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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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824. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 5. Dezember 2013

 

 


Stenographisches Protokoll

824. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 5. Dezember 2013: 9.03 – 16.38 Uhr

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Ergänzte Tagesordnung

 

Ergänzung und Neureihung der Tagesordnung ............................................................. 40

 

1. Punkt: 36. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2012)

2. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er­halt des Salzburg Airport (194/A(E)-BR/2013)

3. Punkt: Zehnter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

4. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Bericht 2013)

5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirt­schaft im Jahre 2014 gemäß § 9 LWG 1992

6. Punkt: Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2011–2012)

7. Punkt: Wahl von Ausschüssen

8. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

9. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2014

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Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens von Herrn Kommerzialrat Peter Mitterer                             6


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 2

Entschließung des Bundespräsidenten betreffend Festsetzung der von den Län­dern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder ................................................................................................... 6

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Dr. Herbert Madejski sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ............... 7

Schreiben des Präsidenten des Landtages von Niederösterreich betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Christian Hafenecker sowie Wahl eines Mitglie­des und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 13

Schreiben des Präsidenten des Landtages Steiermark betreffend Mandatsver­zicht des Bundesrates Klaus Konrad ........................................................................................................................... 18

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Dr. Angelika Winzig sowie Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat              ............................................................................................................................... 20

Angelobung der Bundesräte Brigitte Bierbauer-Hartinger, Mag. Klaus Fürlin­ger, Werner Herbert, Hans-Jörg Jenewein und Peter Oberlehner ........................................................................ 25

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Vorschlag für Nominierung eines stell­vertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                    27

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Re­publik über den Dreiländergrenzpunkt Thaya-March durch den Herrn Bundesprä­sidenten ............ 30

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Kirgisischen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen durch den Herrn Bundespräsidenten ..................................... 33

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die grenzüber­schreitende Zusammenarbeit bei medizinischen Rettungseinsätzen durch den Herrn Bundespräsidenten                   36

Antrag der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständi­gen Entschließungsantrag 194/A(E)-BR/2013 betreffend Erhalt des Salzburg Airport gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ..................................................................  40, 40

9. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2014 ............................................................................................................ 125

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 39


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 3

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 25

7. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................... 124

8. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsa­men Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948 .............................................. 124

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Finanzen betreffend UniCredit Bank Austria, Abgabenhinterziehung (2958/J-BR/2013) ............ 127

Begründung: Hans-Jörg Jenewein ............................................................................ 127

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 134

Debatte:

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 137

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 140

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 142

Marco Schreuder ........................................................................................................ 145

Hans-Jörg Jenewein (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 148

Verhandlungen

1. Punkt: 36. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2012) (III-495-BR/2013 d.B. sowie 9121/BR d.B.) ................................................................................................................. 41

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ......................................................................... 41

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ........................................................................................................ 41

Edgar Mayer .................................................................................................................. 44

Werner Herbert ............................................................................................................. 46

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 48

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter ............................................................................... 50

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer .......................................................................... 52

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ............................................................................ 54

Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der Kontrollrechte der Volksanwaltschaft – Ablehnung ......  48, 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-495-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 56

2. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt des Salzburg Airport (194/A(E)-BR/2013) ........................................................................................................................ 57

Redner/Rednerinnen:

Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 57

Josef Saller ................................................................................................................... 59

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 59

Dr. Dietmar Schmittner ............................................................................................... 60

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 61

Stefan Schennach ........................................................................................................ 62

Annahme des Entschließungsantrages 194/A(E)-BR/2013 (239/E-BR/2013) ............ 63


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 4

3. Punkt: Zehnter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-498-BR/2013 d.B. sowie 9125/BR d.B.) ...................................... 63

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 63

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dietmar Schmittner ........................................................................................  64, 81

Friedrich Reisinger ...................................................................................................... 65

Mag. Josef Taucher ...................................................................................................... 67

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 70

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 71

Günther Novak ............................................................................................................. 74

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..................................................... 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-498-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 81

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirt­schaft (Grüner Bericht 2013) (III-503-BR/2013 d.B. sowie 9122/BR d.B.) ........................................................................ 81

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ........................................................................... 82

5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2014 gemäß § 9 LWG 1992 (III-504-BR/2013 d.B. sowie 9123/BR d.B.) ............................... 82

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ........................................................................... 82

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 82

Martin Preineder ........................................................................................................... 86

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 89

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 91

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 94

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 96

Michael Lampel ............................................................................................................ 98

Walter Temmel ............................................................................................................. 99

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 100

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-503-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-504-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 108

6. Punkt: Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteili­gungen von Frauen (Berichtszeitraum 2011–2012) (III-501-BR/2013 d.B. sowie 9124/BR d.B.) ............... 108

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 108

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 109

Ana Blatnik .................................................................................................................. 111

Anneliese Junker ........................................................................................................ 113

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 115


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 5

Mag. Gerald Zelina ..................................................................................................... 117

Rene Pfister ................................................................................................................ 117

Marco Schreuder ........................................................................................................ 119

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek .......................................................... 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-501-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 124

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt des Salzburg Airport (194/A(E)-BR/2013)

Anfrage der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend UniCredit Bank Austria, Abgabenhinterziehung (2958/J-BR/2013)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bedienstete bei Gericht (2729/AB-BR/2013 zu 2947/J-BR/2013)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtspfleger (2730/AB-BR/2013 zu 2948/J-BR/2013)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Knei­fel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Unfallprävention (2731/AB-BR/2013 zu 2951/J-BR/2013)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesrä­te Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend schwere Gewalttaten durch vorbestrafte Angestellte von Bewachungsunternehmen (2732/AB-BR/2013 zu 2955/J-BR/2013)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertretung angefochtener Bundesgesetze vor dem Verfas­sungsgerichtshof (2733/AB-BR/2013 zu 2954/J-BR/2013)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Justiz und homophobe Gewalt (2734/AB-BR/2013 zu 2952/J-BR/2013)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertretung angefochtener Bundesgesetze vor dem Verfassungsgerichtshof (2735/AB-BR/2013 zu 2953/J-BR/2013)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Herbert Madej­ski, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rauschgifthandel von Asylwerbern (2736/AB-BR/2013 zu 2956/J-BR/2013)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Zahlen und Daten (2737/AB-BR/2013 zu 2957/J-BR/2013)


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 6

09.02.53Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Reinhard Todt: Ich eröffne die 824. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 823. Sitzung des Bundesrates vom 18. Juli 2013 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

09.03.17Trauerkundgebung

 


Präsident Reinhard Todt: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch immer ste­hen wir tief betroffen unter dem Eindruck der Nachricht, dass der ehemalige Präsident des Bundesrates Peter Mitterer verstorben ist.

Der Bundesrat verliert mit Herrn Kommerzialrat Peter Mitterer einen über alle Frak­tionsgrenzen hinweg äußerst geachteten und verdienstvollen Parlamentarier, der sich als überzeugter Föderalist stets mit vollem Engagement für die Belange der Länder­kammer und für sein Bundesland Kärnten in vorbildlicher Weise eingesetzt hat. Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gilt in dieser Stunde vor allem seiner Familie. Der österreichische Bundesrat gedenkt seiner.

Ich darf Sie ersuchen, sich zum Gedenken an Herrn Bundesrat Peter Mitterer von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.)

Ich danke für das Zeichen Ihrer Trauer. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

*****

Ich gebe bekannt, dass der Bundespräsident mit Entschließung vom 8. August 2013, die mit 13. August in Kraft getreten ist, die Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder festgesetzt hat.

Oberösterreich entsendet statt bisher 11 nur noch 10 Mitglieder, weshalb sich die Zahl der Mitglieder des Bundesrates von 62 auf 61 verringert hat.

09.04.55Einlauf

 


Präsident Reinhard Todt: Eingelangt sind die Schreiben des Wiener, des Niederös­terreichischen, des Steiermärkischen und des Oberösterreichischen Landtages betref­fend Mandatsverzichte sowie Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundes­rates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzichte sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes:


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 7


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 8


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 9


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 13

Schreiben des Präsidenten des Landtages von Niederösterreich betreffend Mandats­verzichte sowie Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes:


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 16


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 17

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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 18

Schreiben des Präsidenten des Landtages Steiermark betreffend Mandatsverzicht:


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 20

Schreiben des Präsidenten des Landtages von Oberösterreich betreffend Mandats­verzichte sowie Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes:


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 22


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 24

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09.05.27Angelobung

 


Präsident Reinhard Todt: Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause an­wesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.05.48

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

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Über Namensaufruf durch den Schriftführer Josef Saller leisten die Bundesräte Brigitte Bierbauer-Hartinger (SPÖ, Steiermark), Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich), Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich), Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien) und Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsident Reinhard Todt: Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen. Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Bei­fall. – Die neu angelobten Mitglieder des Bundesrates werden zahlreich von ihren Kol­leginnen und Kollegen beglückwünscht.)

09.08.44Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Reinhard Todt: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2729/AB bis 2737/AB beziehungsweise

jenes Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 BV-G betreffend Frau Landtagspräsidentin Dr. Brigitta Pallauf als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen

und jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend

die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Öster­reich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik über den Dreilän­dergrenzpunkt Thaya-March

sowie die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Kirgisischen Republik über die Förderung und den Schutz von In­vestitionen

und die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Ös­terreich und der Tschechischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenar­beit bei medizinischen Rettungseinsätzen

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingelangt ist.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 26

Hinsichtlich dieses Schreibens verweise ich ebenfalls auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Ste­nographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Vorschlag für eine Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

 


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 28


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 29

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Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

 


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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 32


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 33


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 34


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 35


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 36


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 37


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 38

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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 39

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

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BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 40

Präsident Reinhard Todt: Eingelangt ist ebenso der Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2009, 2010, 2011 und 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrundeliegende Verfahren beendet wurde, der dem Justizausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Darüber hinaus ist auch der Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2012) eingelangt, der dem Ausschuss für innere Angele­genheiten zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

09.11.20Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Reinhard Todt: Ich gebe bekannt, dass die Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Entschließungsan­trag 194/A(E)-BR/2013 betreffend Erhalt des Salzburg Airport eingebracht haben.

Weiters wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates den gegenständlichen Entschließungs­antrag ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu neh­men, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zustimmen, um ein Handzei­chen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, den gegenständlichen Entschließungsantrag ohne Vorberatung durch ei­nen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich ergänze daher die Tagesordnung um den Entschließungsantrag 194/A(E)-BR/2013 als 2. Tagesordnungspunkt. Die ursprünglichen Tagesordnungspunkte 2 bis 8 erhalten die Bezeichnung 3 bis 9.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen Entschließungsantrag 194/A(E)-BR/2013 der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gott­fried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Reinhard Todt: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsich­tige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5 unter einem durchzufüh­ren.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 41

09.14.13Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Reinhard Todt: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend UniCredit Bank Austria, Abgabenhinterziehung an die Frau Bundesministerin für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

09.14.481. Punkt

36. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2012) (III-495-BR/2013 d.B. sowie 9121/BR d.B.)

 


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Bitte um den Bericht.

 


9.15.01

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Werte Damen und Herren des Bundesrates!

Der Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den 36. Be­richt der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2012) liegt Ihnen in schriftli­cher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 3. Dezember 2013 in Verhandlung genommen. Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Dezem­ber 2013 den Antrag, den 36. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezem­ber 2012) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Reinhard Todt: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


9.16.34

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Liebe Kollegen und Kol­leginnen! Einmal mehr ist das, was die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht an Natio­nalrat und Bundesrat vorlegt, in jeglicher Hinsicht ein eindrucksvolles Dokument – ein­drucksvoll wie auch nachdenklich stimmend.

Nachdenklich stimmend deswegen, da wir sehen, wie viele Bürger und Bürgerinnen sich an die Volksanwaltschaft wenden. Da ist jedes Mal ein Schicksal dahinter, und meistens ist nicht nur eine Person, sondern vielleicht eine ganze Familie betroffen.

Eindrucksvoll deswegen, da der Umbau der Volksanwaltschaft auch eindrucksvoll ge­lungen ist, nämlich mit einer unglaublichen Erweiterung der Aufgabengebiete im prä­ventiven Bereich. Die Volksanwaltschaft kann jetzt zu Recht den Titel führen, das Men­schenrechtshaus der Republik Österreich zu sein.

Auf 234 Seiten legt die Volksanwaltschaft ihren Bericht über das Jahr 2012 vor, des­halb möchte ich von dieser Stelle aus nicht nur der anwesenden Volksanwältin und den anwesenden Volksanwälten danken, sondern auch jenen VolksanwältInnen, die 2012


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 42

tätig waren, nämlich Peter Kostelka und Terezija Stoisits, von deren Tätigkeit dieser Bericht ebenfalls handelt.

Präventive Kontrolle, die 2012 durch die Bildung des Menschenrechtsbeirates und sei­ner Kommissionen erfolgt ist, bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderung ge­schützt werden, die Gefahr laufen, einer Misshandlung, einer unmenschlichen Behand­lung oder freiheitsentziehender Maßnahmen anheimzufallen. Und sie sind in diesen Si­tuationen vielfach wehrlos.

4 000 solcher öffentlicher und privater Einrichtungen haben wir in Österreich. Und durch diese präventive Kontrolle der Volksanwaltschaft – ich sage das hier auch ganz offen und deutlich – wird es hoffentlich so eine Schande, wie sie auf der Saualpe der Fall war, wo eine Landesregierung bestimmt hat, was Menschenrechte oder men­schenwürdiges Behandeln von Menschen sind, nie, nie wieder geben!

Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Thema Saualpe spricht deutliche und er­schreckende Worte. Und wir sollten niemals vergessen, was dort geschehen ist!

Das neue Aufgabengebiet bedeutet für die Volksanwaltschaft aber auch Kontakt mit neuen Netzwerken, bedeutet für die Volksanwaltschaft Kontakt mit neuen Gruppen, wie zum Beispiel aus den Bereichen Pflege, Psychologie und Medizin. Präventive und nachprüfende Kontrolle sowie die Prüfungen aufgrund des Grundrechtekatalogs stellen damit nun ein umfangreiches Aufgabengebiet dar.

Im internationalen Kontext interessant ist, dass die Volksanwaltschaft jetzt nicht nur gegenüber uns und dem Nationalrat rechenschaftspflichtig ist, sondern unter anderem auch gegenüber dem Unterausschuss zur Verhütung von Folter der UN. Es ist für die Volksanwaltschaft, für die Volksanwältin, für die Volksanwälte nichts Neues, auf der Seite der Menschenrechte zu stehen. Das haben sie, seit es die Volksanwaltschaft gibt, eindrucksvoll bewiesen. Die präventive Kontrolle ist eine neue Dimension – ich streiche das deswegen heute bei der Rückschau auf das Jahr 2012 so hervor, weil die­se Grundstruktur 2012 angelaufen ist.

Kommen wir zu dem, wofür wir die Volksanwaltschaft in den letzten Jahren kennen- und schätzen gelernt haben, zur Prüfung von Missständen in der Verwaltung: 5 649 Be­schwerden im Jahre 2012. Mehr als 15 000 Mal, fast 16 000 Mal haben sich Menschen mündlich, schriftlich, telefonisch oder in Sprechstunden an die Volksanwälte gewandt, meistens verzweifelt. Das sind – ich bitte Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das einmal umzurechnen – 63 Beschwerden pro Tag! 63 Beschwerden pro Tag, denen nachgegangen werden muss. Nicht jede Beschwerde hat einen Gehalt, nicht für jede Beschwerde hat die Volksanwaltschaft auch einen Prüfauftrag.

Schauen wir uns an, welche Bereiche die Beschwerden betreffen. Ungefähr 4 500 Be­schwerden betreffen die Bundesverwaltung, 2 500 die Landesverwaltung. Aber es gab auch fast 4 000 Beschwerden, die außerhalb des Prüfauftrages lagen. Und da sagt die Volksanwaltschaft nicht: Wir sind ein Amt, das geht uns nichts an!, sondern auch diese Fälle schauen sich die Volksanwälte an und erteilen auch einen Ratschlag, sagen, dass etwas woanders besser aufgehoben sein könnte. Sie sagen, dass sie in diesen Fällen nichts machen können, geben aber eine Art Rechtsberatung.

Fast 16 000 Beschwerden wurden also an die Volksanwaltschaft herangetragen, und wir wissen, dass in anderen Bereichen der Verwaltung ein großer Rückstau bei der Be­arbeitung gegeben ist, daher muss man sagen: Im Jahre 2012 wurden 10 000 Prü­fungsfälle abgeschlossen! Das verdient ja fast noch größere Bewunderung als die Zahl der Vorbringen insgesamt.

Schauen wir uns jetzt noch genauer an – wir als gesetzgebende Versammlung sollten das nie übersehen! –, aus welchen Bereichen die Beschwerden kommen. Insgesamt


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50 Prozent der Fälle betreffen die Bereiche Soziales und Inneres. Das zeigt uns einmal mehr, welche Schicksale und Verzweiflung hinter diesen Beschwerden und Fällen ste­hen.

Es gab 2 300 Sprechtage – gerade in der Länderkammer möchte ich darauf hinweisen, dass die Volksanwältin und die Volksanwälte nicht nur in Wien sitzen, sondern auch in die Bezirke, Städte und Kommunen reisen. Es gab 1 100 persönliche Gespräche, wo­bei es sich nicht um Fünf-Minuten-Gespräche handelt.

Wichtig ist – wie immer – Antidiskriminierung. Und da ist jetzt wieder der Gesetzgeber gefragt: Wir müssen die Gesetze dahingehend überprüfen, dass Antidiskriminierungs­maßnahmen in den unterschiedlichen Gesetzen, aber auch auf Bundes- und auf Lan­desebene nicht unterschiedlich gehandhabt werden, denn andernfalls könnte es sein, dass ein starker Antidiskriminierungsschutz aufgrund einerseits unseres föderativen Aufbaus, andererseits des nicht kommunikativen Aufbaus eigentlich unmöglich ist.

In welchen Bereichen gibt es diese Missstände betreffend Antidiskriminierung? – In den Bereichen Pflegegeld, Barrierefreiheit, persönliche Assistenz, Behinderteneinstel­lung, Mindestschadenersatz, Benachteiligung ausländischer Familien bei Leistungen aus der Familienhilfe und im Bereich Pflegestufeneinschätzung, das kommt auch im­mer wieder vor.

Weiters geht es um Beschwerden betreffend die umstrittene Rentenbesteuerung, hin­sichtlich der Sachwalterschaft, betreffend den Maßnahmenvollzug – es werden gegen­über Personen Maßnahmen als Strafe ausgesprochen, nämlich als positive Umsetzung von Strafe, aber die Maßnahmen kommen dann nicht, das heißt, die Therapie fehlt – und nach wie vor den ineffizienten Rechtsschutz bei überlangen Verfahren beim Asyl­gerichtshof. Ich möchte das heute hier gar nicht weiter ausführen, aber die ganze Art und Weise, wie wir mit Fremden umgehen, ist nach wie vor schrecklich. Es gibt immer wieder Probleme mit überlangen Verfahren, mit verzögerten Asylverfahren. Ich wün­sche Ihnen viel Spaß für den Fall, dass Sie das einmal versuchen müssen. Selbst für Leute, die schon acht Jahre hier sind, die arbeiten, einen Aufenthaltstitel haben, ist das mühsam, und das in einem mobilen Europa, in einer offenen, menschenrechtsorientier­ten Demokratie.

Ebenso geht es um die immer wieder diskutierten Hürden zur Erlangung der Staatsbür­gerschaft. Aber ich habe gehört, dass zum Beispiel Deutschland jetzt diesbezüglich ei­nen Quantensprung schafft.

Viele von Ihnen haben heute wahrscheinlich das „Morgenjournal“ gehört – das ist im­mer wichtig, um gut informiert zu sein. Es war zu vernehmen, dass die überraschenden Besuche der Volksanwaltschaft und ihrer Kommissionen in Polizeianhaltezentren, Poli­zeiinspektionen, Justizanstalten, Alten- und Pflegeheimen, Psychiatrischen Anstalten, aber auch die Beobachtung von Abschiebungen bereits Früchte tragen. Es arbeiten da sechs Kommissionen, wenn ich das richtig im Kopf habe, und es zeigt sich, dass wir in verschiedenen Bereichen Mängel haben, nämlich Mängel bei der medizinischen Versorgung in den Justizanstalten, Mängel bei polizeilichen Einrichtungen, nach wie vor Mängel, obwohl wir das immer wieder öffentlich diskutieren, bei Abschiebungen. Da besteht dringender Handlungsbedarf!

Trotz jahrelanger Debatte über das Schicksal von Heimkindern gibt es nach wie vor Mängel im Bereich der Unterbringung von Minderjährigen. Es gibt aber auch mangeln­de Barrierefreiheit. Wir haben gerade das Jahrzehnt der Behinderten hinter uns, und nach wie vor haben wir mangelhafte Menschenrechtsstandards im Bereich der Psy­chiatrie.

Abschließend noch einmal – auch an die neuen Volksanwälte –: Im Bundesrat finden Sie in Ihrer Tätigkeit auf jeden Fall einen Partner, denn die Bundesräte setzen sich mit


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der Volksanwaltschaft ganz besonders intensiv und in ganz besonders positiver Weise auseinander.

Ich möchte jetzt noch einen ganz speziellen Dank an Frau Volksanwältin Gertrude Bri­nek richten, denn Frau Gertrude Brinek hat etwas getan, was wir hier im Bundesrat schon länger diskutieren: Gertrude Brinek hat jetzt ein Buch über Kinderrechte veröf­fentlicht. Über Kinderrechte wird europaweit diskutiert. Es gibt ja in Europa eine Kin­derrechtsbeauftragte. Und die verschiedenen Parlamente werden zum Beispiel von der Kinderrechtsbeauftragten in Europa, vom Europarat aufgefordert, einen eigenen Aus­schuss für Kinderrechte einzurichten, denn Kinder haben vom Beginn des Lebens an losgelöst von der Familie ihre eigenen Rechte.

Frau Brinek hat nun mit „Junge Menschen und ihre Rechte“ ein Buch über Kinder­rechte vorgelegt. Vielleicht hilft uns dieses Buch auf dem Weg hin zu der Entschei­dung, dass Österreich, auch der österreichische Bundesrat, nach Deutschland, nach Italien einen Quantensprung in der Betrachtung von Kindern und deren Rechten schafft und einen eigenen Kinderrechteausschuss installiert, wie das zum Beispiel in Italien und in Deutschland bereits der Fall ist. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

9.29


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


9.30.09

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Volks­anwältin! Geschätzte Volksanwälte! Ich freue mich auch über die Vollversammlung der VolksanwältInnen. Wir sind jetzt sozusagen beschlussfähig. Es ist für uns Bundesrätin­nen und Bundesräte eine besondere Ehre, dass Sie heute – so wie immer, muss man sagen – vollzählig bei uns sind und uns in dieser wichtigen Debatte unterstützen.

Professor Schennach, mein Vorredner, hat ja schon darauf hingewiesen, dass die Volksanwaltschaft mit ihren Aufgabenstellungen sozusagen als Anlaufstelle, manchmal auch als letzte Möglichkeit besteht, um sich bei einem Versagen der Gesetzgebung Gehör zu verschaffen. Sie ist daher eine nicht mehr wegzudenkende Einrichtung in un­serem Staatsgefüge.

Kollege Schennach hat auch schon ausgeführt, dass sich im Jahr 2012 15 600 Men­schen mit ihren Anliegen an die Volksanwaltschaft gewandt haben. Das bedeutet, dass die Volksanwaltschaft im Schnitt mit 63 Beschwerden pro Arbeitstag kontaktiert wurde. Er hat von nachdenklich gesprochen – ja, es macht nachdenklich, aber eigentlich ist das unglaublich, wenn man bedenkt, welch hoch entwickeltes Rechtssystem Öster­reich hat.

Wenn Professor Schennach redet, ist vieles gesagt, aber nicht alles, deshalb kann ich es mir ersparen, den Rest der Statistik zu bringen. Danke, Herr Professor, für die wirk­lich umfassenden Ausführungen.

Seit Juli 2012 ist ja auf Grundlage des OPCAT-Durchführungsgesetzes der Volksan­waltschaft auch die Aufgabe übertragen, den präventiven Menschenrechtsschutz in Österreich auf eine neue, breite Basis zu stellen. Die Prüfkompetenz wurde mit diesem Zeitpunkt auch auf öffentliche und private Einrichtungen ausgeweitet, in denen es zu Freiheitsbeschränkungen kommen kann oder kommt. Dieser Prüfauftrag bedeutet, dass insgesamt mehr als 4 000 öffentliche und private Einrichtungen zu kontrollieren sind. Und in diesen paar Monaten, also in den letzten sechs Monaten des Jahres 2012, haben sich schon 133 Geschäftsfälle aus diesem Auftrag ergeben.


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Auch die Implementierung des Menschenrechtsbeirates zum Zwecke der Überprüfung des Verhaltens in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch dazu er­mächtigte Organe möchte ich hier besonders hervorheben.

Es sei mir auch gestattet, als Mensch, der in der Alten- und Behindertenarbeit ehren­amtlich tätig ist, ein Beispiel aus diesem hervorragenden Bericht herauszugreifen, bei dem es um Diskriminierung durch nicht-barrierefreie Eignungstests geht.

Wir nennen den Bewerber Herrn Mag. M.; bei Herrn Mag. M. wurde eine spastische Diplegie seit Geburt festgestellt und außerdem ist er sehbehindert. Herr Mag. M. hat sich im Sozialministerium um eine Verwaltungspraktikumsstelle beworben, die aus­drücklich auch für begünstigte Behinderte ausgeschrieben war. Er wurde zum Eig­nungstest eingeladen, das Testergebnis konnte aber seine Kenntnisse und Fähigkeiten nicht widerspiegeln, weil der Test nicht barrierefrei war. Es wurde dann ausgeführt, dass er in seinen Bewerbungsunterlagen seine Sehbehinderung nicht angegeben hat – in derartigen Fällen werde der Eignungstest selbstredend nicht verwendet. Es sei da­her auch klar, dass das negative Testergebnis im weiteren Auswahlverfahren nicht be­rücksichtigt wurde.

Auch wenn der konkrete Fall gelöst wurde, nämlich dank des Einsatzes der Volksan­waltschaft, stellt sich die grundsätzliche Frage, wieso nicht-barrierefreie Eignungstests im öffentlichen Dienst – auch außerhalb natürlich – Verwendung finden, denn die UN-Behindertenrechtskonvention verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderun­gen, insbesondere auch bei der Bewerbung um eine Stelle.

Das Bundesministerium sieht den Schutz vor Diskriminierung verwirklicht. Die Volksan­waltschaft hingegen ist der Ansicht, dass ein wirksamer Diskriminierungsschutz bei Testverfahren nicht über Ausnahmeregelungen gesichert werden kann. Und: Nur bar­rierefreie Testverfahren stellen also auch sicher, dass mit der persönlichen Eignung nicht im Zusammenhang stehende Funktionen ausgeblendet werden. Menschen mit Behinderungen würden dadurch, wie ja alle anderen auch, im Bewusstsein gestärkt, in Bewerbungsunterlagen ausschließlich jene Umstände bekanntzugeben, die sie im Sin­ne des Anforderungsprofils für eine ausgeschriebene Stelle befähigen. – Zitatende.

Das kann man nur unterstreichen und bekräftigen. Und dieses Beispiel zeigt auch den Einsatz der Volksanwaltschaft für behinderte Menschen in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Da hat sich sehr viel getan, auch dank eures hervorragenden Einsatzes, Frau Volksanwältin und die Herren Volksanwälte. Und das hat einen spontanen allge­meinen Applaus verdient! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesräte Herbert und Mag. Zelina.)

In diesem Spannungsfeld ist für mich auch der neue Arbeitsauftrag der Volksanwalt­schaft zu sehen. Er spannt nunmehr einen Bogen von der präventiven bis zur nach­träglichen Kontrolle der Wahrung der Menschenrechte und der Rechte von Menschen mit Behinderungen, und das ist mir besonders wichtig. Damit werden die Möglichkeiten für den Schutz der Menschenrechte also deutlich erhöht.

Kollege Schennach hat schon gesagt, mehr als 230 Seiten geben Zeugnis über diese hervorragende Arbeit der Volksanwaltschaft.

Ich darf mich auch namens meiner Fraktion sehr herzlich bedanken, bei den ausge­schiedenen Volksanwälten Terezija Stoisits und Peter Kostelka, die uns auch immer wieder gerne und, das wurde schon hervorgehoben, partnerschaftlich im Bundesrat, in den Ausschüssen, früher im Verfassungsausschuss und jetzt im Ausschuss für Bürge­rInnenrechte und Petitionen, berichtet haben und uns partnerschaftlich sozusagen Re­de und Antwort gestanden sind.

Ich bedanke mich für den Besuch der Frau Volksanwältin und der Herren Volksanwälte und wünsche auch den neuen Volksanwälten alles Gute und viel Erfolg. Meinem Fuß-


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ballkollegen Günther Kräuter kann ich sagen: Immer den Ball flach halten und für die Menschen in Österreich kämpfen!

Danke für die ausgezeichneten Leistungen im Bürgerservice und die vielen Hilfestel­lungen zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger! Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

9.36


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


9.37.00

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Dame und meine Herren von der Volksanwaltschaft! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch von meiner Fraktion Dank und Anerkennung – nicht nur für diesen einmal mehr ausge­zeichnet formulierten und inhaltlich sehr interessanten Bericht, sondern auch für die gute Zusammenarbeit, die Sie seit Jahren hier im Hohen Haus mit beiden Kammern pflegen.

Die Volksanwaltschaft ist ja – da darf ich an die Ausführungen meiner Vorredner an­schließen – nicht nur eine wichtige Institution, die das Parlament, Nationalrat wie auch Bundesrat, unterstützt, sondern sie genießt auch in der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert. Das sieht man nicht nur an der großen Zahl der Anbringen, die immer wieder an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, sondern auch an der Präsenz in den Medien, Stichwort Fernsehen. Damit ist ein neuer medialer Zugang geschaffen worden, der die Arbeit der Volksanwaltschaft nicht nur der Bevölkerung näherbringt, sondern auch aufwertet, was natürlich auch neue Arbeit bringt.

Diese Art der Darstellung, die richtig ist, wird die Volksanwaltschaft wohl weiterhin mit Arbeit versorgen, zeigt aber auch die Wichtigkeit dieser Institution, der wir auch wei­terhin unsere volle Unterstützung geben müssen.

Eine wichtige Ergänzung der Arbeitsbereiche der Volksanwaltschaft stellt die Tätigkeit im Bereich OPCAT dar. OPCAT ist insofern wichtig, als es nicht nur aufgrund EU-rechtlicher Entscheidungen notwendig wurde, das auch institutionell zu regeln. Es ist auch darum gegangen, den Menschenrechtsbeirat vom BMI hin zur Volksanwaltschaft zu geben, mit all den neuen Facetten und neuen Aufgabenstellungen, die damit zu­sammenhängen.

Es ist natürlich oft schwierig – ich als öffentlich Bediensteter, als Polizeibeamter weiß das –, im Spannungsverhältnis zwischen Wahrung der Menschenrechte und behördli­chen Aufträgen und behördlichen Interessen in Form von Verfügungen oder auch Ent­scheidungen richtig zu handeln, sodass man unter dem Strich auch in der öffentlichen Wahrnehmung das Richtige vermittelt.

Angesichts dessen, was bereits begonnen und was bisher geleistet wurde, bin ich da­von überzeugt, dass die Volksanwaltschaft diese Aufgabe auch weiterhin vorzüglich er­füllen wird und dass man sicher sein kann, dass es in diesem Bereich eine wesentliche Ergänzung zu den alten Regelungen bezüglich Menschenrechtsbeirat geben wird.

Vom Kollegen Schennach wurde das Thema Menschenrechte und konkret der Fall Saualm angesprochen. Er hat „Saualpe“ gesagt, aber eigentlich heißt es Saualm. Darauf möchte ich noch einmal fokussieren, weil das so in den Raum geworfen wurde und es mir schon ein Anliegen ist, festzuhalten, dass diese Unterbringungseinrichtung auf der Saualm ursprünglich von einem SPÖ-nahen Verein namens AVS betrieben und dann aufgrund einer Entscheidung der Landeshauptleutekonferenz eben zu diesem Anhaltebereich auserkoren wurde. Und es war schon der ehemalige Landeshaupt­mann Dörfler, der dann aufgrund der Missstände, die dort im hygienischen Bereich auf-


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getreten sind, weil dort Schächtungen vorgenommen wurden und von den Betreibern keine ordnungsgemäße Versorgung der untergebrachten Personen gewährleistet wur­de – Stichwort Warmwasser oder auch andere Punkte im Bereich Hygiene –, die Schließung dieser Saualm vollzogen hat.

Ich möchte das hier klarstellen – nicht dass dann im Raum steht, Saualm ist ein Syno­nym für eine politische Gestaltung von Menschenrechten, wie sie nicht sein soll. Man kann sich da natürlich vieles zusammenreimen, aber die Fakten sprechen eine klare Sprache, nämlich dass seitens der Behörden, namentlich des ehemaligen Landes­hauptmannes Dörfler, keine Verfehlungen begangen wurden. – Es war mir wichtig, das auch hier festzuhalten.

Ich habe es schon erwähnt: Das ist ein umfangreicher und interessanter Bericht, der viele Facetten der Tätigkeit der Volksanwaltschaft widerspiegelt. Ich darf noch ein paar Punkte herausgreifen, nicht nur, weil sie meinem eigentlichen persönlichen Arbeitsbe­reich und auch meinem politischen Tätigkeitsbereich entsprechen, sondern auch, weil sie mir in der einen oder anderen Form besonders aufgefallen sind.

Da darf ich zuerst einmal den Fall mit der Inanspruchnahme fremder Sachen durch die Polizei erwähnen. Das ist meiner Ansicht nach insofern ein besonders positives Bei­spiel – und das habe ich auch im Ausschuss bereits gesagt –, weil es ja genau zu die­sem Thema bereits im Vorfeld einen Antrag von mir gegeben hat, der genau auf die gleiche Problematik und auf denselben Fall abgezielt hat: Bei einer Polizeiamtshand­lung wurden aufgrund einer spontanen Entscheidung private Sachen – in diesem Fall war es ein Feuerlöscher eines nahegelegenen Geschäftes – in Anspruch genommen.

In diesem Fall hat sich anschließend die rechtliche Problematik ergeben, dass der Be­sitzer des Geschäftes aufgrund der nicht vorhandenen rechtlichen Grundlagen den Feuerlöscher nicht mehr ersetzt bekommen hat. Dank der Unterstützung der Volksan­waltschaft, die diesen Vorfall auch in ihren Bericht aufgenommen hat, ist es schließlich gelungen, das auch faktisch in Gesetzesform zu gießen. Zwei Anträge sind vorher im Ausschuss leider immer wieder vertagt worden, aber nichtsdestotrotz, es zeigt, dass es gute Unterstützungen und Synergien gibt, auch politisch die richtigen Entscheidungen voranzutreiben.

Ein weiterer Fall, der besonders ins Auge sticht, ist die ungelöste Frage der Kriegs­relikte – Stichwort Fliegerbomben –, wo es ja seit dem Jahr 2003 bezüglich einer Klage der Stadt Salzburg gegenüber dem Bund hinsichtlich der Übernahme der Bergungs­kosten von Kriegsrelikten einen langen Instanzenzug durch alle behördlichen Ebenen gegeben hat und man schlussendlich wieder zurück an den Start verwiesen wurde, weil es keine rechtliche Grundlage dazu gibt.

Es ist wichtig, das nicht aus den Augen zu verlieren, und es ist auch Aufgabe dieses Hauses, zu schauen, dass man gerade bei den beträchtlichen Kosten, die bei der Ber­gung von Kriegsrelikten, insbesondere von Fliegerbomben entstehen, die Grundstücks­besitzer von privaten Grundstücken nicht alleine lässt, sondern dass man eine klare Regelung schafft, wer zuständig ist und wer auch die Kosten in welchem Ausmaß übernimmt. Das kann meines Erachtens nur der Bund sein.

Ein anderer Fall, der mir aufgefallen ist – Stichwort öffentlicher Dienst –, ist diese Pos­tenbesetzung in einer höheren Schule in Krems. Was dort besonders ins Auge sticht, ist das unkooperative Verhalten des Unterrichtsministeriums gegenüber der Volksan­waltschaft. Wenn man dem Bericht der Volksanwaltschaft entnehmen kann, dass es nicht nur eine klare höchstgerichtliche Entscheidung und eine dementsprechende Vor­gangsweise gegeben hat, sondern dass die Volksanwaltschaft feststellen musste, dass die Unterstützungspflicht ihr gegenüber nicht wahrgenommen wurde, dann frage ich mich schon, ob es hier nicht einen Nachdenkprozess in diesem Ministerium geben


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sollte, denn es kann ja nicht sein, dass es eine Institution gibt, die im Sinne der Bürger auch auf die entsprechenden Behörden zurückgreifen kann, dann aber von einem be­stimmten Ministerium die Kooperation verweigert bekommt.

Ich darf also eine Lanze für die Volksanwaltschaft brechen und generell darum ersu­chen, dass man, welches Ministerium auch immer betroffen ist, die Arbeit der Volksan­waltschaft jedenfalls besser unterstützt. Nicht alle Ministerien verhalten sich so, aber gerade dieser Fall zeigt, dass es da wohl immer wieder Spannungsverhältnisse und Probleme gibt, die wahrscheinlich in diesem Fall der Bestellung der Kremser Schullei­terin in einem besonders eklatanten Ausmaß zum Ausdruck gekommen sind.

Es gäbe noch viele Fälle zu besprechen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist noch der Um­stand, dass es, wie ja auch im Ausschuss erwähnt wurde, keine Überprüfungsmöglich­keit von ehemals staatlichen, nunmehr ausgelagerten Gesellschaften und Institutionen gibt. Dazu gab es bereits viele Initiativen, auch von meiner Fraktion im Nationalrat.

Da diese aber bis dato alle fruchtlos geblieben sind, weil entweder dagegen gestimmt oder vertagt wurde, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Herbert, Dönmez, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der Kontrollrechte der Volksanwaltschaft

eingebracht im Zuge der Debatte über den 36. Bericht der Volksanwaltschaft (III-495-BR/2013 d.B.)

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat den Entwurf eines Bundes­verfassungsgesetzes zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft vorzulegen, der
die Erweiterung der Kontrollzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger analog der Zuständigkeit des Rechnungshofes vorsieht.“

*****

Ich denke, das ist eine sinnvolle Anregung, eine wichtige Erweiterung für die Tätigkeit der Volksanwaltschaft, und ich darf Sie daher einladen, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. Danke schön. (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

9.47


Präsident Reinhard Todt: Der von den Bundesräten Herbert, Dönmez, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Ausweitung der Kontroll­rechte der Volksanwaltschaft ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Nächster Redner: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


9.48.04

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Volks­anwältin Brinek! Sehr geehrter Herr Volksanwalt Kräuter! Sehr geehrter Herr Volksan­walt Fichtenbauer! Hohes Präsidium! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu­seherInnen zu Hause!

Als Letztredner ist es immer schwierig, neue Aspekte in die Debatte einzubringen. Mei­ne Vorredner haben schon sehr vieles gesagt. Ich möchte das nicht wiederholen und noch einmal unterstreichen, was ich aber in aller Kürze schon tun möchte, ist, den


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Volksanwälten und ihren MitarbeiterInnen, die wirklich wertvolle Arbeit leisten, meinen herzlichen Dank auszusprechen. Ich möchte mich aber auch bei den ausgeschiedenen Volksanwälten Terezija Stoisits und Peter Kostelka für die wertvolle Arbeit, die sie ge­leistet haben, bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Heute im „Morgenjournal“ auf Ö1 war Herr Volksanwalt Günther Kräuter zu hören. Er hat in einem sehr interessanten Beitrag die Arbeit der Volksanwaltschaft dargelegt. – Ich kann jedem empfehlen, den Beitrag nachzuhören.

Vieles wurde also schon gesagt, einiges aber noch nicht. Ich möchte insbesondere ei­nige wenige Punkte herausstreichen, die konkret diese Kammer betreffen. Wenn ich mir ansehe, dass die Volksanwaltschaft im Landtag in Wien, in Salzburg und in der Steiermark Redemöglichkeit hat, in den anderen Landtagen jedoch nicht, so ist das meines Erachtens doch etwas, was wir mit einem Fragezeichen versehen sollten. Wir sollten die Frage thematisieren, warum die Volksanwälte in bestimmten Bundesländern ein Rederecht haben, sich mit dem Landtag austauschen können und in anderen Bun­desländern nicht.

Für mich als Oberösterreicher, wo die Volksanwälte und auch wir als Bundesräte kein Rederecht haben, ist das nicht nachvollziehbar, denn gerade als jemand, der dieses Bundesland vertritt, hätte ich gerne auch ein Rederecht in der Länderkammer, die mich entsendet. Ich hätte aber auch gerne, dass unsere Volksanwälte dort ein Rederecht haben, denn genau die sind es ja, die nicht nur die Bundesverwaltung kontrollieren, sondern auch die Landes- und die Gemeindeverwaltung. Da gäbe es sicher den einen oder anderen Punkt, über den man sich austauschen könnte und bezüglich dessen man direkt dort mit den Entscheidungsträgern, die sozusagen auch die Kompetenz und die Verantwortlichkeit dafür haben, in Gespräche treten könnte. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass es noch eine komische Konstellation gibt: Die Bundesländer Tirol und Vorarlberg haben Landesvolksanwaltschaften, während alle anderen Bundes­länder ... (Bundesrat Mayer: „Komisch“ ist das nicht!) – Nein, ich freue mich für diese Bundesländer, aber was komisch ist: Was ist mit den anderen Bundesländern?! Entwe­der macht man das einheitlich, was ich begrüßen würde, weil ich davon ausgehe, dass das auch unserer drei Volksanwälte etwas entlasten und deren Arbeit erleichtern wür­de, oder eben nicht, aber so etwas in zwei Bundesländern zu haben und in den restli­chen sieben nicht, das ergibt, denke ich, doch ein etwas skurriles Bild.

Ich wäre für eine einheitliche Vorgehensweise – gleiches Recht für alle. Ich will euch eure Landesvolksanwaltschaften nicht wegnehmen. Im Gegenteil! Ich trete dafür ein, dass jene Bundesländer, die keine Landesvolksanwaltschaft haben, auch eine bekom­men, weil es im Sinne der Transparenz, der Bürgernähe und auch der Entlastung ist. Ich meine, der Bundesrat ist der geeignete Ort, so etwas anzudenken und zu diskutie­ren. Wenn nicht hier im Bundesrat, wo sonst und wann dann? – Das waren die beiden Punkte, die ich aus föderalistischer Sicht anbringen wollte.

Ein weiterer Punkt ist das Amtsgeheimnis. Die Volksanwaltschaft unterliegt ja der Amtsverschwiegenheit, und auch die Ministerien, die sie kontrolliert und prüft, berufen sich immer wieder auf die Amtsverschwiegenheit. Das sorgt meiner Meinung nach doch für ein Spannungsfeld, weil die Verwaltung gegenüber den Bürgern transparent sein und sich öffnen und bürgernah darstellen sollte. Wenn man sich dann auf die Amtsverschwiegenheit beruft und der Informationsfluss dadurch verhindert oder blo­ckiert wird oder sich als träge erweist, dann ist das doch etwas, was man verbessern sollte.

Die Volksanwaltschaft hat ja schon mehrmals in der Vergangenheit angeregt, die Amtsverschwiegenheit etwas zu lockern. Das wurde bis dato von der Bundesregierung


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 50

nicht aufgegriffen. Ich kann nur hoffen, dass die neue Bundesregierung, sofern wir heu­er noch eine bekommen, das aufgreift und auch umsetzt, denn es ist im Sinne der Bür­gerinnen und Bürger.

Einen letzten Punkt, den auch mein Vorredner angesprochen hat, möchte ich noch erwähnen, nämlich den Entschließungsantrag. Dank, wem Dank gebührt: Die Freiheitli­che Partei hat den Entschließungsantrag entworfen, und ich bin da gerne mitgegan­gen, weil es eine sinnvolle Sache ist. Es ist auch für mich nicht nachvollziehbar, warum ausgegliederte Gesellschaften wie die Bundesforste, die ASFINAG oder die Bundes­immobiliengesellschaft und viele, viele andere nicht der Kontrolle der Volksanwalt­schaft unterliegen sollten. Es wird in diesen ausgegliederten Gesellschaften viel Steu­ergeld verwendet, und es ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, zu erfahren, ob das auch sinnvoll eingesetzt wird beziehungsweise ob es nicht da oder dort Verbesse­rungspotenzial gäbe. Daher unterstützt meine Fraktion diesen Entschließungsantrag der freiheitlichen Fraktion sehr gerne. – Danke, dass Sie ihn erarbeitet haben.

Insgesamt wünsche ich der Volksanwaltschaft mit den neuen Aufgabengebieten, die sie bekommen hat, viel Kraft und hoffe auch weiterhin auf gute Zusammenarbeit. Uns Grüne und mich haben Sie noch auf Ihrer Seite mit Ihren Forderungen, weil das ein­fach gut und gescheit ist, und gute Sachen gehören unterstützt. Herzlichen Dank. (Bei­fall bei Grünen und FPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.54


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Volksanwalt Dr. Kräuter. – Bitte.

 


9.54.36

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich wirklich auf das Herzlichste für die Anerkennung und die Wertschätzung bedanken, die der Volksanwaltschaft entgegengebracht wird, und werde das selbstverständlich sehr, sehr gerne gemeinsam mit meiner Kollegin und meinem Kollegen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausrichten.

Es ist natürlich eine zusätzliche Motivation. Wir haben ja auch im Jahr 2013 rund 16 000 Beschwerdefälle – also schon eine ungeheure Anzahl. Wir absolvieren Sprech­tage in allen Bundesländern, es werden wieder deutlich über 200 sein. – Wir übertref­fen sogar das Jahr 2012 mit den Sprechtagen, und insgesamt ist die Individualbe­schwerde als klassisches Recht für die Bürgerin und den Bürger, glaube ich, in der ös­terreichischen Volksanwaltschaft in sehr guten Händen.

Ich freue mich immer, wenn Einzelfälle gelöst werden können. Manchmal ist das Pfle­gegeld so berechnet, dass es längst nicht mehr den realen Gegebenheiten entspricht, oder es gibt Probleme mit der Sozialversicherung, oder eine Pensionsversicherung hat vielleicht etwas falsch berechnet – da kommen auch hin und wieder Irrtümer vor. Es ist sehr, sehr schön, wenn man in Einzelfällen behilflich sein kann und den Betroffenen sehr konkret helfen kann.

Natürlich wirken unsere Erkenntnisse und Ergebnisse auch in die Verwaltung hinein, beeinflussen positiv das Verwaltungshandeln, und hin und wieder kommt es auch not­wendigerweise zu Gesetzesänderungen. – Der sogenannte Feuerlöscherfall wurde ja schon angesprochen.

Wie allgemein bekannt ist, unterstützt uns der ORF sehr. Wir haben wöchentlich in einer sehr publikumsfrequentierten Sendung die Gelegenheit, Einzelfälle zu bringen, die natürlich insgesamt auch eine große Wirkung haben.

Aber selbstverständlich gibt es auch Defizite. Ich glaube, es ist auch wichtig, anzu­merken, dass die Volksanwaltschaft in vielen Dingen oft auch jahrelang erfolglos ver­sucht, etwas zu verbessern. Was ist beispielsweise mit dem gesetzlich garantierten


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 51

Anpassen des Pflegegeldes? Was ist mit klaren Regeln, was die persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung betrifft? Was ist mit der Barrierefreiheit, die in vielen Bereichen natürlich noch in keinster Weise umgesetzt ist? Warum gibt es in einem Bundesland einen Pflegeregress und sonst nirgends? Das heißt, es warten sehr, sehr viele Aufgaben, bei denen wir wirklich auch kraftvolle Unterstützung von Ihnen, meine Damen und Herren, brauchen.

Der Präventionsmechanismus, die neue Aufgabe der Volksanwaltschaft seit dem Vor­jahr, ist auch mehrfach angesprochen worden, und tatsächlich ist es eine riesige Ver­antwortung, die der Volksanwaltschaft überantwortet wurde. Unsere sechs Kommis­sionen haben ja mittlerweile bereits rund 600 Besuche in Einrichtungen und Anstalten absolviert, sei es in der Jugendwohlfahrt, in Pflegeheimen, in Kliniken, in der Psychia­trie. Es stehen aktuell beispielswiese 99 Besuche in Alten- und Pflegeheimen zu Bu­che, in 50 Einrichtungen für Menschen mit Behinderung haben unsere Kommissionen nach dem Rechten gesehen, in 72 Jugendwohlfahrtseinrichtungen, in 71 Krankenhäu­sern und Psychiatrien, in 115 Polizeiinspektionen und Polizeianhaltezentren, in 61 Jus­tizanstalten und in fünf Kasernen.

Es wurden in 48 Fällen Beobachtungen von Abschiebungen gemacht, und bei De­monstrationen, Razzien oder Großveranstaltungen waren bei 34 Vorgängen kritische Experten dabei. Das ist, glaube ich, auch wirklich eine Gelegenheit, den Kommissions­leiterinnen und -leitern und den Kommissionsmitgliedern an dieser Stelle einmal herz­lich für ihren großen Einsatz zu danken. (Allgemeiner Beifall.)

Es gibt im Einzelnen auch sehr konkrete Erfolge, und ich möchte nur ganz kurz einige aus meinem Geschäftsbereich aufzählen. Beispielsweise werden psychotrope Medika­mente erheblich weniger verwendet, wenn die Kommissionen entsprechende kritische Anmerkungen machen. Es hat sich die Ärztepräsenz in vielen Einrichtungen und An­stalten gehoben, es ist zu Personalaufstockungen gekommen, es werden bauliche Ver­änderungen getätigt – das heißt, hier wirkt dieser Mechanismus des Besuchs sehr kon­kret.

Insgesamt geht es darum – und das ist ja die großartige Idee dahinter –, dass Men­schenrechtsverletzungen unmöglich gemacht werden. Das ist ja eigentlich der tiefere Sinn der Prävention. Da ist noch sehr viel Bewusstseinsbildung erforderlich, und ich bedanke mich sehr dafür, dass ich da mitwirken darf. Ein Teilnahmerecht – es wurde angesprochen – der Volksanwälte in den Landtagen wäre natürlich ein entscheidender Fortschritt, weil wir ja über unsere Kommissionen auch viele Erkenntnisse in den Län­dern gewinnen. Dass wir dann mit den zuständigen Abgeordneten in den Landtags­ausschüssen und idealerweise natürlich im Landtagsplenum in den Landesparlamen­ten über die Dinge diskutieren können, wäre natürlich sehr im Sinne aller Betroffenen.

Lassen Sie mich abschließend noch zu der Situation von Menschen mit Behinderung etwas sagen: Wir haben jetzt am 3. Dezember den „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ begangen. Ich kann nicht sagen, dass wir ihn „gefeiert“ haben, weil hier einfach noch viel zu viel offen und zu tun ist. Diesen "Internationalen Tag der Men­schen mit Behinderung" gibt es übrigens schon seit dem Jahr 1993, und die UN-Kon­vention über die Rechte der Menschen mit Behinderung ist in Österreich schon seit dem Jahr 2008 in Kraft.

Trotzdem gibt es natürlich noch an allen Ecken und Enden Mängel und Probleme. Manchmal werden Menschen mit Behinderung sehr bevormundend behandelt. Manch­mal gibt es quasi einen höchst problematischen Freiheitsentzug, bauliche Barrieren, wohin man schaut, diskriminierende Gesetze. So gibt es etwa ein österreichisches Ver­tragsbedienstetengesetz, gemäß welchem es nicht möglich ist, dass Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst tätig sind. So etwas gibt es in der Privatwirtschaft überhaupt nicht! Das versteht kein Mensch, denn es müssen ohnehin die jeweiligen


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Voraussetzungen stimmen. – Diesbezüglich schlagen wir also wirklich konkret eine Ge­setzesänderung vor.

In vielen Einrichtungen fehlen entsprechende Beschwerdemöglichkeiten. Oft ist die Entlohnung wirklich erbärmlich, wenn Menschen mit Behinderung in Tageswerkstätten tätig sind und arbeiten. Ihnen sicherlich auch bekannt sind die zahlreichen Probleme mit Sachwalterschaften. – Sie sehen also: Wir alle miteinander haben im Sinne von Menschen mit Behinderungen noch sehr viel zu tun.

Wir wollen – das ist auch die Grundlage und der Hintergrund des Ganzen – weg vom Mitleid und von der Fürsorge hin zur sogenannten Inklusion und zur Teilhabe. Das heißt: Menschen mit Behinderungen sind so zu behandeln wie alle anderen. So einfach ist das, allerdings so schwierig in der Umsetzung! – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Bei­fall.)

10.02


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Herr Volksanwalt Dr. Fichtenbauer. – Bitte.

 


10.02.15

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! In Ergänzung zur sehr interessanten Diskussion, die wir schon im Ausschuss geführt haben, und in Ergänzung zu den sehr wertvollen Debattenbeiträgen – jeder von uns hat seine speziellen Zugänge, trotzdem sind wir eine gemeinsame Körperschaft – möchte ich diesen Punkt etwas ausleuchten.

Die besondere Seite der menschenrechtlichen Obsorge im Sinne des Präventionsme­chanismus, worauf schon Bedacht genommen wurde, ist schillernd, das ist ja keine Einbahnstraße. Was meine ich damit? – Ich bin in meinem Geschäftsbereich für die polizeilichen Anhaltezentren zuständig. Und was bedeutet menschenrechtliches Tun und Verlangen bezüglich der Personen, die dort aufhältig sind? – Sehr vereinfacht, aber sehr verständlich gesagt: Man verlangt, dass mit den Menschen, die aus welchem Grund immer dort sind, anständig umgegangen wird. Und was bedeutet das „anständig Umgehen“? – Dabei geht es einmal um den menschlichen Beziehungston, aber auch um die herrschenden räumlich-technischen Umstände für jene, die in einem Raum aufhältig sein müssen, und das betrifft sowohl die Angehaltenen, aber auch die Beam­ten. Dabei stehen gewisse Dinge ein bisschen im Schatten, und wir verlangen auch auf Grund der Erkenntnisse der Kommissionen, dass unzumutbare Zustände für die Poli­zeibeamten verbessert werden müssen. Teilweise ist das eine Katastrophe! (Beifall bei der FPÖ.)

Und es ist auch kein psychologisches Wunder, dass jemand, wenn er unter absolut widrigen Dienstumständen Dienst versehen muss, psychologische Reflexe auf die angehaltenen Personen auslöst, für die er verantwortlich ist. Das versteht wohl jeder, der sich nur eine halbe Stunde lang Psychologie zu eigen gemacht hat. – Diese ge­samthafte Betrachtung führt zu einer Einsicht des Wertes an und für sich.

Noch einmal: Wir stehen vor Weihnachten, und ich betone: Das weihnachtliche Gebot der Nächstenliebe hat auch eine gewisse politische Dimension. Dabei geht es um anständigen Umgang mit Menschen, und zwar nicht als Gnadenerweis, sondern als Dimension des Rechtsanspruchs. Das ist sicherzustellen, und mein besonderer Blick gilt auch Ihrer Aufmerksamkeit, dass unsere Institution der Volksanwaltschaft das part­nerschaftliche Instrument auf anderer Ebene für das Parlament ist.

Wir operieren gegenüber den Behörden mit der uns zugemessenen Autorität, weil wir vom Parlament mit einem sehr hochgradigen Besetzungsvorgang kommen, und mit den Wertschätzungen, die wir als partnerschaftlich – ich wiederhole – strukturiertes höchstes Organ für die Republik darstellen.


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Das Erfolgsgeheimnis ist – wie ich schon gesagt habe – die uns vom Parlament mitge­gebene Autorität, aber auch die Möglichkeit, auf verfassungsrechtlicher Ebene oder auf verfassungsrechtlicher Grundlage für Dinge zuständig zu sein, für die es kein Verfah­ren gibt oder keines mehr gibt. Meine Formel, die ich dazu gerne gebrauche, lautet: Ich lebe das Prinzip der Einmischung und nicht das der Unzuständigkeit! (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

Im Hinblick auf diesen Grundansatz bitte ich, zu bedenken, dass das Netz der rechtli­chen und sozialen Sicherheit, das unser Land ausbreitet beziehungsweise ausgebreitet hat, auch weitmaschig sein kann. Das heißt, das Durchfallen durch alle Sicherungsins­trumentarien, sei es rechtlicher, sozialer oder Gott weiß welcher Natur, ist für jeden – und zwar für jeden, der hier sitzt – jeden Tag möglich. Das glaubt man nämlich nicht, dass man selbst auch ein Betroffener sein kann.

Diese Möglichkeit, sich aus der Ebene eines nicht vorhandenen sichernden Rechtsrau­mes eines individuellen Falles anzunehmen, bedeutet zweierlei: Man kann dem indivi­duell betroffenen Benachteiligten, der auf Grund eines Verwaltungsmissstandes Nach­teile erleidet, helfen. Die Parallelebene ist, dass man aus dem individuell konkreten Fall, in dem jemand Opfer einer nicht angebrachten behördlichen Begegnung ist, gene­relle Erkenntnisse ableitet, die gesetzlicher Abhilfe bedürfen.

Daher der Hinweis auf den Feuerlöscher-Fall, der zwar kleiner Dimension ist, der aber im Einzelfall große Dimensionen haben kann. Wichtig ist – das wurde von allen Frak­tionen im Ausschuss, auch von Grünen und Freiheitlichen, dargestellt – die Erweite­rung der Prüfkompetenz gemäß der Zuständigkeit des Rechnungshofes. Ich bitte Sie alle, diesbezüglich an einem Strick zu ziehen, weil diese nicht vorhandene Kompetenz eine klare Rechtslücke im Sinne des Wohlverständnisses der Wirkungsmöglichkeit der Volksanwaltschaft darstellt!

Der andere Punkt, auf den auch Bezug genommen wurde: Es kann nicht angehen, dass eine nicht einschätzbare, aber gewiss hohe Zahl Betroffener sozusagen mit gi­gantischen Kosten allein gelassen werden könnte. Ich spreche jetzt von der Flieger­bombe. – Österreich war ab dem Jahr 1944 bedauerlicherweise Angriffsziel, und es wurden über Österreich tausende Bomben abgeworfen. Die meisten davon sind explo­diert, aber das Problem sind heute die Blindgänger. Diese bergen zu müssen kann Lie­genschaftsbesitzer treffen wie der berühmte Blitz aus dem heiteren Himmel. Diese Betroffenen dann auf den Kosten sitzen zu lassen, ist einfach eines Rechtsstaates un­würdig, denn der einzelne Hausbesitzer aus Salzburg, aus Wien oder wo auch immer war nicht kriegsführende Partei. Kriegsführende Parteien sind Staaten und nicht die Einzelnen, die am Ende gar nicht wissen, dass in ihrem gepflegten Garten unter drei Metern Erde eine 250-Kilo-Bombe lauert. Soll er diese dann vielleicht selber ausbud­deln und mit Nachbarschaftshilfe zur Polizei tragen? – Das ist ja völlig absurd! (Beifall der Bundesrätin Mag. Kurz.)

Bei dieser Sache, die sich in Salzburg zutrug, gab es zuerst einmal den Streit, ob die betreffende Person von der Stadt oder vom Land die Kosten ersetzt bekommt. Dann ging die Sache zum Bund, und der Oberste Gerichtshof sagt: Es gibt keinen Regress­anspruch, weil es keine Rechtsgrundlage gibt.

Meine Damen und Herren, diese Rechtsgrundlage ist zu schaffen! Es ist völlig unmög­lich, einen Rechtszustand aufrechtzuerhalten, der im Ergebnis bedeuten würde: Je­mand, in dessen Haus oder auf dessen Liegenschaft sich Kriegsrelikte befinden, muss deren Entsorgung auf eigene Kosten vornehmen. Das ist unmöglich! Die entsprechen­de Bestimmung des Waffengesetzes, in dem sowieso die Bundeszuständigkeit nor­miert ist, ist zu ändern. Das ist ein Gebot des Anstandes, den sich die Republik – wür­de ich sagen – selber schuldet! – Und so weiter und so weiter.


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Rein statistisch gesehen darf ich sagen, dass sich das Beschwerdeaufkommen so fortentwickelt, wie wir es aus dem Jahr 2012 kennen. Wir sind jetzt fast am Ende des Jahres 2013, und die Ziffern sind ungefähr gleich. Das Verlangen, das zu Recht formu­liert wurde, dass wir auch in den Ländern entsprechende verfassungsrechtliche Mög­lichkeit haben, um dort zu agieren, ist gerechtfertigt, da ungefähr die Hälfte der bun­desbezogenen Beschwerden Länder und Gemeinden betrifft. Diese Anzahl ist also nicht zu knapp.

In diesem Sinne halte ich mich an die Regel: Sprich kurz, dann liebt man dich! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre Unterstützung und wünsche schöne Weih­nachten. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

10.11


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Volksanwältin Dr. Bri­nek. – Bitte.

 


10.12.00

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe neue Kollegen! Ich freue mich, dass ich seit einigen Monaten, nämlich seit dem Sommer, zwei neue Kollegen habe. Sie sehen hoffentlich, wenn auch nicht an dem Bericht, der aus dem Jahr 2012 stammt, wie gut wir unsere Arbeit begonnen haben und wie fruchtbar und konstruktiv das Zusammenwirken ist, genauso wie davor mit den anderen.

Die Zusammenarbeit ist so konstruktiv, dass ich gleich einen Aspekt aufgreifen kann, den mein Vorredner Peter Fichtenbauer angesprochen hat, nämlich den Aspekt, wie wir unser Amt leben und welche Amtsauffassung wir praktizieren. Wenn er vom Prinzip der Einmischung und der Zuständigkeit anstatt der Unzuständigkeit gesprochen hat, dann darf ich sagen, dass wir mit dieser gelebten Auffassung im internationalen Trend liegen. Wir orientieren uns stärker als je zuvor auch an der Arbeit der Nachbarländer und beobachten, wie es Vorreiterländer halten, und dabei sind wir natürlich niemals abgehoben von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in den Nachbarstaa-
ten und im gemeinsamen Europa. Und auch dort lautet das Prinzip: Einmischung be­ziehungsweise Zuständigkeit, und Unzuständigkeit gibt es in diesem Sinne eigentlich nicht.

Dieses Anliegen war für mich schon immer leitendes Motiv bei meiner Prüftätigkeit und bei meiner Arbeit in der Volksanwaltschaft: Ich habe am Beginn meiner Tätigkeit ge­sagt, dass ich gerne Sorgenbrecherin sein möchte. – Das ist gewissermaßen eine so­ziologisch-psychologische Sicht unserer Tätigkeit als Ergänzung zu dem, was meine beiden Vorredner gesagt haben.

Lassen Sie mich ein paar Aspekte aus meinem unmittelbaren Prüfbereich anspre­chen. – Ich habe es schon gesagt: Internationale Zuständigkeit, Vernetztheit und Ver­wobenheit spielen eine wichtige Rolle. Der Umstand, dass etwa 150 000 Menschen ei­ne Rente aus Deutschland beziehen, hat nach der Einführung der Rentenbesteuerung in Deutschland im Jahr 2005, angesiedelt beim Finanzamt Mecklenburg-Vorpommern, dazu geführt, dass, nachdem mit der Verwaltung doch einige Zeit abgelaufen ist, Ös­terreicherinnen und Österreicher erst in den späten 2000-er Jahren mit Nachforderun­gen für die Besteuerung von Renten konfrontiert waren. Damit es aber nicht zu einer Doppelbesteuerung auch in den jeweiligen Ländern kommt, hat es dieses Abkommen gegeben, was aber bedeutet, dass dann nach einer Zeit, in der gar nichts besteuert wurde, die Menschen auf Grund der Zusammenziehung von Zeiten und Gebühren mit einem Schwung mit Nachforderungen konfrontiert waren, die, auch wenn sie eine klei­ne Rente haben, Nachzahlungen von bis zu tausend und mehreren Tausend Euro be­inhalteten.


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Es wurde nun erwirkt, dass es erstens eine bessere Information gibt, dass man nicht Angst haben muss, dass es zu einer Doppelbesteuerung kommt, und dass bei Baga­tellbeträgen Deutschland verzichtet. Wenn man voll steuerpflichtig in Deutschland sein will, dann reicht der Einkommenssteuerbescheid aus Österreich, und es kommt zu ei­ner Gleichbehandlung, wie wenn etwa jemand in Wien oder in Vorarlberg ein Einkom­men hat. Ebenso wird man jetzt behandelt, wenn man in Wien und in Deutschland ein Einkommen hat. – Dieses Zusammenleben im geeinten Europa hat auch dazu geführt, dass man in Österreich indirekt über seine Einkünfte im Ausland Rechenschaft ablegen muss.

Was mir noch am Herzen liegt, ist die Frage der Verfahrensdauer im Justizbereich. –Auch wenn mit dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz Verbesserungen erreicht wur­den und werden, muss ich dazu sagen, dass gewisse Unterhaltsfragen davon nicht umfasst sind, sodass es Verzögerungen in allen Fällen gibt, in denen es um Kinder, um die Versorgung von Kindern und um Streitfälle, die in den Elternhäusern entbrennen können, geht, und dass diese Frage, da oft keine entsprechende Regelung vorliegt, nicht zufriedenstellend gelöst ist. All das wirkt sich auf die Kinder, und zwar insbe­sondere auch auf ihre Seelen und ihre Stabilität im schulischen Bereich und so weiter aus.

Wir müssen also im gesamten Justizbereich noch stärker in Richtung rasche Verfah­ren und rasche Abwicklung arbeiten. Sie wissen, in der Verwaltung gibt es das Ver­waltungsverfahrensgesetz, das effiziente, rasche und sichere Erledigung in höchstens sechs Monaten vorschreibt. Bei gerichtlichen Entscheidungen gibt es allerdings kein Limit, sodass wir nur drängen können, dass die Erledigung nach Möglichkeit mindes­tens ebenso rasch und zügig erfolgt.

Es wurden viele Fragen von den Herren Bundesräten – es waren nur Herren – ange­sprochen. Ich bedanke mich für Ihre intensive und aufmerksame Begleitung unserer Arbeit und gewissermaßen für die Auseinandersetzung, die Sie unserer Arbeit widmen!

Ich darf Herrn Bundesrat Dönmez sagen, wie es sich mit den Landesvolksanwälten verhält: In der Tat wurde die Volksanwaltschaft, als sie 1977 gesetzlich eingerichtet wurde, zunächst, da man nicht wusste, ob das eigentlich eine sinnvolle Sache ist, be­fristet eingerichtet. Noch innerhalb der Frist hat man sie aber auf ständig eingerichtet. Und man hat von Beginn an den Ländern die Möglichkeit eröffnet, per Landesverfas­sungsgesetz selber Volksanwaltschaften einzurichten oder – und jetzt kommt es! – den Bundesvolksanwalt auch mit landesvolksanwaltschaftlichen Arbeiten sozusagen zu be­trauen.

Von der Betrauung und von der selbstverständlichen Mitverantwortung für die Landes­verwaltungsarbeiten haben sieben Bundesländer Gebrauch gemacht, und zwei Bun­desländer haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen eigenen Volksanwalt einzurichten. Vorarlberg hat dies unter Nachbildung der konstitutionellen Elemente quasi unter Nachbildung der Bundesvolksanwaltschaft getan, und Tirol ist in einer et­was anderen Weise vorgegangen. Dort hat man quasi das Sorgenbrecher-, das Einmi­schungs- und das Hilfsprinzip schon vorweggenommen, und in diesem Bundesland hat man auch eine andere Art der Arbeitsauffassung und der detailverfassungsmäßigen Regelung.

Aber Sie können davon ausgehen, dass es für jedes Bundesland Landesvolksanwälte gibt, in sieben Fällen sind es wir, in zwei Fällen sind es die Landesvolksanwälte.

Dazu kommt noch: Hinsichtlich der neuen OPCAT-Aufgaben, also der Menschen­rechtspräventionsaufgaben, hat uns der Tiroler Landtag ermächtigt, die entsprechen­den Prüfaufgaben zu erfüllen. Wir sind also in diesem Teilgebiet in Tirol auch Landes­volksanwälte, wenn Sie das so ausdrücken wollen. Und nur das Bundesland Vorarl-


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berg beziehungsweise die Landesvolksanwaltschaft Vorarlberg prüft die Landesagen­den in der Präventionsarbeit, also Jugendwohlfahrt, Pflegeeinrichtung und so weiter. In Bundesangelegenheit sind auch wir dort tätig. Das mag jetzt ein bisschen komplex wir­ken, aber wir haben ein sehr gutes Einvernehmen mit den beiden Landesvolksanwäl­ten, mit Frau Mag. Strele und mit Dr. Hauser, sodass hier in einem Gleichklang betref­fend einen nationalen Präventionsmechanismus vorgegangen wird und keine verschie­denen Maßstäbe angelegt werden.

Verschiedene Maßstäbe sollen deshalb auch in Hinkunft nicht angelegt werden, und es soll ein gemeinsames gestärktes Bewusstsein betreffend Menschenrechte geben. Ich darf mich nun an den Erstredner, Professor Schennach, wenden und mich sehr herz­lich für den Hinweis auf die neueste Publikation der Volksanwaltschaft bedanken. Es ist dies tatsächlich eine Publikation der Volksanwaltschaft, darauf legen wir alle drei sehr viel wert. Wenn Sie auf der Homepage schauen, dann finden sie dort auch andere Be­richte und Schriften, in welchen Sie sich betreffend Service und Informationen Kenntnis holen können. Was wollen wir also mit dieser Schrift? – Wir wollen damit junge Men­schen mit ihren Rechten erreichen. Wenn in den Herzen und Köpfen der Kinder kein Rechtsbewusstsein entwickelt ist – wenn sie also nicht wissen, dass sie Rechte und Pflichten haben und dass diese ein wesentliches Element in einem demokratischen Rechtsstaat sind, indem man auf diese Weise Verantwortung für sich und die anderen übernimmt, dann kann dieser Staat sich nicht weiterentwickeln und kann nicht gelin­gen.

Dieses Buch wendet sich daher an junge Menschen, an Schülerinnen und Schüler, an die Erwachsenen, die damit zu tun haben – in der Erwachsenenbildung, im Elternver­ein, in der Jugendarbeit, dort, wo sie am Nachmittag bei den Kinderfreunden, Roten Falken, Jugendorganisationen, bei der Schülerunion tätig sind – und dieses Buch gut im Unterricht verwenden können und die Info-Grafiken, Statistiken, die Darstellung der Kinderrechte selbst, die aus den 54 Artikeln der Konvention in zehn Gruppen zusam­mengefasst sind, direkt für den Unterricht einsetzen können.

Nur dann, wenn junge Menschen – und „Kinder“ sind es der internationalen Diktion nach von 0 bis 18 – über ihre Rechte Bescheid wissen, werden sie auch aufmerksame und bewusste, auch menschenrechtsbewusste Bürgerinnen und Bürger. Und diesen Beitrag wollten wir dazu leisten. Wir sind auch per Gesetz – der Nationalrat und der Bundesrat haben uns dazu aufgefordert – zur Kooperation mit Bildungseinrichtungen verpflichtet, und wir hoffen, dass dieses Buch sehr weite Verbreitung findet. Wenn Sie in Ihren Gemeinden und Ländern mit schulischen Angelegenheiten, mit Erwachsenen, mit Jugendlichen zu tun haben, bitte sagen Sie es weiter!

Wir sprechen auch eine Einladung in die Volksanwaltschaft aus: Kommen Sie, lernen Sie kennen, was ein Recht ist, was eine Behörde ist, wie wir arbeiten, was Rechts­schutz heißt, wie man sich um seinen eigenen Rechtsschutz kümmern kann! – Diese Einladung sprechen wir hiermit an alle aus. Bitte schreiben Sie uns ein Mail, wir wer­den es unkompliziert organisieren.

Vielen Dank – und frohe Weihnachten. (Allgemeiner Beifall.)

10.21


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Be­richt der Volksanwaltschaft über das Jahr 2012 zur Kenntnis zu nehmen, um ein Hand­zeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Werner Herbert und Efgani Dönmez, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Ausweitung der Kontroll­rechte der Volksanwaltschaft vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

10.23.032. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Erhalt des Salzburg Airport (194/A(E)-BR/2013)

 


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.

 


10.23.31

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuseherInnen! Diejenigen, die gestern bei dieser hochinteressanten Veranstaltung zum Thema Städtetourismus, die der Herr Präsident durchgeführt hat, dabei waren, haben wieder einmal gehört, wie wichtig der Faktor Tourismus für das Wirtschaftsleben in Österreich ist.

Wir wissen, wir sind ein Tourismusland, und als Tourismusland können wir nur wach­sen – und das ist das, was wir wollen, denn wir wollen ja auch, dass unsere Wirtschaft wächst –, wenn mehr Gäste zu uns nach Österreich kommen. Alle, die sich im Touris­mus einigermaßen auskennen, wissen, dass die Märkte in unserer unmittelbaren Um­gebung in Europa schon ziemlich ausgereizt sind, was neue Gäste betrifft. Nicht nur die Österreich Werbung, aber vor allem auch die Österreich Werbung bemüht sich daher, in fernen Zielen für Österreich Werbung zu machen und Österreich als ein wirk­lich schönes Land, ein Land, in dem es viele Sehenswürdigkeiten gibt, ein sicheres Land, ein Land mit einer gesunden Umwelt und vielen, vielen Anreizen, um es zu besu­chen, bekannt zu machen.

Klar ist auch: Wir reden hier von Fremdenverkehr, und Fremdenverkehr beinhaltet auch das Wort „Verkehr“, und das bedeutet, die Touristinnen und Touristen müssen ir­gendwie nach Österreich kommen. Und die, die von den ferneren Zielen kommen, kommen natürlich mit dem Flugzeug, wie sonst? – Das ist der erste Punkt, den ich an­sprechen möchte, wenn es jetzt um den Salzburger Flughafen geht.

Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, wie diese Debatte bisher gelaufen ist. Nicht alles war glücklich, manches war übertrieben. Dennoch ist eines klar: Der Salzburger Flug­hafen ist der zweitgrößte Flughafen in Österreich. Über diesen Flughafen werden mehr als eine Million Gäste befördert. Diese Gäste kommen nicht nur in das Bundesland Salzburg, sondern kommen jetzt im Winter zum Beispiel ganz massiv in die Steiermark zum Schifahren, kommen natürlich auch nach Kärnten, um dort ihren Sommerurlaub zu verbringen, gehen aber auch ins benachbarte Bayern, keine Frage. Der Salzburger Flughafen ist also eine ganz, ganz wichtige Drehscheibe für das Wirtschaftsleben in Westösterreich.

Die Verordnung, die nun im Raum steht, bedeutet, dass die Flugzeuge nur mehr sehr eingeschränkt vom Norden einfliegen können. Das ist das, was der Herr Bundesmi-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 58

nister, der Herr Verkehrsminister Ramsauer aus Deutschland mit dieser Verordnung bezweckt. Er möchte das deshalb, damit die Bayern sozusagen von den Flugzeugen, die über ihre Köpfe hinwegfliegen und auf dem Salzburger Flughafen landen, nicht be­lästigt werden.

Jetzt ist in Salzburg nun einmal leider – oder Gott sei Dank, sage ich, denn ich finde es sehr schön – der Umstand gegeben, dass die Stadt auf den anderen drei Seiten von Gebirgen umgeben ist. Daran lässt sich nicht wirklich etwas ändern – der freie Blick auf das Mittelmeer, den sich manche wünschen, ist nun einmal nicht gegeben. Das be­deutet natürlich – wobei ich dazusagen muss, ich bin keine Technikerin –, dass es bei verschiedenen Wetterlagen völlig unmöglich ist, aus dem Süden anzufliegen. Das be­deutet weiters, dass es wesentlich schwieriger ist, sowohl technisch gesehen wie auch was die Kenntnisse der Pilotinnen und Piloten betrifft, diese Flugroute vom Süden aus überhaupt zu bewältigen.

Werden die Airlines nun sagen, okay, wir rüsten alles um, wir bauen die Flugzeuge um, wir bilden unsere Piloten neu aus, das machen wir alles, und wir kommen mit Sicher­heit dann trotzdem auf den Salzburger Flughafen? – Nein, natürlich nicht. Sie werden das nicht machen. Und insofern stimmt es einfach – auch wenn vonseiten des deut­schen Verkehrsministers noch zehnmal behauptet wird, dass es nicht stimmt –: Mit die­ser Verordnung ist der Salzburger Flughafen in seiner Gesamtheit massiv gefährdet!

Es geht mit dem Salzburger Flughafen jetzt aber nicht nur um den kleinen Salzburger Flughafen im internationalen Wettbewerb, sondern um einen Wirtschaftsfaktor, der 1 500 Arbeitskräfte in der Region quasi bedient, und ein Wirtschaftsaufkommen von über 1 Milliarde €.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, deutlicher kann man es nicht sa­gen, was das bedeuten würde. Das bedeutet, wenn dieser Flughafen nicht mehr ein wirklicher Wirtschaftsfaktor ist, dass er schlussendlich eines Tages zusperrt. Wir wis­sen alle, wie es den kleinen Flughäfen, die nicht genügend Frequenzen haben, er-
geht: Wenn die Flugfrequenzen anfangen herunterzugehen, werden die Bedingungen schlechter, die Airlines fliegen woanders hin, und aus diesem ersten Schritt nach unten kann dann sehr schnell eine Abwärtsspirale werden. Das will Gott sei Dank in Öster­reich niemand.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir in Salzburg nicht allein auf weiter Flur um den Weiterbestand unseres Flughafens kämpfen, nicht nur allein als SPÖ, wie der Herr Bürgermeister Schaden das macht, sondern dass auch alle Fraktionen im Salzburger Landtag damit einverstanden sind, sich massiv einzusetzen, und dass auch die Bun­desländer und die gesamte österreichische Regierung dahinter stehen, dass das nicht passieren darf.

Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, bedanke ich mich, dass auch ihr heute die­sem Entschließungsantrag, für den Erhalt des Salzburger Flughafens weiterhin einzu­treten, alle zustimmen werdet. Dieser Entschließungsantrag wird jetzt unmittelbar nach der Beschlussfassung noch unserer Verkehrsministerin auf ihrem Weg nach Brüssel mitgegeben. Sie wird dort die schwierige Aufgabe haben, zu versuchen, mit dem Ver­kehrsminister aus Deutschland, mit dem sie dort zusammentrifft, noch einmal zu ver­handeln – wiewohl er bisher angekündigt hat, er redet gar nicht mehr mit uns. Aber so kann es wohl nicht sein, und ich hoffe, dass dieser Druck, der unterstützt wird durch die Unterschriften, die am Salzburger Flughafen durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesammelt worden sind, und auch durch die Entschließungsanträge vorgestern im Nationalrat und heute im Bundesrat, doch noch etwas in Bewegung bringen kann und somit der Salzburger Flughafen weiterhin erhalten wird – für Salzburg, für Westöster­reich, ja für Gesamtösterreich. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.30



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 59

Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


10.30.29

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Flughafen in Salzburg ist eine wichtige und unverzichtbare Lebensader für unser Bundesland. Das möchte ich einmal voranstellen. Und diese vorgesehene Ver­ordnung durch den deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer bedeutet de facto das Ende des Flughafens – vielleicht zwar nicht sofort, aber langfristig. Man kann nicht auf der einen Seite mit weinerlicher Stimme sagen, nein, wir wollen nicht das Ende des Flughafens, wir wollen, dass er bestehen bleibt – aber auf der anderen Seite als deut­scher Verkehrsminister eine massive Einschränkung der Flüge fordern. Das passt nicht zusammen, das haut nicht hin.

Wirtschaft, Tourismus, die Menschen in ihrem Freizeitverhalten, Arbeitsplätze – alle brauchen den Salzburger Flughafen! Das muss man einmal deutlich festhalten. Und man kann sich nicht die Rosinen herauspicken: Wenn der Verkehrsminister nach Berlin fliegt, dann fliegt er von Salzburg weg. Die anderen sollen aber nicht fliegen? – Das wird nicht gehen!

Inzwischen wissen wir ja, dass bestimmte Fluggesellschaften bereits kundgetan haben, dass sie von Süden her nicht anfliegen. Die Schneise Tennengebirge/Hagengebirge, das ist alles ein Problem. Es geschieht ja auch teilweise, dass sie benützt wird – so ist es ja nicht –, aber es ist nicht möglich, diese Menge an Flügen von der Einflugschneise Süd her zu bewältigen. Das muss man in dieser Form klar sagen.

Natürlich helfen Drohgebärden nicht. Dass wir sagen, dann heben eben wir die Höhe bei der Anflugroute München an, das wollen wir ja nicht. Ich glaube, es ist wichtig, dass man wieder auf den Verhandlungsweg zurückkehrt und dass alle den Wert des Flug­hafens erkennen. Ich stelle mir da gerade Folgendes vor: Der Salzburger Senioren­bund macht jedes Jahr eine Landesreise, die ich mitorganisiere, mit fast 4 000 Perso­nen, die jeweils von Salzburg wegfliegen. Jetzt müssten wir diese nach Wien bringen, damit sie von dort wegfliegen. Das ist ja undenkbar! Dabei ist das ja nur ein kleiner, winziger Mosaikstein.

Also ich glaube, der Flughafen soll nicht Spielball für persönliche Befindlichkeiten sein oder der Selbstdarstellung dienen, sondern man muss die massive Forderung erhe­ben: Hände weg vom Salzburger Flughafen!, und: Richten wir nicht ein Land zugrun­de! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.33


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.

 


10.33.42

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Hohes Haus! Natürlich sind alle Flughäfen in Österreich wichtig, ganz besonders natürlich auch der Flughafen Salzburg. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang doch auch Europa und seine Verkehrspolitik beleuchten.

Ist das das neue Europa, von dem wir sprechen, dass Tirol den LKW-Transit und den Transit der Touristen aus Deutschland nach Italien auszuhalten hat, dass Salzburg und Kärnten die Reisetätigkeit im Sommer – die Staus auf der Tauern Autobahn sind ja be­rüchtigt – selbstverständlich auszuhalten haben, nämlich nicht nur die Anreise nach Salzburg und nach Kärnten, sondern auch an die Adria oder nach Südosteuropa? Wenn man jetzt glaubt, Europa sieht so aus, dass ein paar Nachbarn in Bayern so „gute Nachbarn“ sind, dass man den Flughafen beziehungsweise Flugbetrieb in Salz-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 60

burg infrage stellt, dann stelle ich mir die Frage, ob wir in Österreich darüber diskutie­ren dürfen, ob Österreich als Transitland ausländische Fahrzeuge entgegen den EU-Richtlinien mit einer Abkassierermaut, wie es nun in Deutschland geplant ist, bestraft.

Wir brauchen eine europäische Verkehrspolitik, die nicht manchen Regionen Vorteile zugesteht, während andere benachteiligt werden. Österreich ist ohnedies Transitland, nicht nur für Deutschland, sondern generell in Europa eine der Transitdrehscheiben schlechthin. Es kann nicht sein, dass die nachbarschaftliche europäische Verkehrspoli­tik so aussieht, dass man einen Flughafen in Salzburg oder gar andere Infrastrukturen in Österreich infrage stellt.

Ich möchte aber dazu auch sagen, dass wir im Tourismus generell das Incoming und Outgoing neu aufzustellen haben. Wir haben einen großen Erfolg gelandet: Die bal­tisch-adriatische Verkehrsachse verbindet die nordeuropäischen Großstädte wie Warschau oder die Hafenstadt Danzig mit Wien, Graz, bis hin an die Adria. Incoming und Outgoing ist nicht nur im Flugzeug und im Auto interessant, sondern ich glaube, eine vernünftige europäische Verkehrspolitik für den Güterverkehr, für den Personen­verkehr und vor allem für den touristischen Verkehr muss auch bedeuten, diesen ver­stärkt auf die Schiene zu verlagern.

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang aber auch das Elektroauto, das Österreich sträflich vernachlässigt. In Norwegen sind bereits über 10 Prozent der neu angemelde­ten Fahrzeuge Elektrofahrzeuge. Wir Österreicher könnten den Erdölimport drastisch zurückschrauben, wenn es zum Beispiel die Anreise aus den Zentren Europas in die Urlaubsregionen Österreichs mit der Schiene gäbe und wir hier mit österreichischem Biostrom betankte Mietelektrofahrzeuge unseren Touristen zur Verfügung stellen könn­ten. Das heißt, Verkehrspolitik beginnt und endet nicht am Flughafen Salzburg, son­dern ich sehe das als europäische Aufgabe.

Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass nicht jetzt in Deutschland nationale Verkehrs­tendenzen auftreten, nämlich die aktuelle Mautdiskussion.

Es war ja immer wieder ein Thema, dass der Gütertransit stärker bemautet werden soll, Stichwort Brenner beziehungsweise A 10 Tauernroute. Was aber ist passiert? – Nichts. Die Tiroler werden nach wie vor überfahren, gnadenlos überfahren. Da werden alle Bemühungen in Richtung erhöhte Maut gestoppt. Gleichzeitig plant Deutschland, alle ausländischen Pkw bemauten zu wollen. Diese Diskussion kann Österreich keines­falls tolerieren und akzeptieren.

Ich bin für eine grüne Verkehrspolitik in Europa, und ich bin auch dafür, dass wir einer­seits kleine Infrastrukturen wie Regionalflughäfen erhalten, andererseits aber auch da­für plädieren, dass wir als Umwelttourismusland den Reiseverkehr neu andenken und auf die Schiene und ins Elektroauto verlagern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.37


Präsident Reinhard Todt: Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Schmittner.

 


10.37.18

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseher an den Fernsehschirmen – Sie sind ja heute noch nicht begrüßt worden! Zum Salzburger Flughafen ist, glaube ich, mehr zu sagen. Es ist ja unbestritten, dass er für Arbeitsplatzsicherheit, für Tourismus und so weiter unentbehrlich ist. Nur: Der Herr Minister Ramsauer kann sich ja mittlerweile sein Büro mit Entschließungsanträgen tapezieren. Es gibt einen Entschließungsantrag im Landtag, im Gemeinderat, im Nationalrat, im Bundesrat. Das wird ihm aber, wenn er die Verordnung unterschreibt – wie hat er gesagt? – Powidl sein. Ich glaube, wir müs­sen, damit er das Gesicht nicht verliert – ganz gleich, welcher Verkehrsminister das


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Amt bekleidet –, den Deutschen etwas bieten. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Unbestritten ist, dass sich 90 Prozent der Anflüge über dem Landkreis Berchtesgaden-Land abspielen. Es herrscht daher dort eine gewisse Lärmbelastung. Mein Vorschlag ist – ich habe es auch gestern den Medien in Salzburg gesagt –, dass man allen mit dem Kennzeichen Berchtesgaden-Land entweder über eine Verordnung der Frau Ver­kehrsministerin Bures die Vignettenpflicht für die Nutzung der Stadtautobahn erlässt. Wenn die keine Vignette brauchen, wäre das ein gewisses Zuckerl. Nur: Bei dem Ver­handlungsgeschick der Ministerin, so wie ich es auch in Kufstein beobachten kann, wird sie das vielleicht nicht spielen. (Ruf bei der ÖVP:  Gleichheitsgrundsatz?)

Da besteht zwar ein bisschen ein Unterschied (Bundesrätin Mag. Kurz: Um was geht es da jetzt?), denn da ist es ja eine Abgeltung von Nachteilen für die Lärmbelastung. Das heißt, der Gleichheitsgrundsatz ist nicht unmittelbar verletzt. Es könnte aber auch das Flughafenmanagement die Kosten dieser Vignetten ersetzen. – Das wäre wichtig.

Und der zweite Schritt wäre: Natürlich ist das Flughafenmanagement auch gefordert, durch gewisse Maßnahmen innerhalb von drei bis fünf Jahren endlich den Nordanflug von 90 auf vielleicht 80 oder 70 Prozent zu reduzieren. (Bundesrätin Mag. Kurz: Das ist ohnehin vorgesehen!) – Ist ohnehin vorgesehen. – Das sollte man in die Verordnung miteinfließen lassen. Und dann sollte man, bei Vorliegen eines Maßnahmenpakets, mit dem Landrat Grabner einen Bürgerentscheid im Bezirk Berchtesgadener-Land abhal­ten – und wenn dieser positiv ausgeht, dann kann jeder Minister sagen, die Bevölke­rung ist jetzt einverstanden, die stimmt zu.

Aber dass man sagt, man verhandelt auf gleicher Augenhöhe, das wird es nicht spie­len, denn die Bayern sind stur, das wissen wir, die unterschreiben – und bei der EU hat Deutschland mehr Gewicht als wir. Das ist das Problem!

Eines darf ich auch noch sagen, meine persönliche Meinung: Es ist natürlich auch von eigenen Leuten gezündelt worden. Wir haben eine grüne Landeshauptfrau-Stellvertre­terin – nichts gegen sie persönlich –, und die hat ständig – sie war auch Anrainerob­mann vom Flughafenverband (Bundesrätin Mag. Kurz: Nein Obfrau!) – ein UVP-Ver­fahren und eine Einschränkung gefordert. Das war – ich habe das auch in den Medien so deponiert –: schlafende Hunde wecken! Im Bundestagswahlkampf und Landtags­wahlkampf ist man auf dieses Pferd aufgestiegen. – So weit zum Flughafen.

Der Entschließungsantrag zur symbolischen Unterstützung freut uns Salzburger, aber ich glaube, mit Entschließungsanträgen werden wir Herrn Ramsauer und die deutsche Bundesregierung sicher nicht in die Knie zwingen, dafür muss uns schon mehr einfal­len. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen? – Bitte, Frau Kollegin Reiter.

 


10.41.17

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Jetzt muss ich zu dieser Ange­legenheit doch noch etwas sagen, da ich mehr oder weniger direkt angesprochen wor­den bin. Und zwar: Kollege Schmittner, man hat schlafende Hunde nicht geweckt, son­dern diese Hunde haben wegen des Fluglärms nicht schlafen können. So ist das ge­laufen. Der Anrainer-Beirat ist nicht die Erfindung einer einzelnen Person gewesen, sondern natürlich von betroffenen Anrainern initiiert worden, die vom Fluglärm belästigt werden und deren berechtigten Forderungen nach Schutz vor diesem Lärm vom Flug­hafen nicht entsprechend Rechnung getragen wurde.

Ich denke, es ist notwendig, aus dieser Diskussion, so wie sie jetzt läuft, Emotion und Dampf herauszunehmen, wir dürfen nicht zurückgehen in längst vergangene Zeiten.


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Wir marschieren gegen die Bayern – das waren Franzosenkriege, das ist schon eine Zeitlang her, dass man sich in dieser Form an der Grenze bekämpft hat. Es ist jetzt Zeit für entsprechende Gespräche, für ernsthafte Gespräche von allen Seiten, um die­ses Problem zu lösen. Es gibt ja die EURegio, aber da ist offensichtlich zu wenig bezie­hungsweise viel zu wenig unternommen worden, um rechtzeitig Weichenstellungen vorzunehmen und die Probleme der betroffenen Anrainer auch wirklich ernst zu neh­men. Ich glaube, mit einer weiteren Eskalation, wie das teilweise passiert ist, ist wirk­lich niemandem geholfen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Rettung des Salzburger Flughafens aufgrund seiner Bedeutung das eine ist, aber – wie auch schon Kollege Dörfler ganz richtig er­wähnt hat und wie uns auch gestern in der Diskussion um den Städtetourismus vor Augen geführt worden ist – auch die Mobilität in diesem Bereich für eine nachhaltige Entwicklung dieses ganzen Komplexes ist von grundlegender Bedeutung. Eine nach­haltige Entwicklung aber wird es nicht geben mit einer weiteren Ausweitung von Flug­häfen und Kurzreisen in Städte von großen Distanzen mit dem Flugzeug, sondern hier wird die Schiene eine maßgebliche Rolle spielen müssen, insbesondere innereuro­päisch.

Mir tut es in der Seele weh, dass München nach wie vor nicht mit einer entsprechen­den Bahnverbindung erreichbar ist. Der Münchner Flughafen hat eine Distanz von 150 Kilometern, das heißt, eine Stunde Salzburg–München müsste möglich sein, be­quemst und nachhaltig.

Es gäbe viel zu verhandeln, aber wir verhandeln immer nur über das dritte Gleis nach Freilassing, und da tut sich nichts, es geht nichts weiter. Ich denke, wir haben massivs­ten Gesprächsbedarf, um die Zukunft der ganzen Region, eben der EURegio, in ihrer Entwicklung sicherzustellen und diese EURegio mit einer Mobilität für die Zukunft aus­zurüsten, mit einer Mobilität, die auch nachhaltig ist. Die Gespräche sollten deeska­liert – ich denke, jetzt ist es an der Zeit dafür – und intensivst und auf mehreren Ebe­nen fortgeführt werden.

Ich danke für die Unterstützung für den Salzburger Flughafen, ich glaube, das ist ganz wichtig, aber ich bitte auch um weitere konstruktive Gespräche und eine gewisse Ab­rüstung in diesem Bereich. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.45.47

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Danke, liebe Susanne Kurz, für diese Initiative!

Ich darf vielleicht kurz in Erinnerung rufen: Der Bundesrat spricht nicht zum ersten Mal über den Salzburger Flughafen. Im EU-Ausschuss haben wir sehr ausführlich über den Salzburger Flughafen gesprochen, weil er auf einer anderen Rechtskonstruktion als jeder andere Flughafen in Österreich basiert. Das sollte man vielleicht bei der Diskus­sion kurz in Erinnerung rufen.

Er fällt sozusagen aus dem Flughafenpaket hinsichtlich der Lärmverordnung der Euro­päischen Union heraus. Dazu ist er zu klein.

Zweitens: Salzburg ist ein „Staatsvertrags-Flughafen“. Kein anderer Flughafen hat ei­nen Staatsvertrag zur Grundlage. Somit ist auch die Einflugpiste aus dem Norden eine Staatsvertragssache. Wer aus dem Süden anfliegen will, was nur ganz eingeschränkt möglich ist, braucht eine eigene Pilotenausbildung, welche die meisten gar nicht ha-


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ben. Ergo müsste es in Bezug sowohl auf den Betrieb des Flughafens als auch auf die Einflugschneise zu einer Kündigung eines Staatsvertrages kommen.

Insofern ist es wichtig, was wir sagen. Der Bundesrat beharrt darauf, dass der Staats­vertrag aufrecht bleibt. Deutschland müsste in diesem Fall den Staatsvertrag kündigen, das ist eine internationale Frage. Das will vielleicht der Herr CSU-Minister, aber nicht die deutsche Bundesregierung.

Es ist wichtig, zu sagen: Wir stehen hinter diesem Staatsvertrag und auch hinter den Konsequenzen dieses Staatsvertrages, und wir haben alles zu tun – was zum Beispiel für den Raum Wien Bratislava ist, ist für Salzburg München –, diesen Raum durch die Schiene zu erschließen; ebenso Salzburg–Innsbruck und so weiter. Wir haben ver­schiedene Regionen, für die wir eine andere, eine schonendere Mobilität erreichen müssen und sollen und können.

Was dieses Spiel aber in Wirklichkeit bringt, ist – und das kann nicht unser Interesse sein –, dass man versucht, in Kufstein von den Kontrollen der Straßenmaut wegzukom­men. Das sind Spielchen auf einer Ebene, wozu wir sagen: Welche Spiele spielen wir nicht mit!

Die Position des Salzburger Flughafens für den Tourismus im Rahmen der österreichi­schen Wirtschaft, für die Bedeutung Salzburgs als internationale Stadt ist unbestritten. Insofern ist das ein guter Antrag, und ich wollte einfach nur daran erinnern, dass das ein „Staatsvertrags-Flughafen“ mit Staatsvertragskonsequenzen ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Saller.)

10.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Entschlie­ßungsantrag 194/A(E)-BR/2013 der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt des Salzburg Airport ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Entschließungsantrag 194/A(E)-BR/2013 der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Dr. Dietmar Schmittner, Dr. Hei­delinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen ist somit angenommen. (E 239/BR-2013.)

10.49.423. Punkt

Zehnter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-498-BR/2013 d.B. sowie 9125/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


10.49.56

Berichterstatter Richard Wilhelm: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Der Bericht des Umweltausschusses liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Zehnten Um­weltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-498-BR/2013 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 64

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Zur Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich Herrn Bundes­minister Berlakovich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schmittner. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.50.50

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Vizepräsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseher vor den Fernseh­schirmen! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Die FPÖ wird und will auch vor allen Dingen diesen Zehnten Umweltkontrollbericht nicht zur Kenntnis nehmen. Das hat nichts mit einer geringen Wertschätzung des Verfassers, des Umweltbundesamtes, zu tun – ich glaube, die Zahlen, Daten, Fakten, Bestandsaufnahmen, Schlussfolgerungen sind durchaus plausibel –, sondern das wäre ein Goutieren der Schwachpunkte und Baustellen Ihrer Umweltpolitik.

Herr Bundesminister oder Noch-Lebensminister oder eigentlich – wenn ich das heurige Jahr Revue passieren lasse, Thema Bienensterben – Überlebensminister, muss man fast sagen! (Bundesrat Hammerl: Das ist aber schon untergriffig! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Na ja, KollegInnen, wenn man den Lebensraum der Bienen nicht schützt, wenn man den Lebensraum der Bienen nur sehr zaudernd schützt, dann ste­chen sie. Das wissen wir schon von der Biene Maja.

Wo sind die Schwachpunkte? (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na ja, so kommt wenigstens ein bisschen Leben in die Debatte.

Wo sind die Schwachpunkte der Umweltpolitik? – Ich weiß natürlich schon, nicht immer und überall ist der Herr Bundesminister allein verantwortlich. Umweltpolitik bedarf einer umfassenden Koordination im Bereich Betriebsanlagen, UVP-Verfahren und so weiter, und daran hat es offensichtlich auch gehapert. Wenn der „rote“ Minister A sagt, sagt der „schwarze“ B. Das sehen wir jetzt auch bei den Koalitionsverhandlungen, wie zügig sie im Sinne Österreichs voranschreiten.

Erstens: Zwei Drittel der Fließgewässer haben eine schlechte Wasserqualität. Sogar die EU-Kommission – und das heißt etwas – hat einen Handlungsbedarf bei der Be­wirtschaftung der Ressource Wasser gesehen. Und das ist wichtig! Wasser, der Schutz des Wassers hat immerhin Verfassungsrang. Das muss uns allen wichtig sein.

Bei der Luftreinhaltung ist überhaupt nicht viel möglich. (Bundesminister Dipl.-Ing. Ber­lakovich: Wissen Sie überhaupt, was damit gemeint ist?) – Ja, ja, weiß ich schon, aber Sie können sich dann nach mir zu Wort melden.

Feinstaub- und NOx-Grenzwerte liegen erheblich höher als die EU-Grenzwerte. Es gibt immer noch kein einheitliches Luftreinhaltekonzept. Diesbezüglich wären halt Koordi­nationen mit anderen Zuständigen notwendig. (Zwischenbemerkung von Bundesminis­ter Dipl.-Ing. Berlakovich.)

Die Klimaschutzziele werden nur dann erreicht, wenn die Energieeffizienz auch dras­tisch gesteigert wird. – Biomasseheizwerke, ja, aber die sind auch nur in den Schlag­zeilen, wenn etwa im Burgenland eines vor dem Konkurs steht oder in Konkurs gegan­gen ist.

Es wurde auch verabsäumt, wie so oft, dass auf EU-Ebene die nationale Selbstbe­stimmung, nämlich die Landwirtschaft gentechnikfrei zu betreiben, verankert wird.

Die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Österreich lässt überhaupt zu wünschen üb­rig, steht im Bericht. – Es ist auch so!

Vier von zehn Österreichern fühlen sich in ihrem Wohnbereich von Lärm belästigt. Was wird dagegen getan? – Es wäre zum Beispiel eine Aufgabe der Betriebsanlagenbehör-


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den, etwa für Kaffeehäuser, für Pubs die entsprechenden Grenzwerte in den Genehmi­gungsbescheiden, Überprüfungsbescheiden vorzuschreiben. (Zwischenruf des Bun­desrates Preineder.) Bitte? (Bundesrat Preineder: Vielleicht am besten zusperren!) – Nein, nein, nein, aber man kann immer – ich war selbst in diesem Bereich tätig – einen Ausgleich zwischen den Anrainern und den Betreibern finden, bei gutem Willen. Das ist immer möglich. Es gibt heute schon genug Lärmschutzmaßnahmen, auch für Betriebe, die wirtschaftlich zumutbar sind – das steht ja in der Gewerbeordnung – und trotzdem einen Schutz für die Anrainer mit sich bringen.

Auch die Energie- und Klimavorgaben der EU werden nicht erfüllt, wenn man nicht zu­mindest Zwischenziele gerade für Treibhausgase festlegt. Warum ist das noch nicht passiert? Darauf werden Sie uns heute sicherlich noch Antwort geben.

Bei den industriellen Anlagen sind die Emissionen von Feinstaub und NOx entspre­chend zu senken. Das werden nicht Sie machen können, das ist schon klar, aber die Behörden im Genehmigungsverfahren müssen die entsprechenden Grenzwerte ver­bindlich festlegen.

Es ist heute auch das Wort „Nachhaltigkeit“ gefallen; ein Modewort momentan, etwas, wofür die Grünen überall sehr stark eintreten. – Ziele in den Nachhaltigkeitsstrategien der EU und Österreich werden im ökologischen Bereich bei Weitem nicht erfüllt.

Sie werden irgendeine Gegenstrategie haben – ich weiß nicht, ob sie noch zum Tragen kommen wird –, aber bei so vielen Schwachpunkten und Mängeln kann man einen Be­richt nicht zur Kenntnis nehmen, denn das würde heißen, Sie könnten sich mit fremden Federn schmücken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Reisinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.56.42

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Da­men und Herren! Herr Kollege Schmittner, wenn man Ihnen so zuhört, dann hat man das Gefühl, wir Österreicher leben umweltpolitisch auf einer Müllhalde. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann habt ihr wahrscheinlich nicht zugehört!) Das ist überhaupt nicht der Fall (Bundesrat Dr. Schmittner: Aber nicht so optimal, wie es sein sollte!), und ich wer­de auch versuchen, Ihnen das in einigen Punkten zu erklären.

Ich darf aber damit beginnen, dass ich in erster Linie den Verfassern und den Verant­wortlichen dieses Umweltberichtes wirklich gratuliere. Es ist sehr gut gelungen, einer­seits die Ist-Situation darzustellen, mögliche Entwicklungen aufzuzeigen, aber auch notwendige Maßnahmen sehr strukturiert darzustellen. Ich denke, dass dieser Bericht eine ganz wichtige Grundlage für alle politischen Entscheidungsträger dieses Landes ist.

Umweltschutzbericht ist ein sehr breites Betätigungsfeld, ein Betätigungsfeld, das bei­nahe alle Lebensbereiche betrifft. Ich glaube, es geht in erster Linie auch um Bewusst­seinsbildung, darum, dass man die Menschen sensibilisiert für die Fragen des Umwelt­schutzes, weil Umweltschutz vielfach auch eine Frage der Wertigkeit ist, vielfach auch eine Frage der Kosten und eine Frage auch des Verzichtes auf liebgewonnene Eigen­schaften und Annehmlichkeiten. Umweltschutz ist aber, glaube ich, vor allem auch eine Frage des Weitblickes und des vorausschauenden Handelns.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Bezug auf Umweltschutz in Österreich im in­ternationalen Vergleich sehr, sehr gut dastehen. Dies bestätigen uns internationale Be­richte und Wissenschaftler, aber das bestätigen uns auch immer wieder die vielen Gäs-


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te, die in unser Land kommen, oder auch unsere eigenen Wahrnehmungen, wenn wir mit offenen Augen durch das Land ziehen. Man muss auch bedenken, dass wir ein industriell sehr hoch entwickeltes Land sind und auch einen sehr hohen Lebensstan­dard haben.

Wir sind weltweit unter den ersten Zehn, was die Umweltqualität betrifft. Damit das aber auch so bleibt, gibt es natürlich vieles zu tun, und in diesem Sinne möchte ich ei­nige Bereiche ganz kurz anschneiden.

Zur Wasserqualität: Es ist in Österreich gelungen, flächendeckend die Abwässer zu sammeln und zu klären, bevor sie in die Flüsse eingeleitet werden. Das ist eine enor­me Kraftanstrengung der Gemeinden und auch der Bevölkerung.

Wenn man über Umweltschutz spricht, dann kann man natürlich das große Themen­feld Energie nicht auslassen. Wenn man sich da die Tendenzen anschaut, sieht man, seit 1990 ist der Bruttoinlandsverbrauch um 36 Prozent gestiegen. Seit 2005 ist eine gewisse Stagnation eingetreten, und ich führe das auch darauf zurück, dass die Maß­nahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu greifen beginnen. Ich erinnere an die Sonderprogramme Wärmedämmung von Gebäuden oder auch an die Kesseltauschak­tionen.

Auch im Bereich der erneuerbaren Energie ist Österreich Vorreiter. Vom Gesamtin­landsverbrauch sind bereits 26 Prozent aus erneuerbarer Energie, im Strombereich sind es 31 Prozent. Sehen wir uns die Vergleichszahlen an: In Deutschland sind es nur 10 Prozent, im EU-Schnitt sind es unter 12 Prozent.

Vor allem bei der Erzeugung von Wärme ist durch den Einsatz von Biomasse sehr viel gelungen. Und es ist nicht nur Güssing – Güssing ist ein Vorzeigeprojekt –, in vielen Gemeinden wurden Biomasseheizanlagen errichtet (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schmittner), die sehr erfolgreich in Betrieb sind. 4,1 Millionen Tonnen Heizöl wer­den bereits durch Biomasse ersetzt. Das ist gut für unsere Luftqualität, das hat aber auch eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Das bedeutet eine Wertschöpfung in Ös­terreich von 1,5 Milliarden €, wo wir keine Erdölimporte brauchen. Das sichert auch 13 000 Vollarbeitsplätze, und zusätzlich stabilisieren wir damit unsere Wälder, weil Durchforstungen wieder kostendeckend möglich sind.

Trotzdem verbrauchen wir aber noch immer sehr viel an fossilen Energieträgern. Vom Gesamtenergieverbrauch sind es 10 Prozent Kohle, 23 Prozent Gas und leider noch immer 36 Prozent Erdöl, das in erster Linie als Treibstoff verwendet und im Verkehr eingesetzt wird. Ich glaube, da liegt in Zukunft die besondere Herausforderung: dass wir den öffentlichen Verkehr wieder attraktiver machen, dass wir uns die Kostenstruk­turen genau anschauen und dass wir auch das Angebot erweitern, damit es für den Personen- und Güterverkehr bessere Angebote gibt.

Bei realistischer Betrachtung müssen wir aber erkennen, dass auch in Zukunft das Auto das Verkehrsmittel Nummer eins bleiben wird. (Ruf bei den Grünen:  nichts macht!) Deshalb ist es wichtig – es ist heute schon einmal angesprochen worden –, dass dem in Forschung und Entwicklung, was umweltschonende Antriebssysteme be­trifft, besonderes Augenmerk geschenkt wird. Dies gehört besonders forciert, um auch da den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen möglich zu machen.

Einige kurze Anmerkungen auch noch zum Bereich der Land- und Forstwirtschaft: Un­sere Bauern leisten wirklich Großartiges; nicht nur, dass sie gesunde Lebensmittel er­zeugen, sie schützen und pflegen auch die Umwelt, und sie leisten Enormes zur Erhal­tung einer gepflegten Kulturlandschaft. Das alles ist nur deshalb möglich, weil es fi­nanzielle Anreize – oder besser gesagt: finanzielle Abgeltungen – für diese Sonderleis­tungen gibt.


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Eines muss uns nämlich auch klar sein: Die Lebensmittel, die zu Spottpreisen auf dem Weltmarkt angeboten werden, können nur deshalb so billig sein, weil es in vielen Län­dern der Welt derartige Umweltauflagen nicht gibt und nicht so ressourcenschonend produziert wird. Das Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft, kurz ÖPUL genannt, ist daher – davon bin ich fest überzeugt – ein unverzichtbarer Be­standteil für eine umweltgerechte Landwirtschaft.

Abschließend mein Appell: Bemühen wir uns wirklich alle und unternehmen wir alles, dass dieses Programm auch in den nächsten Jahren entsprechend aufgestellt und auch entsprechend finanziell ausgestattet wird! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Füller.)

11.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Taucher. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.04.24

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr verehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Lebensminister! Wir diskutieren heute den Zehnten Umweltkontrollbe­richt, ein wirklich umfassendes Werk. Mein Dank gilt eingangs den Verfassern, einer­seits im Ministerium, andererseits im UBA, im Umweltbundesamt.

Der Kontraredner ist ja bereits auf einige Dinge eingegangen. Ich glaube, beim Wasser hat er sich ein bisschen vertan, weil er den Bericht nicht ganz verstanden hat. Das Wasser hat extrem hohe Güte in Österreich – Sie haben es ja angesprochen (Zwi­schenrufe der Bundesräte Tiefnig und Dr. Schmittner) –, es ist geschützt, Trinkwas­serqualität. Es geht da um die Gewässerstrukturen, in diesem Bereich besteht Hand­lungsbedarf: dass die Fische wieder wandern können, denn Wasserkraftwerke und un­terschiedliche Staustufen unterbrechen die Wanderwege, daher muss die Fischpas­sierbarkeit verbessert werden. Das ist das Thema. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er ja ...!)

Wir müssen natürlich auch bei der Landwirtschaft genau hinschauen  – Rufen S’ nicht hinein, jetzt bin ich am Wort! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Gewöhnen Sie sich das ab! Ein bisschen ein Benehmen würde der FPÖ auch gut tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Brückl: Dazwischenrufen gehört genauso ...!)

Nitrate und Pestizide verursachen natürlich immer wieder regionale Probleme beim Grundwasser, das berichtet auch das Umweltbundesamt. Da müssen wir darauf ach­ten, dass wir besser differenzieren können, wo die Nitrate herkommen, von wem sie eingebracht werden, um das auch verhindern zu können.

Ich denke, bei der Luftqualität – um eine weitere Dimension anzusprechen – haben wir auch bedeutende Erfolge bei der CO2-Reduktion geschafft, obwohl man da vielleicht auch die Energieentwicklung für die nächsten Jahre bedenken muss.

Wir hatten vor Kurzem eine Diskussion zum Thema 300 Jahre Nachhaltigkeit an der TU, bei der uns die E-Control berichtet hat, es sei alles kein Problem: Peak Oil – kein Problem, Kohle – kein Problem; die nächsten 20 bis 30 Generationen können heizen und fossile Brennstoffe verbrauchen. Die Amerikaner holen sich das Schiefergas aus dem Boden, die Europäer müssen sozusagen teure Kohle verheizen; die Amerikaner sind plötzlich die Klimaweltmeister, weil Gas im Vergleich mit Kohle nur die Hälfte an CO2 produziert. – Also da sorgt natürlich die kapitalistische globale Weltwirtschaft für einige Probleme, und wenn es als Nachhaltigkeit verkauft wird, dass man Schiefergase abbaut und fracked, das Wasser zerstört, ganze Landschaften zerstört, Böden zerstört, die ja auch wichtig für die Nahrungsmittelproduktion et cetera sind, dann, glaube ich,


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hat der Herr von der E-Control etwas missverstanden, wenn er 300 Jahre nach Carlo­witz zum Thema 300 Jahre Nachhaltigkeit referiert. Ich glaube, dort dürfen wir nicht hingehen.

Wir haben in Österreich seit vielen Jahren, und das sagt auch der Umweltkontrollbe­richt, ein Problem bei den Stickoxiden, Schwefeloxiden, Feinstaub; da überschreiten wir die Grenzwerte laufend. Beim Feinstaub haben sieben Bundesländer die Grenz­werte überschritten. Also ich glaube, da besteht Handlungsbedarf, wahrscheinlich auch auf technischer Ebene: Filtersysteme, anderer Ressourceneinsatz.

Zum Bereich Boden – ich habe es kurz angesprochen –: In Österreich gibt es ja auch immer wieder Vorstöße, Schiefergase abzubauen. Das ist zum Glück verhindert wor­den, denn das wäre eine Katastrophe, wenn wir in den nährstoffreichen Bodenregionen Niederösterreichs mit Fracking beginnen würden. Das Thema Boden ist im Umweltkon­trollbericht überhaupt sehr gut behandelt. Ich glaube, das ist ein Thema, wo uns in der öffentlichen Debatte noch immer zu wenig bewusst ist, was es bedeutet, wenn in ein paar Jahrzehnten neun bis zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben und wir täg­lich allein in Österreich 4,3 oder 4,4 Hektar Boden versiegeln. Wo wollen wir dann Landwirtschaft betreiben? Wo wollen wir unsere Lebensmittel produzieren, wenn wir den Boden kaputtmachen?

Der Boden ist gleichzeitig auch ein extrem guter CO2-Speicher, der Humus im Boden ist ein guter CO2-Speicher und damit auch wichtig für unsere Luftqualität. Zum Humus­aufbau in unseren Böden gibt es ein ganz tolles Vorzeigeprojekt in Kaindorf in der Ost­steiermark, bei dem schon 200 Bauern mitmachen, weil Böden CO2-Speicher sind. Das ist ein Vorzeigeprojekt, wie ich meine. Auch in Niederösterreich gibt es mit der ÖSTRAT-Initiative „Beratung mit der Bodenkarte“ ein tolles Projekt. Beide Projekte kann man auch in der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie nachlesen.

Trotzdem brauchen wir beim Boden ein gutes Bodenmonitoring und ein Zielsystem, dass wir den starken Bodenverbrauch wirklich einschränken. Der Bericht gibt vor, dass das Ziel zirka 2,5 Hektar pro Tag sein müssten, das ist auch in der nationalen Nach­haltigkeitsstrategie so beschrieben, und wir sind da fast um das Doppelte drüber. Da braucht man verbindliche Steuerungsinstrumente, um das in den Griff zu bekommen.

Wir wissen, diese Kennzahlen betreffend Bodenversiegelung stehen zum Teil auch im Widerspruch zum Siedlungswesen. Einige von euch sind ja Bürgermeister, ich komme aus Wien, wir alle wissen: Wir müssen Wohnraum schaffen, es gibt Zuzug, es ist wichtig, dass wir genug junge Leute haben, damit wir die Kindergärten vollbringen, die Schulen vollbringen. In Wien gibt es ein extremes Bevölkerungswachstum – überall Wohnbau, Wohnbau, Wohnbau, Straßen, Infrastruktur, und, und, und. Da müssen wir uns kluge Modelle einfallen lassen, um gleichzeitig auch den Boden zu schützen, denn wenn wir den Boden nicht schützen, entziehen wir uns selbst eine Lebensgrundlage – und ich glaube, das wollen wir alle nicht.

Zum Klimaschutz ist schon etwas gesagt worden, da muss ich nicht viel sagen. Schade ist, dass wir das Kyoto-Ziel nicht ganz erreicht haben, dass wir Kompensationszahlun­gen – es ist im Umweltausschuss berichtet worden – in Höhe von 500 Millionen € leis­ten mussten. Das ist natürlich in Klimaprojekte in anderen Ländern geflossen, aber toll wäre es natürlich gewesen, wir hätten das Ziel erreicht und hätten 500 Millionen € in grüne Energien, in grüne Wirtschaft, in Green Growth in Österreich stecken können.

Zum Thema Ressourcenmanagement, Ressourceneffizienz: Auch da haben wir ganz tolle Stoffkreisläufe, wie ich glaube, wir haben gute Erfolge beim Mülltrennen in Öster­reich. Da haben wir wirklich viel weitergebracht, darauf können wir auch stolz sein. Gleichzeitig müssen wir uns sicherlich für die Zukunft überlegen, wie wir umgehen mit


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den seltenen Metallen, „Spicy Resources“, seltenen Edelmetallen, Rohstoffen, die in unseren Elektronikprodukten, Handys, Computern, Smartphones drinnen sind.

Ich war vor Kurzem auf einer Konferenz in Genf, da gab es ein schönes Beispiel: Um einen Goldehering zu produzieren, braucht man 1 000 Handys oder muss 10 Ton­nen Erde in irgendwelchen Minen unter schlimmsten Arbeitsbedingungen abbauen. Al­so es ist wahrscheinlich klüger, unsere technischen Geräte wiederzuverwerten, um Gold zu gewinnen, Selen, andere Stoffe, die wir für unsere modernen Technologien brauchen.

Ein Stichwort, das sicher in den nächsten Jahren noch viel dominanter in die öffentliche Diskussion dringen wird, ist Urban Mining. Im städtischen Bereich, in den ehemaligen Mülldeponien, in den Ablagerungen werden wir nach Ressourcen suchen und daraus auch Ressourcen herausholen müssen, um nicht nur abhängig zu sein von Importen und von Minen in Ländern, in denen die sozialen und Umweltstandards katastrophal sind.

Umwelt und Gesundheit sind, glaube ich, auch noch wichtige Punkte. Wir haben hier in diesem Haus die Gesundheitsreform und viele Umweltthemen diskutiert. Ich denke, das ist ein Querschnittsthema, und beide Aspekte gehören gemeinsam behandelt. Vie­le Umwelteinflüsse wirken auf die Gesundheit, da gibt es immense Wechselwirkungen. Denken wir nur daran, dass durch die globalisierte Wirtschaft immer mehr Stoffe in un­seren Handel eingebracht werden, die durchaus giftig sind, besonders giftig oft für Kin­der und Jugendliche. Da muss man gemeinsame Standards finden, ein gemeinsames Vorgehen.

Am Schluss – das Lamperl hier beim Rednerpult blinkt ja schon –, aber deswegen nicht weniger wert: die nachhaltige Entwicklung. 1992 hat die UNO in Rio postuliert, wir sollen nationale Visionen, Leitbilder für eine nachhaltige Entwicklung erarbeiten, 2002, zehn Jahre später am UN-Gipfel in Johannesburg wurden lokale Aktionspläne gefor­dert, auch das haben wir in einigen Bereichen gemacht, um da eine Entwicklung voran­zutreiben. Eigentlich haben wir seit 2002 auch eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie, auf die dieser Umweltkontrollbericht auch abzielt.

Leider – und das ist abschließend ein Wunsch von mir – ist diese Weiterentwicklung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie nach zehn Jahren sehr ins Stocken geraten. Das ist in den politischen Auseinandersetzungen hängen geblieben, wie mir bekannt ist, und ich hoffe, dass es die nächste Bundesregierung schafft, da wieder einen Schritt weiterzugehen. So ein Thema darf nicht in der politischen Querele hängen bleiben. Es muss eine gemeinsame Kraftanstrengung geben, um diese Strategie, um diese Maß­nahmen, diese Aktionspläne auf den Weg zu bringen, damit der nächste Umweltkon­trollbericht besser wird als dieser.

Wir haben viel erreicht, aber es gibt noch viel zu tun. Da kann man noch vieles verbes­sern, und in diesem Sinne möchte ich – nicht nur wegen des Salzburger Flughafens, sondern noch einmal im Sinne der Nachhaltigkeit – über den Zaun nach Deutschland schauen. Die deutsche Bundesregierung hat 2001 einen Rat für Nachhaltige Entwick­lung eingesetzt, der die Regierung berät, auch im Sinne von Maßnahmen, Weiterent­wicklung der Strategie. Ich glaube, es wäre eine gute Empfehlung an die zukünftige Bundesregierung, hier in Österreich analog zu Deutschland einen Rat für nachhaltige Entwicklung einzurichten, um dieses Thema voranzutreiben.

In diesem Sinne werde ich für meine Fraktion eine Kenntnisnahme des Berichts emp­fehlen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 70

11.16.00

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher hier im Saal und zu Hause!

Zuerst möchte ich mich beim Umweltbundesamt recht herzlich für den sehr detaillierten und aufschlussreichen Bericht bedanken. Wir von der grünen Fraktion werden den Be­richt natürlich sehr wohlwollend zur Kenntnis nehmen, wiewohl wir natürlich mit einigen Inhalten nicht zufrieden sind.

Mein Kollege, Herr Taucher, hat ohnehin gerade sehr viel von dem, was auch wir von der grünen Fraktion bemängeln werden, vorweggenommen. Der Bericht enthält sehr viele Handlungsempfehlungen, die eine sehr wichtige Grundlage für die kommende Regierung sind, auf denen aufgebaut werden kann und die in den nächsten fünf Jahren angegangen werden können. In 18 Kapiteln behandelt der Bericht alle Bereiche der Umweltpolitik. Ich möchte eine paar wichtige Punkte hervorheben.

Zum Bereich Wasser – das ist bereits zwei Mal angesprochen worden –: Es haben zwei Drittel der Flüsse einen guten ökologischen Zustand verfehlt. Da gibt es einer­seits – was natürlich sehr positiv ist – Förderungen zur Verbesserung der Gewässer­ökologie, auf der anderen Seite wird aber gerade im Bereich der Kleinwasserkraft ei­nem Wildwuchs zugesehen, der den Verbesserungspotenzialen sehr oft entgegenwirkt.

Der Kriterienkatalog des Landwirtschaftsministeriums ist unverbindlich und ist vor allem für Ausnahmefälle gedacht, also wenn ein Vorhaben gegen das Verschlechterungsver­bot verstoßen würde, kann man den Kriterienkatalog hinzuziehen. Die sehr oft gefor­derten österreichweiten strategischen Planungen, wo die österreichischen Flüsse aus energiepolitischen, wirtschaftlichen und natürlich auch ökologischen Gesichtspunkten bewertet werden und für die genügend Unterlagen und Untersuchungen vorliegen, sind nie erstellt worden, sodass an einer Stelle viel Geld für Verbesserungen ausgegeben, an anderen Flussstrecken aber weiterhin munter verbaut, gestaut und ausgeleitet wird.

Genau so eine strategische Planung, Herr Minister, würde zum Beispiel auch ver­hindern, dass es zu Wahnsinnsprojekten wie der Schwarzen Sulm in der Steiermark kommt, die dann zu EU-Vertragsverletzungsverfahren führen.

Das Luft-, Lärm- und Verkehrskapitel kann ich ganz kurz zusammenfassen: Wir brau­chen mehr öffentlichen Verkehr für die ÖsterreicherInnen und für den Güterverkehr, wir brauchen Umweltzonen, und wir brauchen eine wirksame Parkraumbewirtschaftung, dann passiert nämlich nicht mehr, was im jetzigen Bericht drinnen steht: Die Stick­stoffoxidemissionen sind um wahnwitzige 40 Prozent überschritten. Wir sind die Vorletzten im EU-Vergleich bei den Stickstoffoxidemissionen. Das beschlossene Maß­nahmenprogramm, das dem entgegenwirken soll, reicht laut UBA nicht aus, um die Emissionsgrenzwerte einzuhalten.

Ozonwerte sind regelmäßig überschritten, die Werte für Feinstaub und Stickstoffdioxid sind regelmäßig überschritten, und dafür ist maßgeblich der Verkehrssektor verant­wortlich. Vier von zehn ÖsterreicherInnen fühlen sich in ihren eigenen vier Wänden durch Lärm belästigt.

Dazu passt jetzt das Klimakapitel natürlich ganz hervorragend, das katastrophal aus­schaut, wie wir ja wissen. Österreich ist EU-Schlusslicht bei der Reduktion von Treib­hausgasemissionen. Statt zu reduzieren, ist der Treibhausgasausstoß sogar angestie­gen. Und der einzige Grund, dass es kein Vertragsverletzungsverfahren gibt, ist, dass wir Verschmutzungsrechte einkaufen können. Wir haben es schon gehört: Wir haben 500 Millionen € Strafzahlungen an die EU leisten müssen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Keine Strafzahlungen!) – Kompensationszahlungen für nicht erreich­te Klimaziele.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 71

Laut Umweltbundesamt wird Österreich sogar die neuen, im Vergleich zu den Kyoto-Zielen sehr niedrigen Ziele verfehlen, selbst wenn alle geplanten Maßnahmen umge­setzt werden.

Vor einem halben Jahr haben wir hier das zweiseitige Klimaschutzgesetz behandelt, das zwar Sektorziele zur Reduktion vorsieht, wenn auch sehr unambitionierte. Der Ver­antwortlichkeitsmechanismus, der als Verordnung erfolgen sollte, ist bisher in diesem halben Jahr immer noch nicht umgesetzt worden.

Naturschutz und Raumplanung ist in Österreich durch die Länderverantwortlichkeit oft eine Riesenherausforderung. Besonders im Bundesrat ist das sehr wichtig zu betonen. Beim Naturschutz ist bei internationalen Richtlinien und Konventionen wie der Biodi­versitätskonvention, dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen, der Aarhus-Kon­vention der Bund Vertragspartner, die UmsetzerInnen sind dann aber die Länder. Es kommt daher einfach dazu, dass sehr oft das Rad neunmal neu erfunden wird, dass in verschiedener Qualität und verschiedenen Ausmaßen gearbeitet wird. Es gibt keine einheitlichen Managementpläne für Schutzgebiete und so weiter.

So kommt es eben auch dazu, dass es ein Aufforderungsschreiben der EU zur Nach­nominierung von Natura-2000-Gebieten gegeben hat, und zwar nicht wegen zwei oder drei Gebieten, sondern österreichweit wegen zirka 200 Gebieten. Die Antwort auf die Nachnominierungen wird in den nächsten Tagen erwartet.

Heute ist der Weltbodentag. Da ist natürlich Raumplanung, wie von den VorrednerIn­nen auch schon angesprochen wurde, ein Riesenthema. Bei der Raumplanung emp­fiehlt das UBA einen gemeinsamen Aktionsplan Raumordnung für Bund, Land und Ge­meinden. Die Nachhaltigkeitsstrategie sieht vor, dass pro Tag höchstens zweieinhalb Hektar versiegelt werden dürfen. Die Versiegelung hat jedoch derzeit knapp das dop­pelte Ausmaß, 4,3 Hektar pro Tag. Die Verbauung liegt sogar in einem zehnfach hö­heren Bereich, bei über 22 Hektar pro Tag.

Dabei geht es eben nicht nur um den Luftverbrauch und die Versiegelung, sondern es geht auch um den vorausschauenden Hochwasserschutz, um den Klimaschutz durch die CO2-Speicherung in den Böden und um den Erhalt der Almen.

Abschließen möchte ich mit einem sehr positiven Punkt. Der Umweltkontrollbericht ist ja schon ein halbes Jahr alt, und es ist im Bericht auf das Atomstromimportverbot hin­gewiesen beziehungsweise dieses in Aussicht gestellt worden. Dieses haben wir be­reits im Juli im Plenum abgeschlossen, also es sind schon Sachen aus dem Bericht umgesetzt worden.  Weiter so!

Abschließend möchte ich dem Herrn Minister noch eine Empfehlung für die Damen und Herren KoalitionsverhandlerInnen mitgeben und hier appellieren: Nehmt die Um­welt in Österreich wirklich ernst! Schreibt nicht nur zwei Seiten Unverbindlichkeiten ins Regierungsübereinkommen, sondern nehmt euch richtig etwas vor und setzt es auch um! Der Umweltkontrollbericht ist randvoll mit Handlungsempfehlungen, wie man aus Österreich wirklich ein Ökovorzeigeland machen kann.  Danke. (Beifall bei den Grü­nen sowie der Bundesräte Mag. Taucher und Mag. Zelina.)

11.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


11.22.52

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich darf vorweg, passend zum heutigen Tag, vor allem danken – zum einen, dass das Umweltbundesamt diesen sehr umfassenden Bericht der letzten drei Jahre


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 72

sehr, sehr ausführlich und auch sehr intensiv gestaltet hat, und zum anderen dafür, dass es vor allem ein Leitfaden und eine Richtschnur für die kommenden Jahre sein wird und dass uns damit auch in vielen Bereichen die Rute ins Fenster gestellt wurde, wie man am Krampustag wahrscheinlich auch passend bemerken darf.

Aber ich glaube, es zeigt auch sehr klar, dass der Schutz der Umwelt eine Folge un­serer Wohlstandsentwicklung ist und dass Umweltschutz mit Sicherheit auch in den nächsten Jahren keinen Rückschritt bedeuten wird, sondern vielmehr Effizienzsteige­rungen in vielen Bereichen der Umsetzung von neuen Maßnahmen. Dieser Bericht ist letztlich auch ein Spiegel unserer Gesellschaft, zum einen was den Umgang mit Res­sourcen betrifft, zum anderen was den Umgang mit den Generationen nach uns betrifft.

Dieser Bericht zeigt sehr klar, dass der hohe Lebensstandard auf ganz wenigen Fak­toren beruht. Es ist einzig Energie, Öl und Strom, die den seidenen Faden zwischen dem ausmacht, dass wir einen hohen Wohlstand genießen, und dem, dass uns wo­möglich ganz, ganz eng wird beim Erhalt, wenn es um die notwendigen Konsequenzen geht. Erst vor Kurzem wurde eine Studie präsentiert, die das Szenario eines Blackouts geschildert hat und uns zeigt, wie schnell es eigentlich an die Grenzen unserer Mobilität gehen würde, hätten wir nicht diesen Strom oder würde es die Versorgung mit Öl nicht mehr geben. Daher ist es notwendig, da auch Vorsorgemaßnahmen zu treffen und ganz einfach zu zeigen, dass nicht alles selbstverständlich ist.

Der Flächenverbrauch wurde angesprochen: Wir haben in Österreich  heute aktuell  22 Hektar täglich an Flächenversiegelung. Das zeigt schon, dass es notwendig ist, Raumentwicklungs-, Raumordnungsmaßnahmen zu setzen, dass es auch notwendig ist, Entwicklungskonzepte, die in die Zukunft reichen, auch umzusetzen  auf Gemein­de-, auf Landes-, auf Bundesebene.

Es ist auch beängstigend – und es wurde ja schon vieles gesagt –, dass die Kohlendi­oxidbelastung eine der größten Gefahren in Zukunft darstellt, und wir müssen dem Treibhausgas natürlich Einhalt gebieten. Die Kosten sie wurden angesprochen, 500 Millionen €  gehören in Effizienzmaßnahmen investiert, in neue Projekte, in Zu­kunftsentwicklungen. Das ist der richtige Weg, und ich danke auch Minister Berlako­vich, der diesen Weg sehr klar eingeschlagen hat, nämlich in der Forschung, in der Entwicklung Umweltprojekte voranzutreiben.

Es hilft die ganze Diskussion sehr wenig, denn CO2, die Treibhausgase, all das kennt keine nationalen Grenzen. Wir sprechen hier von einer globalen Entwicklung, und Chi­na als größter Emittent von CO2 ist letztlich auch einer der größten Verhinderer von umweltpolitischer Weiterentwicklung.

Der Tank-Tourismus ist auch ein Thema, das immer wieder ins Spiel gebracht wird. Wir stehen in einem Konfliktszenario zwischen Wirtschaft und Umwelt, wo oftmals na­türlich auch wirtschaftlichen Interessen mit Sicherheit gewisser Raum gegeben werden muss.

Das Thema Feinstaub wurde angesprochen. Da ist es notwendig, der Luftqualitäts­richtlinie zu entsprechen und auch Maßnahmen zu setzen. Immer wieder wurde auch angesprochen, dass gerade die Mobilität, der Verkehr über 55 Prozent dieser Belas­tungen ausmacht. Wir brauchen nur zu schauen, wer auf sein Auto verzichtet. Letztlich ist Mobilität auch der Auslöser dieser enormen Entwicklung, dieser enormen wirtschaft­lichen Entwicklung, die wir hier in unserem Land genießen.

Das Thema erneuerbare Energien ist ein Steckenpferd, nicht nur der Grünen, son­dern gerade unseres Umweltministers, auch der landespolitischen Entscheidungsträ­ger. Und auf der einen Seite zu fordern, erneuerbare Energien auszubauen und darauf umzusteigen, auf der anderen Seite aber nicht bereit zu sein, das auch zuzulassen, Entwicklungen in Wasserkraft, in Wind, in Photovoltaik, das ist ein Widerspruch in sich.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 73

Wir wissen sehr klar, dass die Sonne keine Rechnung stellt, und ich glaube, das zei­gen ja viele Länderbeschlüsse.

Ich denke daran, dass im Kaunertal Wasserkraft ausgebaut werden soll, da ist es ein Thema der Grünen. Dort, wo es nicht so passt, wenn man sich die Steiermark an­schaut oder die Sulm, ist das plötzlich ein Konfliktthema. Ich verstehe da oftmals die Argumentation nicht ganz, aber ich sehe eines: Umweltpolitik hat nichts mit grüner Politik zu tun, sondern Umweltpolitik heißt letztlich, auch bei jedem Einzelnen klare Richtlinien und klare nachhaltige Ansätze zu finden.

Wir haben das bei der Abfallpolitik gesehen. Ich glaube, auch da zeigt sich sehr klar: Natürlich gibt es noch Möglichkeiten der Verbesserung: Mülltrennung, Stopp Littering  Aktionen, die gerade das zeigen. Wer sich heute an Hauptverkehrsachsen zu Fuß be­wegt, der wird feststellen, dass der Mülltourismus entlang dieser Hauptverkehrsadern ein ganz anderer geworden ist. Aber nichtsdestotrotz befinden wir uns in einem sehr sauberen Land, in einem Land, wo das Abfallverwertungssystem, die Abfallentsorgung, die Müllverwertung funktioniert – dank einer zielgerichteten Umweltpolitik in diesem Be­reich.

Aber auch eines ist der Fall – das gibt sicherlich Anlass zur Diskussion –: Wir hatten noch nie so viele Schadstoffe in Lebensmitteln wie jetzt, das artikuliert dieser Bericht. Da stellt sich sehr wohl die Frage: Was zeigt die Zukunft einer Plastikgesellschaft letzt­endlich? Es gibt Filme, die das aufzeigen, wie „Plastic Planet“, aber es geht letztlich um Gefahren, die wir tagtäglich spüren. Und einmal zu versuchen, plastikfrei zu leben, zeigt eigentlich, wie schnell wir in unserem täglichen Gebrauch an die Grenzen stoßen, und da ist mit Sicherheit auch Handlungsbedarf gegeben.

Die Gewässerreinhaltung, die ich nur erwähnen möchte, zeigt sehr klar, dass wir oberste Trinkwasserqualität in unseren Ländern haben.

Wir haben enorm viele Erfolge: sei es aufgrund einer funktionierenden Abwasserent­sorgungspolitik, sei es letztlich aber auch deshalb, weil es notwendig ist, Gelder noch verstärkt zu investieren. Wir brauchen gerade in der Frage der Infrastruktur von Sied­lungen, Kanal, Wasser, natürlich die nötigen Mittel, die auch weiterhin diesen Ausbau und die Entsorgung garantieren.

Ich möchte es in Zahlen fassen: 2012 wurden insgesamt 287 Millionen € an Umweltför­derung für 18 793 Projekte bereitgestellt, weiters gab es daraus 1,6 Milliarden € an In­vestförderung, was den Regionen zugutekam. Das bringt letztlich den Erfolg, der es auch notwendig macht, weiterhin daran zu arbeiten. Weiters geht es um über 18 800 Green Jobs, Arbeitsplätze, die sehr wohl Nachhaltigkeit besitzen und damit auch Le­bensqualität absichern und dezentrale Räume auch zukünftig nach vorne bringen.

Der Bericht zeigt, dass wir ein hohes Niveau an Umweltschutz haben, der Bericht zeigt, dass wir aber auch Handlungsbedarf haben. Das ist mit Sicherheit ein Thema, das wir gemeinsam diskutieren müssen, das ist auch ein Thema, wo wir etwas gemeinsam in eine Richtung, an einem Strang ziehend bewegen müssen.

Biodiversität wurde angesprochen, ich möchte es erweitern auf das Thema der Land­wirtschaft. Wir haben flächendeckende Landbewirtschaftung und damit auch die Not­wendigkeit, dass die Landwirtschaft zu 100 Prozent Umweltschutz in diesem Land be­treibt, nicht nur auf 16 Prozent der Fläche, die in Bundesnaturschutzgebieten, in Na­tionalparks oder in Europaschutzgebieten verankert sind, sondern es geht um 100 Pro­zent der Fläche, die durch unsere Landwirtschaft geschützt und gesichert wird.

Das ist der zukünftige Weg, um auch weiterhin erfolgreiche Umweltpolitik betreiben zu können. Es ist auch notwendig, diese Bewirtschaftung mit ländlichen Geldern, mit Gel­dern der Europäischen Union, aber auch mit Kofinanzierungen weiter zu unterstützen,


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 74

weil diese Gelder sehr klar in den Regionen in Projekte und nicht zuletzt in vielseitige Leistungen investiert werden.

Es ist der Erfolg, der uns  ich betone das zu einer enkeltauglichen Gesellschaft ma­chen wird, und es ist letztlich der Erfolg, der zeigt, dass Umweltschutz bei uns, bei jedem Einzelnen anfängt. In diesem Sinne gratuliere ich zu diesem Umweltbericht und darf all jenen, die nur wenige Seiten dieses Umweltberichtes zitieren, vielleicht von die­ser Stelle aus auch Folgendes klar sagen: Dieses Werk umfasst 288 Seiten! Das an diejenigen, die nur wenige Seiten zitieren, um all die guten, die positiven Maßnahmen zurückzustellen und das Schlechte ins Licht zu rücken. Ich glaube, es ist vielmehr not­wendig, die positiven Dinge hervorzuheben und daran weiterzuarbeiten. In diesem Sinne: Machen wir gemeinsam so weiter! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Taucher und Mag. Zelina.)

11.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

 


11.33.28

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her­ren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Ja, es wurde mehrfach schon festgestellt, der Zehnte Umweltkontrollbericht der letzten drei Jahre oder über die letzten drei Jahre ist sehr umfangreich, liegt vor. Es ist ein sehr aussagekräftiges Standardwerk zur Lage der Umwelt in Österreich.

Der Dank geht an das Umweltbundesamt. Es stellt der Umwelt in Österreich insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Erfolge sind vor allem in der Gewässerreinhaltung und in der Abwasserreinigung zu vermerken. Also ich verstehe, Herr Kollege Schmittner, nicht, was Ihre Aussage war, also irgendwo haben Sie sich da verlesen in diesem Umwelt­kontrollbericht.

Unbefriedigend ist beispielsweise weiterhin die Problematik des Feinstaubes. 2011 wurde die zulässige Belastung der europäischen Luftqualitätsrichtlinie in sieben Bun­desländern überschritten.

Erlauben Sie mir, nachdem schon sehr viele Punkte behandelt wurden, auf zwei Punk­te näher einzugehen. Ihnen geht es gleich, das wurde uns auch von den Vorrednerin­nen und Vorrednern schon näher gebracht. Ich habe mit sehr gemischten Gefühlen die schwierigen Verhandlungen der Klimakonferenz in Warschau mitverfolgt, die nicht nur einmal vollkommen zu scheitern drohte. Immerhin konnte man sich zumindest in wei­terer Folge dann auf ein Klimaabkommen oder auf Grundsätze eines Klimaabkommens einigen, wenngleich noch wenig wirkliche Verbindlichkeiten daraus zu vernehmen wa­ren.

Das Ziel der Eindämmung des durch Treibhausgasemissionen verursachten Klimawan­dels ist eine der größten Herausforderungen des 21 Jahrhunderts. Nur drastische, vor allem globale Maßnahmen können dazu beitragen, die Klimaschutzziele für 2020 im Hinblick auf die Einschränkung der Klimaerwärmung auf durchschnittliche zwei Grad Celsius zu erreichen. Was sich auf dem internationalen Parkett so schwierig anlässt, bereitet uns auch auf nationaler Ebene Probleme. Der Umweltkontrollbericht weist eigentlich deutlich aus, dass Österreich die durch das Kyoto-Protokoll festgeschriebene Reduktion der nationalen Emissionen nur durch den Einsatz sogenannter flexibler Instrumente – um das richtig auszudrücken –, also durch von Österreich im Ausland fi­nanzierte Klimaschutzbestrebungen, bewerkstelligen konnte, und das in einem größe­ren Ausmaß, als vorgesehen war, also diese 500 Millionen für CO2-Zertifikate für die Zeit von 2005, glaube ich, bis 2013.


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Das kann und darf nicht unser langfristiges Ziel sein. Das Bemühen, aus eigener An­strengung heraus mit geeigneten Maßnahmen, vor allem mit der verstärkten Förderung von erneuerbaren Energieträgern auch Emissionsgrenzen einzuhalten, muss ein ver­pflichtendes klima- und energiepolitisches Ziel sein. Wir werden sehen, was Kyoto II in weiterer Folge bringt.

Ein weiterer Punkt befasst sich mit biologischer Vielfalt und mit dem Naturschutz. Als Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde liegt mir der Naturschutz ganz besonders am Herzen; der Herr Bundesminister und auch der Herr Bundespräsident haben uns besucht und haben das auch festgestellt. In Österreich sind 16 Prozent der Bundes­fläche als Nationalpark, Natura-2000-Gebiete oder Naturschutzgebiete streng ge­schützt. Hinzu kommen noch fast 11 Prozent weniger streng geschützte Gebiete, wie zum Beispiel Landschaftsschutzgebiete und geschützte Landschaftsteile. Und erfreuli­cherweise sind in Österreich sechs Nationalparks von der Weltnaturschutzunion IUCN als solche international anerkannt und ausgezeichnet worden.

Das ist sicher ein großer Erfolg, und ich weiß aus eigener Erfahrung aus dem Natio­nalpark Hohe Tauern, dass der Weg dorthin nicht immer ein sehr einfacher war, dass aber durch sehr behutsame Kooperation mit allen Interessensgruppen, vor allem aber mit den Grundbesitzern, denen mein besonderer Dank gilt, und Nutzungsberechtigten, ein guter und nachhaltiger Weg gefunden werden konnte.

Festzustellen ist, dass 73 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher den Begriff Nationalpark kennen und dass dieser Begriff – was noch wichtiger ist – für Gäste, aber auch für die einheimische Bevölkerung positiv besetzt ist. Es ist da in den letzten Jahren sicher sehr viel Positives gelungen, auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Die Aufga­ben des Nationalparks sind sehr umfassend, von der Forschung, vom Naturraumma­nagement, bis hin zu Bildung, Kommunikation und Marketing. Die Vermittlung der Na­tionalparkidee durch verschiedenste Programme, Einrichtungen, durch Besucherinfor­mations- und Bildungszentren ist von eminenter Wichtigkeit und ein sehr wesentlicher Teil dieses Erfolges, der weiter ausgebaut werden muss.

Leider gibt es in Österreich noch deutliche Schwachstellen im Naturschutz, vernehm­lich bei den Natura-2000-Gebieten. Es sind zusätzlich Gebiete für das Schutzgebiets­netzwerk Natura 2000 ausgewiesen, damit die Ziele der EU-Naturschutzrichtlinien ein­gehalten werden.

Vorschläge zur Erweiterung des Schutzgebietsnetzwerks liegen vor und sollen drin­gendst überprüft, umgesetzt und in den Bundesländern rechtlich verankert werden. Es ist dies ein unumgänglicher Schritt zur Erhaltung der Biodiversität, um die in Österreich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sowie deren Lebensräume zu erhalten – was wir ja auch schon im EU-Ausschuss besprochen haben. Ich glaube, dass da unmittel­barer Handlungsbedarf besteht, und in Kärnten wurden die ersten Schritte dazu auch schon durch die Kärntner Landesregierung eingeleitet.

Es ist zu hoffen, dass die sehr detaillierten Analysen dieses Umweltkontrollberichtes von den entsprechenden Stellen wahrgenommen und dass die Empfehlungen und kon­kreten Maßnahmenvorschläge von der Politik auch aufgegriffen und in weiterer Folge realisiert werden.

Österreich ist in vielen Bereichen des Umweltschutzes ein Musterland, hat jedoch in manchen Bereichen – und das haben auch meine Vorredner schon festgestellt –, die einen und anderen problematischen Dinge – was naturgemäß in der Sache begründet liegt und auch so dargestellt wurde –, die wir sicher beseitigen können. Wir werden die Lösung dieser Probleme in die Hand nehmen.

Ich kann nur dazu gratulieren, dass wir trotzdem in der Lage waren – das geht auch aus diesem Bericht hervor –, dass dieser Umweltkontrollbericht im Großen und Gan-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 76

zen sehr, sehr positiv für Österreich ausfällt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bun­desrates Mag. Zelina.)

11.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte, Herr Minister.

 


11.41.49

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Der Umweltkontrollbericht wird alle drei Jahre vom Umweltbundesamt erstellt; das wurde bereits von den Vorrednern erwähnt. Ich danke den Expertinnen und Experten des Umweltbundesamtes, aber auch jenen des Lebensministeriums.

Das ist ein sehr umfassender Bericht, der sehr viele Empfehlungen enthält, gesammel­te Daten präsentiert, Informationen zusammenträgt, wie es denn um die Umweltsitua­tion in Österreich steht. Das ist ein positiver Bericht, und (in Richtung Bundesrat Dr. Schmittner), Herr Bundesrat, Sie haben diesen Bericht nur mit einem Auge gele­sen, nämlich mit dem Auge der Kritik. Das ist Ihr gutes Recht, aber das ergibt – und Sie haben das hier wiedergegeben – ein verzerrtes Bild der Wahrheit, denn Sie haben nur die Negativa hervorgehoben und nicht die vielen, vielen positiven Dinge erwähnt, die im Umweltbereich stehen, die nicht erst seit heute, sondern seit Jahren entwickelt wurden, und zwar gemeinsam, in einer Kooperation der Bundesstellen, der Länder und auch der Gemeinden, und vor allem durch aktive Teilnahme der Bevölkerung. Es ist schade, wenn Sie nur das sehen, weil es der Wirklichkeit nicht entspricht.

Der Vorredner hat es angesprochen: Österreich ist ein Umweltmusterland – was nicht heißt, dass wir uns auf den Lorbeeren ausruhen, aber es ist schon festzuhalten, dass wir in vielen Bereichen des Umweltschutzes zur Spitze gehören, dass wir aber auch in einigen Bereichen Nachholbedarf haben und noch besser werden müssen –, das ist ja unbestritten. Und genau das zeigt der Umweltkontrollbericht auf.

Er zeigt nämlich, dass wir zum Beispiel im Bereich der Wasserqualität, der Abfallwirt­schaft, der Ressourceneffizienz oder der erneuerbaren Energie ein sehr, sehr hohes Niveau haben, dass wir aber Handlungsbedarf in einigen Politikbereichen haben – was ich auch nie geleugnet habe –, wie beispielsweise Klimaschutz oder Bodenverbrauch.

Nun zu den einzelnen Themen.

Erstens: Wasserqualität. – Das haben Sie hier ein bisschen verdreht wiedergege­ben – ein paar Vorredner haben das angesprochen. Das ist sehr gefährlich, weil es die Bevölkerung verunsichern kann. Also das Ziel der österreichischen Politik ist, dass die heimische Bevölkerung ausreichend Trinkwasser in hoher Qualität und in ausreichen­der Menge bekommt. Und das gelingt uns, nämlich die österreichische Bevölkerung mit Trinkwasser auf einem sehr hohen Qualitätsniveau zu versorgen. Wir tun auch sehr viel gemeinsam dafür, dass wir diese Trinkwasserreserven sichern!

Fahren Sie in ein anderes europäisches Land, drehen Sie den Wasserhahn auf, und Sie werden kein derart hochwertiges Wasser bekommen, wie Sie es zum Beispiel in ei­ner Großstadt wie Wien bekommen. Das ist nicht selbstverständlich, das ist die Arbeit vieler, die da zusammenarbeiten.

Betreffend auch zum Beispiel die Qualität der Gewässer, die Badewasserqualität, was für den Tourismus wichtig ist: Es kommen immer wieder Berichte, beispielsweise von der Europäischen Umweltagentur, einer objektiven Institution, die besagen, die Bade­wasserqualität ist hervorragend.

Das, was Sie angesprochen haben, ist die Gewässerökologie. Ja, dort haben wir Nach­holbedarf. Nur: Da muss man der Bevölkerung schon sagen, worum es da geht. – Ge-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 77

wässerökologie heißt auch, dass die Fische einen Fluss nicht durchgängig hinauf­schwimmen können. Warum? – Weil es eben ein Wasserkraftwerk oder weil es Hoch­wasserschutzmaßnahmen gibt. So, jetzt kann ich es mir aussuchen: Will ich den Hoch­wasserschutz oder will ich ihn nicht? Will ich das Wasserkraftwerk? – Das, was wir tun, ist, dass wir eben die Ökologie verbessern – das haben VorrednerInnen ja auch ange­sprochen –, indem eine Fischaufstiegshilfe gemacht wird, wenn ein Wasserkraftwerk da ist oder beim Hochwasserschutz. Das kostet enorm viel Geld, und wir haben dies­bezüglich auch Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt.

Ich bekenne mich hier auch dazu: Dort müssen wir besser werden! Wir haben einen Plan – den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan –, der in Etappen, auch im Ein­klang mit den Vorgaben der Europäischen Union, umgesetzt werden soll. Derartige bauliche Maßnahmen kosten, wie gesagt, viel Geld, und das geht nicht von heute auf morgen, aber sie werden konsequent umgesetzt, und zwar nicht nur von der Energie­wirtschaft oder der Privatwirtschaft, sondern es sind auch sehr viele Gemeinden davon betroffen, und die bekommen Investitionsförderungen. Dort müssen wir besser werden.

Betreffend Hochwasserschutz hat sich auch heuer durch die extremen Hochwässer von Vorarlberg bis Wien gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir in den letzten Jahren sehr, sehr viel gemeinsam auch darin investiert haben – der Bund, die Länder und die Ge­meinden. Und wir sind ja auch dabei, dass wir da mehr tun.

Wir haben als eine Konsequenz dieser Hochwässer im Ministerrat beschlossen, dass wir die Hochwasserschutzmittel erhöhen. Auch angesichts der knappen Budgets sollen für die nächsten zehn Jahre rund 2 Milliarden € für den Hochwasserschutz zur Verfü­gung gestellt werden, das heißt: Aufstockung der Mittel. Im Übrigen sind derartige In­vestitionen gerade für die regionale Wirtschaft von großer Bedeutung, weil sie in der Region, im ländlichen Raum, Investitionen sichern und damit Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig die österreichische Bevölkerung schützen.

Wir haben Berechnungen angestellt für diverse Regionen. Im Bundesland Salzburg wurden wenige hundert Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert, dadurch wurden aber Schäden im Ausmaß von riesigen Summen, von Milliarden verhindert. Das heißt, das rechnet sich. Das ist eine bewährte Weise, und die Bundesregierung sagt, dass wir da auch investieren wollen.

Die Luftqualität wurde angesprochen. Wir haben in vielen Bereichen der Luftqualität wirkliche Fortschritte erzielt – denken Sie an den sauren Regen und das Waldsterben! Das Thema Schwefeldioxyd ist keines mehr, das haben wir in den Griff bekommen, ge­nauso wie auch Ammoniak oder fluorierte Gase. Wir stehen vor neuen Herausforde­rungen. Es wurde der Feinstaub angesprochen beziehungsweise auch NOx. Aber auch da, Herr Bundesrat: Wenn Sie sich hier herausstellen und sagen, da müsste mehr ge­tan werden, dann richtet sich das – Sie sind Bundesländervertreter – an Ihre Adresse! Die Feinstaubprogramme liegen auf dem Tisch, die Regionen müssen sie umsetzen. Da haben wir uns in der Koordinierung gemeinsam darauf verständigt, dass die Re­gionen die Feinstaubprogramme umsetzen müssen.

Auch wenn Sie die Biodiversität ansprechen: Der Naturschutz ist Landessache! Das ist kein Weglegen von Kompetenz, aber wir haben uns auf diese Aufgabenteilung ver­ständigt.

Wir haben das IG-Luft, das Immissionsschutzgesetz – Luft gemacht. Das ist ein Werk­zeugkoffer, wo die Länder dasjenige Werkzeug herausnehmen, das ideal ist, um die Luft in gewissen Gebieten sauber zu halten – sei es jetzt, indem sie den Verkehr redu­zieren, beim Hausbrand ansetzen, indem sie verschiedene Dinge machen. Da gibt es wahnsinnig viele Möglichkeiten. Das ist ein großes Thema, und auch dort, beim Fein­staub, müssen wir ohne Frage besser werden.


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Im Übrigen möchte ich Ihnen nur sagen, dass das Feinstaubthema ein gesamteuropäi­sches Problem ist. Viele Staaten der Europäischen Union haben ein echtes Problem damit, diese Feinstaubziele zu erreichen. Das soll das Thema nicht kleinreden, aber das zeigt nur, wie schwierig es ist, weil es ja auch Fernverfrachtungen gibt. Wir müs­sen da besser werden – wie im Übrigen auch beim NOx, beim Stickoxyd. Da ist nicht nur Österreich in einer schwierigen Lage, sondern auch viele andere europäische Staaten haben es schwer, ihre Ziele zu erreichen. Es gibt viele Diskussionen mit dem Umweltkommissar auf europäischer Ebene, damit wir uns hier neu positionieren. Aber im Großen und Ganzen ist die Luftqualität in Österreich trotz allem eindeutig besser geworden, das zeigt ja auch der Umweltkontrollbericht.

Zum Thema Klimaschutz: Kyoto, die Kyoto-I-Periode, ist mit dem Jahr 2012 abge­schlossen. Und auch dazu ein offenes Wort, weil immer wieder von Strafzahlungen ge­sprochen wurde: Österreich hält seine Klimaschutzverpflichtungen ein, und zwar halten wir sie dahingehend ein, dass wir einen Teil unserer Klimaschutzverpflichtungen – Treibhausgase – eben durch Investitionen im Inland erreichen, und für jenen Teil, den wir nicht erreicht haben, zahlen wir keine Strafe, sondern wir investieren in Klima­schutzprojekte – es wurde angesprochen: flexible Mechanismen – zum Beispiel in Ent­wicklungsländern.

Teilweise sind auch österreichische Firmen an diesen Projekten beteiligt, diese stehen der österreichischen Wirtschaft zur Verfügung. Wir haben zum Beispiel mit osteuropäi­schen Ländern Klimaschutzprojekte, wo Kindergärten und Schulen saniert werden. Al­so das Geld, das wir da in die Hand nehmen, wird verpflichtend für Klimaschutzpro­jekte dort verwendet und wandert nicht in andere Dinge.

Ich will da nichts beschönigen, sondern ich will einfach nur sagen, wie es in Wahrheit ausschaut. Das Ziel ist, in der jetzigen, in der neuen Periode nicht mehr derartige In­vestitionen zu machen, sondern nach Möglichkeit realistische ambitionierte Ziele zu ha­ben, um diese dann auch zu erreichen.

Das Klimaschutzgesetz wurde immer wieder kritisiert. – Ich sage Ihnen, das waren har­te dreijährige Verhandlungen meinerseits mit meinem Ziel – das ich erreicht habe –, dass der Bund und die Bundesländer im Boot sind. Erstmals ist der Klimaschutz ver­pflichtend und er ist verbindlich. Bisher hat jeder irgendetwas gemacht, was gut ge­meint war, aber das hat eben nicht zur Zielerreichung geführt. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet nun zur gemeinsamen Strategie – und zwar vor allem die einzelnen Sek­toren. Im Verkehr erreichen wir unsere Klimaschutzziele nicht, beim Hausbrand und bei der Wirtschaft – aber ich stehe nicht hier, um Schuld zu verteilen. Jetzt wurde verein­bart, dass die einzelnen Sektoren für sich Maßnahmenpakete entwickeln, wie wir unse­re neuen Ziele bis 2020 erreichen.

Außerdem muss darauf verwiesen werden, dass nur die Europäische Union und ein paar europäische Staaten wie Norwegen und die Schweiz überhaupt verpflichtende Kli­maschutzziele haben, und der Rest der Welt hat keine Klimaschutzverpflichtungen. Un­ser Ziel bei den internationalen Verhandlungen ist es nun, solche zu erreichen.

Aber zurück zu Österreich: Wir haben das Klimaschutzgesetz, und erstmals gibt es auf dieser Basis einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog. Bund und Bundesländer haben nämlich einen Maßnahmenkatalog ausgearbeitet, wie wir in den einzelnen Sektoren die Klimaschutzziele erreichen. Das haben wir auch im Ministerrat beschlossen, das heißt, es gibt dort einen Fortschritt. Der Sanktionsmechanismus, der angesprochen wurde, ist ein Wunsch der Bundesländer für die Finanzausgleichsverhandlungen, aber Ziel muss sein, dass wir im Klimaschutz besser werden.

Ich möchte nun etwas zur Klimakonferenz in Warschau sagen. Die Vereinten Nationen laden dazu ein. Es gilt Einstimmigkeitsprinzip, das heißt, wenn ein kleiner Staat sagt: I


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don’t agree!, dann findet das nicht statt. Und das ist, finde ich, auch gut so, denn ich wollte nicht haben, dass das kleine Österreich von ein paar großen Staaten in der Welt dirigiert wird. Jeder hat dort also das gleiche Recht – das macht es aber auch schwie­riger, da es eben die Einstimmigkeit gibt. Das, was wir aber vor zwei Jahren bei den UNO-Konferenzen erreicht haben, ist, dass sich erstmals alle verpflichtet haben, dass es ab 2015 einen Weltklimaschutzvertrag gibt, wo diesmal nicht nur die EU dabei ist, sondern wo alle Staaten der Welt dabei sind. Das ist ein wichtiger Schritt gewesen!

In Warschau ist es darum gegangen, wie wir diesen Klimaschutzvertrag mit Leben er­füllen: Wie soll der Inhalt sein? Wie ist der Aufbau des Vertrages? Und, und, und. – Das sind sehr, sehr zähe Verhandlungen. Und auch dort in der Aufstellung haben wir wieder gesehen, dass eben große Emittenten im asiatischen Raum nicht in Verpflich­tungen hineinwollen und das als Hemmung ihrer dortigen Wirtschaft sehen. Aber ge­nau deswegen wollen wir ja einen Weltklimaschutzvertrag, denn wenn die europäische Stahlindustrie Auflagen durch den Klimaschutz hat und die chinesische nicht, die indi­sche nicht und die amerikanische nicht, dann ist das auch für die Wirtschaft ein Wett­bewerbsnachteil. Also wir bleiben bei dem Ziel, den Weltklimaschutzvertrag zu ma­chen.

Auch wir hätten uns gewünscht, dass in Warschau mehr herauskommt, aber wichtig ist, dass wir uns in kleinen, zähen Schritten dem nähern und nicht nachlassen, da in Wahrheit die Europäische Union und viele Entwicklungsländer an Ergebnissen interes­siert sind. Da werden wir dranbleiben.

Nächster Punkt: erneuerbare Energien. – Wir haben da ja auch unsere Erfolge. Im Jahr 2005 ist in Österreich der Anteil an erneuerbaren Energien in etwa bei 23,9 Pro­zent gelegen. Jetzt, im neuesten Bericht, sind wir bei über 32 Prozent Anteil erneuer­barer Energie. Konsequenter Ausbau! Sie verfolgen sicher die Diskussionen betreffend Energiewende. Das ist der richtige Weg, als zentraler Beitrag zum Klimaschutz: von den fossilen Energieträgern Öl, Kohle und Gas wegkommen. Es geht! Es ist mühselig, aber es ist der richtige Weg.

Das, was erfreulich ist, ist, dass die Energiebilanzen der letzten zwei Jahre zeigen, dass uns erstmals etwas gelungen ist, was notwendig ist, nämlich dass die Wirtschafts­entwicklung vom Energieverbrauch abgekoppelt ist. Das heißt, die Wirtschaft entwi­ckelt sich positiv und der Energieverbrauch sinkt. Und genau das ist der Schlüssel für die Klimaschutzpolitik: Wir wollen eine wirtschaftliche Entwicklung haben, damit die Menschen einen Arbeitsplatz haben, und gleichzeitig soll der Energieverbrauch sinken, das heißt, Umwelt und Klima geschützt werden. – Dort dürfen wir nicht nachlassen, dort müssen wir weitertun! Das ist die Herausforderung der Zeit.

Weiters: Abfallwirtschaft. – Österreich ist da Weltspitze! Ich sage das ohne Anma­ßung, aber das ist ein Verdienst einer wirklich konsequenten Arbeit. Wir verkaufen un­sere Umwelttechnologie in andere Länder. Es wurde letztens in vielen Bereichen be­stätigt: Spitzenposition bei Elektroschrott und, und, und. Die Menschen sammeln, und wir müssen die Leute positiv motivieren, dass sie weiterhin getrennt sammeln, dass sie Papier, Altglas, all die Stoffe, die recyclebar sind, sammeln, da wir sie in den Stoffkreis­lauf zurückführen und damit Riesenerfolge haben.

Ein weiterer Punkt, den wir vor Kurzem angegangen sind: Lebensmittel. – Wenn 160 000 Tonnen Lebensmittel im Abfall verschwinden im Wert von 300 € pro Jahr und Haushalt, können sich die Menschen etwas ersparen, wenn sie sorgsamer damit um­gehen, damit Abfall vermeiden und auch einen Beitrag in Richtung einer vorbildlichen Abfallwirtschaft leisten.

Das Thema Ressourcen wurde bisher nicht erwähnt. Das ist einer der Schlüssel der Zukunft meiner Meinung nach. Ein Kontinent, der Rohstoffe und Energie braucht,


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braucht eine sorgsame Ressourcenbewirtschaftung. Das heißt, man muss die Frage stellen: Wie setze ich die Menge Energie und Rohstoffe, die ich habe, in der Wirtschaft so effizient ein, dass ich einen möglichst großen Output habe und damit Energie und Rohstoffe spare? – Das ist nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa ein The­ma.

Diesbezüglich sagt der Umweltkontrollbericht, dass wir im Ressourcenmanagement besser geworden sind und die Ressourceneffizienz zugenommen hat. Wir waren das erste europäische Land, das einen – verzeihen Sie das Wort, aber so heißt es techno­kratisch – Ressourceneffizienzaktionsplan ausgearbeitet hat, weil die Europäische Uni­on gesagt hat, jeder Mitgliedstaat soll so etwas haben. Wir haben diesen gemeinsam mit der Wirtschaft und mit der Wissenschaft entwickelt und uns die Frage gestellt: Wie reduzieren wir den Einsatz von Rohstoffen und Energie und haben trotzdem eine wirt­schaftliche Entwicklung? Diese Pläne setzen wir um, und das bringt auch etwas.

Das Thema Biodiversität wurde angesprochen. – Sie haben die richtigen Zahlen er­wähnt: 16 Prozent der Fläche in Österreich sind Natura-2000-Gebiete, plus starker Na­turschutz, und 27 Prozent der Fläche Österreichs sind in irgendeiner Form unter Schutz gestellt. Das ist ein internationaler Spitzenwert, der zeigt, dass das nicht selbst­verständlich ist, dass hier viel Arbeit geleistet wird. Und es ist richtig, dass Natura-2000-Gebiete nachnominiert werden sollen, aber auch das ist Angelegenheit der Bun­desländer. Bei der letzten Umweltreferentenkonferenz haben die Bundesländer, die für den Naturschutz zuständigen Landesräte, gesagt, sie werden sich zusammensetzen, um eben zu schauen, wie sie diese Nachnominierungen machen können. – Wir unter­stützen sie selbstverständlich dabei.

Abschließend: Vor Kurzem ist ein Umweltprüfbericht der OECD herausgekommen. Die OECD hat uns nach zehn Jahren wieder geprüft, und die OECD-Prüfer haben gesagt, und ich zitiere, Österreich ist ein Umweltmusterland. Sie haben lange suchen müssen, um irgendwo Schwierigkeiten zu finden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Es wurde erwähnt, dass Österreich beim Klimaschutz besser werden muss – das ist, wie gesagt, unbestritten –, auch bei der Situation des Feinstaubes und so weiter – es soll nichts beschönigt werden, Sie können diese Berichte gerne haben –, aber es wurde die Situation in der Abfallwirtschaft, in der Trinkwasserversorgung, bei den Green Jobs, im Green Growth positiv erwähnt. In vielen Bereichen sind wir wirklich hervorragend unterwegs. Bei den erneuerbaren Energien sind wir weit über dem OECD-Durschnitt, wie auch bei vielen anderen Dingen. Nehmen Sie bitte den Umweltschutz als Positiv­motivation!

Und ganz zum Schluss: Wissen Sie, was meiner Meinung nach die Herausforderung der Zeit ist? – Ganz Europa – in Wahrheit die Welt, aber auch Europa – ringt darum, eine wirtschaftliche Entwicklung zu haben, damit die Menschen einen Arbeitsplatz ha­ben. Es besteht die Gefahr, dass der Umwelt- und der Klimaschutz ins Hintertreffen ge­raten. Hören Sie sich die Meldungen der Industrie an! Dort sagt man, Energie wird bil­liger. Die Amerikaner setzen auf „shale gas“, auf Schiefergas, und werden plötzlich zum besseren Klima-„Darsteller“. Sie exportieren Kohle nach Europa, und Europa ge­rät ins Hintertreffen. Und die Industrie sagt: Wir finden in den USA bessere Stand­ortmöglichkeiten, wir wandern ab! – Da besteht schon die große Gefahr, dass der Um­weltschutz ins Hintertreffen gerät. Ich habe viele, viele Diskussionen gehabt.

Mein Zugang war immer und ist es noch, dass wir Ökologie und Ökonomie vereinen müssen, dass wir zeigen, dass die Verbindung „Umweltschutz und wirtschaftliche Ent­wicklung“ geht. Viele Unternehmen in Österreich zeigen das auch, viele Menschen zei­gen das auch. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen: Wie können wir Erneuerbare energieeffizient produzieren und günstig anbieten und gleichzeitig eine wirtschaftliche Entwicklung sichern – aber nicht zum Schaden der Umwelt und des Kli-


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mas!? Ich möchte dazu aufrufen, dass wir gemeinsam in der nächsten Periode auch dafür Sorge tragen, dass beides in einer Balance, in einer ökosozialen Balance, auch in Zukunft von Bedeutung ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

11.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Dr. Schmittner: Und ob!) – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Dr. Schmittner beginnt von seinem Sitzplatz aus zu sprechen.)

Kommen Sie bitte heraus! (Bundesrätin Mag. Kurz: Das geht nicht bei uns! – Bun­desrat Preineder: Das ist eh nicht so weit!)

 


11.58.31

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister, Sie sollten meine Kritik jetzt nicht als persönlichen Affront werten, aber ich glaube, es nützt der Umwelt nichts, wenn wir uns hier gegenseitig nur Rosen streuen. Das bringt nichts. Und ich bin überhaupt der Meinung, dass ein Umweltressort bei der künftigen Regie­rung wirklich mehr Kompetenzen braucht. Da gehört ein Durchgriffsrecht bei Quer­schnittmaterien her.

Derzeit ist das Umweltressort, da können Sie nichts dafür, teilweise nur attrappenhaft vorhanden. Umweltminister!, Umweltminister!, klingt gut, aber es sind ganz andere, die wirklich etwas für die Umwelt tun: Bezirkshauptmannschaften, Gemeinden und so wei­ter, und zwar aufgrund von Rechtsmaterien, wo Sie überhaupt keinen Einfluss ha­ben ... (Zwischenruf des Bundesrates Stadler) oder wenig: wenig Einfluss. Und das sollte eigentlich besser werden.

Das sollte besser werden, damit wir wirklich einen Umweltminister haben, der bei je­dem Gesetz sagen kann: Okay, das stelle ich mir vor. Und wenn ein Gesetz nicht so läuft, dann sollten Sie ein Veto- und ein Durchgriffsrecht im Ministerrat haben. So et­was würde hergehören!

Das müsste man einmal im Bundesrat in Richtung Bundesregierung beschließen und nicht immer Hunderte Seiten an Berichten bewerten. (Zwischenruf.) Bitte? (Zwischen­ruf des Bundesrates Preineder.) – Ja, das ist aber keine politische Analyse! Ich meine, Wiederkäuer von solchen Expertisen zu sein, ich glaube, das ist zu wenig für einen Politiker. (Bundesrat Mayer: Bürgeranwalt von eigenen Gnaden ...!) – Nein, nicht von eigenen Gnaden, von Gnaden der Bevölkerung. Das ist das Entscheidende. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.00.454. Punkt

Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grü­ner Bericht 2013) (III-503-BR/2013 d.B. sowie 9122/BR d.B.)


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5. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2014 gemäß § 9 LWG 1992 (III-504-BR/2013 d.B. sowie 9123/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.01.04

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über die Situation der österrei­chischen Land- und Forstwirtschaft liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme da­her gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Dezember 2013 den Antrag, den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft – kurz: Grüner Bericht 2013 – zur Kenntnis zu nehmen. (Vi­zepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Weiters liegt Ihnen der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2014 in schriftlicher Form vor; ich darf daher auch da gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Dezember 2013 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über Maßnah­men für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2014 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Dörfler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.02.10

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute etwas unüblich in die Diskussion einstei­gen: „3 500 Banker in Europa sind Einkommenskaiser“, schreibt der „Standard“ letzten Samstag, „London – Die Zahl der Einkommensmillionäre bei europäischen Banken ist 2012 deutlich gestiegen. Insgesamt verdienten 3 530 Banker mindestens siebenstellig, das waren elf Prozent mehr“. Die Sieger waren die Briten mit 1,93 Millionen € pro Ma­nager. So viel zur Einkommenssituation derer, die die Finanzmarktkrise und alles, was wir deshalb auslöffeln müssen, zu verantworten haben.

Leider Gottes sieht es in Österreich bei den Einkommen in der Landwirtschaft, die im Grünen Bericht beleuchtet werden, ganz anders aus. Die Situation ist besonders dort eine andere, wo den Landwirtsfamilien täglich Mühseligkeiten abverlangt werden, wo Fleiß, Ehrlichkeit, Landschaftspflege und die letztendlich hohe Verantwortung, die die Landwirtschaft zu tragen hat, vorhanden sind.

Das kann ein Minister nicht beeinflussen. Ich war selbst in einer Regierungsfunktion und weiß, dass man viele Ziele hat. Es gibt aber Rahmenbedingungen, und zwar Marktrahmenbedingungen, aber auch politische Rahmenbedingungen.

Nun: Wie sieht die Situation der Landwirtschaft im Gegensatz zu jener der Bankmana­ger aus, die im Jahr 2012 11 Prozent Einkommenszuwachs hatten? Eurostat hat fest­gestellt, dass die Agrareinkommen in der EU 27 stabil geblieben sind. Es ist sehr er­freulich, dass es zumindest eine stabile Einkommensentwicklung in Europa gibt.

Es gibt aber auch drastische Unterschiede bei der Einkommensentwicklung, wenn man die landwirtschaftlichen Betriebe innerhalb der Europäischen Union vergleicht. Es ist


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zum Beispiel so, dass die Einkommen in Belgien erfreulicherweise um 27,9 Prozent, die Einkommen in Lettland um 21 Prozent gestiegen sind. Auch die Einkommensent­wicklung in Litauen war mit einem Plus von 17,6 Prozent sehr erfreulich. Es gibt natür­lich auch Verlierer: Rumänien ist mit 27,1 Prozent Einkommensverlust der größte Ver­lierer, auch die Polen haben mit 13,7 Prozent Einkommensverlust nicht gut abgeschnit­ten. Unser Nachbar Slowenien hat mit 12,2 Prozent Negativentwicklung 2012 auch schlecht abgeschlossen. Aber auch Österreich ist bei den Verlierern, bei uns sind die Einkommen um 7,5 Prozent gesunken.

Die Einkommenssituation ist das letztendlich Entscheidende: Was verdient jemand in Österreich für seine Arbeit? – Da schaut es dann völlig anders und dramatisch aus. Wie gesagt, die Entwicklung in der gesamten EU 27 ist sehr positiv. Wenn wir aber die verschiedenen Betriebsstrukturen in Österreich vergleichen, müssen wir festhalten, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb ein Einkommen von 27 348 € oder minus 8 Pro­zent erwirtschaftet hat. Die Rahmenbedingungen sind im Bericht ausführlich erläutert.

Wir haben aber festzustellen, dass die Situation im Bergbauernbereich auch für das Jahr 2012 eine sehr dramatische ist, es gab ein Einkommen von 22 239 € pro Betrieb, das sind minus 13 Prozent. Der Rückgang der Betriebe im Bergbauernbereich liegt bei nur 1,05 Prozent, das sind aber immerhin 1 421 bergbäuerliche Agrarbetriebe oder Landwirtschaftsfamilien, die den Betrieb aufgegeben haben. Wenn dieser Trend weiter­geführt werden würde, hätten wir in 100 Jahren de facto keinen Bergbauern mehr.

Man darf dieses Problem keinesfalls ignorieren und nicht auf die lange Bank schieben. Faktum ist, dass die Rahmen-, Einkommens- und Arbeitsbedingungen für Bergbauern­familien dramatisch schlecht sind. Denken wir zehn Jahre weiter – 10 Prozent weniger, 20 Jahre – 20 Prozent.

Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der die Stärkung des ländlichen Raumes of­fensichtlich nur mehr ein Schlagwort ist. Das ist in den Bundesländern eine großes Dis­kussionsthema.

Letztendlich führt die Entwicklung dazu, da die Einkommen so drastisch sinken, dass deshalb die Bergbauernbetriebe wenig Zukunft haben.

Es ist so, dass 45 Betriebe für 1 Million € Einkommen arbeiten müssen. 45 Bergbau­ernbetriebe und damit Familien arbeiten in Österreich für 1 Million € Jahreseinkommen. Das hat auch ein einzelner Spitzenbanker in Europa. Das ist ein Vergleich, der zum Nachdenken anregt. Ein Banker hat keine Betriebsmittel, keine Stallgebäude, keine Tierhaltung mit hoher Qualität, keine Umweltverantwortung; er hat nur eine Cash-Ver­antwortung, die er in den letzten Jahren auch nicht gut gelebt hat. Wir Kärntner wissen das besonders gut – Stichwort Hypo – zu bewerten.

Zu den Biobetrieben: Die Einkommensentwicklung war im Jahr 2012 mit 23 910 € lei­der auch bei den Biobetrieben negativ, es gab 12 Prozent Rückgang. Immer mehr Bio­betriebe, die am Markt erfolgreich tätig sind, geraten letztendlich in die Preisdruckmüh­len des Handels, der Handel arbeitet auch schon bei Bioprodukten mit dem Preis­hammer.

Ich meine, dass hochwertige österreichische Nahrungsmittel kein Kampfpreisprodukt sein dürfen. Ein Liter Milch kostet im Handel zirka 1 €, ein Liter Energy-Drink kostet etwa 5 €. Wenn man weiß, was geschehen muss, bis ein Liter Milch im Regal steht und wie schnell einige Dosen eines Energy-Drinks abgefüllt sind, dann sieht man, dass da jedenfalls ein Ungleichgewicht vorhanden ist. Ich meine, dass es auch Aufgabe der Politik sein muss, den Menschen klarzumachen, dass hochwertige Lebensmittel auch etwas kosten dürfen.

Ich finde den Vergleich deutscher oder holländischer Preise mit österreichischen, der immer wieder auch von der österreichischen Arbeiterkammer gezogen wird, fatal. Ich


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will nicht, dass Bergbauern, Biobauern oder bäuerliche Familienbetriebe mit der Agrar­industrie verglichen werden. Uns muss klar sein, dass österreichische Bauern eine hohe Verantwortung haben und leben, und dafür ist ihnen zu danken. Sie haben auch ein Recht darauf, dass ihre Arbeit mit entsprechendem Einkommen, das heißt letztend­lich auch mit entsprechenden Preisen, honoriert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Energy-Drink oder ein Glas Wein können im Lokal 4 oder 5 € kosten, das regt nie­manden auf – aber ein Liter Milch soll am besten nichts kosten. Das kann für die Zu­kunft der Landwirtschaft nicht gut sein. Ich meine, dass Österreich darauf Wert legen muss, dass es bis zum Konsumenten hin eine Mitverantwortung gibt.

Hochqualitative Tierhaltung verursacht letztendlich auch höhere Kosten. Ein Betrieb mit 20 Milchkühen ist nicht vergleichbar mit einem Agrarindustriebetrieb mit 500 oder 1 000 „Industriekühen“. Das Stichwort BSE ist bei vielen schon längst vergessen. Wo entstehen die Massenepidemien? – Nicht beim Kleinbauern, das wissen wir. Massen­epidemien entstehen in den agrarischen Großfabriken.

Daher möchte ich noch einmal festhalten, dass die Einkommenssituation sicher nicht erfreulich und befriedigend ist.

Nun auch zur Export-Import-Situation: Österreich hat eine erfolgreiche Export-Landwirt­schaft mit 9,13 Milliarden € Erlös, aber wir sind noch Nettoverlierer mit 1,03 Milliar­den €. Das heißt, wir exportieren landwirtschaftliche Produkte im Wert von 9,13 Milliar­den € und importieren solche im Wert von 10,16 Milliarden €.

Beim Import und Export von Lebendtieren geht es um Geschäftemacherei auf dem Rü­cken der Tiere. Ich bin der Meinung, dass nur Zuchttiere transportiert werden dürfen. Es gehört für mich in einem Europa der Verantwortung, in einem Europa, in dem das Katzi und das Hunderl immer gestreichelt werden, dazu, großen Respekt vor dem Tier­schutz zu haben und diese Unseligkeiten der Lebendtiertransporte abzustellen. Ich meine, dass ein Bekenntnis zu tiergerechter Haltung, Verarbeitung und Schlachtung dazu führen muss, dass nicht Millionen Tiere quer durch Europa transportiert und den Leiden des Transportes ausgesetzt werden, bevor sie dann auf dem Tisch der Konsu­menten landen.

Jetzt noch ganz kurz zum Thema Forstwirtschaft. Ich bin da ein bisschen Experte, es ist bekannt, dass ich nicht nur Amateurholzfäller bin, sondern auch die Sorgen der Forstwirtschaft sehr genau im Auge habe.

Ganz kurz zur Entwicklung des Holzeinschlages: Wir hatten 2008 21,8 Millionen Fest­meter Holzeinschlag, 2012 waren es 18 Millionen Festmeter. Das ist immerhin ein Mi­nus von 3,8 Millionen Festmeter. Erfreulich ist, dass die Preissituation eine durchaus positive Entwicklung nimmt. Die Preisentwicklung kann aber nicht mit der Kostenent­wicklung mithalten. Wenn man weiß, was heute die industrielle und maschinelle Holz­ernte kostet, dann sieht man, dass zwar die Preise gestiegen sind, der Holzverkauf aber unterm Strich nicht besser geworden ist.

Besser geworden ist der Erlös für minderwertiges Holz. Da ist aber auch eine Frage aufzuwerfen: Wir importieren Holz und Holzprodukte im Wert von 2,18 Milliarden € nach Österreich und exportieren um 3,66 Milliarden. Von diesem Importvolumen entfal­len 35,4 Prozent auf Rohholz und Brennholz. Im Bundesland Kärnten wächst jährlich eine Million Festmeter zu, wird aber aufgrund der Erntekosten nicht geerntet. Ich frage mich schon, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, dass wir minderwertiges Holz aus Kroatien, aus Polen, aus Ungarn und was weiß ich woher nach Österreich importieren. Es muss auch in Österreich neue Möglichkeiten von Erntegemeinschaften geben, da­mit auch minderwertiges Holz – wie Energieholz leider noch immer genannt wird – ge­erntet werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 85

Damit kommen wir wieder zum Thema Umwelt und Verkehr. Es stellt sich die Frage, ob es gescheit ist, irgendwo am Stadtrand von Klagenfurt ein Biomassewerk hinzustel­len, Holz mit Lkws aus Kroatien hinzubringen und dann wieder über den Feinstaub zu jammern. Das ist aber nicht nur in Klagenfurt so.

Das ist ein komplexes Problem, das viel genauer betrachtet werden muss. Ich meine, dass es zumindest zum Nachdenken anregt, dass 35,4 Prozent des Gesamtholzimpor­tes des Holzlandes Österreich auf Rohholz und Brennholz entfallen. Da ist noch viel zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die letzten Tage zeigen ja, dass die Unzufriedenheit und die Probleme der Land­wirtschaft nicht geringer geworden sind. Herr Bundesminister, Ihre Parteikollegen aus Tirol sind ja momentan recht heftig mit ihren Forderungen, dass die Fördermittel, die Kofinanzierung, nicht gekürzt werden dürfen. Ich meine, dass es fatal wäre, wenn man aus 50 Cent nicht mehr 1 € macht und gerade den tüchtigen Bauern dieses Geld vor­enthält.

Ich hoffe, dass es eine kluge Zukunftsentscheidung geben wird. Für den Tourismus im ländlichen Raum, für die Landschaftspflege, für das Kulturland Österreich – wenn ich unser Österreich als Kulturland im ländlichen Raum deuten will – ist letztendlich eine hochproduktive und gut unterstützte Landwirtschaft ein Muss.

Ich darf aber auch das Thema Landwirtschaft und Umwelt aufgreifen. Vor einigen Ta­gen gab es in Kärnten in der Forstschule in Ossiach eine Veranstaltung. „,Chemiewaf­fenʻ für Nahrungssicherheit“: Das liest man in der Zeitung, und weiter, dass – noch dazu in einer sehr bekannten Forstschule der Republik Österreich – die Produzenten der Pflanzenschutzmittel – natürlich wieder die Giftlobby – versuchen, den Bauern Chemiewaffen schmackhaft zu machen. Also ich meine, da haben wir eine hohe Ver­antwortung. Es kann nicht sein, dass man Pflanzenschutzmittel als „Medikamente“ – und nicht als Gift bezeichnet. Im Regelfall ist das Gift. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Thema Almbewirtschaftung haben wir im Ausschuss schon besprochen. Mit der Rücknahme der Förderung werden letztendlich die Vitalität und die naturbezogene Almlandschaft faktisch nicht mehr erhalten werden können. Dass heute schon eine technische Schwende notwendig ist, weil einfach die Menschenarbeit nicht mehr be­zahlt werden kann, ist klar. Der „Standard“ schreibt dazu: „Angst vorm großen Schnitt“. Wenn man auch dort die Fördermittel kürzt, dann wird es so sein, dass die Blumen­wiesen tatsächlich dem großen Schnitt zum Opfer fallen werden.

Ich möchte mich bei den bäuerlichen Familien – ob das eine Weinbaufamilie, ein Berg­bauernbetrieb, ein Biobetrieb, ein durchschnittlicher österreichischer Betrieb ist – be­danken. Für den Fleiß dieser Menschen hat man dankbar zu sein. Aber von Dankbar­keit allein kann die Landwirtschaft nicht leben.

Ich habe witzigerweise noch nie ein Red-Bull-Sonderangebot gesehen. Herr Mate­schitz ist scheinbar der cleverste Unternehmer Österreichs. Ich gratuliere ihm auch dazu, dass er dieses Getränk in die Welt gesetzt hat. Es ist unüblich, dass ein Öster­reicher so erfolgreich ist. Das ist gut so. Aber er versteht es auch, diesem Getränk ei­nen unglaublichen Wert zu geben. Ich habe noch nie eine Preisaktion für Red Bull bei Billa, Spar und Co. gesehen. Es ist aber leider so, dass in jedem Flugblatt Käseange­bote vorhanden sind. Am besten soll er nichts kosten, vielleicht bekommen wir noch einen Preis dafür, dass wir ihn essen. Milch wird unterpreisig verkauft!

Klar muss sein, dass eine hochwertige österreichische Landwirtschaft, die in all ihren Facetten bis hin zum Tourismus großartige Leistungen bringt, auch Stabilität und Rü­ckendeckung seitens der Politik und letztendlich auch des Handels braucht, um über­leben zu können. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 86

Herr Bundesminister, ich lese nicht nur die negativen Zahlen. Der Bericht ist auch in vielen Dingen positiv, das möchte ich festhalten. Aber die Einkommensentwicklung in Österreich ist im Vergleich zu den EU 27 negativ, besonders für die Biobetriebe und Bergbauernbetriebe.

Qualitätswettbewerb: Ich lehne es – noch einmal – ab, dass wir unsere österreichische Landwirtschaft mit der Industrie vergleichen.

Ich möchte es strikt ablehnen, dass wir Diskussionen über Bienengift und Co. Über­haupt noch führen. Es muss allen Verantwortlichen klar sein, dass das keine Zukunft haben darf.

Deshalb nehmen wir den Bericht, wie gesagt, zur Kenntnis, können ihm aber nicht zu­stimmen, weil viele Fragen, die die Bauern bedrücken und die das Überleben der Bau­ern nicht sicherstellen, in diesem Bericht nicht entsprechend bewertet sind.

Herr Minister, ich möchte mich aber trotzdem bei dir für deinen Einsatz bedanken. Ich weiß, dass es nicht immer leicht ist, es allen Recht zu machen.

Ich hoffe, dass es auch gelingt, die Entscheidung rückgängig zu machen, dass För­dermittel, die dem agrarischen Bereich und damit uns allen zugutekommen, umge­schichtet werden sollen. Wir haben gemeinsam eine hohe Verantwortung. Wir Freiheit­liche werden diese Bemühungen, sofern es eine Partnerschaft im Interesse der Bauern gibt, gerne unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.18.10

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Werte Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Grünen Bericht 2013, der sich mit der Situation der Land­wirtschaft im Jahr 2012 beschäftigt.

Einen Grünen Bericht gibt es seit 1959, und er hat auch damals schon Grüner Bericht geheißen, weil die Landwirtschaft eben ein sehr grün dominierter Bereich ist und für unsere Umwelt und unsere Landschaft verantwortlich ist.

Ich darf zuerst all jenen danken, die zum Zustandekommen dieses Grünen Berichtes beitragen. Das sind die freiwillig buchführenden Betriebe und die Abteilung im Minis­terium. Herr Bundesminister! Ich möchte auch dir Danke sagen. In diesem Bericht kommt Jahr für Jahr klar zum Ausdruck, wie die Situation der österreichischen Land­wirtschaft ist, unter welchen Bedingungen sie arbeitet und wie das Einkommen unserer Berufskollegen aussieht.

Mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen, dass wir in diesem Sinn keinen posi­tiven Bericht, was den Vergleich zum Jahr davor anlangt, entgegenzunehmen haben. Das Einkommen der Betriebe ist im Durchschnitt um 8 Prozent, das Einkommen pro Arbeitskraft um 7 Prozent gesunken. Damit kommen wir auf ein durchschnittliches Ein­kommen von 1 538 € pro Arbeitskraft. Das ist weit unter jenem aller anderen Berufsbe­reiche.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir uns den Bericht genauer anschauen, sehen wir, dass vor allem jene Bereiche, denen gesellschaftlich besondere Wichtigkeit zuge­messen wird, die gesellschaftlich eine besonders hohe Akzeptanz haben, noch stärker betroffen sind. Es ist im Durchschnitt das Einkommen der Bergbauernbetriebe um 13 Prozent gesunken. Wenn man sich das noch detaillierter anschaut, nach den ehemaligen Bergbauernzonen, heute mit Berghöfenkatastern in Gruppen eingeteilt,


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 87

dann sieht man, dass die erste Gruppe, die leichter zu bewirtschaftenden Bergbau­ernbetriebe, mit minus 8 Prozent, die zweite Gruppe mit minus 12 Prozent, die dritte Gruppe mit minus 16 Prozent und die vierte Gruppe mit minus 29 Prozent ausgewie­sen ist, was eigentlich den einfachen Schluss zulässt: Je höher der Berg, desto ge­ringer das Einkommen.

Das, geschätzte Damen und Herren, muss uns zu denken geben, das muss uns ge­sellschaftlich zu denken geben – es ist auch ähnlich bei den Biobetrieben, für die gleichfalls eine sehr hohe gesellschaftliche Akzeptanz vorhanden ist, für die ein Minus von 12 Prozent im Bericht ausgewiesen wird –, weil hier klar ist, dass das Einkommen bei den Bergbauernbetrieben nur sehr schwer über den Markt erwirtschaftbar ist, und hier eine gesellschaftliche Verpflichtung und ein gesellschaftlicher Auftrag bestehen, wenn wir diese Betriebe weiterhin haben wollen, sie auch entsprechend zu unter­stützen.

Was waren die Ursachen für den Einkommensverlust? – Zum einen gesunkene Ernte­erträge. Das kennen wir in der Landwirtschaft. Ernten sind nicht berechenbar, nicht kal­kulierbar. Wer in der und mit der Natur arbeitet, versteht das auch. Es gab aber, und das ist schon wieder etwas untypisch, bei gesunkenen Erntemengen teilweise auch gesunkene Preise und höhere Preise bei Betriebsmitteln.

Alles, was die Betriebe betrifft, war nicht positiv in diesem Jahr, aber es gibt auch posi­tive Zahlen aus diesem Grünen Bericht 2013 herauszulesen, nämlich jene für die Volkswirtschaft. Trotz geringerer Einkommen im Jahr 2012, vielleicht dadurch bedingt, dass 2011 ein besseres Jahr für die Landwirtschaft war, sind die Investitionen der Landwirtschaft gestiegen. Davon profitiert die Wirtschaft und vor allem die Wirtschaft im ländlichen Raum.

Was auch interessant ist: Es ist die Anzahl der entlohnten Arbeitskräfte in der Land­wirtschaft um fast 4 Prozent gestiegen. Das heißt, dass die Landwirtschaft auch zu ei­nem positiven Effekt auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes beiträgt.

Für alle Damen im Raum und alle, die uns zuschauen: Es ist die Landwirtschaft eine sehr weiblich orientierte Wirtschaft, weil 36 Prozent aller bäuerlichen Betriebe von Frauen als Betriebsführerinnen geführt werden.

Wenn wir uns diesen Bericht ansehen und die Diskussion in der Bevölkerung kennen, dann wissen wir, dass ein großer Wunsch nach gesunden Nahrungsmitteln, nach einer bäuerlichen nachhaltigen Landwirtschaft, nach ökologisch produzierten Lebensmitteln besteht. Ich verstehe Studien der Arbeiterkammer nicht, in denen Preisvergleiche mit Deutschland und mit anderen Ländern angestellt werden, wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind und wir die Art der Produktion, die dort vonstattengeht, auch nicht befürworten.

Wenn wir also jene Betriebsformen, bäuerliche Betriebe, Biobetriebe, Bergbauernbe­triebe, entsprechend erhalten wollen, dann braucht es neben der Umsetzung am Markt auch entsprechende öffentliche Leistungen.

Dass die bäuerliche Berufsgruppe nicht zu den Gewinnern der Entwicklung in den letz­ten Jahren gehört, das weiß jeder, weil die Anzahl der Betriebe, die Anzahl der Be­schäftigten in Summe zurückgeht und weil sich dieser Sektor in den letzten 30 Jahren fast halbiert hat.

Wenn wir jetzt in Richtung Vorausschau gehen, dann wissen wir, dass das Jahr 2013 für die Landwirtschaft wahrscheinlich um nichts besser werden kann, weil eben äußere Bedingungen wie Hochwasser, wie Dürre das letzte Jahr geprägt haben.

Ich darf dir, Herr Minister, ein Dankeschön sagen, dass im Fall der Dürre seitens der Bundesregierung entsprechende Aktivitäten gesetzt wurden, um den betroffenen Be­trieben auch entsprechend zu helfen.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 88

Geschätzte Kollegen, es war für mich in der Ausschusssitzung des Bundesrates sehr interessant, sich mit dem Thema Grüner Bericht intensiver zu beschäftigen. Ich darf auch ein Dankeschön sagen, dass alle Debattenredner, quer über alle Parteien hin­weg, die Sorge um die Existenz der Landwirtschaft zum Ausdruck gebracht haben.

Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahren immer wieder auch Maßnahmen mitge­tragen, weil wir wissen, dass die Situation des österreichischen Budgets, des Budgets auf europäischer Ebene, der öffentlichen Budgets allgemein entsprechend angespannt ist. Die Landwirtschaft hat es mitgetragen, wenn es darum gegangen ist, dass die So­zialversicherungsbeiträge erhöht werden, dass die Bauern auf die sogenannte Agrar­diesel- oder auf die alte Mineralölsteuer-Rückvergütung verzichten oder dass es höhe­re Abgaben beim Verkauf von Grundstücken gibt.

Dann ist im Ausschuss auch noch die Frage Mindestsicherung aufgetaucht. Wir kön­nen sagen, mit einem Einkommen in der Landwirtschaft in der Höhe der doppelten Mindestsicherung sind wir zwar noch weit davon entfernt, aber bei einer rückläufigen Einkommensentwicklung ist auch das eine berechtigte Frage. Harte Arbeit zu einem Lohn der doppelten Mindestsicherung sollte uns allen zu denken geben.

Geschätzte Damen und Herren, es gehört aber zu diesem Tagesordnungspunkt auch der Bericht über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für 2014, die die Bundesregierung setzen möchte, und ich darf hier ein paar Eckpunkte aufzeigen.

Der wesentliche Teil der Agrarpolitik wird von der Europäischen Union vorgegeben. Es konnte im Juni eine Entscheidung getroffen werden, eine Entscheidung zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament, wonach es klare Vorgaben gibt, an denen sich die Landwirtschaft zwischen 2014 und 2020 orientieren soll. Es soll eine österreichweit einheitliche Betriebsprämie geben, es soll sich die Landwirtschaft entsprechend grün orientieren, mit Fruchtfolgeauflagen, mit Grünlanderhaltung, mit ökologischen Vorrangflächen. Es soll auch eine Regelung für Kleinlandwirte kommen, und vor allem soll der Bereich der ländlichen Entwicklung, der für Österreich so wichtig ist, weiter forciert werden.

Herzstück dieser ländlichen Entwicklung sind zum einen die Umweltmaßnahmen, das ÖPUL-Programm, das ist die zitierte Zahlung für unsere Bergbauern und für die be­nachteiligten Gebiete, das ist aber auch der Bereich der Investitionsförderung, weil die Landwirtschaft immer wieder im ländlichen Bereich investiert und damit vor allem der Wirtschaft in den ländlichen Gebieten die Möglichkeit gibt, Arbeitsplätze zu sichern.

Es soll eine entsprechende Junglandwirteförderung kommen. Das ist wichtig, um den jungen Menschen in diesem Bereich Zukunft zu geben. Und die LEADER-Programme sollten fortgesetzt und ausgebaut werden.

Dazu ist es aber notwendig, entsprechende nationale Unterstützung zu finden. Und ich habe auch kein Verständnis dafür, wenn diese sogenannte Kofinanzierung derzeit in Diskussion ist, nämlich diese 50 Prozent aus Brüssel mit 50 Prozent aus Österreich gegenzufinanzieren und so das Geld aus Brüssel auch abzuholen. Wir dürfen hier keinem Kompromiss zustimmen, wir dürfen diese Kofinanzierung nicht öffnen oder ver­wässern und vernachlässigen. Es gilt, die entsprechenden Mittel auf nationaler Ebene sicherzustellen. Und ich habe auch kein Verständnis dafür, wenn es darum geht, land­wirtschaftliche Gelder vom ländlichen Bereich in den sozialen Bereich umzuschichten.

Wenn wir die Landwirtschaft erhalten wollen, wenn wir die Landwirtschaft stärken wol­len, dann müssen wir sie auch finanziell entsprechend unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Zelina zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 89

12.30.11

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kollegen! Wenn wir uns die Situation an­schauen, wie wir das auch von den Vorrednern gehört haben, im bäuerlichen Bereich, bei den bäuerlichen Familien, bei den Bergbauern, bei den Biobauern, dann haben wir Handlungsbedarf. Eine der wesentlichen Steuerungsmöglichkeiten läuft über die Agrar­fördergelder. Wir brauchen eine fairere und effizientere Verteilung der Agrarfördergel­der.

Wir sollten vermehrt österreichische Bauern und Familienbetriebe fördern und weniger internationale Agrarkonzerne und Großbetriebe der EU-Agrarlobby. Die derzeitige Flä­chenförderung bevorzugt Agrargroßkonzerne. Wer mehr Fläche hat, bekommt mehr Agrarförderung. Großbetriebe haben Economies of Scale, Größenvorteile, das heißt, sie können günstiger produzieren – sie haben günstigere Produktionskosten und Ver­waltungskosten, auf Stück gerechnet, gegenüber Kleinbauern.

Viele Kleinbauern werden Jahr für Jahr aus dem Markt gedrängt – wir können das alles im Bericht nachlesen – und müssen ihre Betriebe wegen Unwirtschaftlichkeit schlie­ßen. Die Folge ist der Ausverkauf österreichischer Ackerflächen an Großbetriebe, die dann als Pächter alles bewirtschaften und sämtliche Agrarförderungen einstreifen, obwohl die tatsächliche Arbeit eigentlich von den kleinbäuerlichen Pächtern verrichtet wird.

Überspitzt formuliert führt das System eigentlich zurück zum ehemaligen Feudalsystem des Mittelalters, wenn es wieder Richtung Großgrundbesitzer und pachtabhängiger Bauern geht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Überspitzt formuliert! Überspitzt formuliert!

Die industrielle Agrarmassenproduktion führt zu problematischen Nebeneffekten wie chemischer Überdüngung und Monokulturen. Die Produktion minderwertiger Billigle­bensmittel anstatt gesunder, hoch qualitativer Lebensmittel dominiert. Die Konzentra­tionsprozesse bei Fläche und Tierhaltung sowie die Zukäufe der Agrarindustriekonzer­ne führen zu monopolistischem Preisverhalten, zu Kartellen und Abschöpfung von Mo­nopolgewinnen zu Lasten der Bauern und der Konsumenten.

Hedgefonds an den internationalen Kapitalmärkten, die Agrarrohstoffe handeln, tun ihr Übriges zur Preismanipulation. Wenn man noch berücksichtigt, dass beim ganzen Soft Commodities-Markt auf den Finanzmärkten nur 10 Prozent dafür verwendet wer­den, um tatsächlich Produktion abzusichern, und der Rest reine Finanzspekulation ist, kann man sich vorstellen, was hier preismanipulativ möglich ist.

Auch die den Bauern vor- und nachgelagerten Industrien zeigen starke monopolisti­sche Züge und Versuche der Wettbewerbsausschaltung. Ich spreche jetzt zum Beispiel den ganzen Saatgutbereich, die Saatgutindustrie an, wo die Bauern gezwungen wer­den, nicht mehr vermehrbares Hybridsaatgut aufzukaufen. Jahrhundertelang hat der Bauer geerntet, hat 10 Prozent seiner Ernte eingelagert und damit wieder im nächsten Jahr angebaut. Hier entsteht eine Abhängigkeit von der Saatgutindustrie. Da wäre et­was zu tun, da müssen wir nachdenken.

Auch die chemische Industrie koppelt ihre chemischen Pflanzenschutzspritzmittel an die Hybridsorten. Das heißt, diese Biozide, diese Pestizide müssen die Bauern auch abnehmen.

Und auch der Lebensmittelhandel versucht immer wieder, mit Preisabsprachen Mono­polgewinne abzuschöpfen. Da entsteht eine Einkaufsmonopolmacht. Überall, wo Mo­nopole sind, wo sich Kartelle bilden, dort haben wir Marktversagen und müsste der Staat, sprich auch wir Politiker, regulativ eingreifen.

Wir haben die Verfügungsgewalt über die Gestaltung des Landwirtschaftssektors weit­gehend der EU übertragen. Dort haben sich Lobbys der Agrar- und Lebensmittelindus-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 90

trie angesiedelt und leeren die EU-Fördertöpfe, teilweise zum Schaden unserer Bauern und Konsumenten. Derzeit kontrollieren 3 Prozent der Grundbesitzer 50 Prozent der europäischen landwirtschaftlichen Flächen. Ein möglichst breit gestreuter Grundbesitz ist aber Grundvoraussetzung, um Ernährungssouveränität aufrechtzuerhalten. Die För­derung und Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe sichert regionale Arbeitsplätze, sichert die Pflege unserer Kulturlandschaft und ist die Grundlage unserer erfolgreichen Tourismuswirtschaft.

Wir sollten in der EU – das ist ein Vorschlag – ein degressives Landwirtschaftsförder­system einführen. Das heißt, je mehr Fläche ein Betrieb hat, desto weniger Förderung sollte es geben. Da könnten wir regulativ eingreifen. Und wir sollten auch überlegen, ob es sinnvoll wäre, ab einer gewissen Hektar-Grundstückgröße Förderungen überhaupt nicht mehr zu gewähren, zumindest nicht aus öffentlichen Geldern.

Ein Problem sind auch die subventionierten EU-Agrarexportförderungen. Ich bin kein Fan von Exportförderungen, auch nicht von Importzöllen und den ganzen Handelsbar­rieren, weil sie extrem verzerren. Wir haben die Situation, dass wir Qualitätsweizen aus Niederösterreich exportieren und minderwertigen Mahlweizen importieren, weil er um 5 € billiger ist. Wir essen nicht die Essiggurkerln aus dem Marchfeld, sondern aus In­dien. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.)

Exportförderungen haben jedenfalls auch Negativeffekte, und wir sollten uns darauf konzentrieren, dass wir die eigenen österreichischen Produkte mehr vermarkten und konsumieren.

Zu großer Landbesitz in Händen weniger Personen sollte kartellrechtlich geprüft wer­den. Die Demokratie ist sicherer, wenn der Landbesitz auf eine große Klasse von un­abhängigen Landbesitzern, sprich bäuerlichen Familienbetrieben, verteilt ist. Da müs­sen wir uns überlegen, welche Fördergelder gut sind. Wir unterstützen auf jeden Fall alle Fördergelder, die ökologische Maßnahmen fördern, das heißt Bodenschutz – wur­de schon angesprochen –, die Vorrangflächen, die Stilllegung überdüngter Ackerflä­chen, die Begrünung von Ackerböden, aber auch Förderungen, dass wieder alle drei Jahre ein Fruchtwechsel durchgeführt wird. Und auch die Erhaltung der Biodiversität ist wichtig.

Auch die Förderung der Gestaltung und Erhaltung der Kulturlandschaft zur Belebung des Tourismus unterstützen wir. Da könnten wir auch überlegen, ob wir langfristig von der Förderabhängigkeit der Bergbauern wegkommen, indem wir Kulturlandschaftser­haltungsabgaben von ausländischen Touristen gleich mit der Hotelrechnung einbe­halten. Das wäre eine Möglichkeit. (Bundesrat Schreuder: Wie hoch?) – Gering, gering! 1 Prozent vom Rechnungsbetrag. (Bundesrat Schreuder: Das reicht?) – Das müsste man sich durchrechnen, was erträglich ist. Aber das wäre eine Förderung, die letztlich auch direkt den Touristen zugutekommt.

Wichtig ist uns auch die Förderung von Qualitätsprodukten. Wir können nur dann Pro­dukte verkaufen, wenn wir besser sind als der Weltmarkt, das heißt, Kostenführer­schaft oder Qualitätsführerschaft haben. Die Kostenführerschaft werden wir bei unserer Flächengröße nicht schaffen. Also müssen wir auf Qualitätsprodukte setzen, auf bio­logische Nahrungsmittel ohne Chemiegifte, ohne Genmanipulation. Das gehört ver­stärkt gefördert.

Zum Schluss möchte ich noch ein Konsumentenschutzthema ansprechen: das ist die Lebensmittelkennzeichnung. Irreführende Lebensmittelkennzeichnung gehört verboten. Wissentliche Falschkennzeichnung von Lebensmitteln sollte bestraft werden.

Wir brauchen eine exakte Inhaltskennzeichnung: Was draufsteht, muss auch drinnen sein; was drinnen ist, muss auch draufstehen. Auch Lebensmittelsubstitute wie Form­fleisch oder Analogkäse sollten klar erkennbar gekennzeichnet sein. Auch die Her-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 91

kunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmittelprodukten muss klar sein: Wo „Ös­terreich“ draufsteht, muss auch „Österreich“ drinnen sein.

Wir haben eine Problematik bei den Schweinen. Ausländische Schweine kommen nach Österreich, werden bei uns geschlachtet und verpackt und bekommen dann den AT-Stempel, obwohl sie mit Österreich überhaupt nichts zu tun haben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Sie kennen schon den Unterschied!) – Ja, aber der AT-Stem­pel sollte auch zum Qualitätsstempel werden. Wir könnten den AT-Stempel aufwerten und zu einem echten Qualitätsstempel für österreichische Produkte machen.

Helfen könnte auch eine europaweite Datenbank, die den Weg von Rohstoffen wie Fleisch über alle Verarbeitungsstufen und Zwischenhändler lückenlos dokumentiert, ei­ne Art Nahrungsmittelreisepass. Und auch die Einführung eines staatlichen Gütesie­gels für gesunde Lebensmittel als Qualitätskennzeichen, zum Beispiel als Stempel, wä­re sinnvoll. So würden die Konsumenten im Supermarkt rasch herausfinden können, ob die Produkte, die sie kaufen wollen, auch gesund sind. Leider ist das momentan nicht wirklich leicht festzustellen. – Vielen Dank.

12.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte.

 


12.41.43

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer zu Hause und hier im Saal! Der Grüne Bericht ist ja relativ zeitnahe zu den Geschehnissen im letzten Jahr. Ich darf mich zuerst für diesen sehr umfangreichen Bericht beim Herrn Bundes­minister und bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Auf den 320 Sei­ten wird relativ vieles dargestellt, und ich kann jetzt schon sagen, dass die SPÖ-Frak­tion diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen wird.

In diesem Bericht sind sehr viele Dinge enthalten, die ein Spiegelbild für den derzei­tigen Zustand der Land- und Forstwirtschaft sind, wie ich ja bereits erwähnt habe, in­dem ich sagte, dass er relativ zeitnahe zu den Entwicklungen im Jahr 2012 ist. Aus die­sem Bericht ist ersichtlich, dass nicht nur auf regionaler Ebene, sondern auch auf glo­baler Ebene Dinge mitentscheidend sind, wie gut es der Landwirtschaft in Österreich geht, und dass auch andere Einflüsse, welche die Politik nicht im Griff hat, wie das Wetter oder das Klima, einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, ob die Einkommen höher oder geringer sind.

In Österreich hat sich der Produktionswert im letzten Jahr geringfügig erhöht, und zwar, wie wir bereits gehört haben, um 0,5 Prozent. In der Land- und Forstwirtschaft gibt es eine Wertschöpfung im Ausmaß von knapp 9 Milliarden € netto. Davon sind ein Fünftel im Bereich der Forstwirtschaft und vier Fünftel im Bereich der Landwirtschaft erwirt­schaftet worden. Damit liegt die Landwirtschaft wesentlich unter der Größenordnung des Tourismus beispielsweise.

Die Exporte wurden bereits erwähnt. Wir exportieren Waren im Wert von knapp 9 Mil­liarden €, davon den größten Teil in die EU-Länder. Und da möchte ich auch einmal eine Lanze für die EU brechen, wie wichtig auch für die Land- und Forstwirtschaft der Beitritt zur Europäischen Union gewesen ist, was man nicht nur bei den Förderungen, sondern auch bei den Exporten der österreichischen Betriebe ablesen kann.

Aus dem vorliegenden Bericht kann man auch entnehmen, welche Tendenzen sich he­rausgebildet haben, und zwar zeigen die Aufzeichnungen die Entwicklung seit 1980 auf. So befanden sich im Jahre 1980 noch 35 Prozent der land- und forstwirtschaftli­chen Betriebe in einer Kleinstruktur, sie wiesen unter fünf Hektar Gesamtfläche auf. Das hat sich bis zum Jahr 2012 beinahe halbiert, jetzt sind es nur mehr 20 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 92

Umgekehrt hat sich die Zahl der Betriebe, die mehr als hundert Hektar Fläche besitzen, wesentlich erhöht. 1980 waren es noch 2 Prozent Großgrundbesitzer, und jetzt sind es 5 Prozent, also mehr als doppelt so viele. Es fand eine relativ große Verschiebung statt, nämlich: Kleinbetriebe hören auf, während die größeren mehr werden. Aber allge­mein hat sich die Zahl der Betriebe seit dem Jahr 1995 um 27,5 Prozent verringert. Da­mit wird die Tendenz bestätigt, dass die Kleinbetriebe langsam, aber sicher verschwin­den werden.

Beim Viehstand hat sich auch eine Änderung ergeben, und zwar: Der Viehstand sinkt in Österreich relativ langsam, aber dafür sicher. Die Tendenz geht weg vom Rind mehr in Richtung Schafe und Ziegen. Ich kann zumindest in meiner Region folgenden Trend feststellen: Zuerst weniger Rinder, dann gibt es noch ein paar Schafe, und dann sind die Schafe auch weg und der Stall wird geschlossen.

Bei den Almen wirkt sich das natürlich auch dementsprechend aus. Es haben im ver­gangenen Jahr 262 Almen zugesperrt, das sind in etwa 2 Prozent. Zirka im gleichen Ausmaß ist der Viehstand auf den Almen verschwunden, wenn man die Großviehein­heiten im Vergleich dazu betrachtet.

Positiv zu vermerken ist die Selbstversorgung durch die österreichische Land- und Forstwirtschaft; das möchte ich ausdrücklich festhalten. Das hängt zwar immer von der Ernte ab, aber wir können uns beim Getreide zu 100 Prozent versorgen, beim Fleisch sogar zu 112 Prozent und bei der Milch zu 155 Prozent. Geringe Probleme gibt es beim Gemüse, da erreichen wir nur einen Selbstversorgungsgrad von 68 Prozent, was aber nicht verwunderlich ist. Bei den Hülsenfrüchten sind es nur 30 Prozent.

Nun zum Thema Preisentwicklung. Da ist mir nicht ganz klar beziehungsweise finde ich es interessant, dass wir gerade beim Schweinefleisch einen Zuwachs von 33 Prozent erzielen konnten, während der Milchpreis im gleichen Zeitraum um 2 Prozent gesunken ist.

Zum Einkommen wurde heute bereits mehrmals Stellung genommen. Wir haben ein Durchschnittseinkommen von 27 348 €, was einem Minus von 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Ich möchte aber relativieren: Im Vergleich zum Jahr 2011 ist dieser Verlust wesentlich kleiner.

Was aber auffällt, ist allgemein ein besonderes Gefälle zwischen Ost und West. Wenn ein Durchschnittstiroler 16 629 € für seinen landwirtschaftlichen Betrieb erwirtschaftet und die Burgenländer 39 214 €, dann weiß ich schon, dass das nicht nur mit dem Herrn Bundesminister etwas zu tun hat (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), son­dern auch mit ein paar anderen Dingen, wie etwa der Topographie.

Weiters sind in Tirol und Vorarlberg die Betriebe kleiner, und es gibt auch weniger Geld für sie. Das spielt auch eine Rolle. Aber es sind natürlich auch die Spezialkulturen aus­schlaggebend, die im Berggebiet nicht möglich sind. Im Berggebiet habe ich nur Grün­landwirtschaft, während ich in tieferen Lagen fast alles anbauen kann. Darin sehe ich aber auch eine Gefahr der Monokultur.

Nun zum Thema Förderungen ein paar Bemerkungen. – Die Förderungen stehen in der Öffentlichkeit immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Wir wissen, dass im Bereich der Land- und Forstwirtschaft Förderungen im Ausmaß von 2,1 Milliarden € ausbezahlt werden. Dazu trägt die EU 59 Prozent bei, der Bund 18 Prozent und die Länder 23 Pro­zent. Nicht enthalten in dieser Summe sind die Förderungen der Gemeinden, die ja auch immer wieder gegeben werden. Die durchschnittliche Förderung pro Betrieb macht 12 300 € aus.

Es wurde heute auch schon die Grundsicherung für die bäuerlichen Betriebe erwähnt. Ich habe mir das für den Bereich der Pensionen angeschaut. So erhalten die Bauern durchschnittlich 750 € Pension. Im ASVG-Bereich, bei den Arbeitern liegt der Betrag


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bei 879 €. Ich möchte jetzt nicht kritisieren, aber doch immerhin anmerken, dass bei den Pensionen im Bereich der Landwirtschaft nur ein Eigenbeitrag von 27,9 Prozent geleistet wird, während im ASVG-Bereich zirka 84 Prozent an Eigenleistung erbracht werden. Das wollte ich nur festgestellt haben, das ist keine Kritik.

Ich darf nun doch eine kritische Anmerkung machen, die kann ich mir als Tiroler nicht verkneifen, und zwar in Richtung AMA. Die AMA verbraucht aus dem Gesamtbudget 73 Millionen € und hat in etwa 450 Mitarbeiter. Und nun zu dem, wo ich eine Kritik an­bringen möchte.

Nämlich: Was die Futterflächenermittlung bei den Almbetrieben in Tirol und in Kärnten betrifft, so muss ich einfach sagen – da kann ich mich nicht beherrschen –: Ich finde es nicht in Ordnung, was da passiert ist. Das hat einen Vertrauensschwund bei den be­troffenen Bauern, die in der Mehrzahl sehr kleine Bauernbetriebe haben, zur Folge. Die hatten in Wirklichkeit mit der Flächenermittlung überhaupt nichts zu tun, sondern er­mittelt hat die AMA und mitgeholfen hat die Landeslandwirtschaftskammer. Jetzt wer­den diese Bauern, die da wirklich unschuldig zum Handkuss gekommen sind, mit Rückzahlungen und mit Sanktionen belastet. Das haben sich die wirklich nicht ver­dient! Das muss ich klar und deutlich hier sagen. Und diese Maßnahmen werden na­türlich darüber hinaus auch dazu beitragen, dass das Kleinbetriebssterben in der Land­wirtschaft seine Fortsetzung findet.

Neben den Belastungen durch diese Rückforderungen werden diese Bauern auch noch durch andere Dinge belastet. So wird zum Beispiel ein Betrieb mit 4 Hektar und mit vielleicht drei oder vier Großvieheinheiten mit Dingen belästigt, die zwar gesetzlich klar vorgegeben sind, wie beispielsweise Hygienevorschriften, Anbindevorschriften oder dass ein Bauer, auch wenn er nur drei Rinder hat, eine Ausbildung machen muss, damit er einen Tiertransport durchführen darf, und er sollte auch noch Buchhalter sein. Ich glaube, diese Erschwernisse werden sehr vielen kleinen Bauern die Freude an der Arbeit nehmen und das Zusperren von vielen Einrichtungen hervorrufen.

Ich möchte eine Lanze für diese Kleinbauern brechen, weil sie eine wichtige Leistung erbringen. Es ist verständlich, dass sie sich immer wieder beschweren, dass, während in der Schweiz und in Italien die traditionelle Landwirtschaft möglich ist, diese in Öster­reich aufgrund unserer Vorschriften, die eigentlich die gleichen wie in ganz Europa sein müssten, nicht möglich ist. Das sind die Schwierigkeiten, mit denen unsere Almbetrie­be konfrontiert sind.

Ich würde daher bitten, dass die Damen und Herren, die diese Landwirtschaftsbetriebe kontrollieren, mit mehr Augenmaß vorgehen. Ich meine, jemand, der selber zuerst die Flächen ermittelt hat, sollte später nicht jemanden anderen, nämlich den Kleinbauern, dafür strafen, dass die Fläche, die er ermittelt hat, falsch ist. Also da breche ich wirklich eine Lanze für diese Kleinbauern. Ich würde mir auch wünschen – und ich bin über­zeugt davon, dass der Herr Bundesminister da Maßnahmen setzen wird –, dass diese Bauern nicht zum Handkuss kommen oder zumindest schadlos gehalten werden.

Ich wünsche mir, dass auch die Kleinlandwirtschaft weiterhin bestehen bleibt, dass es nach wie vor viele Kleinbauern gibt, die Freude an ihrem Handwerk haben. Sie sind es vor allem, die die Landschaftspflege betreiben. Und ich glaube, dass das auch eine Be­rechtigung dafür ist, dass man viel Geld in die Landwirtschaft steckt, denn wir haben aufgrund dessen ein ausgezeichnetes Landschaftsbild in Österreich, wir haben eine wunderbare Kulturlandschaft, und das möchten wir auch in Zukunft so beibehalten. Vielen Dank für dieses Bemühen!

Ich hoffe, dass wir über alle Parteigrenzen hinweg derartige Maßnahmen forcieren, da­mit das Landwirtschaftssterben nicht weiterhin stattfindet. Alles Gute! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

12.53



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 94

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


12.53.55

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Haus! Herr Minister! Wer­te Kollegen und Kolleginnen und Zuseher vor den Fernsehgeräten! Es ist schwierig, nach so vielen sehr kompetenten und auch umfangreichen Vorreden sozusagen nicht in endlose Wiederholungen zu verfallen – und das möchte ich auch nicht.

Der Grüne Bericht ist sehr klar, sehr umfangreich, sehr gut zu lesen, und wir werden ihn auch zu Kenntnis nehmen. Aber je mehr ich mich damit beschäftigt und auch die Diskussionen rund um diesen Bericht verfolgt habe, desto mehr erschien mir das Ti­telblatt dieses Berichtes symptomatisch, seltsam kennzeichnend. Ich überlasse es Ih­nen, das selber zu beurteilen. (Die Rednerin hält den genannten Bericht, die Ansicht des Titelblattes zeigend, in die Höhe. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ist lieb. (Bundes­rat Mayer: Das haben wir extra für die Grünen gemacht!)

Das ist nicht mein Bild einer Landwirtschaft und auch nicht einer Landwirtschaftsdis­kussion und entspricht meiner Meinung nach auch nicht dem Ernst des Inhaltes dieses Berichtes. Es ist meiner Meinung nach symptomatisch für den Umgang mit diesem ganzen Bereich. Und mir ist heute nur noch eingefallen, auch in der Diskussion, wenn der Herr Minister noch sein Steckenpferd „erneuerbare Energie“ auf diesem Bild reitet, dann komplettiert das vielleicht das ganze Bild. Bilder sagen oft mehr als Worte, und deshalb wollte ich das nicht unerwähnt lassen. (Beifall der Bundesrätin Mag. Schreyer.)

Die Situation ist wirklich dramatisch: Das Bauernsterben hält an, geht weiter. Wir ha­ben seit 1999 im Bereich der Landwirtschaft 20,3 Prozent der Betriebe verloren, seit dem EU-Beitritt 27,5 Prozent. Das ist eine dramatische Entwicklung! Dramatisch ist auch die Einkommensentwicklung, die in diesem Bericht abgebildet ist. Das wurde hier schon mehrmals aufgezeigt.

Ich frage Sie: Welche andere Berufsgruppe hält Einkommensverluste von 7 bis 8 Pro­zent aus? Bei den Bergbauern, den Betrieben der letzten Zone waren es teilweise über 20 Prozent. Also: Welche Berufsgruppe hält das aus?

Im Ausschuss ist in Anbetracht dieser niedrigen Durchschnittseinkommen, dieser Ver­luste die berechtigte Frage gestellt worden: Sind wir jetzt bei den Durchschnittsein­kommen der Landwirte schon im Bereich der Mindestsicherung angelangt? – Darauf kam die Antwort: Das ist ja nur ein Einkommen, die Bauern haben auch noch andere Einkommen!

Auch das ist nicht mein Bild von der Landwirtschaft! Ich denke, die Anforderungen an die Landwirte und an die Landwirtschaft sind so, dass es bei dem Grad der Profes­sionalisierung, die in diesem Bereich erforderlich ist, notwendig ist, dass wir Voller­werbslandwirte haben, die von dieser ihrer Arbeit auch leben können müssen und sollen. Ich denke, das ist ein erhebliches Problem, dem man sich zu stellen hat. Und im Übrigen ist es, glaube ich, kein Zufall, dass deshalb so viele Frauen inzwischen Be­triebsleiterinnen sind und in der Landwirtschaft tätig sind. Das hat meiner Meinung nach eben auch mit der Einkommenssituation in diesem Bereich zu tun. Leider!

Ganz dramatisch ist der Einkommensverlust bei den Bergbauernbetrieben. Und da möchte ich, obwohl meine Vorredner das schon angesprochen haben, auf die Situation bei den Almförderungen zu sprechen kommen. Auch in Salzburg ist die Situation eine dramatische. Kollege Schmittner hat auch öffentlich darauf hingewiesen, wie drama­tisch die Situation in Salzburg ist. Er hat angekündigt, dass es dazu eine Gesetzes­initiative geben soll. Ich habe sie noch nicht gesehen, würde mich dieser aber gerne anschließen. (Bundesrat Dr. Schmittner: Gut Ding braucht Weile!)


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 95

Aber man muss sich einmal vorstellen, was da passiert ist! Nämlich: Es ist zu einer Flächenermittlung gekommen, und jetzt hat sich herausgestellt, dass die Flächen, für welche die betroffenen Landwirte Förderungen erhalten haben, in vielen Fällen viel zu groß bemessen wurden, sodass diese Landwirte nicht nur Nachzahlungen, Strafzah­lungen zu befürchten haben, sondern ihnen auch die laufenden Förderungen nicht aus­gezahlt werden. Das heißt, diese Landwirte fallen in vielen Bereichen um ihr aktuelles Einkommen um. Und das ist für viele von ihnen existenzgefährdend! Dazu kommt die völlig mangelnde Rechtssicherheit und auch der Verlust an Vertrauen in die Förderstel­len.

Wir wissen alle, dass es in den Einrichtungen auf Landesebene und in der Landwirt­schaftskammer viel Personal gibt, das damit befasst ist, die Bauern dabei zu unterstüt­zen, diese Förderungen überhaupt in Anspruch nehmen zu können.

Und es gibt die AMA, allerdings kein unabhängiges Schiedsgericht im Rahmen der AMA. Es fühlt sich aber niemand für das, was hier von Behördenseite an offensichtlich falscher Beratungsleistung oder Flächenermittlung geschehen ist, verantwortlich. Das bleibt am Landwirt hängen. Diese Situation ist unbefriedigend, mehr als unbefriedi­gend.

Leider sind das aber auch die Maßnahmen, die dazu formuliert worden sind. Der Maß­nahmenkatalog ist etwas dünn und dürftig, denn dazu heißt es dann im Bericht: Die österreichischen „Almbäuerinnen und Almbauern brauchen bei der Feststellung und Beantragung förderfähiger Almfutterflächen Rechtssicherheit. Das zukünftige System der Flächenfeststellung muss unter Berücksichtigung aller vorhandenen Möglichkeiten so gestaltet werden, dass mögliche Unsicherheiten ausgeräumt werden“.

Das ist mehr als dünn. Damit sind, glaube ich, sowohl die Bauern als auch wir Grüne zutiefst unzufrieden. So kann Förderung nicht laufen, das ist auch keine Grundlage für ein weiteres Wirtschaften der Bauern in diesem Bereich. Und wenn wir die Bauern auf den Almen verlieren, dann haben wir nämlich auch die Situation – wie es schon im Ausschuss angesprochen wurde –, dass wir von Muren, von Erosion bedroht sind und dass dann viele öffentliche Mittel in die Hand genommen werden müssen, um hier Si­cherheit herzustellen und Katastrophen und dergleichen abzuwenden – Mittel, die um ein Vielfaches über dem liegen, was notwendig wäre, um das für die Landwirte hier und jetzt zu regeln.

Dann möchte ich aber doch auch noch auf Kollegen Pum eingehen, der gemeint hat, Landwirtschaft ist gleich Umweltschutz. – Es wäre schön, wenn dem so wäre. Das sollte – und da sind wir uns auch einig – auch das Ziel sein. Derzeit stimmt dieses Gleichheitszeichen aber nicht. Und in diesem Bereich müssen wir uns auch Sorgen machen, vor allem, wenn wir uns allein die Stagnation bei den Biobetrieben anschau­en: Biobetriebe konnten nach 2009 nicht mehr in dieses Förderregime einsteigen, das heißt, wer ab 2009 umgestellt hat, erhält nur konventionelle Förderungen. Das hätte man in den Verhandlungen auch anders lösen können, das ist aber nicht geschehen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das ist von den Bioverbänden so festgelegt worden!)

Es gibt sowohl eine Stagnation der Fläche als auch eine Stagnation bei der Zahl der Betriebe, und das bei der öffentlichen Akzeptanz gerade dieser Maßnahme. Ich denke, das ist eine Katastrophe. Wir müssten in Richtung Verdopplung der Biobetriebe gehen und das auch flächendeckend organisieren können. Wir müssen dazu kommen, dieses Gleichheitszeichen setzen zu können.

Das betrifft auch den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, wo wir weit davon entfernt sind, dieses Gleichheitszeichen setzen zu können. Ein anderes Negativbeispiel ist die Förderung im Grünlandbereich, wo extensives Grünland nur mehr ein Viertel der bishe-


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 96

rigen Förderung erhalten soll. Das wird zu einer Intensivierung im Grünlandbereich füh­ren und damit zu einem extremen Verlust der Biodiversität, gerade dort, wo die Bio­diversität massiv gefährdet ist. Hier gibt es einen Rückschritt für den Umweltschutz und die Landwirtschaft, und ich hoffe nur, dass das im Sinne der Biodiversität verhindert werden kann.

Ein weiterer Punkt betreffend die Biodiversität ist zum Beispiel die Frage der Erhaltung seltener Nutztierrassen im landwirtschaftlichen Bereich. Hier gibt es ein Programm, das seit ungefähr zehn Jahren läuft, um seltene Nutztierrassen zu erhalten und auch wie­der auf eine gesunde solide Basis zu stellen. Das ist ein Win-win-Programm für den Tourismus, für die Ernährung, für viele Bereiche. Jetzt ist aber auch wieder in Diskus­sion, dass dieses Programm nicht fortgeführt werden kann. Wenn es dazu kommt, dass die Genetik nicht mehr mit dieser wissenschaftlichen Akribie durchgeführt werden kann und es zu einem Ausstieg kommt, bedeutet das, dass solche Haustierrassen un­wiederbringlich verloren sind. Wenn hier wieder Einkreuzungen erfolgen und diese wis­senschaftlichen Programme in Zusammenarbeit mit den Landwirten zurückgefahren werden, dann sind manche dieser Rassen als Kulturgut unwiederbringlich verloren.

Es gilt aber auch, zu zeigen, dass Landwirtschaft etwas ist, was heute mit großer Pro­fessionalität, auch Wissenschaftlichkeit betrieben wird und betrieben werden muss. Da­her hoffe ich wirklich auf ein Umdenken und Neudenken und auf eine verstärkte An­strengung, dass dieses Gleichheitszeichen „Landwirtschaft ist gleich Umweltschutz“ als solches in Zukunft auch wirklich gilt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


13.06.17

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Zuerst einmal ein Dankeschön, dass viele das Problem der Landwirtschaft sehen.

Martin Preineder und ich sind praktizierende Landwirte. Ein bisschen Angst hat mir der Seitenhieb vom Kollegen Bock bereitet, als er quasi gesagt hat, die Landwirtschaft leis­te im Sozialbereich keinen ordentlichen Beitrag, da seitens der Landwirtschaft nur 27,9 Prozent in den Pensionsbeitrag einfließen. Ich muss eines sagen: Die Landwirt­schaft – wir haben es vom Kollegen Martin Preineder gehört – hat sich seit dem Jahr 1995 fast halbiert. (Bundesrat Stadler: Auch andere Bereiche, Ferdl!) Damit sind auch die Beitragszahler weggefallen. Aber unsere Jugend ist im Arbeitnehmerbereich tätig und wird auch in diesem Bereich die Beitragszahlungen leisten.

Die Landwirtschaft leistet auch einen hervorragenden Beitrag im Bereich der Sozial­betreuung durch pflegende Angehörige. Über 80 Prozent der zu pflegenden Angehöri­gen werden von den Bäuerinnen und Bauern betreut – in diesem Sinne ein Danke­schön an die Bäuerinnen, die diese Pflege leisten. Auch ein Dankeschön den vielen Bäuerinnen, die Betriebsführerinnen sind, ohne die wir wirklich nicht dieses Einkom­men in der Landwirtschaft von zirka 27 000 € erwirtschaften könnten.

Werte Damen und Herren, es ist auch wichtig, dass in Zukunft das Einkommen nicht als Gewinn gesehen wird, denn die Landwirtschaft investiert sehr viel und muss viel in die Zukunft investieren. Wir haben das Problem zurzeit auch im Bereich der Investi­tionsförderungen, bei denen der Topf noch nicht geöffnet ist, die aber von den Land­wirten auch in Zukunft für die Tierschutzmaßnahmen – die ja teilweise hier im Parla­ment beschlossen worden sind – eingefordert werden. Ich fordere auch hier – insbe­sondere auch vom Koalitionspartner – ein, dass die Mittel, die aus Brüssel kommen, wieder entsprechend der 50:50-Regelung umgesetzt werden, denn es ist nicht möglich,


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auf der einen Seite zu sagen, wir brauchen in Zukunft die Bergbauern, und auf der an­deren Seite diese 50:50-Regelung nicht einzuhalten. Diese Regelung ist doch eine ver­nünftige Sache, um auch die Arbeit der Bergbauern zu sichern.

Das Einkommensminus bei den Bergbauern ist nur darauf zurückzuführen, dass die öf­fentlichen Gelder zurückgegangen sind. Wir wissen alle, die Bergbauern können die Einkommen nicht aus der Produktion erwirtschaften, sondern sie erwirtschaften es aus den öffentlichen Geldern. Deshalb wird es auch in Zukunft wichtig sein, diese Gelder abzuholen, denn, wenn wir – wie der Kollege gesagt hat – nur 50 Cent und 30 Cent drauflegen, dann haben wir keinen Euro. Wir brauchen aber den Euro, wir brauchen die hundertprozentige Absicherung unserer Landwirtschaft.

Lieber Kollege Zelinka, Sie haben das Thema Saatgutverordnung angeschnitten. Der EU-Ausschuss-Vorsitzende, Bundesrat Edgar Mayer, hat in Brüssel die gelbe Karte gezeigt, um auch in Zukunft die Saatgutvielfalt sicherzustellen, um auch in Zukunft die Möglichkeit zu erhalten, dass Saatgut in Vielfalt angeboten wird.

Ein großer Erfolg, auch ausgehend vom Bundesrat, ist die Lebensmittelsicherheit auf europäischer Ebene. Es war mir ein persönliches Anliegen, als ich Gesundheitsmi­nister Stöger damals, als auf europäischer Ebene das Thema Schummelkäse und Schummelschinken dominierte, dieses Schreiben überreicht habe, dass in Zukunft auch auf europäischer Ebene die verpflichtende Herkunftskennzeichnung umgesetzt werden muss. Die Mindestschriftgröße auf den Kennzeichnungen und die Mehrwert­kennzeichnung werden – ausgehend vom Bundesrat! – auch auf europäischer Ebene kommen. Daher wird es auch wichtig sein, diesen Bundesrat in Zukunft so zu stärken, damit er auch für die Menschen und die Bevölkerung arbeiten und agieren kann.

Unsere Landwirtschaft ist bereit, auch in Zukunft die Lebensmittel für die Konsumen­tinnen und Konsumenten sicherzustellen. Ob das den Fleischverzehr oder die Veganer betrifft, man muss uns nur produzieren lassen. Der Biolandbau ist schon angesprochen worden. Wir sind bereit, biologisch zu produzieren, aber der Konsument muss es uns auch abgelten. Und das ist teilweise das Fatale. Denn: Bei Aktionen von Funktionären des Bauernbundes vor den Geschäften sagen die Konsumenten zwar, dass sie gerne unsere Produkte aus den Regionen kaufen, wenn wir dann aber in ihren Taschen nachschauen, aus welcher Region diese stammen, dann sehen wir, besonders im Grenzgebiet zu Deutschland, „Landliebe“- Joghurts. Und die Leute glauben, das kommt aus Österreich, dabei wird das nicht einmal in Deutschland produziert, sondern in Holland.

Daher ist es wichtig – auch dir ein Dankeschön, Herr Minister Berlakovich – immer wie­der die klare Kennzeichnung des AMA-Gütesiegels herauszustreichen und die Men­schen nicht mit dem AT-Stempel zu verunsichern, denn dieser kommt bei der Tier-Beschau drauf, in Dänemark der dänische Stempel, in Deutschland der deutsche. Es ist einfach wichtig, darauf zu achten, dass das AMA-Gütesiegel – ob bio oder konven­tionell – auch dementsprechend zu verfolgen ist. Hier hat unser Herr Bundesminister gemeinsam mit dem Gesundheitsminister einen Weg eingeschlagen, um die Lebens­mittelsicherheit zu gewährleisten.

Ein herzliches Dankeschön noch an die Personen, die diesen Grünen Bericht mit sei­nen vielen Seiten verfasst haben. Und auch eine Bitte, um die Zukunft der Landwirt­schaft zu sichern: Die Zukunftsaussichten der Landwirtschaft sind ja nicht so schlecht, wie sie von manchen prognostiziert worden sind, aber sie sind kritisch. Wir wissen je­doch, dass weltweit der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt und die Weltbevölkerung wächst. Wenn wir auch im Export dabei sind und diese Lebensmittel in die Welt hinaus transportieren, mit dieser Sicherheit, dass diese hier in Österreich produziert werden, dann haben wir sicher auch in der Landwirtschaft eine gute Chance, diese Wertestel­lung auch in Zukunft beizubehalten.


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In diesem Sinne noch allen Mitarbeitern des Ministeriums ein Dankeschön für den um­fassenden Bericht und dir, Herr Minister, ein Dankeschön für deine Arbeit in den ver­gangenen Jahren und auch in der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

13.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Lampel. – Bitte.

 


13.12.36

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Es wurden ja von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits sehr viele Aspekte im Bereich der Land- und Forstwirtschaft angeführt.

Die Aufgaben in der Landwirtschaft sind heutzutage sehr vielfältig, sie reichen von der Produktion von hochwertigen Nahrungsmitteln, der Produktion von Futtermitteln, über die Wahrnehmung überregionaler gesellschaftlicher Aufgaben – wie zum Beispiel der Erhaltung der Kulturlandschaft oder der Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen von Boden und Wasser – bis hin zur Erzeugung von Rohstoffen für die Industrie oder für die Produktion von erneuerbaren Energie. Wobei sicherlich hinkünftig – und es wurde vorher schon bereits gesagt – die ständig steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und Rohstoffen ebenso wie die Auswirkungen des Klimawandels eine besondere, zu­sätzliche Herausforderung für die Landwirtschaft sein werden.

Daher war sicherlich das Jahr 2013 für die europäische Landwirtschaft ein sehr wich­tiges Jahr, ein Jahr, in dem die nahe Zukunft der Agrarpolitik entschieden wurde. 2013 wurde nach umfangreichen Diskussionen eine Einigung zur Gemeinsamen Agrarpolitik der nächsten zehn Jahre, von 2014 bis 2020, erzielt. In dieser für diesen Zeitraum ge­meinsam beschlossenen Agrarpolitik gibt es wieder zwei Säulen, und ich möchte zu diesem Modell einige Anmerkungen machen.

In Säule 1 finde ich es positiv, dass auch ökologische Gesichtspunkte berücksichtigt wurden, so werden 30 Prozent der Direktzahlungen ausschließlich für ökologische Leis­tungen in der Landwirtschaft gewährt. Der Direktzahlungsbetrag für Betriebe, der grö­ßer als 150 000 € ist, kann zwar um 5 Prozent gekürzt werden, aber eine Deckelung gibt es leider nicht. Manche Umstellungen erfolgen erst in Schritten bis 2019.

Die Säule 2 der Gemeinsamen Agrarpolitik ist die ländliche Entwicklung, das ist jener Bereich, der für Österreich besonders wichtig ist. Daher ist es besonders notwendig, dass die finanziellen Mittel in Säule 2 entsprechend hoch gestaltet werden, denn hier profitieren die Klein- und Mittelbetriebe, die kleinbäuerlichen Betriebe. Und vielleicht gibt es noch die eine oder andere prozentuelle Verschiebung von Säule 1 zur Säule 2, was ja möglich ist. In Säule 2 geht es um die Wettbewerbsfähigkeit, um die Verbes­serung der Umwelt- und Kulturlandschaft – wie die Förderung der Berggebiete –, um Agrar-Umweltmaßnahmen oder um Lebensqualität – wie Dorferneuerung oder Förde­rung des Fremdenverkehrs.

Im Jahre 2014 ist es ja nicht möglich, die Gemeinsame Agrarpolitik komplett in Kraft zu setzen, das wird erst mit 1. Jänner 2015 erfolgen. Daher ist das Jahr 2014 für die Landwirtschaft ein Übergangsjahr, wird auch als agrarisches Übergangsjahr bezeich­net. Es gibt verschiedene Übergangsmaßnahmen, wie zum Beispiel, dass in der länd­lichen Entwicklung für laufende Projekte bereits Geldmittel aus der Finanzzuteilung 2014 bis 2020 beansprucht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die GAP 2014 ist eine Reform, aber der große Wurf ist in Wirklichkeit nicht gelungen – für noch mehr Umweltschutz, eine noch bessere Verteilung, eine sozial gerechte Verteilung der Fördergelder in der Landwirtschaft, wo Arbeitsaufwand, Qualität und besondere Umweltleistungen noch stärker berücksichtigt


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werden, für unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft, für unseren bäuerlichen Bereich, zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten, der Umwelt und der hohen Qua­lität. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Temmel. – Bitte.

 


13.17.13

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher an den Fernsehgeräten! Vorerst danke ich allen, die zu diesem um­fassenden Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft beigetragen haben, nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, sondern auch jenen, die die zahlreichen Betriebsdaten zur Verfügung stellen. Da ich früher selbst Aufzeichnungen für den Grünen Bericht gemacht habe, weiß ich auch, dass für jeden Betrieb ein gewisser Mehrwert zurückkommt. Man kann sich mit ande­ren Betrieben vergleichen und dann die Schwächen ausgleichen beziehungsweise die Stärken ausbauen.

Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass im vergangenen Jahr gegenüber 2011 die Einkünfte pro Betrieb im Durchschnitt um 8 Prozent gesunken sind. Ausschlaggebend für den Einkommensrückgang waren vor allem niedrige Erträge aus der Forstwirt­schaft – durch den geringeren Holzeinschlag – sowie gesunkene Erntemengen bei Ge­treide, Öl- und Eiweißfrüchten. Geringere Einkünfte wurden in fast allen Betriebsformen festgestellt, besonders bei den Bergbauern und bei den Biobetrieben, diese verzeich­neten einen Rückgang von 13 Prozent beziehungsweise 12 Prozent gegenüber 2011. Deshalb sind gerade in diesem Bereich öffentliche Gelder – bei den Bio-Betrieben um 15 Prozent über dem Durchschnitt aller anderen Betriebe liegend – sehr wichtig und auch richtig eingesetzt.

Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Einkünfte nur in Oberösterreich und im Burgen­land – im Burgenland mit 12 Prozent am stärksten, hier wurden auch pro Betrieb mit 39 200 € die höchsten Einkünfte erzielt, wie das bereits der Kollege Bock erwähnt hat. Das ist in erster Linie vor allem auf die erhöhten Getreidepreise zurückzuführen und andererseits auch auf den hohen Anteil des Burgenlandes an Sonderkulturen.

Ich glaube, man kann nicht oft genug auf die vielfältigen Aufgaben hinweisen, die Bäu­erinnen und Bauern für die ländliche Region erbringen und die im Leitbild des Lebens­ministeriums so treffend zusammengefasst sind: Sie schaffen und sichern die Voraus­setzung für eine hohe Qualität des Lebens in Österreich. Sie stehen für vorsorgende Erhaltung und verantwortungsvolle Nutzung der Lebensgrundlagen Boden, Wasser, Luft, Energie und biologische Vielfalt. Sie setzen sich für eine umweltgerechte Entwick­lung und den Schutz der Lebensräume ein. Sie sorgen für eine nachhaltige Produktion, insbesondere sicherer und hochwertiger Lebensmittel und nachwachsender Rohstoffe. Sie stehen für vorsorgende Erhaltung und verantwortungsvolle Nutzung der Lebens­grundlagen.

Obwohl das LEADER-Programm nur etwas über 5 Prozent des ganzen ELER-Pro­grammes ausmacht, weiß ich als Obmann der LEADER-Region Südburgenland gerade dieses Programm sehr zu schätzen. So konnte allein in der laufenden Periode eine Fördersumme von fast 11 Millionen € ausgelöst und dadurch eine Gesamtsumme von 27 Millionen, eben noch durch den Zusatz von den Fördergebern, umgesetzt werden; das vor allem für die ländliche Region, unter anderem für die erneuerbare Energie, den Tourismus, die Dorferneuerung, den Naturschutz – um nur einige zu erwähnen.

Um all das umzusetzen, bedarf es natürlich der Solidarität der gesamten Gesellschaft sowie guter Rahmenbedingungen. Erfreulich in diesem Zusammenhang ist, dass es


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unserem Lebensminister Dipl.-Ing. Berlakovich mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern nach jahrelangen harten Verhandlungen gelungen ist, für die nächsten sieben Jahre bis 2020 die Kernanliegen der österreichischen Landwirtschaft bei den GAP-Ver­handlungen durchzubringen. Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern wurden nur ge­ringfügige Kürzungen gegenüber der jetzigen Periode erreicht. (Beifall des Bundesra­tes Ing. Köck.)

Mit der neuen Reform wird sichergestellt, dass aktive Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft eine flächendeckende, wettbewerbsfähige, nachhaltige bäuerliche Landwirt­schaft betreiben können.

Dafür, sehr geehrter Herr Minister Berlakovich, lieber Niki, gilt dir und deinen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern ein herzliches Dankeschön aller, die sich für eine gute Entwicklung der ländlichen Region einsetzen!

Wir werden deshalb dem Grünen Bericht 2013 und den Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2014 gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Füller.)

13.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Köck. – Bitte.

 


13.22.00

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Minister! Sehr geehrte Bundesräte! Heute geht es um den Bericht zur Landwirtschaft, um das Einkommen der Landwirtschaft im Jahr 2012. Die Zahlen sind heute schon einige Male gefallen: Es ist wahrlich keine gute Entwicklung. Ich meine, dass wir hier offensive Strategien brauchen, um wieder eine Umkehr zu bewirken.

Deshalb ist es für mich verwunderlich, dass es in diesen Tagen bei Verhandlungen da­rum geht, dass man die ländliche Entwicklung doch um einen großen Betrag kürzen und diesen in soziale Dienstleistungen umschichten will, denn es werden – wie heute schon oftmals angesprochen – gerade aus dieser ländlichen Entwicklung die Bergbau­ernbetriebe und die Biobetriebe unterstützt. Diese würde die Maßnahme der Um­schichtung am allerhärtesten und allermeisten treffen.

Wir haben ja auch gesehen, dass sie in diesem Bericht bei den Einkommen noch am schlechtesten wegkommen. Deshalb verstehe ich auch die Diskussion nicht, die da geführt wird, wenn ich mich daran erinnere, wie im Landwirtschaftsausschuss diskutiert worden ist. Da bitte ich doch, meine Damen und Herren, auch in allen Ihren Gremien um Unterstützung, dass es nicht dazu kommen wird.

Unwetter, Dürre und Hagel sind immer öfter anzutreffen und werden immer häufiger. Sie führen zu Einkommensschwankungen in der Landwirtschaft, die Bauern zahlen hier die Zeche für den Klimawandel. Ich meine, es ist höchst an der Zeit, hier ein um­fangreicheres, staatlich unterstütztes Versicherungssystem zu kreieren, damit wir die Einkommen der Bauern absichern, die Betriebe am Leben erhalten und eine positive Entwicklung unterstützen. Denn es geht nicht nur um die Arbeitsplätze der Bauern und Landwirte, sondern auch um die 136 800 Beschäftigten im vor- und nachgelagerten Bereich. Ich denke, wir sehen hier, wie wichtig es ist, diese Einkommen langfristig ab­zusichern.

Für die Regelungen der gemeinsamen Agrarreform, wie sie derzeit sind, möchte auch ich sehr herzlich danken, Herr Minister. Dass es letzten Endes in diesen zwei Jahren so geworden ist, trägt europaweit deine Handschrift, das muss man schon sagen. Wir kennen noch die Regelungen, wie sie vor zwei Jahren dagestanden sind. Ich denke


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schon, dass du einen sehr großen Anteil daran hast, wie es jetzt aussieht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dir auch sehr herzlich danken für die Selbstbestimmung auf dem Sektor der gentechnikveränderten Organismen. Auch das trägt europaweit deine Handschrift. Ge­rade jetzt ist diese Selbstbestimmung wichtiger denn je! Beim Verbot der Neonico­tinoide steigen einige Länder auf gentechnikveränderte Organismen um. Umso wichti­ger ist hier diese Selbstbestimmung, dass es in Österreich nicht dazu kommen wird, wenngleich mit diesem Verbot der Neonicotinoide natürlich das Steigen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln einhergehen wird.

Ich muss ehrlich sagen, die Diskussion, wie sie in diesem Bereich geführt worden ist, ist das Beschämendste in der Landwirtschaftspolitik in den letzten Jahrzehnten: wie hier mit Unwahrheiten umgegangen wurde, um einen Medial-Hype für sich und seine eigene Partei vielleicht auszunutzen.

Wir brauchen in der Landwirtschaft auch mehr Schutz beim Grundverkehr. Darum geht es nämlich, Herr Kollege Zelina vom Team Baden! – Entschuldigung, dass mir das jetzt so herausrutscht, aber man kennt sich nicht mehr aus. In Ihrer Partei geht es ja so: FPÖ, BZÖ, Team Stronach, Team Niederösterreich, und am Ende bleiben wahrschein­lich Team Baden, Team Mödling, Team Wiener Neustadt und sonst etwas übrig. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Aber um darauf zurückzukommen: Das wird die Entwicklung sein, die uns dorthin führt, dass wir eventuell wieder Pächter sein werden, weil jetzt Großinvestoren das sichere Gut der Anlage in Grund und Boden erkennen, da andere Anlagen nicht mehr sehr sicher sind. Wir haben sehr viel damit zu kämpfen, dass Anleger kommen, die Preise in die Höhe treiben, uns den Grund auskaufen und wir zu Pächtern werden. Ich denke, auch dagegen muss ein Mittel gefunden werden.

Zu einem Bereich noch, der mir ganz wichtig im Leben ist, und zwar zu Holz und Bio­masse: Hier werden in dem Bericht gute Preise genannt, sie wurden auch heute schon genannt. Ich muss sagen: Das Ganze muss man relativieren. Im besten Sortiment beim Rundholz war der Preis, als ich mit meiner landwirtschaftlichen Ausbildung be­gonnen hatte, bei 70 € je Festmeter; vor fünf Jahren war er immer noch bei 70 €; jetzt ist er bei 100 €. Würde man das aber vom Jahr 1980 bis jetzt um jeweils jährlich 2 Prozent korrigieren, dann müsste der Preis bei diesem Sortiment jetzt 135 € betra­gen.

Das sind die Schwierigkeiten, mit denen wir auf allen Linien der Landwirtschaft zu kämpfen haben. Deshalb brauchen wir auch in den meisten Bereichen diese Aus­gleichszahlungen.

Wir haben heute schon gehört, dass in Kärnten eine Menge Biomasse nicht gebracht werden kann, weil die Bringung letzten Endes über den Grenzkosten liegt. Auch da verstehe ich die Angriffe der Papierindustrie im letzten Jahr nicht: dass sie gegen die überzogenen Förderungen für Biomasse gewettert hat. Natürlich ist es nicht einfach, wenn sie ihr Preisdiktat, das sie über Jahrzehnte ausgeübt hat, nicht mehr so einfach ausüben kann, weil es jetzt eben auch ein anderes Segment für dieses Sortiment an Holz gibt. Aber ich glaube, dass es trotzdem für uns alle ein Anliegen sein muss, die Biomasse mehr zu fördern, dass eben genau dieses Potenzial an erneuerbarer Ener­gie in Zukunft auch gehoben werden kann. Hier sollten wir uns nicht von den Vertretern der Papierindustrie ins Bockshorn jagen lassen.

Die Lebensmittelsicherheit ist heute schon angesprochen worden. Mir geht es dabei auch um den Etikettenschwindel, wenn zum Beispiel der Chef von „Tauernlamm“ in ein Restaurant kommt, auf der Speisekarte „Tauernlamm“ sieht, dieses Restaurant aber nicht zu seinen Kunden gehört. Es war ja auch in den Medien, dass so etwas passiert.


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Wenn er den Restaurantbesitzer fragt, warum das so ist, und er, darauf angesprochen, antwortet: Na ja, dann mache ich in Zukunft halt keine Werbung mehr für dich!, dann kommt auch noch die Unverfrorenheit dazu.

Ich glaube, daher ist es richtig, dass wir in Österreich das AMA-Gütesiegel haben und in Zukunft auch das AMA-Gütesiegel für die Gastronomie, das dann „Kulinarisches Er­be“ heißt. Dahin gehend müssen wir arbeiten, dass wir uns absetzen, denn der Konsu­ment will immer mehr Regionalität, will wissen, wie und wo produziert worden ist. Wir haben hier in Österreich ganz einfach die besten Richtlinien europaweit, deshalb sollte unter unserem Namen nur das verkauft werden, was auch tatsächlich von uns produ­ziert worden ist.

Ich möchte noch auf einen kleinen Bereich eingehen, wo wir nicht Eigenversorger sind und wo ich in der Vermarktung österreichweit auch sehr stark mitarbeite: Das ist der Schaf- und Ziegenbereich. Dieser Sektor wächst in den letzten Jahren doch ein wenig, und wir konnten es schaffen, den Selbstversorgungsgrad von 73 auf 79 Prozent zu steigern. Wir haben hier gute Vermarktungsorganisationen, müssen aber mit Konkur­renz aus Neuseeland kämpfen, das eine Ware anbietet, die zum Teil um 50 Prozent billiger ist als die unsrige, hergeflogen oder hergebracht mit dem Schiff über den gan­zen Globus sozusagen. (Präsident Todt übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich glaube, auch das kann nicht sinnvoll sein. Da meine ich, dass es wichtig ist, in der ländlichen Entwicklung für diese Bereiche, wo wir den Selbstversorgungsgrad noch nicht erreicht haben, unsere Vermarktungsorganisationen auch zu unterstützen, dass wir hier der Konkurrenz, die auf gut und sicher eingefahrenen Pfaden ganz einfach leichter spielen kann, etwas entgegenzusetzen haben.

Zum Abschluss möchte ich auf ein Thema eingehen, das heute noch nicht angespro­chen worden ist, aber doch auch einige Male in den Medien war. Das ist die Arbeit der Bundesräte.

Ich habe mich wirklich sehr geärgert über einen „Krone“-Bericht, in dem Herr Bundes­rat Dr. Schmittner zitiert worden ist und wo gesagt wird, wir würden nichts arbeiten und nur kassieren. (Bundesrat Dr. Schmittner: ... nie in der „Krone“!) Ich weiß nicht, warum gerade die Bundesräte so – ich habe hier stehen „dumm“, ich sage es nicht, ich sage: – einfältig sind. Es könnte ja auch ein Nationalrat gewesen sein! Die haben eine Woche vorher mit den Tagungen aufgehört und jetzt eine Woche vor uns angefangen, die haben ja offensichtlich auch nichts gearbeitet. Aber es musste wiederum ein Bun­desrat sein.

Richtig ist, dass ich den Staat nicht 4 150 € koste, sondern die Hälfte, denn die Hälfte bekommt der Staat als Einkommensteuer wieder zurück. Das ist einmal medial falsch dargestellt. Ich habe zusammengezählt, was ich in diesen vier Monaten, in denen wir offensichtlich nichts gearbeitet haben – Sie schon, denn Sie sind ja Bürgeranwalt, ha­ben Sie gesagt ... (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr eigener Parteiobmann glaubt dann auch nicht, dass ihr so viel arbeitet!)

Ich habe gearbeitet! Drei Tagungen im Bundesrat (Bundesrätin Mühlwerth: Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Ihrem Parteiobmann!), drei Nationalratsklub-Tagungen, neun Tagungen in Landtagsklubs, 22 Landeshauptmannvertretungen, 45 Termine für Organisationen, die ganz einfach verlangen, dass jemand aus dem öffentlichen Be­reich auch dabei ist. Hier medial auszubreiten, wir würden nichts arbeiten, ist wirklich sehr, sehr schlecht und hilft keinem!

Ich glaube, das zeigt: Wir arbeiten tatsächlich genug! Es gibt ein Reformpapier des Bundesrates, unterzeichnet von den Landeshauptleuten, von den Landtagspräsiden­ten. Ich meine, das ist umzusetzen, und das wird eine gute Entwicklung des Bundesra­tes auch in Zukunft vorsehen.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 103

Dem Grünen Bericht stimmen wir natürlich zu. Danke, Herr Minister, für deine Arbeit! – Und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Füller.)

13.32


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Berlakovich. Ich erteile es ihm.

 


13.32.39

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich bedanke mich vorweg bei den Fraktionen dafür, dass sie sich mit dem Thema Land- und Forstwirtschaft so eingehend und intensiv auseinandergesetzt haben. Das ist wichtig, denn meiner festen Überzeugung nach ist die Land- und Forst­wirtschaft ein Bereich, der in Zukunft an Bedeutung gewinnt.

In wenigen Jahrzehnten wird es neun Milliarden Menschen auf der Welt geben – Frage: Wie ernähren wir die Menschen ausreichend, in welcher Qualität? Wie können wir gleichzeitig Boden, Luft und Wasser schützen, eine Landschaft erhalten, die der Tourismus braucht? – Es bestehen also enorme Herausforderungen. Auch angesichts des Klimawandels und sich ändernder Bedingungen hat der land- und forstwirtschaft­liche Sektor ja selbst Riesen-Herausforderungen zu bewältigen. Daher ist es wichtig, und noch einmal: danke, dass Sie sich damit befasst haben!

Ich würde auch, Frau Kollegin, den Grünen Bericht nicht auf eine Kinderzeichnung re­duzieren und diese kritisieren. Auch das war das Ziel: Schulen einzuladen, sich mit dem Thema Land- und Forstwirtschaft auseinanderzusetzen, damit auch die Kleinen schon erkennen, wie wichtig das Thema der Ernährung und der Sicherung unserer Ar­tenvielfalt ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Der vorliegende Bericht ist der 54., und es gibt mit Sicherheit kein umfangreicheres Nachschlagewerk über die Land- und Forstwirtschaft in Österreich. Datenlage, Ma­terial, Informationen – also alles wird beleuchtet. Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lebensministeriums und auch an die Betriebe, die sich wie immer be­mühen, diese Daten in sehr großem Umfang zur Verfügung zu stellen: herzlichen Dank für die ausgezeichnete Arbeit!

Es wurde die Einkommenssituation erwähnt, ich muss nicht näher darauf eingehen. Sie zeigt aber im Lauf der Jahre – heuer ein Minus, im vergangenen Jahr ein Minus, vor zwei Jahren ein sehr starkes Plus – ein sehr starkes Auf und Ab der Einkommen. Was heißt das? – Dass die Land- und Forstwirtschaft zum einen eben ein unternehme­rischer Tätigkeitsbereich ist, der keine kontinuierliche Einkommensentwicklung hat, und wie sehr nach wie vor die Land- und Forstwirtschaft den Einflüssen von Wind und Wet­ter ausgesetzt sind.

Bundesrat Temmel hat es angesprochen: Frostschäden im Wein, Dürre im Ackerbau, niedrigere Erträge in der Forstwirtschaft. Das heißt, das ist nach wie vor eine Heraus­forderung. Daher versuchen wir, dem zu begegnen, indem wir über die Hagelversiche­rung hinaus zukünftig auch Dürre-, Ernteausfallsversicherungen entwickeln wollen. Der Pferdefuß dabei ist, dass das Geld kostet. Aber dorthin muss es gehen, dass wir eben Einkommen in der heimischen Land- und Forstwirtschaft auch stabilisieren können, um Wetterkapriolen sozusagen hintanzuhalten.

Wichtig ist – das ergibt sich auch aus dem Bericht, und es wurde schon mehrfach er­wähnt –, dass unterschiedliche Betriebe unterschiedlich betroffen sind. Die Botschaft ist eindeutig, dass die Bergbauern eine stärkere Unterstützung brauchen. Es ist auch mein Ziel, dass zum Beispiel Bergbauern der Zonen 3 und 4 zukünftig eine stärkere Unterstützung bekommen, weil diese in ganz extremen Positionen sind.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 104

Aber das, was wir brauchen, ist eine gleichmäßige Einkommensentwicklung in allen Bereichen der Land- und Forstwirtschaft. Ich danke auch den Mitgliedern der §-7-Kom­mission. In bewährter Weise ist es dort so, dass sich die Mitglieder mit dem Thema be­fassen, die Einkommensergebnisse analysieren und dann auch Empfehlungen aus­sprechen. Das ist eine wichtige Tätigkeit. Die zitierten Maßnahmen, die wir unterneh­men sollen, stehen ganz eindeutig auf der Tagesordnung: Das ist die Reform der Ge­meinsamen Agrarpolitik und jetzt dann die Umsetzung in die begleitenden Programme.

Was war die Herausforderung der letzten Jahre? – Vor vier Jahren haben wir die Dis­kussion zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik begonnen. Das ist die Basis für die heimische Land- und Forstwirtschaft. Wir delegieren das nicht an die Europäische Union, aber wir bewirtschaften die Land- und Forstwirtschaft in Europa gemeinschaft­lich dann auch in der nationalen Ausformung der Gesetze und Programme. Das ist un­ser Spielraum, den wir nutzen. Kein Staat in Europa nutzt die Möglichkeit der ländli­chen Entwicklung so wie Österreich, dass wir ein Umweltprogramm erstellen, das in ganz Europa gelobt wird – Finnland und Slowenien haben Ähnliches, aber nie in dem Ausmaß wie wir –, und auch die Programme für die Bergbauern, die die Erschwernisse in diesen Regionen abdecken sollen.

Daher war das die Herausforderung: 28 Mitgliedsländer vor Beginn der Verhandlun­gen – Kroatien ist ja heuer Mitglied geworden und war auch schon am Verhandlungs­tisch –, erstmals hat das Europaparlament bei der Reform mitgesprochen, und jeder Staat wollte etwas anderes vor vier Jahren. Die Herausforderung war: Wie gelingt es uns, österreichische Interessen durchzusetzen? – Denn natürlich wackelt der Schwanz nicht mit der Kuh, dass sozusagen das kleine Österreich sagt, was Sache ist, und dann wird die Agrarreform so ausgestaltet. Daher war es mein Ziel, Allianzen zu bilden: Al­lianzen mit Deutschland und Frankreich – starken Agrarnationen –, aber auch mit un­seren osteuropäischen Nachbarländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien, weil wir hier in Europa eine gemeinsame Interessenslage haben.

Ziel war aber auch, auf die österreichischen Besonderheiten hinzuweisen. Im Jahr 2009 haben wir in Alpbach einen Berglandwirtschafts-Kongress gemacht, zu dem die Länder des Alpenbogens, also von Slowenien beginnend bis Frankreich, eingeladen waren, um der Europäischen Kommission zu zeigen, dass wir eine starke Unterstützung der Berglandwirtschaft brauchen im Sinne der Besiedlung, aber nicht nur, dass Bauern dort sind, sondern dass sie auch Lebensmittel erzeugen, dass sie auch Einkommen erzie­len.

Das war ein Bereich, und diese Allianzen haben es letztendlich mit sich gebracht, dass wir heute, nach vier Jahren intensivster Verhandlungen, sagen können: Wir haben alle zentralen Kernanliegen, die uns wichtig waren, durchgesetzt! Europa ist nämlich am Scheideweg gestanden, ob sich die Gemeinsame Agrarpolitik – Stichwort: mehr Men­schen auf der Welt – in Richtung Agrarindustrie entwickeln soll oder eben weiterhin bäuerliche Familienbetriebe das Leitbild sind. Das österreichische Leitbild sind sie, und es ist uns auch gelungen, in diesen Verhandlungen durchzusetzen, dass nach wie vor bäuerliche Familienbetriebe die Basis sind.

Daher auch zum Strukturwandel: Der Strukturwandel findet statt, leider Gottes, aber natürlich findet er auch deswegen statt, weil der Marktdruck enorm ist. Bundesrat Köck hat das erwähnt, er hat es am Beispiel von Lammfleisch gut dargestellt. Lammfleisch wird importiert, die Bauern befinden sich auf einem völlig liberalisierten Markt, und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit.

Natürlich können dann kleine Strukturen in Österreich sehr schwer mithalten, wenn im großen Stil Lebensmittelimporte nach Europa kommen. Daher ist der Marktdruck auf die kleinen Betriebe groß. Jeder Bauer will von seinem Selbstverständnis her ein Ein­kommen aus den Erzeugerpreisen lukrieren: was er für die Milch bekommt, fürs


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Fleisch, fürs Getreide, fürs Holz. Faktum ist, dass das aufgrund der Weltmarktpreissi­tuation nicht möglich ist, daher bedarf es dieser Ausgleichszahlungen.

Ich darf Ihnen aber noch eines sagen, wenn Sie den Strukturwandel ansprechen: Ver­gleichen Sie die Staaten in Europa, was die Größenstruktur der Betriebe anlangt! Die österreichische, heimische Land- und Forstwirtschaft ist nach wie vor eine kleinstruk­turierte Landwirtschaft. Schauen Sie sich die Zahlen an: Die Betriebe in Deutschland sind, was die Fläche und die Tieranzahl betrifft, zweimal so groß, in Tschechien sechs­mal so groß, in anderen Ländern, wie Dänemark, zehnmal so groß. Das sind ganz an­dere Strukturen, die Sie aber auf dem europäischen Markt antreffen. Daher ist unser Ziel, das zu erhalten.

Wissen Sie, wer die stärksten Partner der heimischen Land- und Forstwirtschaft sind? – Das sind die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie halten Österreich auch die Treue. Jetzt sagen wir, sie sollen auswählen aus den Lebensmitteln, aber bei öster­reichischen Produkten sind Qualität und Sicherheit garantiert. Wenn die Menschen im Supermarkt oder beim Greißler österreichische Lebensmittel kaufen, dann wird es die heimische Land- und Forstwirtschaft auch in einer Kleinstrukturiertheit geben. Daher habe ich mich immer darum bemüht, diese Partnerschaft zwischen den Konsumenten und den Bauern auszubauen. Das ist ein sehr wichtiges Asset, das wir haben.

Daher ist es bei der Gemeinsamen Agrarpolitik auch darum gegangen, dass wir diesen Weg einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft absichern, auch für die Zukunft bis 2020. Das ist uns gelungen. Das heißt, die europäische Agrarpolitik macht es jetzt möglich, dass wir unseren Weg weitergehen.

Wir können der österreichischen Bevölkerung sagen, die heimischen Bauern decken nicht nur den Tisch der Menschen mit biologischen, mit konventionellen Lebensmitteln, sondern sie erbringen auch Umweltleistungen. Es ist nicht so, dass der Bauer nur die Hand aufhalten und demütig sagen muss, jetzt bekomme ich Geld, sondern der, der mehr für die Umwelt tut, bekommt mehr. Wenn ein Bauer nichts für die Umwelt tut, be­kommt er keine öffentlichen Gelder. Auch das will ich weiterschreiben in einem Um­weltprogramm.

Der Effekt ist, dass wir zwar im Fußball nicht Weltmeister sind – besser gesagt, noch nicht Weltmeister sind; wir arbeiten daran –, aber in der Biolandwirtschaft sind wir Weltmeister. Kein Staat der Erde hat so viel biologische Landwirtschaft. Ich bin da­gegen, dass man sagt, wir müssen jetzt einfach verdoppeln. Die Verdoppelung ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, wie viele Konsumenten sagen, ich will Biolebensmittel kaufen. Wenn es mehr Menschen gibt, die das kaufen, dann werden wir die Biolandwirtschaft entwickeln.

Ich bitte um Fairness. Sie haben den Bioeinstiegstopp erwähnt. Das haben wir im Jahr 2009 festgelegt, gemeinsam mit den Bioverbänden. Warum? – Weil das Pro­gramm der Europäischen Union 2013 endet, und wenn ein Bauer neu einsteigt, geht er eine fünfjährige Verpflichtung ein. Niemand kann ihm garantieren, dass es dann in den letzten Jahren, nämlich 2014/15, Bioprämien gibt. Daher wurde aus Verantwortung ge­genüber den Betrieben gesagt, ab 2010 gibt es einen Einstiegstopp, weil niemand die Prämien garantieren kann. Heute kennen wir die Bedingungen, und jetzt werden wir diese Programme wieder öffnen. Wir arbeiten auch aktuell daran. Das ist unser Ziel, dass wir das in Zukunft ausbauen werden.

Zu den Exportförderungen – Sie haben es erwähnt –: Die Exportförderungen sind auf null gestellt. Früher hat es Exportsubventionen gegeben, wir sind jetzt auf null herun­tergefahren. Sie werden nur dann angesprochen, wenn es ein strukturelles Problem gibt. Vor drei Jahren haben wir einen Milchüberschuss in Europa gehabt. Da hat man versucht, den Markt zu räumen, und zwar sehr vorsichtig. Aber wir gehen weg von die­sen Dingen, weil das eben viel Geld bedeutet.


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Zum Thema Biodiversität: Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das angesprochen haben, denn auch das ist Teil der ländlichen Entwicklung, dass wir Bauern unterstützen, die alte Haustierrassen haben und die auch alte Getreide-, Obst- und Gemüsesorten an­bauen. Das wird leider viel zu wenig öffentlich diskutiert. Österreich ist jenes Land, das die EU-Saatgutverordnung am liberalsten auslegt, weil wir diese alten, seltenen Sorten erhalten wollen. Wir zahlen auch den Bauern etwas dafür, wenn sie mit diesen Sorten weniger Erträge haben. Das wollen wir auch in Zukunft tun, und im neuen Programm will ich das auch verankern. Die Chance bekommen wir, denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese genetische Vielfalt ein Schatz von Österreich ist, bestehend aus standortangepassten Sorten im Gemüse-, im Obst- im Getreidebereich, alten Haustier­rassen, aus denen wir schöpfen können. Wir tun sehr viel, damit wir das erhalten können, aber die finanzielle Dotierung ist schon wichtig.

Das Zauberwort der letzten Wochen lautet Kofinanzierung. Was heißt das? – Die Euro­päische Union stellt der Landwirtschaft Geld zur Verfügung. Wir haben vier Jahre dafür gekämpft, und es ist uns gelungen, dass in Österreich das Budget, das uns für die Landwirtschaft zur Verfügung gestellt wird, zwar ein Minus hat, aber nicht 30 Prozent, nicht 50 Prozent, wie angedroht wurde, sondern ein Minus von etwa 3 Prozent. Das ist für die Bauern schmerzhaft, aber es ist verkraftbar. Bayern verliert beispielsweise 20 Prozent in der ländlichen Entwicklung, die haben nicht so verhandelt wie wir, weil wir darlegen konnten, dass wir diese Programme der ländlichen Entwicklung nützen.

Aber die EU sagt, wenn ihr das EU-Geld auslösen wollt, dann müsst ihr österreichi­sches Geld zur Verfügung stellen – Kofinanzierung –, und das haben wir bisher immer im Verhältnis 50:50 gemacht. Daher kämpfen wir darum. In der Verhandlungsnacht – da war ich natürlich interessiert daran – haben wir dann darauf gedrängt, was letztlich Bundeskanzler und Vizekanzler zugesagt haben: Ja, es wird auch in Zukunft eine 50-prozentige Kofinanzierung geben, weil es nicht nur Geld für die Bauern ist, sondern für den ländlichen Raum insgesamt. Es werden ja Investitionen dort ausgelöst.

Die Biodiversitätsprojekte, Nationalpark-, Naturschutzprojekte werden mithilfe der länd­lichen Entwicklung gefördert. Weit darüber hinaus, auch weit über den Agrarsektor hi­naus gibt es Projekte, um den ländlichen Raum am Leben zu erhalten, weil die städti­schen Regionen immer stärker werden und der ländliche Raum in vielen Bereichen ausdünnt. Daher müssen wir dort gegensteuern, und daher ist diese Kofinanzierung so wichtig, auch in Anbetracht der knappen Kassen. Es war immer ausgemacht, dass wir den Bundesfinanzrahmen ab 2014 dann auf 50:50 aufstocken, wenn wir genau wissen, wie viel EU-Geld zur Verfügung steht. Jetzt wissen wir es, und jetzt geht es darum, eben dieses Geld aufzustocken, aber das ist Gegenstand der Verhandlung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sie haben es mehrfach angesprochen, das Thema Almen. Jeder von uns – ich an ers­ter Stelle – hat großen Respekt vor den Almbauern. Die haben eine schwere Arbeit, Zone 3 und 4, und besiedeln dieses Gebiet, aber der Europäische Rechnungshof hat die Almen stichprobenartig geprüft und hat große Flächenabweichungen festgestellt. Dann wurde noch einmal geprüft und noch einmal, und dann wurden wir aufgefordert, das System in Ordnung zu bringen, denn man hat Flächenabweichungen festgestellt. Die Gefahr war, dass die Europäische Union die Agrarmarkt Austria zusperrt und dass kein einziger Bauer mehr in Österreich seine Ausbezahlung bekommt, weil es gehei­ßen hat, Österreich muss das System in Ordnung bringen. Niemand hat gesagt, dass die Bauern dort etwas gedreht haben, aber wir müssen das System in Ordnung brin­gen. Das ist die Aufgabe der letzten Jahre gewesen, dass man sozusagen die Flächen richtigstellt.

Das ist Steuergeld, das verwendet wird! Das betrifft nicht nur die Almbauern, sondern alle Bauern in Österreich und alle Bauern in Europa. Es wird kontrolliert, und wer seine


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Fläche richtig angegeben hat, bekommt dann das Geld, aber wenn die Fläche nicht passt, muss korrigiert werden. Was wir gemacht haben seit dem Jahr 2001: Seit über zehn Jahren gibt es den Almleitfaden, der die Grundlage für die Futterflächenfeststel­lung ist, und wenn es dort Abweichungen gibt, dann bekommen die Bauern – das ha­ben wir rechtlich sichergestellt – die Möglichkeit, zu berufen. Es werden die Prämien ausbezahlt, dann bekommt man einen Bescheid, und dort steht dann, die Fläche ist so oder so veränderbar, und dann kann man berufen.

Der Bescheid ist die Voraussetzung, dass jemand zu seinem Recht kommt. Er be­kommt einen Bescheid und kann berufen. Das haben wir gemacht über die Invekos-GIS-Verordnung, über den Behördenirrtum, und jetzt, seit gestern, verfügen wir über eine zusätzliche Möglichkeit. Man muss diese Berufungen nutzen. Die Landwirtschafts­kammern sind bereit, die Bauern zu beraten, die Berufungen zu machen, damit der Bauer aus der Sanktion herauskommt oder aus allfälligen Rückforderungen. Aber auch sie sind dem Recht verpflichtet. Wir müssen EU-Recht einhalten, und das EU-Recht sagt: Du kannst nicht sagen, Schwamm drüber, sondern du musst jeden einzelnen Fall prüfen. Wir müssen uns an die Rechtslage halten, trotz großem Respekt vor den Alm­bauern und allen anderen Bauern. Es zahlen andere Bauern in Österreich auch zurück, wo die Fläche nicht passt. Das ist ja kein Spezifikum, und daher geht es darum, dass wir uns bemühen, dieses System in Ordnung zu bringen, dass die Almbauern eine Si­cherheit haben und dass ihnen garantiert wird, dass sie nicht in der Unsicherheit sind.

Ich habe für das Übergangsjahr 2014 in Auftrag gegeben, das System zu entwickeln, und vor allem für die neue Periode ab 2015 ein neues System zu entwickeln. Die SOKO Alm arbeitet schon seit Längerem daran, wie wir den Bauern Rechtssicherheit geben können, weil wir auch in Zukunft eine Besiedlung im alpinen Raum haben wol­len.

Ein Punkt, den ich noch erwähnen will, ist die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Ich habe gesagt, die Konsumenten sind die wichtigsten Partner. Mir sagen die Menschen, wir haben viel zu viele Lebensmittel-Kennzeichnungen. Es gibt viele verschiedene Su­permärkte, jeder hat sein eigenes Logo, man kennt sich nicht mehr aus. Es gibt ein einziges staatliches Gütesiegel, das AMA-Gütesiegel, rot-weiß-rot, wo AMA draufsteht. Das garantiert 100 Prozent Österreich, ein Tier, das in Österreich aufgewachsen, ge­schlachtet, verarbeitet worden ist. Kein anderes Gütesiegel garantiert das. Mein Ziel ist und unsere Politik war, dieses AMA-Gütesiegel auszubauen. Wir haben jetzt beispiels­weise eines für die heimische Fischproduktion gemacht oder auch für andere Dinge, damit die Konsumenten sagen, wenn ich Österreich kaufe, dann bekomme ich das auch.

Was wir nach der Pferdefleischsache in Europa erreicht haben, ist, dass die EU ihre Verbraucherinformationsverordnung ändern will, wir haben das beschlossen. Es sollen auch verarbeitete Lebensmittel gekennzeichnet werden. Woher kommt das Rindfleisch in der Lasagne? Aus Österreich, aus Deutschland oder sonst wo? Ich finde, dass der Konsument ein Recht darauf hat, zu erfahren, woher das Fleisch ist. Das soll dazu beitragen, dass man mehr Sicherheit hat. Betrüger wird es leider immer geben, das kann man nicht ausschließen, aber wenn wir die Bedingungen strenger machen, dann soll das ausgeschlossen werden.

Abschließend: Herr Bundesrat Köck, noch einmal Danke für die GVO-Selbstbestim­mung! Ein Ziel unserer Agrarpolitik, ökologisch und nachhaltig gesehen, ist, frei von Gentechnik im Anbau zu sein. Wir haben ja die gentechnisch zugelassenen Sorten in Europa in Österreich mit einem Anbauverbot belegt. Im Jahr 2009 musste ich zum vier­ten Mal die Aufhebung dieser Anbauverbote verteidigen. Da habe ich damals das Selbstbestimmungsrecht initiiert, dass in der Frage der Gentechnik jeder Staat für sich entscheiden soll, was auf seinen Äckern und Feldern geschieht.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 108

Damals haben uns nur die osteuropäischen Staaten unterstützt, unsere Nachbarn, jetzt sind es mittlerweile 20 Staaten, die sagen, ja, es soll das Selbstbestimmungsrecht ge­ben. Die Europäische Kommission will es auch, aber man braucht für diesen Beschluss eine qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat und die großen Staaten in Europa sind dagegen: Deutschland, Frankreich, UK, Spanien. Daher ist eine qualifizierte Mehrheit noch nicht zustande gekommen, aber wir bleiben bei dem Thema dran.

Wenn ein Staat auf Gentechnik setzt, soll es ihm überlassen sein. Wir wollen das nicht. Wir wollen selber darüber bestimmen. Wir müssen uns in Zukunft dafür einsetzen, dass das möglichst auch die Europäische Kommission unterstützt, aber dazu muss noch der letzte Schub gelingen, dass ein großer Staat uns in diesem Bestreben unter­stützt. Die Konsumenten wollen die Gentechnik in Österreich nicht und die Bauern wol­len sie auch nicht, weil wir hochqualitative Lebensmittel erzeugen wollen. Daher noch­mals herzlichen Dank für die Unterstützung und die Zustimmung zum Bericht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.50


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Grünen Bericht 2013.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2014 gemäß § 9 LWG 1992.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist eben­falls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.51.586. Punkt

Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2011–2012) (III-501-BR/2013 d.B. sowie 9124/BR d.B.)

 


Präsident Reinhard Todt: Damit gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Bitte um den Bericht.

 


13.52.17

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kol­leginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich verzichte daher auf die Verlesung und komme zur Antragstellung:

Der Gleichbehandlungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Dezember 2013 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Be­nachteiligungen von Frauen zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Reinhard Todt: Bevor wir in die Debatte eintreten, begrüße ich Frau Bun­desministerin Heinisch-Hosek hier bei uns. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allge­meiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 109

13.53.05

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehgeräten! Ich entschuldige mich vorab für meine Stim­me, aber aufgrund einer Erkältung ist sie leider so. Ich hoffe, Sie verstehen mich trotz­dem.

Erlauben Sie mir noch einen kurzen Seitenhieb! Ich weiß nicht, ob er noch da ist, aber Herr Kollege Köck hat vorhin an den Hohen Bundesrat einen Wunsch geäußert. Ich glaube, wir alle wissen, dass er den an höhere Stelle richten sollte. Wir alle kennen das Papier der Landeshauptleutekonferenz, unterstützen dieses Papier vehementest und hoffen inständig, dass sich auch sein Chef, Herr Spindelegger, das zu Herzen nimmt und dementsprechend dem Bundesrat die Wichtigkeit auch in Zukunft und bei den Koalitionsverhandlungen zukommen lässt.

Nun zum Bericht, der alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorgelegt wird, über die Maßnahmen und die Aktivitäten der Ministerien, wie sie vorgehen: Hier liegt uns der Bericht über den Zeitraum 2011 bis 2012 vor. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den Autorinnen und Autoren für die Erstellung dieses Berichtes bedanken, der mit sehr vielen Zahlen und Fakten sicherlich richtig präsentiert wurde, aber natür­lich nicht unseren politischen Vorstellungen entspricht. Leider Gottes ist es eben so, man kann zwar Berichte – so wie die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen – zur Kenntnis nehmen und dann Kritik anbringen; wenn man aber tatsächlich mit einer poli­tischen Richtung nicht einverstanden ist, kann man unserer Meinung nach dem Bericht einfach auch eine Absage erteilen und ihn somit nicht zur Kenntnis nehmen. Ich habe das jetzt vorweggenommen: Wir werden also diesen Bericht nicht zur Kenntnis neh­men.

Ich möchte aber vorausschicken, dass auch trotz einer kontroversiellen Diskussion oder auch einer anderen politischen Meinung eine gegenseitige Wertschätzung aller Rednerinnen und Redner hier durchaus bestehen kann.

Ich weiß natürlich, was mit „Benachteiligung“ in diesem Falle gemeint ist, aber gleich am Beginn in diesem Bericht steht unter anderem etwas – Kollege Schreuder sagt das auch immer so gerne –, das mir in meiner Seele wehtut. Es tut mir zum Beispiel sehr in der Seele weh, wenn da steht: „die Benachteiligungen von Frauen in Hinblick auf den Umstand, dass sie Mütter sind oder sein können, abbauen“. Wenn Mütter in die­sem Zusammenhang so dargestellt werden, dass sie diesbezüglich benachteiligt sind, dann tut mir das enorm weh, weil es eine wunderschöne Aufgabe ist, Mutter sein zu können. (Bundesrat Dönmez: Vater sein, das ist auch schön!)

Wenn man die heutige Situation sieht und die Berichterstattungen hört, die zum Bei­spiel In-vitro-Ärztezentralen ausgeben, und man liest, wie viele Frauen sich mittlerweile in solche Behandlungen begeben müssen, weil sie auf natürliche Art und Weise nicht mehr Mutter werden können, dann sehe ich das einfach nicht als Benachteiligung einer Frau an, wenn sie Mutter sein kann oder Mutter sein könnte. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Bericht ist – unter anderem auch auf Seite 29 – sehr gut beschrieben, dass es Gott sei Dank natürlich zunehmend mehr Frauen gibt, die berufstätig sind, die sehr gute Ausbildungen haben, die wir in der Wirtschaft, in der Industrie natürlich auch drin­gend benötigen. Gleichzeitig – und das finde ich jetzt an diesem Bericht auch gut – steht sehr kritisch daneben, dass der Staat selbstverständlich aktiv werden muss und dadurch, dass diese Frauen berufstätig sind, natürlich Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden müssen. In diesem Atemzug steht die Gratiskinderbe­treuung dort.

Es wird also vom Staat verlangt, dass er diese Situation, dass Frauen berufstätig sein können, unterstützt. Es steht auch drinnen, dass der Aufstieg der Frauen in höhere Lei-


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tungsfunktionen forciert werden soll. Dort werden normalerweise dann auch höhere Gehälter erzielt. Ich gehe davon aus, dass sich Frauen, die dann höhere Gehälter be­ziehen, die Betreuungskosten natürlich auch selbst leisten können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich den Staat nur dazu brauche oder von vornherein dazu auffordere, Dinge tun zu müssen, damit insbesondere in diese Richtung Frauen unterstützt wer­den, denn dann wäre genau dieselbe Frage umgekehrt möglich: Warum tun wir das mit den Männern, die sich für diese Erziehungsarbeit entscheiden, nicht auch?

Auf Seite 112 wird das Thema Pflegebereich angesprochen. Dort steht richtigerweise, dass sehr viele Frauen nach wie vor den Pflegebereich, von der Kinderbetreuung an­gefangen bis in den Altenbereich, abdecken. Gleichzeitig steht dort auch, dass die schlechte Bezahlung dazu führt, dass wir ausländisches Pflegepersonal brauchen, das scheinbar günstiger ist. Auch hier wird wieder der Staat gefordert. Der Staat hat also dafür zu sorgen, dass diese Gelder zur Verfügung stehen, die wir in diesem Bereich brauchen.

Ich bin selbst in dieser Situation und sehe, dass mittlerweile auch sehr viele Männer im Pflegebereich tätig sind, weil natürlich nicht nur pflegebedürftige Frauen alt werden, sondern auch pflegebedürftige Männer. Dort sind Frauen oft physisch überfordert, und deshalb wären und sind Männer sehr gefragt.

Ich glaube, da hat das Sozialministerium Handlungsbedarf, dass diese Gelder entspre­chend zur Verfügung gestellt werden, was auch geschieht, und ich glaube nicht, dass das spezifisch auf Benachteiligung von Frauen in so einem Bericht zutrifft.

Wie hinlänglich bekannt, ist das Gender Budgeting aus der Sicht der Freiheitlichen ein klar negativer Gesichtspunkt. Sehe ich mir die Maßnahmen, die am Ende dieses wirk­lich umfangreichen Berichtes unter Gender Budgeting angeführt sind, an, so entspricht es einfach nicht meiner Vorstellung, wie in Zukunft Politik gemacht werden soll. Als ich diesen Bericht gelesen habe, habe ich das Gefühl gehabt, es werden die Geschlechter gegeneinander ausgespielt; und ich glaube nicht, dass das in Zukunft die richtige Poli­tik ist.

Ich möchte eine Politik, die für alle zuständig ist. Ich möchte eine Politik, die auch auf Eigenverantwortung setzt, dass Menschen wieder viel mehr Eigenverantwortung über­nehmen, Rücksicht nehmen auf alle, die schwach, bedürftig oder behindert sind. – Und da behaupte ich schlicht und einfach, dass die Frau das nicht ist. Die Frau ist stark und kann ihren Weg sehr gut gehen.

Ich möchte diese politische Richtung einfach nicht mittragen, weil ich tatsächlich der Meinung bin, dass sie Frauen und Männer eher auseinander- als zusammenbringt. Ich glaube nicht, dass diese Gender-Budgeting-Maßnahmen das persönliche Verhalten von Männern oder auch von Frauen tatsächlich verändern können.

Ich glaube nicht, dass, wenn ich einen Wortlaut gendere, damit ein gewalttätiger Mann sein Verhalten gegenüber der Frau ändert; aber genauso wenig wird sich eine Frau än­dern und dem Mann doch nicht Gewalt antun. (Bundesrat Perhab: Attackieren!) – Atta­ckieren kann man auch sagen, ja.

Eine dieser Maßnahmen betrifft zum Beispiel Pendlerinnen. – Pendlerinnen sind auch nichts anderes als Pendler. Ich glaube, wir brauchen keine besondere Politik für Pend­lerinnen, sondern wir brauchen eine Politik oder Maßnahmen, dass die Zuschüsse für die Pendler erhöht werden; ob das nun eine Frau oder ein Mann ist, ist doch irrrele­vant. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, dass es in den Maßnahmen speziell um demenzkranke Frauen geht. Wenn man sich heute in den Altersheimen umhört und umsieht, dann sieht man, dass mindestens gleich viel demenzkranke Männer wie de-


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menzkranke Frauen in diesen Altenwohnheimen leben. Sie haben wir genauso zu be­treuen. Oder betrifft es sie denn eher nicht?

Ich glaube auch nicht, dass wir spezielle Fördermaßnahmen, spezielle Gelder für spe­zielle Fälle diesbezüglich einsetzen sollen. Ich glaube, in dieser Zeit, wo wir sparen und schauen sollten, wie wir mit dem Geld vernünftig umgehen, haben wir Sorge dafür zu tragen, dass wir eine vernünftige Gesellschaftspolitik machen. Wir sollten die Gelder in die Familien stecken, wo sie hingehören, und nicht jetzt schon damit anfangen, Fami­lienbeihilfen eventuell zu streichen oder zu kürzen.

„Frauenpolitik“ ist für mich ebenfalls ein Wort, das ich eigentlich nicht mag. Ich will keine Frauenpolitik. Ich will eine Politik, die alle gleichberechtigt behandelt und sich Gedanken macht, wie Männer und Frauen gemeinsam, miteinander vorwärts gehen können.

Dasselbe gilt bei den Sportförderungen für die Frauen. Da möchte ich eigentlich die Talente fördern, ob das nun ein Mann, ein Junge, ein Mädchen oder eine Frau ist. Wenn das Talent vorhanden ist, dann habe ich das zu tun, total geschlechtsneutral.

Mit der gendergerechten Darstellung von Inhalten in Schulbüchern habe ich ein ganz besonderes Problem. Ich habe schon im Ausschuss nachgefragt, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, was die Änderung oder das Korrigieren oder das Umschreiben der Bücher auf gendergerechten Inhalt eigentlich bedeutet. Ich habe keine Information bekommen. Ich möchte das nicht ins Lächerliche ziehen, aber das kostet Geld; und ich glaube schon, dass man diese Dinge nachfragen darf, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen.

Wenn es wissenschaftlich nachgewiesene Fehler sind, die in einem Schulbuch stehen, so wie Sie, Kollege Schreuder, das damals im Ausschuss auch dezidiert erklärt haben, dann bin ich natürlich dafür, dass das geändert wird. Aber ich weiß nicht, ob es tat­sächlich Sinn macht oder die schulischen Fortschritte unserer Kinder fördert, wenn dort jetzt alles auf „Innen“ umgeschrieben wird; wobei ich auch infrage stellen möchte, dass das überhaupt deutsch ist. Das ist gleich die nächste Frage.

Wenn es aber inhaltliche Korrekturen sind, die vorgenommen werden müssen, dann steht dem, glaube ich, nichts entgegen. Ich rede hier davon, ob Schulbücher in der Volksschule geschlechtergerecht verfasst sein müssen. Ich habe eigentlich nicht richtig verstanden, was geschlechtergerechtes Verfassen eines Schulbuches für Volksschüler ist. Es würde mich interessieren, was das wirklich heißt.

Wenn ich davon höre oder lese, dass es einen Leitfaden für geschlechtergerechtes Formulieren geben soll, dann tut es mir sehr leid, aber dafür möchte ich eigentlich un­sere schönen, guten und hart verdienten Steuergelder nicht hergeben. Ich glaube, das sind jetzt momentan genug Gründe, um klarzumachen, weshalb wir diesem Bericht nicht zustimmen können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.06


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


14.06.36

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod predsednik! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Liebe Zuhörer und Zuschauer und Zuschauerinnen und Zuhörerinnen zu Hause! Dragi gledalci in gledalke doma!

Frauenpolitik ist für mich wichtig, genauso wie Familienpolitik, genauso wie Wirt­schaftspolitik, genauso wie Politik in allen Bereichen. Jede Art der Politik darf etwas kosten. Bitte hören wir auf, es irgendwie gegeneinander auszuspielen um damit zu po­larisieren!


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 112

Ich bin für jede Maßnahme, die Frauen stärkt. Deswegen bin ich gerade bei diesem Bericht sehr froh, dass die Mehrzahl der Maßnahmen im Bereich der Beratung und Qualifizierung erfolgt, sodass die Frauen gestärkt werden, die Frauenfähigkeiten ge­stärkt werden, sodass die Frauen besser qualifiziert werden. Ich bin auch froh, dass diese Maßnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit ihren Schwerpunkt gefunden haben, weil gerade damit diese Benachteiligung bewusst gemacht wird.

Dass Frauen benachteiligt werden ist Fakt, darüber lässt sich nicht diskutieren. Es ist Fakt, dass Frauen bei gleicher Arbeit weniger verdienen. Es ist Fakt, dass es zum Bei­spiel in Kärnten mehr Maturantinnen als Maturanten und mehr Universitätsabsolventin­nen als Universitätsabsolventen gibt, und trotzdem finden wir in den Führungspositio­nen zu 96 Prozent Männer.

Ich bin auch für jede Fördermaßnahme, die Männer fördert. Ich möchte mehr Kinder­gartenpädagogen, mehr Sozialarbeiter und mehr Pflegearbeiter haben. Ich möchte auch mehr Väter in Karenz, und das nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft. Denn jede partnerschaftliche Erziehung, die wir einfordern – und das ist unsere politische Verantwortung, unsere politische Vorstellung –, ist etwas Posi­tives, nämlich für Vater, Mutter und Kind.

Die Tragweite der berichteten Maßnahmen ist sehr unterschiedlich: von Veröffentli­chung von Berichten über Gesetzesänderungen bis hin zu mehrjährigen Förderungs­programmen. Um welche Maßnahmen geht es hier? – Es geht um aktive Frauenförde­rungsmaßnahmen in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Ich möchte hier den Bereich Arbeitsmarkt nennen. Es hat noch nie so viele erwerbstä­tige Frauen gegeben wie jetzt, nur muss man dazusagen: Jede zweite Frau arbeitet Teilzeit. Da muss man sich ja etwas fragen!

Ich bin für die Wahlfreiheit, dass nämlich klar und deutlich an- und ausgesprochen wird: Wenn eine Frau zu Hause oder in Teilzeit arbeitet und es wirklich ihre eigene Ent­scheidung ist, dann werde ich das akzeptieren. (Zwischenruf des Bundesrates Dön­mez.) Aber ich werde sie darauf aufmerksam machen, was das im Alltag bedeutet. Teilzeit heißt weniger Geld, weniger Lohn und weniger Pension. Nicht umsonst ist Ar­mut weiblich, und das kann man auch nicht wegleugnen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ein zweiter Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich bin Berufsschullehrerin mit Leib und Seele. Und ich muss euch sagen, noch immer – und das ist dieses Klischee – ent­scheiden sich junge Frauen für drei Berufe: Sekretärin, Friseurin und Verkäuferin. Aber nicht nur weil sie das wollen, sondern weil sie in der Umgebung keinen Arbeitsplatz finden und weil die Wirtschaft einfach auch Männer bevorzugt.

Deshalb gibt es sehr viele Maßnahmen, die dahin zielen, dass Frauen auch für andere Berufe motiviert werden. Und das darf auch etwas kosten, „Fit für die Technik“ zum Beispiel. Warum sollen Frauen Berufe auswählen, die schlecht bezahlt sind, die prak­tisch keine oder nur wenige Aufstiegsmöglichkeiten bieten? Deshalb müssen wir Geld in die Hand nehmen, damit wir eben aufzeigen, dass es nicht nur drei Berufe für Frau­en gibt, sondern über 300.

Der nächste Punkt: Wenn ich arbeiten gehen will, und zwar nicht Teilzeit, sondern Vollzeit, und Gott sei Dank auch Mutter sein kann, dann brauche ich ganz einfach Kin­derbetreuungseinrichtungen, dann brauche ich Maßnahmen, mit denen ich Beruf und Familie vereinbaren kann. Deswegen sind mehr Kinderbetreuungseinrichtungen so wichtig, vor allem für Kinder unter drei Jahren. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Zwi­schenruf des Bundesrates Jenewein.)

Ich möchte noch eine Maßnahme nennen, die ich auch sehr wichtig finde, nämlich die Durchsetzung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben. Fakt ist, dass Frauen für gleiche


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 113

Arbeit weniger verdienen. Fakt ist – und das wiederhole ich noch einmal –: Frauen sind so gut ausgebildet wie noch nie, aber in den Führungspositionen sind Männer dominie­rend. Da muss sich etwas ändern! Es geht um sozialpolitische Maßnahmen, es geht um soziale Sicherheit. Es geht bei diesen Maßnahmen um Existenzsicherung, vor al­lem im Falle des Alters, im Falle der Invalidität und im Bereich der Arbeitslosigkeit.

Auch dieses Gender Budgeting ist ein großer Schwerpunkt in diesem Bericht. Mein Kollege wird Stellung dazu nehmen. Im Zeitraum 2011 bis 2012 wurden von den Minis­terien insgesamt 201 Maßnahmen zum Abbau der Benachteiligung von Frauen gemel­det. Einige Maßnahmen sind sehr verstärkt erfolgt, vor allem in der Arbeitsmarktsitua­tion. Einige – sie sind anzahlmäßig weniger, haben aber eine große Wirkungsstärke er­zielt – sind Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit im demokratischen System, Maßnahmen zur Existenzsicherung sowie Gleichbehandlung im Arbeitsleben.

Aber es gibt auch Maßnahmen, denen zu wenig Beachtung geschenkt worden ist: Pfle­ge und Betreuung. Fakt ist, dass es noch immer zum Großteil Frauen sind, die zu Hau­se pflegen und betreuen.

Ich möchte jetzt noch ein Thema kurz ansprechen, weil wir vom 25. November bis 10. Dezember „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ haben. Damit wollen wir dieses The­ma hörbar und sichtbar machen. Wir SPÖ-Frauen machen Verteileraktionen mit denen wir darauf aufmerksam machen, dass Gewalt wirklich kein Tabuthema sein darf und soll. Gewalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz egal, wen sie trifft, ist kein Kavaliers­delikt. Gewalt ist keine Familienangelegenheit! Gewalt ist keine Frauenangelegenheit! Gewalt ist strafbar und darf durch nichts gerechtfertigt werden! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Zum Schluss möchte ich mich bei allen, die diesen Bericht erstellt haben, recht herzlich bedanken. Wir werden diesen Bericht selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen: Es wartet noch sehr viel Arbeit auf uns.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke, hvala lepa! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.16


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Junker zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

 


14.16.47

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute zum Bericht der Benachteiligung der Frauen, und liebe Ana Blatnik, ich kann deine Ausführungen zu 100 Prozent unterstützen, aber eines regt mich einfach auf:

Ob das der Wahlkampf war oder sonst etwas, immer wird die Friseurin/der Friseur als schlecht, als minderwertig hingestellt. Wir alle, die wir hier herinnen sitzen, legen un­seren Kopf in die Hände der Friseure. Die richten unseren Kopf her oder auch nicht, aber wir überantworten ihnen unseren Kopf. (Allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei Bundesräten von ÖVP und FPÖ.)

Sicher haben sie nicht den höchsten Gehalt, nur: Auch eine Friseurin verdient beim Einstieg 1 150 € brutto und so mancher Akademiker 1 800 €. Die FriseurInnen, wenn sie gut sind, haben ein gutes Trinkgeld. 70 € werden im Monat versteuert. Wir wollen alle nicht, dass das richtige Trinkgeld versteuert wird, denn das Einkommen würde sich maßgeblich erhöhen. Also bitte, lasst mir einmal die Friseurinnen und Friseure außen vor! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Wir haben im Salon Silvia in Wattens heuer keinen Lehrling bekommen, wir haben kei­nen bekommen! Auch dieser Markt braucht Menschen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Okay! Der Herr Schreuder hat es leicht. Er geht ein sehr geringes Risiko ein, aber es kann ihm passieren, dass er geschnitten wird. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Stadler: Über die Berufsgruppe hat sie überhaupt nichts gesagt! Was regen Sie sich künstlich auf?)

Aber jetzt zum Bericht. Ich finde es notwendig und richtig, dass wir Frauenpolitik ha­ben, dass Frauen gefördert werden; denn wir würden nicht stehen, wo wir heute ste­hen, wenn wir nicht irgendwann einmal angefangen hätten, die Frauen zu fördern: in Bildung, Kultur, Wissenschaft, Forschung, einfach Fördermaßnahmen zu setzen, dass auch Frauen nach außen gehen.

Die Entwicklung der Frauen, der Stellenwert der Frauen hat sich ja in den letzten 100 Jahren wirklich maßgeblich entwickelt und zum Positiven entwickelt. Es gilt nach wie vor, dass Frauen und auch Männer Familie und Beruf unter einen Hut bringen sol­len, und auch da haben wir Fortschritte gemacht.

Da geht es natürlich auch um Maßnahmen, und da bin ich mit Frau Michalke nicht ganz einverstanden. Es gibt nach wie vor Benachteiligungen von Frauen, die Mütter sind. Ich möchte nur ein Beispiel dazu nennen: Es ist ein großer Betrieb. Ein junges Mädchen, 26, wird Mutter. In der Schwangerschaft sagt sie schon dem Betrieb: Sie bleibt ein Jahr zu Hause, zwei Monate bleibt ihr Mann zu Hause. Sie möchte dann wie­der drei Tage in der Woche arbeiten gehen.

Das Kind war acht Wochen alt, die Frau hat noch einen leichten Geburtsblues gehabt, also es ist ihr nicht immer so gut gegangen, wird sie zu ihrem Chef zitiert und der sagt dann: Na, wenn du nach einem Jahr wieder kommst, dann muss ich dich leider kündi­gen!

Können Sie sich vorstellen, was das für diese Frau bedeutet hat? – Sie hat eine Woh­nung, soll diese abbezahlen, und dann sagt ihr der Arbeitgeber, wenn du wieder kommst, dann kündige ich dich. Da ist man ein Jahr zu Hause. Natürlich kann man zur AK gehen, man kann alles Mögliche machen. Aber in dem Moment ist für diese junge Frau einfach die Welt zusammengebrochen.

Es gibt zwar genügend Firmen, die wirklich vorbildlich sind und Frauen mit Kindern för­dern, aber wir müssen auch bei den anderen Firmen das Bewusstsein stärken, dass es da Förderung braucht und dass man sensibler mit diesen Frauen umgeht. Da sind wir eigentlich überall in eine positive Richtung unterwegs.

Einen Punkt in diesem Bericht – das hat die Ana auch angesprochen – möchte ich noch ansprechen: Gewalt gegen Frauen. Diese ist nicht zurückgegangen. Sie ist manch­mal subtiler, aber sie ist massiv vorhanden. Wir lesen fast jeden Tag in den Medien über die wildesten Vorfälle, die in Familien geschehen. Und nicht selten endet so ein Vorfall tödlich. Erst im Sommer wurde mitten in Innsbruck eine Frau, die zwar im Frau­enhaus war, aber das Frauenhaus ist ja kein Gefängnis, bei der Annasäule von ihrem wahnsinnigen Mann erstochen. Sie hatte ein kleines Kind, es begann die Suche nach Verwandten, wo es bleiben könnte. Das sind Schicksale, und die müssen wir beein­flussen! Wir müssen schauen, dass wir das Beste daraus machen können!

Wir von der ÖVP stehen zu den Frauenhäusern, aber ein Frauenhaus ist wie eine In­tensivstation. Wenn die Frauen Fuß gefasst haben, wenn sie sich wieder halbwegs orientieren können – meiner Meinung nach ist das so zwischen sechs und acht Mona­ten –, dann müssen sie wieder eigenständig leben können. Dazu brauchen wir Über­gangswohnungen. Wir fordern mehr Übergangswohnungen, damit sie auch wieder schneller aus dem Frauenhaus in ein normales Leben kommen. Das muss man sich so vorstellen: Das Frauenhaus ist wirklich der letzte Ausweg für eine Frau, wenn kein


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Wegweiserecht und sonst nichts mehr greift. Die Kinder brauchen einen neuen Kinder­gartenplatz, eine neue Schule, müssen sich neue Freunde suchen.

Freunde lädt man normalerweise zu sich nach Hause ein. Es gibt Geburtstagsfeiern und, und, und. Die Kinder werden vielleicht ein-, zweimal eingeladen, aber wenn keine Gegeneinladung erfolgt, wenn man nicht so genau weiß, wo sie wohnen, dann verlie­ren sie den Freundeskreis wieder.

Deshalb ist es unseres Erachtens wirklich äußerst wichtig, dass wir mehr Übergangs­wohnungen bekommen, damit die Frauen nach sechs bis acht Monaten quasi wieder entlassen werden können, denn am freien Markt ist es sehr schwierig, eine Wohnung zu finden. Das Vorhaben, österreichweit mehr Übergangswohnungen zur Verfügung zu stellen, sollte man fraktionsübergreifend, Männer und Frauen, angehen und dieses ge­meinsam mittragen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.23


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


14.23.34

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher hier im Saal und zu Hause! Auch meinerseits zuerst recht herzlichen Dank an die Verfasserinnen des sehr detaillierten und sehr guten Berichts.

Am 8. Oktober, also vor knapp zwei Monaten, war Equal Pay Day in Österreich. Und seit diesem Tag arbeiten ganzjährig vollbeschäftigte Frauen gratis. Wenn man aber alle Frauen, auch die Teilzeit arbeitenden Frauen miteinrechnet, ergibt sich, wie im Be­richt aufgezeigt, ein Netto-Einkommensunterschied von fast einem Drittel. Das würde heißen, dass „frau“ schon ab Ende August gratis gearbeitet hat. Bei diesem soge­nannten Gender Pay Gap ist Österreich leider stark vertreten. Wir sind die Zweitletzten EU-weit, nur Estland ist noch hinter uns. Und dieser Gender Pay Gap betrifft ja nicht nur die derzeitige Lebenssituation – wir haben es schon von meinen Vorrednerinnen gehört –, er zieht eine ganze Reihe an Folgeerscheinungen nach sich:

Das Arbeitslosengeld ist niedriger, die Notstandshilfe ist niedriger. Die kürzeren Er­werbszeiten durch Kinderbetreuung und Haushalt wirken sich natürlich auch auf die Höhe der Pension aus. So kommen wir in Österreich bei Frauen auf eine Pensions­quote, die sage und schreibe 41 Prozent niedriger ist als bei Männern. Frauenarmut, vor allem Altersarmut bei Frauen ist ein riesiges Problem, das gerade – Kollegin Blatnik hat es angesprochen – von den künftig Betroffenen total unterschätzt wird. Frauen, die heutzutage Teilzeit arbeiten, sind sich der Auswirkungen nicht bewusst, dass sie dann in der Pension einfach durch die Finger schauen und quasi am Existenzminimum da­hingrundeln.

Im Bericht werden aber nicht nur Maßnahmen gegen finanzielle, sondern auch gegen alle gesellschaftlichen Aspekte von Benachteiligungen von Frauen dargestellt. Einige Bereiche sind dabei schon als mehr oder weniger gelöst zu betrachten. Aber es gibt noch massig Luft nach oben, vor allem drei Bereiche sind ganz zentral:

Eine riesige Herausforderung ist erstens das sogenannte Care Paradoxon, nämlich dass Frauen weit mehr Zeit für Pflege vor allem im privaten Bereich, also auch da wie­der großteils gratis, aufwenden und daher weniger Zeitressourcen haben, die sie für Erwerbstätigkeit aufbringen können, was sich dann natürlich auch wieder im Einkom­men niederschlägt. Es braucht da einfach einen gesellschaftlichen Wandel in der Ein­stellung zur Pflege. Wir müssen wegkommen vom Bild der Frau als aufopfernde Pfle­gerin von Hilfsbedürftigen. Das ist nämlich körperliche Schwerstarbeit. Und ich sehe auch keinen Grund dafür, warum eine Frau das besser machen sollte als ein Mann.


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Bei diesem Thema möchte ich noch ganz kurz auf das Thema Gender Budgeting ein­gehen. Im Gender Budgeting könnten gerade beim Care Paradoxon extrem viele Ver­besserungen erzielt werden, denn wenn – und ich bringe jetzt einen wahren Fall aus Tirol – in einer Gemeinde Riesensummen für den Ausbau eines Fußballplatzes budge­tiert werden können, dafür jedoch Kinderbetreuungseinrichtungen, Ganztagsbetreuung und der Pflegebereich nicht mehr ausreichend oder gerade noch ausreichend finanziert werden können, dann sind wir von Gender Budgeting aber meilenweilt entfernt.

Der zweite große Punkt ist die horizontale Segregation, ein schwieriges Wort. Das bedeutet nichts anderes als – das wurde schon angesprochen – der nach Gendern aufgeteilte Arbeitsmarkt, wo man auf der einen Seite, um ins Extreme zu gehen, Tech­nik, Naturwissenschaften, IT und teilweise noch die Wirtschaft hat, die sehr männerdo­miniert sind, und auf der anderen Seite die typischen Frauenberufe, vor allem im Erziehungs- und Sozialbereich, in der Bildung, vor allem in der Volksschulerziehung, im Verkauf und im Sekretariat.

Da möchte ich auch noch einmal die Friseurinnen ansprechen. Die Gemeinsamkeit dieser typischen Frauenberufe ist: Sie sind irrsinnig schlecht bezahlt. Das ist die ein­zige Gemeinsamkeit, die sich durchzieht. Wenn nämlich eine Kindergarten- oder Kin­derkrippenerzieherin oder eine Volksschullehrerin so wenig verdient, dass sie kaum ei­ne Familie ernähren kann, dann ist das einfach kein Beruf, der für Männer attraktiv ist. Männer stellen doch den Anspruch an sich, Familienernährer sein zu wollen. Man müsste diese Berufe einfach besser und fairer bezahlen, dann hätten wir automatisch mehr Männer in diesen Berufen und automatisch eine Entgenderung des Arbeits­marktes.

Und der dritte Punkt, der in die andere Richtung geht, ist die vertikale Verteilung, die gläserne Decke. Es ist schon angesprochen worden: Seit 2001, also mittlerweile seit zwölf Jahren, gibt es in Österreich mehr Frauen mit Universitätsabschluss. Davon blei­ben nur 12 Prozent übrig, wenn es um leitende Führungspositionen geht. Im Koalitions­verhandlungsteam sind es 15 Prozent Frauen. Also da geht irrsinnig viel an Humanres­sourcen verloren und bleibt auf der Strecke – Humanressourcen, in die wir teuer in un­serem Bildungssystem investiert haben und die dann nicht genutzt werden.

Ich persönlich bin keine Freundin der Quote, weil ich eigentlich gerne in einem Land leben würde, in dem wir sie nicht brauchen. Aber als Mittel zum Zweck, bis Gleich­stellung Normalität ist, brauchen wir dringend Quoten.

Ich wollte noch ganz kurz auf etwas hinweisen; meine Kolleginnen haben das Thema Gewalt gegen Frauen schon angesprochen. Es gibt zurzeit eine Ausstellung in der Säulenhalle, „Silent Witnesses“, in der es um das Aufzeigen von Gewalt gegen Frauen, um Morde an Frauen in Österreich geht. Bitte anschauen! Das ist eine sehr gut ge­machte Ausstellung.

Damit komme ich zum Schluss. Prinzipiell zeigt der Bericht eine klare Richtung hin zur Verbesserung auf. Ich freue mich schon darauf, dass die neue Regierung ambitioniert daran weiterarbeiten wird, Benachteiligungen gegenüber Frauen weiterhin abzubauen, damit wir diesen Bericht künftig nicht mehr brauchen. Das Ziel, auf das Österreich hin­zuarbeiten hat und auf das wir hinsteuern müssen, ist, dass es keine Benachteiligung von Frauen mehr gibt. Das Ziel, das ich jetzt noch vor Augen habe, ist, dass ich den Equal Pay Day gerne auf den 31. Dezember verlegen würde. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.29


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zelina. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 117

14.30.00

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister! Liebe Kollegen, was mir jetzt auffällt, ist, ich bin hier anscheinend der einzige Mann, der zu diesem Thema  (Bundesrat Stadler: Nicht ganz! Kommt noch jemand!) – Nicht ganz? Kommt noch jemand? (Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Okay, ich versuche es auf jeden Fall. Alles klar.

Von mir gibt es auf jeden Fall ein klares Commitment, dass bei gleicher Leistung auch ein gleiches Gehalt gezahlt werden soll. Die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen muss verringert werden. Ein Mittel, eine Möglichkeit wäre die Offenlegung von Männer- und Frauengehältern, eventuell auch bei Betrieben unter 150 Mitarbeitern.

An mich wird immer wieder die Forderung herangetragen, dass Frauen für Arbeit in der Familie ein Kindererziehungsgehalt bekommen sollten. Ich habe mir das durchüberlegt, Frauen leisten Enormes. Die Arbeit zu Hause ist, gesellschaftlich gesehen, enorm wertvoll. Wie man das aber dann in der Praxis tatsächlich umsetzt  (Bundesrat Stad­ler: Das weiß keiner!) – Das ist schwierig. Das ist staatlich schwer möglich, aber viel­leicht als Anteil vom Gehalt des Mannes.

Wir schlagen auch ein Familienbesteuerungsmodell vor. Für Familien ab zwei Kindern sollte das Gehalt zusammengerechnet und dann gemeinsam besteuert werden. Wenn man dann den Steuervorteil direkt der Frau weitergibt, das wäre vielleicht ein Ansatz.

Ziel aber wäre die wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen. Wirtschaftliche Unabhän­gigkeit ist ein wichtiger Schritt weg von häuslicher Gewalt und Unterdrückung.

Freizeitbeschäftigungsstellen für Mütter, für Frauen sollten forciert werden.

Ich denke, dass man gerade bei Aufsichtsratspositionen verstärkt Frauen einsetzen könnte.

Wir brauchen auch familienfreundlichere Arbeitszeiten; auch in Spitälern. Dort ist der Frauenanteil jetzt schon höher als der Männeranteil. Also da müssen wir auch etwas zusammenbringen.

Wir brauchen auch ein verbessertes Kinderbetreuungsangebot, vor allem in den länd­lichen Gegenden. In Wien ist das ganz toll, jeder Wiener Kindergarten hat 60 Stunden offen, aber im ländlichen Raum ist das Kinderbetreuungsangebot unzureichend.

Auch für Berufswiedereinsteigerinnen kann ich mir Anreize für Unternehmen vorstellen. Wir unterstützen auf jeden Fall auch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Frauen auf die Pension.

Und in Summe empfehlen wir, anstelle von Banken mehr Frauen und Familien zu för­dern. – Danke schön. (Ruf bei der FPÖ: Tosender Applaus!)

14.33


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 


14.33.19

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Lieber Kollege Zelina, auch ich trete heute ans Rednerpult. Ich bin auch dabei. (Bundesrat Mag. Zelina: Sehr gut!)

Werter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Ana (in Richtung Bundesrätin Blatnik) hat es auch schon angesprochen. Seit 2009 ist Gender Budgeting in der öster­reichischen Verfassung verankert und muss seit 2013 im Rahmen der wirkungsorien­tierten Haushaltsführung verpflichtend umgesetzt werden.

Da sehr viele Maßnahmen erst in Umsetzung sind oder erst im Laufe der nächsten Jahre ihre Wirkung zeigen können, kann der Bericht hier nur eine erste Einschätzung


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geben. Prinzipiell sei das Gender Budgeting als nachhaltiger, durchsetzungsfähiger Prozess sehr positiv zu bewerten. Mängel bei den Sanktionen und die Zielsetzung könnten diese Wirkung aber natürlich abschwächen.

Der Bericht zitiert die Einschätzung der Ergebnisse des Gender Budgetings, welche der Budgetdienst der Parlamentsdirektion in der Budgetanalyse 2013 vornimmt. Das Bundesfinanzgesetz spreche zwar in den einzelnen Resorts die Problembereiche an, die Relevanz, die Qualität und das Ambitionsniveau der einzelnen Zielsetzungen, Maß­nahmen und Indikatoren seien dabei aber durchaus sehr unterschiedlich. Was die Ziel­setzungen hierzu betrifft, so fehle es an einem systematischen, ressortübergreifenden Ansatz, der die Ziele der Ressorts besser aufeinander abstimmt.

Was den im EU-Vergleich hohen Gender Pay Gap betrifft, so wird dazu festgestellt, dass Gender Budgeting einen wichtigen Beitrag zu dessen Abbau leistet.

Frau Kollegin Michalke, einen Ihrer Sätze kann ich unterschreiben. Sie haben gesagt, Sie wollen Politik machen, in der Männer und Frauen gleichgestellt sind. – Das ist das Einzige, was ich in Ihrem Redebeitrag unterstützen kann, weil ich glaube, meine Vor­rednerinnen und Vorredner haben sehr wohl gezeigt, dass es da sehr, sehr große Un­terschiede gibt und dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Gender Budgeting ist ein Mittel auf dem Weg zum Abbau von Ungleichheiten und zur Erreichung tatsächlicher Gleichstellung. Daher ist es wesentlich und unverzichtbar, die gleichstellungspolitischen Ziele in den Mittelpunkt der Durchführung von Gender Bud­geting zu stellen. Alle Menschen können ihre persönlichen Fähigkeiten frei entwickeln, freie Entscheidungen treffen, ohne durch strikte geschlechterspezifische Rollen einge­schränkt zu werden. Die unterschiedlichen Verhaltensweisen, Ziele und Bedürfnisse von Frauen und Männern werden in gleicher Weise berücksichtigt, anerkannt und na­türlich auch gefördert.

Wesentliche Ziele einer Politik der Gleichstellung der Geschlechter sind der gleichbe­rechtigte Zugang für Frauen und Männer zu öffentlichen Leistungen und zur sozialen Sicherung, gleichberechtigte Mitbestimmungsmöglichkeiten, die ökonomische Unab­hängigkeit von Frauen und Männern, Autonomie und selbstbestimmte Lebensgestal­tung sowie ein Leben frei von jeder Form von Gewalt und Diskriminierung. Diese Ziele sind in den einzelnen Politikbereichen natürlich auch weiter zu konkretisieren. Und da­ran ist zu arbeiten.

Ich darf einige Beispiele positiv hervorheben. Ich komme aus dem Bereich der Lehr­lingsausbildung, und wir arbeiten sehr, sehr gut mit sehr, sehr vielen Institutionen zu­sammen, die Mädchen fördern, damit sie die Möglichkeit haben, in technische Berufe zu gehen. Da gibt es quer durch Österreich sehr unterschiedliche Institutionen, die sehr fördernswert sind, wo jungen Frauen die Möglichkeit gegeben wird, hinter die Kulissen zu blicken und nicht immer in den traditionellen Berufen – ich werde sie jetzt nicht an­sprechen – ihre Ausbildung zu machen, sondern auch in den technischen Bereich ge­hen, wenn es um qualifizierte Ausbildungen geht. Diese Vereine sind dringend weiter­hin zu fördern, um Jugendlichen eine echte Chance zu geben.

Ebenso gibt es Möglichkeiten, Genderbeauftragte in Unternehmungen zu installieren und sie natürlich auch ihre Arbeit machen zu lassen. Das soll nicht immer nur direkt in den Personalbüros angesiedelt werden, sondern das soll eine freie Stelle sein, wo Müt­ter, die wieder ins Erwerbsleben zurückkommen wollen, die nach der Karenz wieder ins Unternehmen zurückkommen wollen, über diese Wiedereinstiegsmöglichkeiten durch Beratung, durch qualitative hochwertige Beratung informiert werden; natürlich auch durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen, wenn man etwas längere Zeit in Ka­renz war.


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Abschließend möchte ich Folgendes sagen: Es liegen Zahlen der Gebietskrankenkas­sen vor. Man kann da das Kinderbetreuungsgeld als einen sehr, sehr positiven Punkt herausnehmen, da es nunmehr vier verschieden Varianten gibt. Frauen – Gott sei Dank steigt mittlerweile auch die Akzeptanz bei den Männern, in Karenz zu gehen – und Männer, Mütter und Väter nützen diese Angebote.

Herzlichen Dank für diesen tollen Bericht. Der Weg ist vorgezeichnet. Jetzt geht es darum, diesen Weg auch gemeinsam zu beschreiten und diese Maßnahmen umzuset­zen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreu­der. – Bitte.

 


14.39.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich komme auch noch dran. (Bundes­ministerin Heinisch-Hosek: Selbstverständlich! Wir haben schon eine gute Quote!) – Genau!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Frau Bundesministerin! Zuerst wollte ich mich gar nicht zu Wort melden, aber ich habe heute in der Früh schon, bevor ich noch wusste, was debattiert wird, gesagt, dass ich mich dazu zu Wort melden möchte, denn an und für sich halte ich es für einen grundsätzlichen Fehler, wenn Frauenpolitik nur von Frauen diskutiert wird. (Beifall bei Grünen, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

Deshalb adressiere ich meine Rede jetzt vor allem an die Männer. Das halte ich näm­lich für ganz eine wichtige Sache. Seien wir ehrlich: Wie lange gibt es schon Frauen­politik? Wie viele Jahrzehnte strampeln sich Frauen in der Politik ab, machen immer wieder mit öffentlichen Aktionen aufmerksam? Wir brauchen den 8. März, wir brauchen den Equal Pay Day. Es braucht ja immer wieder diesen Anstoß, dass das überhaupt diskutiert wird – und Männer hören dann gerne zu. Sie sagen: Jetzt hören wir einmal den Frauen zu! Ja, sie haben recht!, aber es geht alles so weiter, wie es bisher war. So schaut es nämlich in Wirklichkeit aus! (Ruf bei der SPÖ: Nein!) – Nein, nein, es gibt schon Fortschritte, so ist es nicht, aber wir sind doch alle unzufrieden, weil es wirklich nur im Schneckentempo vorangeht! (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Woran liegt das? – Das ist doch die interessante Frage! Woran liegt das? – Ich glaube, das liegt vor allem daran – nein, ich glaube es nicht nur, denn es gibt ja auch Institute und Forschungszentren, die das erforschen –, das liegt also daran, dass jene Men­schen, die privilegiert sind, nicht mitbekommen, dass sie privilegiert sind.

Privilegien geben sich ja immer erst dann zu erkennen, wenn man sie entweder ver­loren hat oder wenn man wirklich immer wieder darauf aufmerksam macht und sie den Betreffenden vor die Nase hält. Das ist ein Grundprinzip des Privileg-Habens.

Dabei geht es – es gibt, und das ist das Schöne daran, unglaublich viele Untersuchun­gen und Forschungen, die sich damit beschäftigen; es gibt sogar ein eigenes Männer­forschungsinstitut in den USA, das das sehr genau überprüft hat – Männern mit dem Feminismus viel besser. Gleichstellung ist nämlich auch im Interesse der Männer.

Warum ist Gleichstellung im Interesse der Männer? (Bundesrat Dönmez: Weil der Sex besser ist ...! – Heiterkeit.) – Ja, das wollte ich zum Schluss sagen. Du nimmst mir meine Schlusspointe weg, Herr Kollege Dönmez! – Weil es ja nicht nur darum geht, dass die Männer sagen: Jetzt hören wir einmal zu, welche Probleme die Frauen haben, und dann gehen wir wieder Fußball spielen oder Fußball schauen!, sondern darum, dass das unsere Beziehungen, unsere Alltagsbeziehungen ausmacht. Es geht darum,


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wie es zu Hause funktioniert, wie unsere Beziehungen zu unseren Müttern, unseren Frauen, unseren Freundinnen, unseren Kindern funktionieren und wie sich das auf das Alltagsleben einer Gesellschaft auswirkt.

Es ist nun einmal so – ich kann euch diese Forschungsergebnisse wirklich gerne zu­kommen lassen –: Am Ende des Tages sind sowohl die Männer als auch die Frauen in Partnerschaften, in denen Gleichberechtigung herrscht, glücklicher, die Kinder sind glücklicher, die Kinder sind sogar erfolgreicher in der Schule. Und wenn all diese Argu­mente nichts zählen – Efgani hat das schon vorweg gesagt –: Am Ende – auch das ist erforscht worden – funktioniert das Liebesleben besser. Und wenn das kein Argument ist, dass sich auch die Männer um Gleichstellung kümmern, dann weiß ich nicht, wel­ches Argument noch funktionieren könnte. – Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

14.42


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Bundesministerin Hei­nisch-Hosek. Ich erteile es ihr.

 


14.42.59

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist jetzt ziemlich schwierig, nach dieser letzten Aussage wieder auf den Bericht umzusteigen, denn wenn das heißt, dass Staub saugende Männer bessere Liebhaber sind, dann sollten einige vielleicht einmal darüber nachdenken. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich komme auf den Bericht zurück. Es ist der zehnte Bericht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, und es ist ja nicht nur dieser Bericht, der aufzeigen soll, wie die Situation von Männern und Frauen in der Arbeitswelt, im Privatleben, hinsichtlich der Vereinbar­keit aussieht – all diese Themen sind ja schon angesprochen worden –, sondern wir haben ja auch wissenschaftliche Studien und Befragungen.

Beim Frauenbarometer, das ich vierteljährlich abfragen lasse, werden über 1 000 Män­ner und Frauen jeweils zu Frauenthemen befragt, und mitunter äußern sich Männer und Frauen zu Frauenthemen sehr ähnlich bis gleich, wenn sie Benachteiligungen er­kennen, die abgebaut gehören.

Wer dann am Abbau der Benachteiligungen beteiligt ist, das ist schon wieder eine an­dere Geschichte, aber grundsätzlich werden Ungerechtigkeiten von beiden Geschlech­tern erkannt, von Männern und Frauen, und beide wollen, dass sich die Dinge zum Besseren wandeln, nämlich in der Regel dazu, dass Frauen dort, wo sie schlechter­gestellt sind, die Chance haben sollten, bessergestellt beziehungsweise nicht besser als Männer gestellt, sondern gleichgestellt zu sein.

Es gibt einen Bericht betreffend Gleichbehandlung für die Privatwirtschaft, dieser wird alle zwei Jahre gelegt. Es gibt einen eigenen Bericht darüber, wie es den Frauen und Männern im Bundesdienst geht. Und es gibt den vorliegenden Bericht, für den eigent­lich alle Ressorts alle zwei Jahre einmelden – es wurde schon gesagt, über 200 Maß­nahmen wurden eingemeldet –, was sie an externen, das heißt an nach außen wirken­den Maßnahmen unternehmen, um die Situation von Männern und Frauen in der Ar­beitswelt oder im sozialpolitischen Bereich zu verbessern.

Ich denke, dass das regelmäßig Aufschluss darüber gibt, dass das – auch das wurde heute schon gesagt – nicht unbedingt das Tempo ist, in dem wir uns wünschen weiter­zukommen. Mitunter geht es sehr langsam weiter; die Gründe dafür wurden schon an­gesprochen.

Es ist, glaube ich, schon eine Frage der Machtverhältnisse. Es ist entscheidend, wer über wen bestimmt. Ist es der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin, der/die über die Arbeit-


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nehmerin/den Arbeitnehmer bestimmt in Bezug auf einen Mindestlohn oder einen Brut­tolohn, der kollektivvertraglich ausgehandelt wird?

Und weil heute schon gesagt wurde, dass junge Frauen immer noch fast nur drei Be­rufe wählen: Die Hälfte aller jungen Frauen, die eine Lehre beginnen – es sind über 20 000 junge Frauen pro Jahr, insgesamt beginnen jährlich über 40 000 junge Frauen und Männer eine Lehre –, wählen aus nur drei Lehrberufen aus. Damit soll kein Lehr­beruf schlechtgeredet werden, aber das zeigt, dass die Bandbreite der Lehrberufe nicht so bekannt ist. Es sind ja Bestrebungen da, im Rahmen der Berufsorientierung und der Bildungswegorientierung in der Schule, wo die Grundsteine gelegt werden, den Mäd­chen, den jungen Frauen zu vermitteln, was es da noch alles gibt, damit sie sehen, wo­für sie sich – außer für die heute schon genannten Tätigkeiten – noch interessieren könnten. Die drei genannten Berufe sind schön, keine Frage, aber in allen drei Be­reichen sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicher nicht am besten bezahlt.

Ich hätte mir auch gewünscht und erwartet, dass dieser Bericht zum Abbau der Be­nachteiligungen von Frauen mehr Erfolge aufzeigt. Die Frauenministerin kann die ein­zelnen Ressorts lediglich bitten, sie kann anregen, kann mithelfen, kann sich einmi­schen, aber direkte Ausflüsse in Form von Gesetzesänderungen, Informationskampag­nen oder Studien, aus denen man etwas machen kann, obliegen den Ressorts. Ich se­he durchaus in allen Bereichen Bemühungen, aber wenn die eine oder andere Maß­nahme – und da gehe ich auf eine ein, die ich selbst mit den Sozialpartnern einleiten konnte – quasi sanktionslos bleibt, weil Sanktionen in Österreich ein Nichtthema sind, dann ist es schwierig, dass sich schneller etwas ändert.

Wenn wir Einkommensberichte im Gesetz verankert haben, es aber keinerlei Folgen gibt, wenn diese nicht gemacht werden – und nicht hundert Prozent der Betriebe, die hier erfasst sind, machen Einkommensberichte; manche sagen: brauche ich nicht, mache ich nicht!, auch diese Rückmeldungen habe ich bekommen –, dann kann man nicht erwarten, dass sich Dinge schnell ändern. Dann ist das das Bohren harter Bretter wie so oft in der Gleichstellungspolitik, wo wir einfach noch besser zusammenarbeiten müssen.

Deshalb unterstütze ich die von Ihnen (in Richtung des Bundesrates Mag. Zelina) ge­machte Aussage, dass wir auch kleinere Unternehmen, Unternehmen mit weniger als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern miterfassen könnten. Die könnten es auch schon freiwillig tun, das ist ja keine Frage.

Aber neben dieser Freiwilligkeit der Meldung könnten wir, damit Frauen ihre Karriere­wege besser und schneller beschreiten können, Quotenregelungen einführen. Das ist in Österreich in staatsnahen Unternehmen gelungen, und siehe da, dort haben wir in Aufsichtsratsfunktionen mittlerweile weit über 30 Prozent Frauen. Und es melden sich erstens keine schlechten Frauen für diese Positionen, und zweitens wurde es so ge­handhabt, dass keine Männer aktiv verdrängt wurden. Es wurde bei den Nachbeset­zungen darauf geschaut, dass mit Frauen nachbesetzt wurde und wird, wodurch sich diese Quote dort schon ganz schön erhöht hat.

In der Privatwirtschaft gelingt das aber nicht. Es sind noch immer nur 11 Prozent Frauen. Immerhin sind in Vorstandsetagen schon 5 Prozent Frauen, aber das ist noch bei Weitem nicht das, was uns andere Länder vorleben.

Frauen sind nicht die schlechteren ManagerInnen, sie haben es nur oft schwerer, quasi in der Betrachtung, wie sie ihre Leistungen erbringen, weil sie viel genauer beobachtet werden, viel genauer geschaut wird, wie sie ihre Wege gehen. Wenn sich eine Mana­gerin für den nächsten Karriereschritt bewirbt, wird ihr immer die Frage der Vereinbar­keit gestellt. Frauen wird diese Frage immer gestellt, Männern jedoch kaum bis nie. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der zu mir als Frauenpolitikerin gekommen ist und


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gesagt hat: Ich komme mir jetzt wirklich diskriminiert vor, da hat mich doch glatt jemand gefragt: Sind Sie Vater, sind Sie überhaupt prädestiniert für diese Position?!

Diese Fragen werden Männern einfach nicht gestellt, und das ist damit gemeint, dass wir diese Berichte schon brauchen, um diese gesellschaftspolitischen Fragen zu stel­len, um sich ihnen zu stellen und Veränderungen herbeizuführen.

Als sich in den siebziger Jahren eine Frauenbewegung entwickelt hat, hat sich gleich­zeitig – Sie werden es nicht glauben – eine sehr fortschrittliche Männerbewegung ent­wickelt, die nicht gegen diese Frauen agiert hat, sondern die seit dieser Zeit nach ei­nem selbstbestimmten, guten Männerbild sucht. Und ein gutes Männerbild ist nicht eines, wo Macht demonstriert wird, Macht bis hin zu Ermordung und Tod – in der Säu­lenhalle sind ja zurzeit im Rahmen der Ausstellung „Silent Witnesses“ Pappfiguren zu sehen, die weibliche Opfer von Gewalt repräsentieren –; das ist nicht die Form eines modernen Männerbildes, wie es die Männer sehen.

Ich habe gestern mit einer Wissenschaftlerin im Zuge der Vorstellung einer Broschüre, in der es um Partnergewalt gegen ältere Frauen geht, ein Hintergrundgespräch geführt. Das ist ein Thema, das in Österreich ziemlich „unterbelichtet“ ist. Ältere Frauen – und da rede ich von 70-, 75-, 80-jährigen Frauen – glauben ja manchmal über Jahrzehnte hinweg, dass es sich so gehört in einer Beziehung, dass er zu ihr „grauslich“ ist. Und „grauslich“ heißt ja nicht immer, dass geschlagen werden muss, sondern das heißt ja auch, dass Frauen, wenn sie nicht berufstätig waren, weil die Möglichkeiten noch nicht da waren, weil von der Kindererziehung direkt in die Altenbetreuung, in die Pflegesitua­tion übergegangen werden musste, dass diese Frauen nie über eigenes Geld verfügt haben und daher immer finanziell abhängig waren.

Wenn eine Beziehung glücklich ist, bis dass der Tod sie scheidet, dann ist das alles in Ordnung, wenn aber eine Beziehung Spannungen in sich birgt und wenn sich Bezie­hungen so darstellen, dass Frauen kein Haushaltsgeld bekommen oder dass er ihr sagt: Du bist ja sowieso nichts ohne mich!, und so weiter, dann ist das schlimm. Da haben Frauen ihre Erlebnisse geschildert, und diese wurden in einer Broschüre zusam­mengefasst.

Das jedenfalls, meine Damen und Herren, sind Fragen, denen wir uns widmen müs­sen, und zwar alle Politikerinnen und Politiker – egal, ob Männer oder Frauen –, weil wir doch, wie ich meine, gemeinsam wollen, dass wir uns nicht nur in unserem eigenen Wirkungskreis in einer möglichst friedvollen und gewaltfreien Umgebung befinden, denn wir tragen ja auch Verantwortung für andere Menschen.

Wenn persönliche Schicksale an uns herangetragen werden, kann ich nur sagen: Ver­suchen wir doch, diesen Menschen zu helfen!

Erlauben Sie mir zum Abschluss, noch Folgendes zu sagen – ich kann nicht an mich halten, das jetzt nicht zu sagen, weil heute hier von der Kollegin von den Freiheitlichen so viel dazu gesagt wurde –: In diesem Bericht geht es nicht um Frauen, die nicht Müt­ter werden können – es gibt ja sozusagen gute Hilfsmittel, Sie haben das ja erwähnt, die In-vitro-Fertilisation, wo Teile auch bezahlt werden, wenn der Kinderwunsch nicht erfüllt wird –, sondern in diesem Bericht geht es um Mütter, die beim Wiedereinstieg ins Berufsleben ziemliche Schwierigkeiten haben, die die nötigen Kinderbetreuungseinrich­tungen nicht vorfinden, und da geht es auch um die Pendlerinnen, die Sie erwähnt ha­ben. Ich nehme da jetzt drei Beispiele her, weil diese mich sehr bewegt haben.

Zum Glück ist es so, dass jetzt alle Frauen, die pendeln, die Möglichkeit des Bezugs des Pendlerpauschales haben – das war nicht so, denn Teilzeit arbeitende Frauen, die nicht zehn Tage im Monat zusammenbringen, waren von diesem Vorteil ausgeschlos­sen. Das haben wir reparieren können. Diese Frauen waren also gemeint mit den PendlerInnen, bei denen es Verbesserungen gibt.


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Dass Männer eher Vollzeittätigkeiten haben, haben wir heute schon gehört, ebenso, dass fast jede zweite Frau Teilzeit arbeitet und weit fahren muss, um in die Arbeit zu kommen; dazu kommt, dass diese Frauen oft wenig verdienen.

Ich habe einmal PendlerInnen aus Güssing in einem Bus begleitet und muss daher sagen: Da fährst du einmal drei Stunden, dann arbeitest du zehn Stunden am Stück in einer Filiale in Wien, dann fährst du wieder drei Stunden zurück, also von vier Uhr früh bis elf Uhr am Abend – und das drei Tage in der Woche. Das ist wirklich ziemlich be­lastend! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter bemühen sich selbstverständlich, nur wenn es im Südburgenland keine Arbeitsplätze gibt, können Gewerkschafterinnen und Ge­werkschafter auch nichts dafür. – Das dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

Letzte Bemerkung: Ich finde es wirklich gut und in Ordnung, dass diese Debatte heute sehr ernst geführt wurde, denn ich beobachte manchmal schon, dass gerade dann, wenn Frauenthemen diskutiert werden, unangebrachte Bemerkungen fallen, und sol­che Bemerkungen, die man schon hört, wenn man hier sitzt, und die im Hintergrund gemacht werden, wurden heute fast unterlassen. Die eine oder andere habe ich ge­hört, aber es waren nicht mehr als eine oder zwei.

Es kommt vor, dass bestimmte PolitikerInnen behaupten, dass Frauenhäuser Familien zerstören, weil sich Frauen an Frauenhäuser wenden, weil sie nach langer Zeit diesen Schritt wagen und hinausgehen aus einer Familie, in der sie lange bleiben wegen der Kinder, in der sie lange bleiben, weil sie aus finanziellen Gründen nicht gehen können, weil sie sich das Leben ohne den „Ernährer“, den wir uns heute ohnehin nicht mehr wünschen – wir wünschen uns gleichberechtigte PartnerInnen in Familien –, oft gar nicht vorstellen können. Und wenn sich diese Frauen dann an Frauenhäuser wenden und PolitikerInnen behaupten, das zerstöre Familien, geht das für mich einen Schritt zu weit. Da sollten wir uns wieder darauf besinnen, dass Gewalt keinesfalls als Kavaliers­delikt betrachtet werden darf.

Gerade in Anbetracht der „16 Tage gegen Gewalt“ möchte ich mit diesem Beispiel en­den und mich dafür bedanken, dass heute hier sehr gut über diesen Bericht diskutiert wurde, und ich richte gleichzeitig das Ersuchen an Sie, gemeinsam daran zu arbeiten, dass Berichte dieser Art besser ausfallen können, weil mehr Gleichstellung da ist.

Ein letzter Satz sei mir noch gestattet: Das Instrument, nachzuschauen, wie es beim Geldausgeben gehen könnte, nämlich beim Budget-Erstellen, von der kleinsten Kom­mune bis zum Bundeshaushalt, ist eben das Instrument, wie darauf geschaut wird, wie die Mittel für Frauen und für Männer eingesetzt sind, welche Auswirkungen das hat, eben dieses Gender-Budgeting, das ja heute schon erwähnt wurde und das auch ei­nen Schwerpunkt dieses Berichtes darstellt. Auch da wird sich nur allmählich etwas ändern: bei der Sportförderung, bei anderen Förderungen, vielleicht auch bei der För­derung von Frauenhäusern, die ja Ländersache sind und wo der Bund nur einen klei­nen Beitrag leisten kann.

Ich ende mit dem, mit dem ich begonnen habe: Wenn in Partner-/Partnerinnenschaf­ten – egal, in welchem Bereich: in der Haushaltsarbeit, im sonstigen Leben, im Liebes­leben oder wie auch immer – alle glücklicher sind, dann ist auch die Gesamtgesell­schaft eine erfolgreichere, eine glücklichere – und die Kinder in einer solchen Gesell­schaft sowieso. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

14.56


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 124

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegen­ständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.57.157. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Aufgrund der Ergebnisse der niederösterreichischen, Kärntner, Tiroler und Salzburger Landtagswahl und dem damit verbundenen Fraktionsstatus der Grünen ist die Wahl von Ausschüssen erforderlich geworden.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Monika Mühl­werth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz, den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuss für Bürge­rInnenrechte und Petitionen, den EU-Ausschuss, den Ausschuss für Familie und Ju­gend, den Finanzausschuss, den Geschäftsordnungsausschuss, den Gesundheitsaus­schuss, den Gleichbehandlungsausschuss, den Ausschuss für innere Angelegenhei­ten, den Justizausschuss, den Landesverteidigungsausschuss, den Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, den Ausschuss für Sportangelegenheiten, den Umweltausschuss, den Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur, den Unvereinbar­keitsausschuss, den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus, den Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie, den Wirtschaftsausschuss, den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung mit jeweils 14 Mitgliedern und 14 Ersatzmitgliedern, wo­bei jeweils sechs Mitglieder und sechs Ersatzmitglieder auf die Österreichische Volks­partei, fünf Mitglieder und fünf Ersatzmitglieder auf die Sozialdemokratische Partei, zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder auf die Freiheitliche Partei sowie ein Mitglied und ein Ersatzmitglied auf die Grünen entfallen, neu zu wählen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Einstimmigkeit.

Die vorhin genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsord­nung neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen; diese gelten damit als gewählt.

14.59.538. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

 


Präsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Im Ausschuss gemäß § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 stehen von den auf den Bundesrat entfallenden 13 Mitgliedern und 13 Ersatzmitgliedern jeweils sechs Mitglie­der und sechs Ersatzmitglieder der ÖVP, fünf Mitglieder und fünf Ersatzmitglieder der SPÖ und zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder der FPÖ zu.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 125

Aufgrund des Ausscheidens von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates sind acht Mitglieder und fünf Ersatzmitglieder neu zu wählen, wobei drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder von der ÖVP, vier Mitglieder und drei Ersatzmitglieder von der SPÖ und ein Mitglied von der FPÖ für die entsprechende Wahl vorzuschlagen sind.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmit­glieder vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Entsprechende Wahlvorschläge der Fraktionen liegen mir vor.

Die Wahlvorschläge lauten auf folgende Mitglieder:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Dr. Andreas Köll (Tirol), Josef Saller (Salzburg), Sonja Zwazl (Niederösterreich).

Von der SPÖ vorgeschlagen: Michael Lampel (Burgenland), Günther Novak (Kärn­ten), Richard Wilhelm (Steiermark), Ingrid Winkler (Niederösterreich).

Von der FPÖ vorgeschlagen: Gerhard Dörfler (Kärnten).

Die Wahlvorschläge für die Ersatzmitglieder lauten wie folgt:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Christian Poglitsch (Kärnten), Martin Preineder (Nie­derösterreich).

Von der SPÖ vorgeschlagen: Ing. Hans-Peter Bock (Tirol), Mag. Susanne Kurz (Salzburg), Inge Posch-Gruska (Burgenland).

Ich werde die Abstimmung über diese Wahlvorschläge, sofern sich kein Einwand er­hebt, unter einem vornehmen.

Da jeweils nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich durch Handzeichen abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den von mir gegebenen Wahlvor­schlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenein­helligkeit fest.

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit ge­wählt.

15.02.419. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2014

 


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Da mit 1. Jänner 2014 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Burgenland über­geht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 B-VG der an erster Stelle entsendete Vertreter die­ses Bundeslandes, Herr Bundesrat Michael Lampel, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl des Vizepräsidenten und der Vizepräsidentin

 


Präsident Reinhard Todt: Ich werde die Wahl des Vizepräsidenten beziehungsweise der Vizepräsidentin durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wäh­lenden Vizepräsidenten des Bundesrates.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 126

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


15.04.12

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich bedanke mich sehr herzlich und nehme gerne an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zur Wahl der zweiten zu wählenden Vi­zepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundes­rätin Mag. Susanne Kurz lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


15.04.55

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Ich bedanke mich für das Ver­trauen und nehme die Wahl gerne an. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der SchriftführerInnen

 


Präsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zur Wahl der SchriftführerInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Josef Saller, Ana Blat­nik, Anneliese Junker und Ewald Lindinger für das erste Halbjahr 2014 zu Schrift­führerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich die Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik und Junker sowie die Bundesräte Saller und Lindinger danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an. Allgemeiner Beifall.)

Wahl der OrdnerInnen

 


Präsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zur Wahl der OrdnerInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Werner Stadler, Cornelia Michalke und Mag. Nicole Schreyer für das erste Halb-
jahr 2014 zu Ordnerinnen beziehungsweise Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 127

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Tiefnig und Stadler sowie die Bundesrätinnen Michalke und Mag. Schreyer danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an. Allgemeiner Bei­fall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.07.05Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Finanzen betreffend UniCredit Bank Austria, Abgabenhinterzie­hung (2958/J-BR/2013)

 


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun gemäß § 61 Abs. 3 der Geschäftsord­nung des Bundesrates zur Behandlung der Dringlichen Anfrage an die Frau Bundesmi­nisterin für Finanzen.

Ich begrüße den Vertreter der Frau Bundesministerin für Finanzen, Herrn Staatsse­kretär Mag. Andreas Schieder, sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Jenewein als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

 


15.08.01

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, erlauben Sie mir vorweg eine kurze persönliche Bemerkung.

Erstens einmal freue ich mich sehr, dass ich wieder der Zweiten Kammer des österrei­chischen Parlaments, dem Bundesrat, angehöre. Es war in der Ersten Kammer auch sehr schön, aber hier ist es doch heimeliger, familiärer und irgendwie vertrauter. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – Ja, selbstverständlich.

Zum Zweiten möchte ich, um gleich zur Sache zu kommen, mitteilen, dass ich mittler-weile seit über eineinhalb Jahren an diesem Thema arbeite. Ein lieber Kollege, der mir dabei mit Rat und Tat und auch vielen Informationen zur Seite gestanden ist, ist heuer im August leider mit 47 Jahren einer Herzattacke erlegen und kann jetzt leider nicht mehr die politische Auswirkung dieser Geschichte miterleben. Das ist sehr schade für mich, und trotz allem gebietet es der Anstand, das hier auch zu erwähnen.

Die Dringliche Anfrage ist Ihnen zugegangen, Sie kennen sie mittlerweile zumindest in schriftlicher Form. Trotz allem möchte ich heute durchaus auch ein bisschen die Vorge­schichte und das Umfeld erklären, damit man sich ein Bild machen kann, worum es denn hier überhaupt geht. Im Prinzip könnte man ja sagen, das ist ein Fall, der durch die Weltpresse gegangen ist, dafür gibt es Behörden, und die Behörden sollen das halt aufklären. Das ist zum Teil völlig richtig. Zum anderen hat dieser Fall natürlich auch eine politische – und zwar eine hochpolitische – Komponente. Daher werden wir uns heute hier im Plenum damit auseinandersetzen.

Die Sache ist insofern ein Thema, da die Bank Austria Anfang der 2000er Jahre ge­meinsam mit der AVZ eine Vertriebsgemeinschaft gegründet hat, die Bank Austria Worldwide Fund Management, an der die AVZ zu 25 Prozent beteiligt war – für die, die es nicht wissen. Und da sind wir schon mitten im politischen Teil dieser Causa.

Die AVZ ist die Anteilsverwaltung der Zentralsparkasse. Was war die Zentralsparkas­se? – Nichts anderes als eine Gemeindebank, dank der Gemeinde Wien, wo jeder


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 128

Wiener mit seinem Vermögen mitgehaftet hat. Das heißt, jeder Wiener hat für die Ein­lagen, für diese Sparkassa gehaftet. Als diese Sparkassa seinerzeit an die Bayerische Hypo verkauft wurde, wurden diese Gelder, dieser Erlös der Zentralsparkasse, pri­vatisiert. Man hat die Gelder der Zentralsparkasse in eine Stiftung geparkt, in die AVZ-Stiftung, in die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse.

Man hat schon damals gesehen, dass das natürlich hinterfragenswert ist: Warum wählt eine Gemeinde, warum wählt die Stadt Wien dieses Instrument der Privatisierung? Das ist ganz klar: Um natürlich auch diese Gelder der Kontrolle durch den Rech­nungshof und durch das Kontrollamt zu entziehen. Das war schon damals die Moti­vation.

Wenn wir dann schauen, was in weiterer Folge mit diesen Geldern der AVZ passiert ist, dann wird auch ganz klar, warum man sie der Kontrolle der Stadt Wien, warum man sie der Kontrolle des Wiener Gemeinderats, warum man sie der Kontrolle des Wiener Kontrollamts entziehen wollte. Es ist nämlich fraglich, ob es wirklich Stiftungszweck ist oder sein kann, dass Wiener Volksvermögen, Vermögen, das von allen WienerInnen miterwirtschaftet wurde, in einem hochspekulativen Geschäft einem Milliardenbetrüger wie Herrn Bernard Madoff anvertraut wird. Man hat diese Gelder in ein hochspekula­tives System eingespeist, hat versucht, am großen Kapitalmarkt mitzuarbeiten, hat ver­sucht, am großen Kapitalmarkt Gelder zu erwirtschaften, und im Endeffekt ist man draufgekommen, dass leider nichts übergeblieben ist.

Am Ende ist man draufgekommen, dass von diesen 1,7 Milliarden €, die ursprünglich in der AVZ-Stiftung geparkt waren, heute nur noch knapp 60 Millionen € übrig sind. Der Rest ist weg – und niemand weiß, wo der Rest ist. Die Stadt Wien stellt sich auf den Standpunkt: Das geht uns nichts an. Das ist eine Privatstiftung, das geht uns überhaupt nichts an, und das geht auch die Politik nichts an, da es eine Privatstiftung ist. – Das ist natürlich nur zum Teil richtig, denn formalrechtlich ist die AVZ-Stiftung ei­ne private Stiftung. Faktum ist aber auch, dass bei der Liquidation, bei der Auflösung dieser Stiftung, die Gelder selbstverständlich wieder dem ursprünglichen Eigentümer, nämlich der Stadt Wien, zufallen würden. Nur da wird nichts mehr zufallen, denn da wird nichts mehr drinnen sein. Die Stiftung ist nämlich leer, sie ist ausgeräumt. Da stellt man sich die Frage, warum und wer dafür verantwortlich ist.

Wenn Sie sich eben die Geschichte rund um diese Investitionen mit der Bank Austria, mit der AVZ, mit Bernard Madoff näher ansehen, dann kommen Sie auf ein Sittenbild, das eigentlich, wenn Sie so wollen, nicht nur den größten Kriminalfall weltweit darstellt, was ein „Ponzi scheme“, ein Schneeballsystem, betrifft, sondern Sie haben hier auch den größten finanzpolitischen Skandal innerhalb der Zweiten Republik. (Bundesrat Schreuder: Nein, das ist die Hypo Alpe-Adria!) – Nein, nein, nein! Es geht um 20 Mil­liarden US-Dollar, die alleine am Hub Wien, am Bankplatz Wien verspekuliert wurden – und diese Gelder sind weg! Da geht es nicht um irgendwelche hinterfragenswerten Haftungen eines Landes. Diese Gelder sind weg – insgesamt 20 Milliarden US-Dollar, die am Bankplatz Wien durch das Milliardenspiel von Bernard Madoff verspekuliert wurden. Das muss man sich einmal vorstellen! Da können Sie rechnen, was Sie wollen, da können Sie die Hypo nehmen, nehmen Sie noch die Bank Burgenland dazu, dann nehmen Sie noch die BAWAG dazu – Sie werden nicht auf den Verlust kommen, der da entstanden ist.

Jetzt könnte man natürlich wiederum sagen, dem Betrüger Madoff sind ja viele auf den Leim gegangen. Das ist ja nicht nur ein paar Verantwortlichen oder ein paar Bankern in Wien passiert, sondern das war ja ein globales Betrugssystem – im Übrigen das erste dieser Art. Das war im Prinzip das erste, wenn man so viel, globalisierte Betrugssys­tem, das in diesem Ausmaß Schaden angerichtet hat.


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 129

Man fragt sich dann, ob denn wirklich alle Opfer waren. Bernard Madoff ist im Jahr 2009 zu, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, 125 Jahren Haft verurteilt wor­den. Da kann man sagen, das war halt ein Einzeltäter, der sich die Taschen vollge­stopft hat, aber sonst hat niemand etwas gewusst. Das ist natürlich bei einem Betrugs­system dieses Ausmaßes schwer vorstellbar.

Wie Sie wissen, schreibt die besten Geschichten das Leben. Ich habe mir gedacht, wenn ich heute schon neuerlich im Bundesrat angelobt werde, dann möchte ich auch etwas mitbringen – ein kleines Weihnachtsgeschenk, darum auch heute die kleine Dringliche Anfrage. In Vorbereitung dieser Dringlichen Anfrage habe ich im Zuge der Recherche den „Boston Globe“ vom 3. Dezember 2013 gefunden, und in diesem wird erzählt, dass die Nummer zwei im Betrugssystem Bernard Madoff, nämlich Herr Frank DiPascali, vor Kurzem zu „singen“ begonnen hat, wie man so schön sagt.

DiPascali sagt, dass seit dem Jahr 1975 – ich bin im Jahr 1974 geboren, also kann man sich in etwa die Dimension vorstellen – bekannt war, dass dieses System ein Be­trugssystem ist, und es wurden auch die Großinvestoren darüber informiert. Jetzt kann man davon ausgehen, dass vielleicht manche informiert worden sind, die sitzen aber nicht in Österreich. Was hat das jetzt mit uns zu tun? Was hat das mit der Bank Austria zu tun? – Im Zuge der letzten Monate wurde immer wieder in verschiedenen Zei­tungen – in der „Kronen Zeitung“, aber auch im „profil“ – der Revisionsbericht der Bank Austria aus dem Jahr 2003 zitiert.

Dieser Revisionsbericht der Bank Austria aus dem Jahr 2003 ist insofern nicht unin­teressant, als er eine wunderschöne Graphik enthält. (Der Redner hält ein Blatt Papier, auf dem die erwähnte Graphik abgebildet ist, in die Höhe.) Auf dieser Graphik sieht man, wie die Bank Austria gemeinsam mit der AVZ diese Vertriebsgemeinschaft ge­gründet hat. Im Revisionsbericht liest man eigentlich, alles ist super, alles ist toll, alles passt. Das einzige Problem ist: Über die Zusammenarbeit mit Madoff existiert seitens der BA Worldwide Fund Management lediglich ein internes Gesprächsprotokoll im Zu­sammenhang mit einigen Besuchen bei der Firma Madoff in New York.

Das ist auch interessant, dass man die Entscheidung für ein Geschäftsmodell auf eine mündliche Absprache hin trifft und sich nicht, wie es eigentlich üblich ist, etwas Schrift­liches geben lässt. Nein, es gibt nur Besuchsprotokolle, und dann schaut man da wei­ter – ich habe dieses Besuchsprotokoll zufällig da –, und es wird darin Herr DiPascali – dessen Aussage, dass das eigentlich allgemein bekannt war, dass das ein Betrugs­system ist, im „Boston Globe“ vor ein paar Tagen wiedergegeben wurde – wörtlich zi­tiert.

Ich würde Sie ersuchen, jetzt gut zuzuhören. Das ist nämlich notwendig, um zu ver­stehen, wie dieses Betrugssystem aufgebaut war. Da schreibt der Manager der Bank Austria, dessen Namen ich hier nicht nennen werde:

Die Strategie wird wesentlich durch spezielle Computersysteme, die an die Kunden­wünsche entsprechend angepasst werden, unterstützt. Die Investitionsentscheidungen hingegen werden selbstständig von den Managern durchgeführt. Bernard Madoff In­vestment Securities gibt vor, die zukünftige Entwicklung des Marktes vorhersehen zu können. – Zitatende.

Das ist interessant. Offensichtlich hat Herr Madoff eine Glaskugel gehabt. Aber Herr DiPascali wird deutlicher. Er sagt nämlich wörtlich: „(...) vielleicht können wir nur die nächsten 10 oder 15 Minuten vorhersehen, aber wir beobachten stets den Markt. Wenn wir einen Auftrag bekommen, ein großes Aktienpaket zu kaufen, das momentan bei 40 Dollar notiert und das Limit 44 Dollar beträgt, kann es nicht falsch sein, diesel­ben Aktien für 41 oder 42 Dollar für unser eigenes Portfolio zu kaufen.“


BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 130

Was heißt das? – Das ist nichts anderes als klassischer Insiderhandel, der in Öster­reich seit dem Jahr 1993 und in den USA meines Wissens seit 125 Jahren verboten ist. Seit dem Jahr 2000 war die Bank Austria darüber informiert, dass hier Insiderhandel betrieben wird. Trotzdem hat man bis zum Jahr 2008, bis zum Zusammenbruch dieses Systems, weiter Gelder investiert – und eben nicht nur Gelder der Bank Austria oder Gelder von deren Investoren, sondern auch Gelder der AVZ, also Gelder, die aus dem Volksvermögen der Stadt Wien kommen, wo jeder Wiener daran mitgearbeitet hat, dass diese Gelder erwirtschaftet werden. – Das ist der Punkt. Darum sitzen wir heute da. Weil ich sage: Darüber reden wir jetzt einmal!

Es ist notwendig, dass wir darüber reden, denn es kann nicht sein, dass einer der größten Betrugsskandale, der hier offenbar ist, seit Jahren verschleppt wird. Er wird nämlich insofern verschleppt, als seit dem Jahr 2009 in der Republik ein Verfahren anhängig ist – und seit dem Jahr 2009 geschieht nichts! Es geschieht nichts! Es gibt ein paar Zeugeneinvernahmen, aber es gibt keine Anklagen. Es gibt nichts. Es gibt überhaupt nichts!

Da muss man sich dann darauf verlassen, dass zufällig ein englischer Buchautor ein Buch darüber schreibt, das dann zufällig den Weg nach Österreich findet, damit man einmal darüber informiert wird, was eigentlich bei uns los ist. Das ist eigentlich ein Wahnsinn und das ist ein Skandal, und da sage ich Ihnen, angesichts von so etwas haben wir als Volksvertreter natürlich auch die Pflicht, darüber zu sprechen.

Um noch einmal ganz kurz die AVZ anzusprechen: Es ist ja nicht so, dass diese AVZ hier so ungemein transparent gearbeitet hat. Man hat schon seinerzeit bei der Grün­dung der AVZ gleich eine AVZ GesmbH gegründet, und damit man da in Österreich gar nicht hineinschauen kann, hat man sie in Düsseldorf angesiedelt. Man hat also das Geld, das man vorher privatisiert hat, gleich einmal nach Düsseldorf transferiert, damit die österreichischen Behörden überhaupt keinen Einblick mehr haben. – Das nur, um zu zeigen, dass es hier durchaus schon im Vorfeld Interessen gab, dass man mit die­sem Geld, das man offenbar als Spielgeld betrachtet hat, am internationalen Finanz­markt arbeiten kann.

Aber es gibt noch eine weitere wesentliche Verbindung, und ich möchte es Ihnen nicht vorenthalten, dass ich diese hier anspreche, denn ich glaube, dass es notwendig ist, auch die Funktion der Bank Medici näher zu betrachten. Die Bank Medici war eine Pri­vatbank in Wien, gegründet in den 1980er Jahren von Frau Sonja Kohn, und die Bank Austria war mit 25 Prozent an der Bank Medici beteiligt. 75 Prozent hat Frau Sonja Kohn innegehabt, 25 Prozent die Bank Austria. Und warum die Bank Medici „Bank Medici“ heißt, hat Frau Kohn in einem launigen Interview einmal so erklärt: Sie hat nachgeschaut, und der Name „Medici“ war markenrechtlich nicht geschützt, darum hat sie ihn genommen. Sie hat nichts mit der Familie Medici in Florenz zu tun, sondern es hat einfach gut geklungen und sie hat sich den Namen genommen – was ja nicht blöd ist und was durchaus zeigt, dass sie gewusst hat, was sie tut.

Die Bank Medici war Provisionsvertriebspartner sowohl der Bank Austria auf der einen Seite als auch der Bernard Madoff International Securities auf der anderen Seite und hat diese Fonds vertrieben, nämlich den Madoff Primeo-Fonds und später auch den Herald-Fonds, und hat natürlich im Prinzip dieselben Geschäftsmodelle weiterentwi­ckelt. Sie stellt sich selbst auch als Opfer dar – das kann man jetzt glauben oder nicht. Wenn wir uns diesen Revisionsbericht aus dem Jahr 2000 inklusive der Reiseberichte, die ich gerade vorhin zitiert habe, vor Augen halten, ist das zumindest in Zweifel zu ziehen. Was aber ganz wesentlich ist – und da sind wir jetzt wieder in typisch öster­reichischen Gefilden –, ist der Umstand, dass Frau Sonja Kohn ja nur deshalb die Lizenz für den Bankbetrieb in diesem Staat bekommen hat, weil sie bestens politisch vernetzt war.


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Frau Kohn war bestens politisch vernetzt: Sie hat sich zum Beispiel den ehemaligen Finanzminister Lacina in den Aufsichtsrat geholt – der ist dann da drinnen gesessen –, sie hat sich auch den ehemaligen Wirtschaftsminister Farnleitner in den Aufsichtsrat geholt – das heißt, es war schön paritätisch rot-schwarz besetzt –, und sie hat sich vor allem auch der Funktion der Testimonials bedient. Das möchte ich Ihnen gar nicht vor­enthalten, denn genau dadurch hat man natürlich nach außen hin den Eindruck er­wecken können, Vertrauen schaffen können, dass hier ein wunderbarer Bankenplatz mit wunderbaren Produkten besteht, und da hat man sich schon ganz gern auch der politischen Köpfe bedient.

Ich habe hier zum Beispiel so ein Testimonial, ich will es Ihnen nicht vorenthalten (der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der neben einem aufgedruckten Text ein Foto des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Gusenbauer zu sehen ist): Der wird Ihnen sicher kein Unbekannter sein. Das ist der „Chancellor of the Republic of Austria“, der Herr Al­fred Gusenbauer. Und Herr Chancellor of the Republic of Austria Alfred Gusenbauer bewirbt hier im Jahr 2007 – also ein Jahr, bevor Lehman sozusagen in die Luft ge­flogen ist – den Bankenplatz Wien für die Bank Medici. Hier wird natürlich auch ganz wesentlich mit seinem Kopf geworben.

Aber das geht noch weiter. Um den Bankenplatz Wien noch ein bisschen besser in Szene zu setzen, bedient man sich auch eines nicht weniger prominenten Politikers (der Redner hält eine weitere Tafel in die Höhe): Hier haben wir zum Beispiel den „Mayor und Governor of Vienna“, den Herrn Dr. Michael Häupl, der ebenfalls für dieses Produkt geworben hat, der ebenfalls seinen Kopf dafür verwendet hat, damit dieses Betrugssystem möglichst viele Kunden nach Wien bekommt.

Das ist etwas, worüber man auch einmal sprechen sollte: wie eigentlich auch mit der besonderen Verantwortung von Politikern in dieser Republik umgegangen wird und ob es wirklich notwendig ist, dass Politiker mit ihrem Konterfei für Produkte werben, für Privatbanken werben.

Ganz nebenbei sollte man natürlich auch erwähnen, dass die Frau Kohn ja auch per­sönlich profitiert hat. Sie hat zum Beispiel im Jahr 1999 das Große Goldene Ver­dienstzeichen der Republik bekommen. Allerdings hätte sie noch gar kein Anrecht da­rauf gehabt, weil sie zehn Jahre zu jung war. Das war völlig egal, sie hat es trotzdem bekommen. Noch schnell vor der Nationalratswahl hat man das durchgepeitscht, damit sie die „Plätsch’n“ bekommt, die sie dann herzeigen konnte.

Das sind ja alles vertrauensbildende Maßnahmen, man darf das nicht vergessen. Na­türlich ist es jetzt lustig, den Herrn Häupl und den Herrn Gusenbauer in die Luft zu hal­ten – das ist das eine –, der Punkt ist aber vielmehr der, dass mit diesen Personen, mit diesen Außendarstellungen – ich habe hier den Bürgermeister, ich habe hier den Kanz­ler, ich habe Minister im Board sitzen, ich habe das Große Goldene Verdienstzeichen der Republik – doch kein Investor auf die Idee kommt, dass dieses Produkt, das von dieser Bank beworben und vertrieben wird, vielleicht nicht ganz in Ordnung sein könn­te. Da kommt ja keiner auf diese Idee! – Und trotzdem hat man es gemacht.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass der Herr Gusenbauer oder der Herr Häupl gewusst haben, dass es sich hier um ein Schneeballsystem handelt, aber es ist natürlich Sys­tem, dass man sich auch nicht informiert hat. Man hat einfach seinen Namen herge­geben, und man hat natürlich dadurch auch die Formen verletzt und natürlich auch den Anschein erweckt, dass hier möglicherweise auch andere Interessen, möglicherweise auch finanzielle Interessen, im Spiel sind – Stichwort: Parteienfinanzierung, Stichwort: Was ist denn da noch dahinter? – Es glaubt doch kein Mensch, dass das einfach nur gemacht wurde, weil das so gute Leute sind.

Ich sage Ihnen noch etwas. Ich habe eingangs erklärt und erzählt, dass ich mich mitt­lerweile seit eineinhalb Jahren mit dieser Geschichte, mit dieser Materie befasse, und


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ich gebe zu, das ist durchaus komplex. Als ich das am Anfang gehört habe, habe ich mir gedacht, das ist zwar schön und lieb und nett, nur: Gibt es da, erstens, eine politische Komponente? Und, auf der anderen Seite: Ist das überhaupt ein Thema, mit dem wir uns befassen können?

Ich sage Ihnen, wir müssen uns damit befassen, weil es nämlich auch eine Frage der Moral und auch eine Frage der Psychohygiene ist. Wir können nicht über Monate hinweg in dieser Republik eine dringend notwendige Debatte führen über Korruption, über Sauberkeit, über – möglicherweise – Minister, die in die Taschen gegriffen haben, die in die Staatskassen gegriffen haben, wir können nicht Debatten führen darüber, wie wir in diesem Land der Korruption Herr werden wollen, wenn wir nicht bereit sind, diese Regeln, die wir selbst alle aufstellen, flächendeckend für alle anderen geltend zu ma­chen. Es kann niemanden geben, der gleicher ist. Wenn auf der einen Seite etwas passiert ist, dann heißt das nicht zwingend, dass auf der anderen Seite ebenfalls etwas passiert ist, aber es kann auch kein Ausschlussgrund sein, kein Grund, dass man da nicht genauer hinschaut, dass man das nicht anspricht und dass man nicht darüber spricht. Ich sage Ihnen, wir werden darüber sprechen.

Wir haben in den letzten Wochen durchaus auch Opfer getroffen. Ich war selbst in New York und habe mit Leuten gesprochen, mit Betroffenen, die – um da nicht irgendwelche Gerüchte aufkommen zu lassen: das sind ja nicht irgendwelche Großinvestoren ge­wesen, die versucht haben, durch übermäßige Gier noch mehr Geld zu verdienen – teilweise wirklich Kleininvestoren waren, Pensionisten, die versucht haben, durch diese relativ unglaublichen Renditen, die angeboten wurden, ihre Pensionen ein bisschen aufzubessern. Die haben alles verloren! Diese Menschen haben das gesamte Lebens­werk, das sie sich erwirtschaftet haben, verloren.

Ich sage es noch einmal: Da geht es nicht um irgendwelche schwindligen Haftungen, da geht es um Realverluste! Da geht es um die Gelder – die sind weg! Und keiner weiß, wo sie sind. Und da wir ja wissen, dass Geld nur dann weg ist, wenn man es anzündet oder zerschneidet, aber dass es nicht irgendwo verschwinden und versickern kann, frage ich mich: Wo ist es denn eigentlich? Wer hat denn im Endeffekt wirklich profitiert?

Der Herr Madoff, glaube ich, nicht. Der sitzt im Gefängnis. Das hätte also nicht mehr wirklich Sinn. Sein Sohn auch nicht, der hat sich das Leben genommen – da kommt ja auf der anderen Seite noch das menschliche Drama dazu. Nur: Wo sind die Gelder? Wer sind die wirklichen Profiteure dieser Geschichte?

Darum sage ich Ihnen – und das behaupte ich einfach; ich kann es noch nicht be­weisen, aber ich sage Ihnen, wir werden so lange arbeiten, bis wir es beweisen kön­nen –: Es gibt Profiteure! Und ich bin davon überzeugt, diese Profiteure gibt es auch in dieser Republik – und wenn es nur jene Profiteure sind, die sich hier gegenseitige Provisionen bezahlt haben für null Leistungen, wo Papiere den Besitzer gewechselt haben, die wahrscheinlich die Druckerschwärze nicht wert sind, die darauf war.

Trotzdem ist es notwendig, auch diese Dinge anzusprechen. Erst in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift „NEWS“ wird wiederum über solche Dinge berichtet, wo völlig überbordende Provisionen gezahlt wurden, wo die Wien Holding über 600 000 € zu viel an Provisionen bezahlt hat. Das darf einfach nicht wahr sein, und gerade wir als Poli­tiker, die wir immer dann auch gefragt sind, wenn es darum geht, Bankenpakete zu schnüren, wobei wir auch aufgerufen sind, Banken zu retten quer über den Kontinent, müssen da genau hinschauen – weil es nicht notwendig sein kann, weil es nicht mög­lich sein kann.

Herr Kollege (in Richtung des Bundesrates Novak), ich weiß, dass Sie das lustig fin­den. Ich weiß nur nicht, ob Sie es lustig finden würden, wenn es Sie selbst betreffen


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würde. Das weiß ich nicht. Sie können sich auf mein Gehirn verlassen, aber ich über­lasse es Ihnen gerne quasi als Prothese. Da könnten Sie einmal darüber nachdenken, wie sich diese Leute wirklich fühlen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrä­tin Posch-Gruska.)

Der Punkt – um das abschließend zusammenzufassen – ist folgender: Es gibt hier Pro­fiteure, und es gibt hier wahrscheinlich auch mehr Täter, als es Opfer gibt – zumindest ist die Auswirkung wesentlich größer als bei jenen, die da ihre Gelder verloren haben. Ich bin davon überzeugt, dass diese knapp 60 Milliarden US-Dollar, die hier versenkt wurden, nicht alle verschwunden sind. Ich bin davon überzeugt, dass sich ein Gutteil dieser Gelder nach wie vor auf Schwarzgeldkonten befindet. Diese Schwarzgeldkonten werden Sie wahrscheinlich in Luxemburg finden, die werden Sie wahrscheinlich in der Schweiz finden.

Wir wissen ja auch aus den bisherigen Verhandlungen, dass sich die österreichische Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit bisher nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat. Die Kollegen aus Liechtenstein haben dreimal in Österreich interveniert, dass die österreichische Staatsanwaltschaft doch bitte schön ein Rechtshilfeansuchen stellen möge – eine dreimalige Intervention aus Liechtenstein! –, bis dann endlich, mit neun­monatiger Verspätung, ein Rechtshilfeansuchen der Republik gestellt wurde. Was ist passiert? – Natürlich, bis die dann dort waren, waren die Konten leer, war nichts mehr drauf. Es ist ja nur mehr der Dümmste, der das nicht mitbekommt, der seine Gelder dann da drinnen lässt. – Also so wird hier auch gearbeitet, weil bei uns halt manchmal auch der Amtsschimmel wiehert. Man muss ja nicht immer gleich das Schlimmste ver­muten, manches Mal ist es einfach auch nur eine gefühlte Form der Unfähigkeit. Und da sage ich Ihnen auch, das sind Dinge, die können wir ebenfalls nicht akzeptieren. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Und wenn Sie heute – und da spreche ich genau die zwei großen Parteien in diesem Hause an – von einer neuen Form des Regierens sprechen, dann ersuche ich vor al­lem jene vernünftigen Teile dieser neuen Bundesregierung, die den Gerüchten zufolge ja am 17. Dezember angelobt wird, auch über eine Reform des Justizwesens in dieser Republik nachzudenken, und zwar vor allem dahin gehend, dass man sich endlich da­von verabschiedet, dass die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen führt, und endlich wieder die altbewährte Form des Untersuchungsrichters in Österreich einführt und des­sen Abschaffung, die im Jahr 2008 passiert ist, wieder zurücknimmt.

Es hat sich nämlich gezeigt, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Land heute extrem politisch besetzt wird, von einer politischen Partei in diesem Land. Sie finden heute keine Oberstaatsanwaltschaft mehr in dieser Republik, die nicht von Mitgliedern des BSA besetzt ist. Das muss nicht per se etwas Böses sein, es zeigt nur, dass es sich selbstverständlich um eine Verpolitisierung der Justiz handelt. Dieser Verpolitisierung der Justiz muss genauso ein Ende gesetzt werden, wie auch der Verpolitisierung des ORF ein Ende gesetzt werden muss.

Wenn man von einer neuen Form des Regierens spricht, dann wäre es notwendig, ge­nau hier anzusetzen, dann wäre es notwendig, hier so weit anzusetzen, dass es zu­mindest eine Kontrolle gibt. Ich kann niemandem seine politische Meinung verbieten, das möchte ich auch nicht – ich glaube, das möchte niemand in diesem Saal –, aber es wäre notwendig, dass man zumindest eine gewisse Form der Kontrolle hat, wo man weiß, auch hier können andere Leute zusehen, können andere Leute das genau unter die Lupe nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen abschließend, dieser Fall wird uns noch öfter beschäftigen. Ich bin jetzt auch gespannt auf die Antworten des Finanz­staatssekretärs Schieder, denn er kommt ja aus dieser Wiener SPÖ, er muss sich da


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eigentlich genau auskennen. Unabhängig davon sitzt er heute ja auch als Nationalrats­abgeordneter und als Klubobmann und als Staatssekretär hier. (Ruf bei der SPÖ: Sie verstehen das System nicht!) – Oh ja, ich verstehe das System schon. Aber es ist ja ein Novum, und das wollte ich damit zum Ausdruck bringen, dass ein Nationalratsab­geordneter oder ein Klubobmann auch hier im Bundesrat sitzt. Das ist ja etwas Schö­nes, darüber freuen wir uns auch sehr.

Der Punkt ist der: Es gab im Jahr 2010 eine Anzeige, in der der dringende Verdacht geäußert wurde, dass es im Zuge der Abrechnungen der Bank Austria Worldwide Fund Management zu Unregelmäßigkeiten bei der Steuerbezahlung gekommen ist. Wir be­gehren heute im Zuge unserer Dringlichen Anfrage hier einerseits Aufklärung darüber, ob dieser Anzeige nachgegangen wurde, und andererseits begehren wir heute Aufklä­rung darüber, wie in Zukunft mit solchen Dingen umgegangen wird. Die Anfrage selbst ist auf der Homepage des Parlaments abrufbar, und all jene, die es interessiert, kön­nen ja die Fragen dann selbstverständlich nachlesen.

Bei der SPÖ, muss ich leider Gottes sagen, manifestiert sich halt immer wieder – und es hat sich auch in diesem Fall gezeigt –, dass hier auf der einen Seite Unruhe herrscht (Bundesrat Füller: Welche Unruhe? Ich spüre keine Unruhe!) und man auf der anderen Seite bass erstaunt ist. Bei Ihnen ist halt leider Gottes das Problem, die Theorie ist Marx – und die Praxis in diesem Fall Madoff. Das ist genau der Punkt, und mit dem müssen Sie endlich aufhören. Und wir werden das selbstverständlich auch auf Wiener Ebene, auf Ebene des Wiener Landtages und auf Ebene des Wiener Gemein­derates thematisieren. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

15.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.35.23

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Um das klarzustellen: Ich bin ausschließlich in Vertretung der Frau Bundesministerin für Finanzen hier, an die sich diese Dringliche Anfrage gerichtet hat, und in der parlamentarischen Vertretung darf ich Ihnen jetzt auch die Antworten auf Ihre Fragen geben. – Es freut mich ja, dass Sie sich freuen, dass ich da bin. Das ist ja schön. Diese Freude hätte ich Ihnen einfa­cher auch machen können und vor allem auch sicherer. Aber nichtsdestotrotz, mich freut es auch, weil ich erstens gerne im Bundesrat bin und das höchstwahrscheinlich auch mein letzter Besuch im Bundesrat in dieser Funktion sein wird. Daher hat alles eine gute und eine andere Seite.

Bevor ich auf die Fragen eingehe: Demokratie lebt von Transparenz, und daher ist es selbstverständlich, dass die Regierung und ein Regierungsmitglied oder ein Ministe­rium zu allen Fragen Auskunft gibt, wenn aufgrund der Rechte des Parlaments – egal, welcher Kammer des Parlaments – Fragen gestellt werden und das sogenannte Inter­pellationsrecht angewandt wird.

Es gibt aber auf der anderen Seite auch – und das wird klar, wenn man die Fragen im Detail durchschaut – eine sehr intensive und mitunter auch nicht ganz leichte Abwä­gungsfrage, was natürlich auch das persönliche Recht des Einzelnen auf Integrität der Privatsphäre, auf Datenschutz und alle diese Fragen betrifft. Das möchte ich deshalb vorausschicken, weil es nicht sein darf, dass personenbezogene Informationen in der Öffentlichkeit breitgetreten werden oder Personen auch nur in die Nähe eines Sach­verhalts gebracht werden, welcher ihre Integrität gefährdet, weshalb es auch weder der Verwaltung noch der Politik obliegt, solch schützenswerte Daten und Informationen preiszugeben. Und sinnvollerweise stehen diese Informationen der Politik auch gar


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nicht zur Verfügung – also etwa all das, wo es um das Steuergeheimnis oder andere derartige Fragen geht.

Drittens ist es eine Frage der Steuergerechtigkeit und auch der generellen Gerechtig­keit in unserer Gesellschaft, dass jede Form von Abgabenhinterziehung, jede Form von Steuerbetrug und alle diese Fragen auch verfolgt werden. Daher, das möchte ich auch vorausschicken, haben sowohl die Finanzverwaltung als auch die Finanzpolitik ein In­teresse daran, dass alle diese Fragen immer aufs Schärfste untersucht und verfolgt werden.

Bei der Beantwortung der Fragen im Einzelnen darf ich Ihnen das zur Kenntnis brin­gen, was sich nach intensiverer Befassung des Hauses ergeben hat – ich betone das mit der intensiven Befassung des Hauses auch deshalb, weil es, ehrlich gesagt, durch­gehend keine Fragen sind, die mit der politischen Führung – im engeren Sinn – eines Hauses im Zusammenhang stehen.

Zu den Fragen 1 und 2, 15 bis 18 sowie 20 ist vorweg anzumerken, dass in der für die Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit keine An­zeige – wie in Frage 1 genannt – aufgefunden werden konnte. Dessen ungeachtet wä­re eine Beantwortung dieser Fragen allerdings auch für den Fall, dass eine solche An­zeige aufliegen würde, unzulässig, da die konkreten Verhältnisse eines Abgabenpflich­tigen betroffen sind, sodass aus Gründen der abgabenrechtlichen Verschwiegenheits­pflicht, wie sie im § 48a BAO geregelt ist, keine Auskünfte erteilt werden können.

Zur Frage 3:

Im Fall, dass die in Frage 1 genannte Anzeige eingelangt wäre, würden finanzstraf­rechtliche Untersuchungen von der örtlich und sachlich zuständigen Finanzstrafbehör­de erster Instanz zu führen sein. Handelt es sich um einen Sachverhalt, der den Ver­dacht eines gerichtlich zu ahndenden Finanzvergehens begründet, ist die Ermittlung unter Leitung der Staatsanwaltschaft zu führen. Zur Durchführung der Ermittlungen ei­nes Sachverhalts, der dem in der Anfrage beschriebenen entspricht, wird eine Prüfung durch die Großbetriebsprüfung veranlasst.

Zu den Fragen 4 bis 14:

Das Bundesministerium für Finanzen ist selbst nicht Finanzstrafbehörde und hat daher auch für die Durchführung von entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen keine Kompe­tenz. Eine Weisung in der in Frage 4 beschriebenen Art kann daher nicht ergangen sein.

Zur Frage 19:

Das Anstellen und Bewerten von Hypothesen stellt keinen Gegenstand der Vollziehung durch das Bundesministerium für Finanzen dar.

Zur Frage 21:

Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzlichen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie gemäß § 78 Abs. 1 Strafpro­zessordnung zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft verpflich­tet. Abs. 2 statuiert auch Ausnahmen von dieser Anzeigeverpflichtung.

Das Büro für interne Angelegenheiten im Bundesministerium für Finanzen wurde auf Basis des § 7 Abs. 4 BMG installiert, und dessen organisatorische Eingliederung ist in der Geschäfts- und Personaleinteilung des Bundesministeriums für Finanzen geregelt. Grundsätzlich wird das Büro für interne Angelegenheiten tätig im Auftrag, nämlich im Wege der Amtshilfe, der jeweiligen zuständigen, gegebenenfalls auch obersten Dienst­behörde auf Basis der Bestimmungen des DVG, AVG in Verbindung mit dem BDG so­wie bei der Zusammenarbeit mit den Justizbehörden nach § 76 Strafprozessordnung.


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Dem Büro für interne Angelegenheiten ist eine präventive und repressive Korruptions­bekämpfung für das gesamte Ressort übertragen worden. Im repressiven Bereich ob­liegt dem Büro für interne Angelegenheiten die Prüfung von konkreten Verdachtsfällen dahin gehend, ob Anzeigepflicht nach dem schon vorhin erwähnten § 78 Strafprozess­ordnung besteht. Insbesondere sind hier Amtsdelikte zu erwähnen.

Die Dienstbehörden sind auch angewiesen, entsprechende Beschwerden oder sonst bekannt gewordene Verdachtsfälle im Zusammenhang mit Amtsdelikten dem Büro für interne Angelegenheiten umgehend nach Kenntniserlangen zu melden und gegebe­nenfalls eigene Ermittlungen im Sinne des § 109 BDG 1979 dem Büro für interne An­gelegenheiten zu melden und abzustimmen. Gesetzliche Verpflichtungen von Dienst­vorgesetzten und Dienstbehörden, insbesondere im Sinne der §§ 91 ff des BDG, blei­ben davon unberührt.

Zur Frage 22:

Nach österreichischem und internationalem Steuerrecht sind Einkünfte bei jener Ge­sellschaft zu versteuern, der sie wirtschaftlich zuzurechnen sind. Eine künstliche oder vorgetäuschte Verlagerung von Einkünften auf Gesellschaften zum Beispiel in Off­shore-Destinationen ist steuerlich nicht anzuerkennen und führt gegebenenfalls zur Verwirklichung eines strafbaren Delikts. Dagegen kann einem österreichischen Kon­zern nicht verwehrt werden, Tochtergesellschaften in anderen Staaten zu gründen. Wenn diese tatsächlich Aktivitäten entfalten und wirtschaftlich aktiv sind, sind ihnen auch steuerliche Einkünfte zuzurechnen. In diesem Fall liegt kein strafbares Delikt vor.

Die Abgrenzung zwischen dem einen zulässigen Verhalten und der Verwirklichung ei­nes Straftatbestandes ist im Einzelfall zu prüfen und kann sich als sehr schwierig er­weisen. Eine generelle Aussage über die Häufigkeit der strafbaren künftigen Verschie­bungen von Einkünften aus Offshore-Gesellschaften kann daher nicht getroffen wer­den.

Zur Frage 23:

Nach der Bundesabgabenordnung haben die Abgabenbehörden die abgabenpflichti­gen Fälle zu erforschen und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermit­teln, die für die Abgabenpflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Das Fi­nanzministerium selbst ist nicht operativ tätig, sondern nur die Finanzämter.

Betreffend Einzelfälle kann aus Gründen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungs­pflicht keine Auskunft gegeben werden.

Zur Frage 24:

Die Finanzverwaltung ist berechtigt, insbesondere die Identität des Abgabenpflichtigen und die Klassifizierung seiner Tätigkeit elektronisch zu dokumentieren. Gleichermaßen darf elektronisch erfasst werden, wer aus welchem Grund Beschuldigter in einem Fi­nanzstrafverfahren ist oder war. Die Führung einer Datenbank betreffend Personen oder Firmen, bei denen nur Vermutungen vorliegen, dass sie möglicherweise abgaben­rechtlich nicht unbedenklich sind, wäre schon nach dem Datenschutzgesetz verboten. Daher ist eine derartige Datenbank nicht geführt.

Zudem zeigt sich, dass bei kriminellen Machenschaften Aktion und Reaktion so schnell gesetzt werden – Firmen werden gegründet, abgewickelt, Geschäftsführer berufen und abberufen, Tätigkeiten entfaltet und auch gleich wieder eingestellt –, dass eine Erfas­sung in einer Datenbank keinen Sinn machen würde, weil sie immer erst im Nachhinein erfolgen kann.

Zur Frage 25:

Die Finanzbehörde bekämpft alle strafrechtlich relevanten Aktivitäten ohne Ausnahme der Person des potenziellen Straftäters.


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Zur Frage 26 – und damit auch zum Schluss dieser Anfrage –:

Es ist der österreichischen Steuerpolitik ein großes Anliegen, dass ein ausgewogenes und verursachungsgerechtes, unserer Gesellschaft gerecht werdendes Steuersystem mit entsprechenden Förderungsmaßnahmen gewährleistet wird.

Steuergerechtigkeit spiegelt sich einerseits in der Steuerstruktur wider, andererseits eben auch in einer ausgeglichenen Besteuerung von Haushalten und Unternehmen, in der Rückführung von Transfers in Maßnahmen, die die Abgabenquote zum Beispiel senken, die Verbreiterung von Bemessungsgrundlagen schaffen, und anderen Fragen, die von Tax Compliance-Maßnahmen und dergleichen umfasst sind.

Allerdings zeigt sich – und das sei auch in Beantwortung dieser Frage gesagt – im gesamten Themenbereich Profit Shifting, Steuervermeidung und dergleichen eine in­ternationale Diskussion, die in Österreich geführt wird, die in den Medien geführt wird, die zum Glück auch im Weltwährungsfonds und in der OECD geführt wird, die aufzeigt, dass es zukünftig generell eine Adaptierung des Steuersystems in unserem Land, aber auch eine gemeinsame Adaptierung der internationalen Steuersysteme – Doppelbe­steuerungsabkommen und anderer Abkommen – braucht.

Bei Profit Shifting – so der internationale Fachausdruck für diese Diskussion – geht es um Betriebsanlagen, Fremdkapitalzinsen, Lizenzgebühren und sonstige Dinge, die natürlich auch dazu führen, dass man sehr oft die vorhin schon in der Beantwortung beschriebene Abwägung zwischen gut und nicht gut durchaus auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten verschoben hat. Daher braucht meiner Meinung nach das Steuersystem, unter Beachtung all des vorhin Gesagten, auch in Zukunft eine Adap­tierung, um auf diese Machenschaften reagieren zu können.

Das wäre in aller Kürze der Versuch, Ihre Fragen ausführlich in Ihrem Sinne zu beant­worten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

15.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten beschränkt ist; gegendert gilt das natürlich auch für die Bundesrätinnen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrat Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.47.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Noch-Staatssekretär, danke auch von meiner Seite fürs Kommen, aber eines kann ich Ihnen schon sagen: Die Beantwortung dieser 26 Fragen (Bundesrat Schennach: War souverän! – demonstrativer Beifall bei der SPÖ) war ungefähr so wie bei einem Verein, bei dem der Kassier nicht will, dass die Mitglieder genau wissen, wie viel Geld in der Kassa ist (Staatssekretär Mag. Schieder: Wo haben Sie diese Erfah­rungen her? Ich war noch nie in so einem Verein!): Ich leiere das schnell runter, be­antworte so gut wie gar nichts, und am Ende weiß keiner irgendetwas. – Das hat mich sehr daran erinnert. Ich kenne solche Praktiken, und das war durchaus ähnlich. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

In Wirklichkeit haben wir von Ihnen eigentlich überhaupt keine Antworten bekommen. Ich stelle fest: Das Finanzministerium weiß nichts, kann daher offensichtlich auch nichts und ist für nichts zuständig. Das im Lichte der Debatte um das Budgetloch – auf?, zu?, wie groß?, wie klein? – betrachtet, wundert mich überhaupt nichts mehr.

Das bringt einen schon zum Nachdenken, nicht nur, wenn man Politikerin ist, sondern auch als einfache Staatsbürgerin denkt man sich seinen Teil. Sie wissen nichts, Sie haben keine Ahnung von irgendwas – wieso sollen Sie dann ausgerechnet wissen, wie


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groß das Budgetloch ist oder ob es überhaupt eines gibt? (Staatssekretär Mag. Schie­der: Keine Ahnung von irgendwas, das ist schon ein bisschen !) – Bitte? (Staatsse­kretär Mag. Schieder: „Keine Ahnung von irgendwas“?) Naja, so stellt sich Ihre Beant­wortung dar. (Staatssekretär Mag. Schieder: „Keine Ahnung von irgendwas“ ist schon ein bisschen sehr allgemein, wäre fast beleidigend!) Ihre Beantwortung hat sich genau so dargestellt. Sie sind nicht der Finanzminister, Sie sind – unter Anführungszeichen – „nur“ der Staatssekretär, vielleicht haben Sie auch nicht alle Informationen, die Sie ger­ne hätten, die Ihnen vielleicht auch zustünden. Das ändert aber nichts. Sie sind heute unser Ansprechpartner, und die Antworten, die man Ihnen mit auf den Weg gegeben hat, erwecken den Eindruck, dass das Finanzministerium nichts weiß. Also das betrifft jetzt nicht Sie persönlich, ist auch nicht persönlich gemeint, sondern zeigt das Ministe­rium schon in einem gewissen Licht, und jeder kann sich jetzt seinen Teil dazu denken.

Diese Sache, die mein Kollege Hans-Jörg Jenewein so eindringlich vorgebracht hat, haben auch schon Medien aufgegriffen. Es ist ja nicht so, dass das eine Erfindung der Freiheitlichen ist, dass Kollege Jenewein sich gedacht hat, er wird wieder angelobt und bringt auch gleich ein Geschenk mit – wie er gesagt hat –, sondern das ist eine Sache, die auch die Medien, wenn auch nur in sehr eingeschränkter Form, schon länger be­schäftigt. Es hat das „profil“ zweimal darüber berichtet, es hat die „Kronen Zeitung“ da­rüber berichtet, es hat der „Kurier“ darüber berichtet. Es ist aber nicht so wie sonst. Grasser zum Beispiel ist jeden zweiten Tag in der Zeitung gestanden, immer mit einer gewissen Hysterie verbunden, ohne dass man bis heute tatsächlich weiß, was er wirk­lich gemacht hat, was man beweisen kann, was man nicht beweisen kann, wie der Stand der Dinge ausschaut. Es tauchen immer wieder neue Verdachtsmomente auf, einige werden fallen gelassen, aber das wird schon mit einer großen Dynamik ge­bracht.

Mit diesem Thema haben sich eben ein paar beschäftigt und darüber geschrieben, und dabei kommt immer wieder die Bank Austria vor, gemeinsam auch mit der AVZ. Das war – das haben die Zeitungen damals schon geschrieben – so quasi das Eigentum der Wiener SPÖ. Da war so bei der Zentralsparkasse, dann bei der Stiftung, dann hat man sich ausgemacht, man nimmt den politischen Einfluss heraus, es sind aber trotz­dem im Vorstand wieder SPÖ-Funktionäre gesessen, damit der politische Einfluss natürlich sehr wohl gesichert war. Es tauchen auch immer wieder dieselben Namen auf.

Das „profil“ hat am 17. September dieses Jahres geschrieben: „Die engen Bande zum roten Wien wurden indes nie gelöst. Im Stiftungsvorstand sitzen nach wie vor SP-nahe ehemalige Bank Austria-Manager“ –

also diese typische Verknüpfung, auf Wienerisch sagt man „Verhaberung“ dazu, von Politik und Wirtschaft –

„wie Franz Zwickl und Friedrich Kadrnoska (Ex-BA-General Gerhard Randa“ –

auch eine prominente Persönlichkeit –

„schied 2012 aus) sowie der frühere Wiener Magistratsdirektor Ernst Theimer.“

Also durchaus prominente Mitglieder, die schon geschaut haben  (Bundesrat Mag. Tau­cher: Ist der SPÖler? Ich habe mir gedacht Magistratsbediensteter!) – Ein parteipoli­tisch Unabhängiger? Das wäre mir jetzt aber ganz neu, aber hallo! (Bundesrat Mag. Tau­cher: Wovon reden Sie? Ein Pensionist!)

„profil“ schreibt weiter: „Und das macht die Sache delikat: Die Revisionsberichte legen nahe, dass die AVZ – also de facto die Gemeinde Wien – eine ziemlich unmittelbare Beteiligung an jener Gesellschaft hielten, über die Provisionen aus dem Madoff-Karus­sell gedreht wurden: BA Worldwide Fund Management (BAWFM) mit Sitz im Steuer­paradies British Virgin Islands.“


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Also da haben wir wieder diesen Zusammenschluss.

Häupl hat gesagt, er weiß von nichts. Er ist vom „profil“ um eine Stellungnahme ersucht worden und hat gemeint, er wisse von nichts, sein Name sei Hase. Das ist eine ganz klassische Antwort in der Politik: Ich weiß von nichts! Häupl hat auf die AVZ verwiesen, und die hat natürlich auch nichts gesagt. Am besten war die Erklärung von der Bank Austria. Die hat nämlich gesagt, das sei eine falsche Darstellung dieses Revisionsbe­richtes – aha?! – und sie wisse überhaupt nicht, wie es dazu gekommen ist.

Also das ist schon wirklich erstaunlich. Ein Revisionsbericht wird erstellt – und das war nicht nur einer –, es wird mehrmals darauf hingewiesen, darauf gedrungen, dass es nur ein Gesprächsprotokoll gibt, der Revisionsbericht weist jedes Mal darauf hin, dass darauf geachtet werden soll, dass eine vertragliche Grundlage hergestellt wird. Das hat nie stattgefunden. – Und jetzt sagt man, das ist eine falsche Darstellung der Revisions­berichte, man weiß überhaupt nicht, wie das passieren konnte! Also das sind schon Dinge, worüber man sich nur wundern kann.

Herr Randa ist jetzt im Visier der Justiz. Er wird mittlerweile als Beschuldigter geführt, wobei man auch da fragen kann: Wieso als Beschuldigter? Wieso nicht als Zeuge? Welche Hintergründe hat denn das?

Auf jeden Fall wissen wir ganz sicher, dass nicht nur weltweit, sondern eben auch in Österreich Tausende Anleger geschädigt worden sind.

Es war nicht so, dass selbst diejenigen, die viel Geld verloren haben, gesagt hätten: Naja, wenn wir das gewusst hätten – was ja auch ein Teil des Revisionsberichts war, darauf hinzuweisen –, dass das alles in einer Hand zusammenläuft, nämlich bei Ber­nard Madoff! Nein. Es hat einige Anleger gegeben – das kann man den Klageschriften der US-Akten entnehmen –, die gesagt haben: Das wäre mir wurscht gewesen, dass das bei Madoff zusammenläuft, dass das in einer Hand zusammenläuft, das hätte so­gar gewisse Vorteile. Was sie auch nicht wussten und was ihnen ewig verschwiegen worden ist, ist die Doppelfunktion von Madoff als Dealer und als Broker gleichzeitig. Dazu haben die Leute nämlich gesagt: Na wenn wir das gewusst hätten, hätten wir die­se Papiere natürlich nie gekauft! Das heißt, da ist schon viel an Information einfach nicht getätigt worden.

Was die AVZ anlangt, diese Übernahme in die Stiftung, über die LB, über die Bayern als Zwischenschritt, um dann in der UniCredit zu landen, so haben das meine Kollegen von der FPÖ schon im Jahr 1997 bekrittelt und gesagt, da wird Geld vernichtet. Es wird das Geld der Bürger der Stadt Wien vernichtet, weil von dem ursprünglichen Wert ge­rade einmal 10 Prozent oder 5 Prozent übrig geblieben sind. Herr Rainer Pawkowicz hat schon 1997 eine Dringliche Anfrage im Gemeinderat eingebracht, Herr Wilfried Serles hat 2001 in einer seiner Reden darauf hingewiesen, 2003 hat er noch einmal darauf hingewiesen. – Passiert ist damals auch nichts, weil man sich gedacht hat, das gehört uns, das ist unser Geld. In Wirklichkeit ist das Geld vernichtet.

Unter anderem fragen natürlich auch die Zeitungen nach: Stimmt das so? Wo bleibt der Staatsanwalt? Wie schnell wird bei uns eigentlich ermittelt? Wie schnell kommt man zu einem Ergebnis?

Es gibt einen Staatsanwalt, der sich schon seit sechs Jahren mit dieser Causa be­schäftigt, dem wird jetzt eine junge Kollegin zur Seite gestellt, die aber auch erst wieder eingearbeitet werden muss. Sie sollte zwar eine Entlastung für ihn sein, aber das Ganze wird jetzt noch ein bisschen Länger dauern, sodass man den Eindruck be­kommt, es werden schon Verschleierungstaktiken angewandt, man hofft, das zieht sich so lange, dass es sich irgendwann einmal totgelaufen hat, dass auch die Medien das Interesse daran verlieren und sagen: Jetzt ist es genug! Das kennen wir alle: Wenn man mit einer Geschichte immer wieder kommt, dann verlieren auch die Journalisten, selbst die interessiertesten, irgendwann die Lust daran und sagen: Jetzt reicht’s! Diese


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Gefahr war auch im Falle des Finanzskandals in Salzburg und so weiter gegeben. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Taucher.)

Wenn man sich heute das „News“ anschaut: wieder die Bank Austria, in dem Fall die UniCredit, wieder ist sie mit an Bord als Bad Bank – schreibt „News“, das habe nicht ich kreiert. Es geht darum, wie den Kunden Spesen verrechnet worden sind, die sie ei­gentlich gar nicht hätten verrechnen dürfen. Es sind aber nicht nur private Leute dabei, sondern auch das Land Salzburg mit dem Finanzskandal, Niederösterreich, Burgen­land, Wien Holding, Stadthalle, die Landeshauptstädte Graz, Bregenz, St. Pölten, Salz­burg, Klagenfurt, und wieder einmal Wien. Millionen über Millionen sind verrechnet worden, und die Kunden hätten eigentlich darauf aufmerksam gemacht werden müs­sen, dass sie Spesen zu zahlen haben.

Genau so war es bei der Madoff-Geschichte und Frau Sonja Kohn. Es sind überbor­dende Provisionszahlungen geflossen, und Frau Kohn hat gesagt, sie kann sich gar nicht mehr daran erinnern, wie viel das wirklich war, das ist über ein paar Jahre ge­gangen. Außerdem hat sie eine große Familie – sie hat, glaube ich, fünf Kinder und 25 Enkelkinder –, da braucht man schon viel Geld, da kann man schon einmal den Überblick verlieren. – So läuft dieses System.

Warum machen wir das so ausführlich? – Wie mein Kollege Jenewein schon gesagt hat: um zu verstehen, wie dieses System überhaupt gelaufen ist.

Wir sind jetzt bei einer Abgabenschuld von 7 Millionen – okay, 7 Millionen sind jetzt nicht die Wahnsinnswelt, aber bei dem, was uns fehlt, kann man eigentlich jeden Cent brauchen; zumindest angesichts dessen, was kolportiert worden ist –, aber das ist offensichtlich von mäßigem Interesse. Herr Kollege Füller findet das amüsant. Okay, das ist sein gutes Recht. (Bundesrat Füller: Nein, überhaupt nicht! Interessant zuzu­hören!) Ich kann daran eigentlich nichts Lustiges mehr finden, ich kann es auch nicht amüsant finden, und ich glaube, ich habe eine ganz ordentliche Portion Humor.

Der kleine Steuerhinterzieher oder der, der vergessen hat, in seiner Abgabenerklärung irgendetwas anzugeben, hat sofort mit einer Strafe zu rechnen, da sind die Finanz­ämter nämlich sehr fix, das kann Ihnen jeder Bürger dieses Landes, der schon einmal davon betroffen war, sagen. Wenn es aber um große Summen geht und wenn die Poli­tik und der Politik nahestehende große Unternehmen betroffen sind, dann ist das alles plötzlich nicht mehr so dringlich, da wird nicht mehr so genau untersucht – es sei denn, man hat eine Farbe, die nicht genehm ist; dann schaut das auch wieder ein bisschen anders aus.

Also das sind schon Dinge, wo wir uns nicht zu wundern brauchen, wenn dann eine dieser Agenturen, die unser Kreditranking beurteilen, daherkommt und sagt: Österreich ist ein korruptes Land, das müssen wir jetzt ein bisschen hinunterstufen.

Wir haben zwar jetzt ein Antikorruptionsgesetz, aber das zeigt, dass wir da noch lange nicht am Ende angelangt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

16.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Kneifel zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.01.08

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine sehr ge­schätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wir behandeln jetzt eine Dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei zu einem Fall, der seit Längerem die nationalen und internationalen Medien beschäftigt; das wurde be­reits gesagt. Es geht um einen höheren Milliardenbetrag, von 1,7 Milliarden € ist die Rede. Es wurde Herr Bernard Madoff genannt, es wurde von einem großen finanzpoli­tischen Skandal und anderem Mehr gesprochen.


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Aufgrund der geltenden Bestimmungen unserer Verfassung hat Staatssekretär Schie­der die Frage beantwortet, soweit dies möglich war und soweit dies unseren gesetzli­chen Bestimmungen, der Bundesabgabenordnung oder der Bundesverfassung, ent­spricht. Ich glaube, dass das nicht heißt, dass er von dem nichts versteht oder nichts weiß, sondern er hat das getan, was im Rahmen unserer Verfassung möglich ist. Da­her ist das für mich eine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage. Er hat betont, dass keine Weisungen erteilt wurden. Er hat gesagt, wenn Verfehlungen vorliegen, dann werden die Finanzstrafbehörden diese selbstverständlich ahnden, so wie das bei jedem einzelnen Staatsbürger, der sich gegenüber der Allgemeinheit und gegenüber der Finanzbehörde fehlerhaft benimmt, auch entsprechend geahndet wird.

Unsere Exekutive hat, wie ich glaube, alle Maßnahmen gesetzt, um diesen Dingen nachzugehen, und alle Pflichten wahrgenommen. Ich möchte es damit aber nicht abtun. Das Thema, das heute angeschnitten wurde, ist sicher ein wichtiges, ich glaube, das ist ein Thema, das nicht nur Österreich, nicht nur unsere Republik betrifft, sondern die Finanzmärkte agieren weltweit, und wir wissen, dass es in diesem Bereich enorme Verfehlungen gibt.

Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege, dass die internationalen Finanzmärkte drauf und dran sind, auch die Regeln zu bestimmen – die Regeln, die eigentlich hoheitlich fest­gelegt werden müssten! Es geht nicht an, dass ein Akteur auf dem Finanzmarkt sagt, wie lang ein Meter ist und wie schwer ein Kilo ist. Diese Rahmenbedingungen hat frü­her beziehungsweise bisher immer noch die Hoheitsverwaltung, also der Staat, fest­gelegt (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und FPÖ): was ein Kilo ist, wie schwer ein Kilo ist, wie lang ein Meter ist. Da müssen wir uns alle am Riemen reißen.

Das soll nicht ein Appell an die Finanzpolitiker sein, sondern da sind die Parlamente Europas und die Parlamente der Welt gefordert, um diesen Tendenzen entgegenzutre­ten (Zwischenruf des Bundesrates Herbert), denn es geht darum, dass der Arm der nationalen Politik, die nationalen Politiken, die Hebel der nationalen Politiken nicht mehr greifen, um diese Verfehlungen, die weltweit geschehen, in die Schranken zu weisen. Das ist unser Problem! (Bundesrat Dönmez:  Goldman Sachs in der Politik sind, und da es zu einer Verfehlung kommt !) – Ich glaube, du bist noch gemeldet und kannst diese Sache dann entsprechend erläutern.

Wir sind natürlich eine Gesellschaft von Menschen, und wo Menschen miteinander agieren, dort menschelt es. Und wenn es um größere Summen geht, dann wird das zu einer internationalen Gefahr; nicht nur zu einer nationalen Gefahr, das wird zu einer internationalen Gefahr. Ich versuche, das noch näher zu erläutern.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir brauchen nicht nur europäische, son­dern endlich auch globale Regeln und Rahmenbedingungen für die Adaptierung der Fi­nanzmärkte und der Steuersysteme – der Steuersysteme der Länder untereinander. Das ist höchst notwendig! (Beifall der Bundesräte Dönmez und Mag. Zelina.)

Es ist ja nicht nur eine Bank, die in Verdacht gerät, es sind ja mehrere Banken – Sie brauchen nur internationale Zeitungen oder auch gute österreichische Qualitätszeitun­gen zu lesen –: Erst vor wenigen Tagen wurde über die Société Générale, die Deut­sche Bank, HSBC und viele andere Banken auf unserem Kontinent, die natürlich auch in Österreich agieren, von der Europäischen Union eine Strafe von 1,7 Milliarden € ver­hängt, weil sie sich abgesprochen haben.

Weil nächstes Jahr wieder Europawahlen anstehen, sei mir folgender Sidestep ge­stattet: Wer hätte geglaubt, dass diesen Banken einmal jemand gerecht wird und dass jemand diese Banken in die Schranken weist? Das hätten wir doch als Republik Ös­terreich, als Nationalstaat nie gekonnt. Jetzt ist ihnen die Rechnung präsentiert worden (Zwischenrufe der Bundesräte Michalke und Herbert): 1,7 Milliarden € Strafe, weil sie sich danebenbenommen haben. Und das ist auch anzumerken bei einer derartigen De-


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batte: dass sehr wohl auch von der Politik etwas getan wird, aber das europäische Netzwerk ist noch zu gering, wenn man es mit internationalen Spekulanten und inter­nationalen Verbrechern zu tun hat!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man fragt sich schon bei diesen Verstößen, um die es da geht – und das ist eine sehr ernste Frage; das ist nicht zum Lachen, das ist ein ernstes Thema, bei dem wir wirklich gefordert sind –: Wo sind eigentlich die be­triebsinternen Kontrollen dieser Finanzinstitute? Wo ist da eigentlich der Mangel? Ist der Markt falsch reguliert? – Schön langsam kann man das fast annehmen! (Bundes­rätin Michalke: Finanzmarkt !)

Es ist, alles zusammengenommen, eine ernsthafte Situation, und ich glaube, es ist richtig, dass diese Debatte auch in einem Haus wie heute hier im österreichischen Par­lament geführt wird. Dieses Thema wird uns noch länger begleiten. Es geht nämlich nicht nur um die Finanzmärkte, meine sehr geschätzten Damen und Herren, es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Grundlage unseres Wirtschaftssystems.

Man darf sich nicht wundern, wenn Bürgerinnen und Bürger in dieser Republik schön langsam Zweifel an der sozialen Marktwirtschaft bekommen, wenn diese Machen­schaften nicht endlich abgestellt werden. Da darf man sich nicht wundern. Es geht da­her nicht nur um den Fortbestand der sozialen Marktwirtschaft, sondern es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Überleben unseres Systems und der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Nehmen wir die heutige Debatte nicht leicht! Man kann sagen, da gehe es um eine Wiener Angelegenheit und so weiter, aber das ist, glaube ich, zu kurz gegriffen. Ich glaube, wir müssen sehr dahinter sein, dass wir angesichts dieser internationalen Netzwerke – es sind keine österreichischen, keine nationalen Netzwerke – entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, die nur interna­tional verankert sein können – nicht nur europäisch, international! –, und damit Speku­lanten – gleich, welcher Art; ob bei einer österreichischen, italienischen, deutschen, französischen oder einer anderen europäischen Bank – endlich in die Schranken wei­sen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

16.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.10.43

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein wenig möchte ich schon auf meine Vorredner eingehen. Hier wurde von den Stiftungen gesprochen, was man alles mit Stiftungen anstellen kann, wie man Steuern hinterziehen kann – oder auch einer alten Frau in Wien das letzte Geld aus der Tasche nehmen, wie es im „profil“ vom 14. Juni 2013 steht: „Oberlandesgericht Wien gibt Stifterin Gertrud Meschar Recht.“(Bundesrat Herbert: Themenverfehlung!)

Gertrud Meschar hatte allein durch den Verkauf der Stiftung einen Schaden von 360 000 € (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein), und ein ehemaliger Präsident des Nationalrates wurde verurteilt. (Bundesrat Jenewein: Nein, falsch! Falsch, falsch! Nein, nicht verurteilt! Da kriegen Sie sofort eine tatsächliche Berichtigung!) – Ich zitiere nur „profil“. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Jenewein. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Dann möchte ich noch auf etwas anderes eingehen, liebe Kollegen von der FPÖ: Ha­ben Sie die Hypo Alpe-Adria vergessen? (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Wie viele Schiffe da versenkt worden sind? Wir haben heute noch Garantien und Haftungen dafür zu übernehmen (Zwischenruf des Bundesrates


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Schennach – Bundesrat Jenewein:  beschlossen, Herr Kollege? War da die SPÖ dabei?), und die Finanzministerin und der Staatssekretär haben heute noch Vorschlä­ge zu unterbreiten. (Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.) Dies an alle Bad Banks: Es wäre nicht notwendig gewesen.

Wie viele Yachten liegen auf dem Grund des Mittelmeeres, oder wie viele Hotelanlagen wurden nicht fertiggebaut, wie viele Ruinen gibt es in Kroatien und Slowenien? (Bun­desrat Jenewein:  SPÖ zugestimmt?) Was ist da angestellt worden, und wer hat da verdient? Wo ist das Geld geblieben, das virtuelle Geld? (Zwischenruf bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Stadler. – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Dann ist er be­leidigt!)

„Die Presse“ vom 23. August 2013 zu KHG, wie Sie ihn so schön genannt haben: „Grasser selbst bezeichnet sich als ‚steuerlich so ungebildet‘ und schiebt die ganze Schuld auf seinen Steuerberater Peter Haunold“. (Bundesrat Jenewein: Das ist aber trotzdem eine Themenverfehlung!) Ein Finanzminister, der von sich behauptet hat, er sei einer der besten Finanzminister in Europa (Ruf bei der SPÖ: Der Welt!), sagt zur „Presse“, er sei steuerlich ungebildet, und weist jede Schuld von sich.

Geschätzte Damen und Herren! Sind Sie von den Freiheitlichen wirklich so vergesslich, sind Sie wirklich so vergesslich? (Ruf bei der FPÖ: Ist er es, oder nicht? Sagen Sie ja oder nein! Ja oder nein, es ist ganz einfach! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich glaube, dieses Thema, das wir heute hier im Bundesrat diskutieren und zu dem Sie eine Dringliche Anfrage gemacht haben, wurde vorige Woche im Rahmen der Budget­debatte im Wiener Gemeinderat debattiert.

Haben Sie die Debatte von voriger Woche vergessen, oder müssen Sie das wieder neu aufwärmen? (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) Das wurde schon disku­tiert. (Bundesrat Schennach:  nicht ganz verstanden worden!) – Ach so, nicht ganz verstanden, das kann auch sein! Oder haben Sie dort nicht schon genügend Antworten erhalten? (Ruf bei der FPÖ: Sehr schwach! Sehr schwach!)

Kollege Kneifel! Du bist am Ende deines Beitrages auf die soziale Marktwirtschaft ein­gegangen. Wir stehen zu dieser sozialen Marktwirtschaft, aber das sind nicht die Fol­gen der sozialen Marktwirtschaft. Was wir jetzt ertragen müssen, das sind die Folgen des Neoliberalismus, den wir hier hinnehmen mussten, denn: Geld verdienen!, war das Motto, und: Das Geld arbeitet von selber! Die Arbeitskraft war nichts mehr wert, son­dern nur: anlegen, und die Gewinne werden schon kommen!

Geschätzte Damen und Herren, wenn so weitergemacht wird, dann ist es wirklich not­wendig, dass wir strengere Maßnahmen setzen. Die Dringliche, die wir heute hier be­handeln, müssen wir punktgenau auf das Thema behandeln: die Sicherung von Steu­ereinnahmen der öffentlichen Hand, um die staatlichen Aufgaben finanzieren zu kön­nen. Und da sind die Folgen, die wir tragen müssen, weltweit spürbar.

Die Wirtschaftskrise, wer hat sie verursacht? – Natürlich die Anleger, das Schneeball­system, die ganze Immobilienkrise, die Bewertung der Immobilien weltweit, insbeson­dere in Amerika! Und wenn einer der Hauptverursacher zu 150 Jahren Gefängnis ver­urteilt wurde, dann können wir sagen, da müssen noch viele Enkelkinder im Gefängnis für das haften, was Madoff da angerichtet hat.

Geschätzte Damen und Herren! Steuerbetrüger halten sich nicht an bestehende Ge­setze. Wir können Gesetze machen, so viele wir wollen, Steuerbetrüger beabsichtigen, die Steuer zu hinterziehen. Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Steuerbetrug muss sehr streng bestraft werden. Steuerbetrug muss geahndet werden, denn alle Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen pünktlich ihre Steuern, alle Betriebe, alle Un­ternehmungen, Pensionistinnen und Pensionisten bezahlen ihre Steuern pünktlich; Mo­nat für Monat werden sie vorweg schon abgezogen. Gerade deshalb ist es wichtig,


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dass die Bundesregierung im Rahmen der Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 die Strafen erhöht und die Verfahren beschleunigt hat.

Finanzpolizeiliche Befugnisse ermöglichen seit damals auch einen effizienteren Voll­zug, es kam zu einem Ausbau der Steuerprüfer, und wir wissen auch, dass bei den Fi­nanzämtern das Personal auf einmal aufgestockt wurde. Ehemalige Mitarbeiter – ich kenne einige – des Bundesheeres haben gewechselt, sind zur Finanz gegangen und werden dort insbesondere bei der Betriebsprüfung eingesetzt. Die Großbetriebsprü­fung, geschätzte Damen und Herren, muss vorangetrieben werden, denn angesichts der Internationalisierung bei den Großkonzernen ist es wirklich wichtig, dass eine Kon­trolle und eine Kooperation über die Grenzen hinweg möglich ist.

Daher hat Österreich seit 2009 konsequent an den Regeln des Informationsaustau­sches in Steuersachen gearbeitet und den OECD-Standard in das österreichische DBA-Netzwerk übernommen. Aber, geschätzte Damen und Herren bei den Freiheitli­chen, jedes Mal in den letzten Jahren, wenn wir hier Doppelbesteuerungsabkommen zu beschließen hatten, waren die Freiheitlichen dagegen. (Staatssekretär Mag. Schie­der: Guter Hinweis! – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das hat gewisse Gründe ! – Bun­desrat Jenewein: Sie verstehen es halt nicht!)

Ja, ich kann auch erklären, was ein Doppelbesteuerungsabkommen ist, lieber Kollege. Jedes Doppelbesteuerungsabkommen ist für sich ein eigener Staatsvertrag, bilateral zwischen den Staaten. Und jedes Abkommen ist anders und kann natürlich davon ab­weichen; es ist nicht das eine dem anderen gleichzusetzen. „Doppelt besteuern“ heißt also, dass man die Erträge in einem Staat versteuert. Es gibt auch die Möglichkeit, wie es in einigen Abkommen drinsteht, dass, wenn in einem Staat niedriger versteuert wird, der Rest dann in dem Staat versteuert wird, in dem der Firmensitz ist.

Aber es ist wahrscheinlich zu kompliziert, denn Sie waren immer dagegen bei diesem Doppelbesteuerungsabkommen. (Staatssekretär Mag. Schieder: Jahrelang haben wir es probiert! Zwischenruf bei der FPÖ.) Das ist aber notwendig, um diesen Steuer­schlupflöchern wirklich Einhalt zu gebieten, und es hat sich da sehr wesentlich etwas verbessert. Sie wissen auch, wie viele Doppelbesteuerungsabkommen wir hier ermög­licht haben.

Aber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, trotz aller Abkommen, die wir hier be­schließen, ist es möglich, diese Regeln zu umgehen, Schwarzgeld in Steuersümpfen zu verstecken. Aktuelle Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene streben daher weitere Verbesserungen an, und eine der Verbesserungen ist das FATCA-Abkommen, der Foreign Account Tax Compliance Act, das seit 2010 in Kraft ist. Das heißt, dass international, also insbesondere mit den Vereinigten Staaten, ver­hindert wird, dass steuerpflichtiges Geld in ausländische Steueroasen geschafft wird. Dieses Abkommen wurde schon von sehr vielen Banken unterzeichnet und auch von sehr vielen Staaten.

Geschätzte Damen und Herren, unser Herr Staatssekretär hat schon das Profit-Shifting erwähnt, das bezieht sich auf das Risiko der Steuereinnahmen, die Steuersouveränität und Steuerfairness, eine Reduktion der Steuerbemessungsgrundlage. Und diese Re­duktion der nationalen Steuerbemessungsgrundlage kann auf unterschiedliche Art er­folgen, am häufigsten mit dem sogenannten Profit-Shifting, der Verschiebung von Ge­winnen. Die Gewinne werden in jene Länder verschoben, wo keine oder sehr geringe Steuern anfallen.

Geschätzte Damen und Herren, es ist für uns ganz wichtig, dass internationale Kon­zerne ihre Milliardengewinne versteuern. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Pen­sionistinnen und Pensionisten und die kleinen und mittleren Unternehmen, die brav im Inland die Steuern zahlen, sogenannte Steuerpatrioten, und im Gegensatz dazu ein in-


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ternationaler Konzern, der sich seine Körperschaftssteuer runterrechnet, also das ver­zerrt den Wettbewerb in der Marktwirtschaft und schädigt damit alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Auf EU-Ebene werden derzeit Initiativen gesetzt, wie die sogenannte Mutter-Tochter-Richtlinie, dahingehend evaluiert, und es muss sichergestellt sein, dass die Staaten, in denen die Wertschöpfung passiert, auch die Steuereinnahmen erhalten, denn schließlich stellen ja jene Betriebe und Staaten die Infrastruktur für jene Betriebe zur Verfügung, die die Gewinne dort erwirtschaften.

Geschätzte Damen und Herren, es muss uns gelingen, Steuersümpfe auszutrocknen, gerechte Steuerleistungen auf Milliardengewinne zu bekommen, um Steuern für alle zu senken, eine gleichmäßige, effektive Besteuerung von Arbeit und Kapital zu bewirken! Da geht es vor allem um Steuergerechtigkeit im Interesse aller Steuerpatrioten, die in Österreich ihre Steuern bezahlen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kneifel.)

16.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


16.25.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich gebe zu, ich war, als ich die Dringliche Anfrage heute in der Früh gelesen habe, schon ein bisschen verwirrt, und ich bin es jetzt nach dieser Debatte noch mehr, ehrlich ge­sagt.

Also auf der einen Seite, Herr Kollege Lindinger, bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich schätze Sie sehr, wie Sie wissen, aber ich bin jetzt von Ihrer Rede schon sehr ent­täuscht, denn wenn wir hier eine hochqualitative Debatte führen wollen über Steuer­hinterziehung, über Bankensysteme, darüber, wie Gelder irgendwohin geschleust werden, verschwinden, dann finde ich – und auch ich habe einmal vorhin die Hy­po Alpe-Adria in einem Zwischenruf erwähnt – es trotzdem nicht sehr zielführend, wenn wir hier parteipolitisches Kleingeld machen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich verstehe es, es ist naheliegend, mir ist es ja auch passiert, dass ich gleich einmal „Hypo Alpe-Adria“ geschrien habe, aber ich weiß nicht, ob uns das jetzt wirklich hilft, denn ich glaube, wir müssen bei diesen Punkten, die uns so wichtig sind, einmal eher zusammenhalten und sagen, da ist jetzt so viel schief gerannt. (Zwischenruf des Bun­desrates Lindinger.) Zu Recht müssen wir einzelne Politikerinnen und Politiker, auch die, die immer noch aktiv sind, kritisieren und verantwortlich machen, denn schlussend­lich sind wir hier die Legislative, und wir müssen ja kontrollieren, wer die politische Ver­antwortung hat – wobei ich beim zweiten Problem bin.

Als ich heute diese Dringliche Anfrage des Herrn Kollegen Jenewein gelesen habe – Herr Kollege Jenewein, es ist ganz offensichtlich, dass Sie sich sehr intensiv in dieses Thema hineingegraben haben –, war ich überfordert, denn ich bin nicht Judikative. Ich bin nicht hier, um dann eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft zu ma­chen. Ich habe es mit hoher Aufmerksamkeit und hohem Interesse gelesen, aber ich habe mir gedacht, wie äußere ich mich jetzt hier dazu als jemand, der über die poli­tische Zuständigkeit diskutieren kann, aber nicht Staatsanwalt ist, nicht Richter ist und schon gar nicht hier Judikative spielen will.

Und wenn mir etwas wichtig ist, dann ist es die strikte Trennung, die wir in der Demo­kratie zum Glück haben, nämlich eine unabhängige Judikative – darüber können wir eh diskutieren, ob es die gibt –, eine Legislative und eine Exekutive. Jetzt sind wir natür­lich in so einer Übergangsphase, dass der Herr Staatssekretär, der da sitzt, jetzt ge­rade Exekutive und Legislative ist. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Darüber könnten wir jetzt auch diskutieren, ob wir da nicht eine andere Lösung finden könnten, dass so etwas nicht möglich ist. Aber ich verstehe eh, warum das so ist, und


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ich kann das auch nachvollziehen, und wir wissen alle, dass es vorübergehend ist, aber demokratisch sauber ist es nicht. Seien wir uns ehrlich! Und da muss man auch darüber nachdenken, ob man das in dieser Form so machen will.

Deswegen war ich so überrascht, auch über Ihre Rede, Herr Kollege Jenewein, denn Sie haben dann ja auch versucht, aus diesem System, das da aufgebaut wurde, aus diesem Pyramidensystem der Banken politisches Kleingeld zu machen, und haben dann Fragen gestellt  (Bundesrat Jenewein: Nein! Das war Großgeld!) Sagen wir einmal so: Hätte ich so wie Sie recherchiert, hätte ich ganz andere Fragen gestellt. Ent­weder ich hätte die Justizministerin hergebeten und wir hätten darüber diskutiert, mit welchem Personal die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heutzutage aus­gestattet ist und ob die diesen internationalen Systemen überhaupt noch Herr werden kann mit einem so niedrigen Personalstand. Wir reden immer von Verwaltungsreform, was wir alles einsparen sollen. Könnten wir nicht vielleicht einmal sagen, investieren wir da hinein?! – Denn die großen Konzerne werden immer mehr JuristInnen, immer mehr Menschen haben, die schauen, wo es Schlupflöcher gibt, wo dann solche Kon­strukte entstehen.

Eines dieser Konstrukte ist ja sehr bekannt, das war ja auch viel in den Medien: „Double Irish With a Dutch Sandwich“. Das erlauben wir innerhalb der EU! Da macht man eine Firma in Irland und eine Firma in den Niederlanden. Wenn man von Irland Geld in eine Offshore-Firma legen würde, müsste man Steuer zahlen. Geht es zuerst in die Niederlande und dann in eine Offshore, nicht. Und solche Konstrukte gibt es eben, und von dem lebt Apple gut, von dem lebt Microsoft gut, von dem lebt Amazon gut – übrigens auch eine gute Gelegenheit, vielleicht die Bücher doch wieder im Buchge­schäft ums Eck zu kaufen, denn die Steuergelder landen in Österreich, und damit wer­den Schulen, Straßen oder sonst irgendetwas finanziert. (Bundesrat Kneifel: Über 1 Milliarde Mehrwertsteuer entgehen uns durch den Onlinehandel!) – Ich komme noch dazu.

Deswegen hätte ich andererseits die Finanzministerin – in dem Fall den Herrn Finanz­staatssekretär – gefragt: Wie verhindert diese Bundesregierung hierzulande und im eu­ropäischen Kontext Steuerhinterziehung? Das ist doch die eigentliche Frage, die sich jetzt daraus ergibt. Es geht da um Steuerhinterziehung, und Steuerhinterziehung ist schon etwas. Der Herr Kneifel hat ja heute eine, wie ich fand, sehr angenehme und richtige Rede gehalten. Aber nichtsdestotrotz, wenn wir über das Thema Steuerhinter­ziehung sprechen, dann müssen wir natürlich auch Kritik äußern an der noch amtie­renden Finanzministerin Fekter.

Die Organisation Tax Justice Network hat vor Kurzem eine Publikation herausge­bracht, die nennt sich „The Price of Offshore“, und hat die Steuergelder des Jahres 2012 errechnet. Insgesamt haben sich in den Steueroasen auf dieser Welt – das ist eine unvorstellbare Summe, das hat sich in all den Jahren angehäuft  25 000 Milliarden oder 25 Billionen Dollar, also das sind viele Nullen, nicht mehr vorstellbar in Wahrheit, angesammelt.

Den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entgehen jährlich 1 Billion € Steuern, un­ter anderem aufgrund dieser Konstrukte, die auch wir innerhalb der Europäischen Union – in Klammern: noch – erlauben. Und der Steuerkommissar Algirdas Šemeta hat vollkommen zu Recht gesagt:

„Das ist ein skandalöser Verlust an dringend benötigten öffentlichen Einnahmen, den wir uns gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten nicht leisten können.“

Klar, wenn die Steuerzahler für Bankenpleiten aufkommen müssen, die Steuerquote deswegen auch nicht gesenkt werden kann wie jetzt, obwohl es versprochen worden ist vor der Wahl, dann haben wir ein Problem. Aber das Problem hat Österreich vor


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allem innereuropäisch und international, weil Österreich nicht als Vorreiter gilt, nicht als Land gilt, das aktiv die Steuerhinterziehung bekämpfen möchte, sondern ganz im Ge­genteil: Im internationalen Kontext gilt Österreich als Hauptblockierer, um Steuerhinter­ziehung international effektiv bekämpfen zu können.

Ich zitiere zum Beispiel einige Zeitungen. Die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb am 15. April 2013: „Maria Fekter isoliert Österreich im Kampf gegen Steuerflucht.“

„Frankfurter Rundschau“: „Natürlich geht es ihr um den Bankplatz Österreich.“

„Österreich stellt sich weiterhin quer“, titelt das „Handelsblatt“.

Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt unter dem Titel: „Vor den Wahlen, nach den Wah­len“ – am 15. April 2013! –: „Österreichs Finanzministerin Maria Fekter wiederum muss für das Bankgeheimnis kämpfen, weil andernfalls ihre Landsleute um ihre Pfründe fürch­ten  und ihre Stimme anderweitig vergeben.“

„Die Zeit“ schreibt über Österreich als Europas letzte Steuerbastion und kritisiert vor al­lem eines, und zwar vollkommen zu Recht: „Die letzte Propaganda: Omas Sparbuch.“

Das war überhaupt eine der, finde ich, skandalösesten Geschichten in dieser Republik, in diesem Wahlkampf: Wenn wir über Steuerflucht und Steuerhinterziehung sprachen, wurde dieses vollkommen populistische Argument vom Bankgeheimnis und dem Sparbüchel der Oma verwendet  worum es niemals gegangen ist. Das halte ich für wirklich skandalös, das ist der Populismus, der unerträglich ist und gleichzeitig, und das finde ich das Dramatische daran, Österreich wirklich zum internationalen Gespött macht.

Es gibt Wege, wie wir Steueroasen  sie werden immer Tricks finden, das ist ja das Problem –, soweit es halt geht, trocken legen können. Da wäre schon eine Reihe an Möglichkeiten gegeben, und zwar unter anderem der automatische Datenaustausch, der international vorgesehen ist und den Österreich blockiert hat. Das war Maria Fekter, die sich da quergestellt hat, sogar Luxemburg hat nachgegeben. Österreich: A bissel, aber ja nicht alles, denn dann kommt Omas Sparbüchel! – Und die Freiheitliche Partei, die in ihrer Dringlichen Anfrage die Steuerhinterziehung aus diesem Konstrukt kritisiert, ist auch dagegen. Das ist aber wirklich ein Paradoxon, da solltet ihr euch eure eigene Position noch einmal wirklich dringend überlegen.

Die Zinsenrichtlinie wird von Österreich blockiert, und die Betrugsbekämpfungsabkom­men mit Drittstaaten, die von der Europäischen Union angestrebt werden, wurden von Österreich insofern torpediert, als man direkt bilaterale Abkommen zum Beispiel mit der Schweiz und mit Liechtenstein gemacht hat  statt zu ermöglichen, dass es eine gesamteuropäische Lösung ein für alle Mal gibt. Auch da wird blockiert, verhindert und damit ermöglicht, dass Steuern hinterzogen werden. Das ist Fakt, und das gehört be­kämpft, deswegen hat Österreich auch eine neue Finanzpolitik verdient, wie ich finde. Und wir sollten auch ein bisschen ehrlicher und offener damit umgehen und nicht mit diesen populistischen und wirklich letztklassigen Sparbüchel-Argumenten agieren!

Es gibt viele Leute in unserem Land, die verdammt viel Steuern zahlen und ehrliche Steuern zahlen: die kleinen Unternehmer, Unternehmerinnen. Wir wissen, wir reden immer über die hohen Lohnnebenkosten in diesem Land, über die hohen Steuern, die wir zahlen, und wir haben derzeit offensichtlich keine Möglichkeit, in diesem Land offen und ehrlich und frei über Vermögenssteuern zu diskutieren, ohne dass es zu einer Glaubensfrage stilisiert wird. Offensichtlich können wir nicht frei, offen und ehrlich über Grundsteuern, über Erbschaftssteuern diskutieren. Das ist ein Riesenproblem.

Starten wir neu!, das wäre ja die Idee. Sie, Herr Staatssekretär Schieder, werden es jetzt nicht mehr sein, das ist mir bewusst, aber Sie werden als Klubobmann da auch eine Rolle spielen können. Seien wir ehrlich, Österreich ist kein Vorzeigeland, wenn es


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um die Verhinderung von Steuerhinterziehung geht! Ändern wir das gemeinsam! Das wäre es. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.36.08

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Herr Bundesrat Lindinger hat behauptet, dass der ehemalige Dritte Nationalrats­präsident Martin Graf strafrechtlich verurteilt wurde.

Ich berichtige tatsächlich: Martin Graf wurde niemals strafrechtlich verurteilt!

Das war’s im Prinzip auch schon.

16.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur in Ergän­zung zu der tatsächlichen Berichtigung: Ich denke, auch wenn wir hier alle im Schutze der Immunität alles sagen können, was wir uns denken, aber dort, wo es dahin geht, dass man jemandem etwas Strafrechtliches zuordnet, sollten wir alle miteinander vor­sichtig sein! Ich weiß, wovon ich rede. (Heiterkeit.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

16.37.17Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung die Anfrage 2958/J eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg er­folgen.

Falls der Nationalrat am 17. Dezember 2013 eine Sitzung mit für den Bundesrat rele­vanten Beschlüssen beziehungsweise mit einer Vorstellung der neuen Bundesregie­rung abhält, ist auch für uns, für den Bundesrat, ein Sitzungstermin für den 19. Dezem­ber 2013, 13 Uhr, in Aussicht genommen.

In diesem Fall werden die Ausschussvorbereitungen ebenfalls am Donnerstag, den 19. Dezember 2013, ab 11 Uhr stattfinden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

 

16.38.08Schluss der Sitzung: 16.38 Uhr

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