daten oft sehr schlecht geschützt sind, dass man beispielsweise Krankenakten lesen kann, wenn sie der Arzt schlampig irgendwo liegen lässt, dass die Computer-Systeme der Ärzte auch nicht immer allen Sicherheitsbestimmungen ent­sprechen und alle Firewalls eingezogen haben.

Meine Damen und Herren! Dieser Argumentation unterliegt ein grundlegender Denk­fehler, und zwar: Irgendwelche Daten, die sicher in verurteilenswerter Weise vielleicht verantwortungslos unachtsam Dritten zur Kenntnis gelangen können, haben meistens keine gravierenden Folgen. Es kann vielleicht der Nachbar, der die Daten gesehen hat, im Ort herumerzählen, dass die Frau schon wieder schwanger ist, oder sonst etwas. (Ruf bei der SPÖ: Wie war das mit den EKIS-Abfragen?) Und es hat auch keine ge­zielten Hacker-Angriffe auf Ärzte in der Vergangenheit gegeben. Worin liegt der gra­vierende Unterschied? Mit ELGA haben wir standardisierte Daten, die in großer Menge in irgendeiner verschlüsselten Form übertragen werden, und gerade standardisierte Daten können in entsprechend großer Menge von Interessierten, von Hackern viel leichter genutzt werden.

Ich verweise auch auf die bevorstehende EU-Datenschutzverordnung, die uns wahr­scheinlich 2014 ins Haus stehen wird, was dann zur Folge hat, dass EU-weit der Zu­griff auf unsere Gesundheitsdaten möglich sein wird und natürlich die Gefahr von An­griffen noch weiter steigt.

Sie werden jetzt vielleicht fragen: Wer sollte Interesse daran haben, diese Gesund­heitsdaten widerrechtlich zu nutzen? – Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass Versi­cherungen, Pharma-Unternehmen et cetera, auch Arbeitgeber durchaus ein veritables Interesse an Gesundheitsdaten von weiten Kreisen der Bevölkerung haben. Das kann auch – wir wissen das ja – mehr oder weniger juxhaft passieren. Ich erinnere nur an das Beispiel mit den Wohnadressen und Wohnorten von Tausenden Polizisten, die in Österreich veröffentlicht worden sind. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung und die Patienten Interesse daran haben, dass solche Daten – und das sind sehr persönliche Daten – an die Öffentlichkeit gelangen und widerrechtlich verwendet werden.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 53

Auch der Vergleich mit Online-Banking wurde gebracht, wo im Ausschuss gesagt wur­de, sehr viele machen Online-Banking, denken sich nichts Schlechtes dabei und ver­trauen dem System. Aber auch das Online-Banking ist nicht sicher. Jeder profes­sionelle Hacker kann ins System eindringen. Es gibt genügend Beispiele: diverse Kre­ditkarten-Unternehmen et cetera, wo bereits Missbrauch betrieben worden ist. Doch hat der Kunde natürlich in solchen Fällen die Gewissheit, dass seine Bank dafür haftet. Ich muss schon daran erinnern, dass Gesundheitsdaten im Empfinden des Bürgers wesentlich sensiblere Daten sind als vielleicht Kontostände oder Banküberweisungen.

Ein zweiter Grund ist diese Opt-out-Regelung, also dass die Patienten zuerst kraft Ge­setz in dem System drinnen sind und, wenn sie nicht wollen, dass ihre Daten zu­gänglich sind, aktiv herausoptieren müssen. Es gibt diesbezüglich ja Bedenken von namhaften Verfassungsrechtlern wie Professor Mayer, der gesagt hat, das entspreche nicht unserer Verfassung. Im Ausschuss ist mir gesagt worden, der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat gesagt, das passt schon, also brauchen wir kein anderes Gutachten mehr. Man wird ja sehen. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Gesetz irgendwann einmal vor dem Verfassungsgericht – wahrscheinlich schneller, als man glaubt – landen wird. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich frage mich: Warum macht man es nicht umgekehrt mit einem Opt-in? Der Patient kann freiwillig sagen, dass er sich zu diesem System bekennt, und nicht, dass er sich in einer äußerst umständlichen Art und Weise schriftlich an neun Ombudsmänner wen­den muss, um dann nicht erfasst zu sein.

Dritter Punkt. Es gibt sehr viele – ich sage jetzt einmal – Systemlücken, und durch die­se Systemlücken wird der Nutzen des Ganzen sehr infrage gestellt. Wahlärzte sind von Haus aus ausgeschlossen, sie nehmen nicht daran teil. Vertragsärzte können auch aussteigen und müssen das nicht verwenden, ohne dass es irgendwelche rechtliche Konsequenzen gibt. Es erfolgt nur der Wink mit dem Zaunpfahl: Lieber Arzt, wenn du das nicht in Anspruch nimmst, dann haftest du! – Aber: Das tut der Arzt sowieso, wenn er sich nicht ausreichend informiert, mit dem Patienten nicht die entsprechenden Ge­spräche führt und dessen Unterlagen einholt.

Besonders bedenklich in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit des teilweisen Opt-out. Das heißt, der Arzt sieht nicht, ob der Patient Teile seiner Informationen ge­sperrt hat. Er denkt sich, der ist eh drinnen, weil er irgendwelche Daten hat, sieht aber nicht, dass einzelne Daten ausgeklammert sind. Da sehe ich auch ein gewisses Ge­fahrenpotenzial – sage ich jetzt einmal – der Nachlässigkeit, dass dann vielleicht nicht mehr so gründlich das Gespräch mit dem Patienten gesucht und dieser bezüglich sei­ner Krankengeschichte befragt wird.

Ein nächster Punkt sind die Kosten des ganzen Systems. Es ist hier die Rede von 130 Millionen €. Meine Damen und Herren! Jeder, der irgendeine Ahnung hat, was Softwareentwicklung kostet, weiß, dass diese Zahlen nie halten werden. Es wird zu einer deutlichen Kostenüberschreitung kommen. Bedenklich in diesem Zusammen­hang ist auch – ich bitte, mich zu korrigieren, wenn es anders ist –, dass es bisher kei­nerlei Ausschreibungen gegeben hat und dass all das, was bisher war, mehr oder we­niger freihändig an Siemens vergeben wurde.

Die Kosten-Nutzen-Analyse wird ja auch von anderen Experten, nicht nur von der Ärz­tekammer, infrage gestellt. Auch der Rechnungshof schreibt, dass mit dem angedach­ten Konzept eine Kosten-Nutzen-Rechnung nicht erkennbar ist, die genannten Zielset­zungen nicht erreicht werden können und die finanziellen Auswirkungen dem Kosten-Nutzen nicht gerecht werden. Hübner & Hübner hat in einem Gutachten gesagt, dass mit jährlichen Einsparungen von maximal 22 Millionen und nicht von 129 Millionen, wie von Ihrer Seite angekündigt, zu rechnen ist.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 54

Zum Abschluss – ich will jetzt nicht sagen, die Ärztekammer, sondern die Ärzteschaft –: Aus diesem Kreis kommt aus all den genannten Gründen massiver Widerstand gegen dieses Gesetz. Sie, Herr Minister, reißen jetzt mit der Gesundheitsreform bereits die nächste Front mit den Ärzten auf. Ich sage nur eines: Wenn Sie die Ärzte nicht an Bord holen können, Herr Minister, dann ist dieses System von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn eines ist klar: Das Vertrauen der Bürger in ihren Hausarzt ist wesentlich größer als jenes in die Politik. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Köberl. – Bitte.

 


12.06.47

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Nach langjährigen Vorarbeiten und vielen Diskussionen – einige Punkte hat ja mein Vorredner jetzt ins Treffen geführt – erfolgt nun endlich der Startschuss für die Elektronische Gesundheitsakte, kurz ELGA ge­nannt. ELGA ist ein Informationssystem für Patientinnen und Patienten sowie für Spi­täler, niedergelassene Ärzte, Apotheken und Pflegeeinrichtungen. Es soll einen gesi­cherten Ort und zeitunabhängigen Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten ermögli­chen, wie zum Beispiel zu Entlassungsbriefen, Labor- und Radiologiebefunden sowie Medikamenten.

ELGA macht meiner Ansicht nach das österreichische Gesundheitswesen fit für die Zukunft. Die Patientinnen und Patienten werden davon profitieren. Die Zeiten, in denen die Patienten bepackt mit Aktenordnern voll Befunden zum Arzt gehen, sind vorbei. Die Ärztinnen und Ärzte können auf relevante Gesundheitsdaten zugreifen, und das für 28 Tage, ausgenommen sind BetriebsärztInnen, AmtsärztInnen und ChefärztInnen der Krankenversicherung.

Der Schlüssel dazu ist unsere e-card, die 2005 eingeführt wurde und für uns heute selbstverständlich ist. Wenn man zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt zum Hausarzt geht und in der Hektik irgendeinen Befund vergessen hat, ist das egal, denn der Arzt kann auf den Befund mittels e-card zugreifen. Es können dadurch auch Mehrfachuntersuchungen vermieden werden.

Das Ziel von ELGA war und ist eine Qualitätssteigerung. Es geht darum, den Prozess der medizinischen Versorgung zu optimieren und patientenorientiert zu handeln. Mit ELGA kann eine Vernetzung zwischen den Gesundheitsdaten, die beim Hausarzt, im Krankenhaus oder beim Facharzt gespeichert sind, hergestellt werden. Die Datenspei­cherung erfolgt dezentral, also beim jeweiligen Gesundheitsanbieter. Im Vordergrund steht die Gewährleistung eines organisationsübergreifenden Informationsflusses, damit die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stellen besser funktioniert.

Besonderes Augenmerk wurde auf den Datenschutz gerichtet. Die Teilnahme und den Umfang des zulässigen Datenzugriffs, wie wir vom Vorredner schon gehört haben, kann der Betroffene/die Betroffene selbst festlegen und die Verwendung der Daten auch nachvollziehen. Falls man nicht am System teilnehmen möchte, wie mein Vorred­ner schon gesagt hat, so besteht die Möglichkeit, analog zum Widerspruchsregister ge­gen Organentnahmen, wo das sehr gut funktioniert, sich auf unbürokratische Weise bei der ELGA-Ombudsstelle abzumelden.

Auf der Homepage der Wiener Ärztekammer habe ich gelesen, dass österreichweit 100 000 PatientInnen gegen die Speicherung von Gesundheitsdaten in der geplanten Form sind. Für mich stellt sich da die Frage – und ich bin weder eine IT-Expertin noch eine PC-Spezialistin, ich habe aber lange Zeit in der Krankenpflege gearbeitet –, ob


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 55

sich diese Patientinnen und Patienten je den Kopf darüber zerbrochen haben, wo ihre Gesundheitsdaten jetzt gespeichert sind. Es ist nämlich auch gesetzlich festgelegt, dass die Daten stationärer Behandlung 30 Jahre und jene ambulanter Behandlung oder Röntgenbefunde zehn Jahre aufbewahrt werden müssen.

Ich denke schon – mein Vorredner hat das in Abrede gestellt –, dass wir zwar heute die Bankomatkarte nutzen – und auf meiner Bankomatkarte sind auch diverse Kunden­karten von Geschäften drauf. Es kann also jederzeit jeder sehen, wo ich einkaufe, was ich einkaufe, wo ich Mitglied bin  (Bundesrat Schreuder: Finden Sie das gut?) – Ich weiß aber auch nicht, was mit diesen Daten passiert. Und mit den Kranken- und Ge­sundheitsdaten, die für mich lebensnotwendig sein können, haben wir ein großes Pro­blem.

Die Daten werden bei ELGA, wie wir schon gehört haben, dezentral gespeichert, und die Speicherung unterliegt Sicherheitsstandards, die wir bisher nicht hatten. Die Daten verbleiben grundsätzlich beim Gesundheitsdiensteanbieter, der sie erstellt hat. Mit die­sem Gesetz werden erstmals bundesweit einheitliche datenschutzrechtliche Standards für die Verwendung von Gesundheitsdaten normiert, die es bisher nicht gegeben hat.

Ich bin auch davon überzeugt, dass die handschriftlich geführte Kartei beziehungs­weise verschiedene Systeme bei den Hausärzten weniger sicher sind, als das dann mit ELGA der Fall sein wird. Mein Vorredner hat gesagt, in der Kartei sieht vielleicht jemand, ob die Nachbarin schwanger ist und wieder ein Kind bekommt, es könnte aber auch irgendeine Erkrankung dort vermerkt sein, von der man nicht möchte, dass sie im Ort herumerzählt wird.

Sie haben gesagt, bis jetzt wurde kein Hackerangriff auf ein Datensystem bei einem Hausarzt durchgeführt. Dann frage ich mich, wieso das in Zukunft passieren soll. (Bundesrat Krusche: , weil sie standardisiert sind!) Einen Karteikasten kann ich leicht aufmachen und etwas herausnehmen. In Zukunft brauche ich zumindest die
e-card des Patienten, damit ich auf die Daten Zugriff habe.

Auch wenn ein Befund von einer anderen Ordination oder Institution angefordert wird, muss man diesen ausheben, ihn kopieren und vielleicht noch verschicken, und er geht durch sehr viele Hände, bis er beim Arzt ankommt. Da denke ich, dass die Elektro­nische Gesundheitsakte eine Verbesserung darstellt, auch für die Patientinnen und Pa­tienten. Sie bringt auf jeden Fall eine Modernisierung, Verbesserung und Weiterent­wicklung im österreichischen Gesundheitssystem, damit die Qualität der ärztlichen Ver­sorgung noch besser werden kann, als sie ohnehin schon ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Für Arztpraxen, Apotheken und Privatkrankenanstalten wird es für die technische Auf­rüstung eine Subvention geben. Ich glaube, das gibt es in keiner anderen Branche. Es muss nur darauf geachtet werden – das haben wir im Ausschuss auch besprochen –, dass diese wirklich anwenderfreundlich geschieht, denn der Arzt sollte sich um den Patienten kümmern und nicht um ein IT-System.

Herzlichen Dank an alle, die an der Entstehung von ELGA beteiligt waren. Wie wir im Ausschuss erfahren durften, wird es ja bestimmt auch eine Weiterentwicklung geben. Ich bin überzeugt davon, dass wir in einem Jahrzehnt ohne ELGA nicht mehr auskom­men werden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

12.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreu­der. – Bitte.

 


12.14.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Die Grü­nen machen es sich bei diesem Thema nicht leicht. Sosehr ich den meisten Kritik-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 56

punkten zustimmen kann, muss ich auch den meisten Vorteilen, die soeben genannt wurden, zustimmen. Das ist das Schwierige an diesem Thema, und deswegen darf man es sich auch nicht leicht machen. Politik ist ja nicht immer schwarz oder weiß, man findet etwas gut oder schlecht, und das war es, sondern man muss einfach auch Argumente anschauen, ausbalancieren und überlegen, was besser, was schlechter ist und was für mich – auch als unabhängigen Mandatar – das ausschlaggebende Ar­gument ist. So ist es ja dazu gekommen, dass im Nationalrat – Sie wissen es oh­nedies – der grüne Nationalratsabgeordnete Grünewald für und der restliche grüne Klub gegen ELGA gestimmt hat. Mein Kollege Efgani Dönmez wird nachher erklären, warum er für ELGA ist. Ich werde Ihnen kurz erklären, warum ich es ablehnen muss.

Österreich ist ein tolles Land, aber es gibt hier auch manchmal Dinge, die man – ty­pisch österreichisch – nicht so ganz gut meint. ELGA ist für mich so etwas typisch Obrigkeitsstaatliches. Es wird ein elektronisches System eingeführt, bei dem es nicht um das Wohl des Patienten oder der Patientin geht, sondern um eine Verwaltungsge­schichte.

Wie es anders gehen kann, hat Dänemark gezeigt. Dänemark hat so etwas wie ELGA vor zehn Jahren eingeführt und hat gesagt: Liebe Bürgerinnen und Bürger Dänemarks, es ist eure Entscheidung, ob ihr da reingehen wollt oder nicht! Und 95 Prozent sind mittlerweile im dänischen ELGA drinnen. Die Niederlande führen jetzt auch ein ähnliches System ein, gleichzeitig mit einer Aufklärungs- und Informationskampagne, und bitten die Bürger und Bürgerinnen, doch daran teilzunehmen, wenn sie denn wol­len.

Deswegen plädiere ich stark für eine Opt-in-Option, und ich bin davon überzeugt, dass sich, wenn ELGA gut ist, eine große Mehrheit der Bevölkerung hineinoptieren würde. Die Vorteile sind genannt worden, es gibt haufenweise Vorteile. Hätte man es so ge­macht, dann hätte man von Anfang an den Nutzen für die Patienten und Patientinnen in den Vordergrund gerückt und nicht den Nutzen für die Verwaltung.

In Dänemark können Patienten und Patientinnen über dieses System herausfinden, wo, in welchem Spital welche Operationen durchgeführt werden, wie oft solche Opera­tionen in einem Spital vorgenommen wurden, wie viel Erfahrung die Ärzte dort haben und wie lange die Warteliste ist. In Dänemark erfährt man, wie lange die Warteliste in welchem Spital ist. Sie können mit den Ärzten und Ärztinnen kommunizieren.

Es gibt einen Impfpass, es gibt einen Mutter-Kind-Pass, beide werden nicht in ELGA drinnen sein. Ich sage es noch einmal: Wir sind nicht prinzipiell gegen ein System. Ich teile die Meinung, dass Papier oder solche Archive nicht immer datenschutztechnisch sicherer sind – das ist richtig –, aber ich sehe auch bei ELGA ganz klare daten­schutzrechtliche Probleme, nämlich bei der Speicherung der Daten, nicht beim Traffic. Es müssen gerade solche sensiblen Daten unbedingt so abgespeichert werden, dass man, wenn ein Server gehackt wird, mit diesen Daten nichts anfangen kann, weil sie nur verschlüsselt funktionieren können und weil ein erheblicher Teil der Daten erst von anderen Servern geholt werden muss und sie erst zusammen verwendbar sind. So­lange das nicht in dieser Vollverschlüsselung möglich ist, kann ich ELGA nicht zu­stimmen.

In zwei Tagen ist Welt-Aids-Tag. Ich habe gestern einige Ärzte und Ärztinnen in Schwerpunktpraxen für HIV-positive Menschen angerufen und gefragt: Was werdet ihr euren Patientinnen und Patienten in Sachen ELGA raten?

Es gibt ja zum Glück eine Kombinationstherapie, und den meisten Menschen geht es gut. Die Frage von HIV ist mittlerweile eher eine Frage: Wie kann man diese Menschen im Berufsleben integrieren? Wie schafft man es, nicht diskriminiert zu werden? Die Leute arbeiten und sind zu einem erheblichen Teil – darüber sind wir froh – gesund,


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wenn auch mit vielen Nachteilen und natürlich immer mit großen Gefahren verbunden. Nicht, dass ich hier sage, dass man sich nicht schützen soll. Immer schön brav Kondo­me verwenden!

Mir ist das wichtig, weil diese Ärzte und Ärztinnen mir alle gesagt haben, sie werden allen Patienten und Patientinnen raten: Geht raus aus ELGA! Es gibt zu viele Institu­tionen, Versicherungen, Arbeitgeber, Arbeitgeberinnen, die zu viel Interesse daran ha­ben, das zu wissen. Solange diese Vollverschlüsselung, diese Sicherheit nicht gewähr­leistet ist, können wir unseren Patienten und Patientinnen nicht raten, in ELGA zu sein, und sie werden alle gebeten, dort bitte unbedingt rauszugehen.

Das kann nicht der Sinn und Zweck von ELGA sein! Das gehört geändert! Man hätte sich mehr Zeit nehmen können. Etwas wie ELGA ist prinzipiell gut – aber so, wie es umgesetzt wird, bedauerlicherweise nicht. Ich finde es schade, denn wir hätten eine große Chance gehabt, hier wirklich ein super System aufzubauen. Das hätten wir gemeinsam erarbeiten können. Jetzt ist es leider nicht der Fall. – Danke schön. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum. – Bundesrat Kneifel: Aber der Gesundheitssprecher der Grünen ist anderer Meinung!)

12.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.20.27

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Werte Zuseher! Ja, ich freue mich, dass wir heute hier sind und ELGA beschließen können. Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister, wir haben dieses Thema ja schon in vielen Diskussionen erwähnt und gesagt, es wäre gut, wenn wir ELGA endlich hätten. Wir leben heute in ei­ner Zeit, in der uns die Technik eigentlich überall begleitet und in der wir uns die techni­schen und elektronischen Weiterentwicklungen in allen Lebensbereichen zunutze ma­chen, ob es nun im Bereich des Internets, des Handy oder des Telebanking ist. Mit die­sem Gesetz ist es nun möglich, dass wir das auch im Gesundheitsbereich tun.

Kollege Schreuder hat vorhin gesagt, es sei eigentlich zu wenig Zeit gewesen, um da­rüber zu diskutieren. Ich glaube das nicht, denn wenn wir den Diskussionsprozess be­trachten, der über sehr viele Monate gegangen ist – man kann schon sagen, über ein Jahr –, so ist eigentlich mit allen Bereichen diskutiert worden, ob das jetzt die Ärzte, die Länder, die Krankenanstalten oder die Krankenkassen sind. Ich glaube, die Diskussion und der lange Diskussionsprozess waren wirklich sehr gut, denn dadurch konnten noch sehr viele Abänderungen zum Wohle von ELGA gemacht werden. Es wurden ja über hundert Verbesserungen eingearbeitet. Mit ELGA schaffen wir ein modernes Informa­tionssystem, das für die Patienten da ist, aber auch für die Ärzte, für die Krankenhäu­ser, die Apotheken und im Endausbau auch für alle Pflegeeinrichtungen.

Dieses Informationssystem – wir haben das auch schon gehört – ist eine Verknüpfung von standardisierten Daten, die eben dezentral gespeichert werden, was auch eine ge­wisse Sicherheit in sich birgt. Und wenn jetzt von Ihnen, Kollege Krusche, und natürlich auch von Ihnen, Kollege Schreuder, der Datenschutz angesprochen worden ist, so meine ich, dass natürlich die Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes sehr wichtig sind und auch sehr ernst genommen werden sollen, denn es handelt sich hier um die intimsten Daten eines jeden Menschen, und da ist es natürlich besonders wichtig, de­ren Schutz zu gewährleisten und auch laufend zu verbessern.

Jedoch – Kollege Krusche hat es schon angesprochen – im Ausschuss wurde uns auch diesbezüglich versichert, dass eigentlich die Sicherheit von ELGA wesentlich hö­her ist als die Datensicherheit, die momentan in den einzelnen Praxen vorherrscht.


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Denn jeder, der dieses System handhabt, muss auch ein Sicherheitssystem haben, und die Datenübertragung über die e-card ist eine geschlossene Datenübertragung, und das bietet noch zusätzliche Sicherheit. (Bundesrat Schreuder: Aber die Speiche­rung nicht!) – Ja, aber auch da muss jeder jetzt Sicherheitssysteme haben, die er bis jetzt noch nicht gehabt hat. Also es ist eigentlich eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Stand. Und daher, glaube ich, ist das schon eine gute Sache.

Also, wie wir schon gesagt haben, mit diesem Gesetzesbeschluss zu ELGA kann ein hochkomplexes, modernes EDV-System eingesetzt werden, das auch eine Chance bietet auf eine neue Befundungsstruktur und natürlich auf optimale Suchfunktionen, die es in Zukunft geben wird, denn gerade die Suchfunktionen sind auch etwas besonders Wichtiges.

Wir haben natürlich mit dieser EDV-Ausstattung auch die Möglichkeit, wieder neue Ar­beitsplätze in diesem Bereich zu schaffen, und das ist natürlich auch ein wichtiger Punkt für uns.

Wenn heute diese Diskussion geführt wird und diese schweren Bedenken bestehen, so sei daran erinnert, dass es diese Bedenken auch schon bei der Einführung der e-card gab. Und wenn wir jetzt die Entwicklung seither Revue passieren lassen und uns anse­hen, wo wir betreffend das Thema e-card heute stehen, so können wir feststellen, dass wir mit der e-Card ein Aushängeschild für ganz Europa sind. Es kommen viele und schauen sich unser System an, und wir können darauf stolz sein. Es wird von den Menschen auch gerne angenommen und ist eine gute Sache.

Besonders hervorheben möchte ich natürlich – und das ist von meinen Vorrednern Krusche und Schreuder auch schon angesprochen worden – die Freiwilligkeit, denn es ist schon ein freiwilliges Angebot an unsere Patienten, und jeder kann sich entschei­den, ob er die Vorteile von ELGA nutzen will oder ob er sie nicht nutzen will, ob er nur Teile davon nutzen will oder das System im Gesamten. Und er hat auch die Möglich­keit, Dinge auszublenden, aber auch, Dinge wieder zu löschen. Und wenn jemand – wie von dir angesprochen – eine Krankheit wie etwa eine HIV-Infektion hat, dann ist der Arzt verpflichtet, im Speziellen noch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass der Betreffende aus ELGA aussteigen kann, die Opt-out-Möglichkeit hat. Dies gilt bei psychischen Erkrankungen, bei genetisch bedingten Behinderungen, bei Schwanger­schaftsabbrüchen und bei HIV-Infektionskrankheiten. Da ist der Arzt wirklich verpflich­tet, den Patienten nochmals besonders darauf hinzuweisen.

Herr Kollege Krusche, weil Sie gesagt haben, das Opt-out sei nicht so optimal: Ich glaube, wir haben mündige Bürger, und es ist wirklich eine einfache Sache, davon Ge­brauch zu machen. Es gibt das generelle Opt-out von ELGA, es gibt das Opt-out im je­weiligen Behandlungsfall, ebenso bei der E-Medikation und bei der Einsicht in die Ge­sundheitsdaten. Und jeder hat die Möglichkeit, auf verschiedene Arten auszusteigen: Entweder er macht es selbst über das Internet oder mit Hilfe einer Ombudsstelle, die ihm dazu verhilft, oder er kann im jeweiligen Behandlungsfall einfach dort beim Ge­sundheitsdienstleister, sprich beim Arzt oder in der Apotheke, sagen, dass das nicht gespeichert werden soll. Also es ist wirklich einfach und niederschwellig, sodass jeder wirklich daran teilhaben kann.

Wir haben in diesem Gesetz klare Regeln für die Gesundheitsdienstanbieter, was sie anbieten und was sie speichern müssen und wer, und es handelt sich jetzt im ersten Teil einmal um die Spitalsentlassungsbefunde, um die Laborbefunde, um die Röntgen­befunde und um die Medikationsdaten. ELGA kann wirklich helfen, gerade Behand­lungsfehler, die eben durch Informationsmangel entstehen, zu vermeiden. Da kann es wirklich eine wertvolle Sache sein.

Herr Kollege Schreuder, Sie haben es auch schon angesprochen, ich möchte noch da­zusagen: Die vielen Vorteile überwiegen, denn gerade ältere Personen können einen


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großen Nutzen daraus ziehen. Wenn sie zum Arzt gehen, brauchen sie nicht mehr ihre Laborbefunde, ihre Röntgenbilder mitbringen, die sie vielleicht manchmal gar nicht mehr finden oder von denen sie nicht mehr wissen, wo sie sind.

Es können unnötige Doppelbefundungen – die natürlich für die Patienten auch oft ein Problem sind – vermieden werden, und es können natürlich durch deren Vermeidung auch für das ganze System Kosten eingespart werden.

Auch die E-Medikation ist besonders wichtig für die älteren Menschen, denn diese schlucken oft sehr viele Pillen, die von verschiedenen Ärzten – vom Hausarzt, vom Facharzt – verordnet wurden, und da können natürlich Wechselwirkungen auftreten. Und hiermit können auch die Wechselwirkungen gleich überprüft werden.

Erwähnen möchte ich auch noch – weil es aufseiten der Ärzte und im Bereich der Ärzte ja eine große Diskussion darüber gab –, dass dieses System für die Ärzte kostenfrei ist und sie darüber hinaus noch eine Anschubfinanzierung bekommen. Das Surfen in ELGA ist natürlich für alle kostenfrei.

In diesem Gesetz wird auch die Grundlage dafür geschaffen, dass man später auch neue Befundungsarten hinzufügen kann. Wenn neue Pilotprojekte gestartet, diese dann evaluiert werden und die Finanzierung geklärt ist, besteht die Möglichkeit zur Auf­nahme. So wie Sie, Herr Kollege, gesagt haben, wäre es sicher für die Zukunft optimal, daran zu arbeiten, den Impfpass, den Mutter-Kind-Pass, einen Bluthochdruck oder ähnliche Dinge noch mit aufzunehmen.

Ich möchte zum Schluss noch besonders hervorheben – mein Kollege hat das im Aus­schuss auch schon gemacht –, dass du, Herr Kollege Dönmez, der du überzeugt bist von den Vorteilen von ELGA, hier auch mitstimmst, entgegen der Parteimeinung. Ich möchte, dass du auch für andere ein Vorbild bist, und hoffe, wir konnten andere auch noch davon überzeugen, denn ich bin überzeugt: Die Zeit ist reif für ELGA, ELGA wird bei den Patienten gut ankommen, und bald wird ELGA ein Vorzeigeprojekt für ganz Europa sein. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.30


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Stö­ger. – Bitte.

 


12.30.37

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren vor den Fernsehschirmen! Gesund­heitspolitik muss die Menschen in den Mittelpunkt stellen, sie muss die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt stellen und muss Rahmenbedingungen, Instrumente schaffen, die sicherstellen, dass Patientinnen und Patienten zu dem kommen, was sie brauchen: zu einer qualitativen medizinischen Versorgung. Und der elektronische Ge­sundheitsakt – die Abgeordneten haben es schon gesagt – wird ein europäischer Mei­lenstein sein, den wir und Sie heute in Österreich schaffen. Wir werden die Art und Weise verbessern, wie Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen miteinander kommunizieren können, und sicherstellen, dass für Patientinnen und Pa­tienten die Information vorhanden ist, die sie brauchen, um einen Gesundwerdungspro­zess auch zu unterstützen.

Ich denke, das ist ein Quantensprung, und da gibt es einen, der das auch bestätigt: der Präsident der Ärztekammer. Er hat klar gesagt, dieser elektronische Gesundheitsakt ist aus der Perspektive von Patienten erstellt worden, und er hat beklagt, er ist nicht aus der Perspektive von Ärzten erstellt worden. – Und das ist auch der Paradigmenwech­sel: Ich möchte Gesundheitspolitik aus der Perspektive von Patientinnen und Patienten machen.


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Aber, und ich sage das allen Ärztinnen und Ärzten in Österreich, natürlich muss es so sein, dass die Ärztinnen und Ärzte ihre gute ärztliche Leistung noch besser umsetzen können. Mir haben in den letzten Tagen viele Ärztinnen und Ärzte gesagt, es ist gut, dass der elektronische Gesundheitsakt kommt, es ist gut, dass sie wissen, was ein Kol­lege an Medikation verschrieben hat, es ist wichtig, zu wissen, welche Vorbehand­lungen notwendig sind. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird für Patientinnen und Patienten auch insofern besser, als sie nicht mehrmals die gleiche Prozedur über sich ergehen zu lassen brauchen – doppelte Untersuchungen, Mehr­fachuntersuchungen und den Laborbefund.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem elektronischen Gesundheitsakt wird die Qualität medizinischer Versorgung in Österreich verbessert. Ich sage Ihnen noch etwas: Es wird auch die Datenqualität und es wird auch der Datenschutz massiv ver­bessert. Es gibt kaum einen Arzt, es gibt kein Krankenhaus in Österreich, das nicht Gesundheitsdaten elektronisch speichert und damit elektronisch umgeht. Wir haben derzeit nur das Datenschutzrecht. Wir werden in Zukunft mit dem elektronischen Ge­sundheitsakt dieses Recht speziell auf Patientenbedürfnisse hin, auf Gesundheitsbe­dürfnisse hin noch stärken.

Wir werden auch einen Quantensprung haben in der Datensicherheit, weil jeder Pa­tient, jede Patientin nachsehen kann, wer auf ihre Daten/auf seine Daten zugegriffen hat. Damit wird Missbrauch radikal eingeschränkt. Und wenn Missbrauch stattfindet, dann sind die Gerichte dran, das zu ahnden, und die Strafen, die Sie heute auch be­schließen werden, werden da auch abschreckend wirken.

Ich bin vom Herrn Abgeordneten Krusche aufgefordert worden, ihn zu korrigieren. Ich korrigiere Sie: Es ist so ziemlich alles nicht korrekt, was Sie wiedergegeben haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.) – Ich sage das so, denn Sie ha­ben mich aufgefordert. – Ich stelle richtig:

Erstens, beim elektronischen Gesundheitsakt werden die Daten nicht zentral gesteuert. Das unterscheidet uns von anderen Ländern. Wir haben einerseits einen Patientenin­dex, wir haben andererseits einen Dienstleisterindex. Die sind bei zwei unterschiedli­chen Einrichtungen, einmal beim Hauptverband und einmal beim Bundesrechenzen­trum – also sichere Einrichtungen, damit es hier auch keine Verknüpfung gibt. Wir ver­knüpfen die Gesundheitsdaten nicht in einem zentralen Rechner, sondern wir sagen, dort liegt etwas, und es wird dann insgesamt auch abgerufen – von dem Arzt, von der Ärztin, der Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Patientin oder Patient das Vertrauen schenken. Ein anderer Arzt, eine andere Ärztin, dem/der Sie nicht das Vertrauen schenken, darf gar nicht zugreifen. Und sollte er oder sie trotzdem zugreifen, dann ist ein Datenmissbrauch geschehen, den Sie bei der Protokollierung auch er­kennen können.

Richtigstellung zum Zweiten, was falsch war: Es sind auch die Wahlärztinnen und Wahlärzte dabei. Es sind alle Gesundheitsdiensteanbieter ab einem gewissen Datum – das wird der 1. Juli 2016 sein – verpflichtet, ihre Daten einzuspeichern, wenn sie sol­che Befunde erstellen, und diese sind für die anderen auch zugreifbar. Es sind Ärz­tinnen und Ärzte nicht verpflichtet, die Daten abzurufen. Das sind sie nur dann, wenn für Patienten sonst ein großer Schaden entstehen könnte. – Darauf hinzuweisen war mir wichtig.

Und ich weise auch noch auf eines hin, nämlich: Warum haben wir gesagt, wir wollen ein Opt-out und kein Opt-in? – Wissen Sie, Gesundheitspolitik darf man nicht ausge­hend vom 45-jährigen männlichen Akademiker machen, sondern Gesundheitspolitik muss man machen für Menschen, die es schwer haben, die älter sind, die sich auch schwerer tun mit Behörden. Und wir müssen auch jenen Menschen, die sich schwerer tun, ermöglich, dass sie teilnehmen dürfen am elektronischen Gesundheitsakt und


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dass sie nicht davon abhängig sind, was gerade der Arzt oder die Ärztin, der/die in ih­rer Umgebung ist, für eine EDV-Infrastruktur hat.

Nein, die Menschen haben ein Recht, daran teilzunehmen, und ich bedanke mich vor allem bei den Vertretern der älteren Menschen, den Seniorenverbänden, den Pensio­nistenverbänden, die gesagt haben, ja, wir wollen diesen elektronischen Gesundheits­akt, damit sich die medizinische Versorgung verbessert. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, bedanke mich auch dafür, dass alle Ärzte, die auch im Nationalrat sitzen, dem zugestimmt haben – das war ein bisschen schwierig, aber auch das ist wichtig gewesen. Und ich bedanke mich bei allen Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, für ihre Leistungen, die sie tagtäglich erbringen. Sie werden diese Leistungen, wenn der elektronische Gesundheitsakt ein­geführt ist, noch wesentlich besser erbringen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

12.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Herr Kollege Dönmez zu Wort. –Bitte, Herr Kollege.

 


12.38.24

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es mir nicht leichtgefallen, denn es stehen doch gewichtige Argumente pro ELGA und auch contra ELGA. Ich habe auch im Vorfeld mit Kollegen Schreuder diskutiert, und ich nehme die Kritik von ihm und auch von meinen Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat sehr ernst. Aber ich habe mir auch die Vorteile des neuen Systems angesehen, und für mich persönlich ist es ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, und deshalb werde ich auch ELGA meine Zustimmung erteilen. Denn für mich macht es einen Unter­schied, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ob ich ein solches System habe – oder ob ich mit einem Sackerl voller Befunde in der linken Hand und mit einem Sackerl voller Medikamente in der rechten Hand zum Arzt gehe und sage: Da, das ist das, was ich habe!, falls man es überhaupt mithat, denn oft kennen die Patienten nur die Farbe der Medikamente und sagen, ein rotes Pulver und ein gelbes Pulver und ein bisschen was anderes war dabei. – Was soll der Arzt mit diesen Informationen anfangen?

Wie es meine Vorredner/innen schon angesprochen haben, ist diese e-card (der Red­ner hält seine e-card in die Höhe) der Schlüssel für den Zugang zum Gesundheitssys­tem. Das wird jetzt ausgebaut. Darauf werden nun Zugangsdaten abgespeichert – und ich merke gerade, dass ich gar nicht unterschrieben habe. (Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Stadler: Hast einen Kugelschreiber?) Habe ich! (Der Redner unterschreibt am Rednerpult seine e-card.) – So, jetzt ist sie gültig. Mit dieser gültigen E-Karte hat man Zugang zu allen Gesundheitsleistungen. Das ist gut so, und das ist eine wesentli­che Erleichterung.

Erleichterung bedeutet, glaube ich, auch Widerstand seitens der organisierten Ärzte­schaft. Denn worum geht es letztendlich? – Reden wir Tacheles: Es geht immer ums Geld! Man wird keine Doppel- und Dreifachbefunde mehr benötigen. Dadurch hat man weniger Arbeit, dadurch weniger Einkommen, sodass sich hier manche, die sehr gut organisiert sind – und die Ärzteschaft hat ja eine Kammer, die sehr gut organisiert ist, die eine sehr starke Stimme hat –, massiv auf die Füße stellen und natürlich Wider­stand leisten.

Aber letztendlich ist es im Interesse der Patienten und Patientinnen! Denn es macht ei­nen Unterschied, ob ich die Informationen gleich bei der Hand habe, ob ich zielgerich­tet Informationen heraussuchen muss oder ob ich diese erst zeitgebunden, ortsgebun­den zur Verfügung stellen kann.


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Die Kritik, die Herr Kollege Schreuder angesprochen hat – mit den unverschlüsselten Informationen –, kann ich teilen, und die ist auch berechtigt. Jedoch ist es, glaube ich, nicht die Intention des Gesetzgebers, auch nicht der Gebietskrankenkassen und schon gar nicht der Krankenhäuser, unverschlüsselte Daten irgendwo auf den Servern he­rumliegen zu haben, sondern es ist, glaube ich, schlicht und einfach die Frage der möglichen Ressourcen und der Finanzen. Die fehlen zurzeit! Wir wissen und haben auch gehört, dass dieses System ausgebaut wird, und ich bin überzeugt davon, dass es spätestens in zehn Jahren sicher so sein wird, dass auch diese Daten verschlüsselt sein müssen. Das wird Usus sein, das wird Standard sein. Bis dahin gibt es natürlich noch einiges an Verbesserungspotenzial und auch ‑möglichkeiten, aber der einge­schlagene Weg ist richtig. Ich bin überzeugt davon, daher werde ich zustimmen.

Vieles wurde schon gesagt, darum brauche ich gar nicht auf diese Details einzugehen, nur einen Punkt möchte ich noch herauskehren: die Opt-in- und Opt-out-Regelung. Das war einer der größten Kritikpunkte der Kollegen des Grünen Klubs im Nationalrat, die gesagt haben, eine Opt-in-Regelung wäre ihnen lieber als ein Opt-out.

Seien wir ganz ehrlich: Haben wir diese Möglichkeiten bei den Kammern? – Da ist man auch Pflichtmitglied. Da hat sich aber keiner von den Organisierten darüber aufgeregt, dass alle organisiert dabei sein müssen. (Bundesrätin Michalke: Oh doch! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Dort, wo es einem nicht passt, kritisiert man, und dort, wo es einem nützt, ist man ruhig. Das ist auch ein bisschen eine doppelbödige Haltung.

Aber letztendlich – so wie es der geschätzte Minister gesagt hat – dient es dem Wohl der Patienten und Patientinnen, deshalb gebe ich dem meine Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.43.01

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Efgani Dönmez habe auch ich meine e-card mitgebracht. (Bundesrat Stadler: Hast du schon unterschrieben?) Meine ist un­terschrieben! (Heiterkeit.)

Wir alle, so wie 8,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, haben unsere E-Kar­te täglich mit dabei. Manche Bedenken, manche Kritik am elektronischen Gesundheits­akt erinnert mich an die Kritik, an die Bedenken bei der Einführung der E-Karte. Heute ist die e-card ein Erfolgsmodell, und keiner in Österreich möchte sie mehr missen. Sie bringt Vorteile, wir alle profitieren täglich beim Apothekenbesuch, beim Hausarztbe­such, auch bei der Behandlung im Spital. So wie wir heute die e-card tagtäglich nutzen, so wie wir selbstverständlich mit ihr umgehen, sie in der eigenen Geldtasche haben, so sehr werden wir uns auch im Lauf der Jahre, in einigen Jahren an ELGA gewöhnen, mit diesem System gut leben und bestens vertraut sein.

Was ich anregen wollte und wofür ich mich in der Diskussion um ELGA immer aus­gesprochen habe: Geben wir dem System einen anderen Namen! Persönlich hätte ich mir vorstellen können: „Das persönliche Gesundheitsprofil“. Eine solche Bezeichnung würde auch das Wesen, die Ziele, die Aufgaben von ELGA viel besser beschreiben, viel pointierter treffen und benennen. Ich würde mir daher wünschen, ELGA in einem Reformschritt umzubenennen in „Das persönliche Gesundheitsprofil“, denn es geht um personenbezogene Daten, und Herr dieser Daten ist nach wie vor der Mensch, der Patient, sind wir als Betroffene, wir als Nutzer von ELGA. Vielleicht können wir also in der Weiterentwicklung dieses System umtaufen, es so benennen, dass der Kern, die Aufgabe und die Ziele von ELGA auch besser zum Ausdruck kommen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Momentan geht eine Mauer durch das Land: Wir ha­ben eine unsichtbare Mauer zwischen Spitalsärzten, niedergelassenen Ärzten und Pflegeeinrichtungen. Mit dieser neuen Karte, mit diesem neuen System werden diese Bereiche erstmals verbunden. Der Spitalsbereich ist heute schon ein Teamspieler. Im Spitalsbereich wird dokumentiert, wird aufgezeichnet, da gibt es dieses elektronische Netzwerk. Im niedergelassenen, im Facharzt- und Hausarztbereich hat jeder sein eige­nes elektronisches System, da dokumentiert jeder für sich. Was im Spital heute gang und gäbe ist, was allgemeine Praxis wird, wird künftig auch im niedergelassenen, im fachärztlichen Bereich möglich und Stand der Technik sein. Jeder kann künftig auf die patientenbezogenen persönlichen Daten zurückgreifen.

Wenn wir heute oder morgen in eine Praxis, zum Facharzt gehen, werden wir die kon­kreten Vorteile auch recht bald spüren. Jeder von uns würde sich vom Arzt mehr Zeit wünschen. Wenn heute jemand zum Arzt geht, sagt er: Ja, ich habe Medikamente, ich habe eine Therapie, aber ich hätte mir von meinem Arzt etwas mehr Zeit gewünscht. – Aber die Ärzte können diese Zeit den Patienten auch nicht geben, bei aller Liebe, bei aller Wertschätzung, so gern sie es täten! Der Druck, der Arbeitsdruck ist ein hoher, der draußen auf die Fachärzte und auf die niedergelassenen Ärzte einwirkt.

Mit ELGA wird künftig Druck von ihnen genommen. 20 Prozent eines Arztgespräches gehen für die Dokumentation, für die Recherche auf. Wenn ich heute 10 Minuten von meinem Arzt erhalte, dann muss er mit mir 3 Minuten über Vorgeschichte, Krankenge­schichte, Krankheitsverlauf, frühere Medikamente sprechen. Künftig hat er das auf dem Bildschirm, kann er darauf elektronisch zurückgreifen. Er hat für mich als Patientin und Patient mehr Zeit! Das ist in Wirklichkeit eine große, enorme Verbesserung, die wir uns von ELGA erwarten und erhoffen können.

Aber es gibt auch noch einen sehr viel praktischeren Vorteil. Sie wissen, Medikamente werden heute häufig verschrieben, es gibt auch den Effekt unerwünschter Mehrfach-Medikationen. Diese werden mit dem neuen System künftig vermieden. Diese Mehr­fach-Medikamente und ‑Medikationen haben auch unerwünschte Nebeneffekte; wir wissen, das führt zu Spitalsaufenthalten, ja kann sogar zu Todesfällen führen. In der Statistik sind diese Unglücksfälle häufiger als Verkehrsunfälle! Da ersparen wir künftig den Menschen wirklich sehr viel Leid, sage ich, auch Spitalsaufenthalte, mögliche Fol­geerscheinungen und Wechselwirkungen.

Jeder von uns wird einen Vorteil erleben. Wir werden nicht mehr von Arzt zu Arzt, von Praxis zu Praxis geschickt, sondern können uns künftig Arztbesuche, Ambulanzbesu­che ersparen. Das bringt uns im Krankheitsfall, wenn wir Beschwerden haben, mehr Freizeit, und wir müssen dafür auch weniger Arbeitszeit opfern.

Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir einen großen Schritt. Wie groß er ist, wie weit er uns trägt, werden wir erst in vier, fünf Jahren so richtig beurteilen können. Aber ich bin mir sicher, dass wir weitere Schritte in den nächsten Jahren setzen werden, weil es darum geht, alle im Gesundheitsbereich zu vernetzen: den Spitalsbereich, den Bereich der niedergelassenen Ärzte, den Pflegebe­reich, den Heimbereich, den Sanatoriumsbereich, den Rehabilitationszentrenbereich. Da tun sich so viele neue Möglichkeiten und Erfordernisse auf!

Ich wünsche mir, dass wir die Möglichkeiten der Technik in diesem Bereich auch voll nützen. Denn wer glaubt, das System, die Qualität des Gesundheitswesens mit klassi­schen Mitteln verbessern und stärken zu können, der bewegt sich in einem Hamster­rad: Er läuft immer schneller, aber er kommt nicht ans Ziel, sondern eher nur der Er­schöpfung näher. Daher müssen wir wirklich neue Wege gehen, auch die Möglichkei­ten des technischen Fortschritts nutzen, um mehr für unsere Patienten und Patientin­nen zu erreichen, vor allem auch, um Ärztinnen und Ärzten sowie den Pflegern und


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den Krankenschwestern bessere Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Mit ELGA schaffen wir dafür einen konkreten Beitrag. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Gibt es weitere Wortmeldungen? (Bundesrat Krusche gibt ein Handzeichen.) – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Stadler: Hast du noch Insider-Informationen?)

 


12.50.22

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Minister! Ich muss Sie jetzt auch berichtigen. Sie haben gesagt, alle Ärzte im Nationalrat haben zugestimmt. (Bundesmi­nister Stöger: Außer dem Zahnarzt!) Unsere Ärzte nicht! (Bundesminister Stöger: Der nicht!) Dr. Karlsböck beispielsweise hat gesagt (Bundesminister Stöger: Der ist Zahn­arzt!), das Fazit für ELGA ist: medizinisch unbrauchbar, behindert bei der medizini­schen Tätigkeit und kostet ein Vermögen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher bitte ich, nicht die Vereinnahmung vorzunehmen! Sie haben gesagt: alle Ärzte. Ist ein Zahnarzt für Sie ein schlechterer Arzt? (Bundesminister Stöger: Nein, ist er nicht!) – Aber es freut mich, dass Sie mir wenigstens nicht widersprochen haben (Bun­desminister Stöger: Aber er ist Zahnarzt!) bei der freihändigen Vergabe an Siemens. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor. Das heißt aber natürlich nicht, dass nicht noch jemand das Wort wünschen kann.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

12.51.462. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Or­ganen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Gewebesi­cherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden (1935 d.B. und 1980 d.B. sowie 8814/BR d.B. und 8819/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1981 d.B. sowie 8820/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 2 und 3 ist Herr Bundesrat Mayer. – Ich bitte um die


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Berichte.

 


12.52.14

Berichterstatter Edgar Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen erlassen und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz und das Bundes­gesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme deshalb zum Antrag.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht bezieht sich auf den Beschluss des Nationalrates vom 13. Novem­ber 2012 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsge­setz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsge­setz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme deshalb zum An­trag.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.53.47

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Österreich gehört bei den Organtransplantationen seit Jahren zur internationalen Spit­ze. Allein 2011 wurden in Österreich 220 verstorbene Organspender gemeldet und 195 davon auch explantiert. Das entspricht einer Rate von 23,2 Spendern pro Million Ein­wohnern; Deutschland kommt im Vergleich dazu etwa auf die Hälfte dieser Rate. Zurzeit werden in Österreich neben Niere, Leber und Lunge auch Pankreas und Herz an fünf verschiedenen Standorten transplantiert. Das sind die Uni-Kliniken Graz, Inns­bruck und Wien sowie in Linz das AKH und das Krankenhaus der Elisabethinen.

Nach wie vor aber warten an die tausend Patienten und Patientinnen auf ein geeig­netes Organ, obwohl jährlich über 700 Organtransplantationen durchgeführt werden. Leider versterben noch immer Menschen auf der Organwarteliste, die nicht die Chance haben, eine Organtransplantation zu erhalten. Die Lebendspenden werden daher im­mer wichtiger. Vor allem bei den Nierentransplantationen hat sich die Organspende von Lebenden sehr bewährt. In der Steiermark, also in Graz, wo ich herkomme, wird bei Nierentransplantationen bereits in 10 Prozent der Fälle auf Organe von Lebenden zurückgegriffen.

In der Eurotransplant International, die die Qualitätsstandards überwacht, wird eine Warteliste aller Empfänger für die Mitgliedsländer geführt, und sie ermittelt auch jene Empfänger, die das gemeldete Organ erhalten sollen. Da in der Eurotransplant-Region mehr als 118 Millionen Menschen leben, erhöht sich die Chance für die Patientinnen und Patienten, rechtzeitig ein dringend benötigtes Organ zu finden. Da dem Faktor des Organherkunftslandes hier großes Gewicht zukommt, profitieren österreichische Pa­tienten und Patientinnen auf der Warteliste natürlich unmittelbar von der Meldung ös­terreichischer Organspender.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 66

Die Rechtsmaterie rund um die Organtransplantationen war in Österreich bisher in ver­schiedenen Gesetzen geregelt. Das neue Gesetz, das wir heute beschließen, dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organent­nahme, -transport und auch die Rückverfolgung. Eine explizite Regelung gibt es auch bezüglich der Lebendspende von Organen. Es ist etwa geregelt, dass für Personen un­ter 18 Jahren eine Lebendspende verboten ist.

Mit diesem Gesetz wird auch sichergestellt, dass Menschen, die Lebendspenden ma­chen, ein ganz besonderer Schutz zukommt. Es wird der Schutz von SpenderInnen und Empfängern bei diesem Gesetz besonders in den Vordergrund gestellt, und das ist, denke ich, ein sehr wichtiger Punkt. Die Regelung über die Nachsorge von Lebend­spendern wurde in die Gesetzgebung aufgenommen. Eine Nachkontrolle der Organ­spender drei Monate nach der Spende ist ebenso vorgesehen wie eine Nachuntersu­chung in regelmäßigen Abständen.

Mit dem Versicherungstatbestand wurde ein besonderer Schutz von Lebendspendern im Sozialversicherungsgesetz aufgenommen. Es steht den Spendern ein beitragsfreier Unfallversicherungsschutz zu, sollten Komplikationen auftreten – was wir nicht hoffen, was aber auch nicht auszuschließen ist, denn jede Operation birgt ein gewisses Risiko. Im Falle der Minderung einer Erwerbstätigkeit umfasst er auch den Anspruch auf eine lebenslange Rente.

Das Organtransplantationsgesetz enthält im Wesentlichen ethische Grundsätze für die Organspende. Die Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit bei Lebendspendern, das Verbot der Bezahlung von Organspenden ist genauso festgehalten wie das Verbot von auf Gewinn ausgerichteten Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit menschlichen Orga­nen und diesbezügliche Werbeverbote. Man hört ja immer wieder von illegalen Ge­schäften mit menschlichen Organen – ein neues Organ gegen Geld darf es einfach nicht geben!

Österreich gehört im Umgang mit Organspenden mit der seit 1982 geltenden Wider­spruchsregelung weltweit zu den Vorzeigeländern. Dies bleibt auch mit dem neuen Ge­setz unverändert. Das heißt, eine Organentnahme nach dem Tod ist zulässig, sofern der oder die Verstorbene nicht zu Lebzeiten widersprochen hat – eine sogenannte Opt-out-Lösung, von der wir heute schon gesprochen haben. Das Widerspruchsregister wird auch weiterhin von der Gesundheit Österreich GesmbH geführt.

Ich denke, es ist ein gutes Gesetz, eine gesetzlich gut geregelte Nachversorgung, auch als Wertschätzung für die Menschen, die sich zu einer Organspende bereit erklären. Wie man weiß, nehmen die Nierenerkrankungen immer mehr überhand. Ich denke, mit einem gesünderen Lebensstil können wir alle dem vorbeugen, dass es einmal so weit kommt. Ich denke, da ist jeder seines Glückes Schmied, und Vorsorge ist immer bes­ser als die Nachsorge. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Hammerl. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.59.35

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und, Herren! Transplantationen menschlicher Or­gane werden in Österreich im Rahmen der Stiftung Eurotransplant durchgeführt.

Sie ist die Vermittlungsstelle für Organspenden in den Benelux-Ländern, in Deutsch­land, Österreich, Slowenien und Kroatien. Auch wenn diese Stiftung, meine Damen und Herren, nicht EU-weit eingerichtet ist, besteht doch die Notwendigkeit, dass es EU-weit Sicherheits- und Qualitätsstandards gibt. Die zu diesem Zweck von der EU ausge-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 67

arbeitete Richtlinie wird nun mit dem vorliegenden Gesetz in nationales Recht umge­setzt. Das ist wichtig, weil es durch die internationale Zusammenarbeit auch zu Rei­bungspunkten kommen kann, wie vor Kurzem der Skandal um Manipulationen von Wartelisten von Transplantationen in Deutschland, in Göttingen und in Regensburg, gezeigt hat.

Der „Spiegel“ schrieb dazu: „Organe werden nach ausgeklügelten Regeln an Patienten verteilt, dennoch bleibt Raum für Manipulationen.“ Um das für dieses System so wich­tige Vertrauen zu schaffen, ist ein hohes Maß an Sicherheits- und Qualitätskontrollen notwendig. Einen wichtigen Punkt stellt auch die Frage dar, wie man zu den Organen kommt, die transplantiert werden sollten. Hier gibt es in der EU, aber auch in den in Eu­rotransplant vertretenen Staaten verschiedene Regelungen.

In Deutschland galt bisher die Zustimmungslösung, die besagt, dass Organe nur ent­nommen werden dürfen, wenn die Person ausdrücklich zugestimmt hat und dies mit einem Organspendeausweis dokumentiert. Wenn der Verstorbene seinen Willen nicht erklärt hat, dann muss die Familie über eine Organentnahme entscheiden. Diese Zu­stimmungsregel gilt auch in anderen europäischen Ländern, wie etwa Großbritannien, Griechenland oder den Niederlanden.

Aber es gibt auch Länder wie Spanien, Italien oder Österreich, die vom Prinzip der Wi­derspruchsregelung ausgehen. Diese Regelung, meine Damen und Herren, bestimmt Folgendes: Wenn der Organentnahme zu Transplantationszwecken zu Lebzeiten nicht widersprochen wurde, ist sie nach dem Tod rechtlich zulässig. Ärzte können sogar so weit gehen, dass sie ohne Befragung der Angehörigen dem Verstorbenen Organe ent­nehmen. Kinder sind dabei ebenso betroffen wie Erwachsene. Auch für Staatsbürger anderer Nationen, die in Österreich sterben, gilt das österreichische Transplantations­gesetz.

In Deutschland führte die Diskussion zur sogenannten Erklärungslösung, einer Art Kompromiss zwischen Widerspruchs- und Zustimmungsregelung, die mit Juli 2011 für Deutschland beschlossen wurde. Eine Erklärungsregelung besteht darin, dass alle Bür­ger verpflichtet sind, zu erklären, ob sie einer Organentnahme nach dem Tod zustim­men oder widersprechen, wobei auch die Möglichkeit eingeräumt wurde, dass sie sich nicht äußern. Damit, meine Damen und Herren, soll eine verstärkte Sensibilisierung der Menschen in Bezug auf die Organspende erreicht werden.

Eine solche Sensibilisierung brauchen wir meines Erachtens auch in Österreich. Dass aufgrund des Unwissens der Menschen die Zahl der gespendeten Organe niedrig ist, ist problematisch, auch wenn es sich bei der Organspende um eine solidarische Tat handelt, die für die Organempfänger und die Gesellschaft sehr wichtig ist. Ihre hohe sittliche Qualität, meine Damen und Herren, erreicht diese Tat aber erst dann, wenn bewusst eine Zustimmung gegeben wird. Dazu bedarf es einer verstärkten Information über die gesetzliche Regelung und die Widerspruchslösung. Die brauchen wir auch in Österreich. Sonst passiert es immer wieder, dass Angehörige es als einen ungerecht­fertigten Eingriff sehen, wenn Toten Organe entnommen werden. Zudem ist auch die Frage des Todeszeitpunktes, der mit dem Hirntod gesetzt wird, nicht unumstritten, auch in Österreich.

Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren, ist die Lebendspende, die mit diesem Gesetz geregelt wird. Meine Kollegin hat schon darauf hingewiesen. Wie mit dem von Dr. Sabine Oberhauser und Dr. Erwin Rasinger eingebrachten Abänderungsantrag im Nationalrat, der einstimmig angenommen wurde, betont wurde, handelt es sich bei der Lebendspende um eine in höchstem Maße zu würdigende Tat, die nicht nur dem Emp­fänger oder der Empfängerin, sondern dem gesamten Gesundheitssystem zugute­kommt. Gerade deswegen ist eine umfassende und qualitativ gute Nachkontrolle, zum Beispiel wenn jemand eine Niere oder einen Teil der Leber spendet, wichtig. So müs-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 68

sen die Spenderinnen und Spender in Österreich schriftlich zu Nachkontrollen einge­laden werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ein auf das Risiko abgestimmter Nachsorgeplan muss erstellt werden, der mit diesen aus der Nachsorge erhaltenen Daten verfeinert werden kann. Da die Lebendspende für jede Spenderin und jeden Spender ein tiefgehender Eingriff in die Integrität des Kör­pers ist, bleibt ein rechtlicher Rahmen für diese solidarische Spende von höchster Wichtigkeit. Mit dem Verbot von Organspenden von Personen unter 18 Jahren, der Forderung nach einer umfassenden schriftlichen und mündlichen Aufklärung über die Gefahren und Folgen einer Spende von Organen, der Forderung einer Einwilligung in schriftlicher Form, dem Verbot einer Entnahme von Organen bei einem ernsten Risiko für den Spender oder die Spenderin, der Verpflichtung zur Nachuntersuchung der Spenderin oder des Spenders drei Monate nach Entnahme des Organes und der schriftlichen Einladung zur Nachuntersuchung ist dieser Rahmen mit diesem Gesetz geschaffen worden.

Meine Damen und Herren, die Änderung des Transplantationsgesetzes stellt somit ei­nen wichtigen Schritt dar, dem aber noch Schritte der Aufklärung der Bevölkerung über die rechtliche Situation im Hinblick auf die Widerspruchsregelung folgen müssen. Na­mens der ÖVP-Fraktion stimmen wir gerne dieser Gesetzesänderung zu. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte.

 


13.05.46

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Ich möchte die Diskussion über diese vorbildliche ethi­sche und medizinische Regelung der Organtransplantation in Österreich ein bisschen dazu benützen, um die Schattenseiten der Organtransplantation aufzuzeigen, nämlich die internationalen Schattenseiten. Meine Kollegin Köberl hat gesagt, auf eine Million Menschen kommen 23 Spender. Da merkt man, da ist ein gewisser Engpass, da ist ein gewisser Druck da.

Die Medizin hat sich weiterentwickelt und nicht überall und in jedem Land gibt es auch Verfügungen, wie wir heute gehört haben. 2009 hat die UNO gemeinsam mit dem Eu­roparat eine Studie über den illegalen Handel mit Organen, Gewebe und Zellen prä­sentiert. Die Abartigkeit, die menschliche Perversion, die Kriege hervorbringen, haben wir ja im Balkan-Krieg in doppelter Weise erlebt. Dass ein strategisches Kriegsziel die systematische Vergewaltigung von Frauen war, hat dazu geführt, dass heute sexuelle Verfolgung als Fluchtgrund gilt. Dass im Kosovo-Krieg eines der Kriegsziele war, den Organtransplantationshandel zu fördern und illegal nicht nur von Kriegstoten, sondern auch von Gefangenen sowohl die Zellen als auch Gewebe, als auch Organe in den Handel zu bringen, hat dazu geführt, dass sich der Europarat 2010 und 2011 ganz in­tensiv dieser Materie angenommen hat.

Nun hatten wir im Ministerkomitee – das geht jetzt Schlag auf Schlag, und deshalb ha­be ich diese Gelegenheit genützt, um das ganz kurz zu sagen – vom Juli 2011 über Dezember 2011, März 2012, Juni 2012 und vor wenigen Wochen eine ganz intensive Diskussion mit Russland in Moskau in dieser Sache. Und jetzt findet sich von 4. bis 7. Dezember der European Crime Court zusammen, um endlich ein internationales Re­gelwerk gegen illegalen Organhandel, gegen illegalen Zellenhandel und gegen illega­len Gewebehandel aufzustellen.

Wir brauchen dieses Rahmenwerk, denn wenn sich aus Österreich 100 000 Menschen, vorwiegend Männer, am Sextourismus und dort wieder am Missbrauch von Minderjäh-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 69

rigen beteiligen, so sind natürlich auch sehr viele Österreicher und Österreicherinnen an etwas beteiligt, das wir heute Transplantationstourismus nennen. Transplantations­tourismus hat nichts mehr mit ethischen Grundsätzen zu tun. Wo befinden sich diese Transplantationskliniken, wenn man sie so nennen darf? – Sie befinden sich zum Bei­spiel in Südkorea. Warum? – Weil diese Kliniken von den Gefangenen oder von den Hingerichteten aus China gespeist werden, die bei Bedarf, nämlich bei Organbedarf, hingerichtet werden. Sie werden dann hingerichtet, wenn gerade eine Leber gebraucht wird. Die Gefangenen haben keine Verfügung über ihren Körper.

Noch schlimmer – und das hat die UNO als Top-Punkt genannt – ist, dass immer mehr verarmte Kinder, Waisenkinder, Straßenkinder, für immer verschwinden, nämlich um als menschliche Organbank ausgeweidet zu werden. Hier hat sich diese Zahl bereits enorm erhöht.

Wenn wir sagen, das ist die Grausamkeit par excellence, dann muss man natürlich sa­gen, dass vor allem viele arme Menschen einwilligen, Organe zu verkaufen, um sich oder ihrer Familie ein Überleben zu sichern.

Das gehört international abgestellt. Herr Minister! Ich bitte Sie, wenn diese Konvention jetzt kommt, wenn die internationale Kriminalisierung und dieser Kampf dagegen kom­men, dass Österreich hier bitte von Anfang an Flagge zeigt und dabei ist.

Vielleicht ist bei einem so unangenehmen Thema eine Meldung gut: China hat erklärt, ab 2014 den Handel mit Organen von Gefangenen einzustellen. Das ist ja immerhin et­was, hat aber dazu geführt, dass Korea protestiert hat. Sie sehen, wie viel Ethik hier notwendig ist.

Der UNO-Bericht von 2009 besagt, dass der Handel mit menschlichen Organen, mit Gewebe und Zellen bereits die Dimensionen des Waffenhandels, des Drogenhandels und des Frauenhandels erreicht hat. Ich bin froh, dass wir in Österreich hier heute ein ethisch korrektes, dem Prinzip der Freiwilligkeit folgendes Gesetz beschließen. Aber wir dürfen nicht die Schattenseiten übersehen. Herr Minister, ich weiß, dass Sie hier auf unserer Seite sind.

Ich glaube, Österreich sollte hier mit anderen europäischen Ländern Gas geben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Organtransplantations­gesetz erlassen und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 70

ben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.12.394. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (1898 d.B. und 1982 d.B. sowie 8821/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. Bitte um die Berichterstattung.

 


13.12.55

Berichterstatter Edgar Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme deshalb gleich zum Antrag.

Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


13.13.46

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! In der Europäischen Union gibt es schon wieder, wie so oft in letzter Zeit, eine Gesetzeslage zu novellieren und den EU-Richtlinien anzupassen.

Das neue Arzneimittelgesetz setzt europäische Regelungen bezüglich eines Gemein­schaftscodes und harmonisierte Vorschriften für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln um. Diese Änderung wird beinahe alle Bereiche unseres Arz­neimittelgesetzes betreffen, unter anderem auch die Meldung von Nebenwirkungen, die Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung eines Arzneimittels oder aber auch die Bereitstellung von Informationen durch die Behörden und die Infor­mationsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit. Notwendig ist diese europäische Harmoni­sierung, wie in vielen anderen Bereichen auch, um eine Doppelgleisigkeit sowohl bei den Behörden der Mitgliedstaaten als auch bei den Zulassungsinhabern zu beseitigen. Die Arzneimittelsicherheit in Europa muss gestärkt werden. Und dies ist nur durch die Zusammenarbeit aller europäischen Staaten möglich.

Ein weiterer Fortschritt ist darin zu finden, dass neben den Ärztinnen und Ärzten be­ziehungsweise den Ausübenden anderer Gesundheitsberufe auch die Patientinnen und Patienten aktiv in die laufende und systematische Überwachung von Arzneimitteln nach ihrer Zulassung, die zur Prophylaxe, Diagnose oder Behandlung von Krankheiten angewendet werden, eingebunden werden. Damit werden in Zukunft die auf dem Markt befindlichen Arzneimittel transparenter gemacht.

Das neu einzurichtende Internetportal für Arzneimittel wird dabei eine wichtige Rolle spielen. In der EU sind pharmazeutische Unternehmer schon jetzt verpflichtet, Meldun­gen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf elektronischem Wege an ihre je­weils zuständige nationale Arzneimitteloberbehörde weiterzuleiten. Diese werden an die Europäische Arzneimittelagentur weitergeleitet, wo sie koordiniert und archiviert werden.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 71

Es wird auch Maßnahmen gegen die Fälschung von Arzneimitteln und gegen die Ver­breitung dieser gefälschten Arzneimittel geben. Entsprechende gerichtliche Strafen wird es geben.

Die vorliegende Novelle bringt mehr Vorteile und mehr Sicherheit für alle Beteiligten im Gesundheitssystem, und wir werden diese sehr gerne unterstützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


13.16.41

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin hat es schon angesprochen: Wenn wir heute diese Novelle zum Arzneimittelgesetz beschließen, so ist das einerseits eine Umsetzung der EU-Richtlinie, die sich zum Ziel gesetzt hat, harmonisierte Vorschriften für die Geneh­migung und Überwachung unserer Humanarzneimittel zu schaffen, aber andererseits ist es ein Beitrag zu mehr Sicherheit in unserem Gesundheitssystem. Dadurch soll es europaweit zu einer verbesserten Zusammenarbeit kommen. Die Doppelgleisigkeiten bei den Behörden oder einzelnen Staaten und die Zahl der Zulassungsinhaber können dadurch vermindert werden.

Die bereits zugelassenen, sich auf dem Markt befindlichen Medikamente erhalten ein neues Risikomanagement, das ist ein Kernpunkt des Ganzen. Dadurch dass die An­wender Nebenwirkungen von Medikamenten melden, sind künftig neben den Ärzten auch die Patienten wirklich aktiv miteingebunden. Das System der Überwachung der Arzneimittel wird dadurch auch für jeden transparenter und zugänglicher.

Nun schaffen wir eine Verbesserung bei der Sicherheit der Einnahme von Arzneimit­teln. Zwei Tagesordnungspunkte vorher konnten wir ELGA beschließen, die dem Pa­tienten die Möglichkeit bietet, wenn er es will, an diesem elektronischen System teilzu­nehmen, und den Apotheken die Möglichkeit gibt, die Medikamente auf Wechselwir­kungen hin zu prüfen. Das erfolgt aber nicht bei Medikamenten, die über das Internet oder in den Supermärkten gekauft werden. Das ist ein Bereich, den wir uns auch in Zu­kunft anschauen müssen und für den wir in Zukunft auch eine Antwort finden sollen.

Dieses Gesetz ist ein Schritt zur weiteren Arzneimittelsicherheit und zum Wohle der Patienten, und dem können wir natürlich nur zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.19.155. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volksbefragungsge­setz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpassungsgesetz 2012) (2100/A und 1994 d.B. sowie 8816/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 72

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um die Berichterstattung.

 


13.19.40

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Födera­lismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volksbefra­gungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpassungsgesetz 2012).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November den Antrag, gegen das vorliegende Gesetz keinen Einspruch zu erhe­ben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf zur Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt sehr herzlich Herrn Staatssekre­tär Kurz begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


13.20.38

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die steirischen Verwaltungsrefor­men erreichen vorzeitig Wien – das ist zugegebenermaßen eine gewagte beziehungs­weise eine etwas spitzfindig formulierte Einschätzung.

Spitzfindig deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil natürlich völlig außer Streit steht, dass jene Materie, die wir unter diesem Tagesordnungspunkt zu beschließen ha­ben, der maßgebliche Motor hinter der vor uns liegenden Volksbefragung im Jän­ner 2013 zum Berufsheer ist.

Primär erfolgt daher die jetzige Adaptierung sowohl der Nationalrats-Wahlord­nung 1992 als auch des Volksbefragungsgesetzes 1989 vorzeitig aus diesem Grund.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte aber trotzdem keinesfalls außer Acht las­sen, dass intensive Vorarbeiten der steirischen Reformpartnerschaft von SPÖ und ÖVP auf steirischer Ebene uns heute in die Situation versetzen, diese Veränderungen mit möglichst breiter Zustimmung in Wien ins Ziel zu bringen.

In diesem Zusammenhang werden drei politische Bezirke neu fusioniert, darüber hi­naus die Gemeinde Trofaiach neu strukturiert. Nicht zuletzt vergessen werden sollte dabei, dass auch die Regionalwahlkreise neu adaptiert werden.

Da wir im Zuge der Debatte mit dem Tiroler Landeshauptmann schon Gelegenheit ge­habt haben, über die einzelnen Schwerpunkte der Gemeindereformen, Verwaltungsre­formen der einzelnen Bundesländer intensiv zu diskutieren, freue ich mich, dass wir unter diesem Tagesordnungspunkt maßgebliche Bemühungen auf steirischer Ebene heute auch in Wien ins Ziel führen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Perhab. – Bitt


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 73

e.

 


13.23.09

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Klug hat inhaltlich bereits ausführlich über die Motivation dieser Gesetzesänderung referiert. Dass die Steiermark da der An­lassfall ist, ist, wie ich meine, auch aus unserer Sicht so zu sehen, und als Beispiel einer funktionierenden Reformpartnerschaft darf ich meine Ausführung beenden und bedanke mich für das einstimmige Vertrauen des Bundesrates. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schreuder. – Bitte.

 


13.23.54

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! (Bundesrat Todt: Sprichst du hoffentlich dagegen!?) – Ich bin dafür! Wir stimmen auch dafür. Zu diesem Anlass möchte ich ganz kurz sagen – ich möchte mich an die Kürze der Reden meiner Vorredner halten –: Der steirischen Zusammenlegung stimmen wir zu.

Was wir ein bisschen problematisch sehen, ist die Tatsache, dass Informationen zu den Volksbefragungen jetzt explizit nicht mehr zum Beispiel am Wochenende aufliegen können und sich die Menschen über die verschiedenen Diskussionen, über die Haltun­gen zu einer Frage informieren können. – Und das gehört bei Volksbefragungen nun grundsätzlich und prinzipiell geklärt.

Hoffen wir, dass direktdemokratische Mittel verstärkt eingesetzt werden. In der Schweiz sind die Ämter verpflichtet, Informationen für die Bürgerinnen und Bürger be­reitzulegen, die ganz neutral die Pros und Kontras übermitteln, warum man für etwas sein kann und warum man gegen etwas sein kann. Das würde ich mir nicht nur bei der Befragung im Jänner 2013 wünschen, sondern das halte ich grundsätzlich bei Volksbe­fragungen für sinnvoll. Abgesehen davon, dass wir natürlich noch wesentlich mehr de­mokratische Mittel brauchen, ist das ein technisches Gesetz, und zur Demokratie­reform generell werden wir ja noch viel diskutieren, nehme ich an. – Danke schön. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Kurz. – Bitte.

 


13.25.36

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bin immer schon gerne im Bundesrat gewesen. Ich muss sagen, dieses Mal bin ich ob der Kürze sehr beeindruckt, habe eigentlich nichts mehr hinzuzufügen und freue mich, wenn ich das nächste Mal wieder da sein darf. – Danke. (Allgemeiner Beifall und allgemeine Hei­terkeit.)

13.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Das war eine kurze Wortmeldung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.26.166. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge der obersten Organe des Bun-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 74

des, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates und der von Öster­reich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments (Bundesbezügege­setz – BBezG), BGBl. Nr. 64/1997, geändert wird (2057/A und 1995 d.B. sowie 8817/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


13.26.29

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Novem­ber 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge der obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundes­rates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments ge­ändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.27.597. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das EU-Amtshilfegesetz erlassen wird und das Einkommensteuer­gesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuerge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Gebührenge­setz 1957, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versi­cherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Flugabga­begesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Stiftungseingangssteuer­gesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsge­setz 2010, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Biersteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Schaumweinsteu­ergesetz 1995, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Finanzstrafgesetz und das Ausfuhrerstattungsgesetz geändert werden (Abgaben­änderungsgesetz 2012 – AbgÄG 2012) (1960 d.B. und 1977 d.B. sowie 8815/BR d.B. und 8823/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Zehentner. – Bitte um den Bericht.

 


13.28.13

Berichterstatter Robert Zehentner: Geschätzter Herr Präsident! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Amtshilfegesetz erlassen wird und das im Besonderen das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 75

Glücksspielgesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Flugabgabengesetz und das Normverbrauchsabgabegesetz 1991 geändert wird.

Der Bericht liegt allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage vom 27. November 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg (den Vorsitz übernehmend): Danke für den Bericht.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


13.29.20

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr fiktiver Staatssekretär! – Ich neh­me an, dass der Herr Staatssekretär hätte kommen sollen.

Bei diesem Abgabenänderungsgesetz ist es unnötig, darauf hinzuweisen, dass es sich um 26 Steuer- und Abgabengesetze handelt, die natürlich wieder eine Belastungsstei­gerung der österreichischen Wirtschaft und der österreichischen Arbeitnehmer und Ar­beitnehmerinnen bringen wird. 2012 werden die Ausgaben 15 Prozent über den Ein­nahmen liegen. Das ist die einzige ehrliche Rechnung, die Steuereinnahmen mit Staatsausgaben vergleicht, das sind absolute Zahlen und keine unsäglichen Prozent­sätze, denn wir alle wissen, dass diese Prognosen eigentlich im Grunde genommen nicht stimmen.

Zum Beispiel hat ein Forschungsinstitut, das immer von der Bundesregierung erwähnt wird, im Dezember letzten Jahres prognostiziert, dass Österreich 2011 mit einem BIP-Wachstum von 3,5 Prozent abschließen wird. Was ist Faktum gewesen, wenn man sich die Zahlen der Statistik Austria anschaut? – In Wirklichkeit waren es nur 2,7 Pro­zent, natürlich weil die Inflation höher war als angenommen. Die Inflation betrug weit über 3 Prozent, das wurde wieder einmal falsch prognostiziert.

Es stimmen auch die Verhältniszahlen zum Maastricht-Kriterium nicht. Das Maastricht-Kriterium geht bekanntlich von 3 Prozent aus. Die österreichische Bundesregierung bricht jahrein, jahraus immer das Maastricht-Kriterium, obwohl sie dermaßen EU-affin ist, aber Österreich selbst hält sich nicht an die Gesetze, das Defizit wird über 3,5 Pro­zent ausmachen. Wir können also weiter darauf warten, dass Österreich endlich einmal die Maastricht-Kriterien einhält, geschweige denn überhaupt irgendwann einmal ein an­nähernd ausgeglichenes Budget vorlegt.

Wir wissen, in der Schweiz zum Beispiel werden jahrein, jahraus Überschüsse erzielt, seit etwa 2004. – Österreich ist kilometerweit davon entfernt. Ausgaben um Ausgaben, Abzocke um Abzocke der österreichischen Bundesregierung an unseren Bürgerinnen und Bürgern. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Jemand von der ÖVP hat einmal gesagt – vielleicht war es der Fraktionsführer Knei­fel –, die EU hat 70 Jahre Frieden gebracht und wird hoffentlich noch weitere 70 Jah­re – oder – endlos Frieden bringen. Das ist sicher richtig. Frieden für ganz Europa hat aber jedes Land gehabt – mit Ausnahme dieses unsäglichen Jugoslawien-Kriegs, und da frage ich mich: Wo ist das ganze Geld? Wo ist das Geld? Bei diesen immensen Staatsschulden, die wir da angehäuft haben, wäre es nötig, sich die Frage zu stellen, ob man nicht einmal Einnahmen thesaurieren könnte. Könnte man dieses Geld nicht sammeln und so, wie es die Norweger und die Schweizer machen, in einen Staats­fonds legen, um für die Zukunft vorzusorgen, um eine Zukunftssicherung einzuplanen? Wieso muss man permanent das Geld beim Fenster rausschmeißen und kann nicht einmal etwas thesaurieren, etwas ansammeln, etwas sparen, so wie es jeder einzelne


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Bürger machen muss, um für die Zukunft vorzusorgen? Das ist euch vollkommen fremd, das könnt ihr überhaupt nicht.

Wo ist da der Staat gefragt? Der Staat soll für seine Bürger Sicherheit für die Zukunft garantieren und nicht in der Gegenwart Staatsschulden anhäufen, die bereits den gesamten Betrag des Bruttoinlandsprodukts von 300 Milliarden € ausmachen. Die wer­det ihr nie zurückzahlen können – niemals! Eine 50-jährige Staatsanleihe würde ich als Bürger niemals kaufen. Ihr müsst froh sein, dass ihr diese naiven Banken und Pen­sionsversicherungen habt, die diese Staatsanleihen kaufen, denn das ist ein Verlustge­schäft par excellence. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Kurz zur Konjunktur: Leider müssen wir sehen, dass die Konjunktur einbricht, gerade in den letzten drei, vier Wochen. Das sind aber keine Krisen – bei euch heißt es ja immer: Krise, Krise, Krise –, sondern das sind konjunkturelle Schwankungen, mit denen wir als Unternehmer zu tun haben und unter denen auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leiden. Wo gibt es Geld für die Reserven? Wo ist irgendetwas angespart worden nach 70 Jahren Frieden, sodass man diesen Unternehmern und Unternehmerinnen endlich einmal helfen kann, wenn es wirklich zu einem Konjunktureinbruch kommt, wenn wirk­lich einmal Not an Geld herrscht? Wo ist da der Staat? Wo ist er da, wo hilft er denn, der angeblich so gerechte Staat? Wo ist er denn? Wem hilft er? Bekannt ist nichts, die Belastungen steigen, und wo ist die Wirtschaftskammer? Wo ist die Kammer, die im­mer sagt, sie ist angeblich Teil der Sozialpartnerschaft, sie sichert den Frieden? (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) Diese Sozialpartnerschaft gibt es auch in der Schweiz und in Deutschland, die haben genauso Frieden, aber dafür nur die Hälfte der Belastungsquote, die ein österreichischer Unternehmer mit seinen MitarbeiterInnen zu erdulden hat.

Liebe ÖVP! Überlegt euch das, wie man in der Wirtschaftskammer endlich einmal die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer ehrlich vertritt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Winzig.)

In Wien hackt ihr auf die grün-rote Regierung hin. Aber was ist mit Österreich? Da macht ihr, was die Belastungen betrifft, mit eurer – unter Anführungszeichen – „ge­schätzten“ Frau Finanzministerin und dem Herrn Staatssekretär Schieder, der heute leider Gottes durch Abwesenheit glänzt, lustig mit.

Die Abgabenquote steigt auch dann, wenn allein die Steuersätze gleich bleiben. Das ist das Interessante, das ist die sogenannte kalte Progression. Jedes Jahr lukriert der österreichische Staat ungerechtfertigter Weise 900 Milliarden € durch diese kalte Pro­gression, ohne dass die Steuersätze erhöht werden, denn Österreich ist das einzige Land, das noch diese ungerechtfertigte kalte Progression hat. Bekanntlich bleibt da­durch die Bemessungsgrundlage gleich vom Grundfreibetrag von 11 000 €, 25 000 € und 60 000 € für den höchsten Steuersatz, und dieser müsste der Inflation angepasst werden. Das wäre gerecht, denn durch die kalte Progression steigt die Steuerlast immer mehr, weil die Bemessungsgrundlage, die angepasst werden müsste, gleich bleibt.

Das Geld gehört den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern und sicher nicht dem österreichischen Staat, der die Gelder immer nur nach Griechenland verschiebt, immer nur in die EU hineinschiebt, immer nur das Budget dort aufpulsiert, aber nicht den ös­terreichischen Bürgerinnen und Bürgern zuerkennt. Die kalte Progression gehört ab­geschafft. Österreich ist das letzte Land in der EU, das diese kalte Progression hat. Seit 2009 wurden die Einkommenstarifsätze nicht angepasst. (Ruf: Das stimmt!) – Eben.

Also bitte, bringt diesen Antrag ein, dann können wir gemeinsam die kalte Progression abschaffen. Ich bitte darum.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 77

Die Belastung wird fortgeschrieben, der Bürger abgezockt, gleich einem tributären Herrschaftssystem. Das muss einmal gesagt werden dürfen. So geht es nicht weiter, es soll hier endlich einmal ein Gesetzentwurf eingebracht werden, durch den die Kos­ten und die Steuern reduziert werden, und zwar für alle gleichzeitig.

Es ist mühsam, sich immer den Kopf über den Staat zu zerbrechen. Wir brauchen Wirt­schaft von unten, das heißt, wir müssen darauf schauen, wie es den Bürgerinnen und Bürgern, wie es den Unternehmern, wie es den Kleinst- und Kleinbetrieben geht, und nicht darauf schauen, wie es diesen Großkonzernen, den Giganten geht, und sicher nicht – sicher nicht! –, wie es dem österreichischen Staat geht, der nur abzockt. Aus diesem Grund lehnen wir dieses Abgabenänderungsgesetz in Bausch und Bogen ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

13.37


Präsident Georg Keuschnigg: Ich darf sehr herzlich die Bundesministerin für Fi­nanzen, Frau Dr. Fekter, bei uns begrüßen. (Ruf: Jetzt ist sie „schon“ da!) Herzlich will­kommen im Bundesrat!

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.37.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist die Frau Bun­desministerin etwas zu spät gekommen. Du hättest dir anhören können, wie es heute wieder einmal ein Regierungs-Bashing vonseiten unserer freiheitlichen Kollegen gab. (Bundesrätin Mühlwerth: Mein Gott, der Arme! – Zwischenruf der Bundesrätin Michal­ke.) Kollege Pisec – voll in Blüte! Ich hoffe, du kannst schon wieder durchatmen. Geht es schon wieder? – Das war emotional stark. Er hat auch die Wirtschaftskammer an­gegriffen. Ich bin niemand, der die Wirtschaftskammer verteidigt, und ich reite da auch nicht aus, Frau Finanzministerin, aber in aller Deutlichkeit sei hier erwähnt, Herr Kol­lege Pisec: Die Wirtschaftskammer vertritt ihre Unternehmen schon zum Vorteil von unserem Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

Wir stehen wirklich hervorragend da. Man muss es euch, Frau Mühlwerth, immer wie­der erklären, wie gut Österreich dasteht. Das ist doch auch ein Erfolg von unseren Un­ternehmen, von unseren Wirtschaftstreibenden und von den ArbeitnehmerInnen im Ge­samten: die niedrigste Arbeitslosenquote, die niedrigste Jugendarbeitslosenquote – wir haben eine wunderbare Entwicklung im Staate Österreich. Reden Sie das doch nicht immer schlecht, Herr Kollege Pisec und Frau Kollegin Mühlwerth! Ihr redet an den Fakten vorbei. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr lobt alles zu Tode!)

Noch etwas: Die Sozialpartnerschaft in Österreich ist nicht nur hoch gepflegt und höchst angesehen, sondern aus der ganzen Welt kommen Regierungsmitglieder und Vertreter von Organisationen zu uns, seien es Arbeitnehmerorganisationen oder Ar­beitgeberorganisationen, die sich das anschauen. – Das ist beispielgebend. Unsere Sozialpartnerschaft ist Best Practice für die ganze Welt, und diese kann man hier auch nicht schlechtreden, Herr Kollege Pisec. Das in aller Form – und als voraussehende Botschaft, denn wir haben an und für sich ausgemacht, dass ich als EU-Ausschuss-Vorsitzender über die EU-Amtshilfe rede, aber der Kollege Pisec schafft es natürlich immer wieder, uns herauszufordern, weil mehr oder weniger ein Großteil seiner Platti­tüden auch ein Nonsens ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, na, na!) Das muss man in aller Form einfach einmal sagen, Herr Kollege Pisec. (Demonstrativer Beifall der Bun­desrätin Kerschbaum.) – Bescheidener Applaus von unserer Kollegin von den Grü­nen, aber sie hat recht.

Zum Amtshilfegesetz sei kurz gesagt, dass wir eine Änderung ab 1. Jänner 2013 und die Richtlinie für die Besteuerung ab 1. Jänner 2015 haben werden. Bei der Amtshilfe-


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Richtlinie Neu werden die bisherigen Anwendungsbereiche der Amtshilfe erweitert. Sie wird effizienter und effektiver, wobei auch wesentlich ist, dass dem seit dem Jah-
re 1977 eingetretenen Fortschritt Rechnung getragen wird.

Die Frau Kollegin Zwazl kommt zurück, Herr Kollege Pisec. (Heiterkeit bei der ÖVP so­wie der Bundesrätinnen Kerschbaum und Kemperle.) Du hast großes Glück gehabt, dass sie das Wirtschaftskammer-Bashing nicht gehört hat. – Aber zurück zum EU-Amtshilfegesetz. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Bei den neuen Möglichkeiten kann man besonders die Erweiterung der Geltungsberei­che der Amtshilfe, die Ausweitung und Verbesserung des Informationsaustausches, die Vereinfachung des Zustellungsverfahrens und die administrative Vereinfachung des Informationsaustausches herausgreifen. Dies läuft auch darauf hinaus, dass der gegenseitige Support bei steuerlichen Ermittlungsverfahren unbedingt erforderlich ist, um den Herausforderungen des Binnenmarktes besser gerecht zu werden, und inzwi­schen die implementierten Fakten, was OECD-Standards anbelangt, auch einer ent­sprechenden Gewährleistung unterliegen. Bisher wurde der Anwendungsbereich auf Steuern vom Einkommen und vom Vermögen beschränkt, nun wird am 1. Jänner die Möglichkeit der Amtshilfe auf Steuern aller Art, einschließlich – das ist auch essen­ziell – Landes- und Gemeindeabgaben, erweitert.

Ich schließe mit einem wesentlichen Punkt: Die Möglichkeit der Ablehnung des Infor­mationsaustausches für Bankenauskünfte wird aufgegeben, und für bestimmte Ein­kunftsarten gibt es ab 1. Jänner 2014 einen automatischen Informationsaustausch. Wie auch im Ausschuss besprochen, gibt es jetzt zusätzlich die Möglichkeit der Teilnahme von Bediensteten der eigenen Finanzverwaltung an der Durchführung von steuerlichen Ermittlungsverfahren in anderen Mitgliedstaaten.

Das EU-Amtshilfegesetz bringt also einige wesentliche Verbesserungen, um Steuer­flucht weiter zu bekämpfen, und wir werden ihm gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Stadler.)

13.42


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.42.05

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wort „Plattitüden“, Herr Kollege Mayer, war meiner Meinung nach so passend, dass ich applaudieren musste. Es gefällt mir schon, wie du manchmal die richtigen Worte, die ganz richtigen Worte findest. (Bundesrat Mayer: Ich bin begeistert! – Bundesrätin Zwazl: Elisabeth, was heißt „manchmal“?) – Nicht immer! Immer wäre übertrieben.

Ich hätte den Herrn Kollegen Pisec schon noch gerne gefragt, was er damit meint, wenn er von der Abzocke durch den Staat spricht. Wer ist der Staat? – So ungern ich sie verteidige, aber in diesem Fall ist es nicht die Frau Finanzministerin, die das Geld in die Tasche steckt. (Bundesrat Stadler: Na hoffen wir es!) Es ist auch keine natürliche Person, die das Geld in die Taschen steckt, sondern es geht sehr wohl darum, dass man auf der einen Seite Steuermittel und Abgaben lukriert und das Geld auf der ande­ren Seite für sinnvolle Dinge einsetzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, sinnvolle Dinge, das ist der Punkt!) Und unser Staat macht sehr viele sinnvolle Dinge. Man kann na­türlich über manches hin und her diskutierten, aber zu sagen, der österreichische Staat, der sowieso nur abzockt, soll das Geld nicht bekommen – das ist wirklich eine Plattitüde. Da muss ich dem Kollegen Mayer recht geben. (Demonstrativer Beifall und Bravoruf bei Bundesräten der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 79

Wir werden der Vorlage trotzdem nicht zustimmen, weil es natürlich schon auch darum geht, dass Steuern und Abgaben unter anderem dazu dienen sollen, zu steuern. Es gibt einige positive Ansätze, die wir natürlich anerkennen – angefangen bei der Neuer­mittlung der Einheitswerte, die schon lange überfällig ist, und wenn man das einmal an­geht, ist das prinzipiell erfreulich; auch die Neuerungen bei der Grunderwerbsteuer oder das Amtshilfegesetz sind positiv –, aber mit einem Thema in dieser Vorlage habe ich ein großes Problem, und das ist die Senkung der Flugticketabgabe, die für mich keinerlei Sinn in Richtung „etwas steuern“ ergibt.

Schauen wir uns die österreichische Verkehrspolitik beziehungsweise die verschiede­nen Verkehrsträger, die wir in Österreich haben, einmal an. Da haben wir eine Bahn, bei der wir später noch darüber reden werden, wie das mit der Finanzierung von Kos­ten ist. Dann haben wir das Auto, wo es doch auch einige Belastungen gibt, die wir zwar jetzt nicht so anprangern, aber dafür andere, von der Mineralölsteuer über Maut­gebühren et cetera. Und dann gibt es das Flugzeug.

Wir alle wissen, dass es auf europäischer Ebene offensichtlich nicht möglich ist – auf weltweiter Ebene sowieso nicht –, eine Kerosinbesteuerung einzuführen, damit ein bisschen Gleichheit der verschiedenen Verkehrsträger hergestellt wird. Dann haben wir noch ein paar kleinere Abgaben für den Flugverkehr, und selbst diese paar kleinen Ab­gaben für den Flugverkehr werden wir jetzt noch einmal senken. Das ist für mich nicht verständlich. Vielleicht können Sie mir irgendwie erklären, woher das rührt, dass ich nun genau die Nutzer desjenigen Verkehrsträgers, der eigentlich die größte Umweltbe­lastung mit sich bringt und der auf der anderen Seite die wenigsten Abgaben und Steuern bezahlt, nun noch einmal entlaste. (Bundesministerin Dr. Fekter: Aus Wettbe­werbsgründen! Deutschland macht es genauso!)

Aus Wettbewerbsgründen. – Das ist aber traurig, denn im Prinzip gilt der Wettbewerb meiner Meinung nach in diesem Fall zwischen Schiene, Straße und Flugverkehr. Das wäre ein Wettbewerb, in dessen finanzielle Regelung man auch einmal eingreifen könnte. (Bundesrat Krusche: Fahren Sie einmal mit dem Zug nach Südamerika!)

Die traurige Wahrheit ist, dass selbst bei kurzen Strecken – Brüssel et cetera – der Flieger inzwischen leider, leider billiger ist als die Bahn. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann musst du eben Sparschiene fahren! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Ich denke mir, das ist ein Problem, das den meisten von uns hier schon aufgefallen ist. Ich weiß nicht, ob es euch auch schon aufgefallen ist, aber den meisten von uns ist schon aufgefallen, dass das eigentlich nicht erklärbar ist.

Es ist sicher nur ein kleiner Teil, und 1 € weniger oder 1 € mehr pro Flugticket wird das Kraut nicht fett machen, aber letztendlich ist es ein Schritt in die falsche Richtung, und das ist für mich mit ein wichtiger Grund, warum wir das heute ablehnen. Prinzipiell hätten wir uns schon auch gewünscht, dass wir, wenn wir schon Steuern- und Abga­benänderungen vornehmen, ein bisschen mehr in Richtung Vermögensbesteuerung gehen beziehungsweise insgesamt ein bisschen mehr in Richtung Steuern und nicht nur Abgeben. – Danke. (Bundesrätin Zwazl: Oje, Elisabeth, bist du ganz alleine?)

13.46


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lin­dinger. – Bitte.

 


13.46.35

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Lie­be Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Kollege Pisec, was soll ich sagen? (Bundesrat Stadler: Sag nichts mehr!)

Kollege Pisec, erstens einmal behandeln wir heute hier das Abgabenänderungsgesetz und haben keine allgemeine Budgetdebatte. Ich glaube, als Parlamentarier müsste


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 80

man die Tagesordnung so weit lesen können, dass man erkennt, dass es hier nicht um das Budget, sondern um Abgabenänderungen gegangen ist.

Auch die Wortwahl – Abzocke, Abzocke – hat mir nicht gefallen. Ich könnte genauso sagen: Unkenntnis, Unkenntnis, Unkenntnis – nämlich der Tagesordnung, denn in die­sem Gesetz geht es nicht darum. Heute werden bei dieser Änderung 27 Gesetze und 68 Änderungen punktuell beschließen. Da geht es großteils um Vorteile für Bürgerin­nen und Bürger und auch für die österreichische Wirtschaft.

Kollege Pisec, du sagst, sehr viel Geld wird ins Ausland, nach Griechenland verscho­ben, um Griechenland zu stützen. Bleiben wir doch im Land, im südlichsten Bundes­land! Schauen wir uns an, was uns die Hypo schon gekostet hat, was uns dieses De­saster der Freiheitlichen Partei, der FPK oder wie sie auch sonst noch heißen mag, schon gekostet hat! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Krusche: Das steht aber auch nicht auf der Tagesordnung!)

Diese Novellierungen und das Abgabenänderungsgesetz bringen den österreichischen Staatsbürgern allein bei den beiden Positionen Kfz-Steuer und Versicherungssteuer und Flugabgabe 9 Millionen € Steuerersparnis. Das heißt, das Geld bleibt in der Wirt­schaft, es bleibt den Bürgern.

Allein durch die Gleichstellung von Papier- und elektronischer Rechnung, hat man hochgerechnet, ersparen sich die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger 300 bis 400 Millionen, und zum Beispiel beim Gebührengesetz allein gibt es 830 000 € Einspa­rungen jährlich. Ich glaube, dass es auch in Unkenntnis dessen, dass es hier um ein Gesetz geht, mit dem den Bürgern Abgaben erspart werden, vielleicht angebracht wä­re, diesem Abgabenänderungsgesetz zuzustimmen. Wir Sozialdemokraten stimmen gerne zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Bunderäten der ÖVP.)

13.49


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


13.49.27

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Als ich hereingehuscht bin, hat man mir gesagt, ich habe etwas versäumt. Ich glaube, ich habe nicht viel versäumt, denn die Ausführun­gen, die kenne ich schon. Da gibt es nicht sehr viel Neues.

Es ist immer sehr einfach, auf eine Institution zu schimpfen, wenn man sich selbst nicht ordentlich in diese Institution einbringt. Ich bin jemand – ihr wisst das – mit Bodenhaf­tung, ich habe immer meine Beispiele, und ich finde es wirklich schade, dass man die beste, die stärkste Interessenvertretung, die es für uns Unternehmerinnen und Unter­nehmer gibt – und gerade auch für Klein- und Mittelunternehmer –, immer schwachre­det. Das kann man ohnehin nur bei jemandem machen, der sich nicht auskennt.

Wir sind froh, dass wir diese Interessenvertretung haben. Ich als Niederösterreicherin kann mit Fug und Stolz sagen, dass wir unsere Unternehmerinnen und Unternehmer gut vertreten – das sieht man bei den Kammerwahlen. Wir haben immer sehr, sehr gu­te Ergebnisse bei den Kammerwahlen, mit Abstand. Warum? – Weil wir die Mitglieder immer gut betreuen und weil wir auf Initiativen setzen, von denen die Unternehme­rinnen und Unternehmer etwas haben.

Ihr (in Richtung FPÖ) schwenkt ja jetzt manchmal auf eine soziale Linie ein – dort sind wir schon längst, weil wir um deren Notwendigkeit wissen! Ich habe die „Betriebshilfe“ ins Leben gerufen: Wenn eine Unternehmerin ein Baby bekommt, bekommt sie eine Kraft 40 Stunden in der Woche gratis zur Verfügung gestellt; auch wenn ein Kleinst­unternehmer durch Unfall oder Krankheit ausfällt, bekommt er das. Wir haben bei


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Langzeitkrankenständen die Rückvergütung, die Entgeltrückerstattung bei Arbeits- und Freizeitunfällen angedacht.

Ich bringe jetzt ein Beispiel, das ich vorige Woche bei mir im Wirtschaftsparlament er­lebt habe. Da ist es darum gegangen – das war ein Antrag der Freiheitlichen –, dass man die Zahlungstermine zur Abgabe der Sozialversicherungsbeiträge um einen Mo­nat verschiebt, denn es gibt ganz einfach Monate, wo viel zusammenkommt: Einkom­mensteuer, die Umsatzsteuer haben wir sowieso, doppelte Gehälter et cetera.

Ich habe gesagt: Das ist eine sehr gute Idee, danke schön für den Anstoß, aber den­ken wir doch weiter! Worum geht es denn wirklich? Es geht hier ganz einfach um den Betrag! Wäre es nicht gescheit, wenn wir sagen, wir machen es für die Klein- und Mit­telbetriebe oder für die, die gerade ein bisschen Schwierigkeiten haben, so: Teilen wir das doch auf und sagen wir, unsere Betriebe können diese Beiträge monatlich zahlen! Dadurch haben sie dann diesen Betrag nicht vierteljährlich auf einmal. Und überlegen wir uns, ob wir es nicht doch schaffen, dass wir die Verzugszinsen, die derzeit – und das lasst euch schon auf der Zunge zergehen – 8,88 Prozent betragen, reduzieren.

Was war die Reaktion von meinem Kollegen von den Freiheitlichen im Wirtschaftspar­lament? – Er hat Folgendes gesagt: Es mag sein, dass die Idee gut ist, aber wir von den Freiheitlichen sagen Nein. – So, und jetzt frage ich dich: Wer ist der bessere In­teressenvertreter, und wie schwierig ist es, mit Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten, die das Herz nicht bei den Unternehmern haben, sondern wo Parteiinteressen über Wirtschaftsinteressen gehen? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Und so stört uns deine Kritik nicht, weil wir wissen, dass wir gute Arbeit leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt komme ich zum Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Jahre, knapp vor Weihnachten, gibt es ein umfassendes Abgabenänderungsgesetz. Was die Änderungen betrifft, setze ich mich kurz mit dem Umsatzsteuergesetz auseinander, und ich möchte dann noch ein bisschen auf aktuelle wirtschaftliche Notwendigkeiten eingehen.

Mit dem Umsatzsteuergesetz wird der elektronischen Rechnung Leben eingehaucht. Der Hauptgrund des bisherigen Dornröschendaseins war, dass eine elektronische Rechnung nur dann dem Gesetz entsprochen und zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, wenn sie mit einer elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen war. Nach der vorliegenden Neuregelung ist die elektronische Signatur unter be­stimmten Bedingungen nicht mehr erforderlich – konkret dann, wenn durch ein innerbe­triebliches Kontrollsystem die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts gewährleistet ist. Dies kann zum Beispiel durch Vergleich der Rechnung mit der Be­stellung und mit den Zahlungsbelegen erfolgen. – Damit ist ein langjähriges Anliegen, das wir, die Wirtschaft, gehabt haben, umgesetzt worden.

Dadurch ist auch ein wesentlicher Beitrag zur Senkung des Verwaltungsaufwandes für Unternehmen geleistet worden – das hat ja schon mein Vorredner gesagt. Es handelt sich da immerhin um einen Betrag, das wiederhole ich noch einmal, von zwischen 300 und 400 Millionen € jährlich. Also wenn das für unsere Betriebe nicht wirklich ein Vorteil ist, dann weiß ich nicht.

Sehr optimistisch stimmt uns auch eine aktuelle Studie über die Nutzenpotenziale der elektronischen Rechnung: Danach gibt es ein gewaltiges Einsparungspotenzial. Unter­nehmer können nach dieser Studie Kosten in der Größenordnung von 1 bis 2 Prozent des Umsatzes einsparen, wenn die papiergebundenen Verfahren durch elektronische und automatisierte Prozesse ersetzt werden. Diese Investitionen rechnen sich für das Unternehmen innerhalb der Zeitspanne von zwischen einem halben Jahr und einem Jahr.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 82

Was noch wichtig ist: Ab 2013 gelten die österreichischen Formvorschriften für eine Rechnung auch dann, wenn der Kunde ein ausländischer Unternehmer ist. Bis jetzt waren Rechnungskorrekturen von ausländischen Kunden an der Tagesordnung, künf­tig ist das ganz einfach nicht mehr der Fall.

Eine Branche wird der Frau Finanzministerin besonders dankbar sein, weil dort auch eine gewisse Ungleichbehandlung abgeschafft wurde: Jetzt ist es so, dass auch die Heilmasseure, genauso wie die Physiotherapeuten, von der Mehrwertsteuer befreit sind. Ein herzliches Dankeschön dafür, weil es auch aus Kundensicht ganz einfach nicht erklärlich war.

Das Abgabenänderungsgesetz beinhaltet zahlreiche Änderungen mit durchaus positi­ven Auswirkungen für die Wirtschaft. Der Ankauf von Hybridfahrzeugen bleibt steuer­lich begünstigt, die Flugabgabe, das haben wir gehört, wird reduziert – Wettbewerbs­vorteil.

Das EU-Amtshilfegesetz dient der Ausweitung und Verbesserung des Informations­austausches, der Vereinfachung des Zustellungsverfahrens und der administrativen Vereinfachung des Informationsaustausches.

Ich denke, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die Steuerpolitik hat im We­sentlichen die wirtschaftlichen Entwicklungen berücksichtigt. Das aktuelle Wirtschafts­barometer der Wirtschaftskammer Österreich zeigt, dass sich die Wirtschaft ein biss­chen eintrübt. Ich denke aber trotzdem, dass wir keinen richtigen Einbruch befürchten müssen. Angesichts dieser Unsicherheit haben aber unsere Betriebe den Rotstift bei Investitionsplänen angesetzt. Insgesamt geben 23 Unternehmen an, Neuinvestitionen streichen zu wollen; 38 Prozent wollen diese aufschieben – und das ist eine Entwick­lung, die wir ganz einfach ernst zu nehmen haben, weil der Investitionsgrad von heute ganz wesentlich bestimmend für die Konjunktur von morgen ist. 68 Prozent der Unter­nehmer erwarten sich steuerliche Investitionsanreize.

Deshalb – und weil wir eben kurz vor Weihnachten sind – erlaube ich mir, auch ein paar Wünsche der Unternehmer vorzubringen. Wir haben zwei Wünsche beziehungs­weise Anregungen: auf der einen Seite die Investitionszuwachsprämie, also eine zehn­prozentige Prämie für Investitionen bis 100 000 € – wir haben uns ausgerechnet, das könnte zum Beispiel 7 000 Arbeitsplätze schaffen –, und auf der anderen Seite gibt es ein Modell, das uns jetzt auch das WIFO bestätigt hat, das ist der Handwerkerbonus. Was heißt das? – Das heißt, dass Investitionen bis 6 000 € mit bis zu 20 Prozent ge­fördert werden, also maximal 1 200 € im Jahr. Das gilt natürlich nur für nichtgeförderte öffentliche Maßnahmen, also für die Privaten. Das wäre für uns in der Wirtschaft ein großer Anreiz und würde auch bedeuten, dass wir weiterhin und nach wie vor ein attraktiver Wirtschaftsstandort sind.

Noch einmal ein herzliches Dankeschön an dich, Frau Finanzministerin, weil es hier doch einige Verbesserungen für die Wirtschaft gibt. Wir alle, die in der Wirtschaft sind, wissen, alles kann man nicht erfüllen, weil wir wissen: Ein Schelm ist der, der mehr gibt als er hat. Wir müssen schauen, dass wir das, was wir geben, auch haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.59


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


13.59.03

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Verehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben ja schon gehört, das Abgabenänderungsgesetz 2012 beinhaltet doch einige Veränderungen – sei es aus


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 83

steuerlicher Sicht, seien es Verwaltungsvereinfachungen, seien es auch Verbesserun­gen zur Betrugsbekämpfung oder auch Änderungen im Finanzstrafrecht, die höhere Strafen nach sich ziehen.

Ich stimme mit Kollegen Pisec in einer Sache überein: dass es sich um 26 Steuer- und Abgabengesetze handelt. Aber dann ist es, glaube ich, mit der Übereinstimmung schon vorbei, da unsere Intentionen zu diesen gesetzlichen Änderungen sehr unterschiedlich sind.

Klar ist auch, dass es Novellierungen gibt, die sehr positive Effekte bringen, aber auch solche, die zu Kritik anregen. Bei einem Interessenausgleich, den diese Änderungen darstellen, ist es klar, dass sie für den einen mehr Positives beziehungsweise Negati­ves bringen als für den anderen.

Die Senkung der Steuerpauschalierung für LandwirtInnen wurde bereits erwähnt. Von Kollegin Kerschbaum wurde die Steuerlücke bei der Grunderwerbsteuer genannt. Zur Flugabgabe haben Kollegin Zwazl und Kollegin Kerschbaum sehr unterschiedlich ar­gumentiert. Weiters wurde auch schon die Verwaltungsvereinfachung, gerade auch im Unternehmensbereich, angesprochen.

Zu Kritik regt aus meiner Sicht die sogenannte Montageregelung an. Es wird jetzt die Steuerbegünstigung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, wenn sie ins Ausland fahren, eingeschränkt. Das kann aus meiner Sicht und aus der Sicht der Interessen­vertretung nicht positiv bewertet werden. Wir wissen, dass es in dieser Regelung bestimmte Dinge gibt, die natürlich auch positiv gesehen werden – aus meiner Sicht nicht.

Zum Tabakmonopolgesetz: Es geht hier um ein flächendeckendes Netz, das zum Kampf gegen Schmuggel beiträgt, und darum, den Solidaritäts- und Strukturfonds für TrafikantInnen abzusichern, wozu es finanzieller Mittel bedarf, um einen Ausgleich zu schaffen. Dieses Gesetz hat in den vergangenen Jahren doch Menschen mit beson­deren Bedürfnissen eine Beschäftigungsmöglichkeit geboten, was man nicht uner­wähnt lassen sollte.

Die Lockerung des Bankgeheimnisses beziehungsweise die Amtshilfeleistung wurden ja auch bereits erwähnt.

Weiters geht es um Spenden und auch darum – auch das ist positiv zu bewerten –, dass Behindertensportdachverbände mit begünstigten Körperschaften gleichgestellt werden. Es ist positiv, dass wir da jenen unter die Arme greifen, die sonst nicht vom Glück begünstigt sind. – All das sind positive Beispiele.

Etwas möchte ich noch erwähnen: Wir wissen, dass es steuerliche Erleichterungen gibt und dass es einen Ausgleich dafür geben muss. Wir wissen aber auch, dass die kalte Progression dazu führt, dass es im Gegenzug doch zu einigem Kaufkraftverlust kommt. Und da meine Vorredner immer wieder gesagt haben, welche Wünsche die entspre­chenden Berufsgruppen haben, was gesetzliche Regelungen, den Abgaben-, den Steuerbereich betrifft, möchte ich in diesem Zusammenhang mein Ersuchen an die Frau Ministerin richten, wo wir wahrscheinlich sehr weit auseinander liegen: Es ist wahrscheinlich unumgänglich, letztendlich vermögensbezogene Steuern einzuführen, um manchen Ausgleich zu schaffen, gerade was die Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rinnen betrifft.

Wir stimmen diesem Gesetz zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.04


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer abschließenden Stellungnahme ist Frau Bun­desminister für Finanzen Mag. Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 84

14.05.00

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir ein Anliegen, Steuergesetze nicht alle drei Monate zu verändern. Daher umfasst diese Novelle ins­gesamt 24 Steuer-, Abgaben- und Finanzgesetze in einer Korrektur, in einer Änderung; ein sogenanntes Sammelgesetz, das wir das ganze Jahr über beraten haben. Es hat ein bisschen länger gedauert, aber es ist, glaube ich, gerechtfertigt, ein Abgabenän­derungsgesetz 2012 eben nur ein Mal pro Jahr vorzulegen und nicht alle drei Monate die Steuerregelungen zu verändern.

Wir mussten mit diesem Sammelgesetz einerseits EU-Recht umsetzen, andererseits waren uns Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung ein Anliegen, und dort, wo wir es erkannt haben, wollen wir Missbrauch abstellen. Es gibt Klarstellungen für mehr Rechtssicherheit, und wir setzen damit auch höchstgerichtliche Judikatur um, beispiels­weise EU-Recht im neuen EU-Amtshilfegesetz. Da wird die Richtlinie über die Zu­sammenarbeit der Verwaltungsbehörden geregelt.

Das heißt, bei ausländischen Steuerpflichtigen, die auch in einem anderen EU-Land steuerpflichtig sind, arbeiten wir in Zukunft mit den ausländischen Steuerbehörden elektronisch zusammen, da gibt es eine elektronische Übermittlung der Daten. Das können beispielsweise Vergütungen aus unselbständiger Arbeit oder Ruhegehälter sein. Wir haben gerade im grenznahen Raum sehr viele Pensionisten, die sowohl eine Pension beispielsweise aus Deutschland als auch Pensionsanteile in Österreich bezie­hen. Um in diesem Fall die Bürokratie zu vereinfachen, gibt es da das Amtshilferecht.

Wir werden auch in anderen Bereichen, Lebensversicherung, Aufsichtsrats-, Verwal­tungsvergütungen – es ist ja immer öfter der Fall, dass Menschen grenzüberschreiten­de Einnahmen haben –, in der Administration auf Veränderungen reagieren.

Einen großen Teil der Novelle betrifft das Einkommensteuergesetz. Da werden Rege­lungen im Zusammenhang mit der Immobilienveräußerung, das Paket, das wir im 1. Stabilitätsgesetz 2012 beschlossen haben, umgesetzt beziehungsweise Klarstellun­gen getroffen. Wir setzen auch jenen Teil des Stabilitätsgesetzes, der die Forschungs­förderung attraktiviert, um. Insbesondere soll die Kontrolle über die Forschungsförde­rungsgesellschaft Rechtssicherheit für jene Betriebe bringen, die Forschungsgelder lukrieren. Es soll nicht sein, dass man eine Förderung bekommt und nach fünf Jahren, wenn die Steuerprüfung kommt, das böse Erwachen ist, dass die Steueradministration das nicht anerkennt. Da brauchen die Betriebe Rechtssicherheit – daher eine neue Re­gelung.

Die Spendenabzugsfähigkeit ist auch bereits erwähnt worden. Wir müssen da pragma­tische Regelungen treffen. Das heißt, die 10-prozentige Deckelung der abzugsfähigen Spenden wird künftig vom Gewinn des laufenden Jahres und nicht von den Vorjahres­gewinnen berechnet. Außerdem sind im Hinblick auf die Belegsammlungen die Spen­denorganisationen verpflichtet, Belege auszustellen, wenn der Spender dies wünscht.

In der Pauschalierungsverordnung für die Land- und Forstwirtschaft wird es neue Ein­heitswertgrenzen sowie Hektar- und Vieheinheiten-Höchstgrenzen geben, um die An­wendbarkeit der Vollpauschalierung neu zu regeln. Auf Wunsch des Koalitionspartners ist diese Grenze nicht mehr bei 100 000, sondern Vollpauschalierer können nur mehr bis 75 000 € vollpauschaliert werden. Es werden die Obstkulturen neu aufgenommen, und da wird eine Fläche von 10 Hektar festgelegt. Es gibt diesbezüglich auch Festle­gungen im Hinblick auf jene Erträge, die aus dem Viehbestand kommen. Also nicht mehr nur Grund und Boden sind für die Pauschalierung ausschlaggebend, sondern auch die Ertragskraft der Betriebe.

Im Einkommensteuergesetz werden darüber hinaus Anpassungen im Hinblick auf Sonderausgabenabzug für Wohnraumschaffung – da haben wir höchstgerichtliche Ju-


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dikatur aus Europa bekommen – und beim Kinder- und Unterhaltsabsetzbetrag vorge­nommen.

In das Körperschaftsteuergesetz wird ein ausdrückliches Abzugsverbot für die Grund­erwerbsteuer und Nebenkosten bei Schenkungen von Grund und Boden aufgenom­men.

Im Umgründungssteuergesetz wird eine Ausschüttungsfiktion bei Importverschmelzun­gen bezüglich Schwestergesellschaften erweitert beziehungsweise neu konzipiert. Das soll Missbrauch verhindern. Da waren doch manche zu kreativ im Hinblick auf die legistischen Vorgaben, und Kreativität, die die legalen Grenzen überschreitet, gehört eingedämmt – daher diese Regelungen gegen Missbrauch.

Im Umsatzsteuergesetz – das hat Bundesrätin Zwazl schon erwähnt – wird der elek­tronischen Rechnung Atem eingehaucht, das heißt, wir erwarten da insgesamt erhebli­che Einsparungen. Es ist ja bekannt, dass der Bund ein sehr großer Auftraggeber ist. Das heißt, die Rechnungen, die an den Bund gehen, können in Zukunft elektronisch, das heißt per E-Mail, übermittelt werden. Das hilft den Unternehmungen, führt aber auch in der Administration, der Kontrolle, bei Plausibilitätsprüfungen in der Finanzver­waltung zu erheblichen Vereinfachungen.

Wir haben im Hinblick auf unsere Pappenheimer – ich nenne Pappenheimer jene, die sich nicht in der Legalität befinden; alle anderen, die ihre Steuern sorgsam abgeben, sind Kunden des Finanzressorts, die anderen, die Hinterzieher und Betrüger, sind Pap­penheimer – einige Regelungen vorgenommen, um den Steuerbetrug und die -hinter­zie­hung hintanzuhalten.

Zudem erfolgt eine systemkonforme Angleichung des Vorsteuerabzugs von Unterneh­men, die ihre Umsatzsteuer nach der Ist-Besteuerung abliefern – auch eine Verwal­tungsvereinfachung und vor allem eine Eindämmung der zu großen Kreativität.

Das heißt, in Zukunft wollen wir verhindern, dass eine Großinvestition in einem Jahr zu erheblichen Vorsteuerabzügen und in den Folgejahren nicht mehr zu adäquaten Um­satzsteuerrückflüssen führt. Das heißt, da gehen wir den Weg, dass, wer sich einmal entscheidet, sich für einen längeren Zeitraum zu entscheiden hat.

Bewertungsgesetz für die Hauptfeststellung der land- und forstwirtschaftlichen Ein­heitswerte zum 1. Jänner 2014: Da haben wir maßgebende Parameter adaptiert. Die Bewertungen werden in Zusammenarbeit mit jenen Institutionen durchgeführt, die Da­tenmaterial haben. Wir haben festgelegt, dass wir als Finanz auf dieses Datenmaterial zugreifen können und mit der Landwirtschaftskammer dort zusammenarbeiten, wo wir empirische Erhebungen machen müssen.

Zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz: Es kann durch eine Beharrungsoption der Eintritt in die Versicherungspflicht, die sich aus der neuen Einheitswertfeststellung er­gibt, hinausgeschoben werden.

Bodenschätzungsgesetz: Es wird das Intervall der Überprüfung von 20 auf 30 Jahre verlängert, was eine Anpassung an die vorhandenen Ressourcen bedeutet.

Im Gebührengesetz werden die verschiedenen Gebühren für die Ausstellung von Waf­fendokumenten pauschal geregelt. Und im Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit wird es in Zukunft auch zu einer Pauschalgebühr kommen. Als weitere Vereinfachung können künftig alle in einem Monat abgeschlossenen Miet- und Pachtverträge in einer Anmeldung zusammengefasst werden.

Glücksspielgesetz: Da erfolgen technische und organisatorische Anpassungen für den Vollzug und die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels. Die Strafe wird im Übrigen von 22 000 auf 40 000 € erhöht.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 86

Im Grunderwerbsteuergesetz werden Ausnahmen sowie Anpassungen vorgenommen, die im Zusammenhang mit der neuen Immo-Steuer stehen, denn das hängt ja auch zu­sammen.

Die Grunderwerbsteueranpassung im Hinblick auf höchstgerichtliche Erkenntnisse: Da werden wir ein Modell entwickeln, das verfassungskonform ist.

Im Versicherungssteuergesetz und Kraftfahrzeugsteuergesetz haben wir auf die Elek­tro-Hybrid-Autos Bedacht genommen und den Öko-Effekt steuerlich begünstigt. Die Kosten dafür liegen bei 4 Millionen €. Wir rechnen damit, dass es ab dem Jahr 2014 dann 5 Millionen € sein werden.

Die Flugabgabe: Da wird ein Tarif festgelegt, der im Hinblick auf den Flugverkehr Wett­bewerbsgleichheit herstellt, denn die in der Nähe liegenden Flughäfen, die überwie­gend von deutschen Flugzeugen angesteuert werden, haben im Hinblick auf die Wett­bewerbsfähigkeit auch die Abgaben gesenkt. Und wir wollen doch nicht unsere Passa­giere nach Deutschland lenken, sondern unsere Flughäfen nach wie vor attraktiv ge­stalten. Daher haben wir insbesondere beim Kurzstreckentarif und beim Mittelstrecken­tarif eine Änderung vorgenommen. Der Langstreckentarif steht nicht in diesem Ausmaß im Wettbewerb, daher haben wir uns dort gemäßigt bewegt, was die Flugabgabe be­trifft.

Zum Neugründungs-Förderungsgesetz: Da wird das Antragsformular vereinfacht – wir sollen ja nicht nur monetär helfen, sondern auch den bürokratischen Aufwand mög­lichst einfach gestalten.

Im Stiftungseingangssteuergesetz wird der Befreiungstatbestand für die Zuwendungen von Todes wegen an das neue Kapitalbesteuerungsregime angepasst. Damit ist die Stiftung aus steuerlichen Überlegungen in keiner Weise mehr so attraktiv, wie sie es schon einmal war.

Die Stiftung hat in Österreich heute keine steuerliche Relevanz mehr, sondern ist eher dazu gedacht, Vermögen zusammenzuhalten, damit sie nicht zerfledern. Es werden fast keine Stiftungen mehr aus rein steuerlichen Überlegungen durchgeführt. Ich be­dauere das sehr, aber das ist halt der Kaufpreis einer großen Koalition. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich bedauere es deshalb, weil es ein Standortnachteil ist. Früher waren die Regelungen hinsichtlich einer Stiftung ein Standortvorteil, das ist heute nicht mehr der Fall. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

In der Bundesabgabenordnung wird eine Ausfallshaftung für faktische Geschäftsführer oder Personen, die Einfluss auf die abgabenrechtliche Pflichterfüllung ausüben, nor­miert. Damit bekämpfen wir Missbrauch, weil wir doch sehr viele Scheingeschäftsführer haben, die dann außen vor sind, wenn wir uns beispielsweise die Abgaben holen wol­len.

Im Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz wird eine Ausdehnung beziehungsweise Flexibilisierung des finanzämterübergreifenden Personaleinsatzes ermöglicht. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist notwendig, dass wir beispielsweise bei Son­derkommissionen, wenn wir Großaktionen haben, die Ressourcen bündeln, aus meh­reren Finanzämtern, und – auch, wenn es um Schwerpunktaktionen geht – diese Res­sourcen aus den verschiedenen Finanzämtern gleichzeitig gemeinsam zum Einsatz bringen können.

Diese Flexibilität ist notwendig. Ich bedanke mich bei der Beamtenschaft dafür, dass sie Verständnis für diese Flexibilität zeigt.

Bei der NoVA endete der Bonus von maximal 500 € für Hybridautos und andere um­weltfreundliche Antriebsmotoren mit August dieses Jahres. Wir haben das jetzt bis En­de Dezember 2014 verlängert.


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Biersteuergesetz, Mineralölsteuergesetz, Alkoholsteuergesetz, Schaumweinsteuerge­setz und Tabaksteuergesetz: Da erfolgen Klarstellungen und werden die Bestim­mungen des Abfindungsregimes angepasst.

Das haben wir ganz gezielt vorgenommen, das sind also jene Steuern auf legale Dro­gen. Da wollen wir keine Verbilligung, sondern wir betreiben über die Steuer eben ei­nen fairen, sachgerechten Preis auf diese legalen Drogen wie Alkohol oder Tabak. Es soll kein Dumping eintreten, sondern wir wollen der Bevölkerung zeigen, dass es ge­rechtfertigt ist, Steuern einzuheben. Immerhin hat der Staat auch erhebliche Gesund­heitskosten in diesem Bereich zu tragen.

Tabaksteuer: Es wird die Mindestverbrauchssteuer-Belastung von Zigarillos an jene von Zigaretten angenähert. Im Tabakmonopolgesetz ist für Einkäufe der Trafikanten beim Großhandel, vom Großhändler für Zigaretten ab 1. Jänner 2013 bis 31. Dezem­ber 2015 ein Zuschlag vorgesehen. Es wird dann ein Solidaritäts- und Strukturfonds eingerichtet, mit dem wir die Strukturveränderungen der Kleinsttrafiken mitbegleiten, um soziale Härten auszugleichen. Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, bei den Trafikanten handelt es sich auch um Behinderte, die diese Kleinsttrafiken führen, und die wollen wir nicht aufgrund des Wettbewerbs in ein soziales Loch schi­cken.

Ich bin eine marktwirtschaftlich orientierte Ministerin, aber wenn es sozial gerechtfertigt ist, müssen wir auch zu solchen Regularien greifen, um eben beispielsweise die behin­derten Trafikanten bei Strukturveränderungen zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Im Finanzstrafgesetz werden insbesondere Strafdrohungen angepasst und Strafbar­keitslücken geschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie erkennen jetzt die Vielfalt dieses Abga­benänderungsgesetzes, die Fülle der kleinen Schritte, die aber zu einer großen Novelle geführt haben – einerseits um die Bürger zu servicieren, andererseits um Missbrauch abzustellen und drittens um jene Steuereinnahmen zu lukrieren, für die ich mich hiermit herzlich bedanke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.22

14.22.27

 


Präsident Georg Keuschnigg: Frau Bundesministerin, herzlichen Dank für deine Stellungnahme.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.22.538. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministe-
rin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (
1961 d.B. und 1978 d.B. sowie 8824/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nunmehr zum 8. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Zehentner. Ich bitte um den


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Bericht.

 


14.23.11

Berichterstatter Robert Zehentner: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelas­tungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird.

Der Beschlusstext liegt allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


14.24.03

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseher! Wenn wir diesem Gesetzesantrag heute nicht zustimmen, so nicht deshalb, weil wir den einzelnen Projekten, die hinterlegt sind, quasi unsere Zustimmung verweigern, sondern das hat etwas andere Gründe. Dieses Gesetz ist notwendig, um – wie es heißt – die Planungssicherheit zu gewährleisten, und wird alle Jahre wieder um ein Jahr verlängert. Wir haben dasselbe schon letztes Mal gemacht.

Diese Planungssicherheit basiert eigentlich auf dem Rahmenplan für die ÖBB, in dem Fall Infrastrukturmaßnahmen und Investitionen, und ich sage, diese vermeintliche Pla­nungssicherheit ist nicht gegeben, weil genau dieser Rahmenplan, der zugrunde liegt, ständig geändert wird. Deshalb richtet sich meine Kritik auch nicht so sehr an das Fi­nanzministerium, das dieses Gesetz natürlich benötigt und zur Beschlussfassung bringen muss, sondern im Grunde genommen an das Infrastrukturministerium, weil dort genau das Gegenteil von Planungssicherheit der Fall ist.

Infrastruktur und Verkehrsinfrastruktur sind eine Investition in die Zukunft für unser Land und sind, gerade was die Eisenbahn betrifft, auch eine Investition in die Umwelt. Ich möchte als Beispiel nur den Koralmtunnel anführen. Letztes Jahr ist beschlossen worden, den Bau „auszudehnen“ – mit der Argumentation, er mache ohnehin erst Sinn in Kombination mit dem Semmering-Basistunnel. Das ist aufgrund budgetärer Nöte zwar nachvollziehbar, wenn man sagt, das Geld ist offensichtlich nicht vorhanden, al­lerdings ist das bei genauer Betrachtung ein Unfug, denn längeres Bauen kostet un­term Strich mehr Geld. Die Summe der Belastungen wird dadurch größer, und es kommt noch hinzu, dass der volkswirtschaftliche Nutzen erst später lukriert werden kann. Wenn ein Bauwerk sozusagen halbfertig eine Zeit lang steht, es bereits bezahlt ist und nicht wirksam und auch nicht teilwirksam wird, so ist das eine verlorene Inves­tition bis zur Gesamtinbetriebnahme.

Mit demselben Argument hätte man die jetzt feierlich in Betrieb genommene Inntal­strecke, die Zulaufstrecke zum Brenner Basistunnel, in der Vergangenheit überhaupt nicht bauen dürfen, denn diese Strecke entfaltet ihre Wirkung und ihre Sinnhaftigkeit auch erst im Zusammenhang mit dem Brenner Basistunnel, und bis dieser fertig ist, ist es noch ein weiter Weg.

Es fehlen sehr essenzielle Dinge. Ich möchte nur an den Future Business Austria Infra­strukturreport 2013 erinnern, wo von Dr. Hajek in repräsentativen Umfragen festgestellt worden ist (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter) – von Hajek, ja –, dass gerade ein hoher Bedarf an Güterumschlag-Terminals von der Straße auf die Schiene gegeben wäre, aber in der Realität hört man leider nur, dass kleine Umschlag-


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Terminals geschlossen werden, was teilweise fatale Folgen für die Region hat. Ich darf nur an Eisenerz erinnern, wo in einer  (Bundesrat Stadler: Aber die Wirtschaftlichkeit wird gerade von Ihnen immer eingefordert, Herr Kollege!)

Ich als Obersteirer – sage ich einmal – kann einer großen Planung ohnehin nicht zus­timmen, solange nicht in irgendeiner Form der Ausbau der Pyhrn-Achse enthalten ist, denn gerade wir als Leobener und westlich davon im Murtal werden spätestens nach Inbetriebnahme der Koralmbahn auf einem Nebengleis liegen. Es wäre aber ganz wichtig, aus dem obersteirischen Wirtschaftsraum eine leistungsfähige Eisenbahnan­bindung in den süddeutschen Wirtschaftsraum zu haben.

Von all dem ist leider nichts festzustellen in diesem Rahmenplan, deswegen lehnen wir auch dieses heute vorliegende Finanzierungsgesetz dazu ab. (Beifall bei der FPÖ.)

14.29


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


14.29.42

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise müsste man sagen, die Argumente, die jetzt von meinem Vorredner angeführt worden sind, be­legen eindeutig, dass wir diese Ermächtigung brauchen. Dieses Bundesgesetz soll ja die Infrastrukturministerin haushaltsrechtlich ermächtigen, Instandhaltungen zur Pla­nung und zum Bau von Schieneninfrastruktur entsprechend zu begründen.

Konkret sieht diese Vorlage eine Ermächtigung zum Eingehen von Vorbelastungen in der Höhe von 37,749 Milliarden € für den Zeitraum von 2013 bis 2018, also sechs Jah­re, vor. Wir sehen auch an diesen Zahlen: Hier geht es nicht um einige Euro, sondern hier geht es um Milliarden Euro. Diese Ermächtigung bezieht sich ausschließlich auf den Zeitraum bis 2018, und ab 2019 muss eine neue Vereinbarung getroffen werden.

Finanzielle Verpflichtungen werden erst mit der Umsetzung der gesondert abzuschlie­ßenden Zuschussverträge begründet. Ziel der Maßnahmen ist es, wie schon gesagt wurde, dass die notwendigen Mittel aufgebracht werden und langfristige Planungssi­cherheit für die ÖBB-Infrastruktur AG geschaffen und erhalten wird.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit und die Bedeutung von Investitionen in die Schienen­infrastruktur – also Investitionen in die Zukunft – kann dieser Vorlage nur zugestimmt werden. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.31


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


14.31.35

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Prinzipiell müssen wir na­türlich Vorbelastungen beschließen, die sich dadurch ergeben, dass man eben Pro­jekte plant und umsetzen will. Die Frage ist nur: Welche Vorbelastungen? Und welche Unterlagen gibt es dazu?

Insgesamt kann man natürlich sagen – wieder nicht Ihr Ministerium, so wie bei der FPÖ vorhin; wer war das vorhin? –, würde ich zumindest auch eher sagen, das liegt im Verkehrsministerium. Es ist schon ein Fortschritt, dass wir diesmal mehr oder weniger einen Rahmenplan dazugeliefert bekommen bezüglich der Finanzierung, sodass wir einmal wissen, was eigentlich mit dem finanziert werden soll, was wir heute hier be­schließen sollen.

Dieser Rahmenplan umfasst aber jetzt nicht Details über die Zuschussverträge vom Betrieb der ÖBB; diese Details liegen nach wie vor nicht vor. Es ist einmal ein Fort-


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schritt, es ist mehr da als in den vergangenen Jahren, aber es ist eben noch immer nicht alles da, um wirklich sagen zu können: Okay, das wird bezahlt, und das ist es uns wert.

Dazu kommt natürlich, dass wir inhaltlich nicht bei allen Projekten so ganz einer Mei­nung sind, wie das diejenigen sind, die die Projekte bestellt haben. Und ein Punkt, der eigentlich der Hauptgrund dafür ist, dass wir leider nicht zustimmen können, ist diese 25-prozentige Beteiligung der ÖBB an den Rückzahlungen, weil einfach nicht ersicht­lich ist, wie die ÖBB dieses Geld aufstellen sollen. Wir wissen, auch für den Betrieb brauchen die ÖBB Zuschüsse, brauchen sie Geld. Und wie sollen sie jetzt zusätzlich zu dem, was sich wirtschaftlich ohnehin nicht ausgeht, Mittel aufstellen? Es macht ver­kehrspolitisch Sinn, zu sagen, man fördert die Schiene, damit die Leute günstig mit der Bahn fahren können und vielleicht nicht so viel mit dem Auto fahren müssen, weil einfach die Bahn günstiger ist. Das ist prinzipiell zu unterstützen. Aber wie sollen die ÖBB jetzt noch zusätzlich 25 Prozent dieser 37 bis 38 Milliarden € auf Dauer aufstel­len? Das kann sich auf Dauer nicht ausgehen, ohne dass sich das Rad nicht wieder hinunterdreht und die Belastungen in Wirklichkeit noch größer werden. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Nein, es geht nicht um einen Blankoscheck. Es geht darum: Der, der zahlt, schafft an. Das ist prinzipiell die Regel, und auch bezüglich der Projekte, die die ÖBB umsetzt, und auch der Strecken, die die ÖBB bedienen, zumindest der überregionalen Strecken, schafft prinzipiell die Politik an. Es ist ja nicht so, dass die ÖBB sagen: Hurra, wir wol­len jetzt bauen und tun!, sondern im Prinzip ist es die Politik, die entscheidet: Hier wäre noch eine Bahnverbindung zu schaffen! Oder: Diese Verbindung ist nicht zu schließen. Leider ist es bestenfalls so, dass gesagt wird: Die ist nicht zu schließen. Und der, der anschafft, sollte dann eigentlich auch zahlen und nicht sagen: 25 Prozent davon musst du dir leider selber zahlen, und wie du das aufstellst, ist im Prinzip deine Sache und nicht meine.

Es ist selbstverständlich, dass auch wir bei den ÖBB Potenzial für Einsparungen se­hen, insbesondere bei den Projekten. Ich fange jetzt nicht beim Bahnhof Korneuburg an, aber da erfahre ich immer wieder etwas. Gerade bei den ÖBB kostet alles dreimal so viel wie in der normalen Bauwirtschaft. Aber trotzdem: Wenn wir in der Politik sa­gen, das und das ist notwendig, diese Dienste sind anzubieten, dann muss auch die öf­fentliche Hand, sprich Bund und Länder, dafür aufkommen, dass diese Dinge umge­setzt werden. Und man kann nicht sagen: Ich lagere jetzt die 25 Prozent wieder aus, und die ÖBB sollen sich darum kümmern, wie auch immer.

Deshalb, wie gesagt, bei den Vorbelastungen wieder keine Zustimmung, obwohl wir schon sehen, dass es erfreulicherweise zumindest bei den Daten, die geliefert werden, doch Verbesserungen gibt, auch wenn es noch nicht perfekt ist. (Beifall bei den Grü­nen.)

14.35


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Grus­ka. – Bitte sehr.

 


14.35.24

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Es macht schon ein bisschen Freude, wenn Frau Kollegin Kerschbaum sagt, prinzipiell kann sie dem zu­stimmen, nur eben nicht, was die ÖBB angeht aus den Gründen, die sie aufgezählt hat.

Nicht verwundert hat mich, dass Kollege Krusche sagt, er kann keiner Planung zu­stimmen. Planung ist konzentriertes Arbeiten, ist, sich zu etwas bekennen. Und da glaube ich, dass das halt nicht immer so einfach ist.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 91

Wir haben jetzt schon relativ viel an Zahlen gehört. Es ist aber so, dass wir ja auch Zu­schüsse von der EU bekommen, dass wir hier kräftig unterstützt werden. Das ist na­türlich in den Reden der Freiheitlichen nicht erwähnt worden. Es sind zirka 200 Ein­zelmaßnahmen, die mit diesem Gesetz mit beschlossen werden – von der Instandhal­tung über Planung beziehungsweise Ausbau von Hunderten Bahnhöfen, Haltestellen, die neu errichtet beziehungsweise saniert, aber auch barrierefrei gestaltet werden. Langsamfahrstrecken werden saniert, Hochleistungsstrecken werden ausgebaut, Lärm­schutzeinrichtungen werden errichtet, Güterterminals werden errichtet beziehungswei­se saniert, und es wird geschätzt, dass es eine zirka 80-prozentige Steigerung des Gü­tertransports geben wird, wenn wir hier investieren.

Die Rahmenbedingungen sind deswegen notwendig, weil diese sechsjährigen Rah­menverträge einen Ausblick, eine Planungssicherheit geben sollten. Rahmenverträge sind notwendig, weil wir negative Beschäftigungs- und Standorteffekte verhindern wol­len, ja verhindern müssen. Die transparente Darstellung, die auch von der Kollegin Kerschbaum schon genannt wurde, ist ganz sicherlich besonders notwendig, wenn wir einen so langen Rahmen abschließen. Es wird nicht immer alles perfekt sein, wenn ich eine sechsjährige Vorschau mache, aber ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg, und das Ministerium hat hier gute Arbeit geleistet.

Wir erwarten von der Eisenbahn, von der Schiene sehr, sehr viel. Wir erwarten Mobi­lität, dass sie zuverlässig ist. Wir erwarten, dass sie uns Sicherheit bietet. Wir erwarten von der Schiene, dass sie Effizienz bietet, dass sie Schnelligkeit bietet und vor allem, dass sie für alle leistbar ist. Das sind die Anforderungen, die wir als Menschen an die Eisenbahn stellen. Natürlich kostet das Geld, wir müssen ja auch investieren. Aber bezüglich dieser 37,7 Milliarden €, die hier investiert werden, gibt es auch eine Berech­nung: 1 Milliarde € an Investitionen führt zur Schaffung beziehungsweise Sicherung von zirka 17 000 Stellen. Ich denke, dass das eine sehr gute Investition ist, dass das nicht nur eine Investition für die nächsten sechs Jahre ist, sondern darüber hinaus.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass die ÖBB und die ASFINAG, beide ge­meinsam, rund 50 000 Arbeitsplätze absichern. Daher auch diese Investition, und da­her ist auch dieser Rahmenvertrag ein sehr guter.

Meine Fraktion wird dieses Finanzgesetz sehr gerne mit beschließen. Wir glauben auch, dass es sich das verdient hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

14.38


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Fek­ter. – Bitte.

 


14.38.41

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die ÖBB oder die HL-AG Schieneninfrastruktur errichtet, instand hält, erneuert, Lücken schließt, Bahnhöfe aus­baut, dann braucht sie dafür Geld. Dieses Geld nimmt sie entweder selbst als Schul­den auf, aber dann muss irgendjemand die Kredite in Form von Annuitäten zurück­zahlen, oder sie klopft beim Bund an, der ja überwiegend auch Auftraggeber ist, und sagt: Lieber Bund, beteilige dich, ich möchte Zuschüsse haben. Sie klopft aber auch bei den Ländern an, und über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen geben auch Län­der Zuschüsse.

Damit man solche Großprojekte wie Schieneninfrastruktur planen kann, gibt es immer einen sechsjährigen Planungshorizont. Das wird immer um ein Jahr verlängert.

Diese Sechs-Jahres-Planungen wurden immer schon im Parlament debattiert. Seit aber ich Ministerin bin, liegt dem Parlament auch die über die sechs Jahre hinausge-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 92

hende Vorbelastung vor, weil ich glaube – und das ist eine Anregung des Rechnungs­hofes, die ich teile –, es bringt nichts, wenn man immer nur sechs Jahre anschaut, aber die Finanzierungen 25 Jahre laufen, 30 Jahre laufen, beim Brenner-Basistunnel über 70 Jahre laufen. Daher muss das Parlament auch wissen: Was haben wir denn schon alles an Vorbelastungen für die nächsten 30 Jahre beispielsweise beschlossen? Was haben wir unseren Kindern denn schon überantwortet? Da werden wir alle miteinander nicht mehr im Hohen Haus sitzen, werden wir diese Schulden immer noch abzahlen müssen.

Daher ist neuerdings mit dem Vorbelastungsgesetz, das die jeweilige Sechs-Jahres-Periode um ein Jahr verlängert, auch der Gesamtvorbelastungsplan dem Hohen Haus übermittelt worden. Für die nächste Sechs-Jahres-Periode, also das zusätzlich sechste Jahr, das ist in diesem Fall das Jahr 2018, haben wir 3,4 Milliarden an Investitionen und Annuitäten für diese Investitionen vorgesehen. Das heißt, die ersten Schuldentil­gungsraten im Jahr 2018 machen 3,4 Milliarden aus. Zuschüsse geben wir dazu in Form von 1,386 Milliarden.

Das wäre noch nicht eine so große Summe, aber wir müssen das ja dazuzählen zu den Beschlüssen, die wir schon die Jahre zuvor gefasst haben. Und da haben wir ins­gesamt dann eine Vorbelastung von 37,749 Milliarden. Das heißt, wir belasten die nächsten Generationen bereits mit diesem Investitionsvolumen, und die Zuschüsse, die künftige Budgets enthalten müssen, machen auch immerhin schon 7,6 Milliarden aus. Das sind schon Beträge, die man nicht verheimlichen soll, sondern womit man sich jährlich im Parlament befassen muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bekenne mich zum Ausbau der Infra­struktur, und ich weiß auch, dass der Ausbau der Infrastruktur nicht durch Kurzfristfi­nanzierungsmodelle finanziert werden kann. Man soll so eine Infrastruktur, die wahr­scheinlich 70 bis 80 Jahre hält, auch auf jene Generationen aufteilen, die sie nützen. Da wird wahrscheinlich jene Generation, die baut und nützt, den größten Brocken zu tragen haben, denn da haben wir den Arbeitsplatzeffekt, da haben wir den Einkom­menseffekt bei den Arbeitsplätzen, die Kaufkraft, den Investitionseffekt, und dann ha­ben wir auch den Nutzen, wenn sie in Betrieb geht, wie beispielsweise die Untere Inn­taltrasse.

Aber es sollen auch jene Generationen beitragen, die das dann weiter nutzen. Nur soll die Finanzierung längst abgeschlossen sein, bevor man es wieder neu sanieren muss. Daher müssen wir ganz genau darauf achten, dass wir das nicht ewig hinausschieben und womöglich noch Schulden vom Neubau haben zu einem Zeitpunkt, zu dem wir schon längst generalsanieren müssen. Daher plädiere ich dafür, dass die Fristigkeiten bei der Finanzierung solcher Projekte ganz penibel durchleuchtet werden und nicht zu lange dauern. Das heißt, im Hinblick auf die Finanzierbarkeit sollte nicht nur die jetzige Budgetsituation betrachtet werden, sondern es müssen auch die künftigen Instandhal­tungskosten, Sanierungskosten mit ins Auge gefasst werden.

Der Rahmenplan steht zwar über Internet abrufbar den Abgeordneten zur Verfügung, ist aber nicht Teil des Gesetzes, sondern der Rahmenplan richtet sich nach den jewei­ligen Umständen. Er richtet sich beispielsweise auch nach den Behördenverfahren. Es kann ja sein, dass wir jetzt ins Auge fassen, 2017 ein Projekt in Angriff zu nehmen, das aber dann mit den Behördengenehmigungen noch gar nicht baureif ist. Auch auf diese Flexibilität muss ein Rahmenplan Bezug nehmen können.

Die jeweiligen Pläne umfassen sechs Jahre. Sie sind für die Planungssicherheit in der Infrastruktur, in der Schieneninfrastruktur notwendig und umfassen auch jenen Zeit­raum, den wir budgetär im Auge haben müssen, wenn wir unsere Vorbelastungen nach Brüssel melden.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 93

Ich bin zuversichtlich, dass wir der nächsten Generation, unseren Kindern, ein öffentli­ches Verkehrsinfrastrukturnetz hinterlassen werden, denn man kann Versäumnisse in der Schieneninfrastruktur, aber auch in der Straßeninfrastruktur innerhalb einer Gene­ration schwer aufholen. Daher ist es notwendig, zu planen, was wir in den nächsten 20, 30 Jahren brauchen, und darüber müssen wir uns jetzt bereits Gedanken machen. Aber wir dürfen vor den Kosten nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen sie transparent diskutieren. Daher habe ich auch dem Parlament Unterlagen betreffend die Gesamtsituation übermittelt, nämlich nicht nur die sechs Jahre Planungszeit, son­dern auch darüber hinaus bezüglich dessen, was wir den nächsten Generationen be­reits an Vorbelastungen aufgebürdet haben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.46

14.46.47

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.47.249. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird (1843 d.B. und 1965 d.B. sowie 8822/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Konrad. Ich bitte um den Bericht.

 


14.48.28

Berichterstatter Klaus Konrad: Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird, liegt schriftlich vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. November 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


14.48.41

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden Änderung des Geodateninfrastrukturgesetzes wird grundsätzlich der Geltungsbereich dieses Geset­zes auf dessen Zweck, nämlich auf die Umsetzung der Geodateninfrastrukturrichtlinie, beschränkt. Das Anliegen, die derzeit vorhandenen Geodaten im Sinne einer zweck­mäßigen und effizienten Nutzung für Bürger und Verwaltungsbehörden in einen ge­setzlichen Rahmen zu fassen, ist zu begrüßen.


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 94

Künftig sollen alle öffentlichen Geodatenstellen der untersten Verwaltungsebene und auch jene des privaten Rechts, wie zum Beispiel Energie‑ oder Wasserversorger oder auch öffentliche Verkehrsunternehmungen, nur mehr zu Geodatendiensten verpflichtet sein, wenn dies rechtlich vorgeschrieben ist. Dieses Gesetz schreibt also demnach nicht die Erstellung oder Sammlung neuer Geodaten vor, sondern gilt für bereits vor­handene Daten. Insgesamt ist natürlich auch auf den Schutz personenbezogener Da­ten entsprechendes Augenmerk zu legen.

Mit diesem Bundesgesetz wird die Richtlinie in österreichisches Recht übernommen und stufenweise bis 2020 umgesetzt, wobei dies auch für die diesbezüglichen gesetz­lichen Bestimmungen der Bundesländer gilt.

Die Umsetzung bezweckt die Verbesserung der Verfügbarkeit, die Qualität, Organisa­tion, Zugänglichkeit und Nutzung von Geodaten durch öffentliche Stellen oder durch die Öffentlichkeit. Dadurch soll vor allem die Einbeziehung der Erfordernisse des Um­weltschutzes im Sinne einer integralen Umweltpolitik verbessert und durch die trans­parente Nutzbarkeit von Geodaten für die Bürger, für Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung das Wertschöpfungspotenzial der Geodaten weiter aktiviert werden.

Im Zuge der gemeinsamen Umweltpolitik innerhalb der EU ist es wichtig, dass diese In­formationen, so auch Geodaten, für die Festlegung und Durchführung von Umwelt­zielen zur Verfügung stehen. Um die Einbeziehung dieser Daten für den Umweltschutz möglich zu machen, muss die Information zwischen Nutzern und Anbietern koordiniert und müssen die Daten der diversen Sektoren kombinierbar beziehungsweise kompa­tibel sein.

Ziel ist demnach, innerhalb der Europäischen Union eine Infrastruktur zu schaffen, um den bestmöglichen Austausch von Geodaten zu ermöglichen. Nur so können länder­übergreifende, die Umweltpolitik und sonstige politische Maßnahmen betreffende Tä­tigkeiten auch bestmöglich koordiniert werden. Ganz wichtig ist daher die Normierung der Daten, sodass sie EU-weit verwendbar sind.

Insgesamt ist es aber auch ein Weg in Richtung Open Government, denn Geodaten­banken liefern wichtige Datenmaterialien an einen sehr großen Interessentenkreis.

Die gegenständliche Änderung des Gesetzes greift aber auch in den eigenen Wir­kungsbereich der Gemeinden ein. Diesbezüglich teile ich nicht ganz die Meinung, dass keine finanziellen Auswirkungen entstehen. Durch die intensive Zusammenarbeit der Gemeinden, vorrangig in Form von Gemeindeverbänden, ergibt sich die Situation, dass hier oftmals völlig unterschiedliche Systeme verwendet werden. Ausgenommen davon sind natürlich jene Systeme, mit denen bereits ein Datenaustausch vorrangig und hauptsächlich mit den Ländern besteht. Wo dies nicht der Fall ist, wird mit Sicherheit eine Systemumstellung mit den damit verbundenen Kosten erfolgen beziehungsweise werden Kosten durch die Datenübernahme entstehen.

Insgesamt wird mit der Umsetzung der Richtlinie der richtige Weg beschritten, und wir werden dieser Vorlage daher auch zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.53


Präsident Georg Keuschnigg: Ich begrüße sehr herzlich den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hier bei uns im Bundesrat. Er wird sich am Ende der Rednerliste zu Wort melden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


14.53.48

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute haben wir einen „Tiroler-Tag“, haben wir am Vormittag gehört. Jetzt haben wir noch, glaube ich, einen Daten-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 95

Tag. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Wir haben heute über Gesundheitsdaten debattiert, und jetzt geht es wieder um Daten, um Geodaten und  – (Bundesrat Knei­fel: Gesundheitstag, ja! G’sund bleiben!) Nein, nicht Gesundheitstag, Daten. Gesund­heitstag haben wir immer, glaube ich, oder sollten wir immer haben.

Jetzt geht es wieder um Daten, um die Geodaten. Man hat tagtäglich mit vielen Daten zu tun, wir sind mit einer Fülle von Daten konfrontiert. Und bei der Fülle von Daten, mit denen wir täglich konfrontiert sind, mit denen wir arbeiten, mit denen die Öffentlichkeit arbeiten muss, ist natürlich ein System wichtig, eine Ordnung wichtig. Und dass die Geodaten auch zugänglich gemacht werden, ist besonders wichtig, und ebenso wichtig ist, dass die Bürgerinstitutionen, die Behörden einen optimalen Nutzen daraus ziehen können. Und wenn man Informationen braucht, ist es gut, wenn man auf gesammelte und geordnete Daten zugreifen kann, und auch die Zugänglichkeit, die Verfügbarkeit und die Qualität sollten mit dieser Novellierung verbessert werden.

Es ist eigentlich alles, was wir fordern, in dieser Novelle enthalten. Kollege Franz Wen­ger hat ja schon in seiner fachlich kompetenten Art und Weise über diese Novellierung, über den Inhalt der Novelle gesprochen, genauso wie im Ausschuss darüber diskutiert worden ist. Wir werden natürlich zustimmen. Aber vielleicht noch einen Satz dazu: Was, glaube ich, wichtig ist – wir haben ja sehr viele Kommunalvertreter hier –, ist die Sache mit den Gemeinden, die du angesprochen hast. Es ist uns im Ausschuss versi­chert worden – wie sagt man da?: „sein Wort in Gottes Ohr“, dass das wirklich so ist, denn die Gemeinden pfeifen ja finanziell ohnehin schon, wie wir im Innviertel sagen, aus dem letzten Loch –, dass nicht noch zusätzlich finanzielle Belastungen auf die Ge­meinden zukommen.

Herr Präsident, erlauben Sie mir, das zu sagen, obwohl es jetzt nicht ganz zur Tages­ordnung gehört, aber es zieht sich ja fast den ganzen Tag oder bei jedem Tagesord­nungspunkt durch – ich wollte mich vorhin schon melden, aber ich habe gedacht, ich sage das jetzt im Rahmen meiner Ausführungen –: Herr Kollege Krusche, diese Argu­mente, die du immer bringst, sind wirklich sensationell, nämlich den Bogen zu spannen von „Wir sind eh dafür, dass Investitionen getätigt werden“, bis hin zu „Aber wir sind nicht dafür, dass man plant“. Die Eisenbahn ist dir überhaupt ein besonderes Anliegen, das habe ich schon gemerkt; aber mir auch, mir wahrscheinlich aus einem anderen Grund als dir, denn ich bin 40 Jahre bei diesem Unternehmen tätig; warum es dir so am Herzen liegt, weiß ich nicht. Da hast du wahrscheinlich auch wieder Argumente, irgendwo dagegen zu sein. Aber es ist immer leicht in der Politik, wenn man irgendwo steht, überhaupt daheim in der eigenen Region, zu sagen: Wir wollen, dass bis zum letzten Loch, bis zur letzten Gemeinde eine Eisenbahn fährt, eine Infrastruktur besteht!, während man im Parlament dann immer aufsteht und sagt: Aber die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein!

Jetzt erkläre es mir bitte einmal – versuche es einmal, es muss ja nicht mehr heute sein, denn heute haben wir nicht mehr so viel Zeit, aber vielleicht einmal bei einem an­deren Tagesordnungspunkt –, argumentiere wirklich einmal, spanne einmal den Bogen und erkläre uns wirklich, wie das gehen soll! Auf der einen Seite sollen wir wirtschaft­lich sein – ich spreche jetzt von den ÖBB, denn die sind dir immer so ein Anliegen –, und auf der anderen Seite sollen wir bis zum letzten Winkel, in jedes kleine Dorf eine Schiene haben, wo die Leute fahren können, und eine Schiene haben, wo man ir­gendwas verladen kann. Ich bin bei dir, da sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass die Güter von der Straße auf die Schiene gehören. Aber so, wie du es dir vorstellst, wie du es daheim den Leuten erklärst, dass wir alle so böse sind, das geht nicht, denn die Wirtschaftlichkeit forderst du auch immer ein, und da bist du Weltmeister. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Ich sage Thema verfehlt, und damit lassen wir das!)

14.58



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 96

Präsident Georg Keuschnigg: Da es kurz war, ist dieser Ausflug über den Tagesord­nungspunkt hinaus toleriert worden.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder.

 


14.58.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Auch wir werden diesem Gesetz zustimmen, und ich möchte es doch zum Anlass nehmen, um von hier aus hier einen recht leidenschaftlichen Ap­pell an Sie zu richten. Kollege Wenger hat das Stichwort bereits genannt: Open Government, Open Data.

Geodaten sind ja tatsächlich ganz wesentliche Daten, die von den verschiedensten Institutionen, öffentlichen Einrichtungen, von ausgegliederten Unternehmen und so weiter gesammelt werden. Und wie wir Karten benützen in der Geschichte und heute, das erzählt ja unglaublich spannende Dinge über die Zeit, in der wir leben. Wenn man bedenkt, im Mittelalter war bei den Karten immer Jerusalem in der Mitte, und rund­herum gab es dann Afrika, Asien und Europa. Jerusalem war das Zentrum – in der Zeit der Kreuzzüge und so weiter war das natürlich eine ganz zentrale Idee der Kirche, der Religion, die im Zentrum steht, bis dann – natürlich gab es dann auch noch andere Karten – 1569 die nächste Revolution erfolgte, nämlich von Mercator, die sogenannte Mercator-Projektion: Wie stellst du die Welt dar, die rund ist? – Zweidimensional.

Das war immer eine schwierige Frage. Die Schifffahrt hat ja damals begonnen, Ame­rika wurde entdeckt, und so weiter. Das ist sehr interessant. Und wie war diese Kar­te? – Eurozentristisch: Europa – Afrika war natürlich dabei – war im Zentrum. Europa war zu diesem Zeitpunkt das Zentrum der Welt. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt haben wir zum ersten Mal seit einiger Zeit eine neue Revolution der Karten. Ich brauche sozusagen nur mein Gerät zu starten. (Der Redner zeigt einen Tablet-PC, auf dessen Display der Ausschnitt einer Straßenkarte zu sehen ist.) Was ist jetzt im Zen­trum, wenn wir Karten benützen? – Die Person selbst. Die Person selbst, die Karten benützt, ist sozusagen im Zentrum einer Karte. Das finde ich wirklich unfassbar span­nend, nämlich was das für unseren täglichen Gebrauch von Karten – sei es in Naviga­tionsgeräten, sei es in unseren Telefonen, sei es in anderen Geräten – bedeutet. Des­halb – und das ist jetzt mein leidenschaftlicher Appell – ist Open Data, das Zurverfü­gungstellen von Daten, die man in Karten verarbeiten kann, so enorm wichtig: weil wir unseren Gebrauch von Karten völlig neu definiert haben und wir das vollkommen an­ders denken.

In Wien gibt es ja eine recht starke Open-Data-Bewegung, und sehr viele Daten von Wien wurden ja bereits zur Verfügung gestellt, darunter auch unglaublich viele Geoda­ten. Das hat eine sehr interessante Konsequenz, nämlich dass junge Entwickler/Ent­wicklerinnen coole Maps machen, die sie dann verkaufen. Das heißt, das hat durchaus auch eine Wertschöpfungskette und spornt junge Unternehmen an, sehr spannende Dinge zu machen, die für den User und die Userin super zu gebrauchen sind. Am be­rühmtesten ist die sogenannte Toilet-App. In Wien kann man schauen, wo bin ich und wo ist die nächste öffentliche Toilette. Das ist zum Beispiel eines der Ergebnisse von Open Data.

Da heute so viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen da sind und viele auch in den Ländern und Regionen aktiv sind, mein leidenschaftlicher Appell: Die Kartenbenützung hat sich radikal geändert. Open Data muss ein Zukunftsprojekt sein! Das war heute ein Beispiel dafür. Daher: Diskutiert das auch zu Hause! Ich glaube, das ist es wert, denn das ist eine spannende Sache. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.02



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 97

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


15.02.43

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dent! Geschätzter Herr Bundesminister! Es wurde schon sehr viel Positives über das Geodateninfrastrukturgesetz gesagt. Ich möchte nur den Begriff „Geodaten“ noch in ei­nem Satz erwähnen. Geodaten sind digitale Informationen, mit denen man auf der Erd­oberfläche punktgenau Flächen und räumliche Lagen bestimmen kann. Die Basisda­ten – das wurde auch schon erwähnt – werden in der Regel von den Gemeinden und von den Ländern zur Verfügung gestellt, bereitgestellt, und die Geofachdaten stammen aus unterschiedlichen raumbezogenen Fachdatenbanken. Wenn man diese zusam­menführt, dann kann man Daten übersichtlich in einem Geodateninformationssystem darstellen.

Ich möchte nunmehr als Bürgermeister – und es sind einige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hier in diesem Saal – auf die Wichtigkeit der Beschaffung der Basisda­ten eingehen. In unserer Gemeinde investieren wir jährlich mehrere zehntausend Euro in die Erstellung von Leitungskatastern – sei es auf dem Abwassersektor, sei es auf dem Wasserversorgungssektor, sei es auf dem Raumordnungssektor –, und wir gehen sogar schon so weit, dass die Bäume in einem Baumkataster digital erfasst werden. Ich brauche nur den tragischen Unfall in St. Pölten zu erwähnen, wo die Stadtgemein­de dann auch verurteilt wurde.

Ich glaube, es ist daher sehr wichtig, dass diese Daten so breit wie möglich zusam­mengefasst werden und – Kollege Wenger hat es schon gesagt, dass verschiedene Systeme arbeiten und verschiedene Systeme Daten zur Verfügung stellen – dass die­se Systeme zusammengeführt werden, damit sie vom Endverbraucher oder Nutzer auch entsprechend abfragbar und verarbeitbar sind.

Auch der Schutz der personenbezogenen Daten darf hier nicht unerwähnt bleiben und muss natürlich gewahrt werden.

Wir stimmen dieser Änderung des Geodateninfrastrukturgesetzes gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Beer.)

15.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Ber­lakovich. – Bitte.

 


15.05.01

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema, das die Vorredner angesprochen haben, ist ja eigentlich, dass wir mit einer Fülle von Daten von unterschiedlichen Institutionen, Körperschaften, Firmen konfrontiert sind und dass der Mensch sich in dem Riesenangebot an Daten oft gar nicht zurechtfindet. Daher ist es ein Anliegen, eine gewisse Ordnung ins System hi­neinzubringen, jedenfalls bei Daten, die den unmittelbaren Nahbereich, den Lebensbe­reich betreffen.

Wer kann sich schon etwas vorstellen unter dem Begriff „Geodaten“? – Vereinfacht ge­sagt sind das Daten, die sozusagen im täglichen Gebrauch – wie es der Vorredner an­gesprochen hat – Bürgermeisterinnen und Bürgermeister interessieren: der Verlauf von Kanalisationsanlagen, der Verlauf von Wasserversorgungsanlagen, Flussläufe, Stra­ßen- und Schienennetz – kurzum sehr viele Daten, die bei Baumaßnahmen und Ähnli­chem von Relevanz sind. Diese Daten sollen aufgrund der INSPIRE-Richtlinie der Eu­ropäischen Union vereinheitlicht werden, damit es auf der europäischen Ebene ein ver-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 98

einheitlichtes System gibt. Das macht Sinn und soll auch eine Ordnung ins System bringen.

Das Ziel der Novelle des Geodateninfrastrukturgesetzes ist, die INSPIRE-Richtlinie umzusetzen beziehungsweise diese Daten eben auch zugänglich zu machen, den Zu­gang zu verbessern; im Sinne von Verfügbarkeit, Qualität, Organisation soll die Nut­zung von Geodaten besser ermöglicht werden.

Wir versprechen uns davon auch, dass in verschiedene Politikbereiche der Umwelt­schutz mehr Einzug hält, indem die Daten besser verfügbar sind und dadurch auch besser anwendbar sind und sich durch die Gemeinschaftspolitiken durchziehen. Es ist durchaus auch ein Wertschöpfungspotenzial da, das gehoben werden kann – in der kreativen Form, wie es eben hier bereits angesprochen wurde.

Das ist der Sinn des Gesetzes. Herzlichen Dank für die Bereitschaft, das auch zu un­terstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.07.45Dringliche Anfrage

der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft betreffend Einleitung von kontaminiertem Grundwasser in die Donau (2932/J-BR/2012)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Aufgrund des Einvernehmens mit der Anfrage­stellerin, dem Anfragesteller und den Fraktionen gelangen wir nunmehr zur Verhand­lung über die Dringliche Anfrage der BundesrätInnen Elisabeth Kerschbaum, Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Kerschbaum als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

 


15.08.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Umweltstadträtin in Korneuburg, und seit zwei Jahren habe ich das Thema Grundwasserbelastung mas­siv zu bearbeiten. Das ist eine lange Geschichte – ich möchte nur ganz kurz erwähnen, was sich da ereignet hat.

Im Jahr 2010 gab es einen Unfall in einer Fabrik in der Nachbargemeinde, bei dem Grundwasser verunreinigt wurde. Im März 2011 wurde dann auch außerhalb dieses


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 99

Firmengeländes von der Behörde eine Verunreinigung entdeckt, deshalb wurden die umliegenden Gemeinden verständigt. Seit März 2011 hat die Behörde versucht, he­rauszufinden, was denn da nun wirklich los ist und wie weit sich die Kontamination ver­breitet.

Das Problem war, dass die Behörde nicht von Anfang an auf die Stoffe untersucht hat, die in dieser Firma produziert werden beziehungsweise verarbeitet werden – produziert werden sie dort ja nicht. Deshalb hat es eben so lange gedauert, bis man draufge­kommen ist – das geschah erst im September 2012, und das auch nur, weil Glo­bal 2000 dort Untersuchungen gemacht hat –, dass es in Korneuburg weitere Stoffe im Grundwasser gibt. Gleichzeitig hat man leider auch bemerken müssen, dass die Maßnahmen, die im Vorfeld gesetzt worden sind und die nicht gerade billig gewesen sind, zum Teil sogar kontraproduktiv waren und die Verunreinigung eher verbreitert als verschmälert haben.

Im September – eben durch diese Aufdeckung durch Global 2000 – ist man draufge­kommen, dass das die größte Grundwasserverunreinigung in Österreich seit vielen, vielen Jahren ist. Das Problem, das wir hier vor Ort – also in Korneuburg, aber auch in der Umgebung – und wir als Grüne insbesondere haben, ist, dass diese Verunreini­gung regelmäßig heruntergespielt wird. Also es wird immer gesagt, es sei ja alles nicht so schlimm und das alles mache ja nichts.

Ich habe in diesen zwei Jahren drei Dinge gelernt.

Das erste ist: Biolandwirtschaft ist eine ganz, ganz wichtige Sache, um unsere Böden und unser Grundwasser sauber zu halten, denn würden wir nur mehr Biolandwirte ha­ben, dann hätten wir diese Fabrik nicht vor Ort und dann hätten wir diese Grundwas­serkontamination sicher nicht gehabt.

Das zweite ist: Ein vorsorgender Umweltschutz und Behörden, die ordentlich überprü­fen, wären ein ganz, ganz wichtiges Instrument in der Umweltpolitik.

Der dritte Punkt, den ich gelernt habe, ist: Man kann noch so punktgenau fragen, wenn das Gegenüber keine Antwort geben will, dann bekommt man sie eben nicht – und es hilft kein Umweltinformationsgesetz, es hilft kein Anfragerecht an den Minister, wenn Fragen immer und immer wieder am Punkt vorbei beantwortet werden.

Ich habe vor zwei Monaten eine schriftliche Anfrage zu diesem Thema an den Herrn Minister eingebracht. Unter anderem ging es um einen Punkt, den ich auch auf der BH immer wieder angefragt habe, nämlich: Wurde vor Ort 2010 beziehungsweise im März 2011 auf die Stoffe, die die Firma Kwizda – inzwischen darf man es schon sa­gen – verarbeitet, untersucht? Wurde das Grundwasser untersucht, ob sonst noch et­was drinnen ist?

Die Antworten – leider auch diejenige des Herrn Minister – lauteten: Ja, es wurde auf Stoffe untersucht, aber es wurde nicht auf die Wirkstoffliste untersucht, die erst im Sep­tember 2012 von der BH angefordert wurde. Das ist ein ewiges Herumbiegen; man stellt eine Frage, und statt dass man eine klare Antwort bekommt, wird zehnmal he­rumgebogen, das könnte eventuell auch etwas anderes heißen.

Ich habe mir nicht erwartet, dass Behörden so agieren können. Ich bin Ihre Anfrage­beantwortungen ja inzwischen gewöhnt, Herr Minister, aber selbst bei Ihnen hat mich die Anfragebeantwortung – also dieses nebenbei Herumgeschummle – wirklich über­rascht: dass das überhaupt noch möglich ist.

Tatsache ist, dass seit März 2011 die Kontamination mit Thiamethoxam bekannt ist, Tatsache ist, dass es bis September 2012 gedauert hat, bis die Behörde auf die rich­tigen Wirkstoffe untersucht hat. Ich bin mir ganz sicher, wenn nicht Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker, Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die besorgt waren, weil ihre Pflan-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 100

zen im Garten eingegangen sind, oder Global 2000 – sprich: NGOs – dahinter gewe­sen wären, wüssten wir es bis heute nicht und würden wir bis heute glauben, da drin­nen ist ein bisschen Thiamethoxam – von der großen, überwiegenden Belastung mit Clopyralid wüssten wir aber bis heute noch nichts.

In der Vorwoche wurde beschlossen, dass die Kontaminationsfahne abgeschnitten und das belastete Wasser direkt in die Donau geleitet werden soll. Ich habe in der Sitzung darauf gedrängt – und nicht nur ich allein; es waren auch andere Leute besorgt – und gefragt, warum man dieses Grundwasser vor der Einleitung nicht zumindest reinigen könne. Es ist nicht so stark belastet wie weiter oben, keine Frage, aber bevor man es in die Donau einleitet, müsste man es reinigen.

Es gibt auch gesetzliche Vorschriften, dass man in einem Oberflächengewässer, noch dazu in einem internationalen Gewässer wie der Donau, den Gewässerzustand nicht verschlechtern darf. Da genügt es offenbar, wenn ein Sachverständiger Entsprechen­des behauptet. Es stimmt natürlich: In der Donau wird das Grundwasser, das da ein­geleitet wird, 2000-fach verdünnt. – Das stimmt, keine Frage. Das Problem ist aber, dass es keinerlei Beschränkung gibt, wie viel eingeleitet werden darf, dass es im Vor­feld keine Reinigung gibt und dass man es – wenn es einmal drinnen ist und wir in zehn Jahren draufkommen, dass das vielleicht doch nicht so praktisch und so gut für die Gewässerökologie war – aus der Donau sicher nicht mehr herausbekommt.

Deshalb ist es für mich unverständlich, wie man so eine Aktion setzen kann, wohl wis­send, dass die Behörde schon 2011 Aktionen angeordnet hat, die im Nachhinein be­trachtet in Wirklichkeit falsch waren, die falsche Auswirkungen gehabt haben. Jetzt setzt man wieder so eine Aktion, und egal, wen man befragt – es ist sowohl im Land als auch auf der BH leider so –, man bekommt immer nur abschlägige Antworten, wird immer nur vertröstet. Es wird gesagt, das könne eh nichts machen und sei nicht ge­fährlich für die Gesundheit.

Ich würde mir wünschen, Herr Minister, dass Sie diesmal die Fragen, die wir in der Dringlichen Anfrage zu dieser Einleitung in die Donau aufgelistet haben, live und vor Ort Punkt für Punkt und wirklich direkt beantworten und ich nicht noch einmal lernen muss, dass man noch so genaue Fragen stellen kann, die Leute aber keine Antwort bekommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesräte Beer und Zangerl.)

15.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesmi­nister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.14.46

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Frau Bundesrätin Kerschbaum, ich lege Wert auf die Feststellung, dass ich die Anfragen, die an mich gestellt werden, ordnungsgemäß be­antworte. Was ich nicht tun kann, ist, Ihnen eine Antwort zu geben, die Sie sich wün­schen. Das mache ich nicht. Ich antworte korrekt und ordnungsgemäß. – Das ist das eine. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil Sie in den Raum stellen, man antworte nicht korrekt, weil irgendetwas vertuscht werden solle: Niemand hat ein Interesse daran, etwas zu vertuschen, im Gegenteil. (Bundesrätin Kerschbaum: Das stimmt, das stelle ich in den Raum!) – Sie können das ja behaupten, und ich weise es zurück, weil niemand ein Interesse daran hat, etwas zu vertuschen oder irgendeinen Missstand zu decken. Wie kommen Sie auf diese Idee? Die Sicherung unseres Grundwassers, unseres Trinkwassers ist jahrzehntelange öster-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 101

reichische Politik über alle Parteigrenzen hinweg, und da hat niemand ein Interesse da­ran, irgendjemanden zu schützen. Wenn Missstände da sind, sind sie zu beseitigen.

Auch Ihr Schluss, auf den ich kurz eingehen will, ist etwas weit gefasst, nämlich dass die Konsequenz ist, dass alle nur mehr Biolandwirtschaft betreiben sollen. – Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber das ist ein naiver Zugang. Sie wissen sehr genau, dass Chemikalien auch für andere Bereiche gemacht werden, nicht nur für die Land- und Forstwirtschaft (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum), daher können Sie nicht sagen, wenn alle Bio wären, dann würde so etwas nicht passieren. Wenn ein Betrieb mit gefährlichen Stoffen hantiert und arbeitet, hat er auch die Pflicht, ordnungsgemäß damit umzugehen, egal, ob das der landwirtschaftliche, der industrielle oder was immer für ein Sektor ist.

Zu diesem gegenständlichen Fall darf ich einleitend darauf hinweisen, dass das Was­serrecht in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen wird, das heißt, die Erteilung von gewässerpolizeilichen Aufträgen gemäß § 31 des Wasserrechtsgesetzes – so ist es im Fall Korneuburg – wurde von der Bezirksverwaltungsbehörde, von der BH und vom Magistrat, angeordnet. Das heißt, das ist auch die zuständige Stelle.

Sie haben gesagt, das Wasser werde in die Donau eingeleitet. – Das beruht auf Gut­achten von Sachverständigen, die sagen, eine Verdünnungswirkung entsteht – ich ver­teidige es nicht, ich erkläre es nur. Es wurden sehr wohl Gutachten von Sachverstän­digen eingeholt, die gesagt haben, das sei eine sinnvolle Maßnahme, um das Problem zu lösen.

Gegen derartige Anordnungen steht Parteien das Rechtsmittel beim UVS zur Verfü­gung, das ist offen (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum), und sofern im Verfah­ren betreffend Einleitung in Oberflächengewässer wasserrechtliche Bewilligungen er­teilt wurden, ist die zuständige Behörde die Bezirkshauptmannschaft.

Das Lebensministerium als oberste Wasserrechtsbehörde ist in engem Kontakt mit dem Land Niederösterreich. Wir nehmen dort unsere Aufsichtspflicht sehr wohl ernst, und ich sage noch einmal dazu, dass wir gerade im Bereich der Sicherung des Was­sers – des Grundwassers, des Trinkwassers – enorme Anstrengungen unternehmen. Wir haben rund 76 000 Kilometer Wasserleitungsnetz in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden erstellt und stecken auch viel Geld in die Erhaltung, damit un­sere Bevölkerung in ausreichender Menge und hoher Qualität Trinkwasser hat.

90 Prozent der Bevölkerung sind an das öffentliche Wasserversorgungsnetz ange­schlossen, der Rest wird über Hausbrunnen versorgt. Die regelmäßige Untersuchung der Wasserqualität bescheinigt Österreich eine sehr hohe Wasserqualität, das muss dazugesagt werden. Das soll keine Entschuldigung für den Fall sein, dass etwas auf­taucht. Das steht außer Zweifel und diese Sache muss bereinigt werden.

Ich komme damit zur Beantwortung Ihrer Fragen, zur Frage 1:

Die oberste Wasserrechtsbehörde beim BMLFUW wurde per Mail von der BH Korneu­burg als zuständiger Wasserbehörde am 27. November 2012 von der geplanten Einlei­tung in die Donau informiert.

Zur Frage 2:

Nein.

Zur Frage 3:

Hierzu verfügt das Lebensministerium über keine Informationen.

Zur Frage 4:

Aus einer dem Lebensministerium vorliegenden Verhandlungsschrift der BH Korneu­burg vom 20. November 2012 geht aus den Ausführungen des wasserbautechnischen


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Amtssachverständigen – ich habe ihn zitiert – hervor, dass selbst unter Berücksichti­gung einer nicht vollständigen Durchmischung des Wassers und auch einer niedrigen Wasserführung eine vielfache Unterschreitung des Trinkwassergrenzwertes gegeben ist. – Also laut Amtssachverständigem besteht keine Gefahr.

Zur Frage 5:

Maßnahmen, die Gegenstand einer behördlichen Anordnung gemäß § 31 Abs. 3 Was­serrechtsgesetz sind, bedürfen keiner wasserrechtlichen Bewilligung noch einer Bewil­ligung nach anderen Vorschriften. Der Verhandlungsschrift der BH Korneuburg vom 20. November 2012 ist zu entnehmen, dass dem Verschlechterungsverbot nicht wider­sprochen wird.

Zu den Fragen 6 und 7:

Die zuständige Wasserrechtsbehörde – konkret eben die BH Korneuburg – hat die zur Vermeidung beziehungsweise Sanierung der Grundwasserverunreinigung notwendi­gen und zweckmäßigen Maßnahmen zu setzen. Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind Grundprinzipien der Verwaltung und sind dabei stets zu beach­ten.

Zur Frage 8:

Die Führung des Verfahrens gemäß § 31 Wasserrechtsgesetz fällt in die Zuständigkeit der BH Korneuburg. Allfällig sich aus den Maßnahmen ergebende Amtshaftungsan­sprüche wären an die Republik Österreich zu richten.

Zur Frage 9:

Das Verfahren gemäß § 31 Wasserrechtsgesetz zur Vermeidung beziehungsweise Sa­nierung von Gewässerverunreinigungen ist ein amtswegiges Verfahren, in welchem nur der Verpflichtete/der Verursacher Parteistellung hat.

Zur Frage 10:

Es entzieht sich der Kenntnis des Lebensministeriums, ob die via donau, Zuständigkeit BMVIT, eingeladen war oder nicht beziehungsweise aus welchen Gründen dies der Fall war oder nicht.

Zur Frage 11:

Die gemäß Bundes-Umwelthaftungsgesetz zuständige Behörde wäre im gegenständli­chen Fall die BH Korneuburg. Diese hat zu entscheiden, ob das Bundes-Umwelthaf­tungsgesetz zur Anwendung gelangt und ob es sich um einen Umweltschaden im Sinne des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes handelt. Die Experten des Lebensministe­riums können lediglich beratend fungieren, sind aber selbstverständlich dazu bereit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke, Herr Minister.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates/einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten be­grenzt ist.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


15.21.00

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Also ganz zufrieden mit Ihren Antworten bin ich leider nicht, aber ich darf kurz zurückgehen und an die Frau Kollegin Kerschbaum anschließen.


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Korneuburg – und kein Ende des Umweltskandales! Seit 1853 ist das Familienunter­nehmen Kwizda eine Erfolgsgeschichte. Nun aber steht es im Mittelpunkt eines der größten Umweltskandale, die wir je in Österreich hatten. Dieser gegenständliche Um­weltskandal ist eine einzige Geschichte des Versagens einerseits und der schänd­lichsten Vertuschung andererseits. Auf der einen Seite steht die enorme Verantwortung der Firma Kwizda der Bevölkerung gegenüber in diesem Fall in einer gewaltigen Schräglage, während auf der anderen Seite das Verhalten der Bezirkshauptmann­schaft Korneuburg sowie der Staatsanwaltschaft Korneuburg in einem mehr als zwei­felhaften Licht steht.

Aber gehen wir Schritt für Schritt vor. Die Firma Kwizda, die seit mehr als 160 Jahren Milliardengewinne mit der Produktion und dem Vertrieb ihrer Produkte einfährt, darf einfach keine Fehler machen, denn wenn ein Fehler passiert im Umgang mit Chemi­kalien und Giften, dann sind nicht nur Menschenleben in Gefahr, sondern auch Fauna und Flora und, wie wir in diesem Fall gesehen haben, auch die Wasserqualität von Brunnen und Oberflächengewässern. Angeblich stand am Anfang dieser Katastrophe ja nicht mehr als der Austritt von kontaminiertem Wasser aus einem Tank. Keine Fra­ge, dass so etwas passieren kann, jedes Material kann ermüden und brechen. Das weiß jeder verantwortungsbewusste Ingenieur, und deshalb gibt es für solche Fälle auch geeignete Schutzmaßnahmen. Aber solche Schutzmaßnahmen fehlten offen­sichtlich 2010 auf dem Firmengelände der Firma Kwizda.

Es gibt zum Beispiel Auffangbecken für Großtanks oder Ableitungssysteme für austre­tende Flüssigkeiten und vieles mehr. Das alles müssten die Verantwortlichen in einem Chemieunternehmen nicht nur wissen, sondern auch bereitstellen. Aber bei der Firma Kwizda war das offensichtlich nicht so.

Welche Menge dann aus dem Tank austrat, wissen wir nicht, und auch die Bevölke­rung wurde dahin gehend nicht informiert. Man findet auch keinerlei Meldungen in den Medien aus dieser Zeit, welche auf die Gefahren hingewiesen hätten. Und es wurde auch niemand darüber informiert, welche Stoffe da ausgetreten sind.

Erstens einmal war es Thiamethoxam. Das ist ein Insektizid, welches zwar für Men­schen an und für sich nicht sehr giftig, aber nichtsdestotrotz höchst ungenießbar ist. In größeren Mengen wirkt es negativ auf die Nervenverbindungen. Aber natürlich wirkt es auch auf Bienen sowie auf Wasser- und Bodenorganismen schädlich. Und wenn Bie­nen unkontrolliert vergiftet werden, weiß man ja, welche Folgen das für die Natur hat. Aber wenn es so unbedenklich ist, wie die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg da­mals meinte, können ja die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft einmal einen Schluck von diesem Mittel nehmen.

Weiters ist das Mittel Clopyralid ausgetreten. Dieses Pflanzenschutzgift zählt zu den Pestiziden und wird hauptsächlich gegen Disteln und Klee verwendet. Für Menschen ist es natürlich ebenso wenig zu empfehlen wie das Erstere. Es hält sich jahrelang in den abgestorbenen Pflanzen und auch im Kompost. Es ist in großen Teilen Amerikas seit 1999 verboten, und ich glaube, die Amerikaner wissen genau, warum sie es ver­boten haben.

Hier wurde erst einmal vertuscht und die Bevölkerung nicht ausreichend informiert. Ein Versagen auf der ganzen Linie, inklusive Vertuschung, was sich da in den Jahren 2010 und 2011 bei der Firma Kwizda abgespielt hat.

Wie es aber dann möglich gewesen sein sollte, dass die bei diesem Unfall ausge­tretene Menge kontaminierten Wassers eine so großflächige Wirkung haben konnte, bleibt vorerst ein Rätsel. Wir wissen es nicht, denn Kwizda klärt uns nicht auf, und be­züglich der Dauer der Abflüsse und der möglichen Mengen von versickertem kontami­niertem Wasser bekommen wir auch keine Auskünfte. Aber wahrscheinlich kann es die


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Firma selbst nicht benennen, denn eine neuerlich festgestellte undichte Leitung lässt sehr wohl eine möglicherweise seit Jahren laufende Grundwasserverschmutzung ver­muten. Zwar heißt es jetzt, die Leitung sei repariert oder nicht mehr in Betrieb, aber wie lange diese schadhafte Leitung schadhaft war, wird nicht gesagt. Ist eh wurscht, ist ja schon alles vorbei! – Man könnte glauben, das ist die Meinung der Verantwortlichen der Firma Kwizda. Eventuelle Langzeitfolgen sind offenbar unbekannt.

So geht man also locker und flockig mit den Ängsten und Interessen der Bevölkerung und deren möglicher Gesundheitsgefährdung um. Aber genau genommen scheint es unmöglich, dass die Menge an kontaminierter Flüssigkeit, welche angeblich bei dem Unfall 2010 ausgetreten sein sollte, derart weitläufige Schäden anrichten konnte. Eher ist es doch glaubhafter, dass schon jahrelang eine Verseuchung des Grundwassers vorliegt, was auch der Meinung vieler Experten entspricht.

Aber die Horrormeldungen über die Firma Kwizda reißen nicht ab, denn am 7. No­vember 2012 meldeten die Bezirksblätter, dass weitere 15 Giftstoffe auf dem Areal
der Firma Kwizda, Standort Leobendorf, gefunden wurden. Bereits eine Woche später,
am 14.11., wurden laut den Bezirksblättern auch im Trinkwasser Giftstoffe aufgespürt. Was an all diesen Meldungen wahr oder unwahr ist, kann ich von hier aus nicht be­urteilen. Und wer weiß schon, wie viele Lecks, in welchen Bereichen auch immer, sich noch in diesem Betrieb befinden. Man wird es uns nicht sagen, auf jeden Fall nicht frei­willig.

Fakt ist allerdings auch, dass Kwizda natürlich schon auf diesen Unfall reagiert hat. Sie errichteten diverse Sperrbrunnen und auch Kohlefilteranlagen und leiteten das schein­bar durch die Filter gereinigte Wasser in das Donaubecken ein. Aber wie sich in der Folge herausstellte, waren all diese Maßnahmen zahnlos, denn das Wasser blieb auch nach dem Durchlaufen der Kohlefilter weiterhin kontaminiert.

Offensichtlich ist es nicht so einfach, die Wasserverunreinigungen zu beseitigen. Ex­perten zufolge soll es Jahrzehnte dauern, das Grundwasser wieder sauber zu kriegen, und es soll viele, viele Millionen Euro kosten. Ich selber bin natürlich kein Experte und kann daher auch nicht sagen, was solche Expertenmeinungen wert sind. Tatsache bleibt, dass all diese verschiedenen Meldungen nicht nur mich, sondern auch die Bür­gerinnen und Bürger in und um Korneuburg verunsichern. Sie helfen uns nicht.

Zusammenfassend möchte ich in Bezug auf die Firma Kwizda aber schon anmerken, dass es da viel aufzuarbeiten gibt und geben wird, denn in den Bereichen Sicherheit und Verantwortung der Bevölkerung gegenüber kann diese Firma sicher nicht punkten. Jetzt aber, wo längst schon wortwörtlich das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird der Milliardenkonzern Kwizda plötzlich großzügig. Kwizda bezahlt einen Teil der Wasser­analysen, welche von den Bürgerinnen und Bürgern gefordert werden.  Welch billige Augenauswischerei, nachdem das Brunnenwasser wahrscheinlich schon seit Jahren durch Kwizda beeinträchtigt wurde!

Aber in dieser unsäglichen Angelegenheit geht es nicht nur allein um die Firma Kwizda. Auch die öffentlichen Behörden selbst haben einen gewaltigen negativen Einfluss aus­geübt. 2010, als der Betriebsunfall bei Kwizda ruchbar wurde, reagierte die Bezirks­hauptmannschaft Korneuburg grundsätzlich einmal mit einer Negation der Tatsachen. Auf besorgte Anfragen aus der Bevölkerung reagierte man kaum oder aber mit ver­harmlosenden Antworten. Als aber dann die ersten massiven Beschwerden eintrafen, entblödete man sich nicht, auf der Homepage der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg eine Unbedenklichkeit des Grundwassers und der Brunnen zu posten und zu sagen, dass da keine Gefahr besteht. Das war nicht nur unverfroren, sondern auch dumm und sehr bedenklich bezüglich der Verantwortung den Bürgerinnen und Bürgern gegen­über.


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Tatsache ist, dass für die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg nach einem Unfall in einem Chemieunternehmen Vorsicht und Obsorge für die Bevölkerung oberstes Gebot gewesen wäre – was es aber nicht war. Es kam jedoch zu mehreren umfangreichen Versagen.

Versagen Nummer 1: gewerbliche Grundwasserkontamination nicht verhindert. § 84d Abs. 5 der Gewerbeordnung verpflichtet die Bezirkshauptmannschaft, Seveso II-Betrie­ben wie Kwizda Agro ein Inspektionsprogramm, welches Umweltschäden verhindert, vorzuschreiben und mindestens jährlich zu kontrollieren.

Versagen Nummer 2: wahres Ausmaß der Kontamination zwei Jahre nicht festgestellt. Nachdem Kwizda den Austritt von Pestiziden ins Grundwasser 2010 bekanntgegeben hatte, versäumte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, das Kwizda-Grundwasser auf alle möglichen Chemikalien zu untersuchen und das Kontaminationsgebiet abzu­grenzen.

Versagen Nummer 3: Bürger zuerst nicht und dann irreführend informiert. Die Bezirks­hauptmannschaft hätte die Bevölkerung nach dem Umweltinformationsgesetz § 9 Abs. 5 unmittelbar und unverzüglich über die gemeldete Kontamination im August schon informieren müssen. Die erste öffentliche Information erfolgte erst im Mai 2011. Das Grundwasser wurde und wird als unbedenklich eingestuft. Negative Auswirkungen auf Pflanzen wurden in Abrede gestellt. Seitens der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg hieß es zudem bis zum 30. Oktober 2012, dass das Trinkwasser nie gefährdet gewe­sen sei.

Versagen Nummer 4: weitere Umweltschäden durch falsche Maßnahmen verursacht. Ohne Kenntnis der tatsächlichen Chemiebelastung und ohne effiziente Kontrolle er­laubte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die Einleitung von kontaminiertem Wasser in den Tresdorfer Graben beziehungsweise in den Donaugraben.

Versagen Nummer 5: Hinweise auf Pflanzenschäden ignoriert. Trotz vieler Hinweise aus der Bevölkerung auf Pflanzenverkrüppelungen durch das Grundwasser und trotz eines AGES-Gutachtens, welches ein Herbizid als mögliche Erklärung dafür nannte, hat die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg bei den Grundwasseruntersuchungen nie nach einem Herbizid im Grundwasser gesucht.

Die Konsequenzen all dieser Fehlleistungen sind: Pestizide gelangten mehrfach aus schadhaften Auffangbecken in das Grundwasser. Die Kontamination konnte sich aus­breiten und unerkannt die Trinkwasserversorgung Brunnenfeld-Bisamberg erreichen, welche bis September 2012 rund 50 000 Menschen im Raum Korneuburg mitversorgt hat. Untersuchungen ergaben, dass in Korneuburg der Tresdorfer Graben, der Donau­graben und sogar ein Badeteich pestizidverseucht sind.

Die Bevölkerung wurde irreführend informiert. Die Konsequenz sind Verunsicherung und Angst in der Bevölkerung und ein tiefes Misstrauen gegenüber amtlichen Informa­tionen, da sich vergangene Informationen wiederholt als völlig falsch herausgestellt ha­ben.

Die Bürgerinitiative „Pro Reines Wasser“ fordert daher im Sinne der Schadensbegren­zung, die Einleitung des kontaminierten Wassers in die Donau zu unterlassen. Sollte die Bevölkerung tatsächlich, wie uns zugetragen worden ist, mit einer Gefahr-im-Ver­zug-Situation konfrontiert sein, muss das abgepumpte Grundwasser bis zur baldigen Installierung einer geeigneten Filteranlage ungereinigt stromaufwärts wieder dem Grund­wasserstrom zugeführt werden.

Woher die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die Weisheit nahm, eine Unbedenk­lichkeit öffentlich zu vertreten, wissen wir bis heute nicht. Aber wir können es uns den­ken. Wo doch Kwizda einer der größten Arbeitgeber und Steuerzahler des Bezirkes ist,


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liegt wohl der Verdacht nahe, dass man eher auf deren Aussage Bedacht nahm als auf die Bedenken – nach Meinung der Bezirkshauptmannschaft – überängstlicher oder gar hysterischer Bürgerinnen und Bürger. Wer will es sich denn schon gerne mit den gro­ßen Wirtschaftsbossen der Region verscherzen?! Da hält man eben erst einmal still und wartet ab.

Die Verantwortlichen der Firma Kwizda haben sicherlich ursprünglich von Harmlosig­keit und Unbedenklichkeit des Vorfalles gesprochen. Die Bezirkshauptmannschaft Kor­neuburg hat das eins zu eins übernommen, ohne viel zu hinterfragen. Aber dass diese Verharmlosungspolitik auf Dauer nicht haltbar sein würde, hätte man vonseiten der Bezirkshauptmannschaft wenigstens ins Auge fassen und vielleicht doch ein paar Er­kundigungen einholen können. (Bundesrat Hensler: Herr Kollege, willst du sagen, dass der Gesetzgeber bewusst die Unwahrheit sagt? Du dokumentierst hier, dass der Gesetzgeber bewusst die Unwahrheit sagt! So kann es ja nicht sein!) – Hast du jetzt nicht zugehört?

Dass diese „Unbedenklichkeit“ nicht haltbar ist, hat man spätestens dann gesehen, als Global 2000 die ganze Tragweite dieser Malaise ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hat. Heimlich, still und leise wurden dann die verharmlosenden Einträge auf der Home­page der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg entfernt, die vorher gesagt hat, dass al­les unbedenklich ist und keine Gefahr besteht.

Also auch da ist eine beschämende Geschichte von Versagen, Verantwortungslosig­keit und Vertuschung zutage getreten.

Nur ist aber diese Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben. Da ist noch eine Behörde mit im Boot, und zwar die Staatsanwaltschaft Korneuburg. Ausgestattet mit dem Mut der Empörung und sicher auch mit einer Portion Wut im Bauch erstattete die Kollegin Kerschbaum von den Grünen eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Kor­neuburg, und zwar eine Anzeige gegen Unbekannt, wegen der Kontaminierung des Grundwassers. Diese wurde von der Staatsanwaltschaft Korneuburg ad acta gelegt mit der Begründung, dass kein Anfangsverdacht gegen die Firma Kwizda vorliegen würde. Das ist eine eigenwillige Rechtsauffassung des Staatsanwaltes, denn die Firma Kwizda wurde ja überhaupt nicht angezeigt, sondern es wurde ja gegen Unbekannt angezeigt.

Pflicht der Staatsanwaltschaft wäre es nach meiner Rechtsauffassung gewesen, nach einem Unbekannten zu recherchieren, welcher die Möglichkeit gehabt hätte, eine sol­che Kontaminierung überhaupt durchzuführen. Und da wäre es wohl naheliegend ge­wesen, bei der Firma Kwizda über den Zaun zu schauen, wohl wissend, dass da ge­nügend Materialien gelagert sind, welche eine Kontaminierung in diesem Ausmaß möglich machen könnten.

Diese Schlussfolgerung wäre leicht nachvollziehbar gewesen. Eine Untersuchung bei Kwizda schien damals anscheinend undenkbar. Nun muss sie aber untersuchen, die hohe Staatsanwaltschaft, weil das inzwischen Offensichtliche klar und deutlich erkenn­bar ist. Das wäre es auch schon gewesen, wenn man der Anzeige der Kollegin Kersch­baum nachgegangen wäre. Man hätte nicht tief graben müssen, um diesen Giftpool freizulegen  eine lauwarme, geradezu armselige Leistung der Staatsanwaltschaft Kor­neuburg!

Es bleibt nur zu hoffen, dass nach der Trockenlegung dieses Sumpfes an Versagen und Vertuschen jede Menge Zivilprozesse wegen Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit und wegen Wiedergutmachung eines tatsächlich eingetretenen Schadens anlaufen werden. Die Langzeitfolgen der Kontaminierung sind ohnehin unabsehbar. Es geht darum, dass die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg per Bescheid das kontami­nierte Wasser aus dem Donaubecken ohne viel Federlesen in die Donau leiten will, um es verschwinden zu lassen.


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Kein giftiges Wasser mehr da, Fall erledigt  egal, welcher Schaden der Fauna und Flora der Donau dadurch entstehen wird, egal, der Dreck fließt sowieso ins Schwarze Meer. Was juckt das die Bezirkshauptmannschaft? – So kann es nicht gehen! Da ge­hört eine saubere Lösung dieser Probleme her. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Der Verursacher dieser Malaise ist haftbar und hat wortwörtlich für eine saubere Lö­sung zu sorgen. Und wer der Verursacher ist, das ist wohl bekannt. Dieser hat für klare Verhältnisse zu sorgen – egal, was es ihn kosten wird.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass ein Expertenteam unter Führung von Universitätsprofessor Dr. Werner Wruss mit der Umsetzung von Sanierungsarbeiten betraut ist. Es stellt sich nur die Frage, warum beim Umsetzen der Sanierungsschritte nichts weitergeht und wer Professor Wruss damit beauftragt hat. War es die Firma Kwizda oder war es die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg?

Die Brunnenvergifter wurden schon im Mittelalter schwer bestraft. Es kann nicht sein, dass diese in der Jetztzeit ungestraft bleiben. Unter den gegebenen Umständen war es für mich gar keine Frage, diese Dringliche Anfrage der Kollegin Kerschbaum zu unter­stützen. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

15.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte.

 


15.42.08

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kollegin Kerschbaum, zu deiner Dringlichen Anfrage: Du hast ja bereits vor zwei Monaten eine schriftliche Anfrage zu diesem Thema gestellt und diese Woche eine Antwort zu dieser Causa erhalten. (Bundesrätin Kerschbaum: Nicht zur Wassereinleitung in die Donau! Die gibt es erst seit einer Woche!)

Zum Thema Einleitung in die Donau: Das ist durchaus neu, wobei sich da Frau Kolle­gin Sima in Wien sehr stark für die Einstellung dieser Einleitung macht, wobei es gilt, das Problem auch für die niederösterreichische Bevölkerung zu bannen. Ich weiß, du fragst sehr oft und erhältst nicht immer die Antworten, die du haben möchtest. Es sind für dich oft die falschen Antworten. Kollege Ertl versucht, ich verstehe es, aufgrund sei­ner beruflichen Qualifikation alles zu kriminalisieren und zu skandalisieren.

Was ist tatsächlich passiert? – Ich möchte das etwas versachlichen. Es ist sicher etwas Schreckliches passiert, nämlich im August 2010 ein Störfall in der Firma Kwizda, der gemeldet wurde. Später ist man draufgekommen, dass es irgendwo eine lecke Stelle im Kanalsystem – man weiß nicht, wie lange – gegeben hat. Da ist man erst zwei Jah­re später draufgekommen. Das muss man jetzt aus Behördensicht wissen und beob­achten, und dann versteht man auch, warum die Behörde so gehandelt hat, wie sie ge­handelt hat.

Was ist passiert? – Es hat eben, wie gesagt, im August 2010 die Firma Kwizda einen Störfall mit Insektiziden gemeldet und dass verunreinigtes Abwasser ausgetreten ist. Dieser Fall wurde angezeigt. Darauf hat die Behörde auch entsprechend reagiert, näm­lich mit der Errichtung von Sperrbrunnen im Bereich der Firma, mit der Reinigung des Grundwassers mit Aktivkohle, immer in Richtung Insektizide – das muss man wissen. (Bundesrätin Kerschbaum: Ohne Information der Menschen!) Einige Objekte wurden an die öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossen, damit diese durch die öffent­lichen Trinkwasserversorgungsleitungen gesund und sauber bleibt.

Es hat regelmäßige Kontrollmessungen gegeben, auch in Richtung Insektizide. Es hat eine toxikologische Bewertung gegeben. Und die AGES hat das so beurteilt, dass kei­ne Gefahr für die Menschen besteht. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber für die Umwelt


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schon!) Es war ja ein Insektizid. Man muss sich auf die Sachverständigen auch verlas­sen können, denn wenn wir alles selbst beurteilen, dann bräuchten wir keine Sachver­ständigen. Okay, das waren die Leistung, die Aufgabe und die Sicherheitsmaßnahme der Behörde Korneuburg, der BH Korneuburg zu diesem gemeldeten Störfall.

Was ist dann aufgrund einer Messung von Global 2000 im August 2012 herausgekom­men? – Es gibt auch andere Stoffe, die sich im Grundwasser befinden, die eben auf­grund eines – darauf ist man später gekommen – defekten Kanalsystems schon länger in das Grundwasser eingedrungen sind, was durchaus dramatisch ist. In diesem Fall hat es sich um Herbizide gehandelt. Auch da hat die Behörde, die BH Korneuburg rela­tiv rasch reagiert, hat versucht, auch wieder entsprechende Filteranlagen zu suchen; anderer Stoff, andere Filter. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen.

Man hat dann die Firma Kwizda gewerbebehördlich überprüft und geschaut, wo es noch undichte Stellen gibt, hat diese eine Stelle eindeutig gefunden und hat eine groß­räumige Beprobung des Grundwassers beauftragt, für die letzten zehn Jahre rückwir­kend, alle Stoffe, die relevant sind. Man hat die Abwasseranlagen der Firma Kwizda durch einen Zivilingenieur prüfen lassen und hat wieder die Pestizidbelastung durch die AGES auf Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen überprüfen lassen.

Und die Sachverständigungen der AGES haben wieder festgestellt, es besteht keine Gefahr für die Menschen. Die Grenzwerte sind nicht so, dass eine Gefahr besteht. Das Trinkwasser aus der öffentlichen Wasserleitung war immer sicher.

Man ist dann auf viele Dinge draufgekommen. Man hat auch entsprechend reagiert. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist erstaunlich, auf wie viele Dinge man im Zuge dessen draufgekommen ist!) – Darum habe ich gesagt, Abfolge des Verlaufes. – Aufgrund die­ser neuen Situation wurden wieder neue Reinigungsanlagen eingerichtet, man hat eine Telefonhotline eingerichtet, damit die Bürger informiert sind, was sie tun dürfen, ob sie mit dem Wasser gießen können.

Das Grundwasser sollen sie aber nicht trinken. Ich habe heute selbst die Hotline aus­probiert, welche Auskunft man bekommt. Das Grundwasser soll man nach Möglichkeit nicht trinken. Das Trinkwasser aus der Wasserleitung ist unbedenklich.

Es haben auch ein beauftragter Wissenschafter, Herr Universitätsprofessor Wruss, und ein zweiter Ziviltechniker ein Sanierungskonzept erarbeitet, das wiederum sehr viele Punkte beinhaltet: von einer Wand rund um das Gelände, bis hin zu Sperrbrunnenan­lagen, bis hin wieder zur Sicherung der Trinkwasserversorgung, bis hin zur Sicherung der Nutzwasserversorgung und Beregnungsanlagen, bis hin zum Grundwassermoni­toring. Letztlich sollen bis Dezember 2012 alle Messdaten auch öffentlich im Internet nachzulesen sein.

Das heißt, man will hier nichts vertuschen, man will hier nichts hinter dem Vorhang hal­ten, sondern es geht darum, auf entsprechende Unfälle Schritt für Schritt verantwor­tungsbewusst Maßnahmen zu setzen. Ich glaube, das ist, so schwierig und traurig der Fall ist, in diesem Fall passiert. Und für die Sanierung, die die Behörde anordnet, ist ganz klar rechtlich die Firma Kwizda verantwortlich. Sie wird dafür auch zur Rechen­schaft gezogen und niemand möchte diese Firma in irgendeiner Form schonen.

Was ist jetzt passiert – da es um die aktuelle Anfrage geht? Warum wird Grundwasser in die Donau gepumpt? – Eben um eine Ausbreitung der Kontaminierung im Grund­wasser rund um Korneuburg zu vermeiden, haben die Wissenschafter und Experten wieder entschieden  (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Auf irgendetwas muss man sich verlassen können, Freunde! – Also haben die Experten entschieden, das ist der geringere Schaden, daher kein Bescheid, es ist Gefahr in Verzug. Das ist das geringere Übel, nicht die beste Lösung. Wir können drei Jahre nach der besten Lö­sung suchen, aber wir brauchen eine schnelle Lösung. Das ist so: Bei dringenden Stör-


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fällen, bei Unfällen, braucht man schnelle Feuerwehrlösungen. Und eine dieser Lösun­gen ist laut Experten jene mit dem geringeren Schaden. Man pumpt das kontaminierte Wasser in die Donau; da auch dann noch immer die Trinkwasserqualität der Donau ge­währleistet ist, ist das besser, als dass sich das verunreinigte Grundwasser ausbreitet. Also das Prinzip des geringeren Übels.

Auch das ist entsprechend belegt. Es gibt viele Maßnahmen und Maßnahmenbündel. Ich habe schon darauf hingewiesen. Wie gesagt, es ist eine Maßnahme, wo Gefahr in Verzug ist, wo das geringere Übel gewählt wurde und wo nach Möglichkeit die gerings­te Gefährdung für die Menschen besteht. Und für uns steht der Mensch im Vorder­grund.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte sagen, dass die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg nach bestem Wissen der Sachlage und Gewissen jeweils Schritt für Schritt gehandelt hat, dass sie rasch Maßnahmen gesetzt hat und dass sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt hat. Ich glaube, dass die Frau Bezirkshauptfrau dort sehr verantwor­tungsbewusst handelt.

Ich lasse mir diese regionalen Verwaltungsbehörden nicht miesreden. Es ist wichtig für die Bevölkerung, dass wir und unsere Behörden entsprechend vorsorglich und verant­wortungsbewusst handeln, dass wir die Bürger informieren und nicht verunsichern. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Kerschbaum: Das würden wir uns wünschen!)

15.50


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Ebner. – Bitte.

 


15.50.49

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben schon sehr viel zu diesem Thema gesagt, und ich möchte hier nicht alles nochmals wieder­holen. Außer Streit steht natürlich, dass jede Verunreinigung von Wasser, sei es das Grundwasser oder das Trinkwasser, verurteilt und auch gerichtlich geahndet werden muss und auch soll.

Die Verursacherin, die Firma Kwizda – wir haben gehört, was passiert ist, beginnend im Jahr 2010 bis heuer – wurde bereits zur Verantwortung gezogen und von der Be­hörde beauftragt, entsprechende Sanierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, womit bereits begonnen wurde. Meiner Auffassung nach ist eine Behörde wie eine Bezirks­hauptmannschaft sicherlich angehalten, ordentlich und korrekt zu handeln, im Sinne der Verantwortung, die sie übertragen bekommen hat und auch im Sinne der Bürge­rinnen und Bürger. Ich glaube, auch in Korneuburg hat die Bezirkshauptfrau sicherlich auf der Grundlage von Meinungen der Experten und Sachverständigen diesbezügliche Maßnahmen getroffen.

Ein Expertenteam unter der Leitung von Dr. Wruss wurde mit der Ausarbeitung der da­zu nötigen Sanierungsmaßnahmen beauftragt. Diese Fachleute haben für diese Konta­minierung des Grundwassers festgelegt, dass die Ableitung in die Donau – vor allem vorerst – die richtige Maßnahme ist. Oberste Priorität hat derzeit, dass eine weitere Ausbreitung der Grundwasserverunreinigung verhindert wird.

Geschätzte Damen und Herren! Behörden sind an und für sich Stellen, wo man sich als Bürger hinwenden kann und auch darf. Wir erhoffen uns, dass genau diese Behör­de im Sinne ihrer Verantwortung Entscheidungen trifft. Ich glaube, kaum eine Behörde, auch nicht die Staatsanwaltschaft, wird es sich erlauben können, falsche Maßnahmen zu setzen. Es wurden hier starke Vorwürfe an die einzelnen Stellen gerichtet. Ich per­sönlich, als Mandatarin des Bundesrates, erlaube mir nicht, über diese Behörden zu ur­teilen oder festzustellen, dass sie vielleicht bewusst – wie ich es in den Redebeiträgen


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 110

herausgehört habe – falsche Maßnahmen oder nicht dem Gesetz entsprechende Auf­träge hinausgegeben haben. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Hensler.)

Ich würde mir das selbst als Bürgermeisterin meiner Gemeinde auch nicht erlauben, weil man einfach Verantwortung übertragen bekommen hat und diese im Sinne aller tragen muss.

Persönlich habe ich an Sie, Herr Bundesminister, noch einige Fragen: Waren Sie diese Maßnahmen betreffend informiert? Haben Sie Informationen seitens der Bezirkshaupt­mannschaft, seitens des Landes Niederösterreich an Ihr Ministerium erhalten, bezie­hungsweise können Sie in gewissen Bereichen bei den Entscheidungen mitwirken? Gibt es Schritte, die gesetzt werden können, auch seitens des Bundes, damit man möglicherweise in Zukunft solche Vorfälle wie in Korneuburg vermeiden könnte?

Ich denke, Sie als im Bund für diese Aufgabengebiete zuständiger Minister werden auch in Ihrem Kompetenzbereich Verantwortung übernehmen müssen, damit die Ver­ursacher in Korneuburg zur Verantwortung gezogen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Frau Kollegin Kerschbaum, zweite Wortmel­dung. – Bitte.

 


15.55.09

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Liebe Frau Kollegin Ebner! Ich werde dir dann die Telefonnummer der SPÖ-Umweltgemeinderätin in Kor­neuburg geben. Sie kann dir noch nähere Details dazu erzählen, wie informiert wurde und wie nicht informiert wurde.

Ich muss gestehen, ich bin doch etwas enttäuscht, dass ihr von der SPÖ letztendlich doch nicht mit der Anfrage mitgegangen seid, weil es im Land Niederösterreich an und für sich in dieser Frage ja eine Zusammenarbeit zwischen SPÖ, FPÖ und Grünen gibt; ich hätte mir das auch für den Bundesrat gewünscht. Das ist leider nicht so.

Herr Minister! Zu Ihren Antworten. Es stimmt schon, es waren nicht meine Wunschant­worten, keine Frage. Es waren nicht meine Wunschantworten (Bundesrat Mayer: Die Wahrheit !), aber nicht deshalb, weil nicht das gesagt wurde, was ich gerne hören wollte, sondern weil das, was der Minister gesagt hat, zum Teil wieder keine Antworten waren.

Wenn Sie jetzt sagen, es liegen Ihnen keine Berechnungen über die Schadstoffmen­gen vor, die eingeleitet werden, so darf ich Ihnen hier einen Plan übergeben, was da­von in die Donau fließt. Das sind dann auch Zahlen dazu, und die bekommt der Herr Minister vielleicht auch von der BH übermittelt, wenn er sie anfragt; per Umweltinforma­tionsgesetz, das kann ich empfehlen.

Das Problem ist, es ist eine Notfallmaßnahme, keine Frage. Wir haben darüber gere­det. Die Frage ist für mich schon, warum man diese Notfallmaßnahmen setzen muss, ohne zu filtern. Die Filter sind vorhanden, diese Trümmer stehen ja weiter oben herum, und die Behörde sagt, die brauchen wir nicht, weil verdünnt wird.

Aber: Die Geschichte ist, man braucht in der Donau auch kein Trinkwasser, man braucht in der Donau keine Verschlechterung für Pflanzen und Kleinlebewesen. Und es ist eine andere Bemessungsgrundlage, ob man jetzt ein Glas Wasser trinken darf oder nicht. Das ist doch ein Unterschied. Es gibt laut Wasserrahmenrichtlinie ein Verschlech­terungsverbot.

Herr Minister, ich glaube nicht, dass Herr Professor Wruss zur Verantwortung gezogen wird, wenn in zehn Jahren vielleicht jemand draufgekommen sein wird, dass sich das doch irgendwo angereichert hat oder liegengeblieben ist oder doch irgendwelche Schäden verursacht hat.


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Das einzige Gutachten, das die BH bis jetzt laut Umweltinformationsgesetz zu Clopyra­lid hat – und ich habe ein paarmal nachgefragt –, sind eineinhalb Seiten von der AGES. Da steht drinnen, dass Roggen und Weizen nicht betroffen sind, aber Korbblüt­ler schon. Das ist es, was es zu Clopyralid gibt. Alles andere sind nur Aussagen in Presseaussendungen der BH, die seit Jahren – wirklich seit Jahren – immer wieder be­schwichtigt.

Kollege Preineder, weil du zuerst so mehr oder weniger gesagt hast, die arme BH ist halt erst nach zwei Jahren draufgekommen, dass da etwas anderes auch noch ist. – Seit März 2011, seitdem bekannt geworden ist, dass da eingeleitet wird, seit die Leute mitbekommen haben – denn offiziell informiert worden sind sie nie von der BH –, dass da etwas im Grundwasser ist, kommen Menschen zur Frau Bezirkshauptfrau. Sie wa­ren auch im Fernsehen zu sehen, sie haben bei ihr angeklopft – sie nennt sich Bezirks­hauptmann – und haben gesagt, mit meinem Grundwasser stimmt irgendetwas nicht, meine Tomaten sind verkrüppelt, bla, bla, bla.

Die Frau Bezirkshauptfrau hat ihnen nie zugehört. Sie hat da immer auf anderes ver­wiesen. Dann gab es diese Pflanzenuntersuchung, und da gab es schon einen Hinweis von der AGES, dass die Pflanze ein Problem hat, weil eine Herbizidbelastung vorliegt. Auch das hat für die BH nicht gereicht, dass sie sagt, okay, dann schauen wir, ob da noch etwas anderes drinnen ist. Wenn man im Jahr 2010 einen Unfall gemeldet be­kommt, in einer Abwasserleitung bei Kwizda ist ein Rohr gebrochen – das wurde ge­meldet –, und die Firma sagt, da war nur Thiamethoxam drinnen – Entschuldigung, das kann ich glauben, muss ich aber nicht. Dass im Abwasserbecken nur ein Wirkstoff drinnen ist, das kann man glauben, muss man aber nicht glauben. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Die BH war da leichtgläubig, auf jeden Fall leichtgläubig – sie hat nicht untersucht. Sie hat um diese Wirkstoffliste erst 2012 angesucht. Das ist eigentlich ein Wahnsinn, wenn ich sage, ich habe einen Betrieb hier vor Ort, und die BH muss erst um die Wirkstoff­liste der Stoffe ansuchen, die dort verarbeitet werden! Das ist ein Seveso-Betrieb, da geht es um große Mengen von Pestiziden, und die BH weiß nicht einmal, was da drin­nen gespielt wird. Das ist für mich absolut unverständlich! Das kann keiner nachvoll­ziehen. (Beifall bei den Grünen.)

Und sie hat es dann eben verabsäumt, zu untersuchen. Die Leute haben uns wirklich die Türen eingerannt – die haben nicht nur der BH die Türen eingerannt –, da hatte un­ser Herr Bürgermeister genauso sein Leid wie ich, weil sie dann natürlich uns gefragt haben, weil sie bei der BH nicht weitergekommen sind.

Und dann zu sagen, die Bezirkshauptmannschaft sei ohnedies die Anlaufstelle und die BürgerInnen könnten hingehen? – Fragen Sie einmal die BürgerInnen, die hingegan­gen sind, welche Antworten sie bekommen haben! Und zu guter Letzt hat ihnen die Frau Bezirkshauptfrau dann auch noch die Tür vor der Nase zugemacht. – Das ist kein Umgang mit BürgerInnen.

Herr Minister! Die Verantwortung, gerade was jetzt die Einleitung in die Donau betrifft, aber auch, was das Grundwasser betrifft, können Sie letztendlich nicht abschieben. Und wenn Herr Wruss sagt, es wird 2 500-fach verdünnt und ist nicht nachweisbar, so heißt das deshalb nicht, dass es nicht drinnen ist. Ich glaube, so weit sind wir uns einig. Und Antworten sollten genau gegeben werden. Auch Sie haben verabsäumt, genaue Antworten zu geben. Ich habe Sie gefragt: Wann ist jemand informiert worden? Ich habe eine Auflistung gemacht: Wann ist die Bevölkerung informiert worden? Wann sind die Gemeinden informiert worden?, et cetera, und Sie haben mir keine Jahreszahl in diese Antwort geschrieben. Jede einzelne Antwort, die Sie geschrieben haben, ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: an die zuständige Behörde die Frage stel­len!)


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 112

Sind Sie in dieser Frage zuständiger Minister? Ist Ihnen diese Geschichte egal? Oder glauben Sie ohnedies, dass die BH von Haus aus immer alles richtig macht? (Bundes­minister Dipl.-Ing. Berlakovich: Ihr tut immer nur skandalisieren, !)

Das hat nichts mit Skandalisieren zu tun, das hat damit zu tun, dass wir – und ich bin nicht allein – gerne einmal eine gerade Antwort hätten. Und diese gerade Antwort ha­ben wir bis jetzt von keiner BH bekommen und von Ihnen auch nicht, Herr Minister. Und das ist ein Vorwurf, der leider an Ihnen hängen bleibt. (Beifall bei den Grünen.)

Und wenn Gefahr im Verzug ist, Herr Minister, dann würde ich Sie bitten: Informieren Sie sich! Wie gesagt, es gibt immer wieder so verschleierte Antworten. Ja, ja, natürlich gibt es ein AGES-Gutachten zu Clopyralid. Genau so kann man fragen, ja: Es gibt ein AGES-Gutachten zu Clopyralid. Schau dir an, was es derzeit offiziell gibt: AGES-Gut­achten Clopyralid, eineinhalb Seiten, Auswirkungen auf einblättrige und zweikeimblätt­rige Pflanzen. – That’s it. Und da steht drinnen, bei den zweikeimblättrigen ist es sehr, sehr heikel. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Ertl.)

16.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

16.01.51Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Schmiergeldaffäre Euro­fighter (2931/J-BR/2012)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nunmehr zur Behandlung der Dringlichen Anfrage des Bundesrates Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich verabschiedet sich und verlässt den Sitzungs­saal.) Auf Wiedersehen, Herr Minister! (Bundesminister Dr. Mitterlehner betritt den Sit­zungssaal und nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Dazu begrüße ich Herrn Bundesminister Mitterlehner ganz herzlich bei uns im Bundes­rat. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführer.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Jenewein als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte. (Bundesrat Jenewein tritt an das Rednerpult und stellt eine Tafel, diese an das Rednerpult lehnend, am Boden ab. – Rufe bei der SPÖ: Ein Taferl? – Heiterkeit. – Ruf: vors Gesicht halten! – Bundesrat Jenewein: Warum soll ich es denn vors Gesicht halten? – Jetzt wollte ich gerade lieb sein zu euch, und ihr seid so garstig zu mir!)

 


16.02.36

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mich vorweg bei Ihnen herzlich für Ihr Erscheinen bedanken. Ich möchte mich weiters bei Ihnen bedanken, denn erst durch die Initiative von Ihnen respektive aus Ihrem Ministerium wurde es möglich, dass die Debatte, die wir heute hier führen – und diese wird nicht die letzte dazu in diesem Haus sein –, überhaupt geführt wird. Ich denke auch, dass dies höchst notwendig ist.

Im Großen und Ganzen geht natürlich das Konglomerat dieser Anfrage rund um die Gegengeschäfte, man kann es aber leider Gottes nicht wirklich vom ursprünglichen Be-


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schaffungsvorgang trennen. Darum möchte ich ganz kurz, wirklich kurz, eine Zusam­menfassung dessen geben, was hier seit dem Jahr 2000 passiert ist. Und da ließe sich vielleicht die eine oder andere Frage schon im Vorfeld beantworten, die bisher eher un­beantwortet geblieben ist.

Im Jahr 2000 hat die damalige neue Bundesregierung zwischen ÖVP und FPÖ in ih­rem Regierungsprogramm niedergeschrieben, die Beschaffung der Nachfolgeflieger für die damals schon relativ altersschwachen Draken-Abfangjäger anzugehen und ein Ausschreibungsverfahren zu eröffnen. Diese Beschaffung der Draken-Nachfolger war vom ersten Tag an relativ problematisch, denn schon am 17. Februar 2000 hat der da­malige Finanzminister Grasser gesagt, nein, es wird keine Neubeschaffung der Ab­fangjäger geben, und wenn, dann muss dies das Verteidigungsministerium selbst fi­nanzieren.

Im August 2000 hat dann der damalige Verteidigungsminister Scheibner (Ruf bei der SPÖ: Von der FPÖ!) gesagt, ja, es wird eine Abfangjäger-Neubeschaffung geben. – Sie haben recht, er ist von der FPÖ; ich streite das auch gar nicht ab. Es ist auch völlig sinnlos, wenn Sie jetzt versuchen, Parteipolitik hineinzubringen. Ich versuche, das ge­rade relativ nüchtern zu machen. Und wenn Sie mir zuhören, wird sich das vielleicht Ihnen auch erschließen. Es hat keinen Sinn, da jetzt mit Hacklwerfen zu agitieren, denn das Thema ist, glaube ich, Herr Kollege, viel zu ernst. Ich weiß schon, für Sie ist das jetzt einfach, Sie sitzen da. Aber wenn Sie wollen, komme ich gerne auch noch auf die SPÖ zu sprechen. Wir können das auch machen, wir können es auch in dieser Form machen, und wir können auch sehr gerne darüber sprechen, wie die SPÖ direkt von diesem Eurofighter-Deal profitiert hat. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bun­desrat Mag. Klug: Da sind wir sehr gespannt!) Ich nenne Ihnen auch gerne die Na­men. (Ruf bei der SPÖ: Das interessiert uns!)

Ja, das interessiert Sie?! – Ich komme schon noch dazu. (Bundesrat Stadler: Jetzt gleichen Sie schon dem Kollegen Krusche! Jetzt spannen Sie schon eine Brücke!) Wir reden gleich über den ehemaligen SPÖ-Minister Edlinger, über den SK Rapid, wir re­den über den Herrn Darabos, der ebenfalls im SK Rapid drinnen sitzt, und wir werden darüber reden, wie EADS Millionen von Euro in den SK Rapid gepumpt hat. Das wer­den wir schon noch besprechen. Aber jetzt hören Sie mir einmal zu! (Bundesrat Todt: 4 waren es! Das wissen wir! 4 waren es!) Jetzt hören Sie einmal zu! (Bundesrat Kon­rad: Trotzdem waren es FPÖ-Minister!) – Wer, der Herr Edlinger? (Bundesrat Konrad: Der Scheibner!) – Ach so, der Scheibner. Das streite ich ja nicht ab. Warum versuchen Sie, mich da zu unterbrechen?

Am 6. November 2000 scheidet das Verteidigungsministerium den Eurofighter aus der Ausschreibung aus, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht angefangen hat, aber es scheidet ihn aus, weil der Eurofighter nicht rechtzeitig lieferbar sein wird. Und am 22. Dezember 2000 gibt es einen Request for Information, wo Anbote von F-18, F-16, Mirage und Saab Gripen eingeholt werden sollen.

EADS lässt sich das so nicht bieten und reklamiert sich im Jänner 2001 selbst in die Ausschreibung hinein, darf nun mitmachen. Hochinteressant ist, dass Herr Minister Scheibner am 18. Februar 2001 in einem Interview mit einer großen österreichischen Tageszeitung mitgeteilt hat, eigentlich kostet uns der Eurofighter gar nichts, denn für jeden Schilling – den wir damals noch als Währung hatten –, den wir hier ausgeben, bekommen wir 2 Schilling zurück. Das heißt, wenn man diese Voodoo-Ökonomie wei­terdenkt, würde das ja im Umkehrschluss bedeuten, wenn ich jetzt 100 Eurofighter zu einem Betrag x kaufe, bekomme ich den doppelten Betrag x zurück. Das wäre an sich ein super Geschäft! Da müsste man jeder Bundesregierung sagen: Bitte kauft Flugzeu­ge – wir können sie ja nachher wieder weiterverkaufen, wenn wir sie nicht brauchen,


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aber kauft Flugzeuge, denn da kommt unheimlich viel Geld herein! (Bundesrat Schen­nach: Das war die schwarz-blaue Regierungsphilosophie!)

Herr Kollege, warum unterbrechen Sie mich schon wieder? – Sie können sich ja gerne zu Wort melden. Kommen Sie doch heraus! (Bundesrat Todt: Weil Sie das nicht so gerne hören, bei diesem Unfug dabei gewesen zu sein!) – O ja! Na selbstverständlich! Glauben Sie,  (Bundesrat Todt: Das hören Sie einfach nicht so gern, dass die Blau­en dabei waren bei diesem Unfug!)

Herr Kollege Beer! (Bundesrat Stadler: Beer? – Todt war es!) Glauben Sie wirklich, ich würde so eine Dringliche Anfrage machen, wenn ich nicht wüsste, worum es da im De­tail geht? Glauben Sie, ich würde so eine Dringliche Anfrage machen, wenn ich nicht Interesse daran hätte, dass genau das ... (Bundesrat Todt: Ach so? Wie viele Millionen habt ihr gekriegt als Freiheitliche?) Bitte? (Bundesrat Todt: Wie viel habt ihr denn ge­kriegt als Freiheitliche?) – Wollen Sie mir jetzt unterstellen, dass ich Geld bekommen hätte? (Bundesrat Todt: Das unterstelle ich Ihnen sehr wohl!)

Sie unterstellen mir, dass ich Geld bekommen habe? – Dann werden wir andernorts weitersprechen, Herr Kollege. (Bundesrat Todt: Das tun wir!) Das werden wir machen. Wenn Sie mir das persönlich unterstellen, dann werden wir andernorts weiterreden.

Ende März 2001 gab es dann vier Anbote, nämlich über die F-18, den Eurofighter, die F-16 und Saab Gripen. Und dann passiert etwas Hochinteressantes, und jetzt kommen wir eigentlich zum Thema des Tages. (Ruf: Das Frühstück!) – Nein, noch nicht das Frühstück. – Da passiert jetzt etwas ganz Spannendes, nämlich:

Am 11. Juni 2001 gibt es einen Flug des damaligen Finanzministers Grasser (Bundes­rat Todt: Mitglied der FPÖ, nicht wahr, Grasser?) – der zu dem Zeitpunkt ja noch der Meinung war, wir können uns keine Flugzeuge leisten (Bundesrat Mag. Klug: Was war das für eine Partei?) – mit dem Herrn Siegfried Wolf im Privatjet von Magna, sprich von Herrn Stronach, nach Manching in Bayern.

Und jetzt wird es insofern spannend, als wir ja in den letzten Tagen in den Medien auch immer wieder die Debatte hatten, wo uns auf der einen Seite mitgeteilt wurde, Magna habe eigentlich überhaupt nicht von den in Folge passierenden Gegengeschäf­ten profitiert, und auf der anderen Seite Herr Minister Mitterlehner erst heute im Vorfeld oder im Nachfeld des Ministerrats – das weiß ich nicht so genau, aber das ist zu­mindest heute über die APA gekommen – davon gesprochen hat, dass die Firma Mag­na mit 348 Millionen € durchaus ein relativ großer Profiteur dieser Gegengeschäfte war.

Und dieser Flug vom 11. Juni 2001 dürfte Folgendes bewirkt haben, nämlich dass es im Nachfeld ein Geplänkel in noch nie dagewesener Form zwischen dem damaligen Minister Grasser und dem damaligen Minister Scheibner gegeben hat. Da ist es um fehlende Pflichtenhefte gegangen, da ist es um fehlende Unterschriftenlisten gegan­gen, das ist hin- und hergegangen, bis schlussendlich im Jänner 2002 (Bundesrat Todt: Das steht alles in diesen Rechnungshofberichten!) – Herr Kollege, ich verstehe noch immer nicht, warum Sie so aufgeregt sind; aber ich komme dann schon noch da­zu –, bis es dann im Endeffekt (Bundesrat Schennach: Das ist interessant: Eine Partei distanziert sich von ihren Ministern!) – vielleicht kann man ein bisschen für Ordnung sorgen, geht das? – danke schön – im Jänner 2002 bei der Bewertungskommission dazu gekommen ist, dass die Anbote noch einmal neu eingebracht werden mussten und dass man sich hier im Endeffekt die endgültigen Anbote geben hat lassen.

Interessant ist, dass es im Mai 2002 – und das steht nicht im Rechnungshofbericht, Herr Kollege – eine Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts, des IWI, gibt, das die Gegengeschäfte zwischen Saab und EADS gegenüberstellt – weil schon damals absehbar war, dass offenbar nur diese zwei Bewerber zum Tragen kommen werden.


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Und da kommt das Industriewissenschaftliche Institut zu der Erkenntnis, dass die Ge­gengeschäfte bei Saab 6,5 Milliarden € betragen würden und beim Eurofighter 3,3 Mil­liarden €. Was heißt das? – Es gab hier von einem Institut eine Darlegung über Gegen­geschäfte, und in weiterer Folge berichtet „NEWS“ am 7. Mai 2002, dass der Euro­fighter das Rennen machen wird. Das ist insofern spannend, als zu diesem Zeitpunkt eigentlich die meisten Medienvertreter noch davon ausgegangen sind, dass das Saab machen wird, aufgrund der jahrelangen Zusammenarbeit zwischen Österreich und Schweden auf diesem Gebiet.

Im Zuge des Ministerrats am 25. Juni 2002 kommt die Bewertungskommission des Verteidigungsministeriums zu einer Pro-Gripen-Entscheidung. Um 6 Uhr in der Früh wird das dem Minister Scheibner dargelegt. Minister Scheibner geht dann mit einer Ministervorlage pro Gripen in den Ministerrat, und Finanzminister Grasser blockiert. In weiterer Folge wird die F-16 aus dem noch offenen Verfahren herausgekippt, und eine Woche später, am 2. Juli 2002, entscheidet sich dann der Ministerrat zur Anschaffung des Eurofighters; zuerst mit 24 Maschinen, dann mit 18 Maschinen.

Jetzt wird es natürlich nicht unspannend, denn einer der wesentlichen Punkte – ich bin schon vorher darauf eingegangen – sind natürlich die prognostizierten Gegengeschäf­te, die hier im Zuge der EADS-Verträge mit der Republik abgeschlossen werden hätten sollen. Hinsichtlich dieser Gegengeschäfte wissen wir heute – bis zum Jahr 2010 ist es abgerechnet, 2011 fehlt noch –, bis zum Jahr 2010 gibt es offiziell 3,3 Milliarden € Ge­gengeschäfte. Zur Abwicklung dieser Gegengeschäfte wurde am 9. November 2004 die Euro Business Development GmbH, die EBD gegründet. Und diese EBD – deshalb habe ich das Taferl mitgebracht, das Sie zuerst so lustig gefunden haben; dieses Taferl finden Sie ja auch auf Seite 4 der Dringlichen Anfrage – zeigt jetzt im Prinzip nichts an­deres als jene Firmen, die hier im Zuge dieser Gegengeschäftsvereinbarung durchaus immer wieder genannt werden.

Wir kennen sie teilweise von Rechnungen, die aufgrund von Hausdurchsuchungen ge­funden wurden. Leider Gottes haben wir das gestern gemacht, und heute wissen wir schon, dass es überholt ist, denn es gibt eine neue Firma, die dazukommt, und zwar ganz oben. Die haben wir erst heute  (Bundesrat Preineder: Stimmt das auch so?) – Na, vielleicht? Ich weiß es nicht. Fragen Sie den Herrn Minister, ob das stimmt! Viel­leicht wird er etwas dazu sagen. Oder fragen Sie im Justizministerium nach!

Es gibt nämlich eine übergeordnete Firma, einen Trust namens „Santa-Lo“, der auf der Isle of Man gelistet ist, und dieser Trust wird im heutigen „Kurier“ – und das wird noch zu überprüfen sein – als quasi das Headquarter der Vector Aerospace bezeichnet.

Aber ganz interessant ist, warum man überhaupt zu dieser Geschichte gekommen ist, denn dass dieser Eurofighter-Deal nicht sauber über die Bühne gegangen ist, das hat spätestens seit dem Jahr 2002 ohnehin jeder gewusst. Das Problem war nur, die Be­weisführung war nicht möglich, denn aufgrund von Indizien, aufgrund von Vermutun­gen ist es eben relativ schwierig, hier mit irgendjemandem direkt zu interagieren. Erst als ein gewisser Herr Gianfranco Lande vor gar nicht allzu langer Zeit in Italien festge­nommen wurde – der hat nämlich leider Gottes mit der italienischen ’Ndrangheta, mit der kalabrischen Mafia Geschäfte gemacht, im Zuge dessen rund 250 Millionen € ver­senkt und wurde wegen Anlagebetrugs zu vier Jahren Haft in Italien verurteilt –, hat man ihn im Zuge der Einvernahmen durch die italienische Staatsanwaltschaft natürlich zu diesem Anlagebetrug befragt, und darauf hat er gemeint, darüber würde er nicht so gerne reden, weil das eher ungesund ist, aber stattdessen erzählt er dem Staatsanwalt gerne etwas über die Geschäfte mit dem Eurofighter in Österreich.

So ist man überhaupt erst zu diesem Firmenkonglomerat gekommen, wo teilweise der Herr Lande selbst draufsteht. Er war nämlich derjenige, der bei dieser Vector Aero­space die Fäden gezogen hat. Das war ein Ein-Mann-Betrieb – also in dem Fall von


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„Betrieb“ zu sprechen ist auch nicht wirklich ganz korrekt, es war in Wirklichkeit eine Ein-Personen-Briefkastenfirma, denn die Vector Aerospace hatte ja keine Infrastruktur, kein Büro, keine Mitarbeiter. Aber sie hatte Geld. Und das Geld hat sie vom italieni­schen Ableger von EADS bekommen. Und zwar wissen wir heute von rund 138 Mil­lionen €.

Wenn man sich dieses Firmennetzwerk hier anschaut, liegt die Vermutung schon sehr nahe, dass es sich um wesentlich mehr Geld wird handeln müssen, denn all diese Per­sonen beziehungsweise all diese Firmen, die hier genannt werden, die allesamt ent­weder auf Malta – in England gibt es auch welche – oder auf Zypern gelistet sind, sind im Prinzip Briefkästen, wo es nur darum gegangen ist, die uns heute bekannten 138 Millionen € einmal in diese Briefkästen zu verschieben und in weiterer Folge mit diesen Geldern, die in den Briefkästen drinnen liegen, Entscheidungsträger der Repu­blik, Entscheidungsträger in der Politik, in der Wirtschaft, wo auch immer, zumindest zu einem positiven Ergebnis hinzubekommen.

Eines der Probleme, die sich hier ergeben, ist natürlich – und da möchte ich wieder den Bogen zu der heutigen Aussage bezüglich Magna zurückschlagen –, dass ja der Herr Stronach gar nicht bestreitet, dass es die Geschäfte gegeben hat, er sagt nur, wir hätten sie so und so gemacht. Also ob das jetzt mit dem Eurofighter in irgendeiner Form etwas zu tun hat, das weiß er nicht; sie hätten sie so und so gemacht.

Und da stellt sich eben jetzt die Frage, ob nicht diese Gegengeschäfte, die im Wirt­schaftsministerium als offizielle Gegengeschäfte abgerechnet wurden, teilweise Schein­geschäfte sind, ob diese Firmen, die hier Geschäfte offiziell abgerechnet haben, das immer ganz freiwillig gemacht haben – diese Frage muss ebenfalls erlaubt sein – und ob diese Gegengeschäfte nicht auch dadurch zustande gekommen sind, dass man eben über dieses Firmenkonglomerat, von dem ich gerade gesprochen habe, Gelder genommen hat, um in Firmen zu investieren, um hier offiziell Geschäfte abzurechnen.

Denn wenn man heute draufkommen würde, dass vielleicht 10, 15, 20 Prozent dieser offiziellen Gegengeschäfte in der Form gar nicht stattgefunden haben oder in der Form vielleicht aufgrund von finanziellem Druck von hinten stattgefunden haben, dann würde man natürlich in weiterer Folge auch draufkommen, dass die Gegengeschäftsverein­barung mit der EADS Jagdflugzeuge GmbH nicht in vollem Umfang erfüllt worden ist, und das würde natürlich auch zur Folge haben, dass dieser Vertrag, der im Jahr 2003 im Endeffekt unterfertigt wurde, nicht mehr ordnungsgemäß stattfinden würde und nichtig wäre. Nichts anderes hat im Prinzip der Vizekanzler in der gestrigen „ZiB2“ ebenfalls gesagt: dass man das natürlich auch wird überprüfen müssen, ob es hier eine Möglichkeit gibt.

Wobei ich hier gar keine Legendenbildung stattfinden lassen möchte und festhalten möchte: Ich bekenne mich, auch namens meiner Fraktion, zur Landesverteidigung und auch zur Luftraumüberwachung. Das ist gar nicht so sehr die Frage. Die Frage ist viel­mehr, ob dieses Rechtsgeschäft, das seinerzeit geschlossen wurde, wirklich sauber abgeschlossen wurde und ob bei diesem Rechtsgeschäft, das damals geschlossen wurde, nicht auch mit Wissen von EADS und auch mit Duldung und offizieller Forcie­rung von EADS Gelder missbräuchlich verwendet wurden, die im Endeffekt – und das darf man auch nicht vergessen, denn das sind ja auch österreichische Firmen, und die Gelder waren ja auch hier in Österreich – hier am Fiskus vorbei ohne Gegenleistung an die Menschen oder auch an Wirtschaftstreibende bezahlt wurden, womit Firmen abge­schmiert wurden, womit Manager abgeschmiert wurden.

Darum denke ich, dass es wirklich notwendig wäre, hier auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Nationalrat einzusetzen. Denn wir haben natürlich die Möglichkeit, auch jene Firmenmanager, die hier abgerechnet haben, die auch mit dem Wirtschaftsministerium abgerechnet haben, unter Wahrheitspflicht vor dem Untersu-


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chungsausschuss zu befragen, die damaligen Minister zu befragen, die damals auch verantwortlichen Werber zu befragen.

Weil Sie mich vorhin aufgefordert haben, hier Namen zu nennen: Ich habe es ja schon angedeutet. Es sind natürlich auch im Umfeld Firmen bedient worden, zum Beispiel in Kärnten. Wir finden hier zum Beispiel die Lakeside-Stiftung. Alle, die sich damit be­schäftigt haben, werden wissen, was diese gemacht hat: Die Lakeside-Stiftung spricht davon, sie habe 4 Millionen € von EADS bekommen, die noch da sind. Eigenartiger­weise wissen wir aber von einer Rechnung über 5 Millionen €. Das heißt, wir haben einen klassischen Fehlbetrag von 1 Million €, sodass sich hier natürlich auch die Frage stellt: Ist die vielleicht privatisiert worden? Oder ist die irgendwo anders hin verschoben worden? – Diese Frage gilt es ebenfalls zu klären.

Ferner haben wir hier – ich habe es angesprochen – einen 5-Millionen-Förderungsver­trag mit dem SK Rapid, wo der ehemalige Finanzminister Edlinger drinsitzt. Auch das ist natürlich eine sehr eigenartige Form, denn wenn EADS Interesse daran hätte, zum Beispiel den österreichischen Fußball zu fördern, zu finanzieren, was auch immer – das wäre ja möglich; Herr Stronach hat auch eine Zeit lang das Interesse gehabt, und seit er gemerkt hat, dass es nicht funktioniert, macht er eben etwas anderes –, hätte al­so EADS Interesse daran gehabt, dann wäre es überhaupt kein Problem gewesen, ei­nen Sponsorvertrag abzuschließen. Dann wären die Spieler vom SK Rapid wahr­scheinlich mit einer Aufschrift „EADS“ auf das Spielfeld gelaufen, es hätte ja keinen Unterschied gemacht.

Nein, das tut man nicht, man macht keinen Sponsorvertrag. Man macht einen Förde­rungsvertrag, damit dieser Vertrag nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Man zahlt vonseiten EADS‘ 5 Millionen an den SK Rapid. Was sie dort damit gemacht haben, weiß ich nicht, das entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht haben sie einen Stürmer damit bezahlt, oder aber diese 5 Millionen waren ebenfalls nur ein Durchgangsposten. Ich weiß es nicht, ich möchte es auch niemandem unterstellen.

Interessant ist nur, dass im Kuratorium des SK Rapid ab dem Jahr 2004 auch der heu­tige Verteidigungsminister Darabos gesessen und darüber informiert gewesen ist. Er hat das ebenfalls gewusst. Als es im Jahr 2007 den parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss zu den Eurofightern gegeben hat, hat Herr Frank Stronach auch vor dem Ausschuss gesagt: Nein, Magna hat da nicht profitiert. – Und Herr Darabos wurde überhaupt nicht dazu befragt.

Das sind schon interessante Dinge, die es aufzuklären gilt. Ich denke, das sollte in aller Interesse sein. Darum habe ich am Anfang der Rede auch gemeint, das hat jetzt nichts mit parteipolitischem Hickhack oder Hacklwerfen zu tun. Ich habe überhaupt kein Pro­blem damit, heute zu bekennen, dass wir hier Lumpen aufgesessen sind, auch in mei­ner Partei, ja, mein Gott! (Bundesrat Todt: Also der Haider war ein Lump, oder? – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jeder, der hier ohne Fehler wäre, werfe den ersten Stein! Das ist ja überhaupt kein Problem für mich. Ich sage Ihnen, ich weine weder dem Herrn Grasser noch dem Herrn Scheibner eine Träne nach. (Bundesrat Mag. Klug: Haider? Stiftung?) – Auch dem Herrn Haider weine ich keine Träne nach, aber um das geht es heute gar nicht. Es geht ja darum (Bundesrat Stadler: Um das geht es nicht? Um Beschaffung geht es nicht? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), hier einen Sachverhalt, der auf dem Tisch liegt, aufzuklären.

Ich denke, dass das im Interesse von jedem ernsthaften Politiker in dieser Republik sein muss (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), denn eines hat die Politik in die­sem Land wirklich notwendig: Glaubwürdigkeit und Sauberkeit wieder in das Hohe Haus zurückzubringen. Erst wenn uns das gelingt – darum bin ich auch dem Minister


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Mitterlehner sehr dankbar, weil er hier eine Initialzündung gesetzt hat, die erst möglich war dadurch, dass ein Minister der Bundesregierung gesagt hat: Moment, da stimmt etwas nicht, wir werden das jetzt untersuchen! – Darum bin ich hier so dankbar, und ich denke auch, dass es hoch an der Zeit ist, diesem Haus wieder ein Stückchen Wür­de zurückzugeben.

Wenn es gelingt, diese Beschaffung – und wir brauchen uns nichts vorzumachen, das ist nicht auf Österreich beschränkt. Durch Zufall war vor ein paar Tagen in einem deut­schen Fernsehsender, in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, eine Dokumen­tation über die Starfighter-Beschaffung in der Bundesrepublik Deutschland. Ist es schon in den 1950er Jahren dort so gelaufen, wie es später hier passiert ist? Und – wir haben keine Unterlagen dazu – ich weiß nicht, wie die Saab Draken-Bestellung seiner­zeit passiert ist.

Offenbar ist es eben so – das muss man leider sagen –, dass es gerade bei Waf­fengeschäften größerer Art nicht ausgeschlossen werden kann – formulieren wir es einmal vorsichtig –, dass nicht immer alle Menschen mit geradem Kopf durchs Leben gehen, um das jetzt einmal ganz vorsichtig zu formulieren. Natürlich, wenn man es nicht so vorsichtig formuliert, könnte man auch sagen: Offenbar ist es so, dass gerade bei Waffenbeschaffungen immer wieder Schmiergeld bezahlt wird.

Das hat nicht nur mit Österreich zu tun, das passiert auf der ganzen Welt so. Nur ist es hier durch einen glücklichen Zufall – weil der Kopf dieser ganzen Geschichte in Italien verhaftet wurde – dazu gekommen, dass Unterlagen das Licht der Öffentlichkeit er­blickt haben. Weil diese Unterlagen das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben, haben wir heute die Möglichkeit, auch für Aufklärung zu sorgen.

Ich ersuche dringlich den Herrn Bundesminister, dass er hier weitermacht, dass er den geraden Weg weitergeht. Ich bin eigentlich ganz frohen Mutes, dass es hier, erstmals nach zehn Jahren, auch zu einem Ergebnis kommen wird. Ich denke, das sind wir nicht nur der Politik in diesem Land schuldig, das sind wir der Republik schuldig! – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundes­minister für Wirtschaft, Familie und Jugend zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.25.37

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist tatsächlich notwen­dig, rund um den gesamten Vorgang der Gegengeschäfte ein paar Klarstellungen zu treffen, denn auch wir sind jeden Tag mit Zeitungsberichten, aber auch mit Anfragen der Staatsanwaltschaft – dies nicht jeden Tag – konfrontiert gewesen. Daher darf ich ein paar Grundsatzbemerkungen zu Gegengeschäften überhaupt machen.

Ich möchte auf das Hauptgeschäft jetzt nicht mehr eingehen. Herr Kollege Jenewein, Sie haben da ein paar Dinge genannt, was den chronologischen Ablauf anbelangt, die nicht ganz richtig waren. Aber es kann jeder im Eurofighter-Untersuchungsausschuss-Protokoll nachlesen, wie die einzelnen Daten wirklich waren.

Die Entscheidung ist jedenfalls gefallen, und in dem Zusammenhang auch die Abwick­lung von Gegengeschäften. Jetzt sage ich Ihnen, was die Abwicklung von Gegenge­schäften anbelangt, dass das nichts Ungewöhnliches ist. In allen Ländern der Welt wurden bis zu diesem Zeitpunkt rund um Beschaffungsvorgänge auch Gegengeschäfte abgewickelt, wobei die Betragssummen dessen, was dann als Gegengeschäft verein­bart worden ist, unterschiedlich waren.

Fast in allen Ländern der Welt ist es dann im Zuge der Anrechnung immer zu Diskus­sionen gekommen, und zwar einerseits aus dem Bereich der betroffenen Firmen, die


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unterlegen sind, die Einwendungen hatten. Andererseits gab es aber natürlich auch Einwendungen, Anmerkungen und Kritik seitens der Opposition, von wem auch immer. Das werden Sie in jedem Land feststellen. Genauso werden Sie aber auch feststellen, dass diejenigen, die mit der Abwicklung der Gegengeschäfte betraut sind, versuchen, das in ihrem Bereich so korrekt, wie es in einem so schwierigen Gebiet nur möglich ist, abzuwickeln. Das darf ich auch für mein Ministerium in Anspruch nehmen, das haben auch wir getan.

Wenn Sie fragen, wie die Gesamtsumme und die Hintergründe ausschauen, dann ist ja auch in Ihrer Anfrage drinnen – und ich kann das bestätigen –, dass wir einen Zeitraum von 15 Jahren seit dem Jahr 2003, ganz konkret seit dem August, haben, um hier ein Volumen von rund 3,5 Milliarden € abzuwickeln. Ich sage „rund 3,5 Milliarden“, weil sich durch die Reduktion auf 15 Eurofighter – es war ja der ursprüngliche Schritt von 24 auf 18, durch das Hochwasser eben auf 15 – auch eine Reduktion des ursprüngli­chen Betrages von 4 Milliarden auf rund 3,5 Milliarden € ergeben hat.

Das ist einmal der Hintergrund, diese 15 Jahre. Wir rechnen entsprechend ab, wobei man sich die Abrechnung so vorstellen muss – manche glauben nämlich, da werden Gelder von uns oder irgendwem bezahlt, und wenn Sie das Protokoll lesen: Herr Stro­nach legt auch ausdrücklich Wert darauf, dass man zwischen Profiteuren, Profit und Geschäft unterscheidet. Das wird die Bewertung vielleicht etwas einfacher machen, was wirklich ein Gegengeschäft war.

In dem Zusammenhang ist die Vorgangsweise folgende: Vertragspartner ist auf der ei­nen Seite die Republik Österreich, für die unser Ministerium tätig war, und auf der an­deren Seite ist der Vertragspartner Eurofighter. In dem Zusammenhang wurde von Eu­rofighter eine Reihe von Firmen – Partnerfirmen, Eigentümerfirmen, Tochterfirmen – namhaft gemacht, die zur Einreichung von Gegengeschäften berechtigt waren. Man­che haben ja den Eindruck, da kommen Firmen und melden ein, wir schauen uns das an und prüfen es. – Genau umgekehrt ist es: Eine bestimmte Anzahl von Firmen mel­det die Gegengeschäfte ein. Und jetzt kommt ein zweiter Punkt dazu: Da gibt es dann auch eine entsprechende Bestätigung, dass das Geschäft, das eingemeldet wird, im Ablauf der letzten drei Jahre, nämlich im Schnitt, ein zusätzliches Geschäft ist.

Es kann also nicht – weil Sie das auch in den Medien jetzt manchmal vernehmen – je­mand dann zufällig sagen: mein Gott, da hat mir jemand den Stempel genommen und schnell „Gegengeschäft“ draufgestempelt, sondern die Firma, die das bestätigt, muss auch darlegen, wie im letzten Jahr, im vorletzten, im vorvorletzten Jahr der Geschäfts­umsatz mit dem entsprechenden Unternehmen war, das einreicht, und auch darstellen, dass das zusätzlich ist. Zusätzlich heißt also: mehr, damit ein irrtümlicher Vorgang, es gibt da jemand etwas an, was in Wirklichkeit gar nicht da ist, ausgeschlossen ist. (Vi­zepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus wird dann eine Plattform tätig. Da haben Sie auch angefragt, welche Leute dort drinsitzen. Sie wird tätig und schaut sich an, ob dieses Geschäft auch dem Vertrag und den Kriterien des Vertrags – da geht es um Technologie, da geht es um klein- und mittelbetriebliche Ausrichtung, da geht es um Regionalausrichtung, vieles andere mehr, was da angedacht worden ist – entspricht. Wenn das so ist, dann kommt eine entsprechende Anrechnung, und es wird das auch dem Ganzen im Vertrag sozu­sagen gutgeschrieben.

Das heißt konkret, wir haben jetzt eigentlich eine recht intensive Vorgangsweise ge­habt. Die Abwicklung der Gegengeschäfte war so, dass der Partner das sehr akribisch und genau genommen hat, und wir sind jetzt, nach rund neun Jahren, in einem Sta­dium, wo wir feststellen können: Eigentlich ist die Summe, wenn die letzten Anrechnun­gen auch abgewickelt werden, von 3,5 Milliarden, 3,6 Milliarden € erreicht.


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Daher ist dann die Fragestellung damit verbunden: Ist damit auch Eurofighter sozusa­gen von den vertraglichen Verpflichtungen befreit? – Das ist eben nicht der Fall. Weil in dem Zusammenhang verschiedene Anforderungen seitens der Staatsanwaltschaft da waren, sind eben Akte im Zusammenhang mit Verfahren, die Sie angesprochen haben, und anderen Verfahren von uns angefordert worden. Da nicht klar ist, was bei diesen Untersuchungen herauskommt, werden wir diese Untersuchungen abwarten, um dann auch zu sehen, ob es hier Verdachtsmomente gibt – oder keine Verdachtsmomente –, die weitere Schritte rechtfertigen würden. Wir sind nicht die Inquisition, wir sind nicht die Staatsanwaltschaft, sondern wir haben das natürlich entsprechend in einer Abwar­te-, aber auch in einer kooperativen Position zu sehen.

Eine zweite Möglichkeit, die wir heute ventiliert haben, ist natürlich auch noch eine an­dere: dass die Firma – nämlich Eurofighter –, die offensichtlich andere mit weiteren Schritten beauftragt hat, natürlich auch von sich aus einen Schritt setzen kann, um ge­wissermaßen als Herr der Verträge, als Herrin der Verträge aufzuklären: Na, was ist denn dieses Konglomerat, wie Sie es gezeigt haben, wie andere es zeigen? Ist das existent, ist das nicht existent? Und was hat das auch mit Gegengeschäften zu tun? – Weil so manches Mal auch in Zeitungsberichten der Verdacht geäußert wird, Gegenge­schäfte wären mit Provisionen oder überhaupt erkauft und falsch eingemeldet worden.

Das sind die zwei Ebenen, die momentan geprüft werden. Wir gehen beiden Ebenen konstruktiv nach, weil wir natürlich auch alle Gegengeschäfte, die laufen, einer internen Revision unterzogen haben beziehungsweise dabei sind zu prüfen, inwieweit die Sum­men stimmen, inwieweit die Kriterien erreicht worden sind und inwieweit auch Hinweise da sind, dass derartige Vorgänge möglicherweise nicht exakt dem Vertrag entspre­chend abgewickelt worden sind.

Ich glaube, das ist für alle relativ plausibel. Was unser Hintergrund ist: Wir sind an Auf­klärung interessiert, weil wir der Republik verpflichtet sind. Wir kooperieren auch mit dem Verteidigungsministerium. Wir sind aber nicht daran interessiert – das ist nicht meine Aufgabe und wahrscheinlich auch nicht Ihre Aufgabe –, Vorverurteilungen vor­zunehmen. Das heißt in dem Zusammenhang: Jemand, gegen den ermittelt wird, ist noch lange nicht verurteilt, und vieles andere mehr.

Daher würde ich in dem Zusammenhang auch eine bestimmte Vorsicht walten lassen. Dass das Ganze insgesamt ein Bild ergibt, wenn dauernd hinterfragt und sonst etwas wird, und dass aufklärend möglichst bald abgeschlossen werden soll, ist klar und wich­tig. Denn auf der anderen Seite sind bei der Abwicklung von Gegengeschäften seriöse Firmen dabei, die jetzt eigentlich alle Angst haben, genannt zu werden, weil damit so­fort inkriminiert wird, dass wären Profiteure des Eurofighter-Geschäftes. Aber Profi­teur – ich darf noch einmal an meine einleitende Bemerkung erinnern – heißt: Da ist ja kein Geld geflossen, sondern die haben Aufträge abgewickelt, hoffentlich auch so kalkuliert, dass sie Gewinn machen. Es ist in jedem Land so, dass diese Abwicklungen der Gegengeschäfte auch so erfolgen.

Weil manchmal auch der Eindruck entsteht, wir würden, wenn wir jetzt prüfen, da an­dere Kriterien heranziehen, kann ich Ihnen nur sagen: Ein Vertrag ist ein Vertrag, da­her prüfen wir nach den vertraglichen Konditionen. Der Vertrag und die Kriterien exis­tieren seit dem Jahr 2003. Ich habe natürlich nicht die Möglichkeit, hier einseitig einzu­greifen und zu sagen: nein, jetzt passt uns das nicht, wir machen es anders!, sondern so ist es.

Damit komme ich zu den einzelnen an mich gerichteten Fragen, wobei ich Ihnen eines sagen muss, was Ihre Fragen betreffend diverse Geschäftsfälle anbelangt, die auf das Jahr 2002 abzielen: Da der Vertrag 2003 geschlossen worden ist und natürlich 2002 nicht eingereicht werden konnte, sondern manche in einer Art Vorverfahren – eines


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dürfen Sie auch nicht vergessen, weil immer der Eindruck entsteht: Wie können die überhaupt sozusagen so weit zurückgreifen?

Die Gegengeschäfte waren Teil des Angebotes, und – Sie haben es teilweise ohnehin zitiert – beide Unternehmen, die in die Endauswahl gekommen sind, nämlich sowohl Saab Gripen als auch Eurofighter haben dargestellt, dass sie in der Lage sind, die Ge­gengeschäfte zu erfüllen. Deswegen haben sie schon relativ bald Memoranden mit Un­ternehmungen geschlossen und Geschäfte identifiziert, dies dann allerdings natürlich erst im Jahr 2003 abgerechnet, und da waren einige Geschäftsfälle dabei, die 2002 be­gonnen haben.

Daher werden wir das jetzt noch auseinanderrechnen. Ansonsten müsste ich sagen: Die Fragen und die Beträge, die Sie da jetzt gestellt haben, müsste ich alle mit nein be­antworten, was in der Sache unrichtig ist. Aber wir werden Ihnen dann schriftlich noch die genaue Präzisierung insofern geben, weil für uns jetzt aus den Akten ohne neuerli­ches Nachrechnen nicht nachvollziehbar ist, wie konkret der Betrag war.

Damit komme ich zu den einzelnen Fragen, die an mich gerichtet wurden.

Zu den Fragen 1 bis 4:

Diese haben den Magna-Konzern betroffen. Der Magna-Konzern hat bis inklusive des Jahres 2010 358,6 Millionen € eingereicht, davon wurden bis dato 348,4 Millionen € angerechnet. Dafür liegen firmenmäßig gezeichnete Gegengeschäftsbestätigungen vor.

Ich darf noch einmal eine derartige Bestätigung darstellen. (Der Redner hält ein aus mehreren A4-Blättern bestehendes Schriftstück in die Höhe.) Diese ist ausdrücklich da­mit verbunden, dass auf der ersten Seite aufgelistet ist, wie die Zusätzlichkeit erfolgt, und auf der zweiten Seite auch klargestellt ist, dass unrichtige Angaben entsprechende Konsequenzen haben. Wenn uns also jemand sagt, das war kein Gegengeschäft, muss uns Eurofighter erklären, warum er es eingereicht hat. Und wenn es eingereicht worden ist, muss er uns sagen, was der Grund war, dass man jetzt sozusagen recht­lich nicht mehr dazu steht. Das hat natürlich möglicherweise auch entsprechende Kon­sequenzen.

Damit komme ich zu den einzelnen Jahren, die Sie angefragt haben. 2003: 28,9 Mil­lionen €; 2004: 80,3 Millionen €; 2005: 96,3 Millionen €; 2006: 59,8 Millionen €; 2007: 17,0 Millionen €; 2008: 10,5 Millionen €; 2009: 10,3 Millionen €; 2010: 45,3 Millionen €. Das Berichtsjahr 2011 ist derzeit noch in Prüfung.

Wie schon ausgeführt, wurden die angeführten Beträge deshalb angerechnet, weil sie den Prüfkriterien des Gegengeschäftsvertrags entsprochen haben. Wie ich auch betont habe, gibt es seitens des Magna-Konzerns entsprechende firmenmäßige Bestätigun­gen, mit denen der österreichische Partner, in diesem Fall Magna, zur Kenntnis nahm, dass unwahre Angaben in der Gegengeschäftsbestätigung zu einer Nicht-Anerken­nung des gegenständlichen Geschäftsfalles und zu strafrechtlichen Folgen führen kön­nen.

Was Herr Stronach darüber hinaus meint, muss er selbst darstellen. Ich möchte ihm nicht nahetreten. Aber im Endeffekt jetzt nur zu formulieren, mit Eurofighter direkt wer­den keine Gegengeschäfte abgewickelt – das sind andere Unternehmungen, die hier eingereicht haben, wie etwa DaimlerChrysler, und dort ist auch das Geschäft abgewi­ckelt worden.

Zu den Fragen 5 und 6:

Die besagten Kosten wurden für uns in nicht erkennbarer Weise als Gegengeschäft eingereicht und damit auch nicht angerechnet.


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Zu den Fragen 7 bis 12:

Die Firma Vector Aerospace LLP ist weder mir noch meinen Beamten aus unserer Tätigkeit im Wirtschaftsministerium bekannt, und es wurden auch nie Gegengeschäfte eingereicht. Die Firma ist uns lediglich aus den Medien bekannt, wie, nehme ich an, auch Ihnen. Bereits in der parlamentarische Anfrage 3317/J und so weiter vom Jahr 2008 wurde der Name abgefragt. Mein Amtsvorgänger antwortete damals: Dem BMWA „sind die genannten Unternehmen nicht bekannt“, unter anderem eben auch Vector.

Zu den Fragen 13 bis 15:

Die Person Gianfranco Lande ist weder mir in meiner Tätigkeit bekannt – ich habe den Namen auch den Medien entnommen – noch den Beamten des Wirtschaftsministe­riums. Der Name wurde ebenfalls in einer Anfrage schon im Jahr 2008 abgefragt, und mein Amtsvorgänger hat geantwortet, dass die Person nicht bekannt sei. Offiziell wurde uns zuletzt aufgrund des staatsanwaltschaftlichen Amtshilfeersuchens vom 13. Dezember 2011 an mein Ressort der Name auch genannt, aber wie gesagt, das hat mit Aktivitäten von uns nichts zu tun gehabt.

Zu den Fragen 16 bis 18:

Die Firma Hopewell ist weder mir noch meinen Beamten aus unserer Tätigkeit im Wirt­schaftsministerium bekannt. Da gibt es ebenfalls eine entsprechende parlamentarische Vorbehandlung im Jahr 2008.

Zu den Fragen 19 bis 24:

Dr. Walter Schön ist mir nicht bekannt. Den Beamten meines Ressorts ist er aus ver­gangenen und laufenden Gegengeschäftsvertragsabwicklungen auch außerhalb von Eurofighter bekannt. Betreffend Eurofighter-Gegengeschäftsvertrag ist Dr. Schön nur in einem Zusammenhang bekannt, den bereits mein Amtsvorgänger in der Beantwortung der Anfrage 3978/J vom 31. März 2008 wie folgt beschrieben hat:

„Die Firma Schoen Aerospace Trading & Consulting GmbH war am Zustandekommen eines Gegengeschäftes in einer für das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erkennbaren Weise beteiligt, da in diesem Zusammenhang die im Gegengeschäftsver­trag namentlich genannte Eurofighter-Partnerfirma Alenia Aeronautica gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit diese ,als Point of Contact’ für Alenia Aeronautica bezüglich Eurofighter-Gegengeschäftsprojekte genannt hat.“

Zu den Fragen 25 bis 30:

Die Firma Provan ist weder mir noch meinen Beamten aus unserer Tätigkeit im Wirt­schaftsministerium bekannt.

Zu den Fragen 31 bis 33:

Herr Plattner ist mir ebenfalls vom Hörensagen bekannt; meinen Beamten aus ver­gangenen Abwicklungen von Gegengeschäften sowie aus Schriftstücken im Vorfeld des Gegengeschäftsvertrages.

Zu den Fragen 34 bis 39:

Die Firma Centro Consult Limited Investments ist weder mir noch meinen Beamten aus der Tätigkeit im Wirtschaftsministerium oder sonst bekannt.

Zu den Fragen 40 bis 45:

Die Firma Comco International Business Development LLC, vormals Incuco LLC, ist weder mir noch meinen Beamten, ist uns, nicht bekannt.


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Zu den Fragen 46 bis 48:

Frank Walter Petmecky ist weder mir noch meinen Beamten aus der Tätigkeit im Wirt­schaftsministerium oder sonst bekannt.

Zu den Fragen 49 bis 54:

Die Firma Orbital Business Value Development KB ist, wie vorher, weder mir noch mei­nen Beamten im Wirtschaftsministerium oder sonst bekannt.

Zu den Fragen 55 bis 57:

Herr Johan Leif Eliasson ist mir nicht bekannt. Meinen Beamten ist er aus früheren Ge­gengeschäftsabwicklungen im Wirtschaftsministerium bekannt. Er ist im Zuge der Aus­schreibung für Luftraumüberwachungsflugzeuge für eines der Bieterunternehmen ein­getreten.

Zu den Fragen 58 bis 63:

Die Firma Columbus Trades Services Limited ist weder mir noch meinen Beamten aus unserer Tätigkeit im Wirtschaftsministerium und sonst bekannt.

Zu den Fragen 64 bis 66:

Herr Klaus Peter Kaindleinsberger ist weder mir noch meinen Beamten aus der Tä­tigkeit im Wirtschaftsministerium noch sonst bekannt. „Sonst“ heißt, ich könnte den Na­men einmal irgendwo gelesen haben, aber ich kenne ihn nicht.

Zu den Fragen 67 bis 69:

Herr Thomas Eidenberger ist weder mir noch meinen Beamten aus der Tätigkeit im Wirtschaftsministerium noch sonst bekannt.

Zu den Fragen 70 bis 72:

Herr Christopher J. Tushingham ist weder mir noch meinen Beamten bekannt.

Zu den Fragen 73 bis 78:

Die Firma Domerfield Company Limited ist weder mir noch meinen Beamten bekannt.

Zu den Fragen 79 bis 84:

Die Firma HDW, Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH, ist mir aus den Medien be­kannt. Meinen Beamten ist sie bekannt, da sie bereits in Anlage 7 zum Gegenge­schäftsvertrag angeführt wird. Dort sind jene Unternehmen mit den konkreten Gegen­geschäften aufgelistet, welche ab 2. Juli 2002 abgeschlossen wurden und im Berichts­jahr 2003 einrechnungsfähig waren. – Das ist das, was ich Ihnen vorhin gesagt habe, dass wir das erst dann abwickeln konnten.

Das Unternehmen selbst ist kein Vermittler, sondern ausländischer Vertragspartner, der mit österreichischen Partnerunternehmen Gegengeschäfte abgewickelt hat. Sie er­innern sich, was ich vorhin gesagt habe. Es wurden in dem Vertrag Firmen dargestellt, Partner-, Tochter-, sonstige Firmen, die einreichberechtigt waren. Das war eine der Un­ternehmungen.

Zu den Fragen 85 bis 90:

Die Firma Euro Business Development GmbH ist bekannt, ist auch mir bekannt. Im Ge­gengeschäftsvertrag ist festgelegt: Um den Erfolg der unter Punkt 2 genannten Ziele bestmöglich zu gewährleisten, wird der Vertragspartner auf seine Kosten ein Koopera­tionsbüro in Österreich einrichten und auf die Dauer des Gegengeschäftsvertrags un­terhalten.


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Im Jahr 2005 hat Eurofighter das Wirtschaftsministerium über die Gründung der EBD – das ist diese abgekürzte Darstellung – in Kenntnis gesetzt. Dr. Klaus-Dieter Bergner wurde zum Geschäftsführer der EBD und Leiter des Kontaktbüros bestellt. Mit Schrei­ben vom 3. März 2010 teilte Eurofighter wiederum mit, dass ein neues Kooperations­büro in Wien eröffnet wurde und das alte sozusagen aufgelöst wurde. EADS Deutsch­land hat das wieder selbst übernommen und zwei andere Mitarbeiter nominiert, näm­lich mit der Adresse Office Center Parkring 10, 1010 Wien, EADS Deutschland GmbH, und, wie vorhin gesagt, mitgeteilt, dass mit EBD kein Vertragsverhältnis mehr besteht.

Alle vertragsrechtlichen Fragen – das ist ein wichtiger Punkt – wie auch die Einrei­chung der Gegengeschäftsformulare et cetera haben wir, also unser Ministerium, di­rekt mit dem Vertragspartner Eurofighter EADS abgewickelt.

Das ist wichtig: Die haben bei uns gar nichts eingereicht, genauso – weil das manch­mal erwähnt wird – die ARGE OFFSET in der Wirtschaftskammerorganisation. Das ist eine Interessenvertretung, die vor allem versucht hat, auch Klein- und Mittelbetriebe in die Gegengeschäfte miteinzubeziehen. Da hat es mehrere Informationsveranstaltun­gen gegeben. Ich glaube, es wird in der Unterlage sogar einleitend erwähnt. Auch die ARGE OFFSET hat niemals eingereicht und mit dem nichts zu tun gehabt.

Zu den Fragen 91 bis 93:

Herr Mag. Roland Reisch ist weder mir noch meinen Beamten im Wirtschaftsministe­rium noch sonst wo bekannt.

Zu den Fragen 94 bis 96:

Klaus-Dieter Bergner ist bekannt. – Das habe ich schon dargestellt.

Zu den Fragen 97 bis 102:

Die Firma Scientific Research ist weder mir noch meinen Beamten aus unserer Tätig­keit im Wirtschaftsministerium bekannt.

Bei den Fragen 103 bis 149 darf ich nur mehr darauf hinweisen, dass das die genaue Detaillierung ist, auf die ich vorhin schon eingegangen bin.

Die Fragen 103, 116 und 146 korrelieren miteinander.

Im Endeffekt wurden für FACC im Zeitraum 2002 bis 2010 insgesamt rund 458 Mil­lionen € angerechnet. In diesem Zusammenhang, wenn es Sie interessiert, weil es auch gestern irgendwo über die Medien gegangen ist: Die haben auch so eine Art Ge­fälligkeitsbestätigung, die irgendwo durchgerutscht ist, abgegeben. Ich darf Ihnen nur einen Absatz vorlesen aus der APA vom 3. Juli 2003 – das war der Zeitpunkt, zu dem der damalige Minister die Gegengeschäfte vorgestellt hat –, er ist relativ kurz:

„Der oberösterreichische Flugzeugindustrie-Zulieferer Fischer Advanced Composite Components, an dem der Industrielle Hannes Androsch maßgeblich beteiligt ist, stellt allein ein Zehntel der rund 150 Projekte der ersten Auftragstranche. FACC hat im heu­rigen Frühjahr von Airbus einen Auftrag für Landeklappenteile des Super-Jumbos A380 mit einem Gesamtvolumen von 400 Mio. Euro bekommen. In den Umsätzen wird sich der Auftrag freilich erst nach und nach, verteilt bis ins Jahr 2019 niederschlagen, sagte FACC-Geschäftsführer Walter Stephan, der zusammen mit anderen Unternehmern an der Pressekonferenz teilnahm, in der die Regierung den Start für die Offset-Geschäfte präsentierte.

Zu den Entwicklungsaufträgen für den neuen Airbus kämen kleinere Fertigungsaufträ­ge, die in den nächsten beiden Jahren jeweils zwischen 10 und 20 Mio. Dollar an zu­sätzlichem Umsatz und gut 60 zusätzliche Arbeitsplätze brächten, sagte Stephan. Der oberösterreichische Unternehmer zeigte sich über die ,Fristigkeit des Kaufs sehr glück-


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lich’, also darüber, dass die Regierung bereits am 1. Juli ihre Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hat.“

Also Glück von damals und auch zu dem stehen, was man damals gesagt hat, ist of­fensichtlich Anspruch und Wirklichkeit, ein Unterschied.

Zur Frage 104:

Was die GFM anbelangt, da gibt es entsprechende Anrechnungen; wir werden Ihnen das im Detail darstellen, was das Jahr 2002 betrifft, wenn Sie interessiert daran sind. Also das müssen wir noch abklären, das müssen wir herausrechnen.

Zur Frage 105:

Isovolta AG detto – da gibt es entsprechende Anrechnungen in der genannten Höhe.

Zur Frage 106:

Jazzey GmbH – da gibt es ebenfalls entsprechende Anrechnungen.

Zur Frage 107:

Da gibt es ebenfalls Anrechnungen wie dargestellt.

Zur Frage 108:

Für das Unternehmen Test-Fuchs gibt es ebenfalls entsprechende Anrechnungen. – Also ich beziehe mich immer auf 2002 oder 2003, damit da kein Irrtum entsteht.

Zur Frage 109:

Bei Flextronics gibt es ebenfalls eine Anrechnung.

Zur Frage 110:

Ja, Gegengeschäfte wurden angerechnet.

Zur Frage 111: ja.

Zur Frage 112: ja.

Zur Frage 113: Joanneum – ja.

Zur Frage 114:

Für das Unternehmen Böhler Schmiedetechnik gibt es ebenfalls eine Anrechnung.

Zur Frage 115:

Das Unternehmen ist uns nicht bekannt und scheint aber auch weiter nicht in den Ab­rechnungen auf.

Zur Frage 117:

AMST – ja.

Zur Frage 118:

Unternehmen nicht bekannt oder nicht eingereicht.

Zur Frage 119:

Unternehmen AMES – ja.

Zur Frage 120:

Unternehmen Schlötter wurde offensichtlich 2002 oder 2003 und im weiteren Zeitraum angerechnet.

Zur Frage 121: Eurofoam – ja.


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Zur Frage 122:

Nein, die Beratergruppe Neuwaldegg ist nicht dabei.

Zur Frage 123:

Nein. Die Hans Künz GmbH ist nicht anerkannt.

Zur Frage 124:

Für das Unternehmen I.S.M. ist ebenfalls nichts angerechnet.

Zur Frage 125:

Rosenbauer International AG – ja, hat Gegengeschäfte gemacht.

Zur Frage 126:

STARK Spannsysteme – ja.

Zur Frage 127:

Nein, D. Vision Advertising and Communications ist nicht anerkannt.

Zu den Fragen 128 und 133:

Ensinger Sintimid GmbH – Anrechnung ja. Das ist eben auch ein sehr kleiner Betrag.

Zur Frage 129:

INNOWELD-Metallverarbeitung – ja.

Zur Frage 130:

Magna Steyr – davon haben wir schon gesprochen – ja.

Zur Frage 131:

Österreichische Akademie der Wissenschaften – nein.

Zur Frage 132:

Peter Merten GmbH  nein.

Zur Frage 134:

Für das Unternehmen Air Ambulance Technology GmbH – ja.

Zur Frage 135:

FWT Wickeltechnik  ja.

Zur Frage 136:

Nein, Peer Engineering ist nicht anerkannt.

Zur Frage 137:

Ja. Immer bezogen auf 2002/2003, eventuell sogar Folgejahre.

Zur Frage 138: PLANSEE – ja.

Zur Frage 139:

Pankl Racing Systems wurde anerkannt und später wieder aberkannt. Da gab es in den Medien eine intensive Auseinandersetzung, wenn Sie sich erinnern.

Zur Frage 140: ja.

Zur Frage 141:

Dewetron Elektronische Messgeräte – nein.


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Zur Frage 142:

Harald Hafner. – Da gibt es eine Anrechnung.

Zur Frage 143:

IT Solution. – Da gibt es eine Anrechnung.

Zur Frage 144:

Nein, Christoph Gudenus wurde nicht anerkannt oder angerechnet.

Zur Frage 145:

Siemens Österreich – ja.

Zur Frage 146:

Fischer Advanced. – Da haben wir einige Male angerechnet.

Zur Frage 148:

Austrian Aerospace – ebenfalls.

Zur Frage 149:

Ebenfalls gab es eine Anrechnung für die AT&S AG.

Was die Fragen 150 und 151 anlangt, ist es so, dass von den 1 376 Fällen rund 148 sogenannte Drittgeschäfte sind. Dabei muss man sagen, das ist vertragskonform und damit auch die Anrechenbarkeit bei Geschäften von Dritten, sofern diese jeweils im Einzelfall nachweislich durch eine individuelle Initiative der im Gegengeschäftsver­trag erfüllungsberechtigten Firmen vermittelt worden sind. Wie bei den Direktge­schäften müssen auch die Drittgeschäfte die übrigen Kriterien des Vertrages erfüllen, um anrechenbar zu sein. Das BMWFJ erlangt in der Regel nach Einreichung davon Kenntnis, ausgenommen sind jene Fälle, bei denen ein Vorabprüfantrag eingereicht worden ist. Also bei besonderen, bildungsmäßigen Investitionen oder auch Betriebsan­siedelungen und Investitionen über 70 Millionen € hat es laut dem Vertrag eine Vorge­nehmigung geben müssen.

Zu den Fragen 152 bis 154:

Wie ich bereits zu den Fragen 7 bis 10 ausgeführt habe, steht die Firma Vector Aero­space laut den uns vorliegenden Informationen in keinem Zusammenhang mit dem Ge­gengeschäftsvertrag. Es wurden keine Gegengeschäfte mit uns abgewickelt und auch keine abgerechnet. Wir können natürlich auch nur dann eine Initiative ergreifen, wenn die Firma in irgendeiner Weise bei uns tätig geworden wäre. Das war aber nicht der Fall, daher sind wir auf die Staatsanwaltschaft angewiesen, die selbst ermittelnd tätig ist, wie ich den Medien entnommen habe.

Zu den Fragen 155 bis 158:

Allgemein möchte ich betonen, dass die „Plattform Gegengeschäfte“, die auch immer wieder erwähnt wird, kein konstitutives oder entscheidungsfähiges Gremium war. Sie war und ist ein beratendes Gremium des Ministeriums, wobei das Wirtschaftsministe­rium den Vorsitz hat. Für die „Plattform Gegengeschäfte“ waren beziehungsweise sind 49 Personen tätig. Wollen Sie, dass ich Ihnen alle 49 vorlese? (Ruf bei der FPÖ: Ja!) – Das mache ich.

Für die Arbeiterkammer Wien: Mag. Miron Passweg, Mag. Roland Lang.

Für die Austrian Business Agency: Dr. René Siegl, Dipl.-Ing. Johannes Scheer, Fried­rich Schmidl.


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Für das Bundesministerium für Landesverteidigung: Hauptmann Günther Barnet, Mag. Reinhard Jiricek, Dr. Ernst Hladik, Mag. Wolfgang Baumann, Mag. Edwin Wall, Oberst des Generalstabs Andreas Mempör, Mag. Sonja Kovacic, Mag. Christina Fell­ner-Rapp.

Für das BMF: Dr. Josef Christl, Dr. Herbert Hillingrathner, Dr. Alexander Tomasch, Dr. Friederike Schwarzendorfer, Dr. Alfred Katterl, Mag. Peter Part.

Für die Industriellenvereinigung: Dkfm. Lorenz Fritz, Dr. Friedrich Höss, Dr. Christoph Neumayer, Mag. Isabella Meran-Waldstein.

Für das IHS: Dr. Christian Helmenstein.

Für die FFG: Dr. Andreas Geisler.

Für den Rat für Forschung: Mag. Michael Binder, Dipl.-Ing. Brigitte Tiefenthaler, Dipl.-Ing. Dr. Ludovit Garzik, Mag. Michaela Topolnik.

Für das Wifo: Professor Dr. Helmut Kramer, als er noch beim Wifo war.

Für die Wirtschaftskammer: Mag. Christian Domany, Dr. Rudolf Lohberger, Ing. Man­fred Görlich, Dr. Karl-Heinz Dernoscheg.

Für die WU Wien: Professor Dr. Reinhard Moser.

Dann auch noch 4C: Professor Dr. Werner Clement.

Für das BMVIT: Mag. Ingolf Schädler, Dr. Birgit Blasch, Mag. Evelinde Grassegger.

Für das BMWA beziehungsweise BMWFJ: Sektionschef Dr. Mayer, Dr. Wolfgang Von­druska, Ing. Franz Borth, Amtsdirektor Friedrich Machinek, Mag. Erika Ummenberger, Dr. Wolfgang Natich, Mag. Robert Prochazka, Mag. Barbara Spatschek, Mag. Gernot Fina und Amtsdirektor Walter Warum. – Das passt zu dem Ganzen. (Allgemeine Hei­terkeit.)

In der „Plattform Gegengeschäfte“ werden alle eingereichten Gegengeschäfte behan­delt, das BMWFJ, also wir, stellt der Plattform eine Liste der eingereichten Gegenge­schäfte zur Verfügung. In der Regel wird das auch zweimal im Jahr behandelt und ab­gewickelt. Die Ergebnisse haben Empfehlungscharakter, wobei sich aber in der Ver­gangenheit unser Ministerium genau an das gehalten hat. Die Staatsanwaltschaft hat die Liste der Mitglieder bis jetzt nicht angefordert, wir haben sie auch nicht übermittelt.

Zur Frage 159:

Die Gründe für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Herrn Dr. Lohberger sind uns nicht bekannt.

Zur Frage 160:

Ich kann die Frage nicht beantworten, da ich über die Motivation oder die weiteren Schritte der Staatsanwaltschaft nicht informiert bin.

Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, dass das eher umfangreich war, die Materie ist leider komplex. Ich hoffe, Sie haben trotzdem einen guten Überblick bekommen. Wir sind bemüht, beides zu tun: Wir wollen die Firmen schützen, die seriös eingereicht haben, wir wollen aber auch alles tun, um aufzuklären, wenn es irgendwo zu Unregel­mäßigkeiten gekommen sein sollte. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Brückl. – Bitte.

 


16.57.35

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Wer­ter Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder dieses Hauses! Herr Bundesminister,


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 129

Sie haben es heute bereits gesagt und Sie haben es in den vergangenen Tagen, zu­mindest war es den Medien zu entnehmen, gesagt: Gegengeschäfte sind grundsätzlich nichts Schlechtes. – Ich pflichte Ihnen hier bei. Ein Gegengeschäft ist durchaus etwas, das man machen kann und auch machen soll.

Aber für dieses Firmengeflecht, das der Kollege Jenewein hier auf der Tafel präsentiert hat, das man geschaffen hat, dafür kann es nur einen einzigen Grund geben, nämlich dass man ganz offenbar versucht, Geldflüsse zu verschleiern, dass man Scheinrech­nungen stellen kann und dass man danach trachtet, Korruptionsgelder dort hinzubrin­gen, wohin sie sollen. Anders ist es nicht zu erklären, dass man eine solche Ver­schachtelung ins Leben ruft. (Bundesrat Kneifel: Aber nicht das Ministerium! Das muss man schon klar sagen!) – Nicht das Ministerium, nein, nein. Ich komme da noch darauf zurück.

Die Frau Bundesminister für Justiz, Frau Dr. Karl, hat erst vor Kurzem in einer Anfrage­beantwortung gesagt: „Für die Erfüllung der im Ankaufsvertrag vereinbarten Gegenge­schäftsverpflichtung des Vertragspartners Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH wurden erhebliche Beträge zur Verfügung gestellt. Diese sind nach Abtretung der Gegenge­schäftsverpflichtung an EADS über ein Firmenkonstrukt sowie verschiedene Subbroker an noch nicht bekannte Entscheidungsträger beziehungsweise Beamte weitergeleitet worden, wobei es sich um Schmiergeldzahlungen handeln dürfte.“ – Das sagt die Frau Minister.

Dass hier etwas faul sein muss und dürfte im Staate Österreich, das war in Wirklichkeit von Anfang an kein Geheimnis. Sie haben ja selbst erst vor Kurzem gesagt, Herr Bun­desminister: „Ich bin überzeugt, dass beim Abfangjäger-Kauf nicht alles sauber ge­laufen ist.“ Sie waren auch im Eurofighter-Untersuchungsausschuss, und ich nehme an, Sie wissen, wovon Sie reden. Man ist hier diffus und nebulos bei der Schaffung ei­nes solchen Firmenkonstrukts vorgegangen. Wir sind heute so weit, dass beinahe die gesamte oder die halbe Republik als Korruptionsjäger beschäftigt ist.

Die Justiz mit Richtern und Staatsanwälten, die Polizei, die Finanz, Beamte aus Vertei­digungsministerium, Außenministerium, womöglich Wirtschaftsministerium, alle be­schäftigen sich mit dieser Materie. Sogar der Rechnungshof hat in den vergangenen Jahren mehrfach Aspekte rund um diesen Eurofighter-Kauf geprüft.

Ich komme noch einmal zurück zu dieser Tafel, die Kollege Jenewein hergezeigt hat: Wenn man sich das anschaut, ist ganz klar ersichtlich, dass es nur darum geht, Dinge zu verschleiern, Geldflüsse unsichtbar zu machen, Geld einfach zu verstecken, und dass man womöglich wirklich danach trachtet, Korruptionsgelder an einen bestimmten Ort zu bringen.

Das Unglück für jene, die das sozusagen alles geschaffen haben, war die Tatsache, dass in Italien ein Mann, den die Medien dort als den „Madoff von Rom“ bezeichnen, im Zuge von Ermittlungen wegen betrügerischer Anlagegeschäfte verhaftet wurde. Die­ser Gianfranco Lande wurde als Mastermind für die Schaffung dieses Konstrukts ein­gesetzt. Von diesem Gianfranco Lande können Sie ganz oft in den Medien lesen, da brauchen Sie nur im Internet nachzuschauen und Sie werden herausfinden, dass dieser offensichtlich ganz gute Kontakte zur kalabrischen Mafia, zur sogenannten ’Ndrangheta pflegt. Dieser Gianfranco Lande hat offenbar seine große Erfahrung im Umgang mit der – unter Anführungszeichen – „Bearbeitung“ von schwierigen Geschäf­ten einbringen können, sollen und dürfen.

Nur leider für jene, die in diesen Fall involviert sind, hat dieser Gianfranco Lande, der ja mittlerweile zu viereinhalb Jahre Haft in Italien verurteilt wurde, im Zuge der Ermittlun­gen wegen seiner Anlagebetrügereien – so wie das der Kollege Jenewein schon ge­sagt hat – vermutlich aus gesundheitlichen Gründen gesagt: Dazu sage ich nichts,


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aber ein bisschen etwas kann ich über Österreich und den Beschaffungsvorgang der Eurofighter Typhoon sagen. Da sagt er unter anderem: Ich habe „mich stets mit der Schaffung von Firmen hauptsächlich im Ausland und in einigen Fällen mit der Lösung einiger Probleme natürlich in erheblich kleinerem Maßstab, sagen wir zur Optimierung bestimmter Flüsse“ befasst. Und weiter:

„Ich habe also ein bisschen darüber nachgedacht, und mir schien es eine interessante Lösung zu sein, diese Struktur, die Vector Aerospace, zu schaffen.“

Und in Bezug auf Garantien, die dann die Vector Aerospace für die Übernahme der Gegengeschäftsverträge übernommen hat, sagt Lande weiter – und das ist dann das Interessante –: Vector Aerospace hatte kein Vermögen.

Im Zuge von Hausdurchsuchungen hat dann die Guardia di Finanza in Italien Un­mengen an Dokumenten, an Verträgen und Rechnungen sichergestellt, und daraus lässt sich gut ablesen, wie man da vorgegangen ist. Die Vector Aerospace, die in die­ser Struktur ganz oben steht und kein Geld hatte, hat einen Vertrag mit der Cen­tro Consult abgeschlossen. Diese Centro Consult sollte von der Vector für Beratungs­tätigkeit hohe Summen erhalten, nämlich eine Anzahlung von 2 Millionen € und eine weitere über 300 000 €, insgesamt also 2,3 Millionen €. Bei Hausdurchsuchungen wur­den dann eben von der Guardia di Finanza Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von 21 Millionen gefunden, die die Centro Consult an die Vector Aerospace gestellt hat. Solche Geschäfte haben diese Firmen vielfach vertraglich vereinbart. Wenn es um 2 Millionen ging, hat man tatsächlich eine Rechnung über 21 Millionen gelegt.

Mittlerweile wissen wir von Hausdurchsuchungen – nicht nur in Italien, sondern auch in Bayern und in Österreich; auf Österreich bezogen in den verschiedensten Bundeslän­dern –, dass da immer wieder dieselben Namen auftauchen: Thomas Eidenberger aus Oberösterreich, war in den Medien zu vernehmen, Banker bei der Oberbank; Walter Schön aus Wien, Alfred Plattner, Klaus-Peter Kaindleinsberger oder auch Alfons Mens­dorff-Pouilly, dessen Name ja immer dann auftaucht, wenn von Korruption und Beste­chung die Rede ist.

Ich möchte ihm nichts unterstellen, aber ich erinnere nur an die Saab Gripen-Affäre, wo sein Name und sein Unternehmenswerk für den Abschluss von Verträgen zum Ankauf beziehungsweise zum Leasing von Saab Gripen-Jagdflugzeugen durch Tschechien und Ungarn genannt wurde, oder die Siemens-Schmiergeldaffäre im Jahr 2009, auch damals fiel sein Name, oder die Telekom-Tetron-Affäre, in der die US-Börsenaufsicht SEC gegen ihn ermittelt hat, oder die Sachen mit den Gesichtsmasken – darüber will ich mich in Wirklichkeit gar nicht verbreitern – und eben auch die Eurofighter-Ge­schichte. Mensdorff-Pouilly wurde nicht nur im Zuge des Eurofighter-Kaufs in Öster­reich, sondern auch im Zuge von Waffengeschäften mit Tansania, Saudi-Arabien und einigen anderen Staaten in England verhört und für einen Tag inhaftiert – er hat dafür ja auch Haftentschädigung bekommen –, und auch in Österreich ist er für fünf Wochen im Grauen Haus in Wien inhaftiert gewesen.

Wenn man das alles ein bisschen verfolgt und sich näher anschaut, liest sich das ja in Wirklichkeit schon fast wie das Drehbuch für den neuen James Bond-Film, es könnte also durchaus eine gute Vorlage für „Skyfall“ gewesen sei


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 131

n.

All diese Namen, die da immer wieder auftauchen, finden Sie auch in diesen Firmen­konstrukten. Da gibt es durchaus eine Reihe von Fragen, denen man noch nachgehen muss. Sie, Herr Minister, haben heute diese Anfrage sehr gut beantwortet. Ich könnte mir vorstellen, dass noch einige folgen werden. Dieses Thema ist sicherlich noch nicht zu Ende behandelt.

Ich durfte heute einen Artikel darüber lesen – ich weiß nicht mehr, in welcher Zeitung –, dass Sie dem Herrn Stronach in den Rücken fallen – wie Sie das machen, weiß ich nicht, aber zumindest war das so zu lesen. Ich glaube, auch der Name Stronach kommt in diesem Zusammenhang immer wieder vor, das darf man ja nicht ganz ver­gessen. Schließlich hat auch Stronach damals bei der Typenentscheidung mit Karl-Heinz Grasser seinen Mann in der Regierung sitzen gehabt, und dort hat dieser Fi­nanzminister Grasser offensichtlich gute Arbeit geleistet, zumindest im Sinne von Stro­nach. Wir werden sehen, wie das weitergeht. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


17.06.49

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine Damen und Herren! Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn die Kolle­gen von der FPÖ so ein günstiges Klima für eine Dringliche Anfrage an den Wirt­schaftsminister im Zuge der Eurofighter-Gegengeschäfte heute lancieren, denn ich meine, mit so einer medialen Begleitung könnt ihr wahrscheinlich in Zukunft sicher nicht rechnen.

Kollege Brückl, alles, was du uns da jetzt vorgetragen hast, steht ja heute eins zu eins im „profil“ oder in sonstigen Medien. Der Neuigkeitswert hält sich eigentlich in Grenzen. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug.)

Wenn man dann vielleicht noch die Wurzeln der Begründung dieser Dringlichen Anfra­ge zurückverfolgt, dann könnte diese Dringliche Anfrage direkt an die FPÖ zurückge­hen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Denn wenn man sich die Entwicklung und die Namen, die beim Eurofighter-Untersuchungsausschuss 2007 gefallen sind, an­schaut, erkennt man, dass viele Namen gefallen sind, die FPÖ-affin waren. Rumpold, die Lakeside-Stiftung des Jörg Haider und so weiter will ich gar nicht erwähnen. (Bun­desrat Jenewein: Grasser war nicht bei der ÖVP?!) Wir hätten also genug Gründe, vielleicht eine Dringliche Anfrage zum Thema: Inwieweit war die FPÖ bei der Euro­fighter-Beschaffung involviert?, zu machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Grasser war 2002 bei der ! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) – Selbstver­ständlich, aber der Kollege Jenewein hat ja gesagt: Wir waren dabei, aber ab 2002 wa­ren wir nicht mehr dabei. Also das ist halt eine sehr durchsichtige Entschuldigung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den Fakten kommen – der Herr Minister hat das ja umfassend beantwortet, ich kann das verkürzen –: Gegen­geschäfte sind ja per se aus meiner Sicht nichts Schlechtes. Sie müssen nicht korrupt sein und sie müssen auch nicht rechtswidrig sein, sondern sie gehören eigentlich in ei­ner Wirtschaftsbeziehung dazu. Ich wage mich sogar so weit hinaus, dass ich sage, er wäre einer der schlechtesten Minister gewesen, wenn er nicht im Zuge der Eurofighter-Beschaffung auch darauf bestanden hätte, dass wir Gegengeschäfte machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich rede von Gegengeschäften, die dem österreichischen Steuerzahler einen Teil seines Geldes wieder zurückholt in Form von Arbeitsplätzen, von Wirtschaftsleistung, von Wertschöpfung. (Bundesrätin Michalke: Das haben wir ja auch gesagt! Haben Sie das nicht gehört?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir einen PKW für meinen Betrieb beim re­gionalen Autohändler anschaffe und dieser lässt sich das ganze Jahr oder die nächs­ten zwei Jahre bei mir als Gast nie mehr blicken, was glauben Sie, was ich mit dem mache? (Bundesrat Stadler: Lokalverbot!) – Ich kaufe mir nie mehr ein Auto bei ihm. Das ist ja ganz einfach. Wenn ein Bürgermeister, der in seiner Gemeinde einer Bau­firma einen Auftrag für eine Straßenasphaltierung gibt, sagt, dass er für den Kinder­garten auch gerne ein kleines Benefit hätte, so ist das eine Form von Gegenleistung. Das ist die Realität, die Wirtschaftsrealität. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 132

Wenn ich jetzt noch hinzufüge, dass die internationale Rüstungsbeschaffung eine der sensibelsten und heikelsten und auch gefährdetsten Branchen ist, ist das für mich keine Frage. Wir haben in Österreich einen Noricum-Skandal und auch andere Skan­dale gehabt.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die volkswirtschaftliche Bedeutung der Gegengeschäfte ist ja eindeutig dokumentiert. Wenn man sich den Bericht des Wirt­schaftsministeriums vor Augen führt, erkennt man, dass seit 2003 367 Millionen €, 2004 328 Millionen €, 2005 515 Millionen € eingereicht wurden. Das geht bis zum Jahr 2010 mit 565 Millionen € an eingereichten Projekten. Davon wurden von 2003, mit 189 Millionen €, bis zum Jahr 2010 in 1 506 Geschäftsfällen Gegengeschäfte in einem Wert von 3,324 Milliarden € anerkannt.

Das sind keine Peanuts für die österreichische Wirtschaft, das bedeutet ja Arbeits­plätze und Wertschöpfung. Ich als steirischer Bundesrat verwahre mich dagegen, dass Firmen wie die AVL-List zum Beispiel auf Ihrer Frageliste überhaupt draufstehen. AVL-List ist der Weltmarktführer bei der Motorenentwicklung, da kann man die Hand ins Feuer legen. Da müssen wir stolz auf diese Firma sein, dass wir die in der Steiermark haben, und dürfen sie nicht diskreditieren. Das weise ich zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist die berühmte Wirtschaftskompetenz der FPÖ. Herr Mag. Pisec, dass du die In­dustrie in der Steiermark desavouierst und sagst, dass die alle beim Eurofighter-Kauf und bei den Gegengeschäften dabei gewesen sind, weise ich auf das Schärfste zu­rück. (Bundesrat Mag. Pisec: Das habe ich nicht gesagt! Was soll das? – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Gegengeschäfte wurden auch immer wieder in periodischen Abständen von 2002 bis 2005 vom Rechnungshof geprüft. Wenn die internationalen Gerichte zum Teil durch Zufall fündig geworden sind, dass es bei der finanziellen Abwicklung dieser Geschäfte internationale Korruption oder Ähnli­ches gegeben hat, dann ist das gut so. Dafür haben wir ja die Gerichte. Wenn die Staatsanwaltschaft in München, in Mailand, in Rom und in Wien ermittelt, dann lassen wir sie ermitteln. Sollte da Kriminelles ans Tageslicht kommen, dann wird das hoffent­lich Konsequenzen haben. Dafür haben wir, wie ich meine, Gott sei Dank eine unab­hängige Gerichtsbarkeit, und warten wir einmal ab, was da herauskommt, und lassen wir die vorzeitigen Beschuldigungen oder Verdächtigungen hintangestellt. Wir schaden ja nur unserem Wirtschaftsstandort Österreich und wir schaden dadurch auch unserer zukünftigen Exportwirtschaft. (Zwischenrufe der Bundesräte Pirolt und Mühlwerth.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kenne die Zusammenhänge auch, ich bin kein Experte darin, möchte aber feststellen, dass der Schaden durch Ihre Anfrage grö­ßer ist als der Nutzen. Wenn wir das alles in öffentlichen Medien publizieren, wird das immer schlechter, es entsteht daraus ein Schneeballeffekt.

Ich weise vor allem den Versuch, die Österreichische Volkspartei in diese Sache hinein­zuziehen, auf das Schärfste zurück. (Zwischenrufe der Bundesräte Ertl und Mühlwerth.)

Es gibt keinen einzigen namentlich genannten ÖVP-Politiker und keine ÖVP-nahe Or­ganisation, die in diese Gegengeschäfte involviert ist. Das möchte ich ausdrücklich feststellen.

Ich danke dem Herrn Minister für seinen Einsatz, dass er zusätzlich in seinem Minis­terium diese Task Force einrichtet, die das Ganze noch einmal überprüft, und ich den­ke, es wird kein Stein auf dem anderen bleiben, wenn es diese korrupten oder krimi­nellen Machenschaften gegeben hat. Dann werden die Verantwortlichen dieser Zeit auch Konsequenzen ziehen müssen. Das ist, wie ich meine, ein guter Weg. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.14



BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 133

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. Herr Kollege, Sie kennen die Geschäfts­ordnung.

 


17.14.33

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Kollege Perhab hat wörtlich gesagt: „Aber der Kollege Jenewein hat ja gesagt: Wir waren dabei, aber ab 2002 waren wir nicht mehr dabei.“

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe dies weder wörtlich noch inhaltlich noch sinngemäß gesagt.

Kollege Perhab hat weiters gesagt: Die Gegengeschäfte werden von der FPÖ abge­lehnt.

Ich berichtige tatsächlich: Herr Kollege Brückl hat sich eindeutig zu den Gegenge­schäften bekannt.

Herr Kollege Perhab hat hier festgestellt, dass er sich dagegen verwahrt, dass Firmen in einer parlamentarischen Anfrage genannt werden, weil diese dadurch in ein schlech­tes Licht gerückt werden.

Ich berichtige tatsächlich, dass diese Intention in keiner Form aus der parlamentari­schen Anfrage der FPÖ herauszulesen ist. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pisec. – Bitte, Herr Kollege. Das ist ebenfalls eine tatsächliche Berichtigung.

 


17.15.40

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ersuche den Kolle­gen Perhab von der angeblichen Wirtschaftspartei ÖVP um eine Berichtigung. Ich be­leidige keinen einzigen österreichischen Unternehmer und keine Unternehmerin, denn wir müssen über jeden Unternehmer und jede Unternehmerin, die wir in Österreich ha­ben und behalten können, froh sein, denn der Wirtschaftsstandort Österreich unterliegt nach wie vor jenen hohen Belastungen, unter denen der Geist des Unternehmertums leider Gottes atmen muss.

Ich ersuche dich um eine Berichtigung, denn ich beleidige als Freiheitlicher kein Un­ternehmen, keinen Unternehmer und auch keine Unternehmerin in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

17.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Das war nicht ganz eine Berichtigung, aber ich glaube, wir wissen, was gesagt werden wollte.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer.

 


17.16.51

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Bundesräte! Die Untersuchungen betreffend die Causa Eurofighter gehören, wie ich meine, zu den umfangreichsten und auch schwierigsten, die es je gegeben hat, auch weil immer wieder Vermutungen ausgesprochen werden, die durch nichts bewiesen werden können.

Wenn du, Kollege Jenewein, gesagt hast, dass das mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun hat, muss ich dir schon sagen, dass wir hier im Parlament sind, dass wir hier Parteien sind und dass wir politisch sind. Die Verantwortungen, die nicht rechtens sind, hat die Justiz zu ermitteln, und es wird uns wohl erlaubt sein, eine Partei an ihr poli-


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 134

tisches Verständnis oder auch an ihre politische Verantwortung zu erinnern. (Zwi­schenruf des Bundesrates Brückl.)

Ihr wart immerhin in der Regierung, und in dieser Regierung wart ihr nicht Junior­partner, sondern Seniorpartner. Die ÖVP war damals auf dem dritten Platz, die Frei­heitlichen auf dem zweiten Platz. Für die Beschaffung der Flieger waren eigentlich zwei freiheitliche Politiker maßgebend verantwortlich.

Es ist so, dass jetzt nach über zwölf Jahren auf einmal 160 Fragen kommen – nach zwölf Jahren kommen 160 Fragen. (Bundesrat Brückl: Sie können nicht einmal rech­nen!) – Im Jahr 2000 ist es beschlossen worden, und da wart ihr eigentlich schon in der Regierung. Seien Sie ein bisschen vorsichtig beim Rechnen! – Wir haben da also diese 160 Fragen, und mir wäre es lieber und es wäre auch hilfreicher gewesen, wenn Sie sich früher als Freiheitliche Partei ein paar wenige Fragen gestellt hätten: Brauchen wir die Eurofighter überhaupt? Brauchen wir ein Flugzeug, das nur entwickelt wurde, um herauszufinden, ob gegen MiGs gekämpft werden kann? Eine andere Frage wäre viel­leicht gewesen: Können wir uns überhaupt die Bewaffnung und die Software dazu leis­ten? Eine andere Frage wäre auch gewesen: Können wir uns die laufenden Kosten leisten? Oder können wir uns überhaupt diesen Abfangjäger leisten? (Bundesrat Kru­sche: Das ganze Bundesheer können wir uns nicht leisten!)

Denn im Juli 2002 sind die Abfangjäger bestellt und einen Monat später ist die Stück­zahl reduziert worden, weil man dann kein Geld mehr für die Behebung unserer Kata­strophenschäden hatte.

Aber diese Fragen hat sich die Freiheitliche Partei ja nicht gestellt. Für mich gibt es nur drei Möglichkeiten, warum diese Fragen nicht gestellt wurden: Entweder ist die Frei­heitliche Partei so schwach – denn sie war eigentlich Seniorpartner und nicht Junior­partner – oder es war der Freiheitlichen Partei wurst (Bundesrat Lindinger: Oder, oder? – Bundesrat Todt: Oder sie hat Geld gekriegt!) oder sie hat sowieso alles ge­wusst. (Bundesrat Jenewein: Wir stehen zur Landesverteidigung!) – Dann ist es aber umso erstaunlicher, dass man hier heute 160 Fragen stellt.

Du, Kollege Jenewein, hast gesagt, man habe es im Jahr 2002 gewusst. – Warum habt ihr dann nichts gemacht?

Es sind aber nicht nur die Freiheitlichen. Wenn man sich den Ablauf genauer anschaut, so war da einiges ein wenig ich will nicht sagen „seltsam“, aber doch unachtsam. Im März 2004 hat der Rechnungshof seinen ersten Bericht vorgelegt. EADS war demnach in der Ausschreibung der Bestbieter. Der Rechnungshof hat später noch einmal etwas zu den Gegengeschäften geschrieben.

Der Rechnungshof meinte damals, dass etwa 4 Milliarden € wahrscheinlich erreicht werden. Eine exakte Überprüfung der Gegengeschäfte sei jedoch aufgrund der intrans­parenten und missverständlichen Anrechnungskriterien nicht möglich.

Auch da gab es wieder keinen Aufschrei von jenen Menschen, die damals in der Re­gierung saßen und jetzt 160 Fragen stellen.

Am 2. Juli fiel bei diesem Kanzlerfrühstück vor dem Ministerrat die Entscheidung für den Ankauf der Eurofighter. Diese Entscheidung fiel einstimmig. Einstimmig! – Viel­leicht war da von den Freiheitlichen niemand dabei.

Wir haben dann endlich 2006 einen Untersuchungsausschuss – mit den Stimmen der Freiheitlichen – erreicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh!) Und im Untersuchungs­ausschuss wurde 2007 behauptet, dass Frank Stronachs Magna bei einigen Geschäf­ten vom Eurofighter-Deal profitiert hat. Das ist nur deswegen erwähnenswert, weil Herr Stronach jetzt ein politischer Mitbewerber ist und Stronachs Aussage vor dem Euro­fighter-Untersuchungsausschuss war – Zitat aus dem Stenographischen Protokoll –:


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 135

„Wir haben damit nichts zu tun.“ Magna hat nicht im Geringsten von den Eurofightern profitiert.

Der Magna-Konzern kommentiert das durch seine Sprecherin wie folgt – das ist in der „Kleinen Zeitung“ nachzulesen –: „Wir haben nie bestritten, dass es Gegengeschäfte gab.“

Aber Magna ist nicht die einzige Firma. Es gibt eine ganze Liste, wie wir heute auch schon gehört haben, mit ungefähr 1 500 Gegenschäften und 320 Firmen. Heute wer­den Schmiergeldzahlungen vermutet. Ich glaube aber nicht, dass man sagen kann, dass hier 320 Firmen geschmiert wurden. Es wurden höchstwahrscheinlich Entschei­dungsträger geschmiert. (Bundesrätin Mühlwerth: Also war die Anfrage doch richtig!) Das ist noch nicht bewiesen, es wird aber ermittelt. Und im Zuge neuer Ermittlungen in Zusammenarbeit mit Deutschland werden auch Briefkastenfirmen untersucht. Für mich persönlich stellt sich die Frage, warum es für die Abwicklung von Staatsgeschäften überhaupt Briefkastenfirmen braucht. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrä-
tin Ebner. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir haben Geldflüsse, die auch durch diese Briefkastenfirmen getätigt werden, die be­reits durch die Justiz beobachtet werden. Auch dazu gibt es ein Zitat aus den Medien:

„Nach den Razzien im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Deal führt eine Spur zum verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider, die auch erklären könnte, warum aus dem anfänglichen Gegner der Abfangjäger ein glühender Fan wurde. Aus dem Umfeld des Eurofighter-Herstellers EADS flossen nämlich angeblich fünf Millionen Euro an ei­ne Kärntner Privatstiftung und danach an Haiders BZÖ. Die Staatsanwaltschaft ermit­telt bereits.“

Und der Staatsanwaltssprecher bestätigte:

„Es gibt gewisse Zahlungsbewegungen, in denen diese Stiftung, die Gegenstand von Untersuchungen ist, eine Rolle spielt.“

Aber bleiben wir bei der Beschaffung dieser Eurofighter, denn ich muss sagen, die SPÖ und allen voran Minister Darabos waren immer gegen den Ankauf der Euro­fighter. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) Er war der Einzige, der versucht hat, hier noch etwas zu retten, aber all diese Verträge waren schon sehr lange und eigent­lich wasserdicht abgeschlossen.

Die Betriebskosten waren immer zu hoch. Ich glaube, das sieht man auch daran, wel­che Staaten überhaupt Eurofighter haben: Großbritannien, Deutschland, Italien, Spa­nien, Österreich und Saudi-Arabien haben Eurofighter. Es gab einige andere Staaten, die überlegt und den Eurofighter auch schon getestet haben – dazu gehören Brasilien, Indien, Japan, die Schweiz und Singapur –, diese haben sich aber dann entschlossen, den Eurofighter nicht zu kaufen. Wenn wir uns anschauen, welche exorbitant hohen Betriebskosten dieser Eurofighter hat, wie viel uns die Software kostet, wie viel uns die Bewaffnung kostet, dann verstehe ich diese Staaten.

Der Rechnungshof rechnet bis zum Jahr 2013 mit laufenden Ausgaben von bis zu 100 Millionen € im Jahr – 100 Millionen € nur für den Betrieb! Umgerechnet bedeutet das – um das ein bisschen bildlich darzustellen –, das Bundesheer könnte dafür 17 000 Kampfanzüge kaufen – die braucht es bloß nicht, da es sowieso nicht so viele Leute hat (Bundesrat Brückl: Ihr wollt es ohnehin abschaffen!), oder man könnte davon 1 800 Jahresgehälter bezahlen. (Bundesrat Kneifel: Ja, aber die Entscheidung ist gefallen!) – Ich war betreffend die ÖVP recht ruhig, also bitte. (Bundesrat Kneifel: Es geht um die Gegengeschäfte!) – Wir haben die Gegengeschäfte jetzt nicht mehr und haben aber trotzdem die 100 Millionen € Betriebskosten.

Die FPÖ stellt sich nun in der dringenden Anfrage (Bundesrat Jenewein: Dringlich, nicht dringend!), in der Dringlichen Anfrage als Betreiber der Aufdeckung dar. – Es ist


BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 136

sehr trocken hier. Diese Partei war jedoch in die Beschaffung involviert. Aus dieser für unsere Republik mehr als unangenehmen Situation, die nicht nur unserer Reputation, sondern auch unseren Finanzen schadet, politisches Kleingeld zu lukrieren ist, glaube ich, nicht ganz in Ordnung. (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh!) Die Bevölkerung wird aber sicherlich zu honorieren wissen, dass die Aufdecker dieser Causa Eurofighter eigentlich die Beschaffer waren. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Brückl: Wie in Graz, ich weiß!)

17.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Kollege Jenewein hat sich zu einer weiteren tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich sage nur allgemein dazu, dass sich eine tatsächliche Berichtigung auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken hat. (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!)

 


17.28.35

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Selbstverständlich, Herr Präsident. Dann werde ich das auch so tun.

Herr Kollege Beer hat wörtlich festgehalten, die Freiheitliche Partei habe sich diese Fragen – Klammer auf: Eurofighter-Beschaffung; Klammer zu – im Jahr 2000 nicht ge­stellt. – Ich berichtige tatsächlich: Die Freiheitliche Partei hat im Jahr 2000 keine Ab­fangjäger gekauft. (Ironische Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Beer sprach von Menschen, die damals in der Regierung saßen und heu­te 160 Fragen stellen. – Ich berichtige tatsächlich: Ich habe heute diese Dringliche An­frage eingebracht. Ich saß weder in einer Bundes- noch in einer Landesregierung. (Neu­erliche ironische Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Beer hat festgestellt, die Partei sei in die Beschaffung involviert gewe­sen. – Ich berichtige tatsächlich: Die Beschaffung hat die österreichische Bundesre­gierung und nicht die Freiheitliche Partei vorgenommen. (Bundesrat Todt: Ja, ja, aber Profiteur war die Freiheitliche Partei!) – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Un­ruhe im Saal. – Bundesrat Jenewein – das Rednerpult verlassend –: Über die AVZ-Milliarden, die ihr in der Karibik versenkt habt, müssen wir noch reden!)

17.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.29.37

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon vieles gesagt, aber manches noch nicht, darum werde ich mich genau darauf beschränken. (Ironische Heiterkeit im Saal.) – Spaß beiseite.

Zuallererst möchte ich mich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, und bei Ihren Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die innerhalb kürzester Zeit eine umfassende Anfrage so detailliert beantwortet haben, und wir wissen, dass das bei manchen an­deren Ministern trotz zweimonatiger Frist nicht so einfach ist. (Zwischenruf des Bun­desrates Kneifel.) Also insofern herzlichen Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter! (Allgemeiner Beifall.)

Zum Inhalt: Ich habe hier (der Redner hält einen Papierflieger in die Höhe) einen sym­bolischen Papierflieger gebastelt (Zwischenrufe bei der ÖVP), einen „Baba!-Euro­fighter“. Der steht symbolisch – eigentlich müsste er aus 100- und 500-Euro-Scheinen gemacht sein – für das Steuergeld, das wir damit (der Redner lässt den Papierflieger


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fliegen) verschießen, denn in der gesamten Debatte, die hier stattgefunden hat (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner) – die klären das ohnehin auf; kein Problem, Herr Minister –, ist eines überhaupt nie zur Sprache gekommen: Wofür um Himmels willen braucht ein kleines Land wie Österreich 24 Eurofighter? – Da muss man ja schon sarkastisch bemerken: Zum Glück hat es das Hochwasser gegeben, denn sonst wären es wirklich 24 geworden! – Und dann hat man gesagt: Na ja, ma­chen wir 18 daraus!, und dann sind es 15 worden. (Bundesrat Kneifel: Warum glauben Sie, dass die Schweiz ...!?) 15 Eurofighter für ein Land wie Österreich ist wahrlich ein Luxus. (Bundesrat Kneifel: Nicht schlüssig! Die Schweiz hat ...!) – Doch, das ist sehr schlüssig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und noch dazu, wenn du, geschätzter Kollege Kneifel, „Nicht schlüssig!“ sagst (Bun­desrat Kneifel: Du warst schon einmal besser!) – ich komme schon noch zum Haupt­punkt –, muss ich eines anmerken: Von der Volkspartei wird ja immer behauptet, das Berufsheer ist teurer als das jetzige Heer. Stimmt das? (Bundesrat Kneifel: Ja!) – Stimmt. – Und von der FPÖ wird laufend gefordert, dem Heer mehr Geld zur Verfü­gung zu stellen. Stimmt das? (Bundesräte der FPÖ nicken.) – Stimmt; die Kollegen ni­cken, die ÖVP bejaht das auch. Dieser Eurofighter-Kauf ist ein Beleg dafür, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass das Heer nicht zu wenig, sondern zu viel Geld hat!

Ein Flugzeug zu kaufen, das in den achtziger Jahren entwickelt worden ist, damit man tief in den sowjetischen Luftraum eindringen kann, damit man Abwehrmaßnahmen überwindet, das man für den Luftkampf einsetzt, wo es darum geht, Bomben abzuwer­fen (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel), wo es darum geht, U-Boote zu bekämp­fen – dieses Gerät habt ihr angeschafft (Heiterkeit und Beifall des Bundesrates Schreuder – Zwischenrufe bei der ÖVP) für Patrouillen und die Luftraumüberwachung. Ich meine, Entschuldigung: Wie „ang’rennt“ muss man da sein? (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

Ich weiß schon, dass in der damaligen Bundesregierung sicher nicht lauter Trottel ge­sessen sind, das sind lauter gescheite Leute (Zwischenruf des Bundesrates Schreu­der), aber sie hatten Interessen. Und wir wissen, dass Österreich ein Land ist, wo die Wirtschaft und die Politik so sind – und dann kommen genau solche Redebeiträge wie vom Kollegen Perhab, der sich sozusagen darüber mokiert: Ja, wie kann denn bitte ein Abgeordneter Fragen zu einer Firma stellen?

Entschuldigung, wo sind wir denn? Sind wir das Parlament, damit wir Fragen stellen und aufdecken, oder nicht? (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Und wenn Fir­men – egal, ob auf legalem oder auf nicht legalem Weg – in Waffengeschäfte involviert sind, wo es um Menschen mit einer Ausrüstung geht, die darauf abzielt, dass Men­schen getötet werden, dann ist es unser verdammtes Recht, in diesem Haus hier Fra­gen zu stellen. Das möchte ich auch einmal festgehalten haben. (Beifall bei den Grü­nen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das, was die Kollegen von den Freiheitlichen mit dieser Anfrage hier betreiben, werte ich als eine Kindesweglegung, denn wir wissen, dass dieser Deal genau in der Ära Schwarz-Blau eingefädelt worden ist. In die Details möchte ich gar nicht eingehen. Und damals, als mein Kollege Peter Pilz das Ungeklärte und die Ungereimtheiten ange­sprochen hat (Zwischenruf des Bundesrates Kainz), hat man ihn als Spinner hinge­stellt, als einen, der sich sozusagen selber inszenieren möchte.

Heute sind die Staatsanwaltschaften von Mailand bis München und Wien damit be­fasst, da strafrechtliche Tatbestände aufzuklären. Aber das ist nicht unser Part, darum ist mir wurscht, welche Firmen da involviert sind. (Bundesrat Kneifel: ... nicht mit der Republik Österreich!) Dafür haben wir eine Gewaltentrennung, das werden die Staats­anwaltschaften zu klären haben.


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Unser Aufgabenbereich hier in diesem Hohen Haus ist die politische Verantwortung. Und die, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, tragen wir, die Entscheidungsträger, so wie wir hier sitzen.

Und wenn Fehler passiert sind – und überall dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, und insbesondere in der Rüstungsindustrie ... (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Vorletzte Woche war im „Standard“ ein Interview, in dem ein führender deut­scher Experte gesagt hat, dass Schmiergeldzahlungen im Bereich der Waffenindustrie gang und gäbe sind und nicht die Ausnahme.

Lügen wir uns also nicht selber an! Wir alle wissen, dass da geschmiert wird! Jetzt ist es eben aufgekommen, und es muss unser größtmögliches Interesse sein, dass man, so wie es der Herr Minister gesagt hat, die Spreu vom Weizen trennt: die Firmen, die sich ganz normal und anständig angestellt und die Sachen offiziell eingereicht haben, auf die eine Seite und die Halunken und die Gauner auf die andere Seite – und um die wird sich dann die Staatsanwaltschaft kümmern. (Beifall bei den Grünen.)

Mein Kollege Peter Pilz hat in der XXII. Gesetzgebungsperiode im Juni 2003 als An­frage 501/J dazu eine Dringliche Anfrage betreffend Eurofighter-Schiebung formuliert.

Auch in der XXIII. Gesetzgebungsperiode gab es mit der Anfrage 3977/J vom 31. März 2008 wieder eine Anfrage, diesmal betreffend Vector Aerospace LLP, Centro Consult Ltd, Euro Business Development GmbH und EADS.

Das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, haben wir schon vor Jahren thematisiert, und ich verstehe, dass die Freiheitlichen hier bemüht sind, etwas vom wahren Kern des Problems abzulenken. Das wird ihnen nicht gelingen! (Zwischenrufe der Bundes­räte Mühlwerth und Jenewein.) – Stronach war zumindest einer derjenigen, der auch reale Geschäfte abgewickelt hat. Ob die jetzt im Zuge der Anschaffungen passiert sind oder nicht, ist eine andere Sache, aber da hat es reale Geschäfte gegeben. Die sind belegbar und beweisbar.

Aber bei der „100 % Communications“, der Rumpold-Agentur, und beim Lakeside Park – ihr (in Richtung FPÖ) seid ja immer so bemüht, dass man deutsche Begriffe verwendet, also nenne ich ihn „Seeseitenpark“ – von Haider, da weiß man nicht, wo die Gelder hingegangen sind. Da gibt es keine Leistung. Da muss man sich schon fragen: „Wo woar mei’ Leistung?“ (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

In diesem Sinne, sehr geehrter Minister, nochmals herzlichen Dank! Ich weiß, dass es für Sie sicher nicht einfach sein wird, mit allem Nachdruck für Aufklärung zu sorgen. Sie werden da sicher auch dem einen oder anderen Gegenwind innerhalb Ihrer eige­nen Partei standzuhalten haben. Ihr Zugang, dass alles aufgeklärt werden muss und die Vorweg-Entlastung von EADS von Ihnen verweigert wird, ist zu begrüßen.

Weiters ist zu begrüßen, dass durch Druck der Grünen auf Verteidigungsminister Dara­bos auch die Finanzprokuratur angewiesen worden ist, sich als Privatbeteiligte im Strafverfahren zu beteiligen, und zwar aus mehreren Gründen. Dadurch verjähren die zivilrechtlichen Ansprüche nicht und ein Schaden aus Schmiergeldern, die den Kauf­preis erhöht haben, kann eingeklagt werden.

Insofern ist das einmal ein guter und ein wichtiger Schritt, wenn wir zwei Minister ha­ben, die bemüht sind aufzuklären. Den Rest werden die Staatsanwaltschaften erledi­gen.

Eines wissen die Bürger und Bürgerinnen zu Hause ganz sicher: Die Flieger haben wir genauso gebraucht wie einen Schiefer im Fuß, denn ein kleines Land wie Österreich, wo es immer wieder zu Murenabgängen und Hochwasser kommt, braucht keine Euro-


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fighter. Da brauchen wir vielleicht Hubschrauber, da brauchen wir technisches Equip­ment.

Und wir brauchen dann nicht zu sudern und zu jammern, dass das Bundesheer kein Geld hat, denn wenn ich mir anschaue, dass, wie es Kollege Beer schon gesagt hat, jährlich über 100 Millionen € allein für die Instandhaltung und Aufrechterhaltung dieser Struktur verwendet werden, dann ist es eine Frage der Wertigkeit, und die bestimmt dieses Hohe Haus.

Wir alle miteinander sind da verantwortlich, ob wir das Geld in solch sinnlose Projekte wie den Eurofighter stecken oder vielleicht einmal in den Ausbau der Kindergärten, der Krabbelstuben und der Bildungs-, Forschungs- und Lehreinrichtungen. – Danke. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Tu nicht immer das eine gegen das andere aufrechnen!)

17.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Füller. –Bitte.

 


17.39.33

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als einer, der aus Judenburg kommt – einer Nachbargemeinde von Zeltweg, dem Stationierungsort des Eurofighters –, wollte auch ich heute die Gelegenheit nützen, zu diesem Thema und den Gegengeschäften Stellung zu nehmen.

Die Menschen vor Ort, in Zeltweg, auch viele in Betrieben, fragen sich, was aus den Gegengeschäften geworden ist. Manche Betriebe, die vor einigen Jahren auf irgend­welchen Bieterlisten aufgeschienen sind, fragen sich, wie es damals überhaupt dazu gekommen ist, dass ihr Betrieb auf diese Bieterlisten gekommen ist.

Ich möchte aus einem Bericht betreffend den Bericht des Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Beschaffung von Kampfflugzeugen zwei kurze Fallbeispiele anführen und zitieren:

„Der Fall Fachhochschule Joanneum

Ein weiteres Beispiel, das das zweifelhafte Vorgehen in Sachen Kompensationsge­schäfte treffend illustriert, ist jenes der Fachhochschule Joanneum in Graz. Im Dezem­ber 2001 wurden erste Kontakte zwischen der EADS und der FH Joanneum geknüpft. Im Wintersemester 2002/3 kam es schließlich zur Etablierung eines Studiengangs, den EADS mit sieben Lehrbeauftragten in den Fächern ,Fertigungstechnik in der Luftfahrt‘ und ,Regelungstechnik und Flugregler‘ mit Vorträgen unterstützte. Für diese Bildungs­investition forderte EADS von der Geschäftsführung der Fachhochschule eine Gegen­geschäftsbestätigung im Umfang von 7,85 Mio. Euro. Am 23. Juli 2004 richteten die beiden Geschäftsführer der Bildungseinrichtung ein Schreiben an das Bundesministe­rium für Wirtschaft und Arbeit. In dem dem Brief beiliegenden ,Erläuterungen zur Ge­gengeschäftsbestätigung der FH Joanneum Gesellschaft mbH‘ weisen sie darauf hin, dass ,der in der Gegengeschäftsbestätigung enthaltene Wert von EUR 7,85 Mio. von der FH JOANNEUM nicht geprüft werden kann, da der FH JOANNEUM die hier zu Grunde liegenden Bedingungen des Gegengeschäftsvertrages nicht bekannt sind und eine entsprechende Prüfung auch mangels Erfahrung in diesem Bereich nicht im Kom­petenzbereich der FH JOANNEUM liegt. Demzufolge liegt es nicht in der Verantwor­tung und in den Möglichkeiten der FH JOANNEUM, die dargestellte ziffernmäßige Be­wertung des Gegengeschäfts vorzunehmen und zu verifizieren. () Weiters verweigert die FH JOANNEUM ausdrücklich ihre Zustimmung zur Veröffentlichung des Gegenge­schäftsvolumens, da einer quantitativen Bewertung der gegengeschäftlichen Koopera-


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tion kein tatsächlicher Mittelfluss zugrunde liegt, sondern es sich hierbei um die Be­wertung eines volkswirtschaftlichen Nutzens handelt.‘“ .

Ein zweites Beispiel – auch aus diesem Bericht –:

„Steiermark als Gegengeschäfts-Schwerpunktland

Die Steiermark und insbesondere die Region Aichfeld-Murboden sollten aufgrund der vergleichsweise größeren Belastung durch die Stationierung der Eurofighter am stärks­ten von den Gegengeschäften profitieren. Allen voran wurde diese Forderung von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic aufgestellt. In einem Akt des BMWA aus dem Jahr 2004 wird dazu vermerkt: ,LHF Klasnic hat darauf hingewiesen, dass 29 % der Gegengeschäfte auf die Steiermark entfallen sollen und sie daher sehr an einer funk­tionierenden Struktur interessiert ist, um diesen Prozentsatz zu erreichen. Außerdem hätten Bund und Land Verantwortung gegenüber Bevölkerung, dass die Bevölkerung, dass der Vertrag ‚funktioniert‘, damit die Belastungen aus der Beschaffung LRÜ auch der Bevölkerung zugemutet werden können.‘

Mehr als vier Jahre später konnte weder die geladene ehemalige steirische Landes­hauptfrau noch der einstige Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl im Ausschuss ein aner­kanntes Gegengeschäft in der von der Stationierung der Abfangjäger besonders be­troffenen Region Aichfeld-Murboden namhaft machen.

Bundesminister Bartenstein konnte zwar Gegengeschäftsprojekte nennen, das von ihm ins Treffen geführte Kompensationsgeschäft mit Stahl Judenburg findet sich jedoch nicht in den vom BMWA erstellten Gegengeschäftsberichten.“ 

Es stellt sich daher vor Ort die Frage: Wo sind Arbeitsplätze in der betroffenen Region entstanden? – Unabhängig von der Typenentscheidung, weil einfach die Bevölkerung durch Lärm, durch Umweltbelastung und so weiter einen größeren Beitrag leistet, was die Stationierung anlangt, und auch dementsprechend involviert beziehungsweise da­von betroffen ist.

Ich durfte damals über mehrere Monate beim Kapitel „Gegengeschäfte“ Mitglied des Eurofighter-U-Ausschusses des Nationalrates sein. Bereits damals war recht klar ersichtlich, dass es sich zum Teil wirklich um Luftgeschäfte – im wahrsten Sinne des Wortes – handelt.

Es hat immer wieder die Diskussion um die Stationierung in Zeltweg, die Diskussion um den Standort gegeben, dazu kann ich für mich als Person und auch für die meisten Menschen in der Region sagen: Wir sind stolz auf die Menschen, die im Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg arbeiten, die eine sehr gute berufliche Ausbildung genießen durften, die technisch hochwertige Arbeit leisten und einen gut bezahlten Arbeitsplatz haben. Und das genau in einer Region, die letztendlich auch von Abwanderung vor al­lem von jungen Leuten, die gut ausgebildet sind, betroffen ist. (Bundesrätin Mühl­werth: Also doch nicht so schlecht?!)

Ich sage, ich bin stolz auf den Flughafen, darauf, was die Menschen dort leisten. Und das kann ich als regionaler Mandatar durchaus sagen. Das ist unabhängig davon, wel­che Typenentscheidung letztendlich erfolgte. (Bundesrätin Mühlwerth: Ah, die Arbeits­plätze im Zusammenhang mit den Eurofightern!)

Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben ein Recht auf Aufklärung bei diesen Gegengeschäften. Die Menschen des Oberen Murtals, der westlichen Obersteiermark haben ein Recht darauf, zu erfahren, was mit den Gegengeschäften ist, die ihrer Re­gion versprochen wurden und wo diese geblieben sind. Diese Menschen hätten sich die Gegengeschäfte verdient, weil sie vor Ort die Hauptlast tragen.


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Und deshalb bin ich froh, dass es diese Initiative gibt und dass wir in Zukunft diesbe­züglich vielleicht noch mehr in Erfahrung bringen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Saller.)

17.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth. (Bundesrat Stadler: Na Gott sei Dank!)

 


17.46.15

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Füller, an Ihren Ausführungen zeigt sich, dass die Welt nicht immer schwarz/weiß ist. Die Euro­fighter sind aus der Sicht der SPÖ zwar grauslich, aber andererseits ist es doch ganz gut, dass da in der Steiermark arbeitsplatzmäßig ein bisschen etwas weitergegangen ist. Das heißt, die Welt ist von vielen Grauzonen durchwachsen.

Kollege Beer hat in seinen Ausführungen nicht gesagt, wer jetzt stärker ist: er oder er? – Kollege Beer, Sie haben kritisiert, dass jetzt ausgerechnet die FPÖ hier 160 Fra­gen stellt, und gefragt, warum wir das nicht schon vor einigen Jahren gemacht haben, gleichzeitig haben Sie aber sehr wohl auch gesagt, dass Sie all diese Fragen richtig finden und dass das alles natürlich aufklärungsbedürftig ist.

Einige von Ihnen haben heute hier nicht nur ein sehr selektives Wahrnehmungs-, son­dern auch ein sehr selektives Hörvermögen gehabt. Kurz gesagt, jeder hat das gehört, was er hören wollte.

Kindesweglegung – wir haben nie verschwiegen, dass der Finanzminister ein Freiheitli­cher war, wir haben nie verschwiegen, dass der Landesverteidigungsminister ein Frei­heitlicher war. Diese Entscheidung ist damals von ihnen getroffen worden. Es hat ja auch Stimmen gegeben, dass es der Eurofighter sein sollte, es hat einige gegeben, die gesagt haben, in einer europäischen Zusammenarbeit ist es vielleicht gescheit, ein kompatibles Flugzeug zu nehmen, ein anderer Teil der FPÖ hat das genau so nicht gesehen, was ja letztendlich, wie Sie alle wissen, 2002 zu einem veritablen Streit in­nerhalb der FPÖ geführt hat, weil jene Gruppe, die dann bei der FPÖ geblieben ist – unter dem heutigen Bundesobmann Heinz-Christian Strache –, das eben nicht so ge­sehen hat wie Vizekanzlerin, Finanzminister und Landesverteidigungsminister.

Sie alle kennen Knittelfeld, das ist Ihnen ein Begriff, wo dann wirklich die Bombe ge­platzt ist, es zum Rücktritt der Vizekanzlerin, des Finanzministers und des Klubob­mannes gekommen ist. Die restlichen FPÖler haben sich dann so durchgewurstelt.

Der Finanzminister hat übrigens bei den darauf folgenden Neuwahlen auf der ÖVP-Liste – Kollege Perhab, nur um das in das Gedächtnis zu rufen – kandidiert, war dann also kein Freiheitlicher mehr, und der Rest ist 2005 zum BZÖ gegangen, weil der Streit ja weitergeschwelt ist, der war ja mit Knittelfeld beileibe nicht zu Ende.

Lassen wir die Kirche also im Dorf, bleiben wir ein wenig mehr bei der Wahrheit (Bun­desrat Beer: Nein, nein, also !), als Sie das gerne zu tun pflegen. (Beifall bei der FPÖ.) Sie werfen uns zwar gerne das Wechseln politischen Kleingeldes vor (Bundesrat Beer: Ordnungsruf!), Sie wechseln aber dann gleich die großen Scheine, denn mit Kleingeld geben Sie sich ohnehin nicht ab.

Das war also die Geschichte auch der FPÖ.

Kollege Dönmez, als neutrales Land – du solltest das eigentlich wissen, du bist ein ver­eidigter Mandatar (Bundesrat Beer: Die sagt, ich lüge, und kriegt keinen Ordnungs­ruf!) – ist man verpflichtet, seinen Luftraum zu überwachen. Und ich gebe weiter zu be-


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denken, es fände hier die eine oder andere Konferenz nicht statt, könnten wir nicht da­für garantieren, dass der Luftraum überwacht wird.

Auch aus meiner Sicht stellt sich die Frage: Musste es der Eurofighter sein? – Ich wäre ja eher für den Gripen gewesen, das habe ich auch immer gesagt, der wäre billiger ge­wesen. Nach meinem Dafürhalten wäre es gescheiter gewesen.

Weil es da eben so viele Ungereimtheiten gegeben hat, sind diese 160 Fragen heute berechtigt. Natürlich ist es berechtigt, als heutige FPÖ zu fragen: Was war damals? Wie ist es weitergegangen? Welche Geschäfte hat es gegeben – welche tatsächlich, welche nur vermeintlich? Aber man sollte nicht so tun, als brauche man überhaupt keine Flieger. Rechnen Sie bitte nicht immer das Bauen von Kindergärten, das Ein­stellen von LehrerInnen und so weiter dagegen auf! (Bundesrat Dönmez: Das ist eine Frage der politischen Werte!)

Wenn wir das machen, seid ihr die Ersten, die sagen: Bitte nicht aufrechnen! – Also haltet euch doch bitte einmal an die von euch selbst ausgegebene politische Korrekt­heit und versucht, sie nicht immer nur von den anderen zu fordern.

Ganz zum Schluss (Bundesrat Mag. Klug: Ganz zum Schluss!): Herr Minister! Ich glaube Ihnen gerne oder möchte Ihnen ja gerne glauben, dass immer alles korrekt ab­läuft, dass jeder nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet und so korrekt wie möglich, aber wenn dem immer so wäre, hätten wir noch nie einen Untersuchungsaus­schuss gebraucht (Bundesrat Mag. Klug: Passt schon!), weder bei der Banken-Ge­schichte – der wurde rechtzeitig abgedreht, als die brisanten Fakten ans Tageslicht hätten kommen sollen – noch zur Telekom, noch – beim letzten Untersuchungsaus­schuss – zur Inseratenaffäre des Bundeskanzlers, des Umweltministers, et cetera,
et cetera. (Bundesrat Mag. Klug: Welcher Affäre?) Wenn alles immer korrekt liefe, wäre das alles nicht nötig. Oder auch die BAWAG betreffend im Zuge der Bankenaf­färe. Nur damit ihr das nicht immer vergesst! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesra­tes Mag. Klug.)

Daher ist es immer gerechtfertigt, an der Korrektheit zu zweifeln. Es freut uns, wenn sich dann das Gegenteil herausstellt, nämlich dass es doch korrekt gelaufen ist, aber es ist Aufgabe und Pflicht der Opposition, hier nachzufragen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Abermals liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

17.52.16Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2931/J-BR/2012 bis 2934/J-BR/2012, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, 20. Dezember 2012, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.


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Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 18. Dezember 2012, ab 14 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.52.42Schluss der Sitzung: 17.53 Uhr

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