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828. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 10. April 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

828. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 10. April 2014

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. April 2014: 9.01 – 20.55 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2014; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres an das österreichische Parlament

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­siche­rungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundes­ge­setz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Apothekengesetz, das Medizin­produktegesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychotherapie­gesetz, das EWR-Psychologengesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Psycho­logengesetz 2013, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (EU-Patientenmobilitätsgesetz – EU-PMG)

5. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 und des Programms des Rates (Griechenland)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird

8. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­ge­richts­hofes für das Jahr 2012

9. Punkt: Bericht an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­munikation­mission für 2014 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2013/14 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG


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10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Handwerkerleistungen beschlossen wird

11. Punkt: EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz und das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

13. Punkt: Jahresbericht 2014 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2014 und des Achtzehn­monats­programms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes sowie des griechischen Arbeitsprogramms

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (26. StVO-Novelle)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das SP-V-Gesetz geändert wird (SP-V-Gesetz-Novelle 2014)

17. Punkt: Jahresbericht 2012 der Schienen-Control GmbH

18. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates

*****

Inhalt

Bundesrat

Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland Hans Niessl gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Starke Regionen – Unsere Zukunft“ – Bekanntgabe ..................................................... 12

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäftsord­nung                   12

Landeshauptmann Hans Niessl ................................................................................. 12

Debatte:

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 19

Walter Temmel ........................................................................................................ ..... 21

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 22

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 25

Landeshauptmann Hans Niessl ............................................................................ ..... 28

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerrat von Bosnien und Herzegowina über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsi­denten                             50

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik


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Österreich und Australien über Soziale Sicherheit durch den Herrn Bun­des­präsidenten ......................................................................................................................................... 53

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen der Diplomatischen Konferenz der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zur Änderung des Abkommens über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 56

Antrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 195/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 15. Mai 2014 zu setzen – Ablehnung ......................  62, 204

Antrag auf Durchführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR – Ab­lehnung  62, 62

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Aktuelle Stunde (25.)

Thema: „Die aktuelle Lage in der Ukraine“ ............................................................. 29

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 30

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ..... 31

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 33

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 35

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ..... 38

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 41

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ..... 43

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 45

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 46

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Enthebung der Bundesministerin ohne Portefeuille MMag. Dr. Sophie Karmasin vom Amt sowie gleichzeitige Ernennung von Frau MMag. Dr. Sophie Karmasin zur Bundes­ministerin für Familien und Jugend durch den Bundespräsidenten           ............................................................................................................................... 49

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 60

Schreiben des Bundeskanzler betreffend seinen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................................................................................... 61

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 62

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 47


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2014; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres an das österreichische Parlament (III-518-BR/2014 d.B. sowie 9148/BR d.B.) ................. 63

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 63

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 63

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 66

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 68

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 71

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 73

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ..... 76

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freihandelsabkommen – Ablehnung .......................................................................  65, 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-518-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 77

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (43 d.B. und 82 d.B. sowie 9149/BR d.B.) ..................................................................... 77

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 78

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz geändert wird (83 d.B. sowie 9150/BR d.B.) ........ 78

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 78

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 78

Johanna Köberl ....................................................................................................... ..... 80

Angela Stöckl .......................................................................................................... ..... 81

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 82

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ..... 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 85

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Allgemeine Sozialver­siche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Apothe­kengesetz, das Medizinproduktegesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musikthe­rapiegesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychologengesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 5

EWR-Psychotherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Kardiotechniker­gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (EU-Patientenmobilitäts­gesetz – EU-PMG) (33 d.B. und 77 d.B. sowie 9151/BR d.B.) ...................................... 85

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 85

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 85

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ..... 87

Friedrich Reisinger ................................................................................................. ..... 88

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 89

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ..... 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 91

5. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 und des Programms des Rates (Griechenland) (III-507-BR/2014 d.B. sowie 9152/BR d.B.) ...................................................................................................... 91

Berichterstatter: Dr. Andreas Köll ................................................................................ 91

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 92

Johanna Köberl ....................................................................................................... ..... 92

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 94

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 96

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ..... 98

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-507-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 98

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (147/A und 73 d.B. sowie 9146/BR d.B. und 9153/BR d.B.) ...... 98

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 99

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird (75 d.B. sowie 9154/BR d.B.) ........... 99

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 99

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 99

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 100

Marco Schreuder ...............................................................................................  101, 105

Ing. Bernhard Ebner, MSc ..................................................................................... ... 102

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106

8. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2012 (III-506-BR/2013 d.B. sowie 9155/BR d.B.) ................................................. 106

Berichterstatter: Ing. Bernhard Ebner, MSc .............................................................. 106

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 106

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ... 107

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 108

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-506-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 111

9. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers im Bun­deskanzleramt an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2013/14 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-517-BR/2014 d.B. sowie 9156/BR d.B.) ............................................................................................................................. 111

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 111

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 112

Reinhard Todt ............................................................................................................. 114

Ing. Andreas Pum ....................................................................................................... 116

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 118

Gerhard Schödinger ............................................................................................... ... 120

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 122

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ..........................................................  123, 128

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 125

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-517-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 129

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Handwerker­leistungen beschlossen wird (44 d.B. und 45 d.B. sowie 9157/BR d.B.) ............................................................................................................... 129

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 129

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA .......................................................................................... 129

Sonja Zwazl ........................................................................................................  131, 140

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 133

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ... 134

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 134

Christian Poglitsch ................................................................................................. ... 135

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 137

Staatssekretär Mag. Jochen Danninger ............................................................... ... 138

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 141


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 7

11. Punkt: EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen (III-516-BR/2014 d.B. sowie 9158/BR d.B.) ............................................................................................................... 141

Berichterstatterin: Ingrid Winkler ................................................................................ 141

Redner/Rednerinnen:

Staatssekretär Mag. Jochen Danninger .........................................................  141, 152

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 143

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 146

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 147

Christian Füller ....................................................................................................... ... 150

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 152

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-516-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 152

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insol­venz-Entgeltsicherungsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz und das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (260/A und 60 d.B. sowie 9159/BR d.B.) ........................................................................................ 153

Berichterstatter: Richard Wilhelm .............................................................................. 153

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ................................................................................................... ... 153

Rene Pfister ............................................................................................................. ... 155

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 156

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 157

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 159

Ilse Fetik ................................................................................................................... ... 160

Josef Saller .............................................................................................................. ... 162

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ..............................................................  163, 166

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 167

13. Punkt: Jahresbericht 2014 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 und des Achtzehnmonatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Rats­vorsitzes sowie des griechischen Arbeitsprogramms (III-508-BR/2014 d.B. sowie 9160/BR d.B.) ...... 167

Berichterstatter: Richard Wilhelm .............................................................................. 167

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dietmar Schmittner .......................................................................................... ... 167

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 169

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 171

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 173

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ... 174

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-508-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 176


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 8

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (26. StVO-Novelle) (14 d.B. und 57 d.B. sowie 9147/BR d.B. und 9161/BR d.B.) ............................................................................................................... 176

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 176

Redner/Rednerinnen:

Günther Novak ........................................................................................................ ... 176

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 177

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 178

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 181

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ... 181

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 183

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 183

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (113/A und 58 d.B. sowie 9162/BR d.B.) ........... 183

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 184

Redner/Rednerinnen:

Günther Novak ........................................................................................................ ... 184

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 184

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 185

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 186

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das SP-V-Gesetz geändert wird (SP-V-Gesetz-Novel­le 2014) (261/A und 59 d.B. sowie 9163/BR d.B.)                    186

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................ 186

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 187

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 187

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 187

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 188

17. Punkt: Jahresbericht 2012 der Schienen-Control GmbH (III-500-BR/2013 d.B. sowie 9164/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 188

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................ 188

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 188

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 190

Gerhard Dörfler .................................................................................................  191, 196

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 193

Bundesministerin Doris Bures ........................................................................  194, 197

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 197

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-500-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 198


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 9

18. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-512-BR/2014 d.B. sowie 9165/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 198

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 198

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 198

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 199

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 201

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 202

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-512-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 203

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ithuba Capital AG (2966/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundeskanzleramtes in Wien und in den Bundesländern (2967/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2968/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2969/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2970/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2971/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2972/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2973/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2974/J-BR/2014)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 10

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2975/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2976/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2977/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2978/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2979/J-BR/2014)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Cobra-Einsatz bei Wilderer-Blutbad in Annaberg/NÖ (2980/J-BR/2014)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die E2a-Planstellen der zur Schließung anstehenden Polizeiinspektionen (2981/J-BR/2014)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Rückbaukosten im Zusammenhang mit den Schließungen von Polizei­dienststellen (2982/J-BR/2014)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Verwendung von eichfähigen Waagen für schulärztliche Untersuchungen – Schikane von Schulen und Gemeinden (2983/J-BR/2014)

Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend die für die Universität Wien zur Verfügung stehenden Budgetmittel (2984/J-BR/2014)

Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend die studienrechtlichen Bestim­mungen an der Donau-Universität Krems (2985/J-BR/2014)

Mag. Christian Jachs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Kasernenschließungen (2986/J-BR/2014)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verhinderung von Schockrechnungen der Telekomunternehmen (2740/AB-BR/2014 zu 2961/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Exekutive – Planstellen und Überstunden (2741/AB-BR/2014 zu 2962/J-BR/2014)


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der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderkommissionen (2742/AB-BR/2014 zu 2963/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalstand bei der Exekutive (2743/AB-BR/2014 zu 2964/J-BR/2014)


 


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09.01.52 Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Michael Lampel: Ich eröffne die 828. Sitzung des Bundesrates.

Einen schönen guten Morgen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Grüß Gott auch allen Zuseherinnen und Zusehern an den Bildschirmen zu Hause und am Livestream im Internet!

Ganz besonders möchte ich den burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 827. Sitzung des Bundesrates vom 26. Februar 2014 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Stefan Schennach und Hans-Jörg Jenewein.

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Präsident Michael Lampel: Ich begrüße nochmals den Herrn Landeshauptmann von Burgenland Hans Niessl sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, zum Thema „Starke Regionen – Unsere Zukunft“ eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 Geschäfts­ordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun Herrn Landeshauptmann Hans Niessl zur Abgabe seiner Erklärung das Wort.

09.03.32Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland zum Thema „Starke Regionen – Unsere Zukunft“

 


9.03.36

Landeshauptmann von Burgenland Hans Niessl: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2014 ist für die Republik Österreich und auch für die Regionen, für unsere Bundesländer ein ganz besonderes Jahr. Dieses Jahr soll uns mehrfach an unsere Geschichte erinnern. Es sind 100 Jahre seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und 25 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Das sind die markanten historischen Ereignisse unserer Vergangenheit.

Das Ende des Ersten Weltkrieges, und darauf möchte ich eingehen, war zugleich auch die Geburtsstunde für mein Heimatland Burgenland. In den Pariser Vorortverträgen, genauer im Vertrag von Saint-Germain, wurde damals festgelegt, Westungarn geht an Österreich. Das war, wie gesagt, die Geburtsstunde des Burgenlandes.

Der Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren gab den Start­schuss für unzählige europaweite Veränderungen. Und ich muss hier nicht dazusagen, dass gerade dieser Fall des Eisernen Vorhangs für das Burgenland sehr große Veränderungen brachte. Das Burgenland ist die einzige Region, die an drei ehemalige Ostländer angrenzt, an die Slowakei, an Ungarn und an Slowenien.


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Das war für uns auch ein Startschuss, aus dem Schatten des Eisernen Vorhangs hervorzutreten und von einer Grenzregion zu einer Herzregion in diesem neuen Europa zu werden.

Die vergangenen Wochen waren von einer doch sehr großen und schweren inter­nationalen Krise gekennzeichnet, nämlich durch einen großen Konflikt in der Ukraine. Manche sagen, das ist eigentlich weit weg von uns und das hat eigentlich keine Auswirkungen; und manche interessiert das auch wenig. Tatsache ist aber, dass die Entfernung Eisenstadt – Uschhorod, das ist eine Stadt an der ukrainischen Grenze, 555 km beträgt, die Entfernung Eisenstadt – Bregenz 672 km. Also die Ukraine ist dem Burgenland entfernungsmäßig näher als zum Beispiel Vorarlberg. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Entfernungsmäßig! Herzmäßig ist es etwas anders, da sind wir natürlich absolute österreichische Patrioten. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Burgenland und Vorarlberg meine ich – und die anderen Bundesländer auch.

Diese große internationale Krise macht deutlich, dass man als Mitglied der Euro­päischen Union, und ich sehe das so, ein größeres Maß auch an Sicherheit hat. Daher ist es aus meiner Sicht auch deswegen wichtig, in einer großen Gemeinschaft zu sein. Für mich ist die Europäische Union, und das sage ich auch ganz deutlich, das größte Friedensprojekt, das wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir seit 69 Jahren in Zentraleuropa doch in Frieden und Freiheit leben können.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass das Burgenland wahrscheinlich jene Region ist, die durch den EU-Beitritt am meisten profitiert hat. Wir waren aufgrund unseres wirtschaftlichen Rückstandes, aufgrund unserer sehr exponierten Lage, aufgrund der Situation, dass wir der östlichste Teil Europas waren, viele Jahrzehnte lang deutlich benachteiligt. Das Leben im Schatten des Eisernen Vorhangs war für die Menschen im Burgenland nicht einfach. Und das Ergebnis war, dass wir 1995 Ziel-1-Gebiet geworden sind, dass wir auch mit Unterstützung der Bundesregierung, aller österreichischen Bundesländer diesen Status erreicht und versucht haben, die Defizite, die es im Burgenland über Jahrzehnte gegeben hat, die über Jahrzehnte gewachsen sind, zu reduzieren, ein besseres Wirtschaftswachstum zu erreichen, in verschiedenen Bereichen auch aufzuholen, die Strukturen zu verändern und die Wirtschaft zu moder­nisieren. Da hat die Europäische Union große Beiträge geleistet, aber auch die Solidarität der österreichischen Bundesländer, die Unterstützung durch die jeweiligen Bundesregierungen seit 1995 haben uns da sehr geholfen.

Diese Förderungen haben, so meine ich, dazu beigetragen, dass es zu Modernisie­rungen und Unterstützungen auch anderer Regionen in Österreich gekommen ist. Österreich hat in Summe vom EU-Beitritt auch dadurch profitiert, dass der Export angestiegen ist, dass es mehr Beschäftigte im Bereich des Exports gibt.

Aber – und das sage ich auch vor den EU-Wahlen – es gibt große Herausforderungen. Europa kann nicht hinnehmen, dass die Jugendarbeitslosigkeit, ja die Arbeitslosigkeit im Allgemeinen in vielen Staaten sehr hoch ist. Ich glaube, auch wir in Österreich müssen uns da weiter sehr, sehr anstrengen. Die Regionen und die Bundesländer sind natürlich genauso gefordert, gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorzugehen, zum Bei­spiel dadurch, dass die Ausbildungsgarantie in eine Ausbildungspflicht umgewan­delt wird, sodass alle Jugendlichen bis 18 Jahre eine Ausbildung machen müssen. Ich bin auch sehr froh darüber, dass unser duales Ausbildungssystem, das wir in Öster­reich haben, europaweit ein Vorzeigeprojekt ist. Man könnte sich eigentlich nur wünschen, dass alle Staaten in Europa dieses duale Ausbildungssystem haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Ich habe jetzt sehr viele positive Punkte angesprochen, die unseren Regionen, den Ländern und natürlich dem Burgenland sehr viel gebracht haben, aber ich sage auch


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dazu, es muss natürlich in vielen Bereichen noch vieles geschehen, wie zum Beispiel Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit auf der einen Seite. Aber natürlich sehe ich auch die Überregulierungen, die teilweise in unsere Bundesländer, in unsere Regionen hineinreichen, als nicht notwendig an. Aus dem einen oder anderen Bereich sollte sich die Europäische Union zurückziehen, denn viele Bereiche können in den Regionen, in den Ländern besser gelöst werden, und vor allen Dingen wäre dann die Akzeptanz durch die Menschen auch noch höher.

Meine Meinung zum neuen Europa: Ich bin nicht für die Vereinigten Staaten von Europa, sondern ein Europa der Regionen, das ist meine Zukunftsvision. Und diese Regionen sollen auch die entsprechenden Kompetenzen haben. Die Regionen sollen wie hier im Bundesrat auch in den Gremien der EU vertreten sein. Da könnte man natürlich auch darüber diskutieren, wie man den Ausschuss der Regionen noch weiter aufwerten könnte, um ihm auch mehr Kraft zu geben und es ihm zu ermöglichen, die entsprechenden Maßnahmen, was die Überregulierungen anbelangt, wo es doch einen großen Konsens gibt, zu setzen.

Ich möchte einige Probleme, Herausforderungen ansprechen, die, denke ich, die meisten Bundesländer betreffen. Das sind auch Themen, die teilweise alle Staaten in Europa betreffen. Eines dieser Themen ist der soziale Wohnbau. Es wurde in den vergangenen Wochen und Monaten sehr intensiv darüber diskutiert, wie man diesen sozialen Wohnbau absichern kann, wie man ihm neue Impulse geben kann, wie man ganz einfach mehr leistbare Wohnungen bauen kann. Jährlich werden in Österreich rund 37 000 Wohneinheiten gebaut, gebraucht würden aber 55 000 Wohneinheiten. Ich sage auch ganz klar, und ich habe mich schon öfters dafür ausgesprochen, ich trete dafür ein, dass die Wohnbauförderung wieder eine Zweckbindung bekommt.

Die Zweckbindung wurde in der Vergangenheit aufgehoben, und wir sind vonseiten der Länder jederzeit bereit, mit dem Bund über die Wiedereinführung der Zweckbindung zu reden. Man muss sagen, wie hoch die Wohnbauförderung ist – diese ist Teil des Finanz­ausgleichs, das gehört klar definiert – und wofür sie verwendet werden darf: natürlich für Sanierungen, natürlich für die Förderung von Einfamilienhäusern, von sozialem Wohnbau, von Blockbau. Wohnbauförderung sollte meiner Meinung nach auch für Altenwohn- und Pflegeheime verwendet werden, für Studentenheime. Und dann kann man darüber diskutieren, ob auch Schulen, Bildungseinrichtungen damit gefördert werden können sollten oder ob das nicht der Fall sein sollte.

Also insofern glaube ich, diese Diskussion wäre bald zu führen. Zweckbindung ist einzuführen, auch die Mittel, die zurückfließen, sollten in diese Zweckbindung rein­kommen. Das wäre ein ganz wesentlicher und wichtiger Schritt, um Wohnen in Öster­reich, in den einzelnen Bundesländern auch leistbar zu machen.

Ein weiterer sehr wichtiger Bereich neben dem Wohnbau ist meiner Meinung nach auch die Energieversorgung. Wir haben im vergangenen Jahr im Burgenland, und das hat eigentlich europaweit für Aufsehen gesorgt, die Energiewende im Bereich der Stromversorgung eingeleitet und umgesetzt. Das Land Burgenland hat im vergangenen Jahr 102 Prozent des gesamten Strombedarfes des Landes in Form erneuerbarer Energie selbst erzeugt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Also wir erzeugen in der Gesamtbilanz mehr Strom in Form erneuerbarer Energie, als wir tatsächlich verbrauchen, durch Windenergie, durch Photovoltaik, aber auch durch Biomasse. Diesen Ausbau werden wir auch in diesem Jahr weiter fortsetzen. Unsere heurige Energiebilanz wird zeigen, dass wir bereits über 120 Prozent unseres gesamten Energiebedarfes selbst erzeugen.

Ich sage auch dazu, dass wir von Beginn an die NGOs miteingebunden haben. Wir haben BirdLife, den WWF und das ÖIR, das Österreichische Institut für Raumplanung,


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miteingebunden und haben mit diesen NGOs von Beginn an, nämlich schon vor zehn Jahren, festgelegt, wo sich Eignungszonen, wo sich Verbotszonen befinden. Wir leben dort in einem sensiblen Gebiet: Nationalpark, Welterbe Neusiedler See. Und wir haben diese Vorgaben der NGOs auch eins zu eins umgesetzt. Es steht dort kein Windrad, das zum Beispiel den Vogelflug beeinträchtigt, laut WWF, laut Umweltanwalt, laut BirdLife.

Also insofern haben wir auch keine wirklich großen Probleme, auch keine Bürger­initiativen, als die NGOs und der Umweltanwalt praktisch jedes einzelne Windrad, ich würde nicht sagen genehmigt haben, aber es ist in diesem Konzept vorgesehen, dass die Windräder in diesen Eignungszonen stehen können. Das machen wir auch deswegen, weil das Burgenland keine Wasserkraft hat und wir in diesem Bereich natürlich keinen Beitrag zur Energieversorgung leisten können. Vielmehr ist die Parndorfer Platte dort, wo die Windräder stehen, eine der windhäufigsten Gegenden Europas ist, sodass wir diese Ressource eben nutzen wollen.

Ich kann auch dazu sagen, dass es nicht nur um die Energiegewinnung geht, sondern wir haben auch in den vergangenen drei, vier Jahren 1 000 neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energie schaffen können, eine große Betriebsansiedlung, die allein 500 neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Es wird auch in diesem Jahr mit den Green Jobs weitergehen, und wir werden auch da viele neue Arbeitsplätze dazubekommen.

Starke Regionen können mit ihren innovativen Ideen auch europaweit aufzeigen. Das Burgenland hat das vor wenigen Tagen wieder bewiesen. Im EU-Ausschuss der Regionen, von dem ich eingangs gesagt habe, da brauchen wir mehr Kraft, die Regionen müssen auf europäischer Ebene stärker vertreten werden, haben wir eine Stellungnahme zum Thema „Leistbare Energie für alle“ beschlossen. Mein Vertreter im Ausschuss der Regionen Klubobmann Christian Illedits hat diese Stellungnahme im Ausschuss der Regionen eingebracht. Darin werden Wege aus der steigenden Energie­armut in Europa aufgezeigt, weil das Problem der Energiearmut, dass man sich Energie nicht leisten kann, ein Thema sein wird, das auf die einzelnen Staaten noch zukommen wird.

Genau dieses Konzept, das der Klubobmann dort präsentiert hat, zeigt die Energie­wende im Burgenland, zeigt, dass die Energie vor Ort in den Regionen auch selbst erzeugt werden kann. Vor Ort erzeugte Energie und öffentlich geförderte Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sind der wichtigste Beitrag, um Energie auch in Zukunft leistbar zu gestalten. Und das ist auch ein Weg, den die Regionen auf europäischer Ebene über die Parteigrenzen hinaus einstimmig beschlossen haben. Diese Energiewende, die wir im Burgenland im Bereich der Stromproduktion vorgelebt und vorgezeigt haben, das ist dieser Leitantrag, der im Ausschuss der Regionen beschlossen wurde.

Warum machen wir das? – Natürlich um stromunabhängiger zu werden, um Arbeits­plätze, Green Jobs im Land zu schaffen und um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Ich denke, viele reden von Klimaschutz, viele sind der Überzeugung, dass der Klima­wandel stattfindet und dass die CO2-Produktion eben zu hoch ist, dass die Emissionen zu groß sind. Und da sind wir nicht nur gefordert zu sagen, andere Länder oder andere Kontinente sollen Beiträge leisten und sollen sich ein bisschen mehr bemühen, diese zu reduzieren. Es ist natürlich absolut wichtig, dass man weltweit weniger CO2 produziert, ich glaube aber, dass auch jede Region dazu Beiträge leisten kann.

Weniger CO2 heißt gesündere Luft, gesündere Luft heißt mehr Gesundheit, und mehr Gesundheit heißt längeres Leben. Also insofern trägt eine CO2-freie Produktion von Energie dazu bei, dass wir schlussendlich durch weniger CO2-Emissionen eine gesün-


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dere Luft, mehr Gesundheit und auch ein längeres Leben der Menschen erreichen können, denn wir alle wissen, dass gerade diese Art von Luftverschmutzung – und dafür gibt es genug Beispiele auf dieser Welt – wesentlich zu Erkrankungen führt. Daher müssen wir die CO2-Emissionen reduzieren, und das haben wir, wie schon gesagt, bei den erneuerbaren Energien schon in einem großen Ausmaß erreicht.

„Starke Regionen – Unsere Zukunft“: Das ist der Leitgedanke beziehungsweise das Motto meines Vorsitzes bei der Landeshauptleutekonferenz. Für mich ist die Regionalität sehr, sehr wichtig. Ich denke, dass Regionalität jetzt bereits sehr, sehr wichtig ist und dass Regionalität auch eine sehr große Zukunft hat. Regionalität ist wichtig für die Lebensqualität. Regionalität bedeutet Bürgernähe. Regionalität steht aber auch für den Aufstieg der einzelnen Bundesländer. Am Beispiel der Entwicklung der österreichischen Bundesländer sieht man, dass Regionalität einen sehr hohen Stellenwert hat, dass Regionalität zum Aufstieg der Republik Österreich sehr wesentliche Beiträge geleistet hat.

Ich möchte grundsätzlich sagen, dass meiner Meinung nach die Aussage Einzelner, dass Zentralismus automatisch Einsparungen brächte, nicht richtig ist. Das ist durch nichts bewiesen. Zentralismus kann in vielen Bereichen auch das Gegenteil bedeuten.

Was die Verwaltungsreform betrifft, die immer wieder diskutiert wird, sage ich ganz klar: Die Bundesländer sind immer bereit, und zwar alle Bundesländer, über Reformen im Verwaltungsbereich zu reden. Die Bundesländer sind da keinesfalls die Bremser. Wir haben ja schon in der Vergangenheit – und dafür könnte ich viele Beispiele anführen – im Verwaltungsbereich Reformen durchgeführt, das werden wir auch in Zukunft tun. Eines muss man aber immer überlegen, wenn man von Verwaltungs­reform spricht: Nützt oder schadet sie den Bürgerinnen und Bürgern? Nützt oder schadet sie den österreichischen Steuerzahlern? Das sind die Kriterien, die wir bei allen Reformen in entsprechender Form berücksichtigen müssen!

Ein Beispiel: Das wohnortnahe Spital hat für die Regionen und für die Bundesländer einen hohen und wichtigen Stellenwert. Es ist entscheidend, ob man nach einem Herzinfarkt in 10 oder 15 Minuten im nächsten Krankenhaus ist, oder ob man 30, 40, 50 Minuten braucht. In diesem Fall sind die zentralen Einrichtungen, auch wenn sie Einsparungen brächten, nicht sinnvoll, denn der kurze Weg für ein langes Leben hat einen höheren Stellenwert.

Es hat vor allem für ländliche Regionen einen ganz hohen und wichtigen Stellenwert, dass die gesundheitliche Versorgung wohnortnah erfolgt, dass die Verwaltung wohn­ort­nah erfolgen kann und dass natürlich auch die Schulen einen wohnortnahen Standort haben. Bei Letzterem ist immer die Frage, welchen Schulweg man sechs­jährigen Kindern zumutet. Also man muss die Diskussionen auch darüber führen, inwieweit wohnortnahe Schulen möglich sind. Natürlich soll es zentrale Schulen geben, aber der kurze Weg für kleine Füße und kurze Beine hat aus meiner Sicht auch einen hohen Stellenwert. Und dafür zu sorgen, ist auch Aufgabe der Regionen. Über all diese Belange muss man natürlich die Diskussion auch mit dem Bund führen, und da ist es wichtig, die Regionen zu stärken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich darf nun ein Thema ansprechen, das vor allem die Regionen betrifft und das aus meiner Sicht zurzeit sehr aktuell ist. Gestern waren Frau Innenministerin Mikl-Leitner und Herr Verteidigungsminister Klug im Burgenland, also zwei Minister, die für Sicherheit zuständig sind, und da möchte ich ganz klar eines sagen: Für die Regionen und für die Bundesländer – natürlich auch für das Burgenland! – hat Sicherheit einen hohen und wichtigen Stellenwert. Wir haben gestern im Burgenland mit diesen beiden Ministern unter Beiziehung von Expertinnen und Experten sehr ausführlich über unsere Sicherheitskonzepte diskutiert. Wir sind im Burgenland Sicherheitsdienstleister für die


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Republik Österreich, weil die internationalen Schlepperrouten auch über das Burgenland führen und weil, wie bekannt ist, die Schlepperkriminalität auch über das Burgenland erfolgt. Daher brauchen wir entsprechende Maßnahmen.

Wir sind froh darüber, dass wir vor wenigen Wochen in Güssing, im Südburgenland, die modernste Kaserne Europas eröffnen konnten. Dort werden die Soldaten des österreichischen Bundesheeres für Katastropheneinsätze und auch für Auslands­ein­sätze vorbereitet. Ich denke, das ist auch ein wichtiges Signal dahin gehend, dass die Sicherheitskräfte die entsprechenden Arbeitsplätze vorfinden und dass die Soldaten und Rekruten auch zeitgemäß untergebracht sind. Dieser Tag mit den beiden Ministern, die für Sicherheit zuständig sind, war insofern gut, als mit den Fachkräften beziehungsweise mit den Experten des Bundesheeres und der Exekutive diese Diskussionen erfolgt sind.

Noch einmal: Wir brauchen ein Höchstmaß an Sicherheit, die beste wohnortnahe medizinische Versorgung und wohnortnahe Bildungseinrichtungen für unsere Kinder, die unsere Zukunft sind. Das ist besonders wichtig. Wir haben im Burgenland bereits flächendeckend die Neue Mittelschule eingeführt. All das sind wichtige Aufgaben der Bundesländer, die auch Gegenstand der Verhandlungen über den Finanzausgleich sind. Damit stärken wir letztlich die Regionalität. Das kostet natürlich entsprechend viel Geld, das brauchen wir, um diese unsere Aufgaben auch erfüllen zu können.

Ich bekenne mich auch dazu, dass dort, wo es möglich ist, eingespart wird. Natürlich brauchen wir eine schlanke und effiziente Verwaltung. Dass man das zulasten der Gesundheit, der Bildung, der Sicherheit und der Bürgernähe macht, dafür bin ich aber nicht. Das ist nicht mein Weg, und das ist, wie ich meine, auch nicht der Weg der österreichischen Bundesländer.

Ich freue mich eigentlich darüber, dass ich zum dritten Mal hier vor dem Bundesrat sprechen darf. Ich habe zum dritten Mal den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne. Selbstverständlich möchte ich auch zum Bundesrat Stellung nehmen. Ich kenne die diesbezüglichen Diskussionen, die immer wieder geführt werden. Ich denke, wenn man hier drei Mal spricht und sich mit dem Bundesrat befasst hat, dann hat man dazu auch eine ganz klare Meinung.

Meine Meinung ist die – und das habe ich auch schon in den letzten Monaten gesagt –: Der Bundesrat ist die Kammer, in der die Interessen der Bundesländer vertreten werden. Deswegen ist der Bundesrat für mich so wichtig. Meiner Ansicht nach ist es notwendig, darüber zu diskutieren, in welchen Bereichen der Bundesrat aufgewertet werden kann und aufgewertet werden soll. So wie ich für die Aufwertung des Aus­schusses der Regionen bin, um die Regionen zu stärken, bin ich auch für die Aufwer­tung des Bundesrates, um die Regionen und die Bundesländer auch in entsprechender Form zu stärken. (Allgemeiner Beifall.)

Der Föderalismus zählt in der österreichischen Bundesverfassung zu den Grund­prinzipien. Die Gesetzgebungszuständigkeiten sind zwischen Bund und Ländern entsprechend aufgeteilt. Als Richtschnur für die optimale Verteilung der Aufgaben dient das Subsidiaritätsprinzip. Der Bundesrat soll gerade in jenen Bereichen aufgewertet werden, in denen es um wichtige Belange der Bundesländer geht.

Es wird in den nächsten Wochen und Monaten auch über den neuen Finanzausgleich diskutiert werden. Und wir alle wissen, dass dieser Finanzausgleich für die Bundes­länder eine ganz große und wichtige Grundlage ist, um ihre Aufgaben auch in Zukunft wahrnehmen zu können. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass dieser Finanz­ausgleich auf breiter Ebene diskutiert werden soll. Und wenn er nicht den Vorstel­lungen der Länder und Regionen entspricht, dann sollte der Bundesrat in diesem Be­reich, um es ganz konkret zu sagen, auch ein Vetorecht haben. (Allgemeiner Beifall.)


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Der Bundesrat sollte die entsprechenden Möglichkeiten haben, denn da geht es darum, dass die Regionen die Aufgaben, die ich kurz angesprochen habe, auch wahrnehmen können. Das würde eine deutliche Aufwertung des Bundesrates bedeu­ten.

Es gibt eine zweite Diskussion, wo es unterschiedliche Meinungen gibt, und das muss man halt auch diskutieren. Manche sagen, die Länder sollen die Steuerhoheit bekom­men. Die Frage ist, ob wir neun verschiedene Steuersysteme in Österreich haben wollen, wo wir wieder einen Verwaltungsbereich neun Mal aufbauen müssen, um diese Steuerhoheit wahrnehmen zu können. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.)

Ich habe ja gesagt, man kann unterschiedliche Meinungen haben. Ich halte es nicht für gut, wenn wir in Österreich unterschiedliche Steuersysteme haben, und zwar ganz einfach deswegen, weil ein einheitliches  (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Österreich ist so klein, ist kleiner als Bayern, und Deutschland hat ein einheitliches Steuersystem, und Österreich hat  (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Die Schweiz ist nicht in der EU, zum Beispiel. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber trotzdem!)

Ich sage es ja: Man kann darüber diskutieren, und ich führe diese Diskussion auch gerne. Meine Meinung ist: Wir brauchen ein Steuersystem, und solange das nicht ausdiskutiert ist, sollte auch der Bundesrat, wenn man gravierende Änderungen macht, ein Mitspracherecht haben und sollte auch, wenn er der Meinung ist, dass wir das nicht wollen, die Möglichkeit haben, das nicht zuzulassen. Wenn der Bundesrat sagt: Okay, der Nationalrat hat es beschlossen, wir sind dafür!, dann soll es so sein, aber die Diskussion ist vorher zu führen. Es gibt genug Beispiele dafür, wo man sagt: Ja, ich bin für die Steuerhoheit der Länder!, und dann stellt sich bei vielen Ländern heraus, dass es eigentlich ein Nachteil ist, wenn man selbst die Steuerhoheit hat, weil es dann weniger Einnahmen gibt. Und wer soll denn dann die Aufgaben übernehmen? Dann brauchen wir wieder einen Finanzausgleich, der das regelt. Das ist ein kompliziertes System, insofern bin ich da für eine ausführliche Diskussion. Ich bin für ein Vetorecht, wenn es in die verkehrte Richtung geht, wie immer die Diskussion dann ausschauen mag.

Ich darf auch eines sagen: Es gibt verschiedene Argumente für einen modernen Föderalismus. Aus meiner Sicht ist der Föderalismus bürgernah, effizient und kosten­günstig, innovativ, demokratisch, ein Motor für mehr Vielfalt, ein Standortvorteil und auch sehr flexibel, vor allem auch in Krisensituationen. Ich darf in Erinnerung rufen, dass es genau die Regionen und die Bundesländer waren, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit einem einheitlichen Steuersystem rasch reagieren konnten und rasch entsprechende Kraftpakete für eine wirtschaftliche Belebung zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen umgesetzt haben. Das ist wichtig: rasche Umsetzung von Maßnahmen in Krisensituationen! Deswegen meine ich, dass dieser Föderalismus auch in Zukunft gelebt werden muss.

Für mich ist der Bundesrat – und das sage ich auch – der föderale Gegenpol im Parlament, wo es manchmal sehr starke zentralistische Tendenzen gibt, wo vielleicht auch mehr oder weniger legitim die zentralen Stellen sagen: Ja, wir wollen mehr Aufgaben, wir wollen zum Teil auch die Aufgaben der Bundesländer übernehmen! Aber, wie gesagt: Der Bundesrat ist aus meiner Sicht eben der föderale Gegenpol zum zentralistischen Denken und die Balance zwischen Zentralismus beziehungsweise zentralistischen Notwendigkeiten, die es natürlich auch gibt – das ist ganz klar: Gesetz­gebung, die für alle Bundesländer gemacht wird, soll es auch in Zukunft in einem entsprechenden Ausmaß geben –, und föderalistischen Zweckmäßigkeiten, und zwar dort, wo man auf mehr Effizienz und auf mehr Umsetzungstempo setzen kann.


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Der Bundesrat und auch die Landeshauptleute stehen für einen modernen schlanken Staat mit einer klaren Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern und auch für einen Finanzausgleich, der diese Aufgaben in entsprechender Form berücksichtigt. Starke Regionen in einem starken und sozialen Europa sichern Arbeitsplätze, Frieden und Wohlstand.

Bundesrat und Landeshauptleute stehen aber auch für Bürgernähe und sind bemüht, in viele Entscheidungen die Menschen miteinzubeziehen. Ich glaube, die Bürgernähe, die jetzt schon sehr wichtig ist, wird in Zukunft noch wichtiger sein. Sie ist letztlich auch ein Markenzeichen föderaler Strukturen.

„Starke Regionen – unsere Zukunft“: Das ist mein Motto als Vorsitzender der Landes­hauptleutekonferenz. Und starke Regionen brauchen auch einen starken und aus meiner Sicht aufgewerteten Bundesrat.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen bei Ihrer Tätigkeit für die Zukunft alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

9.35


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausfüh­rungen und wünsche ihm bei seiner Arbeit als Vorsitzender der Landeshauptleute­konferenz sehr viel Erfolg.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erste Frau Bundesrätin Inge Posch-Gruska. – Bitte.

 


9.36.23

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Das ist heute eine ganz besondere Heraus­forderung, vielleicht auch eine Chance, hier zu sprechen: erstens einmal zwei starke Männer aus meinem Bundesland, und zweitens vor allem so ein klares und deutliches Bekenntnis zum Bundesrat.

Herr Landeshauptmann Niessl, dafür wirklich ein herzliches Dankeschön! Das hat jetzt sehr gutgetan, denn unsere Arbeit ist manchmal eine sehr schwere, mühsame, aber immer auch eine effiziente. Danke für dieses klare Bekenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Burgenland hat derzeit nicht nur den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne, Burgenland übt zurzeit auch die Präsidentschaft im Bundesrat aus. Diese Chancen werden wir als Bundesland nützen. Wir wollen und wir können hier zeigen, dass Föderalismus kein Konzept der Vergangenheit ist, sondern ein erfolgversprechender Weg in die Zukunft, und zwar ist er dann erfolgversprechend, wenn er effizient organi­siert ist, wenn er Bürgernähe nicht nur propagiert, sondern auch praktiziert, wenn er nicht auf ein Gegeneinanderausspielen der Regionen hinausläuft, sondern auf Koope­rationen und einen positiven Wettbewerb gerichtet ist. Diese Merkmale der Arbeit verwirklichen wir hier im Bundesrat.

Die Diskussion untereinander, die Art, wie wir mit Problemen umgehen, die Art, wie wir außerhalb unserer Tätigkeit hier im Bundesrat bei den Menschen vor Ort, in unseren Ländern, in unseren Bezirken handeln: Das ist gelebte Bürgernähe! Diese Bürgernähe bringen wir auch hier im Bundesrat, in der Länderkammer, ein. Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt ist.

Das Motto des Burgenlandes ist daher mit „Starke Regionen – Unsere Zukunft“ ein sehr gutes. Das ist ein Bekenntnis zum gelebten Föderalismus, der alle neun Bun­desländer nicht als historischen Ballast sieht, sondern als Fundament unserer Repu­blik, auf das wir bauen können.


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Als Burgenländern freut es mich natürlich ganz besonders, dass Burgenland in vielen Bereichen vorgezeigt hat, was Regionen alles leisten können. Landeshauptmann Hans Niessl hat schon einige dieser Meilensteine genannt. Zum Beispiel: Burgenland als Musterland im Bereich der erneuerbaren Energien.

Weitere Meilensteine, die ich erwähnen möchte, sind: Das Burgenland hat einen Arbeits­schutzschirm entwickelt, der wirklich ein sehr großes Vorbild für ganz Österreich ist. Und wir sorgen im Burgenland – auch das hat Herr Landeshauptmann Niessl schon erwähnt – mit unserem Wohnbauförderungsbudget auf Rekordniveau dafür, dass Wohnen bei uns leistbar ist.

Wir haben aber auch den Anteil armutsgefährdeter Menschen seit dem Jahr 2005 um rund ein Drittel reduziert. Auch das ist ein wichtiger Aspekt. Weiters weisen wir bei der Kinderbetreuung im Altersspektrum der Drei- bis Fünfjährigen eine fast hundert­prozentige Versorgungsquote auf. Wir waren eines der ersten Bundesländer, die die Neue Mittelschule flächendeckend umgesetzt haben, und haben bislang mit diesem Schulmodell wirklich ausgezeichnete Erfahrungen gemacht.

Und mehr noch: Wir haben in unserem Bundesland einen Kinder- und Jugendlandtag eingeführt, der keine Eintagsfliege ist oder bloß nur ein Medienereignis für einen Tag, sondern dessen Ergebnisse in die politische Arbeit des Landtages einfließen, wo alle Anträge der Jugendlichen wiederum Beachtung finden. Und wir haben die Jugendaus­bildungsgarantie umgesetzt und können durch den Ausbau von Lehrwerkstätten und überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen jungen Menschen eine sinnvolle Perspek­tive anbieten.

Wir haben aber auch am anderen Ende des Altersspektrums unsere Pflege- und Betreuungsangebote so organisiert, dass ältere Menschen sich darauf verlassen kön­nen.

Ich erwähne diese Erfolge aus einem ganz bestimmten Grund. Sie zeigen ganz deutlich auf, dass Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung auch in der Landes­politik keine Widersprüche sind. Ein Bundesland kann – und das Burgenland beweist es – auf Modernisierung setzen, ohne dass es den sozialen Zusammenhalt in irgendeiner Form gefährdet. Man kann die Wirtschaft fördern, ohne die Umwelt zu vernachlässigen. Man kann sich um das Wachstum kümmern, ohne Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen auf der Strecke zu lassen. Wir müssen – und das auch vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in ganz Europa – uns dazu bekennen, dass es etwas kostet. Es kostet etwas, in die Bildung zu investieren. Es kostet etwas, in die Berufsperspektiven zu investieren. Und es kostet etwas, in Lebensperspektiven zu investieren. Es käme nämlich langfristig wesentlich teurer, würden wir das nicht tun.

Wenn wir den Kräften des freien Marktes das Feld überlassen, dann sind die Folgen leider solche, wie wir sie in Europa vielfach sehen: leere Staatskassen, ein Heer von arbeitslosen Jugendlichen, Menschen ohne Hoffnung und Menschen ohne Zukunft, und – was mir die größte Angst bereitet – ein Wiedererstarken dumpfer Nationalismen und des Rechtsradikalismus.

Österreich ist besser durch die Krise gekommen. Es gibt unterschiedliche Gründe dafür. Ein Grund dafür ist ganz sicherlich unsere bewährte politische Architektur, sie hat sicherlich einen großen Anteil daran. Hier möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass zu dieser wichtigen politischen Architektur der Föderalismus zählt, unsere Länderkom­petenzen hier im Bundesrat.

Ich möchte mich abschließend nochmals für das große Vertrauen von Ihnen, Herr Landeshauptmann, bedanken. Ich wünsche Ihnen auch alles Gute für den Vorsitz in


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der Landeshauptleutekonferenz – und meinem Präsidenten für den Vorsitz natürlich auch alles Gute! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.42


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Walter Temmel. Ich erteile es ihm.

 


9.42.30

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bürgermeisterkollege, Landtagsabgeordneter und ehemaliger Bundesrat Wolfgang Sodl! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es freut mich, Herr Landeshauptmann, dass Sie heute mit Ihrer Erklärung hier eine klare Aussage getroffen haben und auch Ihre Wertschätzung gegenüber dem Bundesrat so deutlich zeigen. Dafür danke ich Ihnen.

Wer die Geschichte des Burgenlandes kennt, weiß, dass es nicht leicht war, aus den vier ehemaligen ungarischen Komitaten ein eigenes neues Bundesland zu gründen. Heute ist es ganz schwer vorstellbar, dass viele Burgenländerinnen und Burgenländer wegen Armut, vor allem nach Amerika, auswandern mussten. Heute schätzen viele unser Bundesland aufgrund seiner hohen Lebensqualität.

Ob es der gute Wein ist, ob es der Neusiedler See – auch das „Meer der Wiener“ genannt – mit seiner Vielfalt an Tier- und Pflanzenraritäten ist, bis hin zu den Thermen, Burgen, Schlössern, Kellerstöckln und den verschiedensten Ausflugszielen: Die Vielfalt an kulturellen Angeboten ist groß; von Josef Haydn über Franz Liszt bis zu den Opern- und Operettenfestspielen in St. Margarethen und Mörbisch; auch die verschiedensten Musikfestivals – das größte Festival Österreichs, Nova Rock, Wiesen und picture on, das kleine feine Festival in meiner Heimatgemeinde Bildein – sind ein wahrer Genuss für alle Musikliebhaber.

Auch im Sportbereich sind wir besonders in letzter Zeit sehr erfolgreich. Das beweisen nicht nur die letzten Erfolge im Basketball von Oberwart bis Güssing. Stolz sind wir natürlich auch alle auf die erste Olympiasiegerin des Burgenlandes, auf Julia Dujmovits aus Sulz; sie kommt aus meinem Heimatbezirk Güssing.

Bekannt und geschätzt ist unser Land auch durch das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen und Religionen. Unser Heimatdichter Josef Reichl aus Güssing hat es so umschrieben: Oft leben Kroaten, Ungarn und Roma in einem Haus friedlich zusammen. – Wäre das nicht ein gutes Beispiel für die ganze Welt?

Das Burgenland hat in den letzten Jahrzehnten mithilfe der EU und des Bundes seine Chancen bestens genützt und sich zu einem Vorzeigebundesland, wie Sie bereits mehrmals erwähnt haben, entwickelt. In vielen Bereichen wie der erneuerbaren Ener­gie, dem Naturschutz, der hohen Maturantenquote, des Wirtschaftsaufschwungs et cetera liegt das Burgenland im Spitzenfeld. Güssing ist weltweit bekannt durch die Forschungsprojekte im Bereich der erneuerbaren Energie.

Wir stehen in den kommenden Jahren aber auch vor großen Herausforderungen: die demografische Entwicklung, Stärkung der Wirtschaftskraft durch gezielte Investitionen in Bildung, Ausbildung und besonders in die Forschung.

Der Ausbau erneuerbarer Energieträger ist neben der Steigerung der Energieeffizienz eine wesentliche Säule der burgenländischen Energiestrategie. Seit Ende letzten Jahres erzeugt das Burgenland, wie bereits erwähnt, besonders durch den hohen Anteil an Windenergie erstmals mehr Strom, als es selbst verbraucht.


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Die Initiative von Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Franz Steindl, Strom aus Sonnenkraft, finanziert durch ein Bürgerbeteiligungsmodell auf kommunaler Ebene, findet erfreulicherweise sehr viele Nachahmer.

Nachholbedarf, und das besonders im Südburgenland, gibt es in der Mobilität. Im Bereich öffentlicher Verkehr, der in Ihrem Wirkungsbereich liegt, Herr Landeshaupt­mann, ist in den vergangenen Jahren sehr viel geschehen. Das Budget wurde von 5 Millionen im Jahr 2000 auf 17,5 Millionen erhöht. Es muss aber ein Ziel aller sein, dass jede Ortschaft mit einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehr versorgt wird. In diesem Bereich ist Vorarlberg beispielhaft unterwegs.

Eine gute Wasser-, Abwasser- und Stromversorgung ist für uns alle eine Selbstver­ständlichkeit. Genauso selbstverständlich sollte in naher Zukunft eine Breitbandinter­net­versorgung für alle sein. Gerade im ländlichen Raum bietet eine starke Breitband­verbindung Chancen für Selbständige und Angestellte, die von zu Hause aus ihre berufliche Tätigkeit verrichten wollen. Auch für die Neuansiedlung von Betrieben in wirt­schaftsschwachen Regionen ist eine gute Infrastruktur oftmals ein Entscheidungs­kriterium.

Ich bitte Sie, Herr Landeshauptmann, um Ihre Unterstützung, einerseits um Aus­sprache mit der zuständigen Ministerin Bures sowie um finanzielle Hilfe seitens des Landes. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam auch diese Herausforderungen bewäl­tigen und bessere Mobilität für den ländlichen Raum schaffen werden.

Das Burgenland ist durch den Fall des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren von der toten Grenze in das Zentrum Europas gerückt. Mithilfe der Europäischen Union und Österreichs ist es gelungen, unser Bundesland vom einstigen Armenhaus Österreichs zu einer starken Region innerhalb Europas zu entwickeln. Dafür sind wir allen verant­wortungsvollen Entscheidungsträgern auf Bundes- und auf europäischer Ebene sehr dankbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.48


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Werner Herbert. Ich erteile es ihm.

 


9.48.09

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Landes­hauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf mich am Beginn meiner Ausführungen bei Ihnen, Herr Landeshauptmann, bedanken für Ihr klares Bekenntnis zum Bundesrat, auch für den Ansatz der Erweiterung der Aufgaben, Stichwort: Vetorecht, weil ich glaube, dass der Bundesrat, so wie das Konstrukt unse­rer Verfassung es darstellt, eine wesentliche, wichtige Säule im Gesetzgebungssystem ist. Aber wichtig ist auch, dass das föderale Prinzip, nämlich das Mitspracherecht der Länder, nicht nur gewährleistet, sondern zukünftig auch besser dargestellt und ausge­baut wird, insbesondere unter dem Aspekt, dass man den Bundesrat in der Vergan­genheit öfters infrage gestellt hat. Und ich glaube, jedes klare Bekenntnis für einen starken Bundesrat, für ein Mitspracherecht der Länder ist zu befürworten, ist zu begrüßen, und daher auch ein besonderer Dank von dieser Stelle hier für Ihre klaren Ausführungen.

Meine Vorredner haben hier ein durchaus sehr positives Bild über die regionalen Entwicklungen gezeichnet. Ich darf mir herausnehmen, das etwas kritischer zu betrachten.

Jetzt bin ich ganz bei Ihnen, dass wir für eine gedeihliche, für eine gute Entwicklung, sei es im sozialen, kulturellen, aber auch wirtschaftlichen Bereich, in den Ländern –


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 23

und da möchte ich mich jetzt nicht nur auf das Burgenland fokussieren, sondern das generell ansprechen – starke Regionen brauchen.

Neben den großen Städten sind starke Regionen ein wesentlicher Motor für die Ent­wicklung der Länder, aber wir haben leider aus der Vergangenheit die nicht so optimalen Erkenntnisse, dass wir entgegen der durchaus lobenswerten und auch von meinen Vorrednern zitierten Initiativen, die im Burgenland gesetzt werden, generell gesehen, österreichweit auch sehr viele negative Tendenzen im ländlichen Bereich haben, wo Regionen in der Vergangenheit nicht gestärkt wurden, um nicht zu sagen, sträflich vernachlässigt wurden.

Die Realität in vielen Regionen ist leider eine eher nicht so positiv zu beschreibende. Wir haben durch die negativen wirtschaftlichen Gesamtentwicklungen, auch vielfach durch das Ausland beeinflusst, den Umstand, dass zahlreiche Regionen enorme finanzielle Nachteile erleiden mussten. Viele Firmen haben sich von lange beste­henden Standorten zurückgezogen, sind aus wirtschaftlichen Überlegungen in das benachbarte, auch in das fernere Ausland abgesiedelt, haben ihre Produktionsstätten und auch Arbeitsstätten verlegt – hauptsächlich waren für sie Kostengründe ausschlag­gebend –, was aber für die Gemeinden dieser Regionen oft erhebliche finanzielle Nachteile mit sich gebracht hat, nämlich wenn es um die Kommunalabgaben oder auch um die Ertragsanteile geht. Hier klaffen große Löcher in den Finanzen der betroffenen Gemeinden, und das hat auch zu beträchtlichen Einschnitten in Bezug auf die Dienstleistungen der Gemeinden gegenüber der Bevölkerung geführt.

Ein anderes Phänomen, das wir in der jüngeren Vergangenheit vermehrt wahrnehmen mussten, ist der Umstand, dass sich im Zusammenhang mit dieser wirtschaftlichen Entwicklung vielfach die Aktivitäten der Wirtschaftstreibenden, die im Land oder in der Region verblieben sind, aus den Orts- und Stadtkernen hinausverlagert haben. Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass Ortskerne mit oft großem finanziellem Aufwand zwar optisch sehr schön gehalten wurden, aber leider wirtschaftlich veröden, Fußgängerzonen, die eigentlich geschaffen wurden, um die Einkaufsfreudigkeit der Konsumenten zu unterstützen, ganze Stadtkerne wirtschaftlich aussterben und sich das Kaufverhalten der Konsumenten auf Shoppingcenter außerhalb der Städte und Gemeinden konzentriert.

Dem sollte man gegensteuern. Und ich kann das auch in meiner eigenen Region feststellen, nämlich in Niederösterreich, Bezirk Bruck an der Leitha. Sowohl in meiner Bezirkshauptstadt Bruck an der Leitha wie auch in Hainburg, zwei nicht unwesentlich großen Städten meiner Region, findet genau diese Entwicklung statt, was nicht nur in Bezug auf das wirtschaftliche Zusammenspiel für die Gemeinde einen sehr negativen Nachteil hat, sondern auch in puncto sozialer Abläufe in der Kommune, in der Gemeinde, in der Stadt.

Ich denke, das ist ein großes Problem, und da bin ich schon beim dritten Problem, das ich hier aufzeigen möchte, auch im Zusammenhang mit dieser Abwanderung der Betriebe: Auch wenn es noch Betriebe gibt, die sagen, ich ziehe da nicht mit, ich behalte meinen Geschäftsstandort im Zentrum, im Ortskern, weil ich der einzige Nahversorger bin, weil ich ein Arzt bin, der dort aus sozialer Verantwortung die ärztliche Versorgung sicherstellen will, haben wir früher oder später einmal das Problem, wenn diese letzten – ich sage einmal überspitzt – aufrechten Gewerbetrei­ben­den irgendwann in die Jahre kommen und in Pension gehen, dass wir dann als Gemeinde, als Verantwortliche in einer Region kaum Möglichkeiten sehen, Nachfolger zu finden. Egal, ob das der regionale Nahversorger ist oder das letzte offene Gasthaus in einer Ortschaft, es ist sehr schwierig, die soziale Infrastruktur im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung sicherzustellen.


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Ich glaube, da herrscht dringender Handlungsbedarf, wie auch bei der Schaffung von Wohnraum, was Sie, Herr Landeshauptmann, auch angesprochen haben, wo es durchaus gute Initiativen gibt, aber wo es nach wie vor ein großes Manko gibt, genügend Wohnraum für die Jugend zu schaffen, insbesondere in kleineren Gemeinden und Kommunen, weil es für den verantwortlichen Bürgermeister oder auch Bezirksobmann oder wen auch immer nicht möglich ist, die finanziellen Grundlagen dafür generell zu schaffen.

Da gibt es punktuell gute Aspekte, mit Förderungen des Landes durchaus einen guten Zugang, aber generell eine flächendeckende Versorgung mit Startwohnungen für junge Menschen, mit leistbaren Wohnungen auch für in die Jahre gekommene, ältere Men­schen, die sagen, ich möchte nicht mehr meinen Bauernhof bewirtschaften, ich möchte mich zurückziehen in eine Wohnung, wo ich soziale Anbindungen habe, wo ich auch meine Bedürfnisse besser stillen kann und nicht mehr weit weg von meinem Gut irgendwo einkaufen gehen muss, diese flächendeckende Versorgung zu gewähr­leisten, ist nicht möglich.

Auch im Hinblick auf betreutes Wohnen haben wir schwere Mängel, schwere Mankos, und das gilt es auch hier anzusprechen, weil ich denke, will man starke Regionen, dann ist das ein Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen sollten.

Ein letzter wesentlicher Punkt, den ich hier ansprechen möchte in diesem Zusammen­hang, ist – wie soll ich sagen? – dieses subjektive Empfinden, in einer lebenswerten Gemeinde zu leben, aber auch das von Ihnen, Herr Landeshauptmann, ange­sproche­ne Sicherheitsgefühl in der Gemeinde.

Es ist so, dass durch die gesamten Probleme, die ich im Vorfeld bereits aufgezeigt habe, den einzelnen Kommunen, den einzelnen Gemeinden, aber auch den Regionen zusehends der Rückhalt in der Bevölkerung verloren geht. Man sagt, da gibt es nichts, da habe ich kein wirtschaftliches Umfeld, da habe ich kein berufliches Umfeld, da sehen junge Leute keine Möglichkeiten, wenn es darum geht: Was mache ich am Abend, wo kann ich hingehen? Damit beginnt ein Prozess, der negativ für die Re­gionen ist, weil die Menschen aus den Regionen abwandern in die größeren Städte, zu attraktiveren Plätzen. Das ist ein großes Problem, weil mit dieser Abwanderungs­tendenz auch wieder die Problematik der finanziellen Aspekte, aber auch der kommu­nalen Stabilität einhergeht.

Vielleicht noch zwei Probleme, die hier anzusprechen mir noch erlaubt ist, weil es so treffend ist: Das eine betrifft Sie, Herr Landeshauptmann, ist auch von meinem Vorredner Bundesrat Temmel angesprochen worden, nämlich die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs.

Es wurde ja von Ihnen angekündigt, auch medial, dass man den Ausbau des Schienenverkehrs forcieren möchte, dass man hier Initiativen setzt. Wenn ich mir aber dann anschaue, was hinsichtlich des ÖBB-Anschlusses Oberwart passiert ist, wenn ich da sehe, dass viele Millionen Steuergelder in die Erneuerung des Bahnstrecken­abschnittes Oberwart–Großpetersdorf geflossen sind, wo es Fahrpläne gegeben hat, die dann schlussendlich alle verworfen wurden, weil diese Linie nie in Betrieb genommen wurde, dann denke ich mir, das ist vielleicht nicht so ein gutes Parade­beispiel für eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrs, noch dazu, wenn man weiß, dass die Gegenstrecke zwischen Oberwart und Friedberg von den ÖBB eingestellt wurde, weil sie sich gesagt haben, das rechne sich nicht. Erstaunlicherweise gibt es aber dort einen Privatbetreiber, weil es nach dem Güterverkehr dort so eine große Nachfrage gibt. Es gibt also nur einen Güterverkehr auf dieser Strecke, und die Strecke über Steinamanger ist ohnedies momentan nicht aufrecht.


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Also Oberwart – immerhin eine Stadt mit 7 000 oder ein bisschen mehr als 7 000 Einwohnern – quasi derartig abzuschneiden, das ist auch nicht gerade das, was ich mir erwarte, wenn es um öffentliche Anbindung geht, und vielleicht auch nicht das, was Sie uns hier zum Besten gegeben haben.

Das zweite Beispiel, das Sie hier angeführt haben, war die Frage der Sicherheit, die gerade auch im Zusammenhang damit zu sehen ist, dass wir wissen, dass wir einem momentan sehr starken Bedürfnis der Bevölkerung in Bezug auf das subjektive Sicherheitsgefühl nachzukommen haben – Stichwort: jüngste Kriminalitätsstatistik, die bei den Einbruchsdelikten und Eigentumsdelikten im Eigenheim- und Wohnungs­bereich eine Steigerung um 7,1 Prozent ausweist. Auch angesichts dessen ist die Botschaft der Frau Innenminister – da können Sie nichts dafür, Herr Landeshaupt­mann –, nämlich Posten zu schließen, immerhin 11 im Burgenland, wohl die falsche Ansage. Ich denke, hier geht es nicht darum, Polizei wirtschaftlich zu organisieren, sondern dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu entsprechen.

Eines ist klar: Man möchte mehr Sicherheit haben und möchte auch sicher sein, dass man in seinen eigenen vier Wänden keiner Gefahr ausgesetzt ist. Genau diesem Aspekt, diesem wichtigen, persönlichen Sicherheitsaspekt wird damit aber nicht Rech­nung getragen.

Ich komme zum Schluss – ich sehe, ich habe ohnedies schon zu lange geredet –: Starke Regionen – da bin ich ganz Ihrer Ansicht – sind nicht nur der Motor, sondern auch die Zukunft des Landes. Das brauchen wir – diese Erkenntnis teile ich auch mit Ihnen. Die Frage ist aber, wie wir das wohl angehen. Die EU alleine wird es nicht sein, auch wenn das Burgenland von der EU in der Vergangenheit sehr profitiert hat.

Abschließend noch ein Wort: Ich möchte mich auch anerkennend äußern über Ihre Feststellung, dass wir keine Vereinigten Staaten der EU haben wollen. Das ist nämlich auch meine Überzeugung, wobei Sie wissen, dass wir vonseiten unserer Fraktion der EU gegenüber allgemein sehr kritisch eingestellt sind – aber nicht grundsätzlich negativ, das möchte ich hier auch festhalten. Aber Kritik ist ein Zugang, der im Parlamentarismus wohl erlaubt sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.02


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Heide­linde Reiter. Ich erteile es ihr.

 


10.02.43

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Wertes Präsidium! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Herr Landeshauptmann! Werte Zuseher und Zuseherinnen an den Fernsehgeräten! Ich bin aufgefordert worden, hier kurz zu reden – ich werde mich darum bemühen.

Ja, die Entwicklung des Burgenlandes über die letzten Jahre und seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist bewundernswert. Wenn man sich aber anschaut, wie sich das Burgenland entwickelt hat, wie es diese grandiose Entwicklung geleistet hat, so muss man festhalten, dass die Grundlage dafür einerseits die Tüchtigkeit der Burgenländer und Burgenländerinnen und der dortigen Verwaltung ist, dass sie also in der Lage waren, entsprechende Projekte auf die Beine zu stellen, und auf der anderen Seite natürlich auch die Solidarität der anderen Bundesländer und der Bundesregierung und ihre Bereitschaft, dafür auch finanzielle Mittel im entsprechenden Ausmaß zur Verfü­gung zu stellen, denn die EU-Mittel müssen ja auch immer kofinanziert werden. Es ist also ein Zusammenwirken, es ist eine funktionierende Kooperation, die zu dieser guten Entwicklung geführt hat.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 26

Das ist natürlich auch die Herausforderung für die Zukunft: Wie gelingt es, ent­sprechende Kooperation herzustellen, weiterzuführen? Das ist der Spagat, die Heraus­forderung, vor der nicht nur Österreich mit seiner föderalistischen Struktur steht, sondern auch die EU als Ganzes. Was heißt Subsidiarität? Was heißt Kooperation und Austausch? – Das ist, denke ich, ein Prozess, der in ständiger Wandlung begriffen ist. Und das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen.

Der zweite Punkt, den ich mir aufgeschrieben habe und den Sie in diesem Zusam­menhang erwähnt haben, ist Überregulierung. Es geht also um die Frage: Was reguliere ich wo, und wie geht das bis nach unten? Und das heißt: Wie erhalte ich Gestaltungsspielraum vor Ort – der, denke ich, unbedingt notwendig ist, um auch das Potenzial vor Ort zu heben –, und andererseits, wie schaffe ich – etwa im Bereich Energiewende – übergeordnete Regulierungen und wie kommen diese bis nach unten?

Was man nämlich immer irgendwie verschweigt oder beiseiteschiebt, ist, dass wir eine interessante Mischform des Föderalismus haben. Wir haben nämlich einerseits fast einen hundertprozentigen Einnahmenzentralismus – da ist von Föderalismus eigentlich keine Rede –, andererseits aber einen sehr großen Ausgabenföderalismus, der auf einem sehr komplizierten System des Finanzausgleichs basiert. Und wie kompliziert und wie überreguliert – vielleicht auch in notwendiger Weise überreguliert – das ist, weiß jeder von uns, der viel damit zu tun hat im Bereich des Schulsystems, der Gesundheitsversorgung und in vielen anderen Bereichen.

Der Finanzausgleich wird in den nächsten Monaten beziehungsweise in den nächsten zwei Jahren wieder verhandelt werden müssen. Und ich denke oder wünsche mir, dass es dabei möglich ist, die Potenziale des Bundesrates entsprechend miteinzubringen, das in großer Transparenz zu machen und dabei wenn möglich in den nächsten Jahren auch einen Abbau der Überregulierung und eine Vereinfachung zu erreichen. Ich wünsche mir auch sehr, dass das nicht nur oder nicht fast ausschließlich auf Ebene der Landeshauptleute funktioniert und gemacht wird, sondern auch auf Ebene des Bundesrates und auch auf lokaler Ebene, dass es gelingt, hier sozusagen auch die lokalen Bedürfnisse entsprechend zu berücksichtigen und die lokalen Potenziale zu heben.

Ich wünsche mir überhaupt, dass das Wort „Reformföderalismus“ mit Leben erfüllt wird. Es ist schon viel daran gearbeitet worden – ich erinnere an den Österreich-Konvent und die Jahre danach –, aber wirklich geschehen ist dann nicht viel, und in der Um­setzung sind wir diesbezüglich nicht. Ich würde mir wünschen, dass hier die Um­setzung beschleunigt und verstärkt wird, und zwar dadurch, dass wir aufhören zu denken, das wird irgendwie von oben nach unten funktionieren, sondern dass sich das umdreht und diese Reform von unten nach oben geschieht. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, wir sollten erfahren und erheben: Was wünschen sich die Menschen vor Ort? Was können sie vor Ort beitragen? Welchen Gestaltungsspielraum wünschen sie sich? Und wie gelingt es, dieses Potenzial zu heben, zu nutzen? Und was brauchen wir dann an übergeordneten demokratischen Institutionen? Was heißt das für eine Stär­kung des Bundesrates? Was heißt das für übergeordnete Institutionen?

Ich würde mir wünschen, dass gerade der Bundesrat Träger einer solchen Reform ist, das heißt, sich abholt, was an Potenzialen unten vorhanden ist, und das organisa­torisch dann nach oben weiterträgt.

Ein Beispiel nur in diesem Bereich: die Energiewende. Es ist bewundernswert, was dort im Burgenland geleistet wurde und gelungen ist – auch mit grüner Beteiligung, darf ich hier sagen, auf die ich auch durchaus stolz bin!


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 27

Sie haben gesagt, NGOs wurden da ganz prominent eingebunden (Landeshauptmann Niessl: Ja!) und dadurch ist es auch gelungen, so viele Projekte durchzusetzen. – Nun, die Lage einer NGO in einem solchen Prozess: Viele NGOs haben ja inzwischen Parteistellung in Umweltverfahren, sind also anerkannte Umweltorganisationen. Eine solche NGO steht vor dem Problem, dass es in neun verschiedenen Bundesländern neun verschiedene gesetzliche Regelungen gibt – bezüglich des Umweltanwalts zum Beispiel, oder auch was die Regelungen im Naturschutz betrifft.

Wie schwierig ist es für eine Umweltorganisation, hier das entsprechende Know-how aufzubieten, sich dieses zu erwerben und mit diesen ganz verschiedenen Gesetz­gebungen in den Bundesländern dann auch entsprechend sinnvoll umzugehen – Stichwort Überregulierung! – Das, denke ich mir, ist Überregulierung, für die die EU nichts kann, sondern das ist sozusagen Überregulierung aufgrund unseres Föde­ralismus.

Ich denke, da gibt es viele Hausaufgaben, die zu erledigen sind. Ein anderer Bereich im Naturschutz ist jener der Natura-2000-Gebiete. Warum geht da nichts weiter? Warum ist es so schwierig? – Es ist in jedem Bundesland wieder anders geregelt, und wir kommen in diesen Bereichen nicht wirklich voran.

Ich würde mir wünschen, dass es da zu einem auch internen Abbau dieser Über­regulierungen kommt, zu sehr viel klareren, transparenteren Regulierungen. Für die Umsetzung, denke ich mir, brauche ich immer die Region, brauche ich das „vor Ort“. Das ist notwendig, und auch die demokratische Kontrolle dieser Umsetzungen brauche ich vor Ort – aber die Regeln dafür, denke ich mir, können durchaus in vielen Be­reichen überregional gemacht werden.

Nur noch ein Wort: Meine Damen und Herren, wenn es uns aber nicht gelingt, in allernächster Zeit das Ausplündern der Volkswirtschaften durch die Finanzwirtschaft zu beenden, werden diese ganzen Theorien oder das, worüber wir reden, Makulatur bleiben.

Schauen wir uns an, wie es in Griechenland zum Beispiel in den Regionen mit der Gesundheitsvorsorge und mit der gesundheitlichen Versorgung aussieht: Die Situation ist so, dass Inseln wie Ithaka kein Spital mehr und einen einzigen Arzt haben und dass es dreimal pro Woche eine Fährverbindung dorthin gibt. Dort gibt es keine – null! – Gesundheitsversorgung mehr vor Ort, weil eine Troika diesem Land einen Sparkurs aufoktroyiert hat (Ruf bei der ÖVP: Da kann aber das Burgenland nichts dafür!) – das hat nichts mehr mit demokratischen Verhältnissen zu tun – und es dadurch, durch diese Schuldenfalle sozusagen, zu einem kompletten Zusammenbruch gekommen ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Dem ist aber auch etwas vorausgegangen!)

Schauen wir uns auch die finanzielle Lage in unseren Bundesländern teilweise an: Wir haben hier ein großes Problem einer Schuldenfalle, und es geht um Fragen wie: Wie halten wir eine Gesundheitsversorgung, eine entsprechende Bildungsversorgung, eine Versorgung im öffentlichen Verkehr aufrecht? – Wenn es uns nicht gelingt, das Prob­lem dieser Überschuldung und dieser Ausplünderung der Volkswirtschaften durch eine überbordende Finanzwirtschaft zu lösen, dann bleibt das, was wir hier tun und wollen, Makulatur. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.12


Präsident Michael Lampel: Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann noch einmal das Wort erteile, möchte ich die Schülerinnen und Schüler der Volksschule Konstanzia­gasse aus Wien 22 mit ihren Lehrkräften ganz herzlich begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Landeshauptmann Hans Niessl. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 28

10.13.11

Landeshauptmann von Burgenland Hans Niessl: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich mache es ganz kurz. Ich möchte mich sehr, sehr herzlich dafür bedanken, dass ich eingeladen wurde und dass ich hier einige aus meiner Sicht wesentliche und wichtige Punkte ansprechen durfte. Ich darf mich auch sehr herzlich für die Debattenbeiträge der verschiedenen Fraktionen bedanken, bedanken auch deswegen, weil doch immer wieder zum Ausdruck gekommen ist, dass die Entwicklung meines Heimatlandes Burgenland eine sehr gute war.

Dass konstruktive Kritik natürlich auch ernst zu nehmen ist, ich glaube, das brauche ich nicht zu sagen, und dass im Burgenland und in den anderen österreichischen Bun­desländern und in den Regionen noch viel zu tun ist und dass wir uns über Reformen und Verbesserungen auf allen Ebenen, ob das die Gemeindeebene, die Landesebene oder die Bundesebene ist, permanent Gedanken machen müssen, ist auch klar. Aber wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, wie diese Systeme in Zukunft zu finanzieren sind, wie diese Systeme auch durch finanzielle Mittel abzudecken sind. Also bei allen Forderungen, die natürlich gestellt werden, steht auch eine Frage im Hintergrund: Wo kann man einsparen, um auch entsprechende Neuausgaben zu tätigen?

Nur noch kurz ein Blick in die Zukunft, denn die Zukunft ist ja das Entscheidende: Ich glaube, es ist ganz einfach so, dass sich Österreich, dass sich die Regionen, dass sich auch das Burgenland in Richtung mehr Forschung, Entwicklung und Innovation ent­wickeln muss, dass auch Gelder der Europäischen Union zur Verfügung gestellt wer­den, um diesen Weg der wissensbasierten Wirtschaft, der guten Ausbildung auch in Zukunft gehen zu können.

Das Nächste, das wir auch versuchen, ist eine noch stärkere Internationalisierung. Der internationale Wettbewerb ist da, und dafür muss man gerüstet sein. Da muss man eben innovativ sein, um bestehen zu können, um den Export weiter anzuheben, denn der Export schafft Arbeitsplätze im eigenen Land.

Zum „Jungen Wohnen“, das ebenfalls angesprochen wurde, haben wir Projekte laufen, wo man für 5 € pro Quadratmeter Miete oder unter 5 € pro Quadratmeter Miete jungen Menschen Wohnungen zur Verfügung stellen kann. Starter-Wohnungen mit 50 Qua­drat­metern, 55 Quadratmetern für eine Miete von unter 5 € pro Quadratmeter, ich glaube, das ist ein Wert, der nicht schlecht ist für junge Menschen – wobei wir alle Anstrengungen tätigen, indem wir entsprechende Förderungen, auch Wohnbeihilfen zur Verfügung stellen, um diese Quadratmeterpreise möglichst niedrig zu halten, und auf der anderen Seite auch keine Eigenmittel notwendig sind, um die Wohnung zu bekommen. Also das sind schon sehr wichtige und gute Ansätze. Und dass der Ortskern ein Anliegen ist, das ist ohnedies permanent der Fall.

Das Thema Abwanderung muss man sehr differenziert sehen, denn es wird die Ostregion zum Beispiel bis zum Jahr 2025 um 300 000 Menschen mehr haben. Zur Ostregion gehört nicht nur Wien, sondern dazu gehören auch weite Teile Niederöster­reichs und auch das Nordburgenland, und wir haben in all unseren Raumplanungen vorgesehen, dass wir für diese 30 000 bis 40 000 Einwohner, die wir im Nordburgen­land mehr bekommen, auch die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen werden; wir beginnen damit eigentlich schon jetzt.

Öffentlicher Verkehr: Gerade in dieser Region, rund um Wien, haben wir – zum Beispiel in Neusiedl, Bruckneudorf, Bruck an der Leitha – den höchsten Modal Split von ganz Österreich. Das heißt, der Pendleranteil, der den öffentlichen Verkehr in Anspruch nimmt, ist der höchste. Dass es im Burgenland und in sehr dünn besiedelten


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 29

ländlichen Gebieten eine ganz große Herausforderung ist, den öffentlichen Verkehr zu organisieren, ist auch klar, weil wir Ortschaften und Ortsteile mit 200, 300, 400, 500 Einwohnern haben. Da einen attraktiven öffentlichen Verkehr zu organisieren, ist natürlich eine spezielle Herausforderung. Für jeden einzelnen Ort oder Ortsteil wird uns das wahrscheinlich nicht gelingen. Da gibt es aber sehr innovative Gemeinden, die das zum Beispiel mit Anrufsammeltaxis, mit Gemeindebussen und so weiter zustande bringen, und ich hoffe, dass sich noch mehr Gemeinden – die vom Land natürlich gefördert werden, teilweise auch vom Bund – dazu entschließen, sicherzustellen, dass dieser öffentliche Verkehr ein möglichst attraktiver ist.

Man muss sich auch über die Lenkungs- und Steuerungseffekte Gedanken machen. Weil der Güterverkehr Oberwart auf der Schiene angesprochen wurde: Der Güter­verkehr Oberwart hat in den vergangenen Jahren 130 000 Tonnen pro Jahr betragen und ist jetzt auf 35 000 Tonnen zurückgegangen. Insofern verlagert sich also sehr viel auf die Straße und nicht auf die Schiene, und da bedarf es auch grundsätzlicher Überlegungen. Und dass das Unternehmen sagt, wenn wir 130 000 Tonnen haben, dann können wir fahren, aber irgendwann kommt einmal der Punkt, dass wir nicht mit leeren Güterzügen fahren können, das ist auch klar. Also irgendwo gibt es Grenzen, und irgendwo muss man definieren: Wann ist ein Zug ein Zug? Wie viele Leute sollen dort fahren? – Für jeden Einzelnen werden wir keine eigene Zugsverbindung machen können. Da muss man, glaube ich, dann in die Richtung arbeiten, kreative Konzepte zu entwickeln – mit Mikroverkehr, mit Gemeindebussen, mit Anrufsammeltaxis.

Was die Sicherheit betrifft – ich habe gesagt, beide Minister, die für Sicherheit zuständig sind, die Innenministerin und der Verteidigungsminister, waren gestern im Burgenland –, so darf ich auch dazusagen: Das ist nicht einfach, weil wir im Burgen­land sehr exponiert liegen, aber wir haben die zweithöchste Aufklärungsquote aller österreichischen Bundesländer. Insofern ist also die Sicherheit für uns ein ganz wesentlicher und wichtiger Bereich. Ich habe schon eingangs gesagt, wo die inter­nationalen Schlepperrouten verlaufen, und die zweithöchste Aufklärungsquote zeigt, dass die Exekutive sehr, sehr erfolgreich arbeitet. Und wenn man argumentiert, ihr habt, auf die Einwohnerzahl gerechnet, die meisten Polizisten, dann liegt der Grund dafür auch darin, dass wir Aufgaben für die Republik, für den Ballungsraum Wien und so weiter übernehmen und in diese Richtung auch weiterhin intensiv, in Kooperation mit den zuständigen Bundesstellen, arbeiten werden.

Wichtige Themen wurden hier angesprochen, ich nehme diese auch mit. Wir machen uns permanent Gedanken darüber, wie wir in diesem umfassenden Bereich für die Men­schen Verbesserungen erreichen können.

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, hier zu sprechen, und wünsche Ihnen noch einen guten Sitzungsverlauf. (Allgemeiner Beifall.)

10.20


Präsident Michael Lampel: Herr Landeshauptmann, herzlichen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

10.20.38Aktuelle Stunde


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 30

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Die aktuelle Lage in der Ukraine“

mit dem Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz, den ich ganz besonders herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin, ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt, sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Es folgt wieder eine Rednerin, ein Redner pro Fraktion sowie anschließend eventuell eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit einer Redezeit von jeweils 5 Minuten. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm das Wort und mache noch einmal darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.

 


10.21.52

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir alle wissen, dass am 16. März auf der Krim ein sogenanntes Referendum stattgefunden hat, in dem sich 96,7 Prozent der dortigen Bevölkerung für einen Anschluss an die Russische Föderation ausgesprochen haben. Am 21. März wurden die Krim und Sewastopol offiziell Subjekte der Russischen Föderation. Ich denke, in diesem Saal ist wohl niemand anwesend, der die Völker­rechts­widrigkeit dieser Vorgangsweise bezweifelt, auch die Europäische Union hat diese Vorgangsweise scharf verurteilt und nicht anerkannt.

Die aktuellen Ereignisse, die in der Ukraine zu beobachten sind – etwa die Erstürmung von Verwaltungsgebäuden in Donezk, Lugansk und Charkiw –, geben weiterhin Anlass zur Beunruhigung. Was die Situation nicht leichter macht, ist, dass die Ukraine sehr nachhaltig von Gaslieferungen aus der Russischen Föderation abhängig ist. Das macht die sozioökonomische Lage natürlich nicht leichter und beinhaltet selbstverständlich Potenzial für weitere Destabilisierungen.

Es ist ganz klar, dass Österreich nur das Interesse haben kann, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, auf dem Verhandlungsweg zu einer Beruhigung der Situation beizu­tragen, und natürlich sind insbesondere auch die internationalen Organisationen aufge­rufen, ihren Beitrag zu leisten. Ich denke, dass die Bemühungen der OSZE unter der Schweizer Vorsitzführung in die richtige Richtung gehen. Der Ständige Rat der OSZE hat am 21. März die Einrichtung einer OSZE-Monitoring-Mission beschlossen, die die Schwerpunkte im Bereich der Menschenrechte, insbesondere betreffend die Ange­hörigen nationaler Minderheiten, setzt. Ich glaube, es ist ohnehin eine Selbstverständ­lichkeit, dass Österreich diese OSZE-Bemühungen unterstützt.

Hervorheben möchte ich – auch als ehemaliges Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – in diesem Zusammenhang die Rolle des Europa­rates. Der österreichische Außenminister ist bekanntlich gegenwärtig Vorsitzender des Ministerkomitees, und es hat am 26. Februar eine Sondersitzung zur aktuellen Lage in der Ukraine stattgefunden. Dabei ist, wie ich glaube, sehr klar hervorgekommen, dass der Europarat bedeutende Hilfestellungen geben kann, insbesondere was die Bereiche Verfassungsreform, Justizreform, aber auch Wahlrechtsgesetzgebung betrifft.

Herr Bundesminister Kurz war mit dem Generalsekretär des Europarates Jagland in Kiew und ist dort mit den Spitzen der ukrainischen Politik zusammengetroffen. Er hat die Initiative gesetzt, ein internationales Advisory Panel zu schaffen, das natürlich insbesondere die Aufarbeitung der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Fokus


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hat. Ich denke, dass die österreichische Außenpolitik da auf einem sehr guten Weg ist, dass wir die Rolle, die wir als neutrales Land in einer solchen Situation spielen können, unter der Führung des österreichischen Außenministers Kurz sehr gut erfüllen, und ich darf ihm für alle weiteren Bemühungen, die anstehen, nur das Allerbeste wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.27


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Vize­präsidentin Mag. Kurz. – Bitte.

 


10.27.29

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wohl selten hat eine Aktuelle Stunde diese Aktualität gehabt, die sie heute mit diesem Thema hat, vergeht doch kaum ein Tag, an dem es nicht wieder zu neuen Entwicklungen in der Ukraine kommt; diese neuen Entwicklungen müssen natürlich immer wieder neue Reaktionen auf verschiedensten Ebenen hervorrufen. Mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen, dass Österreich dabei keine unwesentliche Rolle spielt, deshalb bin ich froh, dass wir heute die Gelegenheit haben, mit unserem Außenminister über dieses Thema hier im Bundesrat zu diskutieren.

Ich erinnere daran, dass die Beziehungen zu den östlichen Nachbarländern, zu denen auch die Ukraine gehört, seit 2009, als das Konzept der Östlichen Partnerschaft ge­schaffen wurde, stets einer Weiterentwicklung bedurft haben. Dazu gehörten auch immer die Assoziierungsabkommen, deren Sinn es ist, die schrittweise Integration der betroffenen Länder in den Wirtschaftsraum der EU voranzutreiben, einschließlich der Errichtung einer umfassenden und vertieften Freihandelszone.

Wie wir alle wissen, kam das geplante Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nicht zustande, weil die Ukraine kurz vor dem betreffenden Gipfeltreffen die Vorbereitungen für die Unterzeichnung suspendiert hat. Die daraufhin im November 2013 ausge­brochene politische Krise in der Ukraine hat im Februar 2014 zum Sturz von Präsident Janukowitsch und seiner gesamten Regierung geführt. Russland hat weder den neuen interimistischen Präsidenten noch die neue Regierung anerkannt. Im Osten des Landes, insbesondere auf der Krim, kam es unter der russischsprachigen Bevölkerung zu Demonstrationen und nach russischem Einschreiten zu einem Verlust der staat­lichen ukrainischen Kontrolle über die Krim.

Die Rolle des Europarates wurde schon von meinem Vorredner angesprochen, des­halb darf ich darauf hinweisen, dass der Überwachungsausschuss des Europarates – im Europarat wird ja gerade zu dieser Stunde über diese Situation diskutiert – dazu sagt, dass die Maßnahmen der Russischen Föderation, die zur Annektierung der Krim geführt haben, ohne jeden Zweifel eine Verletzung des Völkerrechts darstellen. Die widerrechtliche Annektierung des Gebietes durch die Russische Föderation hat daher keinerlei rechtliche Gültigkeit und wird vom Europarat auch nicht anerkannt.

In der Folge dieser Ereignisse beschloss die Europäische Union im Rahmen eines Sondertreffens der Staats- und Regierungschefs am 3. März dieses Jahres in Brüssel einen dreistufigen Sanktionsplan, der in Reaktion auf die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland in Kraft treten soll. Sind wirtschaftliche Sank­tionen der Stufe drei erst dann anzuwenden, wenn Russland sein aggressives Ver­halten fortsetzt – wobei wir alle natürlich hoffen, dass das nicht eintritt –, so sind die beiden ersten Stufen mittlerweile aufgrund der weiteren Entwicklungen umgesetzt. Sie umfassen unter anderem Reisebeschränkungen sowie das Einfrieren von Vermögen ukrainischer und russischer Personen, die für die Verletzung der territorialen Integrität


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direkt verantwortlich gemacht werden. Beim Treffen des Europäischen Rates am 21. und 22. März 2014 wurde ein Aussetzen der russischen Mitgliedschaft in der G 8 beschlossen sowie der kommende Russland-EU-Gipfel abgesagt. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der politische Teil des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine ist bereits unterzeichnet, wodurch sich die Ukraine zur Einhaltung europäischer Werte verpflichtet. Ein umfangreiches Hilfspaket, um den drohenden ökonomischen Zusam­menbruch der Ukraine hintanzuhalten, wurde seitens der EU in Aussicht gestellt. Der handelsrelevante Teil des Assoziierungsabkommens soll zu einem späteren Zeitpunkt unterzeichnet werden, wobei die EU aber bereits einseitig Handelserleichterungen für die Ukraine beschlossen hat.

Auch die schrittweise Umsetzung der Visafreiheit ist angedacht, wobei ich einen leisen Appell an Sie, Herr Minister, richte, dass wir von unserer üblicherweise eher restrik­tiven Haltung in der Frage der Visafreiheit ein bisschen abrücken. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass Visafreiheit den Menschen, den einzelnen Menschen direkt zugutekommen könnte und wir hier in Österreich ein weiteres Zeichen setzen könnten, dass wir wirklich auch an den einzelnen Menschen in der Ukraine interessiert sind und nicht nur an den wirtschaftlichen Entwicklungen, die natürlich sehr wesentlich sind.

Die Ukraine ist ja Österreich näher, als so mancher denkt; auch Herr Landes­haupt­mann Niessl hat das schon betont, wobei er die Entfernung vom Burgenland weg gerechnet hat. Ich stelle fest, dass die Ukraine nur 430 Kilometer von Wien entfernt ist, was ja wirklich keine große Entfernung ist, und dass wir sehr viel investiert haben. Es wurden Bankenkredite in zweistelliger Milliardenhöhe vergeben, und österreichische Unternehmen haben viele Milliarden in der Ukraine investiert.

Nicht zuletzt deshalb hat der Herr Außenminister – und dafür bedanke ich mich – seine neue Stabsstelle für Strategie und Planung beauftragt, quasi ein Perspektivenpapier auszuarbeiten, das folgende Fragen beantwortet: Was kann geschehen? Was können wir dazu beitragen? Wie kann die Entwicklung in der Ukraine vorangetrieben wer­den? – Wir haben also in Österreich quasi aktiv Einfluss ausgeübt und üben diesen auch weiterhin aus, was ich durchaus begrüße.

Der Zeitung „Die Presse“ war zu entnehmen, dass der Kern des Plans eigentlich ein Ausweg aus diesem permanenten Spannungsfeld zwischen West und Ost, in dem sich die Ukraine befindet, sein soll. Es soll ein Weg entwickelt werden, der die Ukraine in die Lage versetzt, nicht nur auf dem Standpunkt „entweder Europa oder Russland“ zu stehen, sondern es soll ein Sowohl-als-auch geben. In Zukunft soll also sowohl eine Zusammenarbeit mit Europa wie auch eine Zusammenarbeit mit Russland möglich sein.

Dieser Plan umfasst im Wesentlichen vier Punkte, die ich nur kurz anspreche; ich gehe davon aus, dass der Herr Außenminister selbst noch näher darauf eingehen wird. Der Plan umfasst den Bereich Bündnisfreiheit, ja, es ist sogar über Neutralität gesprochen worden. Ich denke, wir können durchaus stolz darauf sein, dass zwei Berater des österreichischen Außenministeriums in die Ukraine eingeladen wurden, um sozusagen unsere Entwicklung und unsere Vorstellungen, wie es zu einer Neutralität eines solchen Landes kommen kann, darzustellen.

In einem zweiten Punkt geht es natürlich um Wirtschaft, um einen maßgeschneiderten Europäischen Wirtschaftsraum Ost nach dem Vorbild, wie ich sehe, des Europäischen Wirtschaftsraumes, worüber mit Sicherheit noch langwierigere Verhandlungen bevor­stehen. Auch ein Freihandel von Lissabon bis Wladiwostok ist angedacht, wobei der Ukraine zukünftig ermöglicht werden soll, nicht nur mit der EU, sondern auch mit Russland Handelsabkommen zu schließen, und das soll sich nicht widersprechen.


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Für mich sehr wesentlich ist der Punkt der Überwindung der Gräben, die innerhalb des Landes bestehen, zwischen Ost und West. Es ist sicherlich Aufgabe der inter­nationalen Gemeinschaft und somit auch Österreichs, diese Gräben überwinden zu helfen. Ich glaube, dass dieses Überwinden der Gräben innerhalb des Landes ein wesentlicher Punkt sein wird, um die Stabilität des Landes in Zukunft zu gewährleisten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der neuen Eskalation im Osten der Ukraine ist nun die Sorge vor einem russischen Einmarsch wiedergekehrt. Das kann natürlich zu einer weiteren Destabilisierung des Landes führen, und das muss Europa, das muss auch Österreich verhindern, und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, die auf internationaler Ebene bestehen. Gespräche dazu sind ja bereits in Vorbereitung.

Ziel muss es sein, in der Ukraine zu einer Rechtsstaatlichkeit zu kommen, dass die Institutionen wirklich korrekt gewählt werden und dass es zu einer ebenso korrekten Regierungsbildung kommt. Die Ukraine – und das dürfen wir nicht vergessen – ist ein multiethnischer Staat, daher darf es nie wieder zu Gesetzen kommen wie unmittelbar nach der Revolution, als die russische Sprache quasi ausgeschlossen wurde.

Fakt ist, dass einige Regionen mehrheitlich von russischsprachigen Menschen be­wohnt sind, daher brauchen wir wirklich stabile Minderheitenrechte. Umgekehrt sind natürlich auf der Krim die Ukrainer in der Minderheit, und es bestehen momentan arge Bedenken über ihre Minderheitenrechte. In keinem Fall darf es einen Rückfall in den Kalten Krieg geben.

Ein Frieden in Europa ist ohne Russland nicht möglich, dessen müssen wir uns be­wusst sein. Daher müssen wir – und ich weiß, Herr Minister, dass das auch Ihr Schwerpunkt ist – weiterhin auf den Dialog setzen. Österreich kann und soll dabei eine wichtige Rolle spielen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Parlamentarische Versammlung des Europarates ist der Ansicht, dass Russland durch die Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine eine Bedrohung für Stabilität und Frieden in Europa geschaffen hat. Herr Landeshauptmann Niessl hat in seiner Rede am Morgen bereits darauf hingewiesen, wie wichtig in diesem Zusammenhang die EU ist, das größte Friedensprojekt im zentraleuropäischen Raum. Ich richte deshalb, werte Zuse­herinnen und Zuseher, einen Appell vor allen Dingen an Sie: Am 25. Mai wird das Europäische Parlament neu gewählt. Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch, und setzen Sie damit ein Zeichen, wie wichtig die EU und der damit verbundene Erhalt von Frieden und Souveränität auch für uns Österreicherinnen und Österreicher sind! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.38.15

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Ich finde es schon interessant – nach den ersten Reden, vor allem jener von Herrn Vizepräsidenten Himmer –, dass man sich über das Referendum auf der Krim so aufregt. Nach dem Referendum, das ja pro Russland ausgegangen ist, hat Putin gesagt: Okay, die Krim gehört jetzt zu Russland! – Das findet man besorg­niserregend – gut, kann man ja –, aber auf der anderen Seite wird mit keinem Wort erwähnt, dass die Demonstranten in Kiew Verwaltungsgebäude, Ministerien et cetera besetzt haben. Das war keine Erwähnung wert, da war man weniger besorgt.


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Die Demonstranten, das waren nicht die friedlichen, besorgten Menschen, die sich spontan zu einer Demonstration zusammengeschlossen haben. Wir wissen mittlerweile aus verschiedensten Videoaufnahmen, dass dort Gewalt ganz gezielt eingesetzt worden ist, und zwar gegen die Polizisten, die gar nicht schwerst bewaffnet waren; auf sie wurde aber mit Molotow-Cocktails und Steinen geworfen. Das erinnert mich ein bisschen an die Wiener Situation beim Akademikerball (Bundesrätin Kurz: Na geh, was soll denn der Vergleich?! Also wirklich!), wo ja auch die friedlichen Demonstranten, die diesen Ball nicht wollen, mittels Schwarzem Block (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das zeigt schon eine gewisse Geisteshaltung, auch quer durch Europa.

Es wird von Ihrer Seite immer völlig verharmlosend von den friedlichen Demonstranten allerorten gesprochen, aber wir müssen leider feststellen, dass die „friedlichen“ Demonstranten äußerst gewaltbereit und gewalttätig sind. Daher ist der Vergleich durchaus rechtens, zumal wir das hier am eigenen Leibe erlebt haben, wie das ist. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Fall aber keine Erwähnung, keine besorgte Meinung über gewalttätige Demonstranten, die das erzwungen haben! Janukowitsch – sagen Sie es doch, wie es ist! –, ein rechtmäßig gewählter Präsident, über den man sagen kann, was man will, von dem man halten kann, was man will, den man nicht gut finden muss, der unter dem Regime Julia Timoschenkos absolut, völlig legal und demokratisch an die Macht gekommen ist, Janukowitsch ist nicht abgewählt worden, er ist weggeputscht worden. Er ist nicht abgewählt worden, sondern das war ein Putsch. Und das finde ich auch nicht in Ordnung. Dahin gehend sollten Sie vielleicht auch Ihrer Besorgnis Ausdruck verleihen, dass das am Rande Europas möglich ist. Aber davon höre ich von Ihnen überhaupt nichts, das ist für Sie offensichtlich völlig normal. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn man das jetzt nicht gutheißen mag, was Putin gemacht hat, dürfen wir eines nicht ganz vergessen: In der Ukraine, zumindest in weiten Teilen der Bevöl­kerung, die sich sehr proeuropäisch gegeben hat, gab es auch Kräfte, die einen NATO-Stützpunkt auf der Krim haben wollten. Dass Putin das nicht zulassen wollte, kann man in gewisser Weise verstehen. Russland ist zwar heute nicht mehr der Feind wie im Kalten Krieg, aber eine gewisse Gegnerschaft zwischen den USA und Russland ist nach wie vor immer noch irgendwo vorhanden.

Putin hat also Fakten geschaffen. Gut, man kann sagen, auch nicht in Ordnung, aber das, was dahintersteht, kann ich zumindest in einer gewissen Weise schon verstehen.

Ich möchte Sie alle daran erinnern, dass die Schenkung von Chruschtschow im Jahr 1954 auch kein Akt des Völkerrechts war. Aus einer Laune heraus – es gibt verschiedenste Spekulationen, warum er das gemacht hat – hat er die Krim der Ukraine geschenkt. Wo war damals die Empörung allerorten? Wo haben alle gesagt, das ist ein völkerrechtswidriger Akt? – Darüber ist auch nichts bekannt. Also wird hier schon gerne mit zweierlei Maß gemessen. Ich plädiere heute schon dafür, ein bisschen mehr die Kirche im Dorf zu lassen.

Dass die Krim eine strategische Position im Schwarzmeerraum hat, ist wohl unbe­stritten, sage ich Ihnen schon auch.

Ich bin kein USA-Feind, aber gerade die USA haben nicht so eine wahnsinnige Berech­tigung, mit der Moralkeule um sich zu schlagen, denn wenn es um ihre strategischen Interessen geht, sind die Amerikaner auch nicht so sehr mit dem Völkerrecht vertraut. Ich möchte nur daran erinnern, als sie in Panama einmarschiert sind. Ich glaube, das war in den Achtzigerjahren. Damals haben sie auch zuerst Noriega unterstützt. Er hat aber nicht so getan, wie sie wollten – um es jetzt sehr vereinfacht zu sagen –, daraufhin haben die USA ihre Linie komplett gedreht, sind dort einmarschiert und haben es auch zugegeben, dass das die Einflusssphäre vor ihrer


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Haustür ist und sie daher dort für Recht und Ordnung sorgen wollen. Wo war denn da der Aufschrei? Wo waren da Sanktionen des Europarats? – Davon habe ich auch nichts gehört. Also auch hier: Es wird wirklich sehr gerne mit zweierlei Maß gemessen.

Was können wir jetzt tun? – Auch ich bin der Ansicht, Frau Kollegin Kurz, da sind wir nicht so weit auseinander, ein friedliches Miteinander kann nur mit Russland und nur auf Augenhöhe mit Russland erfolgen. All die Sanktionen, die die EU jetzt verhängt hat, bitte nicht bös sein, aber die dienen mehr der eigenen Beruhigung nach dem Motto: Wir tun etwas, wir sind uns einig, jetzt zeigen wir es den Russen. – Die Russen werden sich sehr „fürchten“, davon bin ich überzeugt. Also wir haben sicher mehr Nachteile als sie. Sie dürfen nicht vergessen, Russland hat mit China einen starken Partner, Russland hat einen strategischen Partner im Bereich des Islam mit dem Iran, und die zwei sind auch gut miteinander, und wir sind vom Erdgas abhängig. Die Russen werden, wie gesagt, wahnsinnig beeindruckt sein von unseren Sanktionen.

Die Visa-Erleichterung gilt, soweit ich das gelesen habe, ohnehin nur für Journalisten und NGOs. Was die ukrainische Bevölkerung, der einfache Mann, wie wir hier in Österreich gerne sagen, davon hat, hätte ich jetzt gerne gewusst. Ich durchblicke das nicht, aber vielleicht wissen Sie da mehr als ich. Die EU hat halt die Muskeln spielen lassen, weil man das für das eigene Selbstverständnis braucht, aber den Russen wird das relativ wurscht sein.

Wenn man aber weiß, dass im Osten der Ukraine 70 Prozent der Bevölkerung nur russisch sprechen – die sprechen gar nicht ukrainisch, die sprechen nur russisch – und sich der Osten der Ukraine, gäbe es ein Referendum, mit größter Wahrscheinlichkeit, wie Experten glauben, eher den Russen als der Ukraine zugehörig fühlt und da auch Ukrainer und Krimtataren mit dabei wären – nimmt man an –, könnte man doch einmal darüber nachdenken, ob man dem Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht auch dort freien Raum lassen kann. (Bundesrat Schreuder: Bei der Krim war es aber nicht frei!) – Aber wir reden jetzt von der Ukraine insgesamt, und da gehört das auch dazu. Wir sprechen nicht nur von der Krim. Falls Ihnen das entgangen sein sollte, Herr Kollege Schreuder, mache ich Sie darauf aufmerksam!

Ganz sicher – und darauf muss die EU, glaube ich, wirklich Bedacht nehmen – können Verhandlungen nur mit den Russen und nicht gegen sie und auch auf gleicher Augenhöhe geführt werden. Und ja, ich unterstütze jede Bestrebung, die dahin geht, dass es dort zu einer friedlichen Lösung kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

10.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.46.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Jetzt beneide ich die Kollegen Himmer und Kurz, dass sie vor Frau Mühlwerth reden durften. Ich möchte mich aber, ehrlich gesagt, auch gar nicht lange aufhalten, ich kann nur hoffen, dass die Freiheitliche Partei nie zu einer außenpolitischen Verantwortung in diesem Land kommt. Das ist die einzige Analyse, die ich anstellen möchte. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Äpfel mit Birnen zu vergleichen hat noch nie funktioniert, muss ich ganz offen sagen. Das Referendum auf der Krim quasi als legitim darzustellen, dazu muss man sagen: Wenn Soldaten ohne Abzeichen ein Land besetzen, ist das völkerrechtswidrig. Punkt! Darüber braucht man gar nicht mehr weiterzudiskutieren. Daher ist auch jedes Referen­dum und alles, was unter Druck von Soldaten ohne Hoheitsabzeichen passiert, nicht legitim. Daran führt kein Weg vorbei. (Bundesrat Brückl: Das ist typisch Grün! –


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Bundesrätin Kurz: Das ist Völkerrecht, nicht Grün!) Das ist Völkerrecht, so ist es! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Deswegen möchte ich jetzt wieder auf das eigentliche Thema, das uns alle beschäftigt, zu sprechen kommen, nämlich auf die Situation in der Ukraine, und versuchen, wieder etwas Ernsthaftigkeit in diese Debatte hineinfließen zu lassen.

Es ist überhaupt keine Frage, dass außenpolitisch jetzt Feuerwehr gespielt werden musste, wo man schon länger prophylaktisch hätte agieren können. Es ist schon seit der Orangen Revolution – Sie waren damals noch nicht Außenminister, Herr Bun­desminister Kurz, ich war damals noch nicht Bundesrat, wir tragen dafür auch keine Verantwortung in dem Sinne –, es ist schon bei der Orangen Revolution 2004 sichtbar gewesen, dass es in der Ukraine eine ganz starke Spaltung gibt, und zwar eine Spal­tung zwischen proeuropäischen Kräften und prorussischen Kräften. Jetzt könnte man noch weiter zurückgehen und fragen: Wo ist eigentlich die Idee, die einmal Gor­batschow gemeinsam mit Mitterand und Kohl und so weiter entwickelt hatte, nämlich die Idee eines „Hauses Europa“? Wohin ist diese Idee eigentlich ver­schwunden? Wie kann es sein, dass wir jetzt in einer Situation sind, dass auch innerhalb von Europa Russland nicht mehr dazugehört, wenn es „proeuropäisch“ heißt, sondern Russland sozusagen auf der anderen Seite steht? Das ist ein sehr bedauerlicher Prozess, den man auch noch genauer analysieren sollte, wofür uns jetzt natürlich die Zeit fehlt.

Aber die Ukraine ist auch deshalb so wichtig, auch wenn wir jetzt Feuerwehr spielen, weil sie natürlich beispielgebend für viele andere Regionen und Länder innerhalb Europas ist. Ich denke jetzt zum Beispiel an die Republik Moldau mit Transnistrien, das auch eine russische Bevölkerung hat. Ich denke beispielsweise auch an Georgien, wo es auch schon zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen ist, bei denen beide Seiten keine schöne Rolle gespielt haben.

Wie so oft in Konflikten spielen beide Seiten meist keine gute Rolle, und man muss das eine oder andere differenziert sehen. Natürlich gab es auch Gewalt am Majdan-Platz, natürlich gab es auch rechtsextreme Kräfte, die sich hineingespielt haben (Bundesrat Brückl: Und die regieren jetzt dieses Land!), aber ich weigere mich und würde das niemals tun, eine Revolution, bei der ein Großteil absolut friedlich demonstriert, sofort als zur Gänze gewaltbereit darzustellen, wie das von meiner Vorrednerin gemacht worden ist. Somit müsste man im Nachhinein auch die Französische Revolution ableh­nen. Das kann ja wohl nicht Sinn und Zweck unserer politischen Auseinandersetzung sein.

Meine Damen und Herren, es gibt Wege, und wir müssen vor allem Wege finden, wie wir aus dieser Krise herauskommen. Diese Wege führen natürlich über die Ukraine, haben allerdings vor allem mit der Europäischen Union zu tun, haben mit der inter­nationalen Gemeinschaft zu tun und haben natürlich und vor allem auch mit Russland zu tun, denn ohne Russland wird es keine friedliche Lösung für die Ukraine, für die Republik Moldau, für Georgien und für das, was man früher „Haus Europa“ genannt hat, geben.

Harte Worte, einen Krieg der Worte über Sanktionen und so weiter hat es gegeben, das war – Politik ist auch emotional – auch kein Wunder, allerdings ist jetzt natürlich wieder die Zeit gekommen, Diplomatie in den Vordergrund zu rücken, was ja auch geschieht. – Das ist einmal Punkt eins, der umgesetzt werden muss.

Wenn man eine aktive Neutralitäts- und Friedenspolitik Österreichs haben will, kann das auch bedeuten, dass Österreich dabei eine ganz besondere Rolle spielen kann. Österreich ist ja bei der OSZE, Österreich ist Teil der Europäischen Union, Österreich ist im Europarat, und genau das sind auch die richtigen Instrumente, die eingesetzt werden müssen, um zu einer Lösung zu kommen. Die Vereinten Nationen gehören


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natürlich auch dazu, aber bei den Vereinten Nationen, das wissen wir alle, gibt es nun einmal ein Problem: Es gibt eine Vetomacht, und die heißt Russland.

Wichtig für die Ukraine werden die Vorbereitungen für demokratische Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sein, eine legitime Regierung, die wieder in Kraft tritt. Auch das ist eine besondere Herausforderung für die OSZE. – Das wäre der zweite Punkt, der ganz wichtig wäre für die Zukunft der Ukraine.

Der dritte Punkt, und darin kann Österreich durchaus als Beispiel dienen, ist, dass man der Ukraine eine Bündnisfreiheit vorschlägt. Österreich war nach dem Krieg selbst einmal eingezwängt, sage ich einmal, zwischen zwei Interessenkonflikten und hat es, wie wir alle wissen, sehr erfolgreich geschafft, mittels Neutralität und Bündnisfreiheit eine Brückenfunktion innezuhaben; eine Idee, die man der Ukraine mitteilen, mitgeben kann.

Der vierte Punkt, der ganz wesentlich ist, ist, dass die Menschen- und die Minder­heitenrechte gewahrt bleiben, sowohl und vor allem in der jetzt von Russland okku­pierten Krim, vor allem – und die sind noch nicht genannt worden – was die Krim­tataren betrifft. Die Krimtataren haben eine schreckliche Geschichte hinter sich, und zwar immer dann, wenn sie unter russischer/sowjetischer Besatzung gestanden sind. Damals gab es ethnische Säuberungen auf der Krim. In Zeiten, als die Krim zur Ukraine gehörte, gab es dort nie irgendwelche ethnischen Säuberungen, weder gegen Russen noch gegen die Krimtataren. Es gab sie in Zeiten der russischen und der sowjetischen Zeit. Diese Minderheitenrechte muss man ganz besonders betrachten – auch für die russische Bevölkerung der Ukraine und auch für alle anderen Minder­heiten in der Ukraine. Darüber hinaus gehört sicherlich auch dazu, dass die Gewalt, die es gegeben hat, auch auf dem Majdan-Platz, aufgeklärt wird, auch unter internationaler Beobachtung.

Über das zukünftige Verhältnis der Europäischen Union zu Russland könnte man eine eigene Aktuelle Stunde machen, allein das wäre wahrscheinlich eine sehr interessante und lohnenswerte Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt. Wenn man die OSZE in der Ukraine haben will, muss auch Russland das wollen.

Der Status der Minderheiten auf der Krim – ich habe es schon erwähnt –, ebenso die Staatsbürgerschaftspolitik Russlands, die Menschenrechtspolitik Russlands müssen thematisiert werden. Wir haben diese Diskussionen schon im Vorfeld von Sotschi sehr stark gehabt, aber man denke beispielsweise an NGOs, die in Russland nicht arbeiten können. Wenn sie international vernetzt sind und auch Gelder fließen, was bei internationalen Organisationen oft so ist, dann gelten sie schon als westliche Agenten und können in Russland nicht arbeiten. Das ist einfach ein Problem, das man an­sprechen muss.

Ein Thema, das man einfach ansprechen muss und das in Zukunft ein ganz wesent­liches Thema sein wird, das wir noch viel stärker werden behandeln müssen, ist selbstverständlich die Energiepolitik. Ich rede jetzt nicht nur von der Energiepolitik in der Ukraine – die ist ja schon genannt worden –, von der starken Abhängigkeit der Ukraine von russischem Gas, nein, sondern auch wir in Österreich sind enorm abhän­gig von russischem Gas. Über 60 Prozent unseres Gases kommen aus Russland. Und Russland, das muss man auch ganz klar sagen, ist wirtschaftlich auch von seinem Gas- und Ölexport abhängig. Also so, wie wir von Russland abhängig sind, ist in Wahrheit Russland auch von uns, von unserem Kauf sozusagen abhängig.

Mein Großvater, das ist ein echter Rotterdamer gewesen, hat einmal den schönen Satz gesagt: Völker, die miteinander Geschäfte machen, führen keinen Krieg. (Bundesrätin Kurz: Sollte man meinen!) – Das stimmt leider nicht immer, aber der pragmatische


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Ansatz ist natürlich in gewissem Maße schon auch richtig. Es kann nicht im Interesse Russlands sein, dass es zu einer Verschärfung, zu einer Verhärtung und zu einer noch härteren Auseinandersetzung zwischen der Europäischen Union – dem sogenannten Westen, sage ich einmal – und Russland kommt. Das kann nicht im Interesse Putins sein, das kann nicht im Interesse der russischen Bevölkerung sein, und es kann auch nicht im Interesse der russischen Bevölkerung sein, dass die Wirtschaftskraft des Landes ausschließlich von Gas abhängig ist. Man nennt das in der Wirtschaftssprache im Übrigen die „Holländische Krankheit“, weil genau das den Niederlanden einmal passiert ist: dass der Export nur über Gas gelaufen ist. Wenn dieser Markt dann einmal zusammenbricht, ist nichts anderes da. Das ist keine nachhaltige Wirtschaft.

Allerdings ist die hauptsächliche Abhängigkeit von einem Staat auch keine Zukunfts­perspektive Österreichs in der Energiepolitik. Daher, und das sage ich als Grüner immer besonders betont, ist Energiepolitik, ist die Energiewende, sind energieautarke, nachhaltige Konzepte, die zu entwickeln sind, nicht nur eine ökologische Frage bezüglich des Klimawandels, sondern vor allem eine außenpolitische Entscheidung. Das betrifft nicht nur Russland, das betrifft viele Länder dieser Welt, die autokratisch regiert werden und von deren Energieexport wir abhängig sind.

In diesem Sinne, Herr Außenminister, möchte ich sagen, ich glaube, dass die Krise in der Ukraine hier in diesem Haus und auch überall sonst in Österreich keine partei­politische Frage ist – vielleicht mit einer Ausnahme –, sondern dass wir alle gemein­sam an einer Lösung interessiert sind. Die Ukraine ist sehr nah an Österreich, ist ein unmittelbarer Nachbar Österreichs, wir haben auch historische Bande zur Ukraine. Die Ukraine ist uns wichtig, das müssen wir ganz klar und auch immer wieder sagen, und wir sollten alle gemeinsam im Interesse eines „Hauses Europa“, an das ich immer noch glauben möchte, an einer Lösung arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

10.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


10.58.29

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Ich darf mich ganz herzlich für die Möglichkeit bedanken, mit Ihnen heute die Außenpolitik und im Speziellen die Situation in der Ukraine zu besprechen. Wir haben in der Ukraine in den letzten Monaten eine Entwicklung erlebt, die wir wahrscheinlich alle nicht hätten vorhersehen können. Auch wenn man im Nachhinein versucht, sich zu überlegen, welche Fehler begangen worden sind, welche Handlungen vielleicht verzichtbar ge­wesen wären und welche Handlungen man hätte setzen müssen, kann, glaube ich, niemand so anmaßend sein und sagen, er hätte das kommen gesehen.

Wir haben in Österreich stets versucht, eine ausgleichende Haltung einzunehmen. Wir haben in den letzten Monaten stets versucht, den Kontakt und die Gespräche in den Vordergrund zu rücken, und wir haben auch stets versucht, über unsere Möglichkeit, eines von 28 Ländern in der Europäischen Union zu sein, hinaus aktiv zu sein.

Ehe ich auf unsere Tätigkeit eingehe und Ihnen beschreibe, was wir im Europarat an Beitrag leisten, welche Haltung wir innerhalb der Europäischen Union einnehmen und was wir bilateral versuchen, darf ich vielleicht nur einige Punkte aufgreifen, die Frau Bundesrätin Mühlwerth angesprochen hat.


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Ich teile die Einschätzung von eigentlich fast allem, was heute hier gesagt worden ist, aber da ist mir doch einiges aufgefallen, das ich nicht unbedingt so stehen lassen möchte.

Sie haben – und da, glaube ich, bin ich als ÖVP-Politiker unverdächtig – versucht, Kiew und Wien zu vergleichen. Ich glaube, dass das alles andere als angebracht ist. Ich habe selbst den Majdan besucht. Es sind dort hundert Menschen zu Tode gekom­men, es sind nach wie vor die Baracken, Zelte und die Müllberge, die als Schutzwall verwendet worden sind, dort, und es ist nach wie vor eine sehr düstere Stimmung, wenn man am Majdan unterwegs ist.

Wir haben Gespräche mit der Zivilbevölkerung geführt, und ich habe den Eindruck bekommen, dass die Wunden, die da aufgerissen worden sind, noch sehr lange offen sein werden und dass eine Befriedung des Landes und auch eine Befriedung von Kiew, das Wiedererlangen eines gewissen Glaubens in die politischen Instanzen und die politische Führung des Landes noch sehr, sehr lange brauchen werden, und viele Kräfte werden einen Beitrag leisten müssen, damit das überhaupt möglich ist.

Sie haben auch das Referendum angesprochen. – Zum Referendum möchte ich vielleicht nur eines sagen: Unabhängig davon, ob man jetzt das Völkerrecht genau nimmt und ob man es darauf anlegt, festzuhalten, dass gemäß der ukrainischen Verfas­sung so ein Referendum eigentlich gar nicht möglich ist, weil es gar nicht vorgesehen ist, also selbst wenn man das alles ausklammert, kommt man doch zu einem Punkt, wo man Folgendes festhalten muss: Wie waren denn die Rahmenbedin­gungen dieses Referendums?

Es hat gläserne Wahlurnen gegeben. Die Stimmzettel waren zwar vorhanden, aber es gab keine Kuverts für die Stimmzettel. Vor allen Gebäuden, in denen die Wahl durch­geführt wurde, standen russische Soldaten, die mit Maschinengewehren ausgestattet waren. Die Krimtataren und viele andere Gruppen haben sich gar nicht getraut, an der Abstimmung teilzunehmen, weil ihnen das Sicherheitsrisiko zu groß war.

Und wenn man es dann genau wissen will, dann sollte man sich auch einmal die Fragestellung anschauen. Bei der Fragestellung war nämlich die Auswahlmöglichkeit relativ begrenzt. Es war nicht möglich anzukreuzen, dass die Krim einfach ein ganz normales Gebiet der Ukraine bleibt.

Insofern: Das Ergebnis mit 96 Prozent und auch die österreichischen FPÖ-Beobachter, die dort waren, in allen Ehren, aber ich habe großes Verständnis dafür, dass die Euro­päische Union, der Europarat, die OSZE, die Venedig-Kommission und alle anderen internationalen Organisationen der Meinung sind, dass dieses Referendum klar rechtswidrig war. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Was können wir tun oder wo können wir uns einbringen? – Wir haben im Moment eine glückliche Rolle, nämlich den Vorsitz im Europarat, der uns die Möglichkeit gibt, nicht nur eines von 28 europäischen Ländern zu sein, nicht nur die EU-Position mitzubestim­men, sondern darüber hinaus auch Initiativen zu setzen. Und ich bin froh, dass es uns gelungen ist, den Vorsitz sehr aktiv anzulegen und gemeinsam mit Generalsekretär Jagland in einigen Punkten auch proaktiv zu helfen.

Wir haben gemeinsam mit der ukrainischen Regierung vereinbart, dass die Verbrechen am Majdan durch eine breit aufgestellte Kommission aufgeklärt werden sollen. Es gibt einen Vertreter der Regierung, einen Vertreter der Opposition und einen Vertreter des Europarats, die in diesem Board nun gemeinsam an der Aufklärung der Verbrechen am Majdan arbeiten – ein, wie ich glaube, ganz wichtiges Signal an die Zivilbe­völkerung und, wie ich darüber hinaus glaube, ein ganz wichtiger Schritt, um auch die Spaltung in der ukrainischen Bevölkerung wieder ein Stück weit wiedergutzumachen.


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Ein zweiter Bereich, wo wir eine Initiative gesetzt haben, ist die Situation der Minder­heiten. Wir haben ganz bewusst Minderheitenbeobachter in die Ukraine geschickt. Diese durften nicht auf die Krim, sie haben sich aber dennoch einen Überblick über die Situation verschaffen können. Sie haben in einem Bericht festgehalten, dass die Situation der Minderheiten in der Ukraine nicht bedenklich ist und dass es auch keinen Grund zur Sorge um die russischsprachige Minderheit in der Ukraine gibt. Sie konnten leider Gottes nicht auf die Krim vorrücken, haben aber durchaus ein Gespräch mit Angehörigen von Krimtataren und Vertretern von Krimtataren außerhalb der Krim geführt und leider Gottes feststellen müssen, dass sie die Situation der Krimtataren als durchaus besorgniserregend einstufen würden.

Der dritte Punkt, den wir vereinbart haben, und ich glaube, der ist auch sehr ent­scheidend, war die Anrufung der Venedig-Kommission zum Referendum auf der Krim. Wie schon ausgeführt, ist die Stellungnahme da sehr eindeutig ausgefallen.

Der vierte Punkt, den wir vereinbart haben, ist die Unterstützung der Ukraine, was die Qualität der Gesetze betrifft. Auch das, glaube ich, ist ganz entscheidend. Und so bin ich froh, dass der Europarat Expertise zur Verfügung stellt, um die Qualität der Ge­setze zu verbessern. Diese Initiative ist vom Parlament, aber auch vom Justizminis­terium dankend aufgenommen worden.

Der letzte Punkt, den wir vereinbart haben, und auch der, glaube ich, ist für eine langfristig positive Situation der Ukraine entscheidend, ist die Verfassungsreform. Auch da arbeitet der Europarat mit und stellt Expertise zur Verfügung. Die Arbeiten daran haben bereits begonnen.

Über unsere Vorsitztätigkeit hinaus haben wir aber auch versucht, die Meinung in der Europäischen Union mitzugestalten. Wir haben uns da stets, und ich werde das weiter­hin tun, dafür ausgesprochen, möglichst lang auf Gespräche zu setzen. Wir haben uns zwar nicht gegen Sanktionen verwahrt, aber wir haben stets betont, dass Sanktionen die letzte Möglichkeit sein sollten. Der Plan der Staats- und Regierungschefs sieht vor, dass die Wirtschaftssanktionen die potenziell dritte Stufe sind, und ich glaube, wir alle sollten diese Wirtschaftssanktionen nicht herbeisehnen, denn so viel steht fest: Sie hätten sicherlich ihre Wirkung in Russland, aber sie würden auf der anderen Seite auch uns direkt treffen. (Bundesrätin Kurz: Genau!)

Wir haben nach wie vor die Hoffnung, dass es eine friedliche Lösung in der Ukraine gibt. Das positive Signal ist, dass sich auch Russland nun auf Verhandlungen im Rahmen einer Kontaktgruppe eingelassen hat. Das negative Signal ist, dass die Tendenzen in der Ostukraine sehr negativ sind. Es gibt sehr viele Demonstranten, die von russischer oder zumindest russischsprachiger Seite bezahlt werden, 7 € am Tag dafür bekommen, dass sie demonstrieren gehen, Gebäude besetzen und für Unruhe im Osten der Ukraine sorgen.

Insofern gibt es positive und negative Entwicklungen zugleich, und wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob eine friedliche Lösung möglich ist. Wir tun jedenfalls alles, um solch eine Lösung zu erreichen.

Der dritte Punkt, wo wir neben der Tätigkeit im Europarat und neben dem sich Ein­bringen in der Europäischen Union eine Möglichkeit haben, einen Beitrag zu leisten, ist natürlich auch im bilateralen Kontakt mit der Ukraine. Wir haben ganz bewusst einen Beitrag geleistet, was Know-how im Neutralitätsbereich betrifft. Die Ukraine ist an uns herangetreten, weil es selbstverständlich neben der Idee eines potenziellen NATO-Beitritts auch in der Ukraine Ideen in Richtung einer Blockfreiheit, einer Bündnisfreiheit oder vielleicht sogar einer Neutralität gibt. Da liefern wir gerne Know-how und sind in engem Kontakt mit der Ukraine.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 41

Ich möchte aber auch hier festhalten, dass die Entscheidung, wie sich die Ukraine militärisch positionieren möchte, eine Entscheidung ist, die selbstverständlich von der Ukraine selbst getroffen werden muss. Und wir können auch nicht versuchen, der Ukraine diesbezüglich eine Positionierung aufzudrängen. Was wir tun können, ist, unsere Erfahrungen zu schildern und auch die Vorteile einer Bündnisfreiheit oder Neutralität vor den Vorhang zu holen.

Darüber hinaus setzen wir uns aber auch dafür ein, dass das wirtschaftliche Block­denken irgendwann ein Ende hat. Die Neutralität oder die Blockfreiheit würde nur den militärischen Bereich betreffen und wäre somit nur die halbe Miete. Die darüber hinausgehenden Fragen sind natürlich: Wird die Ukraine Teil der Europäischen Union? Wie ist das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Russland? Und gibt es eine Eurasische Zollunion, die stets im Widerspruch zur Europäischen Union steht?

Da ist unserer Meinung nach der richtige Ansatzpunkt, mittelfristig auf eine Frei­handelszone hinzuarbeiten, an der auch Russland teilhaben kann, weil das nicht nur eine Möglichkeit für die Europäische Union und Russland wäre, näher aneinander­zurücken, sondern es wäre meiner Meinung nach auch eine Möglichkeit, dass Länder wie die Ukraine, Moldau und Georgien nicht hin- und hergerissen sind zwischen einer europäischen oder einer russischen Positionierung. Damit Länder wie die Ukraine mittelfristig auch wirtschaftlich überlebensfähig sind, brauchen sie meiner Meinung nach nicht nur ein näheres Heranführen an die Europäische Union, sondern auch die Möglichkeit, mit regionalen Partnern wie Russland zusammenzuarbeiten. Meiner Mei­nung nach sollten wir in der Europäischen Union alles tun, um diesen Ländern auch diese Möglichkeit zu bieten. Wir sollten daher nicht nur Verhandlungen zum Asso­ziierungsabkommen führen, sondern parallel dazu auch Gespräche mit Russland aufnehmen, um ein Ende dieses Blockdenkens anzustreben.

In diesem Sinne haben wir uns die letzten Wochen und Monate eingesetzt und haben auch vor, das in der nächsten Zeit so fortzuführen. Ich danke Ihnen für die Möglichkeit der Diskussion heute und freue mich auf eine weitere Debatte. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmer und Teilnehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Edgar Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.10.24

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Ausführungen von Frau Mühlwerth einen Satz. Der Herr Minister war ja sehr zurückhaltend und diplo­matisch, so wie es ein Außenminister auch sein soll. Aber, Frau Kollegin Mühlwerth, die Vorgänge rund um den Akademikerball jetzt in die Nähe der Ereignisse auf der Krim zu bringen angesichts der Hunderten Verletzten und mehr als 100 Todesopfer, das ist schon etwas, was man überhaupt nicht vergleichen kann. Dieser Vergleich, Frau Mühlwerth, ist schlicht und einfach geschmacklos. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Das ist auch wieder einer dieser typischen freiheitlichen Vergleiche. Ich hätte jetzt gedacht, wir haben doch in den letzten Wochen und Monaten genug „herumgemöl­zert“. Irgendwann müsste doch einfach einmal Schluss damit sein. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Mühlwerth: ... ist ein Vergleich!)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 42

Ich möchte auch als Mitglied des Europarates, der heute wegen der aktuellen Situation bei uns im Bundesrat nicht in Straßburg sein kann – Kollege Schennach vertritt uns ja dort –, erwähnen, dass Österreich, wie der Minister schon gesagt hat, diesen Vorsitz in hervorragender Art und Weise genutzt hat, um Österreich dort in ein besonderes Licht zu rücken, aber vor allem auch bei aktuellen Anlässen, wie jetzt bei der Krim, wie in der Ukraine, entsprechend mitzuwirken.

Es wurde erwähnt, dass der Herr Minister mit Generalsekretär Thorbjørn Jagland in der Ukraine war, um dort Dinge zu besprechen, wo es um die Zustimmung zu den Unter­stützungsangeboten ging, und da zeigt sich auch, dass der Europarat in gewissen Situationen durchaus seine Berechtigung hat und dass die europäische Staaten­gemeinschaft da auch auf die Dienste des Europarates entsprechend zurückgreifen kann.

Der Herr Minister hat auch im Europarat eine viel beachtete und viel diskutierte Rede zur Lage in der Ukraine gehalten und auch auf andere Menschenrechtssituationen Bezug genommen. Man sieht also, wie das kleine Land Österreich im Rahmen dieses Vorsitzes im Europarat in Straßburg aufzeigt. Das ist hervorragendes Management, Herr Minister, und dafür möchte ich auch im Namen der Parlamentarischen Versamm­lung des Europarates herzlich Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es hat sich auch herausgestellt, dass die Europäische Union, die Staatengemeinschaft auch in einer noch nie dagewesenen Form ihre außenpolitischen Möglichkeiten aufge­zeigt hat. Das ist auch ein Novum im Rahmen der europäischen Gemeinschaft. Da hat man Russland deutlich die Stirn geboten, da hat man Russland auch deutlich vermittelt und erklärt, wie weit die Europäische Union da mitreden und mitbestimmen möchte. Man geht wohl sorgsam, aber sehr bestimmt mit Russland um und hat gewisse Sanktionen verhängt. Es sind weitere Wirtschaftssanktionen geplant, die sind sozu­sagen in der Pipeline, können abgerufen werden. Aber auch ich bin der Meinung, dass man jetzt abwarten und auch schauen soll, was sich in den Ostregionen der Ukraine tut.

Wir wissen, dort ist sozusagen das Pulverfass aufgemacht und dort gibt es wilde Auseinandersetzungen im Bereich Donezk, Luhansk und Charkiw und schon ein kleiner Funke kann dieses Pulverfass entzünden. Dort ist also auch gutes Management gefragt, und da ist auch Russland aufgefordert sich zurückzuhalten.

Nun ist mir eines schon klar, und das ist auch logisch: Wenn es auch in diesen Regionen, die stark von Russen bewohnt werden, Abstimmungen gäbe, dann würden selbstverständlich auch diese Regionen zu Russland kommen. Und wie geht es dann weiter? Auch in den baltischen Staaten ist ein großer Anteil der Bevölkerung russisch. Das würde dann einen Flächenbrand entzünden, und dann würde sich Russland sozusagen Stück für Stück des Gebiets des alten Russland zurückholen.

Es besteht also größter Handlungsbedarf, und da ist auch Diplomatie gefordert – nicht nur von der EU, vom Europarat, von den USA, sondern auch von uns. Und ich bin sehr dankbar, Herr Minister, dass du deine Möglichkeiten und die Möglichkeiten, die Österreich hat, so hervorragend einsetzst.

Es gibt ja auch deinerseits ein Positionspapier – die Medien haben das dann einmal auf vier Punkte reduziert, aber da gibt es natürlich weit mehr –, wo es auch um die Neutralität geht, um Bündnisfreiheit. Bezüglich der Neutralität hast du von einem Know-how-Transfer gesprochen. Wir sind natürlich gerne bereit, mit unseren Erfahrungen, was die Neutralität anbelangt, Hilfe zu leisten. Und es geht auch, wie schon ange­sprochen, um einen Wirtschaftsraum Ost, darum, dass wir auch die folgenden Möglich­keiten sondieren: Wie ist die Ukraine wirtschaftlich überhaupt aufgestellt? Hat die


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Ukraine die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu überleben, und wie können wir als Österreich oder als Europäische Union da Hilfestellung leisten? Da geht es ja auch um sehr viel Geld, das wir momentan kaum oder nur schwer zur Verfügung haben. Man denke nur daran, was schon alles in Richtung Griechenland fließt und was natürlich im Bereich der wirtschaftlichen Unterstützung auch an andere Mitgliedsländer der EU geflossen ist. Also das wäre dann ein Fass ohne Boden.

Alleine die Schulden, die die Ukraine gegenüber Russland schon jetzt hat, kolportiert man mit 2 Milliarden €. Das ist tatsächlich eine schwierige wirtschaftliche Situation.

Kollege Schreuder hat es angesprochen: Es geht da natürlich auch um massive Interessen, was die Energieversorgung anbelangt. Die Pipelines – oder die meisten davon – führen natürlich quer durch die Ukraine, und auch wir werden so mit Gas beliefert. Und wenn Russland den Preis derart in die Höhe treibt, dass ihn sich die Ukraine nicht mehr leisten kann, dann gibt es natürlich die Gegenforderung, dass die Pipelines abgestellt werden. Also das würde auch den Wirtschaftsraum Europa, Mitteleuropa, insbesondere auch Österreich in gewisser Form beeinträchtigen. Wir hatten diese ganze problematische Situation ja vor einigen Jahren zur Kenntnis zu nehmen. (Vizepräsident Himmer: Bitte zum Schluss zu kommen!) – Herr Präsident, das Licht leuchtet nicht. (Vizepräsident Himmer: Ja, es funktioniert nicht, darum sage ich es jetzt!) – Danke. Dann komme ich zum Schluss. (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling.)

Ich darf mich nochmals beim Herrn Minister für das Engagement bedanken, das er an den Tag gelegt hat, als kleines Land Österreich so stark im Rahmen des Europarates aufzuzeigen.

Heute ist noch eine Abstimmung im Europarat, das sei abschließend bemerkt, wo es darum geht, Russland auch das Stimmrecht im Europarat wegzunehmen. Ich würde davor warnen, Russland praktisch auszuschließen, denn wenn Russland aus dem Europarat draußen ist, dann ist es sozusagen auch nicht mehr vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erfassen. Wir wissen ja, die Menschenrechts­situation in Russland ist alles andere als besonders hervorzuheben. Wir wissen, dass da sehr viel im Argen liegt, und deshalb würde ich als Mitglied des Europarates davor warnen.

Mit Russland, aber nicht gegen Russland ist diese Ukraine-Krise zu lösen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf den kommenden Rednern die Empfeh­lung geben, vielleicht mit einem Blick auf die Uhr die Minuten im Gefühl zu behalten. Das Licht leuchtet nur mehr ganz müde.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Taucher zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.18.37

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident, danke für den Tipp! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir diskutieren heute in der Aktuellen Stunde die Situation in der Ukraine. Es wurde bereits vieles gesagt. – Ich möchte noch auf ein paar geschichtliche Fakten hinweisen, weil ich glaube, wenn man die aktuelle Situation oder den Übergang eines Landes auf diplomatischem Wege beurteilen will, dann muss man auch ein bisschen auf die Geschichte schauen.

Wenn wir bei der Ukraine genauer hinschauen, dann sehen wir, dass die Ukraine faktisch eine dreihundertjährige Geschichte gemeinsam mit Russland hat. Sie war in Kerngebieten fast 300 Jahre im Zarenreich. Auch nach der Revolution in Russland,


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nach 1917, ist die Ukraine wieder als Sowjetrepublik bei Russland gewesen, auch nach 1945. Da hat es immer Aufstände gegeben, Niederschlagungen der Aufstände, Versuche der Selbständigkeit, aber es gibt eine sehr, sehr lange Geschichte mit Russland.

Wir haben heute auch schon gehört, es gibt einen großen russischen Bevölkerungs­anteil in der Ukraine, und es wird hauptsächlich Russisch gesprochen, bis in die Hauptstadt hinein.

Das heißt, wir müssen auch beachten, was passiert ist, als der Eiserne Vorhang gefallen ist, als die DDR zu Deutschland gekommen ist. Damals hat Kohl den Russen versprochen: keine NATO-Stützpunkte in der DDR, keine neuen NATO-Stützpunkte. Ein paar Jahre später war das obsolet. 200 Kilometer weiter östlich gab es dann NATO-Stützpunkte mit dem Beitritt von Polen und so weiter. Die Russen haben daher sicher auch Sorge, wenn wir ihnen etwas versprechen, wenn Verträge gemacht werden, das dann aber ein paar Jahre später, wie die nahe Geschichte zeigt, nicht eingehalten wird.

Wenn jetzt im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Ukraine auch Forde­rungen der NATO auftauchen, dann ist das meiner Ansicht nach auch kein guter Verhandlungspunkt. Ich meine, auf internationalem diplomatischem Bankett geht es immer darum, auf Augenhöhe zu verhandeln, die Geschichte – die Geschichte Russ­lands mit der Ukraine und die Geschichte Russlands mit Europa – und die Ver­sprechen mit zu bedenken. Daher ist es, glaube ich, unbedingt notwendig, alle öster­reichischen und europäischen Plattformen zu nutzen, um da eine diplomatische Lösung in Richtung eines neutralen Staates, eines unabhängigen, blockfreien Staates zu finden.

Ich denke, ein neutraler Staat würde am stärksten dafür bürgen, dass in der Ukraine kein NATO-Stützpunkt errichtet wird, wodurch praktisch im Herzen Russlands NATO-Waffen stationiert würden. Russland braucht, glaube ich, diese Sicherheit in Bezug auf die Ukraine, in Bezug auf Europa und auch in Bezug auf den nordatlantischen Militärpakt.

Österreich hätte da gute Karten. Es ist heute hier schon gesagt worden: Wir haben großartige Erfahrungen als neutraler Staat, als Verhandlungsboden für internationale Verhandlungen. Auch die nahe Geschichte zeigt das. In Österreich wurden schon sehr viele Erfolge erzielt.

Wir brauchen also keine NATO-Drohungen in Richtung Ukraine. Wir brauchen in der Ukraine relativ rasch demokratische Wahlen, damit es dort eine demokratisch legitimierte Regierung gibt und nicht die ganze Zeit über im Raum schwebt: Putsch, geputschte Regierung, nicht demokratisch gewählt!, und nicht das eine gegen das andere ausgespielt wird. Sobald es in der Ukraine ordentliche, beaufsichtigte Wahlen gibt und dann eine durch Wahlen legitimierte Regierung, haben wir auch einen Verhandlungspartner. Und dann müssen wir versuchen, Russland an den Tisch zu bringen.

Es ist heute gesagt worden, Länder, die wirtschaftliche Verbindungen oder Bezie­hungen miteinander haben, führen nicht gegeneinander Krieg. Ich glaube, da sind Europa und vielleicht auch Österreich auf einem Auge etwas blind, denn wir sollten doch die Pipelines sehen, die Russland in Richtung China baut. Das zeigt, dass Russland seine wirtschaftlichen Beziehungen in ganz andere Richtungen ausbaut. Auch die Nordpipeline und die Pipeline durch das Schwarze Meer, durch die 120 Mil­liar­den Kubikmeter Gas, glaube ich, transportiert werden können, zeigen, dass Russ­land die Ukraine als Gastransitland irgendwann nicht mehr brauchen wird. – Das rote Licht hier am Rednerpult blinkt schon.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 45

Deswegen müssen wir Russland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch diplomatisch akzeptieren, mit seiner Geschichte akzeptieren und schauen, dass wir gemeinsam, auf Augenhöhe, mit unserem Nachbarn – Russland ist ein Nachbar der EU – gute Verhandlungen führen und zu einem für die Zukunft wirklich tragfähigen Kompromiss bezüglich der Ukraine kommen.

Die Ukraine könnte als blockfreier oder neutraler Staat wirklich eine Brücke sein zwischen Europa, wo Europa mit der Ukraine handelt und diplomatische Beziehungen pflegt, und Russland, wo auch russische Interessen gewahrt werden, und so sozu­sagen eine Synapse zwischen der EU und Russland sein.

Daher abschließend – das Licht leuchtet schon, die Technik funktioniert wieder – meine Bitte, aus politischer Sicht die Verhandlungen in die Richtung zu führen, dass die Ukraine ein selbständiger, völkerrechtlich akzeptierter Staat ist, die dortigen Wah­len und die Verfassungsbemühungen zu unterstützen und damit sozusagen eine gute diplomatische Lösung zu finden. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dörfler.)

11.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Michalke. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.24.50

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Vizepräsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehgeräten! Die Situation wurde, wie ich meine, heute bereits umfassend erklärt.

Herr Bundesminister Kurz, ich bedanke mich bei Ihnen. Sie als junger Mensch, der offensichtlich am ersten Tag so richtig ins kalte Wasser geschmissen wurde – aber so lernt man bekanntlich am besten schwimmen –, meistern aus meiner Sicht Ihre Rolle bisher hervorragend und legen Wert auf diplomatisches Vorgehen.

Bei der Lektüre der internationalen Medien haben mich in den letzten paar Tagen ein paar Punkte aber doch ein bisschen zum Nachdenken gebracht, und diese möchte ich hier einfach in den Raum stellen.

Ich habe in einer Zeitschrift das Zitat gelesen: „Sicherheit, Frieden, Freiheit“, und unter diesen drei Punkten habe die EU ihre gesamte Energiepolitik neu zu überdenken. Im weiteren Text des Artikels kam sogar zutage, dass man sich wieder die Nutzung der Atomenergie überlegen muss, allein deshalb, um von den Gaslieferungen aus Russ­land unabhängig zu sein. – Diese Stellungnahmen in internationalen Zeitschriften haben mich sehr beunruhigt.

Ein zweiter Bericht, ein Aufruf aus der NATO, Europa solle aufrüsten, wo Rasmussen ganz klar die EU-Regierungen auffordert, mehr Geld für ihre Verteidigung auszu­geben. – Soll jetzt also die EU im Verbund mit der NATO eine neue Militärmacht gegen Russland werden, oder wie ist das zu verstehen?

Es stellt sich natürlich schon die Frage: Lässt sich Putin von den durch die USA und die EU angedrohten Sanktionen beeinflussen oder sogar einschüchtern? – Ich be­fürchte, eher nicht.

Und da möchte ich einen Punkt ansprechen, der heute auch noch nicht genannt wurde: Die Sanktionen, die die EU in diesem Bereich ausgesprochen hat, sind für mich etwas scheinheilige Sanktionen. Denn sollten diese Sanktionen tatsächlich durchgeführt werden, dann braucht sich Russland eher weniger zu fürchten als EU-Staaten. Man braucht sich nur die wirtschaftlichen Verflechtungen, die Bankenverflechtungen in der


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Ukraine anzuschauen. Viele europäische und auch österreichische Banken haben in der Ukraine und in Russland bereits Milliarden eingesetzt. Sollte es dort sozusagen zu einem Crash kommen, dann sehe ich für diese Banken äußerst schwarz und frage mich, ob sie dann überhaupt noch bilanzieren können. Russland würde mit Sicherheit durch die Sanktionen Schaden nehmen, aber ich weiß nicht, ob es sich tatsächlich vor den Sanktionen so fürchtet.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt ist natürlich – no na ned – die wirtschaftliche Situation. Österreichische Firmen haben mit der Ukraine und auch mit Russland hervorragende Wirtschaftsbeziehungen. Gerade bei den Olympischen Spielen in Sotschi hat man gesehen, dass fast zwei Drittel der Bautätigkeiten von österreichischen Firmen – im Vergleich zur Schweiz – durchgeführt werden konnten. Das ist ein sehr guter Standort für österreichische Firmen.

Ich finde es ein bisschen schade, dass die kleine Schweiz jetzt diese Vermittlerrolle einnimmt. Ich hätte mir gewünscht, dass Österreich unter Ihrer Führung, Herr Außen­minister, diese Vermittlerrolle eingenommen hätte. Das wäre noch das Sahne­häubchen auf der diplomatischen Vorgangsweise in dieser sensiblen Angelegenheit gewesen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Zelina. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.29.38

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegen! Auch aus meiner Sicht machen Sie, sehr geehrter Herr Außenminister, bisher in dieser international sehr heiklen Situation einen prima Job, bravo, gutes Krisenmanagement! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

Es sind genau diese Diplomatie und die Neutralität, die derzeit notwendig sind, um die Krise rund um die Ukraine zu deeskalieren und wieder Stabilität herzustellen.

Die Krise innerhalb der Ukraine hat sich zu einer Krise zwischen der EU und Russland ausgeweitet. Die EU kann man aber nicht mit Russland vergleichen, denn die EU hat keine so eindeutige, starke Führung. Die EU besteht aus 28 Mitgliedstaaten, und man sollte nicht vergessen, dass hinter der EU insbesondere die USA und die NATO den Ton angeben. Die EU sollte sich daher da nicht zu Überreaktionen hinreißen lassen.

Bei jedem Konflikt geht es letzten Endes um wirtschaftliche Fragen. Russland ist der drittgrößte Handelspartner der EU, und die EU ist der größte Handelspartner Russlands. Die EU braucht Russland, und Russland braucht die EU. Wir sollten den wechselseitigen Wirtschaftsbeziehungen hohe Priorität einräumen. Die Sicherheit der Energieversorgung der EU durch russisches Gas und Öl darf nicht gefährdet werden. Die Politik soll die Wirtschaft nicht in Geiselhaft nehmen. Jede Verhängung einer Sanktion gegenüber Russland ist für die EU kontraproduktiv. Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland würden auch Österreich stark treffen, insbesondere den Raiff­eisen­sektor. Wir sind in Russland sehr engagiert, auch in der Ukraine, wir haben ein großes Exposure. Und auch Handlungen der internationalen Banken, den Rubel zu schwächen, sind für unsere Exportwirtschaft sicher nicht zu gebrauchen.

Die Krise muss diplomatisch, durch Dialog und weitere Gespräche gelöst werden. Die Ukraine als Staat zu erhalten sollte Priorität haben – aber nicht um jeden Preis.

Nicht jede Ehe hält auf Dauer, nicht jeder Staat hält auf Dauer.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 47

Für die Tschechoslowakei war die Teilung des Landes letzten Endes eine gute Lösung, ebenso für das ehemalige Jugoslawien.

Geschichtlich betrachtet gibt es keine ewigen Staaten. Auch der Zerfall der öster­reichisch-ungarischen Monarchie, zu der Galizien, Lemberg, auch ein Teil der heutigen Ukraine, gehörten, ist ein gutes Beispiel dafür.

Ein Staat ist nicht mehr als eine temporäre Organisation der Menschen und Bürger, mit welcher diese ihr gemeinsames Wohl verwirklichen wollen.

Nicht die Staaten sind souverän, wie das der deutsche staatsrechtliche Positivismus des 19. Jahrhunderts lehrt, sondern die Menschen als Bürger sind souverän.

Wenn wir vom Weltraum aus die Erde betrachten, dann sehen wir keine Grenzen. All das ist Menschenwerk, durch Menschenvereinbarungen geschaffen, und diese Gren­zen können auch jederzeit wieder durch Vereinbarungen geändert werden.

Es gibt kein Recht von Staaten und schon gar nicht von Staatsorganen, ihre Existenz gegen den Selbstbestimmungswillen der Menschen und Bürger zu behaupten. Die Bürger sollen im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker per Volksabstim­mung selbst entscheiden, in welchem Staat sie leben.

Wir haben hier hinter dem Präsidium die burgenländische Flagge. Auch in unserer Geschichte gab es eine Abstimmung, durch welche die deutschsprachigen Teile zu Österreich kamen.

Und genau diese kulturelle Identität, das Zusammengehörigkeitsgefühl, das ja in erster Linie durch gemeinsame Sprache, gemeinsame Geschichte, gemeinsame Religion, gemeinsame Werte entsteht, ist wichtig.

Auch die Ukraine ist kein unberührbares politisches Gebilde, das mit allen Mitteln erhalten werden muss. Vielleicht ist auch die Teilung der Ukraine in ein russisch­sprachiges und ein ukrainischsprachiges Gebiet letzten Endes die beste Lösung für alle Beteiligten. – Danke.

11.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

11.34.57Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2740/AB bis 2743/AB beziehungsweise

jenes Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungs­gesetz betreffend Amtsenthebung der Bundesministerin ohne Portefeuille MMag. Dr. Sophie Anna Karmasin-Schaller und deren gleichzeitige Ernennung gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zur Bundesministerin für Familien und Jugend und

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Absatz 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen

über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Minis­ter­rat von Bosnien und Herzegowina über wissenschaftlich-technologische Zusam­menarbeit,

über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien über soziale Sicherheit sowie


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im Rahmen der Diplomatischen Konferenz der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation zur Änderung des Abkommens über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 10)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesministerin ohne Portefeuille gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz sowie gleichzeitige Ernennung zur Bundesministerin für Familien und Jugend gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz:


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*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Absatz 5 B-VG:


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*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weiters gebe ich bekannt, dass ein Schreiben des Ministerialdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bun­desministers für Finanzen Dr. Michael Spindelegger vom 10. bis 13. April 2014 in Washington bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Inneres Mag. Jo­hanna Mikl-Leitner mit dessen Vertretung sowie

ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend dessen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingelangt sind.

Das Schreiben des Bundeskanzlers betreffend dessen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 61

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt zur Vorberatung den Ausschüssen zugewiesen wurden:


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 62

Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers im Bundeskanzleramt an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2013/14 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG, zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus,

EU-Arbeitsprogramm 2014; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres an das österreichische Parlament, zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten.

Diese beiden Berichte bilden bereits Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 6 und 7 unter einem durchzuführen.

Gibt es dagegen eine Einwendung? – Das ist nicht der Fall. Daher werden wir so vorgehen.

11.38.04Fristsetzungsantrag

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen einen Frist­set­zungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 195/A(E)-BR/2014 betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale eine Frist bis 15. Mai 2014 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend, werde ich diesen Frist­setzungsantrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da weiters die Durchführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hierüber sogleich abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag ist somit abgelehnt.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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11.39.271. Punkt

EU-Arbeitsprogramm 2014; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres an das österreichische Parlament (III-518-BR/2014 d.B. sowie 9148/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Köck. Bitte um den Bericht.

11.40.03

 


Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Der vorliegende Bericht trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm §§ 3 und 7 des Bundesgesetzes über Informationen in EU-Ange­legenheiten (EU-Informationsgesetz) jedes Mitglied der Bundesregierung zu Beginn jedes Jahres über die in diesem Jahr zu erwartenden Vorhaben des Rates und der Kommission sowie über die voraussichtliche österreichische Position zu diesen Vorhaben zu berichten hat.

Der gegenständliche Bericht stellt die wichtigsten EU-Themen dar, die im Jahr 2014 in den Ressortbereichen Europa, Integration und Äußeres zu behandeln sind. Dieser Vorschaubericht umfasst einen Überblick, allgemeine Angelegenheiten, Regionalpolitik und Auswärtige Angelegenheiten sowie Integration.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, das EU-Arbeitsprogramm 2014; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres an das österreichische Parlament zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.40.53

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Fernsehgeräten! Ich möchte mich zuerst für den Bericht bedanken. Dieser ist ordentlich abgefasst, und gegen den Bericht an sich kann man ja überhaupt nichts haben.

Es passiert uns aber mit mehreren Berichten, dass wir sagen, danke, dass der Bericht erstellt worden, er ist übersichtlich, lesbar, man kennt sich aus, man weiß, worum es geht, aber trotzdem: Viele Berichte haben eben auch eine politische Komponente – so auch das EU-Arbeitsprogramm, und da gibt es dann mehrere Dinge, mit denen wir nicht einverstanden sein können.

Es gibt auch durchaus positive Dinge. Ich möchte nur das Beispiel Subsidiarität heraus­greifen, wo ich dem Vorstoß der Niederlande, diese auszuweiten und zu vertiefen, durchaus etwas abgewinnen kann. (Bundesrat Stadler: Erstaunlich! Heiter­keit.) Wir erleben ja ständig im EU-Ausschuss, dass es uns ein wichtiges Anliegen ist, das Thema Subsidiarität voranzutreiben, und unser Ausschuss insgesamt ist sehr fleißig, was Mitteilungen an die Kommission betrifft, wenn es darum geht, auf das Thema Subsidiarität hinzuweisen.

Aber es gibt natürlich auch andere Bereiche, mit denen wir nicht so glücklich sind. In diesem Arbeitsprogramm ist zum Beispiel ein solcher Punkt die weitere Erweiterung. Ich verstehe das Anliegen der Westbalkanstaaten, näher zur EU zu rücken. Wir haben es auch in Gesprächen mit diesen Ländern immer wieder gehört: Es ist ihnen ganz


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wichtig, zur EU zu kommen, was bei uns wiederum nur auf geringes Verständnis stößt, weil wir ja nicht gegen Europa sind, sondern sagen, die EU, wie sie sich derzeit präsentiert, vor allem Brüssel, findet unsere Kritik – und das kann und muss auch erlaubt sein.

Wir haben den Beitritt der bisherigen osteuropäischen Länder noch nicht ganz ver­kraftet. In Bulgarien und Rumänien sind beispielsweise Korruption, das Justizsystem, die wirtschaftliche Lage et cetera immer noch Thema. Es ist also nicht so, dass dieser Integrationsprozess in die EU wunderbar läuft und es keine Probleme mehr gibt.

Es gibt außerdem noch immer Schwierigkeiten finanzieller Art mit südeuropäischen Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal, und wir sind mit dieser Art der Solidarität und mit den Geldtransferleistungen in diese Länder auch nicht einver­standen, wobei natürlich ein äußerst rigider Sparkurs auch schlecht ist, was ja Kollegin Reiter heute schon angesprochen hat. Man kann sich auch zu Tode sparen. Wir haben aber immer gesagt, gerade bei der Aufnahme Griechenlands hätte man vielleicht vor­her schon schauen sollen, denn dann hätte man gewusst, was da auf uns zukommt – wenn man es denn hätte wissen wollen, aber das wollte man offensichtlich nicht.

Daher habe ich wirklich große Skepsis, wenn es um Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina und so weiter geht, weil ja dort Kriminalität, Korruption und wirt­schaftliche Leistung noch Themen sind.

Ich würde deswegen dazu raten, nicht allzu schnell wieder Beitrittsverhandlungen aufzunehmen oder solchen Ländern einen Kandidatenstatus zu geben, sondern man sollte ein bisschen mehr Vorsicht walten lassen, wiewohl mir schon klar ist – und das unterstütze ich ja eigentlich auch –, dass wir seit Jahrhunderten eine Beziehung zum Balkan haben; in unterschiedlichen Ausprägungen, aber sie war immer da. Daher sind das Länder vor unserer Haustüre, bei denen ich nicht sage, die sind uns eigentlich egal und interessieren uns nicht, aber ich würde vorschlagen, doch ein wenig Tempo herauszunehmen.

Wir haben auch – und Sie nennen es ja selber in Ihrem Arbeitsprogramm so – den Sonderfall der Türkei, wo man jüngst Meldungen dahin gehend gehört hat, dass diese eigentlich nicht mehr der EU beitreten will. Heute in der „Presse“ hat zum Beispiel ein Berater Erdogans gesagt, die Türkei wolle eigentlich überhaupt nicht mehr zur EU, sie wolle sich viel mehr an den USA orientieren, denn die Türkei sei viel besser als die EU, diese sei ohnehin schwach, vor allem politisch schwach, und daher interessiere sie die EU nicht mehr

Wenn man sich anschaut, was ja auch dem Bericht zu entnehmen ist, dass von 35 Ver­handlungskapiteln – und diese werden ja schon fast seit 20 Jahren verhandelt – gerade einmal eines abgeschlossen worden ist, und das ist Wissenschaft und Forschung, während alle anderen immer noch offen sind, dann muss man sich schon fragen, ob ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union wirklich das ist, was wir wollen.

Wir haben immer gesagt, nein, wir wollen das nicht. Wir haben immer gesagt, das ist für uns kein wirklich europäischer Staat. Der Teil, der europäisch ist, ist sehr klein. Wir wären jedoch immer – und sind es heute noch – dafür gewesen, ein Assoziierungs­abkommen mit der Türkei zu schließen; Zusammenarbeit – ja, aber keine Vollmitglied­schaft in der Europäischen Union.

Die Türkei entwickelt sich ja eigentlich weg von der EU – darum verwundert auch die heutige Zeitungsmeldung nicht –, obwohl ja viele der Ansicht waren, die Türkei würde europäischer werden, wenn diese Beitrittsverhandlungen stattfänden, wenn da ein


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gewisser Druck ausgeübt würde, denn das mache es ihr leichter, sich Europa anzu­nähern.

Wir haben aber gesehen, die Politik geht eher in die andere Richtung. Erdogan ist eher in Richtung islamischer Staat orientiert. Wenn wir uns anschauen, was mit den Demonstranten im Gezi-Park geschehen ist, wie das Internet gesperrt worden ist, Twitter gesperrt worden ist et cetera, dann, muss ich sagen, sind das keine euro­päischen Standards. Daher bleibe ich bei dem, was wir immer schon gesagt haben: Die Türkei ist kein Kandidat für die Europäische Union. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch das Kapitel Energiepolitik wird in diesem Bericht sehr weich und sehr nach allen Seiten offen dargestellt. Das Setzen auf erneuerbare Energien et cetera, das sind ja alles keine neuen Sachen mehr; das wissen wir ja alles.

Das Kapitel mündet dann in der sehr weich formulierten Aussage – viel mehr gibt es zu diesem Kapitel nicht zu sagen, weil nicht wirklich etwas drinnen steht –, dass es für Österreich wohl nicht akzeptabel sein wird, ein gemeinsames Haftungsregime bei der nuklearen Sicherheit voranzutreiben, obwohl dies das Vorsitzland Griechenland jetzt tut. Ja, das glaube ich auch, aber das ist ein bisschen sehr dürftig formuliert. Das Thema Nuklearenergie ist in dem Bericht nämlich so gut wie ausgespart, wir Öster­reicher sind aber vehemente Gegner gerade der Kernenergie und sagen: Wir müssen auf erneuerbare Energie setzen, und eigentlich wünschten wir uns, dass sich alle anderen Staaten von der Kernenergie verabschieden mögen, was sie aber – große Länder wie Frankreich – natürlich nicht tun.

Ein weiterer Punkt ist auch das Freihandelsabkommen mit den USA. Wir wissen, dass da noch vieles offen ist und dass Österreich schon eine Position hat, die lautet: Wir wollen unsere Sozialstandards, unsere Umweltstandards, unsere Lebensmittel­stan­dards nicht auf dem Altar irgendwelcher Lobbyisten und US-amerikanischen Interessen geopfert sehen. Jetzt haben wir aber das CETA-Abkommen, das Freihandels­abkom­men zwischen der EU und Kanada, politisch ausverhandelt, und unsere Befürchtung ist schon – und wir sind da nicht alleine, habe ich auch im Ausschuss gemerkt –, dass da durch die Hintertüre über die USA und über Kanada sehr wohl die Standards, die wir fordern – ich glaube, da sind wir uns ja weitestgehend einig –, umgangen werden könnten.

Ich möchte dazu folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mühlwerth, Michalke und weiterer Bundesräte betreffend Freihandels­abkommen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, im Zusammenhang mit bestehenden und allfälligen künftigen Freihandelsabkommen sicherzustellen, dass mögliche Umgehungen öster­reichischer oder europäischer Qualitäts-, Umwelt- oder Sozialstandards nicht auf dem Umweg über die Kombination mehrerer Freihandelsabkommen wie zum Beispiel NAFTA und CETA eintreten können.

*****

Unsere Kritik an der EU ist vor allem – und ich betone es noch einmal: wir sind nicht gegen Europa, wie uns ja sehr oft unterstellt wird –, dass sie zu viel regeln will. Sie will


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in jeden Lebensbereich hineingreifen und uns ständig sagen, was für uns Einzelne gut ist und was nicht.

Wir erinnern uns noch an das Glühbirnenverbot, angesichts dessen einige den Verdacht geäußert haben, vielleicht sind irgendwo Energiesparlampen übriggeblieben und die musste man jetzt verkaufen; aber das ist eine Unterstellung, wiewohl sie von vielen so geäußert wurde.

Das ist nicht das Europa, das wir wollen. Wir wollen das Europa der Vielfalt. Wir wollen auch einige Dinge wieder in die Nationalstaaten zurückholen. Wir wollen nicht, dass Brüssel alles und jedes regelt, bis in den kleinsten Bereich hinein. Das ist unsere Vorstellung von einem Europa, das auch ein freies Europa ist, in dem die Staaten auch frei entscheiden können. Dass man in wirtschaftlichen Fragen, vielleicht auch in außen­politischen Fragen Gemeinsamkeiten sucht und auch findet, ist ja völlig in Ordnung, aber ich empfinde die EU manchmal wie ein Krake, der seine Fangarme überallhin ausstreckt, und das wollen wir nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

11.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Freihandelsabkommen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.52.18

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehr­ter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher an den Bildschirmen zu Hause! Na ja, Frau Kollegin Mühlwerth, bei der EU spießt es sich dann immer, obwohl wir im EU-Ausschuss gemeinsam immer wieder Mitteilungen und begründete Stellungnahmen beschließen – ihr natürlich aus einem anderen Blickwinkel als wir (Bundesrätin Mühlwerth: Das soll so sein in einer Demokratie!); wir wollen die EU unterstützen und tragen und auffordern, etwas zu ändern, und bei euch ist es meistens ein grundsätzlicher Punkt, der sich dagegen orientiert.

Aber das jetzt an diesem Bericht aufzuhängen, der ja vorhin gelobt wurde und von dem gesagt wurde, er sei gut, informativ und übersichtlich (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, eh!) und zeige viele Bereiche auf, die im Außenministerium hervorragend erledigt werden, und schließlich gegen den Bericht zu stimmen, das ist dann an und für sich schon wieder paradox, denn der Bericht kann ja nichts dafür, der zeigt nur auf, was man alles im Bereich der EU, der Integration und so weiter leistet. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das ist die einzige Möglichkeit, mein Missfallen zum Ausdruck zu bringen!) Das ist ein Vorhabensbericht, ein Leistungsbericht, und der stellt in vielen guten Facetten einfach dar, was für gute Arbeit geleistet wird.

Jetzt zum Bericht, der, wie schon erwähnt, sehr gut, übersichtlich und informativ ist, ein hervorragendes Werk. Ich darf mich bei Herrn Minister Kurz und bei seinen Mitar­beitern im Kabinett herzlich dafür bedanken.

Ein Punkt am Beginn ist vielleicht für uns alle relevant, und zwar die EU-Wahlen am 25. Mai in Österreich, bei denen es darum geht, das Europäische Parlament zu wählen, und zwar erstmals nach den Vorgaben des Lissabon-Vertrages – das ist ein wichtiger Punkt –, und natürlich werden auch die Kommission und alle weiteren Funktionen wie zum Beispiel Vertreter der Außen- und Sicherheitspolitik oder auch der Kommissionspräsident nach den Vorgaben des Lissabon-Vertrages bestellt, was wieder einmal die Wichtigkeit des Lissabon-Vertrages insgesamt zeigt.


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Einige wesentliche Punkte aus diesem Bericht betreffen den Bereich Wirtschafts- und Währungsunion und Fiskalpakt, der ja im Jänner 2013 in Kraft getreten ist, der auch sehr bald evaluiert werden soll, bei dem es um die Umsetzung von Schuldenbremse und automatischem Korrekturmechanismus geht und um die Frage, ob das von den Vertragsparteien auch durchgeführt wurde.

Zur wirtschaftlichen Steuerung: In diesem Bereich sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt worden: die Strategie Europa 2020, das Europäische Semester und die im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts und dessen Reform gesetzten Maßnahmen. Der Fiskalpakt oder Sixpack oder Twopack wurden schon erwähnt. Diese bilden einen integrierten politischen Koordinierungsprozess zur Förderung von intelli­gentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum in Europa.

Das gilt natürlich auch für die Eurozone, welche seit dem 1. Jänner 2014 nach dem Beitritt Lettlands 18 Mitglieder umfasst. Auch Litauen hat das Bestreben, sich bereits im Jahre 2015 der Eurozone anzuschließen.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Bankenunion. Da haben wir 2013 wirklich große Fortschritte erzielt. Auch die Wirtschafts- und Währungsunion ist ein zentrales Element. Es gibt dann den einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus, für den im Herbst 2013 auch der rechtliche Rahmen geschaffen wurde.

Zurück zum Stabilitätsmechanismus, den ich schon kurz angesprochen habe. Wir ken­nen den Euro-Rettungsschirm, bei dem die Freiheitlichen – das muss man dazu­sa­gen – natürlich dagegen gestimmt haben. Sie waren gegen ESM und EFSF und EFSM. Da gab es keine Zustimmung, sondern sogar eine Abklärung, ob das verfas­sungs­widrig ist. – Ist es nicht!

Es gibt einige Staaten, die sich unter diesen Rettungsschirm begeben haben, wie Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern. Das gehört auch zur Solidarität in der Europäischen Gemeinschaft dazu. Irland und Spanien haben sich 2013 sozusagen wieder auf eigene Beine gestellt und diesen Rettungsschirm verlassen, ein durchaus positives Beispiel, wie man Probleme im eigenen Land lösen kann.

Die Umsetzung der Programme in Griechenland, in Portugal und in Zypern wird natürlich von der Troika entsprechend kontrolliert, und wir werden sehen, wie Portugal und Griechenland mit der Situation umgehen, denn bis Ende 2014 laufen diese Hilfsprogramme aus, und man wird sehen, wie sich das weiterentwickelt. – Das aus dem Bereich Wirtschaft, Stabilitätsmechanismus et cetera.

Kurz zur EU-Erweiterung: Ein großer Bereich, an dem Österreich auch sehr interessiert ist, ist die Erweiterung in Richtung der westlichen Balkanländer – Montenegro, Maze­donien, Serbien, Albanien, Bosnien und Herzegowina und der Kosovo. Mit diesem Thema wird sich Kollege Günther Köberl dann intensiv auseinandersetzen. Die Erfah­rungen zeigen allerdings, dass die europäische Perspektive der wichtigste Motor für die Stabilisierung und die Entwicklung dieser Länder ist. Das ist, denke ich, auch ein wichtiger Punkt, den es zu erwähnen gilt.

Aus all diesen Beitrittskandidaten – einige haben ja diesen Status formell noch nicht, während einige schon viel weiter entwickelt sind – ist Serbien hervorzuheben. Ich denke, Herr Minister, Serbien gibt sehr, sehr positive Signale in Richtung Europa ab. Da hat sich sehr vieles zum Guten gewendet.

Unterm Strich kann festgehalten werden, dass bei vielen Beitrittskandidaten großer Handlungsbedarf in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Justiz, öffentliche Verwaltung und auch Korruptionsbekämpfung besteht. Da gebe ich dir jetzt einmal recht, Frau Kollegin Mühlwerth. Das ist sicher ein Problem, dass es da unten zu lösen gilt. Bul­garien und Rumänien sind auch ein eigenes Kapitel, das kann ich auch unterstreichen.


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Ein weiterer Beitrittskandidat ist Island. Island hat sich ja nach der Parlamentswahl im Jahre 2013 sozusagen wieder von den Beitrittsbestrebungen verabschiedet, die haben das sistiert beziehungsweise ausgesetzt. Man wird sehen, wie sich das entwickelt.

Hinsichtlich der Türkei, Frau Kollegin Mühlwerth, teile ich auch die Auffassung, dass sich diese wieder von der EU entfernt, wobei ich nicht nur die Demonstrationen ansprechen möchte, sondern natürlich auch Geschichten wie die Twitter- oder die YouTube-Sperre. Da wird die Meinungs- und Pressfreiheit derzeit ziemlich stark ein­geschränkt.

Österreich ist aber auch ein starker Wirtschaftspartner der Türkei, und die EU natürlich auch, nichtsdestoweniger ist eine Intensivierung der Reformen nur in kleinen Verhandlungsfortschritten erzielt worden. Man hat schon gehört, was alles abgehandelt wurde – beziehungsweise eigentlich wie wenig.

Ich denke, es ist auch unbedingt erforderlich, mit Zypern eine Lösung zu finden. Den Status quo haben wir zur Kenntnis genommen, und es war eigentlich auch eine dra­matische Situation, dass die Türkei alle Verhandlungen abgebrochen hat, als Zypern den EU-Vorsitz innehatte – als ob das kleine Zypern etwas für seine Vorsitzführung könnte.

Österreich hat eine klare Position eingenommen, da braucht es die Zustimmung der österreichischen Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger werden, wenn es schlussendlich einmal so weit sein sollte – das kann man wirklich noch in der ferneren Zukunft ansiedeln –, bei einer Volksabstimmung das letzte Wort haben.

Das war es von meiner Seite zu diesem wirklich informativen und großartigen Bericht des Ministeriums. Ich darf mich im Namen meiner Fraktion sehr herzlich für den Bericht bedanken, Herr Minister, und wir werden diesem gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Beer.)

12.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Bock. – Bitte.

 


12.01.08

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Haus und Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause! Aufbauend auf das Achtzehnmonatsprogramm der EU unter Vorsitz von Irland, Litauen und Griechenland diskutieren wir heute im Bundesrat über das Arbeitsprogramm 2014.

Gerade die letzten Monate zeigen, wie wichtig eine gut organisierte, im Gleichklang laufende gemeinsame Politik für unseren Kontinent ist. Die Wirtschafts- und Finanz­krise ist zwar noch nicht vollkommen beseitigt, dennoch können wir gemeinsam stolz sein, dass die von der EU gemeinsam gesetzten Maßnahmen in vielen Bereichen Wir­kung gezeigt haben. Ohne diese Gemeinschaft hätten viele kleine Staaten immer wieder mit global agierenden Finanzspekulanten zu kämpfen. Sogar größere Konzerne wären in der Lage, das eine oder andere kleinere Land auch zu erpressen. Das rasche Handeln der EU durch die Einrichtung des Rettungsschirmes hat einen Flächenbrand in Südeuropa verhindert. Der für alle Mitgliedstaaten eingeführte Stabilitätspakt sollte helfen, dass sich das Schicksal Griechenlands nicht mehr wiederholt. Die angeord­neten Maßnahmen haben die Bevölkerung sehr hart getroffen und viele unschuldig in Schwierigkeiten gebracht, viele sind an dieser Situation auch verzweifelt. Es zeichnet sich allerdings ab, dass Nationen wie Spanien und Irland diesen Schutzschirm aus eigener Kraft wieder verlassen können und dass sogar Griechenland wieder daran denkt, diesen ebenfalls zu verlassen.


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Durch die Einführung der Bankensicherung und eines einheitlichen Bankenaufsichts­mechanismus wird ein weiterer Schritt zu einer sicheren Entwicklung gemacht. Die Einführung der Transaktionssteuer wird Spekulationsversuche einiger Finanzhaie brem­sen. Ohne unsere gemeinsame Politik würde der Konflikt Russlands mit der Ukraine sicherlich anders aussehen, sicher unter Einsatz von Waffen geführt werden, so, wie es immer war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schade, dass es immer noch so viele Österreicherinnen und Österreicher gibt, die sich nicht für ein gemeinsames Europa erwärmen können. Wir haben auch Parteien, die die Europäische Gemeinschaft auf die Diskussion über die Form und Größe einer Banane oder Gurke reduzieren. Dass unsere Gemeinschaft absolut größter Friedensgarant ist, scheint noch immer nicht in die Köpfe dieser Kritiker eingedrungen zu sein. (Vizepräsidentin Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Österreich profitiert seit Jahren von der Mitgliedschaft in Europa, wir zählen zu den wenigen Menschen dieser Erde, die nicht ständig jammern und unzufrieden sein müssten. Unsere Wirtschaft und damit die meisten von uns profitieren von Exporten in die EU und von den von der EU vorgeschlagenen und abgeschlossenen Handels­abkommen mit anderen Volkswirtschaften. Österreich wäre wohl viel zu klein, um mit großen Handelspartnern wie den USA, China, Indien, Russland, Brasilien, Kanada oder Japan bilateral erfolgreich zu verhandeln. Viele wollen noch immer nicht wahr­haben, dass durch die Osterweiterung viele Arbeitsplätze bei uns entstanden sind und gesichert werden. Sehr viele Investitionen im Osten und Südosten haben sich für die Investoren gerechnet. Einige sind schiefgelaufen, und der Staat musste rettend ein­springen.

In Zukunft müssen wir noch bessere Instrumente finden, damit nicht die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden. Glücksspiele auf Kosten der Steuer­zahler zu finanzieren muss mit allen Mitteln verhindert werden. Die gemeinsame Energiepolitik in Europa wird uns unabhängiger machen. Ein Ausstieg aus der Nuklearenergie kann nur möglich werden, wenn wir alle vorhandenen Ressourcen an erneuerbaren Energiequellen nutzen und bündeln können. Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft und auch Pumpspeicherkraftwerke sind notwendig, um diese Unabhän­gigkeit zu erreichen.

Mit der Schaffung von Makroregionen wird der Wirtschaftsstandort ganze Regionen stärken. Die Zusammenarbeit ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, das Friedensprojekt Europa wird von den nachbarschaftlichen Zusammenschlüssen mitgetragen und grenzüberschreitend gelebt. Österreich ist in den zwei Makroregionen Donauraum und Alpenraum vertreten. Zum Donauraum zählen 14 Anrainerstaaten, davon sind neun EU-Staaten, zwei EU-Kandidaten und inklusive der Ukraine drei Drittlandstaaten. Die Makroregion Alpenraum beschäftigt sich besonders mit der Biodiversität, mit Natur­räumen, mit der Bewirtschaftung von Energieressourcen und mit nachhaltigem und sozialem Wachstum. Die Alpenkonvention mit Sitz in Innsbruck wird dabei auch entsprechend eingebunden.

Eine Fortführung der Verhandlungen mit möglichen neuen Mitgliedstaaten im Süden und Südosten ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch historisch begründet. Monte­negro, Mazedonien, Serbien, Albanien, Bosnien und der Kosovo tasten sich vorerst durch Assoziierungsabkommen näher an Europa heran. Die größten Hindernisse sind derzeit, das wurde heute bereits kritisiert, die Bekämpfung der Korruption, der Umgang mit den Menschenrechten und die Nachbarschaftsproblematiken.


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Die Eurozone wurde im Jänner durch Lettland erweitert, sehr wahrscheinlich wird Litauen im nächsten Jahr die Kriterien für einen Beitritt zur Eurozone erreichen. Damit sind dann 19 Staaten in der Eurozone.

Dem Thema Integration wird auch in diesem Bericht entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet. Die demografische Entwicklung in unserem Land wird Zuwanderung erfordern, um den hohen Lebensstandard in Österreich zu sichern. Zwei Drittel aller Zuwanderer kommen aus EU-Staaten zu uns. Über sechs Millionen Jugendliche sind in Europa leider arbeitslos, in Portugal ist jeder dritte ohne Arbeit. In vielen Staaten, zum Beispiel in Afrika, hat nur jeder Fünfte ein regelmäßiges Einkommen. Österreich hat die niedrigste Arbeitslosenquote, auch bei den Jugendlichen.

Denjenigen, die ständig über Österreich und unsere Politik lästern und jammern, möchte ich Folgendes ins Stammbuch schreiben: Erstens wird niemand in ein Land auswandern wollen, in dem es den Menschen schlecht geht. Zu uns kommen die Menschen, weil es bei uns Arbeit, ein ausgezeichnetes Gesundheits-, Bildungs- und Rechtssystem und auch ein entsprechendes Sozialsystem gibt. Und zweitens, das haben wir heute von Landeshauptmann Niessl bereits gehört, mussten auch unsere Vorfahren auswandern, weil es bei uns keine Arbeit und zu wenig zu essen gab – und das ist noch keine 90 Jahre her.

Es macht Sinn, dass wir die Fragen der Integration und des Asylwesens gemeinsam lösen. Als einer der wohlhabenden Kontinente haben wir auch die Pflicht, jenen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie uns. Wir werden den bei uns lebenden Men­schen mit Migrationshintergrund helfen, die Landessprache zu erlernen. Das Beherr­schen der Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Die EU wird dieses Vorhaben mit 65 Millionen € in den nächsten Jahren unterstützen.

Die Instrumente der humanitären Hilfe werden ausgebaut und das bewährte System wird weiterhin unterstützt. In Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen werden Schwerpunkte bei Menschenrechtsverletzungen, beim Klimaschutz und in der Entwick­lungszusammenarbeit gesetzt. 70 Prozent des Budgets der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, werden von der EU finanziert. Damit können Wahl­beobachtungen, der Kampf gegen Drogen-, Menschen- und Waffenschmuggel, gegen organisierte Kriminalität, gegen Cyberkriminalität und gegen Terrorismus finanziert werden.

Zu weiteren Schwerpunkten zählen der Gender-Aktionsplan der EU, der Dialog der Kulturen und Religionen, die Einhaltung der Menschenrechte und der Schutz der Kinderrechte, der Medien- und Religionsfreiheit.

Von 22. bis 25. Mai finden Europawahlen statt. 18 Österreicherinnen und Österreicher werden die nächsten fünf Jahre unsere Interessen in einem gemeinsamen Europa vertreten. Das erste Mal wird nach dem Vertrag von Lissabon die Entsendung von Kommissionsmitgliedern vorgenommen. Auch der Präsident der Kommission wird auf Vorschlag des Rates neu gewählt. Ich hoffe, dass die EU neben den wirtschaftlichen Interessen auch soziale Aufgaben noch mehr wahrnimmt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen nicht vergessen, dass Menschen – und das gilt weltweit –, die nichts zu verlieren haben, auch nicht berechenbar sind. Unsere Fraktion nimmt den Bericht des Europa- und Außenministeriums sehr gerne zur Kenntnis und unterstützt auch gerne die baldige Umsetzung.  Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 71

12.11.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über die Europäische Union und deren Zukunft sprechen – und das ist natürlich jetzt auch noch eine spannende Zeit, weil Parlamentswahlen bevorstehen, nämlich zum Europaparlament –, dann muss man natürlich in diesem Zusammenhang auch sagen, dass laut der Aufklärung, wenn man so will, und unseren demokratischen Entwicklungen, die es in den letzten Hunderten von Jahren gegeben hat, Parlamente dazu da sind, um Gesetze zu machen. Sie sind die sogenannte Legislative, eine wesentliche Säule der Demokratie.

Das Europaparlament darf keine Gesetze machen, und das halte ich für eine der größten Fehlkonstruktionen in diesem Zusammenhang, dass in dem Fall ausschließlich die Kommission Gesetze macht, die dann vom Rat beziehungsweise vom Euro­paparlament abgesegnet werden können, das Europaparlament selber aber keine Gesetze machen kann. Ich wollte unbedingt, dass dieser Punkt auch am Anfang, wenn wir hier schon über die Europäische Union und über EU-Arbeitsprogramme diskutieren, ganz deutlich erwähnt wird.

Es muss also meiner Meinung nach immer, bei jedem EU-Arbeitsprogramm auch die Frage gestellt werden, wie denn die Zukunft der Europäischen Union selbst ausschaut. Da spielt natürlich die Außenpolitik eine ganz entscheidende Rolle. Es war ja vor zwei Wochen eine Delegation des Bundesrates in Brasilien, und wir haben auch dort sehr klar feststellen können – wie in so vielen Ländern, das passiert einem in China oder in Indien oder sonst wo auch –, dass wir noch viel stärker als Europäer wahrgenommen werden als als Österreicher. In diesem ganzen internationalen Gefüge, wo es keinen starken Hegemonialstaat mehr gibt, wo es neue aufstrebende Staaten wie China, wie Indien, wie Brasilien gibt, in diesem neuen Weltgefüge stellt sich natürlich für die Euro­päische Union folgende Frage: Was ist die Position Europas in diesem Weltgefüge? Welche demokratiepolitischen, welche kulturellen, welche wirtschaftlichen, welche wis­sen­schaftlichen und forschungspolitischen Aufgaben kann Europa in so einem etwas komplizierter gewordenen globalen Gefüge einnehmen?

So gesehen ist natürlich auch die Zukunftsperspektive, die Europa seinen direkt in Europa seienden Staaten bietet, eine ganze entscheidende Frage. Es sind die soge­nannten Westbalkanstaaten schon genannt worden. Ich habe mit dem Terminus „Westbalkan“ immer noch ein bisschen meine Probleme, weil ich nicht weiß, was der Ostbalkan wäre. Das ist, glaube ich, so ein bisschen ein technischer Begriff geworden, aber in Wirklichkeit meinen wir natürlich Staaten wie Montenegro, Mazedonien, Serbien, Albanien, Bosnien und Herzegowina und den Kosovo. Die Frage, welche Perspektive die Europäische Union diesen Staaten geben möchte, halte ich für eine ganz entscheidende, die natürlich in diesem Jahr ansteht.

Gerade weil wir dieses Jahr ja auch hundert Jahre Gedenken feiern – also „feiern“ ist das falsche Wort, dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren gedenken –, möchte ich kurz auf Serbien eingehen, das ja schon erwähnt wurde. In dem Fall stand Österreich-Ungarn in Konflikt mit Serbien, und Serbien fuhr damals einen starken – jetzt kommen wir wieder zu dem Terminus, den wir bei der Ukraine-Debatte schon hatten – pro-russischen Kurs, wenn man so will, auf heute umgelegt einen anti-europäischen. Das hat sich aber heute zu einem erheblichen Grad geändert; jetzt haben wir in Serbien eine pro-europäische Regierung, die sich auch wirklich bemüht, sich in Europa einzugliedern, was natürlich mit Schwierigkeiten verbunden ist. Das gilt für alle Staaten der Welt. Das war ja auch bei vielen Staaten, die jetzt schon Mitglied der Europäischen Union sind, so. Es gibt immer irgendwelche Schwierigkeiten.

Es ist aber trotzdem eine Chance, ein Motor und ganz wesentlich für die Zukunft Europas, diese Beitrittsperspektiven aufrechtzuerhalten und diese Staaten dabei auch


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zu unterstützen – ganz egal, ob es sich da um Menschenrechtsfragen, um die Frage von Minderheiten, wirtschaftliche Fragen, Korruptionsfragen und dergleichen handelt –, denn eines muss man hier ganz deutlich sagen: Gäbe es diese Perspektive des europäischen Beitritts nicht, wären die Bemühungen auch nicht da, in diesen Be­reichen Verbesserungen zu erzielen.

In der Frage Türkei hat sich tatsächlich vieles verändert, da gebe ich Frau Kollegin Mühlwerth und auch dem Kollegen Mayer recht. Die Türkei steht jetzt tatsächlich vor einer historisch ganz entscheidenden Fragestellung, nämlich: Wo wollt ihr hin? Die Türkei selber hat die Frage noch nicht beantwortet. Wir sehen nur einen extremen Rückgang in demokratiepolitischen Standards in Sachen der Meinungsfreiheit. Es gibt kaum einen Staat der Welt, wo so viele Journalisten eingesperrt sind, in Gefängnissen sitzen wie in der Türkei. Twitter und andere soziale Netzwerke werden blockiert. Aller­dings, das muss man auch dazusagen, hat der Verfassungsgerichtshof gesagt: Erdogan, so geht das nicht! Da ist der Rechtsstaat schon auch eingeschritten gegen den eigenen Ministerpräsidenten. Aber wo die Türkei hinwill, ob sie selbst eine Hegemonialmacht der Region werden möchte oder ob sie Teil einer anderen Staatengemeinschaft sein möchte, das wissen wir derzeit nicht. Wahrscheinlich muss die Türkei diese Frage am Ende selbst beantworten.

Ein wichtiger Punkt, der auch von Kollegin Mühlwerth angesprochen wurde, der uns auch sehr wichtig ist, ist die Frage der Freihandelsabkommen. Da möchte ich jetzt nicht darauf eingehen, ob das Freihandelsabkommen per se gut oder schlecht ist, sondern auf das Zustandekommen von Freihandelsabkommen. Da kann ich die Kommission nicht verstehen, und ich habe das schon bei ACTA nicht verstanden, und ich verstehe das jetzt bei TTIP auch nicht: Warum müssen solche Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, unter vollkommener Geheimhaltung, ohne jegliche Transparenz und ohne jegliche demokratische Kontrolle stattfinden?

Anmerkung: Es dürfen ja sogar Konzerne noch vorher in dieses Freihandelsabkommen etwas hineinverhandeln, bevor Parlamente darüber reden dürfen! – Das kann es nicht sein! Zu Recht hat daher das Europäische Parlament – Frau Mühlwerth hat immer von der EU gesprochen, aber die EU gibt es ja so nicht, sie besteht ja aus ganz vielen Säulen – damals beispielsweise ACTA abgelehnt, eben auch aufgrund dieser Intrans­parenz und dieser absoluten Nicht-Demokratie. Selbiges ist auch durchaus für TTIP zu erwarten, zu befürchten oder sonst irgendetwas. Genau das ist einfach ein Riesen­problem. Und das ist auch meine Bitte an Sie, Herr Außenminister, dafür zu sorgen, dass gerade bei solchen Fragen die Europäische Union in voller Transparenz und mit allen demokratischen Mitteln, die nur möglich sind, arbeitet. Das ist auch der Grund, warum wir dem Antrag der Freiheitlichen Partei zustimmen werden.

Einen Punkt erlauben Sie mir schon noch anzusprechen, weil ja in zwei Wochen Ihrer­seits eine Reise in den Iran ansteht. In der Außenpolitik spielt nun einmal der Iran, gerade auch in Wien, derzeit eine sehr wesentliche und wichtige Rolle. Ich möchte schon daran erinnern – weil der Iran sehr gerne dazu neigt, mit zwei Zungen zu sprechen, nämlich einer außenpolitischen, die nach außen geht, und einer innen­politischen, die nach innen geht, und die widersprechen sich in einem ganz erheblichen Maße –: Die Menschenrechtssituation im Iran ist nach wie vor verheerend.

In keinem Staat der Welt gab es bis jetzt im ersten Halbjahr 2014 so viele Hin­richtungen wie im Iran. Religiöse Minderheiten, wie zum Beispiel die Bahai, werden gnadenlos verfolgt und eingesperrt; auch evangelikale Gruppen und christliche Grup­pen werden gnadenlos verfolgt und eingesperrt. Homosexuelle werden umgebracht, werden exekutiert. Journalisten – sogar Journalisten von staatlichen Medien! – stehen unter einem ungeheuren Druck und werden auch inhaftiert.


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Ich weiß nicht, was das Ziel der Iranreise, weder vom Herrn Bundespräsidenten noch von Ihnen, ist. Ich würde es sehr gerne erfahren. Wenn man in den Iran fährt, muss man ein Ziel haben, denn das dortige Regime hat eines nicht verdient, nämlich dass man es diplomatisch hofiert. Man muss ganz klar dagegen auftreten, wenn zum Beispiel der religiöse Führer Khamenei noch vor einigen Tagen auf Twitter wortwörtlich Folgendes getwittert hat:

„Holocaust is an event whose reality is uncertain and if it has happened, it‘s uncertain how it has happened.“

Dieser Staat wird von einem Menschen geführt, der den Holocaust leugnet und in Frage stellt, ob dieser überhaupt stattgefunden hat! Da muss man, wenn man dorthin reist, gerade als Österreicher und Österreicherin, auch mit unserer historischen Verantwortung, sehr vorsichtig sein, vor allem wenn man auch noch weiß, dass der Staat Iran ja auch die Existenz des Staates Israel regelmäßig bedroht.

Jetzt leuchtet das rote Lamperl schon so lange. Ich wollte natürlich noch auf das Integrationskapitel eingehen, weil dieses genauso wesentlich und auch für uns Grüne wichtig ist. (Bundesrat Köberl: Nächstes Mal!) Ich hoffe, meine Kollegin kommt noch dazu. (Bundesrätin Reiter schüttelt verneinend den Kopf.) – Sie deutet Nein an. Aber gut, man kann halt nicht alles sagen. – Danke schön. (Beifall der Bundesrätin Reiter.)

12.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Köberl. – Bitte.

 


12.22.11

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Mein Vorredner, Herr Kollege Schreuder, hat gesagt, man könne halt nicht alles sagen, dazu sei die Zeit zu kurz. Auch ich werde mich bemühen, aus diesem umfassenden Bericht, für dessen Erstellung ich mich seitens meiner Fraktion noch einmal bedanken möchte, zwei Dinge herauszugreifen.

Erlauben Sie mir aber, meinen Debattenbeitrag unter den Eindruck der Vierten Inter­parlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, kurz GASP, in Athen zu stellen, die von 3. bis 4. April stattgefunden hat und an der ich als Ausschussvorsitzender des Auswärtigen Ausschusses teilgenommen habe.

Wie wir wissen, finden diese Konferenzen halbjährlich statt, jeweils im Land, das den Vorsitz in der Ratspräsidentschaft führt; dieses Mal war es eben Griechenland. Im Rahmen dieser Konferenz informiert nicht nur die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, die Parlamentarier über die Prioritäten dieser gemeinsamen Kapitel, sondern es nehmen Abgeordnete von allen 28 nationalen Parlamenten und auch Mitglieder des Europäischen Parlaments an dieser Tagung teil. Das Hauptthema war natürlich auch dieses Mal die Entwicklung in der Ukraine.

In den Arbeitsgruppen wurden aber auch Unterkapitel wie die Europäische Maritime Sicherheitsstrategie oder die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten behandelt. Letztere dürfen wir nicht vergessen, denn momentan blickt die Welt hauptsächlich auf die Ukraine. Was aber derzeit im Mittleren Osten, in Syrien passiert, darf nicht außer Acht gelassen werden. Im Libanon hält sich rund eine Million Flüchtlinge auf; das ist also ein Dauerthema.

Die geographische Nähe zur Ukraine und das Vorgehen Russlands haben vor allem bei Vertretern aus den Nachbarstaaten, zum Beispiel aus Polen, Rumänien, Bulgarien, aber besonders aus den baltischen Staaten tiefe Betroffenheit und Besorgnis aus-


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gelöst. Es war schon klar, je näher man am Krisenherd ist, desto tiefer sind die Ängste und die Sorgen, die diese Parlamentarier haben. In allen Wortmeldungen ist dort aber klar zum Ausdruck gekommen, dass bei den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine beziehungsweise im Nahen und Mittleren Osten nur ein geschlossenes Vorgehen der EU beziehungsweise ihrer Mitgliedsländer erfolgreich sein kann. Nur im offenen Dialog, wie es heute schon ein paar Mal erwähnt wurde, mit beiden Seiten kann eine weitere Eskalation verhindert werden.

Daher wird die Situation in der Ukraine immer mehr zu einem Prüfstein für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und damit auch zur Gretchenfrage, ob die EU künftig in den geopolitischen Entwicklungen eine ernstzunehmende Rolle spielen wird.

Auf die einzelnen Teile des EU-Arbeitsprogramms 2014 sind meine Vorredner schon näher eingegangen. Ich möchte gerade im Gedenkjahr 2014 schwerpunktmäßig, wie es mein Kollege Schreuder gemacht hat, auf die Entwicklung der westlichen Balkan­länder eingehen – vor allem weil ich weiß, dass diese Region auch dir, geschätzter Herr Bundesminister, besonders am Herzen liegt. Es geht also um Montenegro, Mazedonien, Albanien, Bosnien und Herzegowina und sicherlich um das größte Land in diesem Teil des Balkans, um Serbien, das schon immer für diese Region eine Schlüsselrolle gespielt hat.

Für alle bleibt unbestritten – das ist auch klar zum Ausdruck gekommen –, dass die europäische Perspektive der wichtigste Motor für die Stabilisierung der Entwicklung dieser Länder gewesen ist und wohl auch in Zukunft sein wird. Durch die geografische Nähe, die guten Beziehungen und die historische Verbundenheit ist die Region des westlichen Balkans für Österreich von besonderer Bedeutung. Von einer nachhaltigen politischen Stabilisierung und Rechtsstaatlichkeit dieser Länder profitiert Österreich in besonderem Maße, und deshalb – das kommt auch im Bericht zum Ausdruck – wird diese Region 2014 und wohl auch 2015 eine besondere außenpolitische Priorität von Österreich sein.

Bereits im Oktober 2013 hat die Europäische Kommission routinemäßig eine Mitteilung zur Erweiterungsstrategie sowie Fortschrittsberichte zu diesen Ländern vorgelegt. Für die Länder des westlichen Balkans stärkt der Stabilisierungs- und Assoziierungs­prozess die bilateralen politischen und wirtschaftlichen Verbindungen mit der EU und bereitet den Weg für weitere notwendige Reformen in diesen Ländern. Was diese notwendigen Reformen angeht, sind sich auch alle einig.

Ganz kurz zu Montenegro, einem der kleinsten Länder in dieser Region mit 625 000 Ein­wohnern und nur 13 000 Quadratkilometern. Die Beitrittsverhandlungen laufen seit 2012 unter besonderer Beachtung der Bereiche Rechtsstaatlichkeit, Justiz, Menschen­rechte sowie, wie immer in diesen Ländern, des Kampfes gegen Korruption und organisierte Kriminalität.

Zu Mazedonien. Schon der Name ist Anlass für viele Diskussionen, offiziell heißt es ja ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien. Sie ist eine der schwächsten Volks­wirt­schaften in Europa, mit hoher Arbeitslosigkeit, schwacher Infrastruktur und fehlen­den Investitionen. Und gerade der Name – ich habe es schon gesagt – war ein Stolper­stein, weil es vor allem Widerstand von Griechenland gegen Mazedonien auf dem Weg nach Europa gegeben hat. Der Kandidatenstatus ist seit 2005 gegeben. Im Dezember 2013 wurde Mazedonien aufgefordert, Fortschritte bei der Lösung der Namensfrage zu machen – diese ist aber noch nicht geklärt; vielleicht gibt es diesbezüglich etwas Neues, Herr Bundesminister – und Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Grundrechte vorzustellen. Noch heuer, 2014, wird der Rat erneut prüfen, ob die Voraussetzungen für den Beginn von Beitrittsverhandlungen gegeben sind.


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Zur Republik Albanien. Sie hat etwa ein Drittel der Bevölkerung Österreichs, umfasst ein Drittel der Fläche Österreichs. Albanien hat in den letzten Jahren Reformen in den Bereichen Justiz, öffentliche Verwaltung und parlamentarische Geschäftsordnung umgesetzt. Es hat im Juni 2013 Wahlen gegeben, die von der OSZE beobachtet wur­den. Diese haben zwar einen Regierungswechsel gebracht, aber sie wurden als fair und frei bezeichnet und waren ein echter Fortschritt.

Von Bosnien und Herzegowina, von Sarajevo fordert die EU die Durchführung von entscheidenden politischen Reformen. Da geht es vor allem um eine Reform des Wahlrechts und auch um die Europäische Menschenrechtskonvention, Stichwort Umsetzung des Sejdić/Finci-Urteils zum passiven Wahlrecht für Minderheiten. Zweitens muss Bosnien eine wirksame Koordinierungsstruktur für die Verhandlungen mit der EU erst aufbauen. Beide Bedingungen müssen sozusagen vorliegen.

Der Weg des Kosovo in die EU hängt maßgeblich von den Fortschritten ab, die Priština bei den Themen Rechtsstaatlichkeit, Justiz, öffentliche Verwaltung und Aufbau einer funktionsfähigen Marktwirtschaft erzielt.

Nach der Unterzeichnung der ersten Vereinbarung von Prinzipien zur Regelung der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo – schon dieser Name zeigt, wie schwierig das war – hat der Rat der Europäischen Union im Juni 2013 die Aufnahme von Verhandlungen zur Erstellung eines Stabilisierungs- und Assozi­ierungsabkommens mit dem Kosovo beschlossen. Sie sollen heuer abgeschlossen werden.

Betreffend Serbien, das größte Land dort, stimme ich mit dem Kollegen Schreuder überein, was ich nicht immer tue, aber in diesem Fall, so glaube ich, eint uns der Gedanke, wenn wir die Historie kennen und auch um die Bedeutung dieses Landes für den Balkan wissen. Serbien ist zwar gleich groß wie Österreich, hat ein bisschen weniger Einwohner, aber die entscheidende Frage ist die Rolle, die Serbien spielt.

Das Schlüsselkriterium – das habe ich schon erwähnt – waren sicherlich die sichtbaren Fortschritte, wie in den Beziehungen zum Kosovo ersichtlich. Im Jänner 2014 wurden die Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Die erste Beitrittskonferenz mit Serbien fand am 21. Jänner dieses Jahres statt. Und bei der Beitrittskonferenz im Juni sollen die ersten beiden Kapitel – es geht um die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo beziehungsweise um die finanzielle Kontrolle – besprochen werden.

In der sogenannten neuen Ära des guten Willens ist für Österreich aber auch die Fortsetzung der Bemühungen auf dem bilateralen Weg wichtig. Ich erinnere daran: Seit vielen Jahren hat Österreich rechtliche Grundlagen für die Rückgabe von beziehungs­weise Entschädigung für enteignetes Vermögen der deutschsprachigen Volksgruppe, kurz Donauschwaben, gefordert. Daher begrüßt Österreich das serbische Restitutions­gesetz von 2011 in besonderem Maße. Wir erwarten aber auch, dass dieses in nichtdiskriminierender Weise für die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staats­bürger umgesetzt wird.

Wir freuen uns also über die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Serbien, denn gerade im Gedenkjahr 2014 und angesichts all der Vorfälle und Entwicklungen in den letzten hundert Jahren kann man festhalten, die Balkanländer sind endlich auf dem richtigen Weg nach Europa.

Das wäre eigentlich mein Schlusswort gewesen. Ich darf aber noch kurz auf den Entschließungsantrag eingehen, den Frau Kollegin Mühlwerth eingebracht hat. Wir haben uns noch kurz darüber unterhalten. Dem Antrag als solchem und seiner Formulierung würden wir zustimmen. Wir haben jedoch ein Problem mit der Be­gründung. Wir haben auch versucht, das durch einen Kompromissvorschlag zu lösen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 76

Es war jedoch kein Kompromiss möglich. Daher wird unsere Fraktion diesem Antrag auch nicht zustimmen. (Bundesrat Schreuder: Mit der Begründung bin ich auch nicht unbedingt einverstanden!)

Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Kurz. – Bitte.

 


12.32.51

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Keine Sorge, ich werde nicht den gesamten Bericht wiederholen, da er Ihnen ohnehin in schriftlicher Form vorliegt. Ich darf mich aber trotzdem für alle positiven Redebeiträge zum Bericht bedanken und werde den Dank auch gerne an die Beamtinnen und Beamten weiter­geben, die an diesem Bericht gearbeitet haben.

Ich darf ganz kurz auf einige Punkte eingehen, die im Zuge der Debatte angesprochen worden sind.

Thema Westbalkan und EU-Erweiterung: Wir sind ein starker Partner für die Länder am Westbalkan, was nicht bedeutet, dass wir der Meinung sind, dass die Kriterien aufgeweicht werden sollten, was auch nicht bedeutet, dass wir der Meinung sind, dass Länder beitreten sollten, die noch nicht beitrittsfit sind. Es muss Mindeststandards in der Europäischen Union geben – das ist gut so –, aber diese Länder haben es auch verdient, einen Begleiter auf ihrem Weg in die Europäische Union zu haben.

Auch im bilateralen Kontakt können wir mit Polizeikooperationen, aber auch mit Kooperationen im Justizsystem dafür sorgen, dass ein Rechtsstaatlichkeitsaufbau stattfindet – der Kampf gegen Korruption gelingt – und die notwendigen Reformen angegangen werden, damit die Länder immer schneller in Richtung Europäische Union wandern können.

Besonders positiv ist, so meine ich, Serbien mit einer klaren Mehrheit für den neuen Premierminister Vuciherauszuheben, der einen pro-europäischen Kurs fährt, Reformen vorantreibt und Serbien wohl auf einen guten Weg führen wird.

Bosnien und Herzegowina ist wahrscheinlich das negativste Beispiel mit einem nicht wirklich funktionierenden politischen System in Verbindung mit dem Vertrag von Dayton, der zwar Frieden gebracht, aber nicht unbedingt zur Regierbarkeit beigetragen hat, wo wir jetzt vor allem auf die Zivilbevölkerung setzen und versuchen, die neuen Kräfte zu unterstützen, die einen pro-europäischen Kurs gehen wollen, die reform­orientiert sind und auch versuchen, die ethnischen Spannungen in den Hintergrund rücken zu lassen.

Die Türkei und die Frage, in welche Richtung sich die Türkei entwickelt, sind ange­sprochen worden. Ich darf dem zustimmen, was gesagt wurde, nämlich dass die Veränderungen der letzten Wochen und Monate alles andere als positiv sind. Das bringt die Türkei auch sicher nicht näher in Richtung Europa, sondern ganz im Gegenteil: Ich meine, wir alle haben Respekt vor den Reformerfolgen der Türkei in den letzten Jahren, auch vor dem Wirtschaftswachstum, das wir uns nur hätten wünschen können, aber die Entwicklung der letzten Monate, insbesondere die Einengung der Meinungs­freiheit, auch in den Neuen Medien, ist definitiv die falsche Entwicklung.

Herr Bundesrat Schreuder hat meine Iranreise angesprochen. Sie haben gesagt, solch eine Reise muss immer einen Zweck haben. – Das hat sie. Ich glaube, dass man Länder wie den Iran nur in Richtung Einhaltung der Menschenrechte bewegen kann,


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dass man die Annäherung an den Iran nur dann wieder vorantreiben kann, wenn es da auch Kontakt gibt. Es gibt derzeit noch die Sanktionen, es gibt hoffentlich bald eine Lösung in der Atomfrage, aber es gibt darüber hinaus viele Fragen, wie zum Beispiel die Menschenrechtssituation im Iran angesprochen werden soll.

Ich denke nicht, dass sich Länder zum Positiven entwickeln, wenn sie schlicht und ergreifend nur abgeschottet sind, sondern ich denke, dass hier durchaus der Kontakt mit dem Westen hilfreich sein kann. Catherine Ashton, die zum Beispiel, auch als sie in Wien verhandelt hat, in diesen Tagen gefragt worden ist, was sie von der potenziellen Iranreise des österreichischen Außenministers hält, hat geantwortet, dass sie der Meinung ist, dass jeder Kontakt mit einem europäischen Land ein positiver Weg und ein positives Signal ist. Insofern haben wir nicht nur ein Ziel für diese Reise, sondern wir sind auch der Meinung, dass diese Reise sinnvoll und richtig ist.

Das Freihandelsabkommen TTIP ist angesprochen worden. Ich darf da festhalten, dass ich die Einschätzung, sowohl was die Transparenz angeht, teile als auch die Einschätzung über die Zielsetzung, die wir Europäer haben sollten. Es geht um eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit und nicht darum, dass wir den Schutz und gewisse Mindeststandards, die wir uns in Europa erarbeitet haben, aufgeben oder nach unten nivellieren. Das muss das Ziel bei all den Verhandlungen sein, und darüber hinaus – auch das ist gut, dass sich die Europäische Union hier stärker und auch selbstbewusst äußert – braucht es definitiv bei den Verhandlungen ein Mehr an Transparenz. Das hat sich nicht nur die europäische Politik, sondern auch die euro­päische Bevölkerung verdient.

Ich danke für die Zustimmung, was den Vorhabensbericht betrifft und darf ab­schließend noch anmerken, dass diesmal erstmals, entsprechend dem neuen Bundesministerien­gesetz, auch die Integration umfasst ist. Ich glaube, das ist auch ein gutes und richtiges Signal. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Freihandelsabkommen vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

12.38.592. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 78

sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (43 d.B. und 82 d.B. sowie 9149/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz geändert wird (83 d.B. sowie 9150/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen beiden Punkten ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um die Berichte.

 


12.39.28

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Ich bringe gleich beide Berichte vor.

Es ist dies zunächst der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesund­heits-Zielsteuerungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Reiter. – Bitte.

 


12.40.53

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher an den Fernsehgeräten! Hurra, die Zahn­spangen sind da! – natürlich sind auch wir dafür, dass Kinder mit Fehlstellungen behandelt werden, und zwar alle. Eigentlich stellt sich mir vielmehr die Frage, warum das nicht schon längst so ist. Nun soll es so weit sein, zumindest für extreme Fälle, nicht für alle. Wie genau das jetzt sein wird, können wir leider nicht kommunizieren, auch nicht via Fernsehen, denn das weiß leider noch keiner.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 79

Die Verhandlungen mit den Zahnärzten sind noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein. In diesem Bereich herrscht ja bekanntermaßen seit vielen Jahren ein Zustand, der die Pflege und Instandhaltung unserer Gebisse teuer und für viele schlicht unerschwinglich macht. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs­träger und die Zahnärztekammer werden nun ersucht, in Gesamtverhandlungen ein­zutreten. Wir können nur hoffen, dass diesem Ersuchen nachgekommen wird, mit entsprechenden Ergebnissen.

80 Millionen € pro Jahr werden für diese Zahnspangen zur Verfügung gestellt werden. Woher kommen die? – Dafür wird der Kassenstrukturfonds 2015 leergeräumt. Die Hälfte, also 40 Millionen, soll aus diesem Bereich kommen. Man muss bedenken, dass es ja mithilfe dieses Fonds gelungen ist, die Kassen weitgehend zu sanieren und auch entsprechende Kostensteigerungsbremsen einzubauen. Angeblich tun sie das jetzt von allein. Bei Abschluss des Koalitionsabkommens war man davon noch nicht so überzeugt, und man wollte diesen Fonds über 2015 hinaus verlängern.

Der Rest kommt vom Gesundheitsministerium. Es stellt sich mir die Frage: Auf Kosten wovon oder von wem? – Ich darf daran erinnern, dass es vor zwei Jahren einen groß angelegten Kinder- und Jugend-Gesundheitsdialog gegeben hat – daran haben mehr als 60 Experten teilgenommen – mit dem Resultat einer Kinder- und Jugend-Gesundheitsstrategie. Wir warten seither auf eine Umsetzung dieser Kinder- und Jugend-Gesundheitsstrategie.

Von Zahnspangen war dort nicht die Rede, sondern es wurden drei Prioritäten gesetzt: frühe Hilfe bei psychischen Erkrankungen, Kinderrehabilitation und Palliativmedizin. Von einer Umsetzung in diesen Bereichen ist nun leider keine Rede mehr. Die Grünen haben die Verhandlungen im Nationalrat zum Anlass genommen, entsprechende Anträge dazu einzubringen, die leider alle abgelehnt wurden. 150 000 Kinder in Österreich kommen auf diese Art und Weise nicht zu den entsprechenden entwick­lungsfördernden Therapien.

Im Bereich Psychotherapie lassen wir uns Jahr für Jahr von der OECD ausrichten, dass wir Schlusslicht sind, wenn es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht. Wir haben nach wie vor eine der höchsten Suizidraten, ein hohes Risikoverhalten, einen sehr frühen Alkoholkonsum.

Ceterum censeo erlauben Sie mir die Bemerkung, dass allein mit dem Geld, das heuer in die Hypo fließt, Zahnspangen für mindestens 15 Jahre finanziert werden könnten und dass mit den Gesamtbeträgen auch die notwendigen Psychotherapien und die Hilfe bei psychischen Erkrankungen auf Jahrzehnte finanziert werden könnten.

Es ist die Frage, ob es die Maßnahme für die Zahnspangen nicht ebenso ist. Es hat viel Gekreisch und Geschrei für diese Miniaturmaßnahme gegeben, die leider vielleicht auch bewirkt, dass Eltern jetzt bis mindestens nächsten Sommer warten und dass hier wertvolle Zeit verstreicht für Maßnahmen, die eben auch rechtzeitig gesetzt werden müssten. Es ist nämlich auch nicht gelungen, entsprechende Maßnahmen für Zahnprophylaxe im Mutter-Kind-Pass und Ähnliches entsprechend zu fixieren. (Bundesrat Perhab: Es gibt aber schon Eigenverantwortung der Eltern auch für ihre Kinder! Nicht alles der Staat ...!)

Ja, die gibt es auch. Ich glaube aber, dass zum Beispiel im Bereich psychischer Erkrankungen für Maßnahmen in diesem Bereich diese Verantwortung von Elternseite sehr schwer wahrgenommen werden kann.

Wie gesagt, es handelt sich unserer Meinung nach um einen Tropfen auf den heißen Stein. Da wir aber auch diesen Tropfen befürworten, werden wir dieser Maßnahme zustimmen. Ich möchte es aber trotzdem nicht verabsäumen, gerade hier darauf


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hinzuweisen, dass es viel zu tun gibt und dass wir darauf drängen werden, dass die Jugend- und Gesundheitsstrategie, die vor zwei Jahren mit großem Trara als Resultat dieses Dialoges verkündet wurde, zu einer Umsetzung kommt. – Danke. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

12.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich begrüße nun den Herrn Gesund­heits­minis­ter ganz herzlich bei uns hier im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 


12.47.02

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum! Es gibt sehr viel zu tun in diesem Bereich, hat meine Vor­rednerin gesagt, da bin ich auch ihrer Meinung. Im Arbeitsprogramm der österreichi­schen Bundesregierung von 2013 bis 2018 bekennt sich die Bundesregierung im Kapitel Gesundheit zur gesundheitlichen Chancengleichheit und Gerechtigkeit für Kinder und Jugendliche. Dies ist auch in der Kinder- und Gesundheitsstrategie zu finden. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen soll erleichtert werden, der Schwerpunkt soll in der Gesundheitsförderung und Prävention liegen.

Das Hauptziel unserer heutigen Änderung ist es, einen ersten Schritt zur Zahn­gesundheit für unsere Kinder und Jugendlichen zu setzen. Es ist, finde ich, sowohl eine sozialpolitische als auch eine gesundheitspolitische Errungenschaft, dass man unseren Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr eine kieferorthopädische Behand­lung zukommen lässt, und das unabhängig vom Einkommen der Eltern, denn es kann und darf nicht sein – wie es unser Herr Bundesminister ja schon sehr oft gesagt hat –, dass am Gebiss des Kindes das Einkommen der Eltern erkennbar ist.

Mit der Einführung der Gratis-Zahnspange ab Juli 2015 wirken wir sicherlich auch einer sozialen Stigmatisierung entgegen. Wir investieren nachhaltig in die Gesundheit unserer Kinder. Es darf hier auf keinen Fall außer Acht gelassen werden, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen ein gesundheitliches Risiko darstellen. Fehlstellungen führen sehr oft zur Überbelastung einzelner Zähne, zu Kiefergelenksbeschwerden, aber auch zu einer Vielzahl anderer gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Da spricht man auch von Sprachstörungen, bei denen sicherlich auch wieder mit psychischen Folgen zu rechnen ist.

Es geht hier also nicht allein um Optik, es geht um die Gesundheit unserer Kinder. Es besteht bei rund einem Drittel unserer Kinder eine medizinische Notwendigkeit, die die Zahnärzte nach internationalen Richtwerten feststellen und dokumentieren werden. Unsere Familien werden mit 80 Millionen € im Jahr entlastet, die als Sachleistung zur Verfügung stehen. Das heißt auch – und darüber wird sehr wenig gesprochen –, dass damit ungeahnte Folgekosten, aber auch Schmerzen und Leid im Erwachsenenalter verhindert werden können, wenn man rechtzeitig, also im Kindes- beziehungsweise Jugendalter, eine Zahnregulierung vornimmt.

Da ich selber Mutter einer Tochter bin und auch meine Tochter im Kindesalter eine Kieferregulierung in Anspruch nehmen musste, weiß ich, welche Kosten und wie viel Zeit dies in Anspruch nimmt. Ich weiß aber auch, dass sich diese Investition gelohnt hat. Meiner Tochter sind viele Schmerzen und Folgeerscheinungen erspart geblieben; sie hätte sich sonst gesunde Zähne reißen lassen müssen.

Aus vielen Gesprächen mit Müttern und Familien weiß ich aber auch, dass die Finanzierung dieser kieferorthopädischen Regulierungen sehr oft für die Familien sehr schwierig ist. Manche setzen sich mit dem Gedanken, ihren Kindern eine Zahn­regulie-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 81

rung zukommen zu lassen, gar nicht auseinander, weil sie einfach Angst vor den Kosten haben.

Sehr viele Länder rund um uns herum sparen in Krisenzeiten bei der Gesundheit. Bei uns hier in Österreich gibt es sehr viele Beispiele, wo wir in die Gesundheit unserer Bevölkerung investieren, wo wir Akzente setzen, dass wir für die Österreicher mehr im Gesundheitsbereich anbieten können. Jetzt sind, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, die Zahnärztekammer und die Sozialversicherungsträger gefordert, die Details zur Umsetzung auszuarbeiten. Im Ausschuss haben wir auch gehört, dass diese Verhand­lun­gen schon begonnen haben.

Es ist auch richtig, dass Sozialversicherungen erst in ihren Satzungen abklären müssen, dass Jugendliche, welche bereits in einer Behandlung sind, auch hier mitge­nommen werden können. Das sollte so rasch wie möglich geschehen, denn eine Behandlung, die jetzt schon notwendig ist, darf nicht bis nach dem Juli 2015 hinaus­gezögert werden.

Mir und meiner Partei ist die Gesundheit der nächsten Generation wichtig, sind gesunde Zähne unserer Kinder wichtig, und das unabhängig vom Einkommen der Eltern. Daher stimmen wir diesem Antrag gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Stöckl. – Bitte.

 


12.51.45

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich und gratuliere, Herr Minister: Endlich gibt es Gratis-Zahnspangen für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, die unter massiven Zahn- und Kieferfehlstellungen leiden! Ja, dies ist ein Schritt in die richtige Richtung und ein weiterer positiver Beschluss, der unseren Familien finanziell unter die Arme greift, sind unsere Kinder doch das höchste Gut. Gerade ihnen müssen auch besondere Starthilfen gewährt werden.

Immerhin sind von diesem Gesetzesbeschluss 85 000 Kinder im Jahr betroffen. Vor allem denke ich, dass diese Entscheidung auch für die Zukunft von großer Bedeutung ist. Prävention vor Rehabilitation, darf ich an dieser Stelle als Physiotherapeutin sagen, denn unbehandelte schwere Zahn- und Kieferfehlstellungen führen über kurz oder lang zu craniomandibulären Dysfunktionen. Das heißt, dass es zu Abnützungen des Kiefergelenkes und damit zu schweren Spätfolgen kommt. Ich denke da an Kiefer­gelenks­arthrosen, die mit starken Schmerzen verbunden sind, an vermehrte Abnüt­zungen der Zähne durch Überbeanspruchung gewisser Zahngruppen und letztendlich auch an Fehlstellungen der Halswirbelsäule, die in weiterer Folge Haltungsschäden verursachen. Die Spätfolgen sind enorm, und mit ihnen auch die Mehrkosten für unsere Sozialversicherungsträger.

Aber als niederösterreichische Bundesrätin möchte ich heute vom Projekt „Apol­lonia 2020“ berichten. Das Motto lautet: Gesunde Zähne für gesunde Kinder in Niederösterreich! Seit 2001 läuft diese Prophylaxe-Aktion flächendeckend in allen niederösterreichischen Kindergärten und seit dem Schuljahr 2003/2004 auch in den Volks-, Sonder- und Privatschulen. Ziel dieser Aktion ist die Erreichung der WHO-Ziele 2020, nämlich, dass 80 Prozent der sechsjährigen Kinder kariesfrei sind. Beim Projekt „Apollonia 2020“ wird bereits im Kleinkindalter auf die richtige Mundhygiene und Zahnpflege gesetzt, denn schon in diesem Alter kann richtige Zahnpflege helfen, Zahn- und Kieferfehlstellungen zu vermeiden.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 82

Als Mutter von drei Töchtern weiß ich, mit welchen finanziellen Belastungen die Familien Tag für Tag konfrontiert sind. Eine Zahnregulierung kostet eine Familie im Durchschnitt rund 1 500 € im Jahr, die durchschnittliche Behandlungsdauer beträgt rund drei Jahre – unglaublich, welche zusätzliche Belastung auf eine Familie mit mehreren Kindern da zukommt! Gott sei Dank finden sich nun im Regierungsprogramm viele Erleichterungen für unsere Familien. Ich denke da zum Beispiel an die Erhöhung der Familienbeihilfe ab Juli 2014, an die Beibehaltung der Schulstarthilfe, aber auch an die Gratis-HPV-Impfung für alle Neun- bis Zwölfjährigen. Gott sei Dank verhindert die HPV-Impfung 75 Prozent aller Gebärmutterhalskarzinome. Auch hier gilt für mich: Prävention vor Rehabilitation.

Erfreulich ist auch die Tatsache, dass allein für die Gratis-Zahnspangen 80 Millionen € vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Wie wir bereits gehört haben, sind die Sozial­versicherungsträger und die Zahnärztekammer gefordert, die Details zur Umsetzung bis zum Ende dieses Jahres zu erarbeiten, damit dieses Gesetz eben 2015 in Kraft treten kann.

Ja, ich bin sehr froh darüber, in Österreich leben zu dürfen, denn Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. Dass natürlich noch immer ein Verbesse­rungspotenzial vorhanden ist, will ich gar nicht abstreiten, aber ein weiterer wichtiger Schritt ist damit getan. Die ÖVP wird den Herrn Minister in seiner diesbezüglichen Entscheidung für die zahnmedizinische Versorgung sehr gerne unterstützen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Krusche. – Bitte.

 


12.55.57

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Hohes Präsidium! Kolleginnen und Kollegen! Gratis-Zahnspange für alle – das war der Wahlkampf-Gag. (Bundesrat Stadler: Ein Gag schaut anders aus!) Nachdem sich die geplante Finan­zierung über die Tabaksteuer als nicht umsetzbar erwiesen hat, ist man jetzt dort gelandet, dass nur jene die Zahnspange bekommen sollen, die eine, wie es heißt, „erhebliche Fehlstellung“ sozusagen der Klassen 4 und 5 im Alter zwischen 15 und 18 Jahren aufweisen.

Was in diesem Zeitraum vom Wahlkampf bis jetzt passiert ist, war ein beispielloses und chaotisches Verwirrspiel, und zwar auf dem Rücken der Patienten, also der Kinder und Jugendlichen, und ihrer Eltern. Das hat auch dazu geführt, dass es zu einem Einbruch bei den Behandlungen gekommen ist, weil sehr viele nicht gewusst haben: Kommt sie, kommt sie nicht?, na, warten wir einmal zu, vielleicht kommt sie doch! – Das ist natürlich im Sinne der Prävention und der Gesundheit unserer Jugendlichen kontraproduktiv.

Jetzt wissen wir es also: Mitte 2015 soll es sozusagen losgehen. 85 000 Jugendliche – es wurde ja bereits gesagt – mit Kosten von 80 Millionen € sollen davon profitieren. Die Auflösung des Kassenstrukturfonds wurde auch bereits erwähnt und ist sicherlich ein Wermutstropfen. Man hat hier gemeint: Na ja, mittlerweile werden die Kassen dieses Zuckerl nicht mehr brauchen und auch ohne Zuckerl brav sein! – so war die Aussage im Ausschuss. Es bleibt nur zu hoffen, dass es wirklich so ist. Ich hoffe auch, dass es bei den Verhandlungen mit den Ärzten nicht noch zu bösen Überraschungen kommen wird.

Deshalb werden wir nach dem Motto „Besser, es geschieht wenigstens etwas, als gar nichts“ diesem Antrag unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.58



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 83

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


12.58.29

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und Herren im Bundesrat! Liebe Zuseher! Ich freue mich heute ganz besonders, einen richtigen und einen richtungsweisenden Schritt in der Verbesserung der österreichischen Gesundheitsversorgung setzen zu können. Warum? – Ich nenne Ihnen eine Zahl: In Österreich werden knapp 700 Millio­nen € für Gesundheitsmaßnahmen ausgegeben; das ist die Summe aller Zahnleistun­gen, die in den Sozialversicherungsträgern in einem Jahr in Österreich ausgegeben werden.

Wenn Sie das heute beschließen, nämlich die Zahnspange, dann erweitern wir das um mehr als 10 Prozent! Wir setzen einen großen Schritt seit dem Entstehen des Allge­meinen Sozialversicherungsgesetzes, nämlich, dass Zahnleistungen als Regelleistung der sozialen Krankenversicherung umgesetzt werden.

Ich bedanke mich bei allen, die da mitgewirkt haben im Wahlkampf, in der Erstellung des Regierungsprogrammes, nämlich – und es ist angesprochen worden –, dass wir den Familien, den Frauen, den Kindern eine Chance geben, nicht mehr entscheiden zu müssen: Kann ich mir das jetzt leisten, kann ich mir die Zahnspange leisten oder nicht? Muss ich zu meinem Kind sagen, darüber brauchen wir gar nicht nachzudenken?

Nein, in Zukunft werden Kinder, die eine Zahnspange brauchen, diese als Sachleistung der Sozialversicherung bekommen, und das entlastet die Familien. Ich bin sehr stolz darauf, dass das möglich geworden ist.

Das ist zugleich auch eine Chance, Bewegung hineinzubringen in das sozialpartner­schaftliche Verhältnis zwischen dem Hauptverband und den Zahnärzten. Wir haben in diesem Bereich seit 1973 keine Verbesserungen mehr zustande gebracht. Ich habe gemeint, das ist nicht zumutbar für die österreichische Bevölkerung. Jetzt haben die Zahnärztinnen und Zahnärzte, jetzt haben die Sozialversicherungen die Chance, neue Schritte zu setzen und sozialpartnerschaftlich wieder Verbesserungen zu erreichen. Im Wege gemeinsamer Verhandlungen, von Gesamtverträgen geht es darum, auch im Bereich der Zahnmedizin einen Schritt weiterzukommen.

Ich bedanke mich dafür, dass man schon bereit ist, diesen Prozess aufzusetzen. Der Hauptverband hat bereits ein Konzept entwickelt, wie verhandelt werden kann. Die Zahnärztekammer ist auch dazu bereit. Das ist daher ein wichtiger Impuls, der von dieser Beschlussfassung heute ausgeht. Ich kann Ihnen hier nur sagen, dass ich das als wichtig erachte.

Es ist mir auch noch wichtig, darauf hinzuweisen, was wir im Bereich der Zahnmedizin insgesamt schon getan haben. Wir haben im letzten Jahr erreicht, dass die Zahn­ambulatorien der Gebietskrankenkassen Zahnprophylaxe anbieten können. Wir haben das Leistungsspektrum der Zahnambulatorien geöffnet, sodass dort alle Leistungen erbracht werden können.

Wir schaffen mit diesem Schritt auch, dass die Eltern nicht mehr verunsichert werden. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte wissen – und das wissen sie aus ihrer Profession heraus –, wann eine Fehlstellung der Klassifikation 4 und 5 gegeben ist. Dann können die Eltern sagen: Ja, da braucht es sicherlich eine Zahnspange!, und wenn sie eine andere Form der Korrektur haben wollen oder wenn kosmetische Maßnahmen ergriffen werden müssen, dann muss ihnen der Zahnarzt das auch ganz deutlich sagen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 84

Es ist bereits angesprochen worden: 85 000 Kinder werden jährlich davon profitieren, und wir werden 80 Millionen € aus dem Bundesbudget zusätzlich für Leistungen zur Verfügung stellen können. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Punkt.

Bundesrätin Reiter hat die Frage angesprochen, wie das mit dem Kindergesundheits­dialog zusammenpasst und dass der Kindergesundheitsdialog kritisiert worden ist. – Da bitte ich, ein bisschen genauer hinzusehen: Ich habe den Kindergesundheitsdialog veranlasst mit dem Ziel, Expertinnen und Experten heranzuziehen, um zu klären, wohin wir uns entwickeln wollen. Ich habe auch die Institutionen dazu eingeladen, eine Maßnahme zur Verbesserung der Kindergesundheit beizutragen, und das haben alle Institutionen getan. Damit haben wir mehr als tausend Maßnahmen zur Verbesserung der Kindergesundheit umgesetzt. Viele betreffen Details, aber ein paar möchte ich schon aufzählen, denn das sollte man auch wissen: Wir haben zum Beispiel die Kin­der­impfungen ganz massiv ausgeweitet – Pneumokokken, Meningokokken, HPV –, wir haben die Zahnprophylaxe ermöglicht, wir haben Therapieangebote für Kinder wesentlich verbessert, die Kinder- und Jugendpsychiatrieangebote ausgebaut und für dieses Feld auch zusätzliche Ärztinnen und Ärzte aufgenommen beziehungsweise unter Vertrag genommen. Dies alles sind Maßnahmen im Rahmen des Kindergesund­heitsdialoges. Was die Kindergesundheit anlangt, werden wir noch weitere Schritte setzen, so zum Beispiel auch, dass wir in Schulbuffets dafür sorgen werden, dass Kinder bessere, die richtige Nahrung bekommen.

Zur psychischen Gesundheit der Kinder: Kinder sollen nicht erst psychisch krank und dann vom Psychotherapeuten behandelt werden, nein, sie sollen gar nicht krank werden. Daher setzen wir auf frühe Hilfen. Ich gebe gerne zu, dass das Angebot auch in der Psychotherapie noch verbessert werden muss, sage aber auch, dass die soziale Krankenversicherung auf diesem Feld bereits viel erreicht hat.

Es freut mich, dass in kurzer Zeit diese wichtige Maßnahme umgesetzt werden kann, dass Sie heute für die Zahnspange votieren können. Damit leisten Sie einen Beitrag dazu, dass die Kindergesundheit in Österreich maßgeblich verbessert wird, und wir tragen dazu bei, den Menschen in Österreich in unsicheren Zeiten wieder Stabilität zu signalisieren, dass sie sich also auf dieses Österreich verlassen können. Wir werden auch in Zukunft Weltmeister sein beim Zugang aller Menschen, auch jener mit einem geringeren Einkommen zu hochwertigen Gesundheitsleistungen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dörfler.)

13.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrat keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 85

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungs­gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.07.054. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Sozial­versicherungs-Ergänzungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesge­setz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Apothekengesetz, das Medi­zin­produktegesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psycho­therapiegesetz, das EWR-Psychologengesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz und das Familienlasten­ausgleichs­gesetz 1967 geändert werden (EU-Patientenmobilitätsgesetz – EU-PMG) (33 d.B. und 77 d.B. sowie 9151/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Bitte um den Bericht.

 


13.07.22

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Bericht des Gesundheitsausschusses über das EU-Patientenmobilitätsgesetz. Mit dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates werden im Rahmen der Umsetzung von Unionsrechten insgesamt 21 Gesetze aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich geändert. Ein zentraler Schwerpunkt des EU-Patientenmobilitätsgesetzes ist die Stärkung der Patientenrechte in der grenzüber­schreitenden Gesundheitsversorgung. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in der Sitzung am 8. April 2014 in Verhandlung genommen. Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


13.08.26

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer zu Hause! Unter dem Schlag­wort „Patientenmobilität“ ändern wir insgesamt 21 Gesetze aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, und zwar alle samt und sonders aufgrund von zwingenden EU-Vorgaben. Man hat gehört, dass uns das in der Umsetzung in den nächsten fünf Jahren mit bis zu 80 Millionen € an Verwaltungskosten belasten wird. Das wäre dann schon fast die Zahnspange für alle, aber na gut, man wird sehen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 86

Wir sind jedenfalls der Meinung, wir sollten eigentlich zuerst die Mobilitätsprobleme im Inland lösen, bevor wir jene innerhalb der EU in den Griff bekommen wollen. Nehmen wir beispielsweise das Wiener Umland: Da ist es in der Praxis so, dass sehr viele Niederösterreicher weite Wege zu den nächsten Krankenanstalten in Kauf nehmen müssen, weil der Austausch mit Wiener Krankenanstalten ausgesprochen gering ist und nicht gut funktioniert.

Wir haben ein gutes Gesundheitssystem in Österreich, das ist unbestritten; wir wollen aber nicht unbedingt zum Zielland aller, vor allem auch aus EU-Ländern werden, die ein schlechteres Gesundheitssystem haben. Wir haben heute von Frau Kollegin Reiter bereits ein Beispiel gehört: Griechenland. – Gut, die griechischen Inseln sind vielleicht wirklich ein bisschen weit weg, aber man braucht sich nur in kroatischen Kranken­häusern umzuschauen, dann weiß man, was die teilweise für einen Standard haben. Und wir haben heute auch schon von der Frau Präsidentin gehört: 400 Kilometer sind keine Entfernung. Die sind aber noch näher – ich weiß nicht, was das dann mathematisch ist: weniger als keine Entfernung –, jedenfalls ist dort sicherlich die Verlockung gegeben, unser gutes Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen. Die Frage ist, ob sich daraus nicht neben den Kosten auch noch Kapazitätsprobleme zulasten unserer eigenen Patienten ergeben könnten.

Dass wir mit der Finanzierung und beim Zurückholen der Aufwendungen große Prob­leme haben, das wissen alle, die in Skigebieten zu Hause sind, in Tirol und Salzburg. Die wissen ein Lied davon zu singen, denn das ist äußerst problematisch. Es gibt da Riesenaußenstände für die Behandlung von ausländischen Patienten. Und wie das Ganze dann in der Realität funktionieren soll ist äußerst kryptisch gehalten.

Beispielsweise gibt es das Herkunftslandprinzip bei der Kostenerstattung. Danach haben Personen, die in einem Mitgliedsland versichert sind und Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat gegen Bezahlung der Behandlungskosten in Anspruch genom­men haben, Anspruch auf Erstattung jener Kosten, die in ihrem heimischen System bei entsprechender Behandlung im Inland erwachsen wären. Wie das dann in der praktischen Umsetzung in den Krankenanstalten vor sich gehen soll, das wird ausge­sprochen kompliziert. Es muss eine eigene Kontaktstelle für grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung eingerichtet werden. Die Bürokratie wird also ausgesprochen kräftig ausgebaut, nämlich die europäische Bürokratie.

Ein weiterer Aspekt, der uns nicht besonders gefällt, ist, dass das Staatsangehörig­keitsprinzip bei der Ausübung von Gesundheitsberufen fällt, beispielsweise bei Psycho­logen und Psychotherapeuten. Auch wenn es da heißt, dass sich im Prinzip an der bisherigen Situation nichts ändern wird, sondern in Wirklichkeit nur die ganze Prozedur für solche Personen einfacher wird, um bei uns arbeiten zu können, muss ich trotzdem feststellen: Auf der einen Seite bauen wir Bürokratie auf, auf der anderen Seite bauen wir Bürokratie ab, dies aber zugunsten von ausländischen Arbeitnehmern und wahr­scheinlich zulasten von einheimischen Arbeitnehmern, denn je geringer der Aufwand wird, um bei uns beruflich tätig zu werden, desto eher wird dies auch in Anspruch genom­men werden.

Wir lehnen es daher ab, diese Gesetze zu beschließen, auch wenn wir faktisch EU-rechtlich dazu gezwungen sind. Wir wollen jedenfalls nicht in dieser Hörigkeit gegen­über den Kommissionsbeschlüssen verharren, und deshalb sagen wir zu diesem Antrag Nein. (Beifall bei der FPÖ.)

13.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 87

13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Ebner. – Bitte.

 


13.14.05

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf von unserer Par­tei sagen: Im Gegensatz zur Freiheitlichen Partei sind wir eine sehr offene und auch moderne und zukunftsorientierte Partei und werden daher diesem Patientenmobilitäts­gesetz heute sicherlich die Zustimmung geben, denn diese Patientenmobilität bedeutet auch, dass man eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in Anspruch neh­men kann, also nicht nur im Heimatland, in dem man krankenversichert ist, sondern eben auch in einem anderen Staat. Dieses Mobilitätsgesetz schafft für alle Mitglied­staaten die Rahmenbedingungen, damit Patientinnen und Patienten grenzüberschrei­tend Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen und dafür auch Kostenersatz bean­spruchen können.

Herr Krusche hat es schon angesprochen: Bei Auslandsbehandlungen erfolgt die Rückerstattung der Kosten in dem Ausmaß, wie sie im Heimatland eines jeden einzelnen Patienten angefallen wären. Das sehe ich als großen Fortschritt, denn künftig muss dann niemand mehr diese Leistungen beim Europäischen Gerichtshof einklagen. Dies stellt auch sicher, dass Menschen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union tätig sind, einen entsprechenden Gesundheitsschutz haben. Ausgenommen von diesen Dienstleistungen sind lediglich Langzeitpflegen oder auch die öffentlichen Impfprogramme gegen Infektionskrankheiten.

Ein Zweites: Wir wissen, dass mit dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz aus dem Jahre 2013 für Unfälle von Dienstnehmern, die entweder Präsenzdienst oder Zivildienst leisten oder sich für freiwillige Dienste bei den Rettungen und Feuerwehren im Rahmen des Katastrophenschutzes engagieren, die Dienstgeber nun für die Entgeltfortzahlungszeit einen Zuschuss zum Differenzbetrag einholen können. Somit ist auch ein kleiner Teil der Lohnnebenkosten-Ersatzleistungen verbunden.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Nunmehr werden auch die Betreiber von öffentlichen Apotheken dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und dies nicht nur für die Zeit der Betreibung, sondern auch für Schadensfälle außerhalb der Öffnungszeiten. Damit wird den Konsumenten ein Mehr an Schutz gewährt.

Weiters erscheint mir die bei der Gesundheit Österreich GmbH eingerichtete Infor­mationsstelle, die dort als Informations- und Auskunftsstelle eingerichtet wird, wichtig. Diese kann man kontaktieren, wenn eine grenzüberschreitende Gesundheitsbehand­lung geplant ist beziehungsweise eine solche schon in Anspruch genommen wurde. Zudem kann die nationale Kontaktstelle auch per E-Mail kontaktiert werden. Jeder Mitgliedstaat ist zur Einrichtung einer solchen Kontaktstelle verpflichtet.

Eines möchte ich hier vielleicht noch ergänzen: Es kann prinzipiell kein Versicherter gegen seinen Willen zu einer Behandlung ins Ausland geschickt werden.

Die Fragen der Qualitäts- und Sicherheitsstandards waren zu klären, wobei jeweils die Qualitäts- und Sicherheitsstandards jenes Landes, in dem die Behandlung durch­geführt wird, zur Anwendung kommen. Aus der Vergangenheit wissen wir leider, dass es hin und wieder auch zu Behandlungsfehlern kommt. In diesem Fall kommt jeweils das Recht jenes Staates zur Anwendung, in dem die Behandlung durchgeführt wurde. Auch in diesem Zusammenhang kann sich der Patient an die jeweils zuständige nationale Kontaktstelle wenden.

Es wurde auch zugesichert, dass sich im Zuge der Umsetzung dieses Gesetzes die Krankenkassenbeiträge nicht erhöhen werden, da grundsätzlich nur maximal die Kosten erstattet werden, die auch bei einer entsprechenden Behandlung im Ver­sicherungsstaat übernommen worden wären.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 88

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Umsetzung dieser Novelle werden in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung Patientenrechte gestärkt sowie die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung sichergestellt. Es gilt die Ver­pflichtung zur Gleichbehandlung in- und ausländischer Patienten. Unsere Fraktion stimmt dieser Gesetzesvorlage zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Poglitsch.)

13.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


13.18.56

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber geschätzte Damen und Herren! Wenn wir heute das Patientenmobilitätsgesetz beschließen, was ich sehr hoffe, dann geht es natürlich auf der einen Seite auch darum, dass wir eine Reihe an EU-Vorgaben umsetzen, wie dies ja auch in einer starken Gemeinschaft Sinn macht und auch gut ist. Es geht aber vor allem auch, und ich sage hauptsächlich darum, dass Patientenrechte bei grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung ausgebaut und auch abgesichert werden. Es ist ein wichtiges Grundprinzip der Euro­päischen Union, dass Ländergrenzen bei der Inanspruchnahme von Dienst­leistungen keine Rolle spielen dürfen, und dies gilt natürlich auch für Gesundheits­dienst­leistungen. Dies wurde auch schon mehrfach vom Europäischen Gerichtshof gefordert und bestätigt.

Es muss nach EU-Recht daher gewährleistet sein, dass sich jeder Patient den Arzt oder das Krankenhaus EU-weit, und zwar natürlich zu denselben finanziellen Bedin­gungen wie zu Hause, frei aussuchen kann. Um da eventuell entstehenden Missbrauch zu verhindern, bedarf es aber der Genehmigung durch den jeweiligen Versicherer.

Ausgenommen davon sind natürlich Akutfälle, aber ansonsten braucht man die Geneh­migung des Versicherers beziehungsweise des Chefarztes. Die Gefahr, dass Gesund­heitstourismus entstehen könnte, sehe ich daher nicht; zumal uns allen klar ist, dass Patienten, wenn möglich, immer lieber im eigenen Land versorgt werden, lieber zu Hause im gewohnten Umfeld und sich in familiärer Nähe in ein Krankenhaus begeben.

Eine wesentliche Erleichterung gibt es auch bei der Anerkennung von medizinischen Verschreibungen, den sogenannten Rezepten, wenn diese grenzüberschreitend zur Anwendung kommen.

Ein ganz wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes ist die verpflichtende Berufshaftpflicht­versicherung für Apotheken, ähnlich wie dies bereits im Ärztegesetz oder im Zahn­ärztegesetz der Fall ist. Es ist dies ein wichtiger Schutz für die Konsumenten, aber vor allem auch eine Absicherung für die Betreiber der Apotheken.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einrichtung einer nationalen Informationsstelle. Diese hat die Pflicht, Informationen über Patientenrechte und ihre Durchsetzbarkeit, Rechte und Ansprüche bei grenzüberschreitenden Leistungen sowie auch ein Verzeichnis über Gesundheitsdienstleister und deren Qualitätsstandards zu Verfügung zu stellen.

Abschließend aber auch noch einige grundsätzliche Anmerkungen beziehungsweise Überlegungen zu dieser Gesetzesmaterie. Es gibt in Europa zweifelsohne noch immer sehr große Unterschiede in der Qualität und im Know-how von medizinischen Leis­tungen. Uns Österreichern ist das wahrscheinlich weniger bewusst, da wir zweifels­frei – und das wurde heute schon mehrfach gesagt und bestätigt – eines der besten


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 89

Gesundheitssysteme haben. Dennoch gibt es EU-weit nach wie vor große Unter­schiede, vor allem was die Behandlung von eher seltenen Krankheiten betrifft.

Das heißt, es gibt Patienten, und sehr oft sind das Kinder, die in manchen EU-Ländern nicht die notwendige Behandlung bekommen können und an ihren seltenen Krank­heiten sehr leiden, sehr oft leider auch sterben, obwohl es in anderen Ländern aber durchaus Behandlungsmöglichkeiten geben würde.

Durch Erleichterungen in der Patientenmobilität, wie sie in diesem Gesetz vorgesehen ist, können wir vielleicht auch diesen Menschen helfen, eine Chance auf Heilung zu bekommen. Ich denke, wir sollten nicht nur die eventuellen negativen Folgen dieses Gesetzes sehen, sondern durchaus auch die Chancen dieses Gesetzes erkennen.

Ich weiß auch aus meinem eigenen Bekanntenkreis, dass es Krankheiten gibt, die hier in Österreich, weil sie so selten sind, nicht behandelt werden können. Auch für diese Menschen stellt dieses Gesetz, glaube ich, eine Erleichterung und auch eine gewisse Hoffnung dar.

Ich hoffe daher, dass gerade dieses Gesetz breite Zustimmung findet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.24.03

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es ist schon vieles über diese EU-Patientenmobilitätsgesetz gesagt worden. Wir sind der Überzeugung, dass es nicht unbedingt zu einer Aufblä­hung des Bürokratismus kommen wird, sondern dass es aufgrund dieser Anpassungen auf alle Fälle zu einer größeren Klarheit und zu einer größeren Rechtssicherheit für die Patienten, und damit mittelfristig vielleicht sogar zu einer Reduktion des entsprechen­den Verwaltungsaufwandes kommt.

Ich glaube, dass dieses Gesetz und diese Bestimmungen gerade für Patienten und ihre Rechtssicherheit wichtig sind. Wir haben im Bereich der Medizin eine immer größere Spezialisierung, die es vielen Patienten, auch Österreicherinnen und Öster­reichern, erstrebenswert macht – und wahrscheinlich auch sinnvoll ist –, sozusagen nicht nur auf das Heimatland zurückzugreifen, sondern sich auch im Ausland, bei­spiels­weise in Spezialkliniken, behandeln zu lassen.

Dafür gibt es nun einen Rechtsrahmen, sodass künftig ganz klar sein wird, unter welchen Bedingungen das möglich ist. Es wird für diese grenzüberschreitende Gesund­heitsversorgung eine nationale Kontaktstelle geben, wo es eben zu ent­sprechender Beratung und Unterstützung kommen wird.

Wer jetzt glaubt, dass die Kostenerstattung für ausländische Touristen leichter und schneller werden würde – das ist ja ein Problem für viele Krankenhäuser, vor allem in touristischen Gebieten, insbesondere in Wintersportgebieten; da warten Spitäler teilweise viele Jahre auf diesen Kostenersatz, diese Spitäler haben ja Millionen an Außenständen –, den muss ich enttäuschen: Das wird nicht der Fall sein. Das ist eine andere Baustelle, wird also in diesem Gesetz leider nicht geregelt.

Die Berufshaftpflichtversicherung für Apotheken betrifft nicht nur die Apotheken, sondern auch die Psychotherapeuten. Da habe ich schon gewisse Bedenken. Ich hoffe, dass die konkrete Umsetzung dann maßvoll sein wird. Wenn man zum Beispiel – wie in den vergangenen Monaten erfolgt – die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen in Deutschland verfolgt hat, wo durch die Höhe dieser Haftpflicht­ver­siche-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 90

rung die Ausübung dieses Berufes de facto verunmöglicht wurde, dann hoffe ich, dass nicht Ähnliches im Bereich der Psychotherapie passiert.

Bei Apothekern habe ich da weniger Bedenken, aber im Bereich der Psychotherapie könnte es durch die Berufshaftpflichtversicherung zu einer Verteuerung kommen, dabei ist die Behandlung gerade in diesem Bereich meist nach wie vor mit hohen Kosten, auch für die Patienten, verbunden. Eine weitere Erhöhung dieser Kosten würde ich für sehr bedenklich halten. Ich hoffe daher, dass es in der Umsetzung nicht dazu kommt.

Leider wurde es auch verabsäumt, in diesem Gesetz den Berechtigungsumfang von Gewerben im Bereich der Lebens- und SozialberaterInnen sowie Unternehmens­bera­terInnen klar abzugrenzen. Seit dem Psychologengesetz 2013 gibt es eine große Verunsicherung bei diesen Berufsgruppen. Im Wirtschaftsparlament wurde diesbezüg­lich deshalb ein Antrag verabschiedet, und zwar einstimmig, der den Erhalt der Berufs­rechte dieser Berufsgruppen zum Ziel hatte. Im Nationalrat ist es leider nicht dazu gekommen, und es ist leider so, dass ÖVP und SPÖ diese Berufsgruppe, die dezidiert keine Kranken behandeln möchte, aber wichtige Leistungen im Bereich der Prävention erbringt, wenn wir bei der Unternehmensberatung die Burn-out-Prävention und so weiter bedenken, weiter im Regen stehen lassen.

Wir finden es traurig, dass da einem entsprechenden Antrag der Grünen nicht Folge geleistet wurde. Es wäre eine Gelegenheit gewesen, für diese Berufsgruppen Rechts­sicherheit herzustellen. Trotzdem werden wir diesem Gesetz zustimmen. (Beifall des Bundesrates Dönmez sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

13.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


13.28.50

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Europa ist gegründet worden, um die Freiheit der Menschen zu erhöhen. Bei diesem Gesetz, nämlich der Patientenmobilität, ist die Frage der Freiheit von Men­schen angesprochen, und zwar die Freiheit, den Ort zu wählen, an dem sie sich behan­deln lassen.

Da gibt es viele von uns, die in Pension sind und möglicherweise in einem anderen Land als in Österreich die Pension genießen wollen, möglicherweise bei ihren Kindern, die im Ausland studiert und sich dort niedergelassen haben, und diese Menschen wollen dort, in der Nähe ihrer Familie, behandelt werden. Für diese Personengruppen machen wir ein Gesetz. Aber auch für die Personengruppen, die aus dem Ausland zu uns kommen, müssen wir entsprechende Regelungen schaffen.

Wir haben bei dieser Gesetzesmaterie einige Grundlagen sichergestellt: erstens, dass wir eine Vorabgenehmigung brauchen, dass im Vorfeld geklärt wird, auch im Sinne der Konsumentensicherheit, dass der zuständige Sozialversicherungsträger im Vorhinein gefragt werden muss, ob eine planbare Operation auch im Ausland durchgeführt werden kann. Das schafft Sicherheit für den Patienten und die Patientin und auch für den Dienstleistungsanbieter.

Wir haben auch sichergestellt, dass die Konsumenten gestärkt werden, nämlich durch Haftpflichtversicherung. Ich kann nur hinweisen: Wir haben das in den letzten Monaten auch in anderen Berufsgruppen gemacht, und die österreichische Versicherungs­wirtschaft ist hier vernünftig mit den Berufsgruppen umgegangen. Wir haben das bei Ärzten eingeführt, wir haben das bei Psychologen eingeführt, und ich gehe davon aus, dass das auch in den anderen Berufsgruppen so sein wird. (Präsident Lampel übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 91

Ich kann nur aufklären, dass die Europäische Union eine Regel dafür hat, bis wann Zahlungen an die Krankenanstalten geleistet werden müssen. Es ist vorgesehen, dass innerhalb von 18 Monaten eine Zahlung erfolgen muss, und das ist auch so umgesetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf Folgendes hinweisen: Das soll nicht unwidersprochen bleiben, Herr Bundesrat Krusche. Sie haben sich im Komma geirrt. Es sind nicht 80 Millionen €, die an Kosten anstehen, sondern viel, viel weniger. Schauen Sie sich die Vorlage noch einmal genauer an! Das ist aus meiner Sicht wichtig.

Eines soll auch sichergestellt werden, und es mir wichtig, darauf hinzuweisen: Was seltene Erkrankungen betrifft, haben wir in Österreich eine Informationsstelle, die Auskunft darüber gibt, welche Möglichkeiten es gibt, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen behandelt werden. Da ist europäische Zusammenarbeit notwendig, und mit diesem Gesetz werden auf dafür die Rahmenbedingungen umgesetzt.

Es ist ein Gesetz, das die Freiheit der Europäerinnen und der Europäer, also unsere Freiheit tangiert. Die Freiheit wird mit diesem Gesetz erhöht. Gerade wenn Menschen krank sind, ist das eine Form von Unfreiheit. Insofern ist das ein wichtiger Schritt, die Freiheit von Menschen zu erhöhen. Da macht die Europäische Union einen Vorteil für die Menschen in Österreich aus. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.32


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Stellung­nahme.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.33.315. Punkt

Jahresvorschau des BMG 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2014 und des Programms des Rates (Griechenland) (III-507-BR/2014 d.B. sowie 9152/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Bitte um den Bericht.

 


13.33.52

Berichterstatter Dr. Andreas Köll: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschus­ses über die Jahresvorschau des BMG 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 und des Programms des Rates (Griechenland).

Der Bundesminister für Gesundheit hat die Jahresvorschau 2014 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Euro­päischen Kommission für 2014 sowie des Programms des griechischen Ratsvorsitzes vorgelegt.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, weshalb ich gleich zur Antragstellung kommen darf.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 92

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, die Jahresvorschau des BMG 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 und des Programms des Rates (Griechenland) (III-507-BR/2014 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Michael Lampel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.

 


13.34.50

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Minister – das ist das letzte Mal für heute! Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! In diesem Bericht, bereits in einem der ersten Kapitel, in dem es nämlich um die Vereinfachung und die Verringerung des Verwaltungsaufwands im Rahmen des Hygiene-Pakets – also zusammengesetzte Erzeugnisse, Fleischuntersuchungen und so weiter – geht, wurde mir im Ausschuss auf die Frage, ob hier die Gefahr des Unterlaufens von österreichischen Standards besteht, die Antwort gegeben: Ja. – Da müssen wir aufpassen, dass das nicht wirklich greift. Allein das ist schon einmal Grund genug, dem sehr kritisch gegenüberzustehen.

In dem Kapitel, in dem es um Informationsaustausch, Risikobewertung und Kontrolle neuer psychoaktiver Substanzen geht, lautet die abschließende Stellungnahme, die österreichische Position so:

„Unbeschadet der grundsätzlichen Bedenken und der beabsichtigten Einbringung ent­sprechender Textvorschläge in den kommenden Verhandlungen erscheinen einige, gegenüber dem bislang geltenden Ratsbeschluss 2005/387/JI neue Regelungsinhalte betreffend Informations- und Risikobewertungsverfahren überschießend bzw. zu unbestimmt.“

In einem anderen Punkt, in dem es um die Transparenz von Maßnahmen zur Preis­festsetzung bei Humanarzneimitteln geht, lautet die österreichische Stellungnahme wie folgt:

„Österreich steht dem Entwurf der Europäischen Kommission aufgrund der () zu erwartenden Mehrkosten sowie des unverhältnismäßigen Eingriffs in die Souveränität der Mitgliedstaaten ablehnend gegenüber. Der Vorschlag ist weder verhältnismäßig noch berücksichtigt er das Subsidiaritätsprinzip.“ – Da schrillen bei mir und bei uns natürlich alle Alarmglocken.

Auf der anderen Seite werden Kapitel, wo es um das Klonen, um die Gentechnik geht, eher vage dargestellt und scheinen noch nicht so weit gediehen.

Herr Bundesminister, ich möchte ausdrücklich festhalten – und ich bitte Sie, Ihren Mitarbeitern den Dank für diesen Bericht auszusprechen –: Der Bericht des Minis­teriums ist übersichtlich, gut gestaltet und erfreulicherweise steht überall die öster­reichi­sche Position dabei. Unsere Ablehnung bezieht sich ausschließlich auf die Positionen der Kommission in diesen Dingen. Deshalb werden wir diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Köberl. Ich erteile es ihr.

 


13.37.58

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Die uns vorliegende Jahresvorschau ist meiner Meinung


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 93

nach – und da sind Herr Krusche und ich einmal einer Meinung – sehr gut und übersichtlich gestaltet. Im ersten Punkt geht es um das Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission, im nächsten Punkt werden die von der Euro­päischen Kommission bereits vorgelegten Legislativvorschläge beziehungsweise Mit­teilungen präsentiert, und im dritten Punkt geht es um das Operative Programm des Rates.

Im Vorwort wird auf die Zeichen einer leichten wirtschaftlichen Erholung in der EU nach fünf Jahren der globalen Finanzkrise hingewiesen, die jedoch noch nicht von jenen gefühlt wird, die unter der Krise am meisten gelitten haben wie zum Beispiel junge Arbeitslose.

Es gibt Hinweise darauf, dass wir durch tiefgehende Wirtschafts-, Finanz- und Steuerreformen sowie zielgerichtete Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung allmählich aus der Krise kommen. Es darf aber keinen Grund zur Selbstzufriedenheit geben.

Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass das Jahr 2014 ein Jahr der Ereignisse und Umsetzung sein muss; dass die Ergebnisse der kommenden Monate den euro­päischen Bürgern und Unternehmen zeigen sollen, dass sie vertrauensvoll in die Zukunft blicken können.

Eine bevorstehende beziehungsweise anstehende Initiative beschäftigt sich mit der biologischen Produktion. Da soll laut dem vorliegenden Bericht eine langfristige Stabilität erreicht werden. Die Kommission führte dazu einen sehr umfassenden Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft durch. Es gab Anhörungen mit 72 Stake­holdern, die den gesamten Biobereich vertreten. Mittels Online-Fragebogen wurde auch eine öffentliche Konsultation durchgeführt. 45 000 Antworten zeugen von der enormen Aufmerksamkeit der Verbraucher für den biologischen Landbau. Wenn man sich die österreichischen Lebensmittelmärkte ansieht, dann sieht man, dass eigentlich jede Handelskette ihre eigene Biomarke hat, also man kann das nur bestätigen.

Österreich gibt zu bedenken, dass es keinesfalls zu voreiligen Änderungen kommen darf, die dann eventuell nach der abgeschlossenen Überprüfung wieder zurückgenom­men werden müssten. Die biologische Produktion braucht ein stabiles, sich nicht stän­dig änderndes Regelwerk mit vertretbaren Kosten und einem vertretbaren Kontroll- und Verwaltungsaufwand. Eine Totalrevision der Bioverordnung würde aus österreichischer Sicht das bisher Erreichte sowie den weiteren Aufbau des Biosektors stark gefährden.

Bei den von der Europäischen Kommission bereits vorgelegten Legislativvorschlägen oder Mitteilungen geht es zum einen um eine Revision der Medizinprodukte-Richtlinien, die Risikobewertung und Kontrolle bei neuen psychoaktiven Substanzen, die Maß­nahmen zur Preisfestsetzung bei Humanarzneimitteln und ihre Aufnahme in die staat­lichen Krankenkassensysteme und zum anderen um einen Vorschlag für eine neue Verordnung über amtliche Kontrollen entlang der Lebensmittelkette, deren Ziel die Vereinfachung und Straffung des bestehenden Rechtsrahmens ist. Eine effiziente Nutzung der Kontrollressourcen soll ein hohes Schutzniveau für die Verbraucher sichern und Krisen vermeiden. Auch hierzu gibt es eine ausführlich beschriebene Haltung Österreichs, die auch eine komplette Erneuerung des Rechtsrahmens infrage stellt. Bei diesem bedeutsamen Vorhaben wäre es aus Sicht Österreichs besser, auf den bisherigen Fortschritten der amtlichen Kontrolle aufzubauen und diese weiter­zuentwickeln.

Im Operativen Programm des Rates wird beim Thema Gesundheit auf das Wissen um die wirtschaftliche Situation und deren Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesundheitssysteme eingegangen. Demnach soll der Schwerpunkt auf Maßnahmen


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zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit in der Europäischen Union und auf Innovation im Gesundheitssektor gelegt werden.

Weitere Programmpunkte beschäftigen sich dort mit Veterinärwesen und Tiergesund­heit, Tierarzneimitteln, Gentechnik sowie mit Lebensmitteln und Lebensmittelsicherheit. Das sind alles sehr, sehr wichtige Punkte, denn die Ernährung hat einen sehr großen Einfluss auf unsere Gesundheit.

Wenn man sich die Statistiken so ansieht, dann sieht man, dass chronische Erkran­kungen wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch chronische Erkrankungen der Atemwege einen wesentlichen Anteil an der Krankheitslast der Bevölkerung in der EU haben. Es ist mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig oder fettleibig. Adipositas, also Fettleibigkeit, ist bei Kindern und Jugend­lichen im Zunehmen, und auch die psychischen Erkrankungen nehmen bei den Jugendlichen zu. All das findet meiner Meinung nach zu wenig Eingang in das Arbeits­programm.

Die EU ist natürlich kein Wunschprogramm, allerdings gibt mir der Satz, dass an „Kür-Themen“ Schlussfolgerungen zu „Ernährung und Bewegung, um chronische Krank­heiten zu bekämpfen“ geplant sind, doch Hoffnung, dass dieser Bereich auch für 2014 Thema ist.

Gerade die demographische Entwicklung zeigt uns, dass der Bedarf besteht, den Jahren mehr Leben in Gesundheit hinzuzufügen anstatt dem Leben nur mehr Jahre.

Wir alle wollen gesund alt werden. Kollege Perhab hat heute schon gesagt, wir haben auch sehr viel Eigenverantwortung. Ich denke, gerade im Gesundheitsbereich dürfen wir nicht vergessen, dass nicht alles gesetzlich vorgeschrieben und in Programmen festgelegt werden muss.

Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diesen Bericht sehr ausführlich gestaltet haben. Die österreichische Haltung ist gut nachvollziehbar und gut geschildert. Meine Fraktion wird dem sehr gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.44


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


13.44.20

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit der Jahresvorschau des Bundesministeriums für Gesundheit auf der Grundlage des Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2014. Vorgesehen ist, dass die Überprüfung der Bio-Richtlinie auf europäischer Ebene vorge­nommen wird, dass es im Bereich von Hygiene und Tierarzneimitteln zu einer Reduktion des Verwaltungsaufwandes – das wollen wir alle und immer wieder – kommen soll, dass Richtlinien auch aufgelassen werden können, wenn es um die Prüfung von Lebensmittelfragen geht. Die Themen Klonen von Tieren und Lebens­mittelgesundheit sowie Gentechnik stehen auf dem Programm.

Es wundert mich, dass Herr Kollege Krusche diesen Bericht nicht entgegennimmt, denn im Prinzip ist es eine Vorschau. Es steht Bericht drauf, aber es ist eine Vorschau. Ich frage mich schon, warum man eine Vorschau nicht entgegennimmt. Ich würde gerne sagen: Mischen wir uns ein! Ich darf den Herrn Bundesminister auch auffordern, die Stellungnahmen, die seitens des Ministeriums, seitens Österreichs vorgegeben sind, auch entsprechend auf europäischer Ebene umzusetzen, weil wir von öster­reichischer Seite her Wünsche an die Europäische Kommission, an die europäische


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Gesetzgebung haben, und die sind auch klar definiert. Es geht beim biologischen Landbau, wenn die Richtlinien neu gestaltet werden sollen, darum, den Erfolgsweg in Österreich fortzusetzen. In Österreich hat die Biolandwirtschaft einen hohen Stellen­wert beim Produzenten und beim Konsumenten. Wir brauchen in diesem Segment eine kontinuierliche marktorientierte Entwicklung. Dazu bedarf es stabiler, verlässlicher Regeln, sodass sich die Produzenten, die Biobauern auch weiterhin auf das Regelwerk verlassen können und es nicht zu kompletten Änderungen kommen kann.

Das ist auch wichtig für das Vertrauen der Konsumenten in die Bioproduktion. Hier ist es auch wesentlich, EU-weit vergleichbare Reglements zu haben. Ich glaube, ent­scheidend ist auch, dass die Kontrolle, die notwendig ist, einen vertretbaren Umfang hat und vertretbare Kosten verursacht. Dass im europäischen Bereich manchmal Überregulierungen stattfinden, gilt es hintanzuhalten.

Es sind auch im Bereich der Hygiene-Richtlinie und im Bereich des Tierschutzes Überarbeitungen angedacht. Auch hier ist es wichtig, dass Vergleichbarkeit gegeben ist, dass wir in Europa einheitliche Tierschutzregelungen, Produktionsregelungen im Pflanzenschutzmittelbereich, auch im Bodenschutzgesetz haben und dass etwa beim Import auch eine Vergleichbarkeit mit Drittstaaten hergestellt werden kann. Wir können nicht in Österreich und in Europa hohe Standards haben, uns diese auch wünschen, diese erwarten und auch kontrollieren und dann günstige Nahrungsmittel aus Dritt-ländern importieren, die diese Standards nicht erfüllen. Hier gilt es, wachsam zu sein und vor allem beim Import keinen unfairen Wettbewerb zuzulassen.

Es ist auch notwendig zu überlegen, da ja in Österreich ein strenges Tierarzneimittel­gesetz gilt, ob Arzneimittel einem teuren Zulassungsverfahren in Österreich zu unterziehen sind, wenn sie in anderen Ländern bereits zugelassen sind, oder ob diese Zulassungen zu vereinfachen sind.

Es ist hier auch das Thema Tierseuchenbekämpfung inkludiert und all das, was uns immer wieder in periodischen Abständen begleitet, sei es jetzt Vogelgrippe, BSE, Schweinepest oder Maul- und Klauenseuche. Immer dann, wenn kein Fall auftritt, dann sind wir sehr sparsam bei der Bekämpfung von solchen flächendeckenden Seuchen, und wenn einer auftritt, schreit jeder und fragt: Warum gab es hier keine Maßnahmen? Ich glaube, es ist notwendig, an der Tierseuchenbekämpfung kontinuierlich weiter­zuarbeiten.

Auch das Thema neuartige und neuwertige Lebensmittel wird hier behandelt. Das sind all jene, die nicht einer herkömmlichen Produktion unterliegen. Wir haben im EU-Ausschuss das Thema Klonen von Nutztieren und das Inverkehrbringen von Klon­fleisch auf der Tagesordnung gehabt und dementsprechend die EU-Richtlinie zur Ablehnung dieser Produktionsweise unterstützt.

Ein weiteres Thema, das uns in Österreich sehr wichtig ist, ist der Einsatz der Gen­technik. Wir wissen, dass in Österreich seitens der Lebensmittelproduzenten und seitens der Konsumenten der Einsatz von Gentechnik abgelehnt wird. Es gab hier sehr lange Druck von der Europäischen Kommission, das erlauben zu müssen. Österreich hat sich vehement dagegen gestellt und war damit auch erfolgreich. Eine Selbstbe­stimmung der Mitgliedsländer, was den Einsatz von Gentechnik anbelangt, soll kom­men und besser verankert werden.

Europa regelt sehr viel. Dass es Überregulierungen gibt, das haben wir im Bereich der EU-Saatgutverordnung erlebt. Hier war es dem europäischen Parlament und – ich darf das durchaus sagen – besonders der europäischen Abgeordneten Elli Köstinger zu verdanken, dass ein Antrag durchgebracht wurde, dass diese EU-Saatgutverordnung an die Kommission zurückverwiesen wird, weil hier einfach zu viel und zu stark geregelt wurde.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 96

Hier, glaube ich, muss sich Europa entwickeln, nämlich den Subsidiaritätsgedanken pflegen, die Demokratie pflegen, sich großer Probleme annehmen, aber die kleinen Details vor Ort regeln lassen. In diesem Sinne hoffe ich, dass viele Maßnahmen gut umgesetzt werden können, und wünsche dem Herrn Minister sehr viel Erfolg. Wir haben die Möglichkeit, bei der Europawahl auch mitzuentscheiden. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.50


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Dr. Reiter. – Bitte.

 


13.50.54

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Herr Minister! Ja, wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. Ich danke für den Bericht. Ich halte ihn für sehr übersichtlich und glaube, er gewährt auch sehr gute Einblicke in die Funktionsweise der EU und das Rückwirken der EU auf den Nationalstaat. Er zeigt den schwierigen Spagat zwischen dem Wunsch der Bürger und Bürgerinnen nach Sicherheit, nach Regelung und der überbordenden Verwaltung und Regulierung, die sich oft daraus ergibt. Ich denke, das ist ein Spagat und das ist eine Frage, die immer wieder neu gelöst werden muss. Das ist eine Herausforderung, der sich die EU aber auch stellt.

Als Beispiel möchte ich den Bereich der biologischen Produktion anführen, der – denke ich – für Österreich ganz wichtig ist und in dem Österreich auch sehr viel in die EU eingebracht hat. Es werden die Ziele überprüft, es werden Folgenabschätzungen durchgeführt und es gab auch – das finde ich ganz positiv – einen umfassenden Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft. Das heißt, es wurden von Jänner bis April 2013 mithilfe von Online-Fragebögen Informationen aus der Bevölkerung zu diesem Thema gesammelt, und es gab 45 000 Antworten. Das ist eine Zahl, die im Bereich des EU-Agrarsektors in früheren Konsultationen nie erreicht wurde. Das zeigt die enorme Aufmerksamkeit, die die EU-Verbraucher dem biologischen Landbau und diesem Gebiet schenken. Dementsprechend sollte auch das Interesse der Politik in diesem Bereich sein. Ich glaube, dass gerade hier Österreich sehr viel einbringen kann und auch wird, wie ich dem Bericht entnehme.

Der Bericht ist noch nicht fertig, aber es ist klar, dass die biologische Produktion ein stabiles Regelwerk mit vertretbaren Kosten und einem vertretbaren Kontroll- und Verwaltungsaufwand braucht und nicht eines, das sich dauernd ändert. Es ist gerade für die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich, denke ich, ganz wichtig, dass sich dieser Kontroll- und Verwaltungsaufwand in Grenzen hält.

Das ist das Stichwort für ein weiteres wichtiges Kapitel in diesem Bericht, nämlich Initiativen zur Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwandes. Es wird hier angemerkt, dass darauf zu achten ist, dass die kleinstrukturierte Landwirtschaft Österreichs Berücksichtigung findet, und das zeigt eben auch wieder diesen Spagat, der hier immer wieder zu leisten ist.

Der Bericht enthält viele wichtige Regelungen für KonsumentInnen, was die amtlichen Kontrollen entlang der Lebensmittelkette und die Pharmakovigilanz-Tätigkeiten in Bezug auf Humanarzneimittel betrifft. Und auch hier kommen wieder die Fragen: Inwieweit kommt da die Komplementärmedizin, kommen unter Umständen homöo­pathische Mittel unter die Räder? Welche Rolle spielt dann die Europäische Arzneimittelagentur und wie verläuft dann die entsprechende Finanzierung?

Der Bereich Tiergesundheit ist wahnsinnig komplexer. Derzeit existieren über 40 Richt­linien, und hier wird der Versuch gemacht, das in einer gemeinsamen Verordnung so-


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zu­sagen zusammenzubringen. Auch hier gibt es Fragen wie: Wie differenziert muss diese sein? Wie bestimmt oder unbestimmt? – Das ist schwierig.

Zum Bereich neuartige Lebensmittel: Das Wort Lebensmittel kommt mir hier nur schwer über die Lippen. Ich denke, vielleicht sollte man von neuartigen Nahrungs­mitteln sprechen. Da gibt es ja die wildesten Konstruktionen und Entwicklungen. Hier gibt es einen Vorschlag seit dem Jahr 2008 – das ist eine lange Zeit –, und der Dis­kussionsprozess läuft noch immer. Auf Initiative Österreichs wurde hier Gott sei Dank der Bereich des Klonens, also des Inverkehrbringens von geklontem Fleisch bezie­hungsweise tierischen Produkten herausgenommen. Jetzt gibt es seit Dezem­ber 2013 einen Vorschlag der Kommission. Wir werden sehen, aber ich glaube, das ist eine bedeutende Initiative von Österreich gewesen.

Eine weitere wichtige Initiative, bei der Österreich eine wesentliche Rolle gespielt hat, sind die GMOs, also die gentechnisch modifizierten Organismen. Hier, denke ich, ist inzwischen der Ansatz Österreichs doch sehr defensiv geworden. Man kämpft um mehr Freiheiten beim Verbot des Anbaus von GMO. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Ja, aber man kämpft dafür, dass Länder sich überhaupt dafür ent­scheiden können, ob sie anbauen oder nicht. Das ist insofern ein sehr defensiver Ansatz, als man sich fragt, inwieweit es möglich sein muss, den Handel entsprechend zu beschränken, die Kennzeichnungspflicht so zu gestalten, dass die Konsumenten tatsächlich eine Wahlfreiheit haben, die nicht irgendwo untergeht. Im Grunde genom­men stockt hier sehr vieles, und das bedauern wir. Aber wir hoffen, dass zumindest der Ansatz, dass es den Mitgliedsländern möglich ist, dieses Verbot weiterhin beizu­behalten, beibehalten wird.

In Anbetracht dieses Berichtes und dieses Arbeitsprogramms, das eben größtenteils einen kontinuierlichen Kampf um gesunde Lebensmittel darstellt – ich sage aus­drücklich nicht Nahrungsmittel –, sehen wir, wie schwierig es ist, das in einem so großen Kontext wie der EU zu regeln. Wie schwierig wird es erst sein, das zwischen EU und USA im TTIP zu regeln? Die USA erhoffen sich ja gerade im Bereich Landwirtschaft eine weitgehende Öffnung des Marktes EU. Es ist interessant zu sehen, dass auf beiden Seiten des Atlantiks die Ängste ähnlich sind. Auch die Konsu­mentInnen in den USA fürchten ein Unterlaufen ihrer Standards beim Zustandekom­men dieses Abkommens. Im Bereich Lebensmittelsicherheit gehen bei den Konsu­mentInnen aus der EU natürlich diese Geschichten über Chlorhendl, Hormonfleisch und so weiter um.

Es stellt sich mir schon die Frage, wie sinnvoll oder möglich es überhaupt ist, global mit Lebensmitteln zu handeln. Werden Lebensmittel nicht dann notgedrungen zu Nah­rungs­mitteln, die grob verfälscht, vielfach bearbeitet und verarbeitet sind? Ist es dann überhaupt noch möglich, rechtzeitig Folgenabschätzungen durchzuführen? Bleibt dann unter Umständen nicht statt einer Ernährungssouveränität für die Länder, für die Regionen eine fatale Abhängigkeit von wenigen großen Playern der Nahrungsmittel­industrie übrig?

Ich fürchte, wir gehen da im Bereich der Ernährung einen völlig falschen Weg. Um das auszuführen, bleibt hier, fürchte ich, nicht die Zeit. Trotz allem Bemühen, das auch in diesem Bericht zum Ausdruck kommt, fürchte ich, dass sich die Lebensmittel­versorgung nicht sicher und nachhaltig industrialisieren und globalisieren lässt. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 98

13.59


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


13.59.32

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist mir ein Anliegen, allen zu danken, die gemeint haben, der Bericht ist übersichtlich, er beschreibt das, was die österreichische Position ist. Das gibt auch dem Parlament die Möglichkeit, daran mitzuwirken, wie sich die Bundesregierung in der Europäischen Union einbringt.

Herr Abgeordneter Krusche, es ist mir wichtig zu sagen: Wir müssen uns als Öster­reicherinnen und Österreicher in der Europäischen Union mit den österreichischen Positionen einbringen. Ich habe heute sehr klar diese österreichischen Positionen offen­gelegt. Ich sage ganz klar, wohin wir uns bewegen wollen. Wir haben als Öster­reicherinnen und Österreicher eine Position. Die Bundesregierung vertritt diese im Rahmen des Rates, die Abgeordneten zum Europäischen Parlament vertreten sie im Parlament, und der Ausschuss der Regionen vertritt sie ebenfalls. Es geht um die österreichische Position im Rahmen der 28 Mitgliedstaaten.

Ich habe mehrmals erlebt, dass diese österreichische Position eine fortschrittliche ist, gerade wenn es darum geht, gentechnisch veränderte Organismen in der Euro­päischen Union zuzulassen. Wir haben gekämpft, und es ist uns auch gelungen, Ausnahmen zu erreichen. Das kleine Österreich hat es geschafft, Veränderungen zu bewirken. Wir haben gekämpft, dass wir im Bereich von neuen psychoaktiven Substanzen die österreichische Position einbringen können, und Europa ist bereit, mit uns zu gehen.

Daher verstehe ich Ihren Schluss nicht. Wenn Sie wollen, dass die österreichische Position gestärkt wird, dann wäre es folgerichtig, dem Bericht auch die Zustimmung zu erteilen. Wir können uns in Europa nicht ins Abseits setzen, sondern wir müssen mitgestalten, mitwirken und uns einbringen. Das ist die Konsequenz, wenn wir ein Europa haben wollen, das gerechter ist, das sozialer ist und das menschennäher ist.

Es ist die falsche Position, im Out zu sein. Ich ersuche Sie, stimmen auch Sie diesem Bericht zu! (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Stadler.)

14.02


Präsident Michael Lampel: Ich danke für die Stellungnahme. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße ganz herzlich Herrn Bundesminister Dr. Josef Ostermayer in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

14.02.466. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (147/A und 73 d.B. sowie 9146/BR d.B. und 9153/BR d.B.)


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7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird (75 d.B. sowie 9154/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir kommen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen beiden Punkten ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


14.03.13

Berichterstatter Josef Saller: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Michael Lampel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


14.04.28

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Grundlage für den zur Diskussion stehenden Tagesordnungspunkt ist ja, dass der Verfassungsgerichtshof einen Teil des ORF-Gesetzes gekippt hat, nämlich dort als unrechtmäßig festgestellt hat, wo es um die Wahl von Mitgliedern des Publikumsrates per Fax ging. So weit, so gut.

Wir hätten diese Chance gerne dazu genützt, das gesamte ORF-Gesetz einer umfas­senden und auch inhaltlich neuen Diskussionsgrundlage zuzuführen, weil wir meinen, dass gerade im Bereich des ORF-Gesetzes und im Zusammenhang mit der politischen Einflussnahme hinsichtlich der Zielsetzung eines freien und unabhängigen ORF wohl einiger Verbesserungsbedarf besteht.

Wir hätten uns erwartet, dass unser Standpunkt auch von den anderen im Parlament vertretenen Parteien mitgetragen wird, weil ja in der öffentlichen Darstellung der politischen Mitbewerber immer so argumentiert wird, als hätten auch alle anderen Parteien an einem freien und unabhängigen ORF ohne politische Einflussnahme größtes Interesse.


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Die politische Realität sieht aber leider etwas anders aus. Wie? – So, dass man diese VfGH-Entscheidung und die daraus resultierende Änderung des ORF-Gesetzes gleich dazu genutzt hat, die politische und parteiliche Einflussnahme nicht zu minimieren, sondern sicherheitshalber gleich ein bisschen weiter voranzutreiben, indem man jene sechs Publikumsräte, die in den Stiftungsrat entsandt worden sind und bisher einer gewissen Zuordnungsebene unterlagen, nämlich dem Bereich der Kirchen beziehungs­weise anerkannten Religionsgemeinschaften, dem Hochschulbereich sowie dem Bereich der Kunst, gänzlich gestrichen und die Entsendung dieser sechs Stiftungsräte nunmehr dem freien Spiel der politischen Kräfte, sprich den Regierungsparteien zuge­ordnet hat.

Wir sehen diese Entwicklung höchst kritisch. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundes­rates Schreuder.) Wir sehen diese Entwicklung kritisch, weil sie undemokratisch ist und auch zeigt, dass gerade die Regierungsparteien nicht das einhalten, was sie in der Öffentlichkeit gerne vorzugeben scheinen (Beifall des Bundesrates Pisec), und einmal mehr die Opposition wie auch die Bevölkerung zutiefst getäuscht haben.

Noch ein Wort zum Publizistikförderungsgesetz: Da ist die Sache etwas anders gelagert, aber die Richtung ist in etwa immer die gleiche, nämlich eine Verschlech­terung des Status quo zum Nachteil der Opposition. Denn wir mussten feststellen, dass man nunmehr den Auszahlungstermin für den Zusatzbetrag, also jenen Betrag, der für die internationale politische Bildung der Parteien und ihrer Förderungseinrichtungen vorgesehen ist, von 15. April auf nunmehr 1. Juli, also um ein Quartal nach hinten ver­schoben hat. Dafür gibt es keine plausible Erklärung, es konnte auch in den Ausschüs­sen keine genannt werden. Im Gegenteil, es ist vielmehr eine Benachteiligung der politischen Mitbewerber, weil dadurch die Arbeit der Bildungseinrichtungen erschwert wird und die Planungssicherheit fehlt.

Daher werden wir diesen beiden Gesetzen nicht die Zustimmung geben. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es vielleicht doch noch zu jenen Verbesserungen kommt, die gerade die Damen und Herren Kollegen von den Regierungsparteien immer so gerne am Rednerpult wie auch in der Öffentlichkeit ankündigen, aber hier einmal mehr nicht eingehalten wurden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.09


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


14.09.23

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Bei den unter diesen Tagesordnungspunkten behandelten Gesetzesmaterien handelt es sich im Wesentlichen um vom Nationalrat beschlossene Rechtsbereinigungen.

Bezüglich der Organisation des im ORF-Gesetz verankerten Publikumsrates und Stiftungsrates als Einrichtungen der repräsentativen Demokratie folgt die Novelle einer durch den Verfassungsgerichtshof vorgezeichneten Reparatur bei der Aufgabe des Publikumsrates, Mitglieder des Stiftungsrates nach einem bestimmten Modus zu bestellen. Die bisherige Regelung sah drei Mitglieder durch eine Direktwahl des Pub­likumsrates vor und wurde als verfassungswidrig aufgehoben. Damit hat der Publi­kums­rat in der nächsten Amtsperiode nur noch 31 Mitglieder, sechs davon werden wie bisher in den Stiftungsrat entsandt. Wer in den Stiftungsrat einzieht, darf der Publi­kums­rat im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage künftig frei entscheiden.

Die Änderung des Publizistikförderungsgesetzes betrifft lediglich den Auszahlungs­termin der Förderung der Parteiakademien. Die zweite jährliche Fördertranche, die von


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 101

der Mandatsstärke der einzelnen Parteien abhängt beziehungsweise für internationale politische Bildungsarbeit beansprucht werden kann, wird künftig nicht mehr wie bisher am 15. April, sondern erst am 1. Juli ausbezahlt. Damit wird vernünftigerweise eine bes­sere Verteilung der Förderungen im Jahresverlauf erzielt werden – ich sehe das als Verbesserung an. Die Auszahlung der Grundförderung wird wie bisher am 15. Februar erfolgen.

Es handelt sich demnach bei den vorliegenden Novellierungen um sinnvolle Neurege­lungen, und meine Fraktion wird hiezu ihre Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.12


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


14.12.20

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe soeben – denn es schauen ja auch Menschen über den ORF zu – von einem Freund erfahren, dass die Bundesratssit­zungen seit heute auch wieder in der ORF-TVthek zu finden sind. Das ist doch etwas Neues! Jemand wollte eine Rede vom Vormittag nachschauen, ich habe ihm vorge­schlagen, auf das Protokoll zu warten, und erfahre, dass er es schon gesehen hat. – Ja, es ist erstaunlich, uns gibt es auch wieder in der TVthek, das freut uns sehr. – Danke, ORF! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Ja, das kann man ja sagen, denn das Schöne daran ist ja, und das ist aber auch das Wesentliche an unseren Diskussion, der ORF hat öffentlich-rechtlich über Politik zu berichten und ist kein Wunschkonzert von Politikern und Politikerinnen.

Das ist doch ein ganz wesentlicher Unterschied, der in dieser Republik nicht immer ganz verstanden wird. Manche Landeshauptleute meinen, ihr Bundesland gehöre ihnen und ihrer Partei. Manche Politiker glauben, sie repräsentieren die gesamte Republik mit allen ihren verschiedenen Meinungen und ihrer Vielfalt. – So funktioniert das nicht, und so funktioniert auch öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht.

Ich fand es gerade bei den Auseinandersetzungen zur Nationalratswahl ein ausge­sprochen unwürdiges Spiel, das da geliefert wurde. Die beiden Chefs der großen Parteien haben sich zum Beispiel geweigert, in der Elefantenrunde mit den anderen Parteien demokratisch zu diskutieren, und daraus wurde dann eine Diskussion mit dem ORF über Posten und über parteipolitische Einflussnahmen. Das ist erbärmlich, das ist undemokratisch, und deswegen will ich mich auch gar nicht länger damit aufhalten, wir haben sowieso eine lange Tagesordnung.

Ich kann in diesem Fall meinem freiheitlichen Vorredner vollkommen zustimmen: Wir sehen das ganz genau so. Eine Frage im ORF muss sein, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen funktionieren können, ohne dass es eine parteipolitische Sache wird; eine politische Sache ist es natürlich, dafür gibt es ja öffentlich-rechtliches Fernsehen und Rundfunk, und das ist auch gut so.

Es gibt immer noch Verhandlungen über eine Reform des Stiftungsrats, deshalb habe ich auch die Hoffnung nicht aufgegeben. Wir hoffen sehr, dass hier völlig neue Denkweisen zutage treten. Wir lehnen aber dieses ORF-Gesetz auch aus diesen Grün­den jetzt hier ab.

Zum Publizistikförderungsgesetz: Ich bin ja zufälligerweise das grüne Mitglied im Beirat für Publizistikförderung. Ich glaube, ich bin das einzige Mitglied dieses Hauses, das in diesem Beirat sitzt, und kann auch dieser Gesetzesnovelle nicht zustimmen. Das hat allerdings verfahrenstechnische Gründe. Es gab einen Antrag der NEOS im National-


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rat, der vertagt wurde, und dann kam plötzlich im Verfassungsausschuss diese Geset­zesnovelle, ohne die 24-Stunden-Frist. – Das ist nicht demokratisch. Ein Gesetz, das so entsteht, muss man grundsätzlich ablehnen, egal, was drinnen steht, denn so kann man mit Parlamentarismus und mit demokratischen Grundsätzen nicht umgehen.

Ich möchte hier aber auch betonen, dass innerhalb des Beirates für Publizistikförde­rung schon sehr lange Diskussionen darüber stattfinden – und sehr oft auch schon Resolutionen verabschiedet worden sind –, weil die Publizistikförderung immer noch auf der Annahme basiert, dass Medien nur auf Papier gedruckt werden. Das entspricht nun einmal nicht mehr der heutigen Realität, der heutigen Medienwelt. Sehr viele Zielgruppenmedien, Special-Interest-Medien und dergleichen erscheinen im Internet, und für diese Internetseiten, die natürlich über Werbung nicht finanzierbar sind, gibt es keine Förderung.

Der Publizistikförderungsbeirat wünscht sich schon sehr, sehr lange eine Novelle, es ist auch derzeit wieder sehr in Diskussion, da dringend etwas zu ändern. Daher glaube ich, es ist auch höchst an der Zeit, Herr Minister, dass wir da dringend zu einer Lösung kommen, denn es ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Es gibt immer mehr spannende Internetseiten – zielgruppenorientiert, thematisch orientiert –, wo Spitzenleute, Spitzen­expertinnen und -experten zu allen möglichen Themen publizieren, sich dafür aber keine Förderung abholen können. Diese bekommen sie nur, wenn es gedruckt wird. Das ist irgendwie unlogisch. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­räten der FPÖ.)

14.17


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Bernhard Ebner. – Bitte.

 


14.17.37

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer, daheim vor den Fernsehgeräten! Es ist schön, dass wir wieder übertragen werden, das ist auch gut so. Es geht heute um den ORF. Es geht darum, ein Gesetz zu korrigieren, ein Gesetz aus dem Jahr 2001, das in seiner Geschichte auch schon einiges erlebt hat.

Es gibt auf der einen Seite den Publikumsrat und auf der anderen Seite den Stiftungs­rat. Man muss sich dazu anschauen, wie diese beiden Gremien auch dement­sprechend besetzt sind. Der Publikumsrat hat die Aufgabe, quasi die Qualität im ORF zu kontrollieren, zu schauen, was gesendet wird, die Inhalte, die Interessen der Hörer und der Seher zu vertreten. Der Stiftungsrat auf der anderen Seite hat ja die klare Aufgabe, quasi wie ein Aufsichtsrat das Kontrollorgan zu sein und die Geschäfts­füh­rung und somit auch das Geld und die wirtschaftliche Situation des ORF zu kontro­llieren.

Die Zusammensetzung wurde von meinen Vorrednern zum Teil schon angesprochen. Sechs Publikumsräte wurden über eine Faxwahl bestimmt. Die letzte hat im Jahr 2010 stattgefunden, und viele von uns werden sich vielleicht noch zurückerinnern, wie mühsam diese Wahl war: Man geht zu jemandem hin und bittet ihn, bei der Publikums­ratswahl mitzumachen. Dann fragt der, was er machen muss. Man sagt ihm, er bräuchte zuerst einmal seine GIS-Nummer. Die findet er zunächst nicht und fragt, wo die steht. Dann hat er sie endlich gefunden und fragt, wie man wählt. Man erklärt ihm, er müsse sich da eintragen und etwas ausfüllen. Er fragt sich, wie das dann zur Wahlurne kommt. – Per Fax. – Er hat aber kein Fax und muss es irgendwo hinbringen, wo es ein Fax gibt. – Das ist also wirklich mühsam. In der heutigen Zeit ist eine Faxwahl nicht mehr durchführbar. Das war vielleicht zu Beginn vernünftig, als die Wahl


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eingeführt wurde, aber heute gibt es nicht mehr überall ein Telefax, da man auch auf modernere Kommunikationsmittel zurückgreifen kann.

Man hat aber auf der anderen Seite auch einen Stiftungsrat, in den ja Mitglieder des Publikumsrates entsendet werden, wie wir wissen, und das ist ja gleich geblieben.

Das heißt, die Größe des Stiftungsrates, die Anzahl der Mitglieder ist gleich geblieben, aber 2011 wurde diese Faxwahl aufgehoben, und jetzt hat man eben diese Korrektur vornehmen müssen.

Natürlich geht es beim Thema ORF auch immer um andere Aspekte als Publikums­ratswahl und Stiftungsrat, das sind technische Details. Es geht auch um den ORF selbst.

Der ORF hat einen großen Vorteil im Vergleich mit den Privatfernsehbetreibern. Er erhält ein Teilnehmerentgelt, das von der GIS eingehoben wird. Somit hat er nicht nur einen finanziellen Polster, sondern darüber hinaus natürlich auch eine Verpflichtung, und zwar auch dahin gehend, dass vielleicht nicht nur die Quote, sondern auch die Qualität des Programms zählt. Es ist schon gesagt worden, der ORF hat natürlich den Auftrag, zu berichten. Der ORF hat laut § 4 ORF-Gesetz den Auftrag, für „die umfas­sende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirt­schaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen“ zu sorgen, natürlich auch für Unter­haltung. Aber in erster Linie geht es um Berichte, darum, die Rezipientinnen und Rezipienten seinem Bildungsauftrag entsprechend zu informieren.

Der öffentlich-rechtliche Auftrag umfasst neben dem Bildungsauftrag auch den Auftrag, die Berichterstattung aus den einzelnen Regionen Österreichs zu gewährleisten. Herr Kollege Schreuder, wenn Sie sagen, die Landeshauptleute halten sich einen ORF, dann muss ich dem ganz klar entgegenhalten .... (Bundesrat Schreuder: Habe ich gar nicht gesagt!) Wenn Sie viel unterwegs sind, Herr Schreuder, dann werden Sie im ORF-Fernsehen und auch in den anderen regionalen Medien sehen, dass auch die Landeshauptleute sehr viel unterwegs sind. Ich weiß das von Niederösterreich. Unser Landeshauptmann ist tagtäglich unterwegs, somit wird über ihn natürlich viel und positiv berichtet, und er ist in den Medien auch ständig präsent, so wie das auch bei anderen Landeshauptleuten in Österreich der Fall ist.

Hinweisen möchte ich noch auf das Online-Angebot des ORF, das ebenfalls wichtig ist, keine Frage. ORF.at ist das Informationsmedium in Österreich, und das soll es auch bleiben.

Zum Schluss möchte ich noch auf den Spartenkanal ORF III hinweisen, der wichtig und richtig ist und immer mehr an Beliebtheit gewinnt, und zwar nicht nur weil der Bun­desrat in ORF III live übertragen wird, sondern weil ORF III auch zahlreiche Kultur­sendungen bringt und darüber hinaus weitere Bildungsmaßnahmen setzt.

Abschließend: Der ORF ist Garant für die Identität, Mentalität und Qualität der öster­reichischen Medienlandschaft. Der ORF steht für die kulturelle Breite des Landes, die historische Vielfalt und thematische Offenheit Österreichs. Das soll so bleiben, das soll auch noch verstärkt werden. Wir werden dem Gesetz natürlich zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.22


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Josef Ostermayer. Ich erteile es ihm.

 


14.22.58

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehr-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 104

ter Herr Bundesrat Herbert, solange es den ORF gibt, wird über den ORF diskutiert werden. Mein Ziel in der letzten Legislaturperiode war, eine möglichst sachliche Dis­kussion zu führen, und das will ich Ihnen kurz mitteilen.

Zum einen zur Erinnerung: Das jetzige ORF-Gesetz und die Struktur, die es jetzt in den Gremien, also Stiftungsrat und Publikumsrat, gibt, sind – es ist schon gesagt worden – aus 2001, also aus einem Zeitraum, in dem Ihre Partei, die FPÖ, an der Regierung beteiligt war und dieses Gesetz erarbeitet und beschlossen hat.

Das Zweite ist: Ich weiß nicht, ob Sie genau Bescheid wissen, welche Position Ihr damaliger Mediensprecher in einem Arbeitskreis, den ich organisiert habe, vertreten hat, dessen Ziel es war  (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) – Nein, der Arbeitskreis, den ich organisiert habe, war nicht 2002, da habe ich noch etwas ganz anderes gemacht, sondern 2012 und 2013. Wir haben die Idee gehabt, dass wir die Gremien, also Stiftungsrat und Publikumsrat, reformieren und dabei eine möglichst breite Mehrheit zustande bringen wollen. Zu diesem Zweck haben wir Folgendes gemacht: Wir haben in mehreren Sitzungen die Mediensprecher aller damals im Parlament vertretenen Parteien eingeladen und Fachleute dazu geladen, zum Beispiel Frau Deltenre, die Präsidentin der EBU, also der European Broadcasting Union, Roger de Weck, den Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, und Ulrich Wilhelm, den Intendanten des Bayerischen Rundfunks – diesen auch deshalb, weil der Rechnungshof in einem seiner Berichte, ich glaube es war 2009, den Bayerischen Rundfunk mit dem ORF verglichen hat. Wir haben Herrn Professor Berka und Michael Truppe von der KommAustria geladen.

Die Idee dahinter war, dass diese Experten jeweils anhand ihrer Erfahrungen refe­rieren: Wie ist es jeweils in ihrem Land geregelt? Wie werden die Gremien beschickt? Wie funktioniert das? Wie funktioniert das Zusammenwirken quasi zwischen einem Aufsichtsrat und einem Publikumsrat?

Das Bemerkenswerte war, es hat ursprünglich die Idee gegeben, auch von Vertretern der politischen Parteien, es könnte etwa die BBC das Vorbild sein, weil die BBC halt die große öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist. Wir haben uns das ganz genau angeschaut und dann davon Abstand genommen, weil unter anderem, ich glaube, der Vorsitzende des Aufsichtsratsgremiums der BBC 100 000 Pfund im Jahr bekommt. Also würde der Stiftungsratsvorsitzende 100 000 Pfund oder den entsprechenden Betrag in Euro umgerechnet bekommen, dann würde sich, glaube ich, die Begeiste­rung in Grenzen halten.

Das Zweite ist: Wer beschickt? – Es beschickt dort der Medienminister, also ich würde beschicken. Ich glaube, das würde auch keinen breiten Konsens finden, um es so zu formulieren. (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.) Ich würde es, um es gleich vorweg zu sagen, auch nicht wollen.

Und wir haben anhand dieser Beispiele, die referiert wurden, internationaler Ver­gleiche, die angestellt wurden, eine Diskussion geführt. Meine Idee war, wir verkleinern den Stiftungsrat auf etwa zehn Personen plus fünf Personen, die Belegschaftsvertreter sind; wir vergrößern vielleicht im Gegenzug den Publikumsrat. Tatsächlich haben wir nach fünf oder sechs Runden – ich weiß es nicht mehr ganz genau – zu keinem Konsens gefunden, der breit mitgetragen worden wäre. Jetzt sage ich pragmatisch: Wenn die Zeit noch nicht reif ist, dann muss man – und das tun wir jetzt gerade – versuchen, die notwendigen Schritte zu setzen, die halt dann kleine Reparaturen sind. Was jetzt vorliegt, ist eine kleine Reparatur dessen, was aufgrund der Aufhebung der Faxwahl durch den Verfassungsgerichtshof als notwendig erschienen ist.

Ich teile auch die Ansicht der Vorredner: Die Faxwahl war vielleicht einmal zeitgemäß, aufgrund der technischen Entwicklung ist sie es nicht mehr. Das ist der Hintergrund.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 105

Sie haben uns leider vorenthalten, wie Ihr Modell ausschauen würde. Ich hätte es gerne gehört. Es hätte mich auch interessiert, ob es ident ist mit dem Modell, das Ihr Mediensprecher vertreten oder abgelehnt hat. Das haben wir nicht gehört. Aber ich bitte um Verständnis, ich habe es intensiv probiert. Es gibt manche Dinge, für die die Zeit reif ist. Gerhard Dörfler und ich haben so ein Thema bearbeitet. Die Verwaltungs­gerichtsbarkeit war etwas, das 26 Jahre nicht geklappt hat und dann geklappt hat und einstimmig beschlossen wurde. Die Hoffnung, wie das Sprichwort so schön sagt, stirbt zuletzt.

Vielleicht kommt es dazu, dass die Zeit reif genug ist, dass wir auch eine größere Änderung der Aufsichtsratsgremien im ORF zustande bringen. Jetzt war es noch nicht so weit, und daher diese kleine Novelle. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.29


Präsident Michael Lampel: Zum zweiten Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


14.29.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Ich habe etwas verges­sen, das kann einmal passieren. Ich war so in das Publizistikförderungsgesetz eingetaucht, dass ich vergessen habe, dass es noch einen dritten Punkt gibt, den ich ansprechen wollte. Ich gebe schon zu, das ist jetzt ein bisschen um die Ecke gedacht. Wir diskutieren ja im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes sowohl über den Pub­lizistikförderungsbeirat als auch über den Stiftungsrat des ORF. Das sind ja sozusagen politische Gremien, die auch politisch besetzt werden und in denen eine gewisse Anzahl von Vertretern von politischen Parteien sitzen, wobei man darüber diskutieren kann, ob das gut oder schlecht ist.

Wo man nicht darüber diskutieren kann, ob das gut oder schlecht ist, ist bei unseren eigenen Ausschüssen. Heute, nach dieser Sitzung, werden ja die Ausschüsse des Bundesrates konstituiert, auch die Ausschussvorsitzenden und die Träger weiterer Funktionen gewählt, und wir werden den Vorschlägen auch zustimmen.

Ich möchte aber hier sehr deutlich fürs Protokoll festhalten, dass wir es nicht in Ordnung finden, dass jahrelange, jahrzehntelange Usancen des Hauses gebrochen werden und die Ausschusszusammensetzung nicht mehr nach d’Hondt erfolgt. Es ist völlig klar, dass bei 21 Ausschüssen nach d’Hondt neun Ausschussvorsitzende der ÖVP, acht der SPÖ, drei der FPÖ und einer den Grünen zustehen würden. Das steht auch in allen Geschäftsordnungsbüchern, die es gibt, so drinnen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Als wir noch vor einigen Jahren vier grüne Mitglieder im Bundesrat hatten, hatte Elisabeth Kerschbaum im Verkehrsausschuss den Vorsitz inne, und niemand hier im Haus hat das infrage gestellt.

Der Bundesrat hält sich nicht mehr an d’Hondt, wir halten das fest, wir bedauern das, wir finden das falsch, und es wäre völlig richtig gewesen, dass die Grünen einen Ausschussvorsitz bekommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.31


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 106

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Somit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungs­ge­setz 1984 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.32.228. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für das Jahr 2012 (III-506-BR/2013 d.B. sowie 9155/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Ebner. Ich bitte um seinen Bericht.

 


14.32.39

Berichterstatter Ing. Bernhard Ebner, MSc: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2012.

Die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für das Jahr 2012 wurden vom Bundeskanzler unter einem vorgelegt und liegen auch entsprechend auf.

Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2012 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Michael Lampel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

 


14.33.27

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes umfassen das Jahr 2012 und führten zu einer breiten Berichterstattung. Wir haben im Ausschuss sehr intensiv darüber diskutiert, ganz speziell über eine Reihe von Fragen, die sehr interessant waren. Diskutiert haben wir darüber, wie denn das jetzt mit dem neuen Verwaltungsgerichtshof ist und wie die Zusam­menarbeit ist. Die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofes und der Präsident des Verfassungsgerichtshofes haben umfassend über diese Dinge ge­sprochen. Ich kann eigentlich feststellen, dass diese Einrichtung einen Quantensprung in der österreichischen Rechtsprechung dargestellt hat und dass es hier eine groß­artige Weiterentwicklung des österreichischen Rechtsstaates gibt, wodurch die Verfah­rensdauer bei den Gerichtshöfen wesentlich verkürzt wird. Die Rechtsuchenden bekommen raschere Entscheidungen, und es wird kürzere Verfahren geben. Das stärkt natürlich auch die Rechtssicherheit in Österreich und damit den Wirtschaftsstandort


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 107

Österreich. Dadurch wurde auch ein entscheidendes Zeichen für Investoren in Österreich gesetzt.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Richterinnen und Richtern bedanken und vor allen Dingen auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diesen Bericht verfasst haben, der eine wichtige Information für uns darstellt.

Spannend im Zusammenhang mit dem Bundesverwaltungsgericht werden jedenfalls künftige Berichte sein, denn diese werden dann aufzeigen, wie diese Rechtsprechung in Österreich tatsächlich funktioniert und was sich alles verbessert hat.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung zu sprechen kommen. Das Urteil ist ein Sieg des Grundrechts. Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie der Europäischen Kom­mission derart beurteilt, dass die Vorratsdatenspeicherung einen massiven Eingriff in das Grundrecht, in das Persönlichkeitsrecht und ganz besonders in das Privatleben der Bevölkerung darstellt. Und es ist jetzt an der Zeit, dass wir, nämlich das Parlament, Nationalrat und Bundesrat, und auch die Bundesregierung dieses Gesetz in Österreich entsprechend umsetzen. Dem Verfassungsgerichtshof ist zu danken, dass er sich an den Europäischen Gerichtshof gewandt hat und dass es zu diesem Urteil gekommen ist.

Wir haben die Aufgabe, dies dann in nationales Recht umzusetzen und ein ver­nünftiges Gesetz, was diese Vorratsdatenspeicherung betrifft, zu machen, das die Grundrechte der Menschen respektiert, denn Grundrechte sind Rechte, die für die Bevölkerung einfach wichtig sind.

Noch einmal danke für den Bericht, es ist ein ausgezeichneter Bericht, und ich freue mich auf künftige Berichte und vor allen Dingen dann im Zusammenhang mit der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.39


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile es ihm.

 


14.39.06

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte mich zu Beginn auch ganz herzlich für die beiden Berichte und für die auch im Sinne unseres Rechtsstaates geleistete Arbeit bedanken. Das Jahr 2012 ist zwar schon ein paar Tage vorbei, aber, und ich glaube, das ist aus Sicht der Bundesländer das Interessanteste – Kollege Todt hat es auch schon kurz angesprochen, ich möchte aber vielleicht noch ein bisschen in die Tiefe gehen –, es hat eine wesentliche Reform mit sich gebracht, nämlich die neue Ver­waltungsgerichtsbarkeit. Im Ausschuss haben wir natürlich auch viele andere Themen besprochen, die Agrargemeinschaften in Tirol, die momentan sehr aktuell sind, die Umsetzung der Gesetzesbeschwerde, die auch sehr aktuell ist, auch natürlich die Auswirkung der elektronischen Akte, also viele sehr, sehr spannende Themen.

Aber diese neue Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den neun Landesverwaltungsgerichten und den zwei Bundesverwaltungsgerichten ist wohl wirklich ein sehr epochaler Schritt, insbesondere für die Bundesländer und auch für die österreichische Staatsorganisation insgesamt, würde ich meinen. Sie ist – und das geht immer ein bisschen unter – wohl die größte Verwaltungsreform, die wir in den letzten 100 Jahren gemacht haben.

Damit wird auch sichergestellt, dass künftig in Verwaltungsmaterien, wie es bisher auch im Straf- und Zivilrecht der Fall war, eben unabhängige Richter entscheiden. Und ich erwarte mir hier wirklich auch für die Stellung der Bundesländer im Staatsgefüge eine starke Verbesserung. Über 100 Sonderbehörden werden abgeschafft. Das ist


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 108

doch ein wirklich wichtiger und auch richtiger Schritt. Die damalige Bundesregierung, die oft gescholtene, hat da wirklich einen Meilenstein gesetzt.

Es ist wahrscheinlich noch zu früh, dieses Projekt zu evaluieren, aber man kann jetzt zu Beginn schon sagen, dass der Übergang sehr gut realisiert wurde, vor allem aufseiten der Landesverwaltungsgerichte. Die Bundesverwaltungsgerichte haben viel­leicht noch etwas mehr Schwierigkeiten. Das liegt aber vielleicht auch in der Natur der Sache, weil es größer und aufwendiger ist. Aber ich glaube auch, weil der Übergang bei den Landesverwaltungsgerichten besser geklappt hat, dass es wohl besser ist, und zwar auch im Sinne eines bürgernahen Rechtsstaates und des Rechtsschutzes, dass der Schwerpunkt der Zuständigkeiten künftig mehr bei den Landesverwaltungs­gerichten zu liegen hat.

Ich betone das nicht nur einfach so, sondern wirklich auch vor dem Hintergrund, dass es in letzter Zeit und eigentlich gleich von Anfang an immer wieder Bestrebungen gegeben hat, Zuständigkeiten zulasten der Landesverwaltungsgerichte auf die Bundes­verwaltungsgerichte zu übertragen. Und die Länder sollten, glaube ich, mit der Erteilung ihrer Zustimmung wirklich sehr sorgsam umgehen, damit da nicht schleichend diese Zuständigkeiten und Kompetenzen an den Bundesverwaltungs­gerichtshof über­tragen werden und es dadurch auch zu einer Schwächung des Föderalismus insgesamt kommen kann.

Es wäre auch sinnlos und fast ein Schildbürgerstreich, wenn man neue Landesver­waltungsgerichte, die auch mit Kosten verbunden sind, schaffen würde, um ihnen dann wieder Kompetenzen wegzunehmen.

Abschließend möchte ich mich noch einmal bedanken – auch bei den Mitarbeitern des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes – für die Tätigkeit im Sinne unseres Rechtsstaates. Wir von der ÖVP werden diesen Bericht sehr gerne und dankend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.43


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


14.43.13

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Berichte, sowohl der Bericht des Verfassungsgerichtshofes als auch der Bericht des Verwaltungsgerichtshofes, geben uns einen hervorragenden Überblick über deren Arbeitsweise sowie über die Rechtsprechung und erlauben uns auch, einen Einblick zu gewinnen in die Rechtsdurchsetzung aus politischer Sicht.

Ich danke auch aus diesem Grund für die Übermittlung der Berichte. Ebenso danke ich von dieser Stelle aus dem Herrn Präsidenten Dr. Holzinger und der Frau Vize­präsi­dentin Dr. Sporrer, dass sie uns im Ausschuss so bereitwillig und ausführlich berichtet haben und Rede und Antwort gestanden haben.

Der Bericht des Jahres 2012 unterscheidet sich, so wie das meine Vorredner auch schon gesagt haben, von den Berichten der Vorjahre. Sehr entscheidend ist das dem Umstand zu verdanken, dass eben in den Berichtszeitraum die Beschlussfassung über die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit gefallen ist, und diese Reform beeinflusst natürlich auch massiv die Arbeitsweise und die Arbeitsorganisation der beiden Gerichts­höfe.

Naturgemäß lässt sich allerdings aufgrund der Kürze der Einführung dieser Ver­waltungsgerichtsbarkeit bislang noch nicht abschätzen – und da bin ich anderer Meinung als der Herr Kollege Todt –, ob diese Änderung tatsächlich auch positiven


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 109

Einfluss auf den Arbeitsanfall beider Gerichtshöfe nimmt. Daher haben wir oder hat die Politik wirklich mit Spannung die Berichte der Jahre 2013, 2014 und 2015 zu erwarten. Sollte es da entsprechende Evaluierungen geben, muss man hier, wenn notwendig, auch die entsprechenden Maßnahmen setzen, wenn sich etwa der Arbeitsanfall erhöht oder wenn Dinge notwendig sind, die die Arbeit der Gerichtshöfe vereinfachen und die dazu führen, dass die Bürger rasch zu Entscheidungen und auch rasch zu Rechts­sicherheit kommen.

Wenn ich jetzt schon über den Arbeitsanfall spreche, möchte ich auf einen Punkt hinweisen, nämlich auf das Kapitel II Punkt 3. Dort finden wir eine Statistik, und aus dieser geht hervor, dass zum ersten Mal seit dem Jahr 2002 die Zahl der anhängigen Fälle im Verwaltungsgerichtshof unter die Zahl der Erledigungen gefallen ist. Das heißt also, dass im Jahr 2012, also im Berichtszeitraum, die Rückstände um 20 Prozent redu­ziert werden konnten. Ich denke schon, dass diese außerordentlichen Bemühungen, die da der Verwaltungsgerichtshof tätigt, um Rückstände zu beseitigen, wirklich auch von Erfolg gekrönt sind.

Einen weiteren Reformschritt im Jahr 2012 stellt die Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs dar. Es wurden im Berichtszeitraum die organisatorischen, die rechtlichen und auch die technischen Grundlagen dafür geschaffen, dass man den Elektronischen Rechtsverkehr einführen konnte. Ziemlich genau vor einem Jahr, am 8. April 2013, wurde der Echtbetrieb auch aufgenommen. Diese Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs führte, so wie das im Ausschuss auch schon ge­schildert wurde, zu einer Effizienzsteigerung, zu einer Beschleunigung und zu einer Vereinfachung in den Verfahren.

Sehr umfassend befasst sich der vorliegende Bericht auch mit einzelnen Entschei­dungen, auf die ich allerdings nicht näher eingehen möchte. Sie sind nachlesbar und wurden in der Vergangenheit bereits, soweit sie für die Öffentlichkeit und Politik interessant waren, diskutiert.

Zum Schluss kommend, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich auf einen Punkt hinweisen, den ich auch in der Vergangenheit anlässlich der Berichterstattung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes immer wieder erwähnt habe. Und zwar: Es gibt die Möglichkeit der Dienstzuteilung zum Verwal­tungsgerichtshof für die Länder. Das heißt, dass Juristen, die in Ausbildung stehen, die in der Einarbeitungsphase in den Bundesländern tätig sind, die Möglichkeit hätten, einen Teil der Ausbildung direkt beim Verwaltungsgerichtshof zu absolvieren. In der Vergangenheit haben das lediglich die Länder Wien, Oberösterreich und Vorarlberg vereinzelt genutzt. Ich denke, dass eine vermehrte Nutzung dieses Angebots, insbesondere in der Ausbildungsphase, in der Einarbeitungsphase, einer qualitativ hochwertigen Ausbildung sicherlich nicht entgegenstehen würde. Natürlich ließen sich gleichzeitig auch die Kontakte zwischen Verwaltungsgerichtshof und Ländern enger gestalten.

Im Großen und Ganzen, Hohes Haus, sehen wir diese Berichte durchaus positiv, und das werden wir auch in unserem Abstimmungsverhalten entsprechend zum Ausdruck bringen, nämlich: Wir werden beide Berichte zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.48


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 110

14.48.51

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher, falls es noch immer welche gibt! (Heiterkeit. – Bundesrat Todt: Um diese Zeit mehr als vorher!) Na ja, ich habe vor Kurzem einen Vortrag vom Armin Wolf gehört, der darauf hingewiesen hat und auch eine öffentliche Umfrage darüber gemacht hat, wer schon einmal Bundesrats­übertra­gungen gesehen hat. – Aber gut.

Ich kann mich dem Dank meiner Vorredner nur anschließen, was diesen Bericht betrifft. Er ist wirklich sehr umfassend, sehr informativ. Und ich danke auch für die Präsentation und die Diskussionsmöglichkeiten im Ausschuss. Ich denke, auch das war sehr wertvoll. Für die Zuseher: Dieser Bericht steht samt den Entscheidungen und dem Tätigkeitsbericht auch im Netz und kann dort nachgelesen werden. Ich glaube, es zahlt sich wirklich aus.

Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit geht nun seiner Realisierung entgegen, und zwar – der Herr Minister hat es schon erwähnt – nach 25 Jahren. Hoffentlich, denn: Was lange währt, wird endlich gut! Also 25 Jahre bemühte man sich, eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit zu schaffen.

Die personellen Auswirkungen sind offensichtlich nach wie vor nicht wirklich abzu­schätzen. In den Berichten differieren da auch die Meinungen zwischen Verfassungs­gerichtshof und Verwaltungsgerichtshof.

Es wurden im Berichtsjahr aber auch die neuen Standorte realisiert, das heißt der neue Standort für den Verfassungsgerichtshof. Da konnten drei Standorte zusammengeführt werden, wodurch sich auch wichtige Synergieeffekte für den Verwaltungsgerichtshof ergeben, der jetzt die ehemalige Böhmische Hofkanzlei zur Gänze nutzen kann. Rein aus diesen räumlichen Umstrukturierungen sind, glaube ich, auch wichtige positive Effekte zu erwarten.

Die Verfahren konnten verkürzt werden, wie hier schon erwähnt wurde, und auch die Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs und des Elektronischen Aktes darf positiv vermerkt werden.

Für die Zuseher: Der Verfassungsgerichtshof wurde am 1. Oktober 1920 eingerichtet und ist damit das älteste Verfassungsgericht der Welt und somit Vorbild für viele andere. Ich meine, dass ist eine österreichische Kulturleistung mit Weltgeltung. Und darauf sollten wir auch stolz sein. (Beifall bei den Grünen.)

Daraus leitet der Verfassungsgerichtshof aber auch entsprechende Verantwortung ab, nämlich was die Pflege internationaler Kontakte betrifft. Dazu gehört auch die Aus­richtung des XVI. Kongresses der Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte im Jahre 2014 in Wien. Diese Konferenz hat inzwischen 40 Vollmitglieder. Österreich war auch eines der Gründungsmitglieder. Ich meine, dass das wichtige und erwähnens­werte Aktivitäten und auch Leistungen sind.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Dr. Holzinger hat sich vor Kurzem in den Medien auch zu einem Thema, das uns sehr am Herzen liegt, geäußert, nämlich zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht. Ich hatte im Ausschuss die Gelegenheit, ihn zu fragen, welche Rolle der Verfassungsgerichtshof seiner Ansicht nach dabei spielen könnte, und er verwies darauf, dass es dazu ja bereits sehr umfassende Expertenmeinungen gäbe, dass bereits 2009 das Geschäfts­ordnungskomitee des Nationalrates weitgehend fertige Pläne gehabt habe und dass seiner Ansicht nach eine neuerliche Kommission keinesfalls notwendig sei, sondern es allein Sache des politischen Willens wäre, das schon vor langer Zeit versprochene Recht für parlamentarische Minderheiten, einen U-Ausschuss einsetzen zu können, zu


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 111

realisieren. Er ist der Meinung, dass Deutschland da Vorbild sein könnte, ja Vorbild sein sollte. Dort wird ja bereits aktuell überlegt, das Quorum für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses noch weiter zu senken.

Auch in der Frage der Streitschlichtung könnte Deutschland als Modell dienen. Das betrifft eben den Verfassungsgerichtshof. Er könnte hier wie dort bei größeren Streit­fällen schlichten. Und den Arbeitsaufwand hält er für bewältigbar. In Deutschland, sagte er, habe es in den vergangenen 20 Jahren um die 20 Fälle gegeben, und das politische System in Deutschland funktioniert noch, und auch der Verwaltungsgerichts­hof kollabiert nicht unter diesen Aufgaben. (Bundesrat Mayer:  auf eine andere Ebene heben!) Vielleicht könnte man die auch auf eine andere Ebene heben und in diesem Sinn vermeiden, wenn es dieses Recht entsprechend gäbe. (Bundesrat Mayer: Das ist ein großer Unterschied!)

Wir Grünen schließen uns diesem Appell des Verfassungsgerichtshofpräsidenten Dr. Holzinger an beziehungsweise sehen darin eine wichtige Unterstützung unserer Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht.

Den Berichten stimmen wir gerne zu. (Beifall bei den Grünen.)

14.55


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die gegenständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.55.189. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers im Bundeskanzleramt an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2013/14 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-517-BR/2014 d.B. sowie 9156/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


14.55.48

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht des Bundeskanzlers und des Bun­desministers im Bundeskanzleramt an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2014 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2013/14 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt den Antrag, diesen Bericht wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen.

Danke. (Heiterkeit und Rufe: „Wohlwollend“!)

 


Präsident Michael Lampel: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 112

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


14.56.31

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass die FPÖ bekanntermaßen einen kritischen Zugang zur EU hat, ist, glaube ich, kein großes Geheimnis. Das wurde ja heute schon von den Vorrednern meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht. Es ist daher für Sie wahrscheinlich wenig überraschend, dass auch ich meine Rede zu diesem Bericht sehr kritisch anlege.

Es gibt einige wesentliche Punkte, die uns in diesem Bericht nicht gefallen. Ich möchte drei Beispiele herausgreifen, an welchen man sieht, welche Gefahren das für Österreich, für die Demokratie in Österreich bedeutet, aber auch welche Probleme es da mit der Europäischen Union gibt.

Ich beginne mit Punkt 5 als meinem ersten Beispiel. Da geht es um die institutionellen Fragen, und zwar um das Statut der Finanzierung europäischer Parteien und euro­päischer politischer Stiftungen. Der Hintergrund ist der: Man will da quasi eine Behörde schaffen, die ein Auge darauf hat, ob die Staaten und ihre politischen Vertreter die Ziele und Inhalte der EU auch wohlwollend weiterverfolgen. Man will da quasi eine Ideologiebehörde schaffen, wo man sagt: Du bist ein angepasstes Land, du hast angepasste Parteien, du bekommst unser Wohlwollen! Oder: Du bist ein nicht angepasstes, ein kritisches, ein freigeistiges Land mit ebensolchen Parteien, und das hat natürlich finanzielle Konsequenzen!

Jetzt kann man sagen, okay, die EU kann wollen, was sie will, aber was das Schlimme an dieser Sache ist, ist der Umstand, dass Österreich diese Position sogar noch unterstützt. Und das ist eine Sache, die uns wirklich nicht gefällt, denn es ist ein Zugang nicht nur meiner Partei, sondern, wie ich meine, generell auch der österreichi­schen demokratiepolitischen Entwicklungsgeschichte, dass wir uns einerseits in der Frage der Demokratie nichts von außen vorschreiben lassen wollen und andererseits auch nicht jene Mechanismen schaffen wollen, mit welchen man Parteien aus dem politischen Wirken ausschließt oder durch die Hintertür deren Möglichkeiten minimiert, wenn sie eben nicht angepasst sind. – Das ist ein wesentlicher Kritikpunkt, den ich hier an erster Stelle anbringen möchte.

Die zweite Frage ist eigentlich eine eher subtile, nämlich der Ansatz, den ich daraus entnehme, dass die EU der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten möchte.

Jetzt gibt es lange Verhandlungen, das ist grundsätzlich ja nichts Schlechtes, sage ich jetzt einmal, interessant ist nur: Was ist der Hintergrund dieses Ansinnens, wo ja die meisten europäischen Staaten ohnedies Mitglieder der Europäischen Menschenrechts­konvention sind? Warum braucht dann die EU als Institution auch noch Mitglied sein?

Der Hintergrund, das ist jetzt meine Interpretation, kann wohl nur der sein, dass man hier einmal mehr versucht, über alle Staaten, die der EU angehören, einen zentralisti­schen Kopf zu schaffen, der dann sagt: Du Bundesstaat – „du Bundesstaat“, ich bin geistig schon einen Punkt weiter –, du Mitgliedstaat, du brauchst dich um diese Dinge wie die Menschenrechtskonvention nicht zu kümmern, denn das macht eh die EU für dich!

Damit sind wir schon einen Schritt in der Gedankenwelt weiter, nämlich in der Schaffung eines Zentralstaates, was wir – und darüber sind wir uns ja über die Fraktionen hinweg einigermaßen einig – doch eher kritisch sehen. Wenngleich ich für meine Partei in Anspruch nehme, dass wir das am kritischsten von allen sehen, weil ich möchte keine – und das ist heute auch schon von Landeshauptmann Niessl gut


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formuliert worden – Vereinigten Staaten der EU. Ich möchte auch keine UdSSR-EU haben. So gesehen sind mir diese Entwicklungen höchst suspekt und einmal mehr dazu geeignet, die Zweifel, die berechtigten Zweifel, und die Kritik, die wir an der EU haben, nämlich in ihrem Bestreben als Zentralstaat sich immer mehr auszubreiten und die innerstaatlichen Souveränitäten an sich zu ziehen und uns quasi einem Diktat zu unterwerfen, nämlich jenem von Brüssel ... (Bundesrat Schreuder: Aber wir sind auch EU! Wir alle sind auch EU!)

Schon, aber ich möchte für mich als Österreicher, als Vertreter der Republik Öster­reich, als Angehöriger des Bundesrates schon in Anspruch nehmen, dass die Ent­scheidungen dieses Gremiums zählen und nicht das, was die EU uns diktiert! Das darf es nicht geben! (Beifall bei der FPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Der dritte Kritikpunkt, den ich an dieser Stelle äußern möchte, ist die Frage des Daten­schutzes. Kollege Todt hat hier schon angemerkt, es gibt nun die EuGH-Entscheidung, dass die Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig ist, er hat sie also gekippt. Das ist eine gute Entscheidung, eine wichtige Entscheidung, aber man sollte bei aller Freude über diese Entscheidung nicht vergessen, woher die Grundlage dafür gekommen ist, nämlich von der EU. Die EU hat gesagt, ihr Mitgliedstaaten, wir wollen von euch entsprechende nationale Gesetze, innerstaatliche Feststellungen, die festschreiben, dass es diese Vorratsdatenspeicherung gibt. Das war die EU, die uns das aufoktroyiert hat. Und wir – meine Partei nicht, das stelle ich da einmal fest –, wir haben das auch so sanktioniert. (Bundesrätin Zwazl: Dann musst du aber sagen „ihr“! Ja, dann pass auf!)

Ja, eh: ihr! In diesem Fall „ihr“. Da gebe ich der Kollegin Zwazl gerne recht, wenn sie da grammatikalisch eine wichtige, richtige Ausbesserung vornimmt. Ihr (zur ÖVP) wart es, ihr (zur SPÖ) wart es, und ihr (zu den Grünen) wart es auch! Die FPÖ war es nicht! So schaut es aus.

Daher frage ich mich, warum jetzt diese große Freude darüber besteht. – Ich verstehe die Erleichterung: Wir haben da etwas gemacht, was uns die EU aufoktroyiert hat, und sind jetzt froh, dass es nicht gekommen ist, damit wir wieder einen Grund haben, das wieder erneut (Bundesrat Todt: Es geht um den Rechtsrahmen! Beim Datenschutz geht es um den Rechtsrahmen!)

Aber was beim Vorratsdatenspeicherungsproblem anfängt, geht noch viel weiter, wenn man weiß, welche Pläne die EU in puncto Datenschutz oder Minimierung des Daten­schutzes für die EU-Bürger hat. Und da möchte ich nur an INDECT erinnern. (Bundesrat Schreuder: Wen meinen Sie mit EU?) Kollege Schreuder, sagt Ihnen INDECT etwas? – Passen Sie auf, da können Sie noch etwas lernen! (Heiterkeit.) – INDECT ist ein Überwachungsprojekt der EU (Bundesrat Schreuder: Der Euro­päischen Kommission!), wo man über Einrichtungen wie Videoanlagen an öffentlichen Orten das Verhalten von Menschen überprüft und schaut, ob sie auffällig sind. (Bun­desrat Todt: Das gibt es ja auch bei uns!) Natürlich alles zum Zwecke der Terror­bekämpfung, aber natürlich kann keiner abschätzen, ob das dann nicht auch im pri­vaten Kreis ein bisschen weitergeht. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Und: Wer ist schon verhaltensauffällig? Der Betrunkene, der nicht ganz zielgenau den Ausgang in einem öffentlichen Bahnhof findet? (Bundesrat Stadler: Den haben sie eingesperrt, oder was?) Derjenige, der seinen Koffer am Bahnsteig vergisst? Das sind Dinge, die hier nicht genau definiert sind, die aber genau in dieses Segment der besonderen und lückenlosen Überwachung einer zentralistischen EU fallen. (Bun­desrat Kneifel: Wer den Koffer vergessen hat? Geh! Wegen einem Koffer aber wirklich nicht!)


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Damit komme ich schon zum Schluss mit diesem Thema. Es ist eigentlich interessant, weil die Frage NSA/EU/Spitzelaffäre ein interessanter Ansatz dahin gehend ist, dass Sektionschef Hesse in der Ausschusssitzung selbst gesagt hat, da hat es ein paar Gespräche gegeben, aber so richtige Erkenntnisse hat es dabei nicht gegeben. Daher ist es eigentlich überhaupt ... (Bundesrat Stadler: Wenn Sie zitieren, dann zitieren Sie es genau! Nicht irgendwas formulieren!) Das war jetzt meine Interpretation, Kollege! (Bundesrat Stadler: Das ist Ihre Interpretation, aber nicht die Auskunft, die Sie im Ausschuss bekommen haben!)

Da stellt sich jetzt natürlich die Frage: Warum tut sich die NSA diesen Aufwand an, dass sie Europa bespitzelt, weil sie kriegen ja ohnehin alles von uns, was sie gerne haben wollen. Ich darf erinnern an das Swift-Abkommen, wo es um Bankdaten geht. Ich darf erinnern an das Fluggastdaten-Abkommen. Von jedem, der ein Ticket kauft, werden die Daten direkt an Amerika weitergeliefert. Alles natürlich zum Zwecke der Terrorbekämpfung, aber wer weiß, was die sonst noch damit machen – NSA lässt schön grüßen.

Um es abzurunden: Das Thema EU ist wahrlich ein Thema mit vielen Facetten, auch mit vielen negativen Facetten, die uns alle nicht gefallen. Es mögen Sie (zur SPÖ) oder Sie (zur ÖVP) oder auch Sie (zu den Grünen) durchaus einiges Gutes an der EU erkennen (Bundesrat Stadler: Und Sie nicht? Sie erkennen nichts Gutes?), im Gesamtkontext gibt es viele Fragen, die nicht geklärt sind, die offen sind, wichtige Fragen. Und solang diese Fragen nicht geklärt sind, Stichwort Datenschutz, Stichwort Zentralstaat, der von oben diktiert, und Stichwort Überwachungs- und Ideologie­behörde, können wir diesem Bericht keine Zustimmung geben, Herr Kollege. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.07

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Reinhard Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.07.22

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt zwischen Parteien einfach unterschiedliche Auffassungen. Kollege Schreuder hat hineingerufen: Was meinen Sie? – Es gibt in der Europäischen Union das Europäische Parlament, wo wir wollen, dass seine Rechte gestärkt werden. Ich denke, das ist ein ganz wichtiges Anliegen. Es gibt die Europäische Kommission, die Richtlinien vorbereitet, Richtlinien vorlegt, und es gibt den Europäischen Rat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind. Und alle sind, soweit mir bekannt ist, demokratische Institutionen. (Bundesrat Schreuder schüttelt leicht den Kopf.) – Natürlich sind sie demokratisch gewählte Institutionen.

Die Kommission wird bestimmt, künftig noch viel stärker durch den Vertrag von Lissabon, von den europäischen Wahlen. Die Regierungen, die im Europäischen Rat vertreten sind, sind demokratisch legitimiert. Daher gibt es natürlich unterschiedliche Diskussionen. Der Ansatz ist bei manchen Parteien eben der, dass sie die Europäische Integration wollen, und es gibt auch jene – das habe ich herausgehört, zumindest aus den Ausführungen, die mein Vorredner gemacht hat –, die diese Europäische Integration nicht wollen. Und dass sie etwas anderes wollen, das sagen sie auch. Wenn man sich die Programme Ihrer Parteikollegen zum Beispiel in Frankreich anschaut, dann geht das eindeutig daraus hervor: Die wollen die Europäische Union sprengen. Das ist ihr Ziel. (Bundesrat Herbert: Das habe ich nicht gesagt!) Ich sage ja nur, wo die Parteikollegen stehen. Man muss schon klar sagen, wo die Unterschiede


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sind, und darf das nicht vermischen mit einem Kauderwelsch zum Beispiel in Bezug auf Vorratsdatenspeicherung.

Dazu gibt es ja den Europäischen Gerichtshof – und wir sind froh, dass es ihn gibt –, dass er dort einschreitet, wo es zu einer Überregulierung kommt.

Sie haben zum Beispiel von der Videoüberwachung gesprochen, vom vergessenen Koffer und solchen Dingen. Es gibt viele, viele Anmeldungen beim Datenschutzrat, wo es darum geht, dass man zum Beispiel ganz einfach Müllräume überwachen will, damit dort kein Unfug passiert. Was ist daran schlecht? Muss genehmigt werden und ist auch so in Ordnung. Was ist daran schlecht? Was ist daran schlecht, dass Sicherheits­behörden anderer Länder Daten von Straftaten bekommen? Was ist daran schlecht? Das ist eine Forderung, die auch von Ihnen immer aufgestellt wird. Sie wollen auf der einen Seite die Sicherheit haben, aber dafür nichts tun. Das ist der Punkt dabei! Und Sie kritisieren es dann, wenn es um irgendwelche Richtlinien geht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es geht hier um Richtlinien und um eine einheitliche Gesetzeswerdung. Und dass es hier unterschiedliche Auffassungen zwischen Parteien gibt, ist eine klare Ange­legenheit. Dann werden wir halt darüber streiten müssen, wie wir denn solche Richt­linien gestalten. Dazu gibt es auch eine Wahl zum Europäischen Parlament, denn dort gibt es auch unterschiedliche Auffassungen. Das Wesentliche dabei: Was die Inte­gration vorantreibt, ist eine Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments. Das einmal zu Ihnen gesagt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Im Prinzip ist dieser Bericht des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesministers klar gegliedert. Das ist auch beim letzten Bericht, der diskutiert wurde, schon gesagt worden. Es steht überall die österreichische Position dabei. Man kann alles nachlesen: Was sind die Vorhaben? Was gibt es für eine Position dazu, und welche Dinge umfasst es? Und wenn man sich allein das Inhaltsverzeichnis anschaut, dann sind alle Tätigkeiten enthalten, die von wesentlicher Bedeutung sind und den Europäischen Rat betreffen.

Ich möchte ganz gern nur ein paar Punkte herausnehmen, die mir als ganz wichtig erscheinen. Wichtig erscheint mir, dass die Strategie für mehr Wachstum und Beschäf­tigung entsprechend verstärkt wird und dass die österreichische Bundesregierung und der Bundeskanzler hier klar Position beziehen, dass wir mehr Wachstum und mehr Beschäftigung brauchen, und zwar in ganz Europa, in allen Ländern, und dass es eine Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion geben muss, aber dass dabei die sozialen Standards, die es zum Beispiel bei uns gibt, auch in anderen Ländern verwirklicht werden. Da gibt es noch sehr, sehr viel Arbeit. Insbesondere ist es ganz wichtig, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den Ländern der Europäischen Union ent­sprechend bekämpft wird.

Wir haben mit unserem Modell der Sozialpartnerschaft ein Modell, das für viele euro­päische Staaten auch ein Modell wäre, und man könnte viele Bereiche im wirt­schaftlichen Bereich und Arbeitnehmerbereich dabei regeln. Insbesondere unser Modell der Berufsausbildung, der dualen Berufsausbildung könnte für Österreich ein Exportschlager sein, könnte für viele andere europäische Staaten auf alle Fälle ein Vorbild sein.

Wenn man diese Maßnahmen verstärkt – und ich danke, weil das ein großer Teil ist, der hier behandelt worden ist –, wenn man diese Maßnahmen von Seiten Österreichs entsprechend unterstützt, dann kann das nur zur Verbesserung beitragen, denn Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit im Allgemeinen sind eine Geißel und schwächen den europäischen Zusammenhalt und auch die Akzeptanz der Europä­ischen Union. Umso leichter haben es dann Parteien, die andere Rezepte vorschlagen,


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die in Wirklichkeit rückschrittliche Rezepte sind und keine fortschrittlichen Rezepte, die nicht die Integration bringen, sondern eine Trennung in Europa herbeiführen. Und das ist schlecht für Europa, das ist schlecht für uns, denn das gefährdet auch das Friedens­projekt Europa. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Das ist, glaube ich, einer der wichtigsten Punkte, dass darauf geschaut wird, dass dieses Friedensprojekt Europa weiterentwickelt wird und dass es zu einem guten, zu einem besonders guten sozialen Zusammenhalt in Europa kommt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Andreas Pum. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.15.35

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bun­desrates! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten! Wir diskutieren den Bericht zum Programm der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates. Die Arbeit der Europäischen Union muss klare Rahmenrichtlinien haben und damit auch Vorgaben, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Eineinhalb Jahre Pro­gramm des Rates zeigt, es gibt eine klare Richtung, wohin uns die Europäische Union führt.

Es hat heute schon viele Erklärungen zur Arbeitsweise der EU gegeben, die ich um eines erweitern möchte: Die Kommissare – es sind 28 Kommissare, die von jedem Mitgliedsland gestellt werden und mit Sitz in Brüssel mitentscheiden – sind verant­wortlich für Schwerpunktressorts und damit auch für die Politik, die auf europäischer Ebene umgesetzt wird.

Das Arbeitsprogramm ist sehr vielfältig. Es geht von der Wirtschaft über die Währung bis hin zum Sozialen, zur Sicherheit und zu vielen anderen Schwerpunkten, die hier gesetzt werden. Aber es ist wesentlich, und das zeigt auch das Arbeitsprogramm, dass zu all den Themen auch klare Ziele formuliert werden, die in Arbeitsschwerpunkten auch umgesetzt werden. Ich denke nur an den Finanzrahmen, der gesetzt wurde, oder an das Wachstums- und Beschäftigungspaket, das bereits angesprochen wurde. Das sind wesentliche Ziele der zukünftigen Entwicklung. Es geht auch um die Frage der Sicherheit, der Freiheit und nicht zuletzt der Bürgerrechte, die hier auch mit angesprochen werden.

Ein Schwerpunkt ist gerade jetzt aktuell seitens der griechischen Präsidentschaft für das Halbjahr 2014, nämlich der Schwerpunkt, der auf Wachstum, Beschäftigung, Kohäsion – ein Schlagwort, das wir des Öfteren noch hören werden; ich werde darauf auch noch näher eingehen –, auf weitere Integration der EU-Eurozone und natürlich auf Migration, Grenzen, Mobilität gelegt wird. Das sind die großen Themen für das nächste halbe Jahr.

Es sind viele Berichtsthemen detailliert angeführt. Ich darf Schwerpunkte heraus­greifen, die meines Erachtens die wesentlichen Entwicklungen und vor allem die wesentlichen Grundsätze einer funktionierenden Europapolitik der Zukunft darstellen.

Gemeinsame Energiepolitik – ein Schlagwort der besonderen Art. Wir haben es erst in den letzten Tagen wieder gehört, der Klimabericht zeigt es: Wir stehen hier vor großen Herausforderungen und nicht zuletzt vor Handlungen, die gesetzt werden müssen. Die EU-Politik gibt vor, neue Rahmenzielsetzungen für 2020 bis 2030 festzulegen. Die Kommission hat sich ein klares Ziel gesetzt: Reduktion der Treibhausgase von 40 Prozent bis ins Jahr 2030, vom Stand von 1990 gerechnet, oder Erreichung des


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Anteils erneuerbarer Energien von 27 Prozent sowie Überprüfung der Energieeffizienz, was letztlich auch Energie sparen heißt, bis hin zu der Thematik Energiepreise.

Es wird auch eine wesentliche Frage sein, wie es eigentlich in der Vergangenheit ausgeschaut hat, und eine Bestandsaufnahme, wie es der Rat vorgibt, zu machen sein, um vor allem Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen der letzten Jahre zu erzielen.

Es wird notwendig sein, eine Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes umzusetzen. Energieautarkie – ein Schlagwort, das wir gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Energieversorgung mit Sicherheit auch noch oft hören werden.

Es geht auch um die Fragen der Beendigung der Energieisolation gewisser Mitglied­staaten, der Sicherstellung von Investitionen sowie der Energieeffizienz. All das sind auch Themen, die gerade vom Rat sehr stark in Angriff genommen werden.

Ein zweites Schwerpunktthema, das auch für uns hier im österreichischen Bereich wesentlich ist, ist die Kohäsionspolitik, die Regionalpolitik. Wichtig ist es für uns des­halb, weil wir ja auch den Kommissar für diesen Bereich stellen, aber auch weil wir wissen, dass diese Gelder gerade in strukturschwache Regionen sehr stark investiert werden. Regionalpolitik ist auch der Schlüssel für ein funktionierendes Europa. Wie schon der Schriftsteller Menasse gesagt hat: Europa kann zukünftig nur als Europa der Regionen bestehen. Und das ist auch der Schlüssel zum Erfolg: dass Regionen auch klare Zielsetzungen umsetzen können.

Es hat ja eine zweijährige intensive Verhandlungsrunde gegeben, wie es 2014 bis 2020 mit den Geldern weitergeht, und wir können auch den Erfolg dieser Verhand­lungen jetzt schwarz auf weiß sehen: 325 Milliarden €, die allein in diesem Budget­bereich beschlossen wurden und die rund ein Drittel des EU-Haushalts darstellen. Es zeigt, wer für diese Gelder verantwortlich ist, und zeigt, glaube ich, auch sehr stark, wo die Schwerpunkte liegen. Es sind fünf Fonds, die hier die Mittelverteilung mitbestim­men: Der EFRE – der Europäische Fonds für regionale Entwicklung –, der ESF – der Europäische Sozialfonds. Ich möchte diesen Fonds vielleicht herausheben, weil er der wichtigste Fonds, gerade im Hinblick auf das Finanzierungsmodell der Europäischen Union, ist. Immerhin sind es rund zehn Prozent der Gesamtmittel der EU, die in diesen Bereich investiert werden und damit auch Arbeitsplätze sichern, Arbeitsplätze schaffen und damit nicht zuletzt auch wirtschaftliche Schwerpunkte mit umsetzen.

Es gibt weiters den Fonds für die ländliche Entwicklung – die Land- und Forst­wirt­schaft –, den Fischereifonds und nicht zuletzt den Kohäsionsfonds – ein Thema, das uns ja auch sehr stark betroffen hat. Ich denke da immer an die Entwicklung des Burgenlandes – ohne das jetzt schmälernd zu sagen, aber es zeigt sehr klar, wie Mittel sehr wesentlich die Entwicklung einer wirtschaftlich schwachen Region zielgerichtet in eine positive Richtung beeinflussen. Dadurch hat das Burgenland meines Erachtens einen enormen Aufschwung erfahren, das wurde ja heute in der ersten Debatte schon angesprochen.

Eine weitere Strategie, die ich herausgreifen möchte, ist die makroregionale EU-Strategie. Der Ostseeraum betrifft uns weniger, aber vor allem die Donauraumstrategie wird hier in den Mittelpunkt gestellt. Und wir wissen, was es heißt, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum aufzubauen: Das heißt auch, dass die Verkehrsadern gemeinsam geplant und auch umgesetzt gehören und dass hier nationale Grenzen mit Sicherheit nicht die Grenze darstellen dürfen. Es muss hier im Sinne eines Miteinanders eine Diskussion zentraler Räume geben, wie es zu einer Weiterentwicklung vor allem von Zentren kommt und damit auch zu einer europäischen Lösung im Hinblick auf die Frage einer gemeinsamen Verkehrspolitik, und damit einhergehend nicht zuletzt auch einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik.


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Diese Schwerpunkte werden sehr klar gesetzt, es gibt die EUSDR-, die Europäische-Donauraumstrategie-Sitzungen. Wir haben schon zwei gehabt, die dritte wird dieses Jahr im Juni in Wien stattfinden, und es wird sicherlich auch hier wieder versucht werden, klare Schwerpunkte auch aus österreichischer Sicht zu setzen – eine Weiter­entwicklung, die notwendig ist, um auch die Regionen in diesem Bereich zu stärken.

Abschließend sei gesagt – und da kann ich nur dreifach unterstreichen, was ja auch Kollege Todt schon angeführt hat –: Die EU ist das Friedensprojekt schlechthin, und die EU ist als Friedensprojekt auch ein dynamischer Prozess, den wir weiterentwickeln müssen und an dem wir arbeiten müssen. Und dieses Projekt Europa, mit dem wir auch gemeinsam mit Sicherheit noch viele, viele positive Erfahrungen machen werden, ist letztlich der Garant für Sicherheit und Wohlstand, den wir in diesem Land genießen dürfen.

Damit kann ich dem Bericht nur meine Zustimmung geben und mir auch weiterhin eine positive Arbeit in dieser Form wünschen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.24.59

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Herbert, Frau Kollegin Zwazl war so lieb und war mir eine Beraterin hinsichtlich der Frage, wie man etwas formulieren kann, ohne dass man sich einen Ordnungsruf einfängt. Also ich versuche es jetzt: Ihre in Sachen europäischer Politik nicht ganz funktionierende Auffassungsgabe hat dazu geführt, dass Sie viele Dinge etwas durcheinanderbringen, die ich Ihnen gerne noch einmal mitgeben möchte. Herr Kollege Todt hat das auch schon gemacht, aber ich halte das schon für sehr wichtig, weil wir jetzt in einer Wahlauseinandersetzung stehen.

Man sagt immer: die EU macht das, die EU macht das, die EU macht das – aber das ist ein Blödsinn, denn entweder es plant ein Kommissar oder eine Kommissarin etwas, es plant die Europäische Kommission als Ganzes etwas, das Europäische Parlament möchte vielleicht manchmal etwas, was der Rat will, und der Rat will etwas, was das Europäische Parlament nicht will. Es ist also absurd, jetzt einfach so den Schwarzen Peter hinzuschieben und das Ganze abstrakt „Europäische Union“ zu nennen, ohne klarzumachen, worum es genau geht.

Uns eint ja zum Beispiel etwas: Ich beobachte INDECT auch sehr kritisch, und es gibt auch parlamentarische Anfragen von mir dazu, das können Sie auf der Parlaments­webseite nachlesen. INDECT ist tatsächlich ein Programm, das ich nicht gut finde, wenn es denn so kommt, wie man hört, dass es kommt, denn viel wissen tut man auch nicht. Also ich kritisiere so wie Sie die Intransparenz, aber ich sage nicht: „die EU“, weil es einfach nicht stimmt. Es ist ein von einem europäischen Kommissar unterstütztes Forschungsprojekt, in dem unter anderem auch Innenministerien, Polizei in verschie­denen Ländern, und in Österreich die Technische Universität Wien beteiligt sind.

Was davon kommt, das wissen wir alle nicht – meine parlamentarischen Anfragen wurden auch nie wirklich gut beantwortet, das muss ich auch anmerken. Aber es ist einfach billig und – Entschuldigung – es ist blöd, zu sagen: „die EU“, als ob man irgend so eine Verschwörungswolke da oben meinen würde, wo man nicht genau weiß, wer das wäre. (Bundesrat Herbert: Das heißt, Sie haben mich gerade als blöd bezeich­net?) Das hat einfach, wie gesagt, mit einer beschränkten Auffassungsgabe in euro-


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päischen Fragen zu tun. Aber, wie gesagt, ich teile Ihre Kritik an INDECT. – (Sich zum Präsidium umdrehend:) Jetzt kriege ich gleich einen, oder? (Heiterkeit.)

Ich möchte jetzt in meiner Rede den Datenschutz in den Vordergrund rücken, weil ich glaube, dass der Datenschutz derzeit tatsächlich eine der Hauptfragen ist, und ich glaube auch, dass er im Wahlkampf eine der Kernfragen sein wird, etwas, das viele, viele Menschen mobilisiert. INDECT zum Beispiel ist eine solche Frage, und dies völlig zu Recht, deswegen war ich auch ein bisschen überrascht, Herr Kollege Todt, als Sie die Frage stellten, was an Überwachung schlecht sei. – Also es ist immer dann schlecht, wenn es zu stark in die Bürgerrechte und in die Privatsphäre von Menschen eingreift. Dann kann man nicht überwachen. Und mit seinem Entscheid zur Vorrats­datenspeicherung hat der EuGH ja dazu ein klares Wort gesprochen, und ich begrüße dieses Urteil. Wir sind hier gestanden und haben oft über die Vorratsdatenspeicherung gesprochen, wir waren damals in der Minderheit mit unserer Meinung zur Vorrats­daten­speicherung. Ich freue mich sehr, dass auch der EuGH unserer Meinung ist und es ebenso sieht, dass das einfach viel zu sehr in die Freiheits- und Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreift.

Was mich mit Sorge erfüllt und was auch in diesem Bericht zu lesen ist – dem Bericht stimmen wir natürlich gerne zu –, ist die Mühseligkeit – und das ist eigentlich offen dargelegt – und die Langwierigkeit, zu einer Datenschutzverordnung oder ‑richtlinie – wir wissen es ja noch nicht, aber es wird wahrscheinlich eine Verordnung werden – zu kommen, wie schwierig das Ganze ist. Es hat noch nie im Europäischen Parlament so viele Lobbyingpapiere gegeben wie zur Datenschutzverordnung. Es hat noch nie so viele Interessenlagen gegeben, in so vielen Schichten, und Tausende Abänderungs­anträge, und es ist tatsächlich zu einer sehr anstrengenden, mühsamen und lang­wierigen Sache geworden.

Wir warten ja schon alle sehnsüchtig auf diese Verordnung – und währenddessen ist ein NSA-Skandal aufgekommen, währenddessen haben österreichische Jus-Studenten Facebook verklagt. Österreich spielt ja da mittlerweile in Europa eine sehr wichtige Rolle, nämlich aus der Zivilgesellschaft heraus, mit Max Schrems und den Studentin­nen und Studenten, die Facebook verklagt haben und durch diese Klage auch auf die gesamte Misere hinweisen konnten, wie Datenschutzkommissionen zum Beispiel in Irland gar nicht funktionieren. Dort gibt es nicht einmal Juristen. Und da gibt es natürlich auch Interessen aufseiten Irlands, indem Standortpolitik betrieben wird. Nicht umsonst haben amerikanische Firmen wie Facebook oder Google ihren europäischen Sitz in Irland. Und gleichzeitig ist Irland aber EU-Mitglied, und somit ist natürlich diese Datenschutzrichtlinie schon auch sehr, sehr relevant, weil diese Daten nach wie vor gespeichert werden, nach wie vor auf Servern herumliegen und all das, was man ins Internet einspeist, nicht vergessen wird.

Deswegen ist es auch so wichtig – und das ist ja ein Kernanliegen der Grünen –, dass ein für alle Mal klargestellt werden muss: Datenschutz muss wieder dem User und der Userin übertragen werden. Jeder User und jede Userin muss die Hoheit über seine oder ihre Daten haben, muss entscheiden können, was gelöscht werden kann, muss entscheiden können, ob es an Dritte gegeben werden darf, ja oder nein, und wenn ja, wann.

Ich sage ja nicht, dass Daten grundsätzlich schlecht sind. Daten können für die Wis­senschaft Tolles beitragen, können für vieles gute Sachen sein, können auch das Surfverhalten erleichtern – denn wenn der Konzern weiß, wie ich ticke, dann bietet er mir auch eher das an, was ich suche, und nicht das, was ich nicht suche. Also wir wissen, wie schwierig das ganze Feld ist. Aber es muss schlussendlich eine Ent­scheidung von User und Userinnen sein, vor allem auch, ob Daten an Dritte weiterge­geben werden.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 120

Das Recht auf Löschung, auf Korrektur – auch Korrektur ist sehr wichtig, es kann nämlich über eine Person auch etwas Falsches im Internet stehen – und die Auskunft über die Weitergabe muss ein Kernanliegen für den Datenschutz sein, die Stärkung des Prinzips, dass man eine explizite Einwilligung zur Verarbeitung gibt.

Und, auch ganz wichtig: Wer die Nutzungsbedingungen auf Facebook, die ja ohnedies jede Woche verändert werden, oder die Nutzungsbedingungen auf Google liest, der blickt da nicht durch, außer er hat ein Jus-Studium abgeschlossen. Es braucht daher einheitliche klare Regelungen für alle diese Webseiten, sodass es für alle Userinnen und User sofort und leicht verständlich ist. Hier braucht es eine eigene ganz klare Regelung seitens der Europäischen Union. Das ist für die Privatsphäreneinstellungen für viele Webseiten ganz wesentlich und entscheidend.

Der Ausbau der Informationspflicht und der Transparenz, insbesondere auch im Hin­blick auf die erfolgte Art der Datenverarbeitung und allfällige Weitergabe an staatliche Einrichtungen, zum Beispiel Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdienste, ist auch ein ganz wesentlicher Bestandteil. Das Verbot der Weitergabe an Drittstaaten ohne ausdrückliche Abkommen mit den entsprechenden Staaten ist auch ein ganz wesent­licher Punkt, ebenso auch der Schutz aller Informationen, die direkt oder indirekt einer Person zugeordnet werden oder dafür benutzt werden können, eine Person aus einer Menge von Menschen herauszufiltern – da kommen wir wieder zu diesem INDECT.

Wir brauchen auch hohe Strafen bei Verstößen, denn es nützt nichts, wenn die Milliarden damit verdienen und Strafen einfach so aus der Portokasse bezahlt werden können. Wir brauchen weiters strenge Zweckbindungen sowie die Umsetzung der Konzepte Privacy by Design und Privacy by Default, ebenso die Einführung von Datenschutzbeauftragten in Unternehmen, abhängig vom Ausmaß der Datenverarbei­tung. Da wird es auch Hilfe für KleinunternehmerInnen – da schaue ich ganz bewusst Sie an – geben müssen, das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil, denn auch Klein­unternehmer müssen sich natürlich an den Datenschutz halten. Wichtig ist weiters die einheitliche Rechtsdurchsetzung durch die Einführung einer europäischen Daten­schutzaufsicht, welcher Kompetenzen auch in Streitfällen bei der grenzüberschreiten­den Rechtsdurchsetzung mit Hilfe der lokalen Datenschutzbehörden als One-Stop-Shop zukommen sollen.

Das sind aus unserer Sicht die wesentlichsten Punkte, die wir brauchen. Ich gebe das einmal mit; Sie verhandeln mit in dem ganzen Bereich.

Ich bedanke mich einmal für diesen Bericht, und weitere Themen, die auch in dem Bericht stehen, werden von meiner Kollegin Reiter noch im Detail besprochen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schödinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.34.34

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen im Plenum! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Zunächst noch ein Wort zur FPÖ: „Freigeistig“ hat in Österreich mit „freiheitlich“ nichts zu tun. (Bundesrat Herbert: Warum nicht?)

Zum Arbeitsprogramm der Kommission 2014: Ich habe mir drei Punkte herausgeholt, und ich denke, dass zu dem Punkt „Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit“ nur einige kurze Worte zur niederländischen Initiative erwähnt werden sollten, die im November 2013 vorgestellt wurde und die auch vonseiten der österreichischen Regierung im Großen und Ganzen unterstützt wird.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 121

Diese niederländische Initiative hat den Sinn, die Gesetzgebung und vor allem auch die Verwaltung in der Europäischen Union auf Subsidiarität zu prüfen und mögliche Verfahren zurückzudelegieren auf die nationale Ebene, aber sie strebt keine Änderung der Verträge der Europäischen Union an. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil im Gegensatz dazu die englische Initiative eine Schwächung der Union und eine Rück­führung der Union auf eine wirtschaftliche Gemeinschaft vorhat. Deswegen begrüßen wir die Unterstützung der niederländischen Initiative und werden das auch in diesem Punkt immer wieder dementsprechend thematisieren.

Der nächste Punkt, den ich erwähnen will, ist die „Territoriale Agenda der EU 2020“. Es wurde hier seitens der österreichischen Bundesregierung unter dem Punkt „Öster­reichische Position“ extra angeführt, dass die Raumordnung eigentlich kein Thema der Europäischen Union, sondern ausschließlich eine nationale Angelegenheit ist. Aber es wurde ein kleiner Teil in dieser Argumentation offen gelassen, weswegen ich hier doch etwas einhaken will, nämlich aufgrund der Situationen, die ich persönlich als Bürger­meister, nur 5 Kilometer vom Stadtzentrum von Bratislava entfernt, erlebe. Ich möchte deswegen noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Raumordnung für uns ein sehr bedeutendes Thema ist, und wenn das nur national abgehandelt wird, dann haben wir bei uns draußen das Problem, dass wir zwanzigstöckige Häuser neben einer kleinen Wochenendhütte stehen haben, und wir können raumordnungsmäßig dort nichts machen.

Deshalb wäre es vielleicht doch anzudenken, seitens der Europäischen Union bezie­hungs­weise der Kommission oder der politischen Kräfte einen Ausgleichs­mechanis­mus zu schaffen, zumindest sich gegenseitig zu konsultieren. Es gibt an der Ostgrenze ein Projekt, das heißt BAUM – Bratislava Umland Management –, das von der Euro­päischen Union sehr stark unterstützt wird, aber es fehlt hier noch etwas ein verstärkter Druck, die Länder dazu zu bewegen, gerade in solchen Grenzregionen bei der Raum­ordnung noch weiter anzusetzen.

Als dritten Punkt habe ich mir noch die Integration der Roma in der Europäischen Union herausgenommen. Wenn es ein Thema gibt oder wenn es einen Punkt gibt, für den die Europäische Union wirklich prädestiniert ist, dann ist es die Integration der Roma in Europa, die Integration der größten Minderheit, die wir in Europa haben, und ich glaube, dass wir das nur gemeinsam in einem ziemlich anstrengenden Akt vollbrin­gen werden können. Ich persönlich habe zu diesem Thema einen Zugang, der auf folgende Begebenheit zurückgeht: Ich bin von Beruf Polizist, und ich habe im Zuge einer Einvernahme einen jungen Roma gefragt, ob er lesen und schreiben kann. Und er hat zu mir gesagt: Nein! – Ich habe darauf gefragt: Warum nicht? – Da sagte er: Ich brauche das nicht. Mein Onkel kann lesen und schreiben!

Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, was er da eigentlich gesagt hat. Das Problem dahinter war, dass diese Familienstrukturen, die es dort gibt, derartig hierarchisch sind, dass wir eigentlich dort ansetzen müssten, um das aufzubrechen, weil die Jungen und diejenigen, die in der Hierarchie weiter unten sind, eigentlich gar keine Chance haben, zu Bildung zu kommen.

Die Europäische Kommission hat mit 5. April 2011 einen EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 verabschiedet. Ich finde das ambitioniert, ich finde es toll, aber ich bin der Meinung, dass das bis 2020 überhaupt nicht möglich ist, weil ich glaube, dass gerade die Integration der Roma auf eine wesentlich längere Zeit anzulegen sein wird. Das heißt, wir reden hier von Generationen. Wir werden uns sehr, sehr anstrengen müssen, um diesen Leuten den Weg zurück in die Gesellschaft zu zeigen und sie dabei auch dementsprechend zu unterstützen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 122

Ich sage das, denn wenn man einmal gesehen hat, unter welch erbärmlichen Zuständen ganze Gemeinden und große Gesellschaften leben, dann hält man das eigentlich nicht für möglich. Ich war in der Ostslowakei und habe gesehen, wie die Leute dort außerhalb jedes zivilisierten Siedlungsgebietes in Wellblechhütten, in Holzhütten wohnen, die weder über elektrischen Strom noch über Kanal oder fließendes Wasser verfügen. Ich will aber nicht mit dem Finger auf andere Staaten zeigen, sondern ich will damit aufzeigen, dass es unbedingt notwendig ist, dass wir als Europäische Union gemeinsam dieses Problem angehen, weil wir nicht zuschauen können, wie diese Leute dort dahinvegetieren.

Ich möchte eine Dokumentation in Erinnerung rufen beziehungsweise darauf hin­weisen: Der polnische Regisseur Stanisław Mucha hat eine Dokumentation über dieses Leben gedreht, sie heißt: „Die Anderen essen Hunde“. Ich würde es jedem ans Herz legen, sich diese Dokumentation anzuschauen. Man sieht, wie diese Dörfer strukturiert sind und wie die Leute dort leben. Das Ende dieser Geschichte ist eigentlich, dass selbst Roma, die gebildet sind, die eine gute Ausbildung haben, keine Chance auf einen Job haben, weil sie schon alleine der Hautfarbe wegen nicht einmal in ein Geschäft, in dem sie sich vielleicht bewerben wollten, oder in eine Firma hineinkommen.

Aus diesem Grund denke ich, dass gerade die Europäische Union einen wirklich guten Ansatz hat – mit den Kernbereichen Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsvorsorge und Wohnraum –, dieser Minderheit, dieser riesigen Minderheit in Europa wieder den Weg in die Gesellschaft zu zeigen und dabei zu helfen, diesen Weg auch zu beschreiten.

Ich kann in diesem Punkt nur sagen: Die Europäische Union ist für uns als Öster­reicher, als Demokraten alternativlos. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.42.17

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Dieser Bericht ist sehr umfangreich und berührt sehr viele Bereiche der Europäischen Union und ihrer Aktivitäten, und viele wurden hier auch schon angesprochen. Ich wollte ursprünglich noch mehr zur Bankenunion und dem mühsamen Weg zu einer Bankenunion ausführen, wo man auch ganz deutlich sieht, wer die EU ist, wo sich eben Rat, Parlament und so weiter zusammenraufen müssen und es schrittweise doch zu einer Bankenunion kommt – nicht in voller Ausbildung, aber es wurden doch einige wichtige Schritte gesetzt.

Mein Vorredner hat aber einen Bereich angesprochen, den ich auch ansprechen wollte, das ist die Integration der Roma, weil ich glaube, dass das ein Bereich ist – obwohl es nicht viele Zuständigkeiten der Union gibt, was Soziales und Integration betrifft –, an dem die Bevölkerung die EU und ihren Erfolg, ihr Fortschreiten misst. Damit in Zusammenhang steht zum Beispiel die Armutsmigration; das ist das Auf­tauchen bitterarmer Menschen in unseren Städten, in unseren Kommunen und der Umgang damit. Das ist etwas, das jeden täglich betrifft und das täglich beobachtet werden kann, das die meisten Menschen auch zutiefst berührt und wo dann der Impuls kommt, zu fragen: Warum tut die EU da nichts? Warum geschieht da nichts, viel zu wenig?

Im Bericht steht, dass es schon seit 2011 den EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 gibt. Die österreichische Position lautet:


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 123

„Österreich verfolgt bei der Umsetzung des EU-Rahmens für die Integration der Roma bis 2020 einen breiten sozialwissenschaftlichen Ansatz und setzt auf eine Kombination von allgemeinen und Roma-spezifischen Integrationsmaßnahmen.“

Ich fürchte, das versteht kein Mensch, und ich fürchte, niemand weiß, was da tat­sächlich getan werden könnte oder sollte, um das Leid dieser Menschen zu lindern, um zu einer positiven Entwicklung zu kommen, wenn beobachtet werden kann, dass die Entwicklung eigentlich immer schlimmer wird: hinsichtlich der Zahl der Menschen, die in unseren Städten auftauchen und versuchen, sich durch Betteln und so weiter durch­zubringen.

Es heißt weiter:

„Bei der Umsetzung von Integrationskonzepten sowie der Beurteilung ihrer Wirksam­keit sind der völkerrechtlich und innerstaatlich verankerte Grundsatz der Freiheit des Bekenntnisses zu einer ethnischen Gruppe sowie das Grundrecht auf Datenschutz zu beachten.“

Ja, aber was heißt das jetzt konkret, und was tun wir ganz konkret in diesem Bereich? Ich denke, das ist eine wichtige Herausforderung, der wir uns zu stellen haben, und ich würde mir wünschen, dass in einem solchen Bericht irgendwie konkreter, fassbarer wird, welche Maßnahmen gesetzt werden könnten und wie wir diesem Problem soli­darisch begegnen könnten. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

15.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf die 4c der Hauptschule Obervellach aus dem schönen Kärntner Mölltal mit den Lehrkräften Edith Pichler und Elisabeth Unter­gantschnig sehr herzlich bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Ich erteile jetzt Herrn Bundesminister Dr. Ostermayer das Wort.

 


15.46.48

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte bei dem anschließen, was Marco Schreuder und Frau Dr. Reiter gesagt haben: In beiden Fällen war unter anderem die Kritik, dass es müh­sam und langwierig ist, zu Entscheidungen zu kommen. – Also wenn die Frage ist, ob wir schnellere Entscheidungen wollen, dann werden alle hier sagen: Ja, wir wollen schnellere Entscheidungen, wenn sie in die Richtung gehen, die wir wollen! Das Gleiche gilt für die Frage, ob wir wollen, dass unnötige Regelungen beseitigt werden. Ja, das wollen wir, wenn wir sie als unnötig empfinden!

Das große Geheimnis und auch die große Leistung der Europäischen Union ist, dass sie eine Plattform ist, wo Interessenausgleiche geschaffen werden. Ja, wir wollen einen besseren Datenschutz, aber es gibt auch Länder, die das nicht in dieser Form wollen. Ja, wir wollen schon längst, dass die Finanztransaktionssteuer eingeführt wird – ich glaube, darin sind wir uns auch alle einig –, aber es gibt auch Länder, die das behin­dern. Man hat glücklicherweise seit dem Lissabon-Vertrag eine Möglichkeit, etwas mit einer qualifizierten Mehrheit zu beschließen und zu einem Ergebnis zu kommen.

Mir hat in der Rede des Herrn Bundesrates Herbert etwas gefehlt. Am Schluss der Rede habe ich den Eindruck gehabt, Sie meinen: EU – nein! Sie haben es aber nicht wirklich ausgesprochen. (Bundesrat Herbert: EU-kritisch! – Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth.)

Man kann natürlich die Frage stellen: Will man die EU, oder will man die EU nicht? – Ich werde jetzt begründen, warum ich glaube, dass die EU sehr sinnvoll ist, ich werde


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aber auch sagen, warum ich glaube, dass sie aus meiner Sicht in vielen Punkten besser sein könnte, besser agieren könnte, auch schneller agieren könnte – immer dann, wenn es sozusagen in jene Richtung geht, die wir uns auch vorstellen.

Wir befinden uns in einem Jahr, in dem wir vieler historischer Daten, Tage und Jahres­zahlen gedenken, etwa 100 Jahre Beginn Erster Weltkrieg. Erinnern wir uns, was die Ursachen waren: Eine der wesentlichen Ursachen für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, auch für die Kriegslust, das kann man durchaus sagen, die es in breiten Teilen der Bevölkerung gegeben hat – da waren auch Intellektuelle nicht ausgenom­men, wie man nachlesen kann –, war Nationalismus.

75 Jahre Ausbruch Zweiter Weltkrieg: Auch da waren Nationalismus, Rassismus ein wesentlicher Grund, aber auch das Elend und die Not der Bevölkerung. Das Elend und die Not der Bevölkerung gingen auch international gesehen unter anderem darauf zurück – in Österreich hat es auch andere Gründe gegeben, es war plötzlich aus einem großen Reich ein kleines Land geworden –, dass es in den dreißiger Jahren eine Weltwirtschaftskrise gab.

Und wo stehen wir jetzt? – Wir waren im Jahr 2008 in einer Situation – 15. Septem­ber 2008, Pleite Lehman Brothers –, da haben Historiker, Wissenschaftler gesagt: Politiker, handelt! Wenn ihr nicht handelt, werden die gleichen Phänomene – nämlich die gleichen grausamen Phänomene – wie in den dreißiger Jahren auftreten.

Da gab es etwas, das es in der Geschichte der Europäischen Union wahrscheinlich noch nie gegeben hatte: Die Regierungschefs sind akkordiert vor die jeweilige Öffentlichkeit, vor die jeweilige Bevölkerung getreten und haben gesagt: Wir garan­tieren die Sicherung der Einlagen, und zwar unbegrenzt! Manche haben gesagt, sie haben damit die Kernschmelze des Finanzsystems, in der Folge den Zusammenbruch der Wirtschaft, einen riesigen Verlust von Arbeitsplätzen, Not und Elend verhindert.

Man hätte damals die Frage stellen können, ob sich das überhaupt ausgeht, aber man hat diese akkordierte Vorgangsweise gewählt und viele andere Maßnahmen getroffen: Wir haben damals ja auch gemeinsam ein Bankenpaket beschlossen, darauf geachtet, dass das Finanzsystem bei uns nicht zusammenbricht, ebenfalls die Einlagensicherung ausgeweitet. Es gab zum Beispiel auch zwei Konjunkturpakete, um Arbeitsplätze zu sichern, soweit dies der öffentlichen Hand, dem Staat, möglich war.

Man kann auch die Frage stellen: Was wäre gewesen, wenn? – Ich empfehle ein dünnes, aber hervorragendes Buch von Hugo Portisch – ich glaube, es heißt „Was jetzt“ –, in dem er unter anderem beschreibt, dass auf dem Gebiet der jetzigen Europäischen Union in der Vergangenheit alle 20 Jahre ein Krieg stattgefunden hat – mit all der Vernichtung von Menschenleben, mit all dem Elend, mit all der Vernichtung von materiellen Werten und so weiter. Seit Beginn des Einigungsprozesses, seit Beginn des Versuchs der Zusammenarbeit der großen Nationen und in der Folge auch der kleineren rundherum hat es auf dem Gebiet der Europäischen Union keinen Krieg mehr gegeben. Und dass es nicht ausgeschlossen ist, dass in unserer Zeit Krieg stattfindet, das haben wir alle hier schon erlebt; nicht in unserem Land, aber nicht allzu fern. Gerhard Dörfler zum Beispiel kennt das Thema sehr gut, wie ich aus vielen gemeinsamen Gesprächen weiß.

In dieser Situation stellt sich schlicht und einfach die Frage: Wollen wir die Europäische Union, die all das gesichert hat, oder wollen wir sie nicht? – Wenn die Antwort ist: Ja, wir wollen sie!, dann ist einmal eine ganz wesentliche Entscheidung getroffen. Und wir alle sind der Meinung, dass man in einer Demokratie die Institutionen, die man hat, immer fortentwickeln muss, dass es immer besser geht, dass es gerechter werden kann, dass es sozialer werden muss.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 125

Eine der ganz großen Aufgaben, die prioritäre Aufgabe nach der Bekämpfung, Bewältigung, teilweisen Bewältigung der Finanzkrise, der Wirtschaftskrise ist es jetzt, die Arbeitslosigkeit, die in der Folge entstanden ist, zu bekämpfen, insbesondere auch die Jugendarbeitslosigkeit; den vielen Menschen in Südosteuropa zu zeigen, auf diesem Kontinent gibt es eine Perspektive. Das ist doch unsere Aufgabe! Und genau in diese Richtung zielen auch die Maßnahmen ab.

Wir können – und darin sind wir uns wahrscheinlich alle einig – darüber diskutieren, dass es schneller gehen muss. Ja, da stimme ich hundertprozentig zu. Wir können darüber diskutieren, dass man mehr hätte tun müssen oder vielleicht schneller hätte handeln müssen, Maßnahmen hätte setzen müssen, die die Wirtschaft stärken, die insbesondere die Beschäftigung stärken. Von der Grundsituation her muss man aber in einem Land, in dem eine Million Arbeitsplätze vom Export abhängen – und Haupt­exportzielländer sind Länder der Europäischen Union, sind Länder der Eurozone –, für diese Europäische Union sein und dann, wenn man dafür ist, für die Verbesserung.

Ich finde auch, dass es nicht egal ist, ob man Maßnahmen setzt, die den sozialen Zusammenhalt stärken, ganz im Gegenteil, das muss man tun. Es ist nicht egal, ob man auf europäischer Ebene Maßnahmen setzt, die beispielsweise – weil das so ausführlich behandelt wurde – der Integration der Roma und Sinti dienen. Da sind wir gut dran. Auch bei uns kann man sozusagen das Monitoring noch verbessern, aber wir haben Roma als eine der sechs autochthonen Volksgruppen anerkannt – vor 21 Jah­ren, glaube ich –, und die Situation hat sich für sie verbessert. Dass wir noch weitere Maßnahmen für soziale Integration, auch im Bereich der Bildung setzen müssen, da sind wir 100 Prozent d’accord.

Zum Bereich des Datenschutzes, dazu, dass wir da schon lange diskutieren: Ja, auch mir dauert die Diskussion oft zu lange, insbesondere wenn es in eine Richtung gehen soll, die unsere ist. In Österreich sind wir da ohnehin oft intern, auf nationaler Ebene einer Meinung.

Abschließend zitiere ich noch einen Satz von Timothy Garton Ash, einem bekannten britischen Historiker. Er hat – ähnlich wie Hugo Portisch – Folgendes gesagt: Ja, es dauert oft zu lange, früher waren sie viel schneller – sie haben geschossen! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

15.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Kneifel. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.56.55

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich war nicht als Redner vorgesehen, ich möchte mich aber ausdrücklich bei Herrn Kollegen Herbert für die Provokation, die er heute hier am Rednerpult geliefert hat, bedanken. Und ich möchte mich auch ausdrücklich bei Herrn Minister Ostermayer für dieses engagierte Plädoyer für Europa bedanken.

Der rote Faden zieht sich heute durch die gesamte Debatte in diesem Haus: angefangen bei der Erklärung von Landeshauptmann Niessl, der die Stärke der Regionen – auch mit starkem Bezug darauf, wie Europa an der Prosperität des Burgenlandes mitgewirkt hat – aufgezeigt hat, dann die Aktuelle Stunde mit Außen­minister Kurz zur aktuellen Lage in der Ukraine, und jetzt stehen mehrere Arbeits­programme der Europäischen Union, der verschiedenen Ministerien zur Debatte. Ich muss sagen: Das ist ungeheuer wichtig, und das unterscheidet uns auch von anderen Staaten, dass wir uns immer wieder intensiv mit Europa beschäftigen. Das ist auch ein


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 126

großer Vorteil im Vergleich zu anderen Staaten. In Russland zum Beispiel gibt es nur willfährige Abgeordnete, die immer Ja sagen. Bei uns wird über Europa diskutiert, da werden die Arbeitsprogramme von den Abgeordneten entsprechend begleitet und auch kommentiert.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Noch vor wenigen Monaten war das Ansehen Europas eher angegriffen, Europa war eher abgetakelt. Die Eurokrise hat alles beherrscht, die Eurosklerose wurde beschworen, und viele hatten Zweifel, ob dieses Europa überleben wird. Dann kam die Krise in der Ukraine, und heute ist diese ausgelaugte Europäische Union beziehungsweise die angezweifelte Europäische Union zum Objekt der Sehnsüchte und Hoffnungen vieler Menschen geworden, die sagen: So wollen wir leben! Wir wollen so leben, wie die Leute in Wien leben! Wir wollen so leben, wie die Leute in Paris, in London, in Frankfurt und in anderen Städten leben! – Das, glaube ich, ist auch die Botschaft, die wir aus einer solchen Debatte mitnehmen können.

Wenn man bedenkt, dass die Europäische Union ungefähr 7 Prozent der Weltbe­völkerung umfasst, dass aber diese 7 Prozent der Weltbevölkerung 25 Prozent des Wirtschaftserfolges dieser globalen Welt erarbeiten und bewirken und in dieser Europäischen Union 50 Prozent der weltweiten Sozialleistungen bezahlt werden, dann kann man ermessen, was wir an diesem europäischen Projekt haben.

Es stimmt, Herr Kollege Herbert: Es ist anstrengend! Dieses Projekt Europa ist enorm anstrengend, weil die Staaten zwar miteinander vernetzt, aber national noch immer unabhängig sind. Man muss immer wieder akkordieren. Man muss sich immer wieder absprechen. Man muss immer wieder Lösungen finden, was für den Bürger am besten ist. Und man muss immer miteinander reden und immer wieder miteinander ver­handeln.

Ich glaube, dass die letzten Zweifler überzeugt wurden, als Europa auf die militärische Bedrohung durch Russland nicht mit militärischer Gewalt, sondern mit Verhandlungs­angeboten geantwortet hat. Das ist der große Unterschied zwischen Russland, der Gesellschaft Russlands beziehungswiese der Gesellschaft Putins und der Gesellschaft der Europäischen Union. Ich glaube, das sollten wir bei solchen Debatten immer wieder betonen.

Das hat ja auch etwas Gutes. Meine Großmutter, eine Waldviertlerin, hat immer gesagt: Bua, es gibt nix Schlechtes, wo nicht auch was Gutes dabei ist.

Die Lehre aus dieser Debatte und dieser Konfrontation: Die Europäische Union wurde dazu herausgefordert, endlich Antworten auf die Fragen zu geben: Wofür stehen wir? Wofür setzen wir uns als Europäische Union ein? Welche Mittel stehen uns als Europäischer Union bei der Durchsetzung unserer Ziele zur Verfügung?

Die Antworten, die aus Brüssel, Wien, Straßburg oder woher auch immer gekommen sind, schärfen das Erscheinungsbild der Europäischen Union. Damit werden wir in der öffentlichen Diskussion sichtbarer, damit werden wir klarer vernehmbar und wahrnehm­bar. Und ich glaube, all das hat zur Hebung der Bedeutung dieser Staatenkonstruktion der Europäischen Union geführt.

Ich glaube, dass das Bild früher gelitten hat, dass es jetzt geschärft wurde und dass wir jetzt genau wissen, was wir an dieser Europäischen Union haben, nämlich Freiheit, Rechtssicherheit, Demokratie, eine offene Gesellschaft, Wohlstand für viele, die daran teilnehmen können. Es ist hier nicht so wie in Russland, wo es viele oder so manche Oligarchen gibt, einige wenige Reiche, aber wo der Wohlstand keinesfalls in der Gesellschaft verbreitet und verankert ist.


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Deshalb bedanke ich mich noch herzlich bei allen, die in dieser Debatte heute dabei mitgewirkt haben und mitwirken werden, diese Europäische Union weiterzuentwickeln, weiter zu entfalten und weiter zu einem Wohlstandsprojekt für die Welt zu machen und als Vorbildmodell für die Welt darzulegen. Ich glaube, das sollten wir von solch einer Debatte mitnehmen, und wir sollten uns nicht in Kleinigkeiten verlieren.

Herr Kollege Herbert! Ich gebe Ihnen recht, dass manches sehr anstrengend ist, dass manches verbessert werden muss, dass es zu viel Bürokratie gibt und dass wir die demokratische Verankerung in der Europäischen Union verbessern müssen. Das ist ein ständiger Prozess. Die Europäische Union wird nie fertig und am Ende sein. Wir werden immer daran arbeiten müssen, und die Arbeit für engagierte Abgeordnete und Volksvertreter wird dabei nicht zu Ende gehen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

16.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Mühlwerth, bitte.

 


16.04.41

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ihr glühendes Eintreten für die EU ehrt Sie, Herr Kollege Kneifel, und auch Sie, Herr Minister. Ich sage das deswegen, auch wenn ich das in der Sache anders sehe, weil ich Respekt davor habe. Ich habe vor allen Menschen Respekt, die für ihre Anliegen eintreten.

Ich bitte aber, diesen Respekt auch uns entgegenzubringen, wenn wir oft sehr kritisch sind. Kann sein, dass wir manchmal etwas ein bisschen überspitzt formulieren, das will ich jetzt gar nicht ausschließen, aber auch das gehört zu einer politischen Debatte. Man tauscht nicht nur Argumente aus, sondern ist manchmal in der Formulierung auch etwas überbordend, das passiert uns auch hier im Plenum.

Ich habe vorhin gerade mit dem Herrn Präsidenten darüber konferiert, ob Herr Schreuder wirklich gesagt hat, dass das, was Herr Kollege Herbert gesagt hat, blöd ist, oder ob er es nicht gesagt hat. Wenn dem so wäre, dann wäre das keine angemes­sene Wortwahl! Ich weiß aber auf der anderen Seite auch, dass einem im Eifer der Debatte einmal etwas entschlüpfen kann, was man nicht so gemeint und dennoch so gesagt hat. Diesbezüglich kann sich, glaube ich, jeder von uns an der Nase nehmen.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir mit unserer Kritik nicht allein sind. Es gibt viele Menschen, die sehr kritisch sind. Schauen Sie sich in Europa um! Gerade auch EU-kritische Parteien stellen ein gemeinsames Europa nicht in Frage – und das tun wir auch nicht –, sondern die Art und Weise, wie das Ganze gelebt und umgesetzt wird. Und wenn Sie sehen, dass diese Gruppen in Schweden, in Finnland, in Groß­britannien, in Frankreich und auch in Österreich immer stärkeren Zuspruch bekommen, dann muss Ihnen das sehr wohl zu denken geben.

Das Friedensprojekt Europa ist eine tolle Sache. Aber wir meinen halt: Wir laufen ein wenig Gefahr, dass zu sehr reguliert wird, dass unsere Freiheiten, die Sie so gepriesen haben, in Gefahr sind und dass die Menschen nicht mehr das Gefühl haben, dass sie so frei sind.

Diese Dinge muss man ernst nehmen! Darüber kann man nicht einfach hinweggehen und sagen: Das und das hat halt irgendwer gesagt, das interessiert uns nicht weiter!, auch diese Menschen wollen nämlich vertreten sein. Und das tun wir nach bestem Wissen und Gewissen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 128

Aber ich bitte Sie: Wenn Sie schon uns nicht ernst nehmen wollen, dann nehmen Sie doch wenigstens die Wähler ernst! Nehmen Sie doch die Menschen ernst, die das ebenfalls kritisch sehen! Und es gibt nicht wenige, die diese Solidarität in Europa über ESM und EFSF nicht goutieren. Es gibt auch viele Menschen, die nicht finden, dass es ihnen besser geht. Sie schauen zu, wie die Löhne immer weiter hinunter gegangen sind, und haben nicht das Gefühl, dass ihnen die EU diesen großen Segen gebracht hat, den Sie gerade gepriesen haben!

Das Projekt eines gemeinsamen Europa stellen wir nicht in Frage! Wir haben immer nur gesagt: Wenn sich die EU gar nicht bewegen und immer mehr an sich ziehen möchte, dann muss man als allerletzte Konsequenz auch über einen Austritt nachdenken können. Niemand von uns hat gesagt: Wir treten jetzt aus der EU aus!, obwohl ein Teil der Bevölkerung auch dafür durchaus Sympathien hätte.

Wenn es zum Beispiel in Griechenland eine geordnete Pleite gegeben hätte, wie das auch viele Experten gefordert haben – das war ja nicht nur bei uns so –: Wäre darauf­hin ein Krieg ausgebrochen? Oder wenn man die Hypo Alpe-Adria hätte pleitegehen lassen: Hätte es dann einen Bürgerkrieg in Österreich gegeben? – Ich bezweifle beides! Ich glaube an beides nicht.

Niemand von uns möchte, dass es Krieg gibt! Wir alle sind froh, dass wir diese Zeiten hoffentlich für immer überwunden haben, obwohl man nichts, auch nicht mit EU, zu 100 Prozent ausschließen kann, weil man nie weiß, was kommt.

Mein Appell an Sie lautet – bei allem Respekt vor Ihrer Haltung –: Nehmen Sie auch jene ernst, die das durchaus kritisch sehen! Setzen Sie sich mit deren Argumenten auseinander – was Sie teilweise getan haben, das möchte ich hier auch anmerken –, aber nehmen Sie gerade diese Menschen, die berechtigte Ängste haben, die sehr kritisch sind und die nicht immer alles von der rosaroten Wolke sehen, ernst und treten Sie weiterhin in den Diskurs mit diesen, aber auch mit uns ein! (Beifall bei der FPÖ.)

16.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Staatssekretär, Entschuldigung, Herr Minister Ostermayer.

 


16.09.42

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Dr. Josef Ostermayer: Kein Problem!

Nur einen Satz: Ich hoffe, dass es keine Unterstellung war, dass wir die Menschen, die Zweifel haben und die das kritisch sehen, nicht ernst nehmen!

Ich habe im Rahmen meiner Ausführungen versucht, auch die kritischen Punkte anzu­sprechen. Egal, ob man es jetzt durch die rosa Wolke oder rosa Brille sehen will: Ich will beides nicht und habe auch nicht vor, das in Zukunft zu tun, sondern möchte mich sehr wohl mit der Kritik auseinandersetzen. Aber auch, wenn man einen kleinen Teil oder viele kleine Teile durchaus kritisch sehen kann, meine ich, dass trotzdem auch das große Ganze und die große Errungenschaft zu betrachten ist. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Da das jetzt nicht der Fall ist, ist die Debatte ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 129

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.11.0910. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Handwerkerleistungen beschlossen wird (44 d.B. und 45 d.B. sowie 9157/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Ich darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt sehr herzlich Herrn Staats­sekretär Mag. Danninger bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christian Füller. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.11.43

Berichterstatter Christian Füller: Geschätzter Herr Vizepräsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Handwerkerleistun­gen beschlossen wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.12.32

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach so viel Europa und so großartigen Europaplädoyers interessiert mich wieder Österreich. Es geht jetzt um die österreichische Wirtschaft, die österreichische Wirtschaftsleistung, und das österreichische Volkseinkommen, und all das findet noch immer in Österreich statt.

Nur zusammenfassend im Hinblick auf die Fiskalpolitik Österreichs: Es wäre vielleicht gar keine schlechte Idee, wenn Österreich, was die Abgabenquote betrifft, die eine der höchsten Europas ist, einige Hoheitsrechte hinsichtlich Gesetzgebung an Europa abträte, um den Diskurs doch europäisch zu führen! Mit einer 45‑prozentigen Abgaben­quote kommen Sie beim europäischen Gesetzgeber für Europa gesehen nämlich sicherlich nicht durch!

Nun aber zurück zu Österreich, zum berühmten Handwerkerbonus: Im Hinblick auf den Handwerkerbonus wäre eigentlich keine genauere Analyse notwendig geworden. Die damit im Zusammenhang stehenden Förderungsmodelle sind mit insgesamt 30 Millio­nen € für eineinhalb Jahre, 2014/2015, gemessen am gesamten Steueraufkommen Österreichs von 70 Milliarden €, verschwindend gering. Dafür wäre, wie gesagt, keine genaue Analyse notwendig, wenn diese Bundesregierung das nicht als Wirtschafts-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 130

motor, als Impuls, als Konjunkturbelebung, als Beschäftigungsmodell und vor allem als Mittel zur Reduktion der Schwarzarbeit hier in Österreich verkaufen würde.

Wie sieht nun die Realität aus? – Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, dann sieht man, dass es dieses Modell in Deutschland bereits gibt. Das Modell ist praktisch von Deutschland abgekupfert. Dort wurde es 2009 in Form eines Absetzbetrages eingeführt, und Frau Bundeskanzlerin Merkel, die ja bekanntlich nicht die Unvernünf­tigste ist, und vor allem Finanzminister Schäuble wollten 2013 wissen, wie dieser Hand­werkerbonus gelaufen ist, wie die Evaluierung ausschaut, was dabei heraus­gekommen ist, ob das Wachstum wirklich gefördert und die Schwarzarbeit wirklich reduziert wurden.

Das ist eine interessante Ex‑post‑Analyse, denn das Ganze wurde schon durchgeführt. Uns liegt vom WIFO eine Ex‑ante‑Analyse, also eine Prognose, vor, in Deutschland gibt es jedoch, wie gesagt, bereits eine genaue Analyse, was vorgefallen ist. Zusam­mengestellt haben diese Wirtschaftsanalyse für Deutschland niemand Geringerer als Ernst & Young, die Wirtschaftsprüfungskanzlei, und vor allem der berühmteste Ökonom Deutschlands Lars Feld, einer der fünf Wirtschaftsweisen Deutschlands.

Was ist herausgekommen? – Es ist dies ein dickes Konvolut. In Deutschland existiert die sprichwörtliche Gründlichkeit. Das Werk umfasst über 260 Seiten. Darin wird im Sinne der Bekämpfung von Schwarzarbeit eindeutig festgehalten – ich zitiere –: „Mess­bare Wirkungen () liegen () auf einem sehr geringen bis geringen Niveau.“ Betreffend Wirtschaftsankurbelung ist von geringen Auswirkungen auf Umsatz und Beschäftigung die Rede. Zum Schluss heißt es, dass die Maßnahme – also dieser Handwerkerbonus insgesamt – die Zielgruppen „auf sehr niedrigem Niveau“ erreicht hat.

Ich habe jetzt versucht, das Ganze noch einmal auf das österreichische För­derungs­volumen rückzurechnen. Insgesamt ist dieser Absetzbetrag in Deutschland in Höhe von 1,5 Milliarden € in Anspruch genommen worden. In Österreich gibt es die genannten 30 Millionen €. Das ist praktisch ein Hundertstel des deutschen Wertes. Allerdings sagt die Bundesregierung allen Ernstes in Form einer WIFO‑Prognose in der Regierungsvorlage, dass dieser Handwerkerbonus die Wirtschaft zu 100 Prozent ankurbelt und den Umsatz zu 100 Prozent und die Beschäftigung zu 100 Prozent fördert. – Das soll also ein Nullsummenspiel sein! Die 30 Millionen €, die hier gefördert werden, gehen eins zu eins ins Wirtschaftswachstum.

Wenn Sie ein entsprechendes Wirtschaftsforschungsergebnis haben wollen, dann bestellen Sie offensichtlich jenes, das Sie bekommen möchten, und offensichtlich gibt sich das WIFO dafür her. Wenn man sich ein bisschen für Wirtschaft interessiert, stellt man nämlich fest, dass das vollkommener Unsinn ist. Es ist dies buchstäblich genau das Gegenteil dessen, was bei der Analyse in Deutschland herauskommt.

Weiters führt Ernst & Young aus, dass der Bonus vor allem für Dienstleistungen genützt wird, die man sonst auch in Anspruch genommen hätte. Es hat überhaupt keinen Effekt. Sicherlich kann man immer wieder Förderungen oder Steuerprämien geben, aber der Effekt, den uns die österreichische Bundesregierung weismachen will, wird definitiv nicht erzielt.

Generell muss man sagen: Wenn man eine WIFO-Studie zitiert, sollte man in der Regierungsvorlage zumindest in der Fußnote anmerken, mit welcher Methode man überhaupt zu diesem Ergebnis kommt, denn sonst ist das nicht nachvollziehbar. Aber das ist einfach nicht drinnen. Man erwartet sich allerdings wirklich von einer Regie­rungsvorlage, in welcher eine Analyse des WIFO zitiert wird, dass man die Ergebnisse nachvollziehen kann.


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Zweitens, sehr geehrter Herr Staatssekretär, möchte ich Ihnen als Mitverantwortlichem dieser Studie mitteilen, dass in der Regierungsvorlage davon die Rede davon ist, dass es keine Verwaltungskosten gibt, und dass das eigentlich unlogisch ist. Beim Hand-werkerbonus handelt es sich um Förderungen, die Rechnungen werden bekanntlich eingereicht und geprüft, und das Geld wird ausbezahlt. – Das kostet angeblich nichts. Sie führen aber sehr wohl an, dass 10 500 Arbeitsstunden notwendig sind. – Ent­schuldigen Sie! Ich habe mir das genau durchgelesen. Entweder verkaufen Sie beziehungsweise nicht Sie ad personam, aber das Finanzministerium uns für blöd, oder das ist einfach ein Schreibfehler, oder man hat sich das Ganze nicht durch­gelesen.

Es finden sich also zwei schwere Fehler in der Regierungsvorlage. Wenn uns dieser Handwerkerbonus mit großem Tamtam, obwohl es eh nur um 30 Millionen € geht, als großer Impuls für die Wirtschaft und als großer Unternehmensimpuls für die Hand­werker verkauft wird, dann sage ich: Das kann es nicht sein! Man kann diesen Handwerkerbonus einführen oder nicht. Das ist ja nicht schlecht! Aber in dieser Höhe ist er für die Wirtschaft und das Volkseinkommen einfach wertlos.

Das ist die Erkenntnis daraus. Das ist eine doppelte Luftblase für uns. Wir wollen uns eigentlich gar nicht mehr damit auseinandersetzen, weil es uns das in Summe einfach nicht wert ist.

Wenn Sie wirklich die Wirtschaft ankurbeln und wirklich etwas für die Betriebe tun wollen, dann senken Sie endlich die Steuern, dann senken Sie die Abgaben, dann senken Sie die gesamten Belastungen für unsere Wirtschaft, dann kurbeln Sie die Wirtschaft ehrlich und wirklich an!

Zum Förderungsmodell im Allgemeinen: Das ist ein Modell aus dem 20. Jahrhundert! Das entspricht nicht einer modernen Verwaltung. Das ist nichts! Wozu gibt es den Absetzbetrag? Wozu gibt es den Freibetrag? Warum gibt es diese Steuerprämie? – Eben deshalb, damit der Staat und die Regierung in diesem Sinne entlastet sind, wenn der Steuerpflichtige selbst einen Steuerausgleich machen kann. Deswegen gibt es ja diese Instrumente! Oder Sie schreiben im Subventionsreader, der in Österreich sozusagen eh „nur“ 260 Seiten hat, auf Seite 261: Fördermodell Handwerkerbonus.

Nein! Aus diesem Grund lehnen wir Freiheitliche und ganz besonders FPÖ pro Mittelstand, unsere freiheitliche Wirtschaftsorganisation, dieses Gesetz ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.20.02

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Pisec, du bist das letzte Mal hier am Rednerpult gestanden und hast, wie du es immer machst, alle Initiativen, die es für die Wirtschaft gibt, und auch die Arbeit der Wirtschaftskammer schlecht­gemacht. Du stellst ganz einfach Behauptungen auf. Ich habe hier etwas (ein mit blauem und gelbem Band geschnürtes Aktenbündel in die Höhe haltend), damit ich das hier auch einmal bildlich demonstrieren kann, dass das nicht stimmt.

Du hast letztes Mal zum Abgabenänderungsgesetz Stellung genommen und hast erklärt, die Wirtschaftskammer Österreich und die Wirtschaftskammern haben zum Abgabenänderungsgesetz keine Begutachtung gemacht, sondern nur die IV eine über 17 Seiten. Deshalb darf ich dir heute die Stellungnahme der Wirtschaftskammer Niederösterreich und der Wirtschaftskammer Österreich überreichen. (Die Rednerin


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 132

überreicht Bundesrat Pisec das erwähnte Aktenbündel.) Blau-Gelb ist Niederösterreich, hat mit euch nichts zu tun. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Ja, Reinhard, so ist das. Ich lasse meine Organisation nicht anpatzen, noch dazu, wenn etwas Gutes und Wesentliches gemacht wird. Du kennst mein Unternehmen, ich komme aus einem kleinen Unternehmen, und ich bin froh, dass wir eine Regierung haben, die sehr wohl die Anliegen unserer Betriebe ernst nimmt und auch überlegt, etwas zu tun.

Ich gebe zu, 30 Millionen € sind nicht die Welt. Ich würde mir auch wünschen, Herr Staats­sekretär, dass wir mehr haben, aber wir wissen alle: Ein Schelm ist der, der mehr gibt, als er hat. Wir haben ganz einfach nicht mehr. Aber der Handwerkerbonus ist in erster Linie ein Bonus und eine Förderung für die Verbraucher und für die Bürger vor allem für Sanierungs-, Instandhaltungsarbeiten für Gebäude. Er umfasst eine Mindest­einreichung der Arbeitszeit von 200 € bis hin zu 3 000 €, und man bekommt 20 Prozent zurück. Das ist immerhin etwas. Es gibt ja eine Studie von Professor Schneider, der immer wieder sagt, die Schwarzarbeit beträgt 2,5 Milliarden €. Dem versucht man jetzt einmal gegenzusteuern.

Es gibt immer wieder einen kritischen Bericht des Deutschen Rechnungshofes, aber du weißt ganz genau, Kollege Pisec, denn ich unterstelle dir jetzt, dass du diesen Bericht genau gelesen hat, dass der deutsche Handwerkerbonus von jenem nach österreichi­schen Richtlinien abweicht. In Deutschland kann man auch Arbeitsleistungen wie Rasen­mähen, Reinigen, et cetera einreichen, und das ist bei uns bei den 30 Millio­nen € nicht enthalten. Es geht wirklich nur um die Arbeitsleistung für Arbeiten, die im Haus und sozusagen auf der Außenhaut gemacht wurden.

Sprechen wir jetzt auch einmal über die Abwicklung! – Natürlich ist es so, dass eine Förderung, wenn sie abgewickelt wird, etwas kostet. Ich habe – das muss ich ganz einfach als Vertreterin der Wirtschaft – das Finanzministerium gelöchert und gesagt, ich will auch wissen, wie das abläuft, wie das ausschaut, was das kosten wird, weil wir ja wissen, dass die Verwaltungskosten von den 30 Millionen € abgezogen werden. Die letzte Meldung, die ich bekommen habe, war, dass wir spätestens nach Ostern den Vorschlag vorgelegt bekommen. Es wird mit Institutionen verhandelt, und es wird wirklich eine äußerst günstige Lösung für uns geben.

Ich erlaube mir, heute auch einen Vorschlag einzubringen. Ich denke daran, dass wir in unseren Bundesländern sehr viele Förderungen haben, die letzten zum Beispiel gab es für Sicherheitstüren und Alarmanlagen. Das Procedere ist über unsere BHs abge­wickelt worden. Das war sehr unbürokratisch, war sehr professionell, es hat eine Bürgernähe gegeben. Ich könnte mir vorstellen, dass man das in Zukunft auch beim Handwer­ker­bonus einmal angehen könnte. Wenn der Handwerkerbonus dann evaluiert wird, wird er sich, davon bin ich überzeugt, wesentlich vom Handwerkerbonus in Deutschland unter­scheiden, weil er eben andere Richtlinien hat und wir für das Rasenmähen, Kinder-Aufpas­sen und Reinigen den Dienstleistungsscheck haben. Die Deutschen haben diesen Dienst­leistungsscheck nicht, dort sind diese Tätigkeiten im Handwerkerbonus enthalten.

Ich bin davon überzeugt, dass das eine Initiative für die Wirtschaft und für die Bevölkerung ist. Wer darüber nachdenkt und eine professionell gut ausgeführte Arbeit haben will, geht dann auch zum Profi und lässt die Arbeit machen. Ich bin dankbar für jede Initiative, die man in diesem Bereich setzt und dadurch auch das Bewusstsein der Bevölkerung verändert, indem man sagt: Geh einmal hin, schau dir an, wie schön das ist, wenn die Arbeiten wirklich ordentlich und gut durchgeführt werden!

Ich bedanke mich, knüpfe natürlich meine Hoffnungen und Erwartungen daran, dass sich der Handwerkerbonus auch durchsetzt und dass dafür im nächsten Budget mehr vorgesehen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.25



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 133

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Heidelinde Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.25.27

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile den Optimismus meiner Vorrednerin in keiner Weise. Es ist so, dass dieser Handwerkerbonus im Regierungsprogramm vereinbart war, aber nicht mit dem Abgabenänderungsgesetz realisiert wurde. Er wurde offen­sichtlich nachverhandelt in einem Paket mit GmbH light, Gewinnfreibetrag, Zahnspan­gen und so weiter. Das vorliegende Werk ist nun die rechtliche Umsetzung eines höchst fragwürdigen Kompromisses bezüglich einer ersten Testphase eines Hand­werkerbonus. Es handelt sich nicht um eine steuerliche Absatzmöglichkeit, sondern um eine steuerliche Fördermaßnahme.

Es gibt keinen Rechtsanspruch auf diesen Handwerkerbonus, und die Ausgaben sind begrenzt und gedeckelt mit 10 beziehungsweise dann 20 Millionen €. Dafür wird eine eigene Abwicklungsstelle beim Finanzministerium eingerichtet, die, wie schon bemerkt worden ist (Bundesrätin Zwazl: Nein! Nein! Das habe ich ja gesagt!)  – Nicht? Aber es wird eine Abwicklungsstelle geben müssen (Bundesrat Pisec: Es kommt, ja!), denn irgendwo muss eingereicht werden, irgendwo muss überprüft werden, ob das zum Beispiel überhaupt unter die Richtlinien, die wir noch nicht kennen, fällt oder ob diese Leistung vielleicht schon anderweitig gefördert wird. Das ist nicht so unkompliziert. Wie wir wissen, gibt es Länderförderungen, wie schon erwähnt, Sanierungsförderungen und so weiter. Das heißt, es gibt eine Menge von Förderungen, und es muss ja geprüft werden, ob diese Leistungen schon anderweitig gefördert werden. Also das ist nicht so unaufwendig, aber diese Kosten liegen noch nicht vor.

Man rechnet laut Studie mit Wertschöpfungseffekten von 17 bis 38 Millionen € in zwei Jahren – es wird nicht ganz genau eingegrenzt –, plus eben Sozialversicherungs­beiträgen und USt-Einnahmen von 30 Millionen und Beschäftigungseffekten – das ist toll, wie genau man das ausgerechnet hat – von 261 Personen für 2014 und 363 Per­sonen für 2015. Ich glaube aber trotz allem, was es an Vergleichbarkeit mit Deutsch­land gibt, dass die Studien und die Überprüfung des Effektes des Handwerker­bonus in Deutschland eigentlich zu großem Pessimismus Anlass geben, dass es doch zu enorm hohen Mitnahmeeffekten kommt.

Vor allem kommt es doch wieder zu einem Windhundprinzip. Mich erinnert das an die Förderung der Photovoltaikanlagen, die eben auch aufgrund des gedeckelten Betrages einen wirklichen Run bei der Freigabe auslöst, um noch irgendwo in die Deckelung zu fallen. Womit wird man da wohl ins Rennen gehen? – Natürlich mit Leistungen, die man schon vorbereitet hat und für die man vermutlich ohnehin entsprechende Hand­werker beauftragt hätte.

Wir halten diese Maßnahme für wenig durchdacht und auch wenig effektiv und werden deshalb nicht zustimmen. Es gilt auch zu bedenken: Wenn man sich schon mit 10 beziehungsweise 20 eingesetzten Millionen einen derartigen Effekt für den Arbeits­markt und für die wirtschaftliche Entwicklung erwartet, wie könnten wir erst mit Hypo-Milliarden die Wirtschaft anheizen, nämlich die Realwirtschaft und damit die Beschäfti­gung und nicht die Finanzwirtschaft?! Das stimmt traurig.

Wir glauben, dass dieses Werk eine, ich weiß nicht, schnell zusammengeschusterte Maßnahme und ein höchst fragwürdiger Kompromiss ist, der jetzt umgesetzt wird. Ich fürchte, der Bericht 2016 wird uns recht geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.29



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 134

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Ingrid Winkler. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.30.26

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, diese Diskussion zeigt, wie anregend die Demokratie ist und wie unterschiedlich die Meinungen sein können. Ich glaube nicht, dass man den Effekt dieses Handwerkerbonus so kleinreden sollte. Ich verstehe auch nicht, dass man deshalb, weil man denkt, es wird einen Run auf dieses Produkt geben, nicht dafür ist, es einzuführen. (Vizepräsidentin Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Ich sehe in diesem Handwerkerbonus eine Vielschichtigkeit. Ich sehe auf der einen Seite die Ankurbelung der Wirtschaft gerade im regionalen Raum. Und wen sollte das nicht mehr freuen als jemanden, der in diesem Parlament die Regionen vertritt?! Ich glaube nämlich, dass diese Handwerkerleistungen eher in sehr nahem Umfeld vergeben werden, weil gerade bei Handwerkern ein Vertrauensverhältnis eine sehr große Rolle spielt. Deshalb werden die Arbeiten regional vergeben werden. Wenn es, Frau Dr. Reiter, auch nur wenige Arbeitsplätze sind – in einer derart prekären Arbeits­marktsituation, auch wenn sie die beste innerhalb Europas ist, bin ich als Sozialdemo­kratin für jeden einzelnen Arbeitsplatz dankbar, der durch unser Gewerbe für unsere Handwerker geschaffen wird. Ich denke, dass hier auch einmal erwähnt werden darf, dass die größten Arbeitgeber im Land Österreich das Gewerbe und das Handwerk sind. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall und Bravorufe bei Bundesräten der ÖVP.)

Dass sich die Konsumenten nun diese besagten 20 Prozent sparen können und wir, weil wir Gott sei Dank nicht die Ersten sind, die das in Europa einführen, aus den Fehlern, die in der ersten Euphorie in Deutschland vielleicht gemacht worden sind, lernen durften, ist völlig okay. Und wir haben gelernt. Wir haben Leistungen ausge­nommen, wir haben uns wirklich auf die Wertschöpfung bezogen, und ich denke schon, dass das der lokalen Wirtschaft und damit auch unseren ArbeitnehmerInnen einen positiven Effekt bringen wird.

Niemand hat noch gesagt – egal, wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden, egal, wie viel Wertschöpfung da generiert wird –, dass dadurch auch wieder Einnahmen erzielt werden. Es werden Sozialversicherungsbeiträge lukriert werden, es werden Mehrwert­steuerleistungen lukriert werden, und somit wird ein Teil der Fördermittel auch wieder zurückfließen. Es kann dann natürlich auch überlegt werden, ob diese Maßnahme, die jetzt auf eineinhalb Jahre befristet ist, vielleicht weiter ausgebaut werden kann.

Also ich sehe durchwegs eine Fülle an positiven Effekten aus diesem Handwerker­bonus, und ich glaube schon, dass man diesem Feldversuch die Chance zu reüssieren geben sollte. Deswegen wird auch meine Fraktion dieser Vorlage die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.34


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerald Zelina. – Bitte schön.

 


16.34.11

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Handwerkerbonus, 20 Prozent Förderung bei Hand­wer­kerrechnungen, Rückerstattung der Mehrwertsteuer, Bekämpfung von Schwarz­arbeit und zusätzliche Impulse für die Konjunktur – das klingt alles sehr gut, im Detail schaut es aber ein bisschen anders aus.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 135

Abgesehen davon, dass nur die Handwerker-Arbeitsstunden gefördert werden, nicht aber die Materialkosten, und dass es nur um Förderungen bei Sanierungskosten geht, nicht aber bei Neuerrichtungen von Wohnungen, sehe ich drei Hauptprobleme: erstens die Fördergeld-Mitnahmeeffekte, die entstehen werden, zweitens die budgetäre Begrenzung und drittens den Verwaltungsaufwand, der durch diese Maßnahme entstehen wird.

Zu den Mitnahmeeffekten: Es gibt sicher eine Vielzahl von Personen, die Hand­werkerleistungen ohnehin bereits offiziell per Rechnung hätten machen lassen. Das muss man gegenrechnen. Ob hier tatsächlich neuer Umsatz und neue Mehrwert­steuereinnahmen generiert werden, mit dem Ziel, dass sich diese Maßnahme selbst finanziert, ist zu bezweifeln. (Bundesrätin Zwazl: Mit dem Material dann! ! – Bundesrat Mayer: Kleine Information ans Rednerpult!) – Okay.

Das zweite Problem, das ich sehe, sind die Förderbegrenzungen mit 20 Millionen und dass es keinen Rechtsanspruch darauf gibt. Das heißt, de facto hat jetzt niemand wirklich die Garantie, dass er diese 20 Prozent zurückbekommt.

Das dritte Problem: der Verwaltungsaufwand. Ein Förderungsansuchen muss an eine Handwerkerbonus-Förderungsabwicklungsstelle gestellt werden, welches dann in einem Förderungsverfahren zu überprüfen ist. Das ist sehr bürokratisch. Wenn man noch berücksichtigt, dass ein Limit von 3 000 € vorgegeben ist, so sind 20 Prozent davon, die man rückerstattet bekommt, 600 €. Bei einem durchschnittlichen Förder­betrag von, sagen wir, 400 € ergäbe das 50 000 Anträge pro Jahr, die abgewickelt werden müssen. Da muss man einmal schauen, ob sich das wirklich rechnet. Besser wäre es aus meiner Sicht, dass wir die Handwerkerkosten über einen steuerlichen Abzugsbetrag absetzbar machen. Das wäre ein Weg, der wirklich wachstums- und konjunkturfördernde Impulse setzen würde.

Lassen Sie mich noch über die Schwarzarbeit ein paar Worte verlieren! Die gesamte Problematik, dass Konzerne über Steueroasen die Möglichkeit von „Steuervermei­dungs­praktiken“ haben, und all die Regelungen für Steuerausnahmen tragen sicher nicht zur Steuerloyalität der kleinen Handwerker bei. (Bundesrätin Zwazl: Jetzt tu mir nicht meine Handwerker da einehau’n! Es geht um die Konsumenten, die sollen sich keine Pfuscher holen, sondern zu den Handwerkern gehen!) – Ist in Ordnung.

Auch die Misswirtschaft und die Korruption des Staates und die Steuergeld­verschwen­dung tragen nicht zur Steuerloyalität bei.

Zu hohe Steuer- und Abgabensätze tragen auch nicht zur Steuerloyalität in unserem Land bei.

Das beste Mittel zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung sind faire, niedrige Steuersätze. – Danke.

16.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Christian Poglitsch. – Bitte.

 


16.38.22

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme zur Kenntnis, dass die Freiheitliche Partei, das Team Stronach und die Grünen hier deutlich gegen die Wirtschaft geredet haben, gegen eine Förderung sind. Das ist schon bewundernswert, und das sollten die Menschen zu Hause auch einmal wissen. (Bundesrat Pisec: Steuersenkung!)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 136

Ich glaube, wir müssen uns in einem Punkt einig sein: Die Bekämpfung der Schwarz­arbeit, die Bekämpfung des Pfuschs, der in Österreich stattfindet und der mittlerweile sage und schreibe 20 Milliarden € ausmacht, das sind 8 Prozent des Inlandsproduktes, muss oberste Aufgabe von uns allen sein. (Bundesrat Pisec: Mit dem kriegst du es weg? Das ist doch lächerlich!) Ich glaube, dass dieses Gesetz der erste Schritt dafür ist, diesem Bereich den Kampf anzusagen. Dieses Bundesgesetz ist der richtige und erste Schritt.

Gerade im privaten Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird extrem viel im Pfusch gemacht, das wissen wir alle, und gerade in diesem Bereich setzt dieses Gesetz an. Es ist ein Gesetz für die Handwerker, es ist ein Gesetz für Hausbesitzer, die sanieren wollen, es ist ein Gesetz für die Sanierung. Davon profitieren werden sehr, sehr viele, in erster Linie der Sanierer selbst, weil er Geld zurückbekommt für das, was er saniert. Und – und das ist noch nicht gesagt worden – er bekommt auch eine Qualität, eine überprüfbare Qualität, und hat einen Gewährleistungsanspruch, weil es ein Profi gemacht hat, ein Handwerker. Das wird auch garantiert, weil er die Hand­werkerrechnung einreichen muss.

Zweitens: Die Handwerker selber profitieren davon, weil es vermehrt Aufträge im Sanierungsbereich gibt, das darf man auch nicht vergessen. Da möchte ich schon einmal auch ein Plädoyer für unsere klein- und mittelständische Wirtschaft haben. Ich muss sagen, unsere Handwerker sind eine stützende Säule der Wirtschaft in Öster­reich, denn das sind die vielen Familienbetriebe, die hier tagtäglich hohe Steuer­leistungen bringen. (Bundesrat Pisec: Na dann senkt die Steuern! Steuern senken!) In Kärnten sind 90 Prozent der Betriebe im Kleinstsegment, und gerade in diesem Be­reich wird es auch eine dementsprechende Förderung geben.

Zu den Arbeitnehmern – das ist heute schon angesprochen worden –: 1 100 Jobs werden gesichert, und das in Zeiten wie diesen! 1 100 Jobs sind sehr viel, und das sollte man nie vergessen! Das sind Familieneinkommen, die dadurch mitgesichert werden.

Es gibt zusätzliche Steuereinnahmen für den Staat – das ist gleichfalls schon ange­sprochen worden. Es gibt die Mehrwertsteuer, die da zusätzlich eingenommen wird, und es gibt die Sozialversicherungsbeiträge; das wird laut Berechnung des WIFO in der Höhe von zirka 30 Millionen liegen, und das ist keine Kleinigkeit. Das heißt, das finanziert sich fast schon von selbst.

Und – wichtig! – Investitionen werden vorgezogen. Ab Juli 2014 gilt dieses Gesetz, da werden die Investitionen vorgezogen. Das sollten wir nicht vergessen, weil es ja die Bauwirtschaft im Moment nicht leicht hat.

Das ist summa summarum eine Win-win-Situation, und das sollten auch Sie, sehr verehrte Damen und Herren der Opposition, einmal begreifen und nicht immer gegen alles stimmen, nur weil es von SPÖ oder ÖVP kommt. Nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass wir hier die Wirtschaft vertreten, und das werden wir mit Ihnen und auch ohne Sie machen! (Bundesrat Schreuder: Wir stimmen ja eh nicht immer ...!) – Man kann alles negativ sehen, Kollege Schreuder, alles! (Bundesrat Schreuder: Ihr stimmt ja auch immer gegen unsere Anträge!)

Es können auch mehr als 30 Millionen sein – auch wir wollen mehr –, aber es ist im Moment nicht mehr vorhanden, und es ist ein Pilotprojekt. Dieses Pilotprojekt soll 2016 fortgesetzt werden, nur mit etwas mehr Geld, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir hier eine Situation haben, bei der für alle Beteiligten ein Gewinn heraus­kommt.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 137

Besonders bemerkenswert ist auch, was hier heute schon vom Kollegen Zelina angesprochen worden ist, als er gesagt hat, wir sollen lieber einen entsprechenden Absetzbetrag bei der Lohnsteuer und bei der Arbeitnehmerveranlagung vorsehen. – Lieber Freund, da würden dann genau die herausfallen, die keine Steuer zahlen! Die Ärmsten und Allerärmsten, die heute keine Steuer zahlen, würden hier herausfallen, weil die nämlich nichts absetzen können, wenn sie keine Steuer zahlen. Bei dieser Förderung können auch sie bis zu 600 € lukrieren, und das sollte man nicht vergessen. (Bundesrat Pisec: Und der kann sich offiziell einen Handwerker leisten? Natürlich!)

Natürlich brauchen wir eine gewisse Kontrolle. Diese wird gewährleistet werden, dass es keinen Mitnahmeeffekt geben wird.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es unserer Wirtschaft hilft, unseren Handwerkern hilft, unseren Sanierern hilft und den Menschen in Österreich hilft. Deswegen werden wir seitens der ÖVP selbstverständlich diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Efgani Dönmez. – Bitte schön.

 


16.42.45

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als (Bundesrat Mayer: Handwerker!) – genau: als Handwerker – unter anderem Handwerker, habe ich mir gedacht, auch ich möchte einen kurzen Debattenbeitrag zu diesem Tagesordnungs­punkt leisten.

Es gibt die unterschiedlichsten Kollektivverträge, das wissen wir. Ein Handwerker, zum Beispiel ein Installateur oder ein Elektriker, verdient, wenn er ausgelernt hat, 1 300 €, 1 400 € netto. Mit diesem Geld heutzutage über die Runden zu kommen und eine Familie durchzubringen, ist fast (Bundesrat Brückl: Nicht möglich!) nicht möglich. Was bleibt den Arbeitern und Arbeiterinnen übrig? – Nachbarschaftshilfe anzubieten. (Bun­desrat Dörfler: Auch in der Fabrik!) Ich kenne sehr, sehr viele Menschen, die kein Häusl bauen könnten, wenn sie das nicht in Anspruch nehmen könnten, denn wenn du eine Firma beschäftigst, kostet dich das Haus um mindestens ein Drittel mehr – aber mindestens um ein Drittel mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Poglitsch.)

Die gesamte Gastronomie – Herr Kollege, du bist Gastronom, du wirst das bestätigen können –, die gesamte Gastronomie also lebt unter anderem davon, dass Menschen nicht so angestellt werden, wie es sein sollte. (Bundesrätin Zwazl: Halt! – Bundesrat Perhab: Das ist eine Frechheit! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir wissen, dass viele als geringfügig Beschäftigte oder mit ganz, ganz geringem Lohn beschäftigt werden. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist die Realität!

Geht hinaus in die Restaurants! Schaut, was ein Mitarbeiter bei McDonald’s verdient für die Dreierschicht! Der kommt auf keine 1 200 € im Monat, und von dem soll man dann eine Familie durchfüttern?

Da gebe ich dem Kollegen schon recht: Wir haben eine massive, eine hohe Besteue­rung des Faktors Arbeit, und solange wir das nicht in den Griff bekommen, so lange werden wir uns auch ganz schwer tun, die Schwarzarbeit in den Griff zu bekommen.

Da müssen wir schon schauen, was es heißt, wenn man an diesem Rädchen dreht und zieht, was das in dem Gesamtgefüge bedeutet. – Durch die Schwarzarbeit entgehen uns viele Steuereinnahmen, es gibt Nachteile für das Sozialsystem, in die Pen­sionskassen wird weniger einbezahlt, die Menschen begeben sich in prekäre Arbeits­verhältnisse – und das sind Realitäten! Und dann gibt es aber viele Bereiche, wo man


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de facto nicht in einem Anstellungsbereich tätig ist. Da brauchen Sie nur in Wien auf dem Arbeiterstrich, wo es mehrere gibt, zu schauen, was sich da abspielt. Und auch das sind Realitäten!

Daher: Wir müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, dass wir den Faktor Arbeit angehen, die ganzen Lohnnebenkosten reduzieren – und da wird mir, nehme ich einmal an, die Frau Präsidentin Zwazl schon zustimmen: Die sind schon relativ hoch, oder? (Bundesrat Perhab: Da seid ihr ja auch dagegen!) – Nein, da sind wir nicht dagegen, die gehören schon herunter. (Bundesrat Schreuder: Nie waren wir dage­gen! – Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Nein. Da haben Sie etwas falsch verstanden, Herr Kollege. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Daher mein Plädoyer: Wenn wir das wirklich aufrichtig und ehrlich meinen, dann müssen wir auch darüber diskutieren, dass wir die hohen Lohnnebenkosten reduzieren und dass wir die Arbeit, die immer weniger wird, wobei die gleiche Arbeit von immer weniger Leuten zu erledigen ist, auch gleich verteilen. Wir können es uns nicht leisten, dass auf der einen Seite ein paar Leute viel Arbeit haben, und auf der anderen Seite die, die dann keine haben, immer mehr werden, sondern wir müssen auch schauen, dass wir da zu einer Umverteilung kommen.

Dann – und dieser Überzeugung bin ich – bekommt auch unser System im sozialen und im pensionsrechtlichen Bereich eine Entlastung. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

16.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Danninger. – Bitte.

 


16.46.36

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Jochen Danninger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz mit der Zielsetzung beginnen, die wir mit der Einführung dieser Maßnahme verfolgen, das sind nämlich drei Punkte. Das ist erstens die Bekämpfung der Schwarz­arbeit, zweitens das Setzen von wachstums- und konjunkturbelebenden Maßnahmen und drittens die Stärkung der redlichen Wirtschaft.

Ich möchte anfangs noch einmal auf die Dimension, von der wir hier reden, hinweisen. Wenn wir von Schwarzarbeit reden, dann müssen wir auch dazusagen, dass es da um sage und schreibe 20 Milliarden € geht! Einen essenziellen Anteil hat dabei natürlich der Handwerksbereich. Wirtschaftsforscher schätzen das Volumen auf über 7 Milliar­den €. Und da muss ich Ihnen, Herr Kollege Dönmez, schon sagen: Das ist durch nichts – aber schon gar nichts! – zu rechtfertigen! Schwarzarbeit hat in Österreich nichts verloren! Sie verursacht einen massiven Schaden für die gesamte Volkswirt­schaft. Der Schwarzarbeit hier das Wort zu reden (Bundesrat Dönmez: Ich habe ihr nicht das Wort geredet!), halte ich für extrem verfehlt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sie haben auch behauptet, es gebe immer weniger Jobs. – Auch das ist einfach eine falsche Behauptung! Wir haben so viel Beschäftigung in diesem Land wie noch nie zuvor. Und wir setzen weiters Maßnahmen, um auch eine von Ihnen richtigerweise angesprochene Lohnnebenkostensenkung anzudenken. Wir werden in nächster Zeit die Lohnnebenkosten um 200 Millionen € senken. Also die Regierung setzt bewusst Maßnahmen, die genau in diese Richtung gehen. Die Anerkennung dafür ist bei Ihnen anscheinend enden wollend.

Für uns ist diese Maßnahme auch deshalb so wichtig, weil es für uns ein Gebot der Fairness auch gegenüber den ehrlichen Steuerzahlern ist und ein unerlässliches Signal zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft. Die von uns angestrebte Maßnahme soll eben


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ein positives Signal sein und positive Anreize in der Bevölkerung setzen, um die Schattenwirtschaft zu bekämpfen, und ehrlich handelnde Bürger sollen durch diese Förderung eben 20 Prozent der Arbeitskosten bis zu einem Maximalbetrag von 600 € bekommen.

Der Fokus liegt da klar auf Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Renovierung, Erhaltung und Modernisierung von im Inland gelegenem Wohnraum stehen. Das ist also ein deutlicher Unterschied zu Deutschland, weil hier immer wieder gesagt wird, da gebe es Kritik. Wir gehen natürlich auf diese Kritik ein! Wir haben uns das intensiv angeschaut, und wir wollen nicht dieselben Fehler machen, daher ist es in Österreich auch kein Absetzbetrag, sondern anders konzipiert. Also die Kritik von Deutschland eins zu eins auf Österreich umzulegen, ist nicht seriös.

Ich gebe Ihnen recht, dass das Volumen dieser Maßnahme mit 10 Millionen € im Jahr 2014 und 20 Millionen € im Jahr 2015 nicht sehr hoch ist. Das ist deshalb so, weil wir gesagt haben, wir wollen einen seriösen Weg gehen. Auch diese Diskussion hat es wieder gezeigt: Die einen sagen, das ist viel zu wenig, das ist eine komplett falsche Maßnahme, die anderen sagen, es ist viel zu viel. – Wir wollen den Weg der goldenen Mitte gehen, wie es die Regierung in vielen Bereichen macht, wir wollen das seriös machen: Schauen wir uns das Ganze eineinhalb Jahre lang an, evaluieren wir das dann ordentlich und ziehen wir die richtigen Schlüsse daraus!

Ich darf Ihnen auch berichten, dass wir schon sehr weit sind, was diese Abwick­lungsstelle betrifft. Uns allen ist es ein Anliegen, dass die Verwaltungskosten, die mit dieser Maßnahme natürlich auch verbunden sind, sehr gering sind. Wir wollen das im niedrigen einstelligen Prozentbereich halten. Wir hoffen, dass wir diese Maßnahmen in nächster Zeit umsetzen und dann auch dem Bundesrat die Richtlinien zur Verfügung stellen werden können.

Ich darf Ihnen abschließend noch sagen, dass es nicht einfach ist, Wachstum und Budgetkonsolidierung zu verbinden, doch ich bin überzeugt davon, dass gerade mit dieser Maßnahme ein weiterer Schritt genau in diese Richtung – auf der einen Seite Budgetkonsolidierung, auf der anderen Seite eben zusätzliches Wachstum generie­ren – gesetzt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.50


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Bundesrat Schreuder gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Schreuder – auf dem Weg zum Rednerpult, in Richtung Bundesrätin Zwazl –: Ladies first! – Bundesrätin Zwazl: Nein, geh nur! Geh nur!)

 


16.51.07

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Nur ein Wort. – Herr Staatssekretär, ich muss mich jetzt schützend vor den Kollegen Dönmez stellen, weil ich es nicht in Ordnung finde, dass sie ihm dann, wenn er die Lebensrealitäten von den Menschen da draußen schildert – und wir kennen sie alle; wir haben sie in unseren Familien, wir haben sie in unseren Freundeskreisen, und in Wahrheit habt ihr alle (in Richtung SPÖ und ÖVP) sie auch –, wenn er also die Lebensrealitäten von Menschen beschreibt, wie sie sich einfach durchs Leben auch teilweise durchwurschteln müssen, weil das Geld zu knapp ist, vorwerfen, er würde der Schwarzarbeit das Wort reden. – Das, finde ich, gehört sich nicht!

Das hat er erstens nicht getan – ich finde es politisch nicht in Ordnung, dass Sie ihm das unterstellen –, und zweitens dürfen Sie sich auch nicht wundern, wenn es draußen heißt, die Politiker leben abgehoben und wissen nicht, was da draußen in Wahrheit los ist. Genau das hat Kollege Dönmez gemeint. Es ist nicht darum gegangen, dass er


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 140

gemeint hat, die Schwarzarbeit ist gut, sondern er hat die Ursachen dafür erklärt, warum es Schwarzarbeit gibt. Und das ist ... (Staatssekretär Danninger: Er recht­fertigt ...!) – Er hat es nicht gerechtfertigt! (Staatssekretär Danninger:  ... eine Verant­wortung!) – Ja, aber auch Sie haben eine Verantwortung.

Und wenn Sie schon von einer Partei sind, die sich die Partei der Leistung nennt und die sich für Leistung ausspricht, dann müssen Sie darauf schauen, dass man den Faktor Arbeit nicht so hoch besteuert, sondern Vermögen mehr besteuert. So einfach ist das. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Frau Präsidentin Zwazl gemeldet. – Bitte.

 


16.52.47

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Ich finde es ganz einfach nicht fair, wenn man eine Berufsgruppe in das Eck stellt, dass sie ihre Leute nicht anmeldet. Gerade wir von der Wirtschaft sind für fairen Wettbewerb, wir sind dafür, dass jeder seine Leute anmeldet und entsprechend bezahlt. Wir brauchen unsere Kunden.

Und das muss ich dir (in Richtung Bundesrat Dönmez) schon sagen: Unsere Gast­ronomie ist eine Berufsgruppe, die extrem kontrolliert wird, und das sind meine Vorwürfe, die ich erst vor Kurzem auch ans Finanzministerium gerichtet habe. Wir haben den Arbeitsinspektor, der kommt und schaut sich die Arbeitszeitaufzeichnungen an, auch bei einem Ehepaar. Wir haben sehr viele kleine Gasthäuser, wo er und sie arbeiten, und wenn sie oder er im Betrieb angestellt ist, müssen auch für den Mitunternehmer und die Mitunternehmerin Arbeitszeitaufzeichnungen da sein.

Wir hatten zum Beispiel einen Fall in Amstetten, wo eine 72-jährige Mutter ihrer Tochter am Sonntag in der Gastronomie ausgeholfen hat. Die Finanzpolizei ist gekom­men, und die Firma hat 1 300 € Strafe gekriegt wegen Schwarzarbeit. Da muss man nämlich in der Früh einen Zettel unterschreiben, wo draufsteht: Ich arbeite unentgeltlich und bekomme weder Speis noch Trank. – Da habe ich mich mit dem Finanz­minis­terium in Verbindung gesetzt, weil ich gesagt habe, da muss man schon mit Augenmaß vorgehen!

Und gerade die Gastronomie wird durchaus stark kontrolliert, und die Gastronomie meldet die Leute an.

Ein anderes Beispiel: In Niederösterreich haben wir nicht sehr viele Wintersportorte, aber bei uns gibt es Annaberg, und die Mönichkirchner Schwaig ist kontrolliert worden. Ob dort jetzt 60 Finanzpolizisten waren oder 80 oder 100 wie in Annaberg, kann ich nicht sagen, weil ich nicht dabei war, aber da gibt es starke Kontrollen.

Bitte sagt nicht immer von einer Berufsgruppe, dass sie die Leute schwarz arbeiten lässt, dass sie sie nicht richtig anmeldet! Wir werden kontrolliert, und ich trete ein für Kontrollen, aber Kontrollen mit Augenmaß, und nicht, dass immer wieder gestraft wird.

Und eines mag ich schon gar nicht: dass man unseren Betrieben unterstellt, dass sie schwarz arbeiten. Das tun wir nicht, denn woher käme dann das ungeheure Steuer­aufkommen? Und denken Sie einmal zurück: Wie war es denn 2008/2009 in der Finanzkrise? Woher ist denn das Steueraufkommen gekommen? – Gerade von den Klein- und Mittelbetrieben! Also das lasse ich meinen Betrieben nicht unterstellen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

16.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 141

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.55.4111. Punkt

EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen (III-516-BR/2014 d.B. sowie 9158/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Winkler. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.55.50

Berichterstatterin Ingrid Winkler: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über die EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, die EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen (III-516-BR/2014 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche um Zustimmung.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Zu Wort gelangt als Erster der Herr Staatssekretär. – Bitte.

 


16.56.39

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Jochen Danninger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Mittelpunkt des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission stehen vor allem Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung sowie zur weiteren Stärkung der finanz- und wirtschaftspolitischen Koordination. In der Eurogruppe beziehungsweise im ECOFIN-Rat wurden daher von Rat und Kommission folgende sechs Schwerpunkte für das erste Halbjahr 2014 gesetzt:

Erstens: die Bankenunion. – Mit dem Abschluss der Verhandlungen zum einheitlichen Abwicklungsmechanismus Ende März wurde ein wichtiger weiterer Schritt zur Verwirklichung der Bankunion gesetzt. Der Rechtsrahmen für den einheitlichen Abwick­lungsmechanismus wird in eine Verordnung und einen zwischenstaatlichen Vertrag aufgeteilt werden und soll bis Anfang Mai umgesetzt werden.

Mit 1. November wird die EZB die operative Aufsichtstätigkeit über rund 130 Banken übernehmen. In Bezug auf die Reform der Finanzmarktregulierung und -aufsicht haben die Überarbeitung der dritten Geldwäscherichtlinie, der Zahlungsdiensterichtlinie sowie die Zahlungskontorichtlinie und die Verordnung zum Benchmarking Vorrang. Kernstück des Vorschlags zur Regulierung der Finanzmärkte ist ein Verbot des Eigenhandels, wenn eine Bank gewisse Größenkriterien erfüllt.


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Zweitens: das Europäische Semester. –  Sie alle wissen, dass das Europäische Semester im Jahr 2014 bereits zum vierten Mal durchgeführt wird. Die wirtschafts­politischen Schwerpunkte liegen auch weiterhin auf Wachstum, Beschäftigung, stabilen öffentlichen Finanzen, einer modernen Verwaltung und der Finanzierung der Realwirt­schaft.

Neben der konsequenten Umsetzung der neuen Governance-Regeln müssen wachs­tums- und beschäftigungsfördernde Impulse vor allem durch bessere Prioritätenset­zungen und Effizienzsteigerungen erreicht werden. Das BMF wird das Update zum Stabilitätsprogramm Ende April an die Europäische Kommission übermitteln, und die länderspezifischen Empfehlungen der Europäischen Kommission werden dann Ende Mai beziehungsweise Anfang Juni erwartet. 

Ein weiteres Schwerpunktthema auf europäischer Ebene ist die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Im letzten Jahr wurde die Diskussion vor allem in zwei Bereichen vorangetrieben: Zum einen sollen die Mitgliedstaaten große Reform­vorhaben bereits im Vorhinein koordinieren, um mögliche Übertragungseffekte adäquat beurteilen und darauf reagieren zu können, zum anderen sollen die Durchführbarkeit und Modalitäten von vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union geprüft werden. Selbiges gilt für mögliche Solidaritätsmecha­nis­men. – Der Europäische Rat soll bei seiner Tagung im Oktober 2014 diesbezügliche Entscheidungen treffen.

Der vierte Schwerpunkt ist die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für die Realwirtschaft. Wir alle wissen, dass durch die Wirtschafts- und Finanzkrise die Fähigkeit, Mittel in die Realwirtschaft zu leiten, stark beeinträchtigt wurde. Die Euro­päische Kommission hat dazu Ende März eine Kommunikation vorgelegt, in der eine Reihe konkreter Maßnahmen vorgeschlagen werden, um eben genau diesem Problem entgegentreten zu können.

Im Mittelpunkt stehen dabei die Mobilisierung privater Mittel für langfristige Finan­zierung, die bessere Nutzung öffentlicher Mittel, die Entwicklung der Kapitalmärkte, die Verbesserung des Finanzierungszugangs für KMU, die Mobilisierung privater Finanz­mittel für die Infrastruktur und die Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen für nachhaltige Finanzierung.

Der fünfte Schwerpunkt ist die Stärkung der Koordination in Steuerfragen. Im steuer­lichen Bereich sollen weiterhin die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuer­betrug im Mittelpunkt der Arbeiten stehen. Wichtige Projekte sind dabei die Änderung der Zinsenrichtlinie sowie die Amtshilferichtlinie.

Im Zusammenhang mit der Finanztransaktionssteuer haben zuletzt mehrere informelle Treffen am Rande der Tagungen des ECOFIN-Rates stattgefunden, und dabei ist es gelungen, in wichtigen Fragen Annäherungen zu erzielen. Sie wissen, dass Österreich gerade in diesem Bereich eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Wir sind das Koordi­nationsland für die elf Mitgliedsländer, die im Rahmen einer verstärkten Zusammen­arbeit schneller etwas zustande bringen wollen, und wir werden dieses Instrument, die Finanztransaktionssteuer, auch weiterhin mit großem Engagement verfolgen.

Der sechste Schwerpunkt ist die gemeinsame Außenvertretung. Im internationalen Bereich wird weiterhin die Umsetzung des Reformprozesses im Rahmen der G20 sowie des Internationalen Währungsfonds im Vordergrund stehen.

Wichtige Themen sind dabei die Sicherstellung einer nachhaltigen globalen Wirt­schafts­entwicklung, die Reform der internationalen Finanzarchitektur, die Finanzierung von Investitionen, die Stärkung der Finanzmarktregulierung sowie Steuerthemen, Stich-


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wort: automatischer Informationsaustausch, sowie die Vermeidung von Steuerum­gehung.

Abschließend erlauben Sie mir eine Bemerkung zum aktuellen Krisenmanagement. Durch die Reformen der letzten Jahre konnten in der Eurozone zwischenzeitlich deutliche Stabilisierungsfortschritte erzielt werden. Mit Irland und Spanien konnten inzwischen zwei Unterstützungsprogramme in der Eurozone zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, und in beiden Mitgliedsländern gibt es jetzt ein Über­wachungsprogramm, wo man eben schaut, dass das in Zukunft nicht mehr passiert.

In Portugal und Zypern ist die Umsetzung der Programme bisher ebenfalls nach Plan verlaufen, und Ende März konnte auch eine Einigung zwischen den griechischen Behörden und der Troika erzielt werden, womit die inzwischen vierte Prüfungsmission des derzeit laufenden Programms in Griechenland abgeschlossen werden konnte.

Zusammengefasst: sehr positive Entwicklungen, die uns Hoffnung geben und die bestätigen, dass wir richtige Maßnahmen zur Überwindung der Krise gesetzt haben beziehungsweise setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Füller.)

17.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pisec. – Bitte.

 


17.03.37

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese EU-Vorschau besteht aus zwei Textteilen, einem von der Europäischen Kommission und einem vom österreichischen Finanzministerium. Ich glaube, Sie, Herr Staatssekretär, haben jetzt, wenn ich das sagen darf, den Teil der Europäischen Kommission reflektiert. Mir gefällt aber der österreichische Teil vom Bundesministerium für Finan­zen, ehrlich gesagt, besser. Er ist gut formuliert. Er ist schlüssig. Da haben Ihre Mit­arbeiter gute Arbeit geleistet. Ich gratuliere! Das kann man ruhig zwei- bis dreimal lesen, der ist germanistisch gut gelungen, das ist bei den österreichischen Bundes­regierungen nicht immer so. Also meine Gratulation in diesem Sinne!

Der Grund dafür, dass wir diesen Text aber trotzdem ablehnen müssen, ist, dass mir Teil zwei fehlt, und dieser interessiert einen Praktiker, dieser interessiert einen Unter­nehmer mehr als Theorien, da geht es um die Umsetzung, den ordnungspolitischen Rahmen, damit man jene Zielsetzungen, die Sie gerade genannt haben und die in der EU-Jahresvorschau stehen, auch erreicht.

Ganz kurz, bevor ich auf die Punkte eingehen darf, die hier genannt werden (Zwischenruf des Bundesrates Mayer): Ein amerikanischer Diplomat hat anlässlich der Diskussion des Freihandelsabkommens zwischen Amerika und Europa gesagt, dass drei Viertel aller Zielsetzungen der EU ohnehin nicht erreicht werden. – Man sollte sich daher, lieber Kollege Mayer, einmal die Umsetzung anschauen, nämlich wie der ordnungspolitische Rahmen hier in Österreich aussieht. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Das interessiert mich, nicht irgendwelche theoretischen Konstrukte, die überhaupt nicht halten und ohnehin nie realisiert werden.

Ich habe mir erlaubt, drei Themen herauszugreifen: erstens den Finanzierungszugang für KMU. Das ist wichtig! Wir Unternehmer brauchen Arbeitskapital, wir brauchen Working Capital, damit wir Beschäftigung schaffen können, damit wir entsprechende Umsätze generieren können und damit wir zur Konjunkturbelebung beitragen können. Das interessiert mich! Das interessiert einen Unternehmer, das interessiert die KMU Österreichs!


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Zweitens: die Bekämpfung der Schattenwirtschaft.

Und drittens – nur noch ganz kurz zum Schluss –: die Bankenunion.

Den Finanzierungszugang für KMU hat die EU-Kommission zu Recht – zu Recht! – an die erste Stelle gesetzt, denn seit der Krise, seit der Bankrotterklärung von Lehman Brothers ist die Finanzierung, ist die Kreditvergabe an österreichische Betriebe stark rückläufig, von Jahr zu Jahr. Die Wirtschaft leidet, wenn sie kein Geld erhält, wenn sie sich nicht selbst finanzieren kann; durch diese externe Finanzierung ist das nicht möglich.

Es gibt zwei Arten der Finanzierung, in erster Linie – und das ist in Österreich das Hauptthema – die Kreditfinanzierung, die Bankenfinanzierung, die wir benötigen.

Das bedeutet, wir brauchen auch in Österreich, sehr geehrter Herr Staatssekretär, eine gesunde Bankenlandschaft. Die Banken kann man kritisieren, in vielfacher Hinsicht, aber Faktum ist, wir brauchen eine stabile Bankenlandschaft.

Das Zweite – und das fehlt mir hier im Bericht, das darf ich schon auch zum theoretischen Teil kritisch anmerken – ist die Kapitalmarktfinanzierung. Es gibt Venture Capital, es gibt Private Equity, es gibt aber vor allem auch die Börse. Es gibt Anleihen, es gibt Unternehmensanleihen. Es gibt Eigenkapital. Man kann aber auch Aktien platzieren, und das ist die Finanzierung, die 50 bis 60 Prozent der amerikanischen Firmen requirieren. Man wird auch unabhängiger von Banken, wenn man sich diese Kapitalmarktfinanzierung anschaut und entsprechend vorgeht. Und auch das gehört, ob man es will oder nicht, zur Volkswirtschaft eines Landes, auch diese Großbetriebe, denn diese Großbetriebe generieren ja auch viele Kleinstunternehmen, die an diesen Großbetrieben „hängen“ und auch von diesen abhängen. Das gehört auch dazu.

Also mein Appell: Bitte kümmern Sie sich um die Wiener Börse, kümmern Sie sich auch um die Kapitalmarktfinanzierung, die Finanzwirtschaft, sodass das wieder ins Rennen kommt!

Der Grund dafür, dass die Finanzierung der KMU so in Schieflage geraten ist – und das weiß die EU-Kommission sehr wohl –, ist die Staatsverschuldung, die extrem hohe Staatsverschuldung, die ja durch Staatsanleihen refinanziert wird und auch noch durch dieses Basel-III-Abkommen begünstigt wird, das jetzt alle Banken betrifft. Denn: Das Basel-III-Abkommen sieht ja die Eigenkapitalhinterlegung vor, die ist zwingend vorgeschrieben, ist auch richtig so, aber die Staatsanleihen sind ausgenommen. Das geht nicht! Und das wird auch zu Recht von deutscher Seite immer stärker kritisiert. Durch diese leidige Staatsfinanzierung, die eine Schieflage für die Privatwirtschaft bewirkt, werden die Unternehmenskredite verdrängt. Die Staatsverschuldung gehört dringend reduziert.

Aber diese Schieflage kann nur dann behoben werden, wenn Sie diese endlose, beschämende, wenn ich das so sagen darf, Staatsverschuldung endlich in den Griff bekommen! Ich brauche jetzt keine Zahlen zu nennen, Sie kennen sie ohnehin. Die Bundesregierung produziert von Jahr zu Jahr mehr Staatsverschuldung, und das ist die kausale Ursache für die Kreditklemme in Österreich. Und solange man das nicht in den Griff bekommt, so lange wird die Kreditvergabe nicht funktionieren. Das ist ein nachgewiesener kausaler Zusammenhang.

Zweitens: die Bekämpfung der Schattenwirtschaft. – Der Handwerkerbonus war auch deswegen so interessant, weil das den Placebo-Effekt herausarbeitet, nämlich wie man in Österreich mit der Schattenwirtschaft umgeht und wie man diese allen Ernstes bekämpfen möchte.


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Kollege Poglitsch war, glaube ich, mit mir im Finanzausschuss. Daher müsste er gehört haben, dass das Argument dafür, dass für den Handwerkerbonus diese Förderung und nicht der Absetzbetrag gekommen ist, nicht die Armut ist – ein Armer kann sich eine offizielle Handwerkerrechnung in der Höhe von 3 000 € im Jahr ohnehin nicht leisten, das ist irreal –, sondern, dass das Finanzministerium genau 30 Millionen € zur Verfü­gung stellen möchte, keinen einzigen Euro mehr. Sie gönnen den Handwerksbetrie­ben, den Privaten in Österreich keinen Euro mehr! Sie gönnen uns genau 30 Mil­lionen €! (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Aber bei der Lohnsteuer hatte das Finanzministerium 2013 zusätzlich 2 Milliarden €, die es an zusätzlicher Lohnsteuer generierte, und davon zahlt es uns keinen einzigen Euro zurück! Es ist Ihnen recht, wenn da immer mehr Geld hereinkommt, um 2 Milliarden € mehr, aber bei den 30 Millionen € feilschen Sie um jeden Euro. Und das ist der wahre Grund dafür – und dieser wurde auch zu Recht vom Finanzministerium gesagt –, dass es Förderungen gibt und keinen Absetzbetrag. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Himmer.)

So kann man die Schattenwirtschaft nicht bekämpfen, was jedoch zu Recht – und daher ist auch der Text gut – als oberste Prämisse für hier in Österreich genannt wird. Sie haben es ja schon eingangs gesagt, ich glaube, 20 Milliarden € macht die Schattenwirtschaft in Österreich aus. Wir werden sie bekämpfen, aber sicherlich nicht mit diesem – Entschuldigung – ulkigen Modell des Handwerkerbonus – diese Regelung ist völlig danebengegangen –, sondern nur durch Senkung der Lohnzusatzkosten, der Lohnnebenkosten, der Abgaben, der gesamten Gebühren. Dann erzielen Sie einen Beschäftigungseffekt! (Beifall bei der FPÖ.)

Da heute sehr viel über Europa geredet wurde – man traut sich ja gar nicht mehr über Österreich zu sprechen –: In Europa ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch als in den USA. Doppelt so hoch!

Und was hat Europa dagegen gemacht, was ist das Ergebnis? – Da darf ich gleich zum nächsten Punkt kommen: Diese Bankenunion soll jetzt das Ergebnis liefern, dass Europa wieder in die Reihe kommt, dass Europa vorwärtskommt.

Es soll endlich das von uns Freiheitlichen lange geforderte Abwicklungsgesetz für Banken kommen. Ein solches gibt es in den USA durch den Dodd-Frank Act schon seit 2010. Genau diese fünf Jahre – das ist ein Supervergleich – ist die Europäische Union permanent hintennach. Das ist aber nicht die Schuld der Länder. Man sagt immer, die Nationen oder die Länder seien so schlecht, aber das stimmt ja nicht. In Deutschland gibt es nämlich schon längst ein Abwicklungsgesetz, in der Schweiz gibt es das schon seit 2011. Aber die Europäische Union bringt das nicht zusammen – und Österreich schon gar nicht! Wir hoffen immer, die Bundesregierung hofft immer, dass alles Gute von der Europäischen Kommission kommt. In diesem Fall ist das aber leider nicht so.

Zusammengefasst: Die Probleme sind richtig erkannt worden, dazu muss man dem Finanzministerium gratulieren, in der zweiten und dritten Reihe. Aber die erste Reihe, sprich: die Regierung, kann das offensichtlich nicht umsetzen, denn der ordnungs­politische Rahmen fehlt und die Praxis zeigt, dass in Österreich die Situation schlechter wird statt besser; siehe Staatsverschuldung, siehe Arbeitslosigkeit! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

17.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 146

17.12.26

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme: Efgani Dönmez – er ist leider wieder nicht im Saal, er war den ganzen Vormittag über nicht hier, das war heute seine erste Rede, und auch da wäre besser gewesen: Si tacuisses, philosophus mansisses!

Ich denke, es war in erster Linie eine Unterstellung – wir werden zu einem anderen Zeitpunkt darauf eingehen müssen.

Ich möchte nur sagen, es hat mich auch erschüttert, dass die Kollegen der SPÖ Herrn Kollegen Schreuder applaudiert haben, als er die Schwarzarbeit in Österreich verteidigt hat. (Bundesrat Taucher: Bei der Vermögensteuer!) Das kann ja nur aus dem Unternehmerbild der Roten und Grünen resultieren: auf der einen Seite die braven Arbeitnehmer und auf der anderen Seite die kriminellen Unternehmer. Das ist ja das klassenkämpferische Bild (Zwischenruf des Bundesrates Füller), das wir vor allem in Wahlkämpfen immer sehen. (Bundesrat Füller: Das unterstellt jetzt kein Mensch!)

Ich möchte nur eine Frage stellen und dann bin ich mit den Grünen schon fertig: Wer von euch vier Bundesräten hat einen Arbeitsplatz geschaffen, einen Arbeitsplatz, für den man jeden Monat Lohn zahlt und die Abgaben bezahlt? Wer von euch hat einen Arbeitsplatz geschaffen? – Ich glaube, von den vier Bundesräten gar niemand, oder? Frau Kollegin, hast du einen Arbeitsplatz geschaffen? Hast du eine Mitarbeiterin, die du selbst bezahlst (Zwischenruf der Bundesrätin Schreyer), 14-mal im Jahr? Dann könntet ihr Grünen vielleicht über diese Dinge, über Anmeldung und so weiter sprechen.

Ich habe in meinem Betrieb sieben Mitarbeiter und habe zwei Überprüfungen gehabt, KIAB und Finanzpolizei mit drei Polizisten an den Ausgängen, damit ja niemand flüchten kann. Und wenn ich ein Zimmermädchen eine Stunde zu spät angemeldet habe, habe ich die volle Strafe von 3 000 € angedroht bekommen. Das ist die Krimi­nalisierung des Unternehmers in Österreich, vor allem des kleinen und mittleren Unternehmers, denn bei den Großen, bei Billa und sonst wo, da traut man sich ohnehin nicht. Da schweigt auch die Gewerkschaft!

Da geht es um uns, die KMUs, und wir lassen es uns sicher nicht gefallen, dass gesagt wird, dass wir eine Schwarzbranche sind – von dir nicht, Efgani, und von den Grünen sowieso nicht. Das war eine Unterstellung.

Damit komme ich zum eigentlichen Thema. Kollege Pisec hat schon einige Dinge angesprochen, und der Herr Staatssekretär hat bereits die österreichische Position vertreten. Übrigens, der Herr Staatssekretär ist per Gesetz verpflichtet, über das Steueraufkommen in Österreich und die entsprechenden Voraussetzungen zu wachen, dass das Steueraufkommen gleichmäßig und gerecht verteilt wird, aber auch darauf zu schauen, dass Steuerhinterziehung hintangehalten wird.

Ihren Applaus für die Grünen werden wir uns merken, Kollegen von der SPÖ. Das werden wir uns lange merken, da können Sie sicher sein! (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Brückl. – Bundesrat Taucher: So zart besaitet ein Obersteirer?!)

Es hat vor zwei Sitzungen schon einen anderen Anlassfall gegeben, da ist die SPÖ mit einem Entschließungsantrag der FPÖ mitgegangen, bei der Polizeistrukturreform. Da haben zwei Bundesräte von euch und die zukünftige Präsidentin Blatnik mit der FPÖ mitgestimmt, das haben wir uns auch schon gemerkt. Das möchte ich nur sagen. (Bundesrat Taucher: Sind Sie jetzt eine Moralpolizei aus der Steiermark? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich möchte jetzt an die Ausführungen des Kollegen Pisec anschließen, der die Bankenunion, die Abwicklungsgesellschaft und die Aufsichtsregelung kritisch hinter­fragt hat. Ich glaube, dass das durchaus ein erster Schritt in die richtige Richtung ist. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, die größten 130 Banken in Europa stehen in Zukunft unter Aufsicht. In Österreich betrifft das fünf Banken: die BAWAG P.S.K., die RZB, die Raiffeisen Bank International, die Erste Group und die ÖVAG. Die system­relevanten Banken, die 85 Prozent der Bankenaktiva in Europa vertreten, werden zukünftig zumindest beobachtet, damit große Fälle, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, präventiv, im Ansatz verhindert werden.

Dieses Programm enthält auch, das ist in meinen Augen wichtig, Finanzierungsmodelle für KMUs – das hat Kollege Pisec ebenfalls erwähnt – durch die Europäische Investitionsbank. Ich selbst habe in meiner Region zwei Projekte mitorganisiert, bei denen wir über die Europäische Investitionsbank doch zu einem sehr günstigen Zinssatz gekommen sind, sodass wir die Projekte verwirklichen konnten.

Die Maßnahmen des Europäischen Semesters werden weitergeführt. Das ist das vierte Europäische Semester. Also die Maßnahmen Two-Pack und Six-Pack werden weitergeführt. Dadurch werden auch in eventuellen Krisenstaaten die Budgets, die Jahreswachstumsberichte und so weiter bis Juni vorgelegt, von der Europäischen Kommission evaluiert und dann natürlich den Nationalstaaten die erforderlichen Maß­nahmen empfohlen.

Der Fiskalpakt ist ebenfalls eine Maßnahme, um unsere zukünftigen Budgetplanungen auf europäischer Ebene in den Griff zu bekommen. Die ersten Erfolge stellen sich Gott sei Dank ein. Von 2010 bis 2013 ist in der Eurozone das nominelle Defizit von 6 Prozent auf 3 Prozent gesunken, Gott sei Dank. Österreich wird ja mit seinem Budget im heurigen Jahr ebenfalls wieder nahe an 3 Prozent herankommen, leider, durch das von Kärnten verursachte Hypo-Desaster. Und die Schuldenquote hat mit 96 Prozent 2014 hoffentlich ihren Höhepunkt erreicht; ebenso die durchschnittliche Schuldenquote des BIP auf europäischer Ebene. Die Prognosen besagen eigentlich, dass ab 2015 auch diese exorbitant hohe Schuldenquote wieder sinken könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht beweist, dass die Maßnahmen der letzten Jahre zu fruchten beginnen – der Herr Staatssekretär hat es schon erwähnt, die ersten Erfolge in den Krisenländern stellen sich ein. Ich denke, wenn wir uns bemühen, auch in Österreich. Trotz erschwerter Umstände sind wir auf einem guten Weg, die entsprechenden Maßnahmen auch in Österreich umzusetzen und vorsichtig, sorgfältig zu budgetieren, auch wenn es immer das größte Ziel sein wird, nicht nur das Budget in Ordnung zu bringen, sondern auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Ich glaube, in diesem Sinne sind wir auf einem guten Weg. Wir nehmen den Bericht natürlich zur Kenntnis und stimmen gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Füller und Taucher. – Bundesrat Taucher: Wir klatschen auch! Wir haben auch geklatscht, dass du es dir merkst!)

17.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


17.19.29

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Kollege Perhab! Zum einen möchte ich nicht wiederholen, was ich vorhin gesagt habe, denn Sie haben offensichtlich nicht zugehört.

Zum anderen kann ich Ihnen nur erzählen, gerade zufällig gestern kommt ein junger Mann zu mir und sagt: Marco, kannst du mir helfen, was soll ich tun? Ich bin in einem


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 148

Hotel als Tellerwäscher angestellt – übrigens ein Doktor der Veterinärmedizin aus Timișoara –, ich arbeite 50 Stunden die Woche, und angemeldet haben sie mich für zehn Stunden. Okay, ein Einzelfall. (Bundesrat Dörfler: Kein Einzelfall!) Aber es ist vermutlich kein Einzelfall. (Bundesrätin Zwazl: Marco, bitte, wenn so etwas vorkommt, jetzt noch einmal, als Vertreterin der Wirtschaft sage ich dir jetzt: Wir stehen hinter dem nicht!) – Die Fernsehzuschauer bekommen nichts mit. (Bundesrätin Zwazl: Das ist egal, aber jetzt sage ich es dir: Dann bitte, dann gehört das ganz einfach aufgezeigt! Aber tut’s nicht immer alle in einen Topf werfen!)

Ich habe nicht alle in einen Topf geworfen. Ich habe einen Einzelfall dargestellt, und ich habe es auch extra Einzelfall genannt. (Bundesrat Kneifel: Aber jeder ist verdächtig!) Das ist exemplarisch, und wir werden das schon zur Anzeige bringen, kein Problem. Aber ich will nur sagen: So etwas kommt vor, und zwar öfter, als wir alle glauben. Und jetzt einfach wie die drei Affen nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu sagen, das bringt einfach nichts. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Herr Kollege Perhab, Ihr Demokratieverständnis hat mich jetzt auch ordentlich erschüttert: Wenn Sie den Bundesräten der SPÖ vorwerfen, dass sie applaudieren, weil ich gesagt habe, dass man Arbeit weniger besteuern soll und Vermögen mehr, dann frage ich mich, auf welchem Planeten Sie leben, dass Sie nicht wissen, dass die SPÖ für Vermögensteuern ist. So eine Überraschung aber auch! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ. Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Dass Sie kritisieren, dass zwei SPÖ-Bundesräte bei der letzten Bundesratssitzung – so wie auch wir im Übrigen – bei dem FPÖ-Antrag unterschiedlich abgestimmt haben, in dem es um das Schließen von Polizeiwachen gegangen ist, ist für mich auch nicht nachvollziehbar.

Sie wollen ja den Klubzwang offensichtlich wichtiger werten als das freie Wissen und Gewissen eines Abgeordneten. Das nehme ich jetzt einmal zur Kenntnis. Des Weiteren möchte ich Sie daran erinnern, dass es auch ÖVP-Abgeordnete in diesem Haus gab, die zum Beispiel bei dem Antrag, dass ein Wirtschaftsministerium und ein Wissen­schaftsministerium nicht in einem Haus sein sollen, unterschiedlich abgestimmt haben. (Ruf bei der ÖVP: Im Nationalrat!) Nein, hier im Bundesrat. (Bundesrat Himmer: Also gibt es jetzt einen Klubzwang oder nicht?) – Nein, nein – Sie waren ja jetzt nicht hier –, Ihr Kollege hat gerade kritisiert und gesagt, er werde sich das merken – wir haben jetzt alle wahnsinnige Angst! –, dass zwei Bundesräte der SPÖ anders abgestimmt haben als der Rest. So viel zum Demokratieverständnis.

Und jetzt kommen wir zu dem Bericht, zum eigentlichen Thema unserer Diskussion. Normalerweise handhaben wir Grüne es ja so: Berichten stimmen wir immer zu, wenn wir finden, dass ein Bericht gut ist, und kritisieren in unseren Reden, was uns inhaltlich nicht gefällt, so auf der politischen Ebene.

Heute muss ich es leider umdrehen: Wir können diesem Bericht nicht zustimmen, obwohl ich mich dafür bedanke und er viel Arbeit gewesen ist, dessen bin ich mir bewusst. Ich möchte auch begründen, warum. In allen Berichten, die wir heute diskutieren, steht bei allen EU-Vorhaben dabei, was die Haltung der österreichischen Bundesregierung dazu ist. In diesem Bericht jedoch nicht.

Wir erfahren die Vorhaben, aber wir wissen und erfahren nicht, wie die österreichische Bundesregierung zu den einzelnen Kapiteln steht, und das macht diesen Bericht einfach lückenhaft. Das macht diesen Bericht nicht zu dem Bericht, den wir uns erwarten, und deswegen können wir diesem Bericht leider nicht zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 149

Nichtsdestotrotz möchte ich jetzt einmal das Positive hervorheben. Also, wie gesagt, ich drehe es jetzt um, denn sonst machen wir es bei den Berichten genau umgekehrt.

Zur Bankenunion: Was hätten wir doch daran gehabt, wenn es diese Bankenunion schon vor einigen Jahren gegeben hätte! Wenn damals schon klar gewesen wäre, dass bei jeder Bankenpleite zuerst einmal die Gläubiger mitfinanzieren müssen, bevor die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen drankommen! Für die Hypo Alpe-Adria kommt diese Bankenunion leider zu spät.

Aber grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen, dass zuerst – so wie bei allen Pleiten sonst ja auch – die Gläubiger drankommen, wenn ein Unternehmen – und schluss­endlich reden wir ja von Unternehmen – pleitegeht.

Was wir allerdings schon auch bedauern, ist, dass ein wesentliches Element, das uns immer sehr wichtig war, in dieser Bankenunion nicht enthalten ist – das ist aber zum Beispiel etwas, das man durchaus auch nationalstaatlich regeln kann; Großbritannien hat das sehr wohl im nationalen Recht drinnen –, dass man nämlich auch die Banken verpflichtet, den Bereich, der pleitegehen kann, von dem Bereich, der sozusagen systemimmanent ist, zu trennen, damit der spekulative Bereich auch pleitegehen kann, wenn eine Bank pleitegeht, was für die Realwirtschaft, für die Menschen, die Kredite haben, wichtig ist. Das ist in dieser Bankunion leider nicht drinnen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das muss sowieso ein eigener Sektor sein! Das gehört sowieso getrennt!)

Das wäre allerdings aus unserer Sicht bei der Bankenunion ganz wichtig gewesen. Schade, dass das nicht gekommen ist, aber grundsätzlich – das muss man schon auch sagen – ist es natürlich ein Schritt vorwärts, wenn auch jetzt im Fall Hypo Alpe-Adria zu spät.

Zur Zusammenarbeit in Steuerfragen: Wir haben das hier schon so oft diskutiert, dass ich jetzt auch gar nicht mehr lange darüber reden möchte. Es waren ja Luxemburg und Österreich – das muss man auch ganz offen und direkt sagen – die großen Bremser, wenn es darum gegangen ist, Steuerhinterziehung zu verhindern.

Österreich und Luxemburg wollten keinen Datenaustausch, Österreich und Luxemburg wollten keine Zusammenarbeit, Österreich und Luxemburg waren diesbezüglich wirklich die großen Problemkinder der Europäischen Union.

Argumentiert wurde das dann immer mit diesem Sparbuch der Oma, um das es natürlich nie gegangen ist. Das war Populismus aus dem letzten Wahlkampf, den ich dem Herrn Finanzminister nicht wirklich verzeihen kann. Das war wirklich unterste Schublade. Es ist immer um den Datenaustausch bei Steuerhinterziehung gegangen. Wir freuen uns – das ist jetzt das Positive –, dass spät, aber doch Einsicht eingekehrt ist, dass Steuerhinterziehung zu verhindern ist, dass der Datenaustausch innerhalb einer Einheit wie der Europäischen Union einfach erfolgen muss, weil man auf die Milliarden und Abermilliarden schlussendlich wirklich nicht verzichten kann.

Das heißt, da drinnen stehen viele gute Dinge, viele Dinge, die man mehr hätte machen können, viele Sachen, die wir auch kritisch sehen. Meine dringende Bitte bleibt: Bitte nächstes Jahr im Finanzbericht für die EU-Jahresvorschau 2015 dann immer auch die Haltung der österreichischen Bundesregierung mit hineinzuschreiben, weil das ja im Grunde auch das ist, was wir hier diskutieren, und diese Basis fehlt einfach. Danke schön. (Beifall bei den Grünen. Bundesrat Taucher: Ich trau mich nicht mehr klatschen! Heiterkeit bei der SPÖ.)

17.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 150

17.27.33

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Perhab, ich habe dich bis dato für stabiler und seelisch ausgeglichener gehalten, als du es offensichtlich bist. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Niemand hat, glaube ich, wirklich gehört, dass Kollege Dönmez irgendwie versucht hätte, Schwarzarbeit gutzuheißen oder in ein positives Licht zu rücken. Ich glaube, das ist jetzt in der Diskussion mehr oder weniger einfach so herausgebrochen. Und es hat auch niemand von unserer Fraktion jemals jemandem einen Vorwurf gemacht, dass Herr Abgeordneter Töchterle beim Bundesministeriengesetz dagegen gestimmt hat.

Da braucht man jetzt kein Drama aus dieser Sache zu machen. Ich möchte versuchen, diese Debatte jetzt wieder ein bisschen herunterzubringen.

Im Rahmen der EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogrammes des ECOFIN-Rates möchte ich folgende Punkt kurz skizzieren.

Die Kommission beabsichtigt in ihrem Jahresprogramm zum einen etwa die Förderung von Wachstum und Beschäftigung in Europa, wie es heute bereits angesprochen wurde, und zwar mit dem Fokus auf bisher Erreichtes und auf bisher erzielte Fort­schritte sowie auch auf Mitgliedstaaten, die in den letzten Jahren dem größten Druck ausgesetzt waren.

Außerdem ist ein weiterer Schwerpunkt in Richtung Verbesserung der Finanzierung für die Realwirtschaft geplant.

Eine wesentliche Voraussetzung im Hinblick auf Wachstum und Beschäftigung ist ferner die Wiederherstellung einer voll funktionierenden Finanzierung für die Real­wirtschaft. Im Großen und Ganzen sind das natürlich Vorhaben, die an und für sich unterstützenswert sind und die wir auch gerne unterstützen werden.

Neben der traditionellen Kreditversicherung durch den Bankensektor geht es dabei aber auch um die Erschließung längerfristiger Finanzierungsinstrumente sowie um die bessere Verknüpfung unterschiedlicher Finanzierungsquellen.

Ich denke, dass gerade die hier laufenden Maßnahmen der Europäischen Investitions­bank zur Verbesserung des Zuganges für kleine und mittlere Unternehmen zu Finanzmitteln sehr hilfreich sein können und werden.

Ein weiteres zentrales Thema im Bericht bleibt die weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion wie zum Beispiel durch die Errichtung einer Bankenunion.

Im steuerlichen Bereich sollen weiterhin die Bekämpfung von Schwarzarbeit, Steuer­betrug und Steuerhinterziehung im Mittelpunkt dieses Programms stehen.

Als Bürger, als Steuerzahler dieses Landes und auch als Pro-Europäer gehen mir die Anstrengungen hin zu einer wirklich EU-weiten Finanztransaktionssteuer im Großen und Ganzen noch zu wenig schnell voran. Es ist zu wenig Energie, die dahintersteckt. Wir wären froh, wenn es gelingen würde, da im nächsten Jahr wesentlich weiter­zukommen. Leider findet sich dieses wichtige Vorhaben nur mit einer Absichts­erklä­rung wieder, und da hätte ich es gerne gehabt beziehungsweise mir erwartet, dass wir dazu vielleicht noch mehr erfahren hätten können.

Ich hoffe, dass letztendlich auch die Wahl zum EU-Parlament eine Art Richtungs­entscheidung bringen wird, da es ja durch den Lissabon-Vertrag so sein wird, dass der Europäische Rat auch das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen muss, wenn es zur Bestellung des Kommissionspräsidenten kommen soll.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 151

Ohne polemisch zu werden, glaube ich, kann man auch hier sagen, dass Martin Schulz ein guter Kandidat für diesen Posten sein wird und auch sehr geeignet und qualifiziert wäre. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber auch das Arbeitsprogramm des ECOFIN-Rates deckt sich im Großen und Ganzen mit den Vorhaben der Europäischen Kommission. Sie, Herr Staatssekretär, haben ja in Ihrem Eingangsstatement bereits einige Punkte angesprochen wie zum Beispiel die Verwirklichung der Bankenunion und Fortschritte bei der Finanzmarkt­regulierung, die Sicherstellung einer reibungslosen Umsetzung des EU-Semesters, die Fortsetzung der Diskussion über eine weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Wäh­rungsunion sowie die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für die Realwirt­schaft, wie es schon mehrmals heute auch von mir angesprochen wurde, oder Fortschritte bei den Steuerthemen und die Sicherstellung einer einheitlichen Außen­vertretung.

Auffallend war für mich, als ich den durchaus sehr interessanten Bericht durchgelesen habe – vielen Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –, dass es Positionen des Finanzministeriums nur in den Kapiteln 1.1. bis 1.4. gegeben hat. Bei weiteren Kapiteln gab es diese nicht. Da würde ich mir wünschen, wenn wir im nächsten Jahr wieder darüber diskutieren, dass wir auch bei anderen Sachfragen dementsprechend die österreichische Position wiederfinden könnten.

Die neuen Programme des mehrjährigen Finanzrahmens orientieren sich ja an den Prioritäten der Strategie 2020 und sehen ein breites Spektrum an Maßnahmen zur Steigerung der Investitionstätigkeit, zur Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung, zur Entwicklung von Humankapital und zur vorrangigen Förderung wachstums- und beschäftigungswirksamer Reformen vor. Wachstum ist entscheidend für die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen und eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts.

Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist eine unserer wichtigsten Prioritäten und Aufgaben, der wir gegenüberstehen. Die unvertretbar hohe Jugendarbeitslosigkeit kann zu ernsthaften gesellschaftlichen Folgen führen und könnte auch schwer­wiegende langfristige Auswirkungen auf die Zukunftsaussichten der Betroffenen selbst, auf viele Bereiche der Wirtschaft und auf die Dynamik der europäischen Wirtschaft haben. Ich komme nicht umhin, auch zu betonen, dass es neben diesen Auswirkungen auf die Betroffenen selbst und auf die europäische Wirtschaft auch Auswirkungen auf das gesamte Projekt Europa haben kann. Ein Europa, das seiner Jugend keine Chancen bietet, wird auch ein massives Problem bekommen. Ich glaube auch, dass das ein existenzielles Problem sein könnte.

Daher wird es in Zukunft notwendig sein, dieselbe Energie in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu investieren wie zu Zeiten der Eurokrise, als es darum ging, die Währung und zum Teil auch die Banken zu stabilisieren.

Ich möchte noch einmal die Gelegenheit nutzen, mich für die Erstellung dieser Vor­schau zu bedanken. Trotz durchaus auch kritischer Anmerkungen meinerseits halten wir die Vorhaben in dieser Vorschau für wichtig, für richtig und für notwendig und werden diese auch gerne zur Kenntnis nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 152

17.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt nun der Herr Staatssekretär. – Bitte.

 


17.35.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Jochen Danninger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Diskussion, auch vielen Dank für das Lob, das Sie vielfach ausgesprochen haben. Das werde ich gerne an unsere Mitarbeiter weitergeben.

Der eigentliche Grund meiner nochmaligen Wortmeldung sind aber die Ausführungen des Herrn Bundesrates Schreuder. Ich möchte Ihnen die Chance geben, dass die Grünen mit ihrer Tradition nicht brechen müssen. Ich habe es mir jetzt noch einmal im Detail angeschaut, und ich glaube, dass aus diesem Bericht sehr wohl die österreichi­sche Haltung – sprich, die Haltung des BMF – zu allen wesentlichen politischen Fragen eindeutig erkennbar ist.

Ich biete Ihnen aber gerne an, dass wir das in Zukunft auch für die technischen Fragen weiter hinten gerne noch einmal substanziieren und in den nächsten Jahren verbes­sern. Ich würde mich aber trotzdem freuen, wenn Sie diesem Bericht, bei dem wir ja, glaube ich, sehr viele Übereinstimmungen inhaltlicher Natur haben, trotzdem zustim­men könnten. – Vielen Dank.

17.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nächste Rednerin: Frau Präsidentin Zwazl. – Bitte.

 


17.36.13

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Geschätzter Kollege Schreuder! Weil du gesagt hast, ich muss das von hier aus sagen, denn meinen Einwurf hat man nicht gehört: Wir haben in der Wirtschaft ein gutes Miteinander. Das betrifft die Kultur der Betriebe und den Mix der Betriebe, den wir haben. Wir haben Ein-Personen-Unternehmer, Klein- und Mittelbetriebe, großartige Leitbetriebe, und das funktioniert. Und wir haben eine gute, ja, eine hervorragende Unternehmenskultur in unserem Land. Das zeigen auch die Umfragen.

Wenn dort oder da etwas vorkommt, was nicht in Ordnung ist, dann gehört es abgestellt. Ich wehre mich dagegen, dass unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen etwas unterstellt wird. Es wird auch dort oder da jemanden geben, der halt nicht so ist, wie man sich das vorstellt, aber gerade weil wir große Achtung voreinander haben und weil wir auf Augenhöhe miteinander umgehen, funktioniert unsere Wirtschaft so gut.

Unsere Betriebe könnten wir nicht führen, wenn wir nicht gut motivierte Mitarbeiter hätten. Und deshalb sage ich dir: Die Gastronomie sucht händeringend Mitarbeiter. Wenn sich dein Freund nicht wohlfühlt, wenn er nicht gut behandelt wird, bitte sag es mir. Ich werde ihm einen guten Job verschaffen. (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 153

17.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.37.5312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgelt­siche­rungsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz und das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz geändert werden (260/A und 60 d.B. sowie 9159/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüße ich ganz herzlich unseren Sozialminister Hundstorfer bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte um den Bericht.

 


17.38.33

Berichterstatter Richard Wilhelm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen, werte Kollegen!

Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


17.39.22

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich habe ich das gar nicht gewusst, aber wir werden jetzt offensichtlich den Bundesrat als Jobver­mittlungsinstitution ins AMS eingliedern können. Frau Kollegin Zwazl hat gerade hier als Jobvermittlerin fungiert. Also so kann es wirklich unbürokratisch und schnell funk­tionieren – und kostet vor allem nichts.

Dieser Tagesordnungspunkt behandelt einen großen Themenkomplex. Insbesondere die Meldungen im Februar über die dramatisch gestiegenen Arbeitslosenzahlen, nämlich um 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum  wobei die Zahlen auch noch geschönt sind, denn sehr viele Beschäftigungslose befinden sich in AMS-Kursen und sind somit von der Statistik diesbezüglich gar nicht erfasst , geben Anlass zur Sorge.

Neben Gesundheitsberufen, Handel und Tourismus sind Personen mit gesundheit­licher Vermittlungseinschränkung und besonders auch Personen über 50 Jahre dramatisch betroffen. Dieses Gesetz sieht nun für die Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser in den nächsten Jahren zusätzliche Fördermittel vor. Ich habe mich auch beim AMS in Vorarlberg ein bisschen umgehört und nachgefragt, wie die Situation bei den 50-plus-Einstellungen ist. Es gibt ja schon länger diese Förderunterstützungen für die Betriebe für 50-plus-Arbeitslose. Und leider stellen dort die Angestellten fest, dass zum Beispiel Betriebe – das tut mir jetzt leid, Frau Zwazl, aber es ist halt so –  (Bundesrätin Zwazl: Na macht nichts! Ich !) Es gibt leider auch ein paar Betriebe –


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 154

ich hoffe, nicht sehr viele, ich kann hier auch nur von Vorarlberg reden –, wo die Firmen für die befristete Zeit der Fördermittel, die sie beziehen, diese 50-plus-Personen anstellen und sie anschließend leider wieder auf den Arbeitslosenmarkt zurückschicken. (Bundesrätin Zwazl: Das geht vielleicht einmal! Aber ein zweites, drittes Mal !)

Ich weiß, das ist selbstverständlich nicht zulässig, aber es wird offensichtlich, glaube ich, diesbezüglich auch zu wenig geprüft. Also eine entsprechende Kontrolle oder auch eine Evaluierung dieser Punkte wäre vielleicht auch anzudenken – genauso wie es sie betreffend die Qualität der AMS-Kurse gibt, wo zum Beispiel in Vorarlberg einige Kurse schon nicht mehr so durchgeführt werden, weil festgestellt wurde, dass sie tatsächlich nicht zielführend sind. Ich finde das in Ordnung, wenn die dann nicht mehr angeboten werden. Ich glaube, da darf tatsächlich eine Kontrolle auch stattfinden, weil es sich ja um Steuergelder handelt, die dort eingesetzt werden.

Die Zahl der Lehrstellensuchenden hat im Jänner um 7,2 Prozent zugenommen, und die Zahl der offenen Lehrstellen sank um 15,5 Prozent. Da gilt es also ebenfalls eine große Lücke zu schließen, und ich möchte bei der Gelegenheit doch noch einmal eine Lanze für den Blum-Bonus brechen. Sie alle kennen den Blum-Bonus, auch Sie, Herr Minister. Jeder Jugendliche, der arbeitslos ist, ist einer zu viel, das ist uns bekannt. Wir wissen aber auch, dass Jugendliche oder Lehrlinge in den überbetrieblichen Aus­bildungszentren um die 17 000 € kosten. Und wir wissen, dass ein Lehrling in einem Betrieb zirka 6 000 € kostet. Es wäre also vielleicht zu überlegen, ob es nicht doch verstärkt Sinn macht, diesen Differenzbetrag, den wir ja offensichtlich haben, denn wir geben ihn in der überbetrieblichen Ausbildung ja aus, eher den Firmen zu geben, weil die Lehrlinge dort mit diesem bekannten Blum-Modell erstklassig ausgebildet werden können.

In diesem Themenkomplex wird auch die Lohnnebenkostensenkung angesprochen oder zum Gesetz. Und zwar sollen in zwei Schritten der Unfallversicherungsbeitrag und auch der Arbeitgeberbeitrag zum Insolvenzentgeltfonds um jeweils 0,1 Prozentpunkte gesenkt werden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wenn es uns tatsächlich ernst ist, arbeitsmarktpolitisch tätig zu werden und tatsächlich den Unternehmen das Geld in die Hand zu geben, damit diese investieren und Menschen einstellen, dann bin ich einfach der Überzeugung, dass 0,2 Prozentpunkte, insbesondere für die KMUs, nicht ausreichend sind. 0,2 Prozentpunkte können vielleicht im Bereich der Großin­dustrie einen erklecklichen Beitrag ergeben, aber bei 90 Prozent der Klein­betriebe, die es in Österreich betrifft, bin ich der Meinung, dass das schlicht und einfach viel zu wenig ist und nichts mit entsprechenden Maßnahmen zu tun hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß, allein diese 0,2 Prozentpunkte benötigen ein ordentliches Kapital, das in die Hand genommen werden muss. Aber ich glaube schon, wenn dafür mehr Menschen in Beschäftigung sind, wenn mehr Menschen höhere Gehälter beziehen können, geben sie auch mehr aus. Und ich glaube sehr wohl, dass es im Umkehrschluss diese Gelder wieder hereinbringt, die es auf der einen Seite auch kostet. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass mit einer Lohnnebenkostensenkung – die nicht mit 0,2 Prozentpunkten behaftet sein sollte, sondern viel höher ausfallen muss – gleichzeitig eine Steuerreform einhergehen muss, die die Lohnsteuern für die Arbeitnehmer entsprechend senkt, sodass dem Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto bleibt. Am Ende des Tages meine ich, dass einfach allen Leistungsträgern mehr Geld zur Verfügung bleiben muss. So stelle ich mir eine langfristige, nachhaltige Arbeitsmarktpolitik vor.

Ich weiß, es braucht dafür wahrscheinlich Einschnitte, es braucht sehr viel Mut, diese Dinge anzugehen und durchzusetzen, aber die Zeit ist sicher jetzt die richtige, diese Schritte zu unternehmen, denn ich glaube nicht, dass es noch länger möglich ist, dass


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wir einerseits die Unternehmen aushungern und andererseits die Menschen mit diesen hohen Steuern weiterhin so belasten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn diese Lohnnebenkosten entsprechend gesenkt würden, dann glaube ich auch, dass gerade die älteren Menschen, 50-plus, die ja – no na ned – teurer sind, länger in Beschäftigung gehalten werden könnten. Das wäre doch eigentlich das Ziel, das wir bei dieser Menschengruppe anstreben, nämlich dass wir sie nicht nur mit kurzfristigen, befristeten Fördermitteln nach einer Arbeitslosenzeit in Beschäftigung bringen, sondern dass wir sie dort langfristig halten. Dass die Betriebe daran interessiert sind, diese älteren Menschen in Beschäftigung zu halten, dafür brauchen wir diese beiderseitigen Senkungen: die Senkung der Lohnnebenkosten, aber nicht um 0,2 Prozent, sondern wirklich gravierend, und die Steuerreform für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das ist somit wahrscheinlich eine Mutprobe, wirklich diese Dinge in Angriff zu nehmen. Es sind zwar Schritte in die richtige Richtung, aber für uns nicht ausreichend, und wir geben diesem Gesetz deshalb unsere Zustimmung nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

17.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Pfister. – Bitte.

 


17.48.12

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause! Es stimmt, Österreich hat derzeit auf dem Arbeitsmarkt hart zu kämpfen. Unser Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer hat alle Hände voll zu tun. Diese Aufgabe wird von unserem Bun­desminister sehr gut gemeistert, denn es ist ein Faktum, dass Österreich auch in dieser schwierigen Zeit immer noch zu den Ländern gehört, die die geringste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union aufweisen. Das ist auch der Beweis, dass die Arbeit des Sozialministers eine sehr gute ist, und die getroffenen Maßnahmen haben damit ihre Treffsicherheit unter Beweis gestellt.

Die Maßnahmen für ältere Arbeitslose sind dringend notwendig und daher ausdrücklich zu begrüßen. Aus unserer Sicht könnte es natürlich noch intensiver sein, aber der richtige Weg ist eingeschlagen, und den sollten wir auch weitergehen. Eine Intensivie­rung bei der Betreuung von älteren Arbeitslosen durch die Kolleginnen und Kollegen des AMS ist wünschenswert und wird auch durchgeführt. Nur eine intensive Betreuung der älteren Arbeitslosen kann auch zum Erfolg führen, und nur so kann eine Weiter­vermittlung möglich sein.

Ich denke, dass es eine sehr klare Positionierung ist, wenn jeder Cent in die Bekämp­fung von Arbeitslosigkeit gesteckt wird. Mit diesem Bundesgesetz werden Mittel zur Verfügung gestellt, um diese Integration der älteren Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsmarkt anzukurbeln. In den Jahren 2014 und 2015 stehen dafür 100 Millionen € zur Verfügung, im Jahr 2016 150 Millionen €. Insgesamt werden daher 350 Millionen € bis 2016 in diesen Personenkreis investiert.

Wir halten diese Sondermittel für ältere Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und länger als 180 Tage beim AMS vorgemerkt sind, für unabdingbar, weil die Arbeitslosigkeit Älterer weiter steigt und der erschwerte Zugang zur Invaliditätspension durch ausreichende Fördermaßnahmen begleitet werden muss. Außerdem braucht es zu diesem Bonus-Malus-System noch begleitende Maßnahmen, die auch in Aussicht gestellt wurden, ebenfalls mit 350 Millionen € pro Jahr gefördert werden und erst anlaufen müssen.

Außerdem gibt es eine überproportionale Wirkung und eine Widmung der Gelder für die Eingliederungsbeihilfen, wobei auch gesagt werden muss, dass die Eingliederungs-


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beihilfen bei der Arbeitsaufnahmerate nach drei bis sechs Monaten, auch im Vergleich mit anderen Maßnahmen des AMS, sehr, sehr gut wirken. Im Rahmen dieser Umsetzung ist das AMS auch gefordert, noch gezieltere Planungen durchzuführen.

Abzuwarten ist allerdings auch erst, wie diese Umsetzungsschritte in den einzelnen Länder-AMS durchgeführt werden. Aktuell wissen wir, dass konkrete Maßnahmen bereits für diese Zielgruppe ausgearbeitet werden; eine begleitende Evaluierung ist in diesem Fall ebenfalls vorgesehen. In diesem Zusammenhang werden nun zusätzliche Maßnahmen in den AMS-Stellen vorbereitet, um die Kolleginnen und Kollegen noch besser und zielgerichteter betreuen zu können.

Es stimmt, der Faktor Arbeit in Österreich ist stark belastet, die Lohnnebenkosten­belastung liegt im internationalen Spitzenfeld. Eine Senkung der Lohnnebenkosten wirkt nachweislich wachstumssteigernd und beschäftigungsfördernd.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer von Ihnen hat nicht einen Bekannten, einen Verwandten, der auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht wird? Was passiert mit dem unbezahlbaren Wissen und der Erfahrung, welche der Kollege/die Kollegin in seinem/ihrem Arbeitsleben gemacht hat und in das tägliche Arbeitsleben hat einfließen lassen, wenn derjenige oder diejenige dann sehr abrupt aus dem Unternehmen aus­scheiden muss und keine Möglichkeit mehr hat, dieses Wissen auch weiterzu­geben? Dieser Wissenstransfer ist für unsere Unternehmen unbezahlbar, denn die Erfahrun­gen und Kenntnisse, die ihnen da verloren gehen, sind in einem Geldwert, in Euro für ein Unternehmen nicht zu beziffern. Diese Kolleginnen und Kollegen werden häufig mit der Begründung, sie seien zu teuer, in die Arbeitslosigkeit geschickt. Gleichzeitig erwartet man allerdings, dass alles im System nahtlos weiterläuft. Sehr häufig gehen aufgrund von Profitgier und Gewinnmaximierung Arbeitsplätze verloren, und dieses Match wird überwiegend auf dem Rücken der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer ausgetragen.

Wir bekennen uns dazu, dass Qualität am Arbeitsplatz auch etwas kosten darf und auch muss, um einen Standard zu halten und diesen Standard auch ausbauen zu können. Man muss den Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt eine Chance geben und gleichzeitig den älteren Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, gesund in den wohlverdienten Ruhestand und in die Pension gehen zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

17.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Reiter. – Bitte.

 


17.54.00

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Die Debatte dreht sich jetzt schon längere Zeit im Kreis, und ich frage mich, wie viel Richtiges und Gutes man im falschen System machen und leisten kann. Ich glaube, wir alle sind uns darüber einig, dass die Lohnnebenkosten einfach viel zu hoch und astronomisch hoch sind, und befürworten eine Senkung, wie sie hier vorgenommen wird – aber der Umfang ist in einem Ausmaß, dass man daran verzweifelt. Auf der anderen Seite ist die Forderung nach einer höheren Senkung aufgrund der budgetären Lage  – na ja.

Daher geht es natürlich um die Frage der Systemumstellung. Wir sind seit Jahren damit konfrontiert, dass wir sinkende Reallöhne haben, wir sind andererseits damit konfrontiert, dass die arbeitende Bevölkerung, auch die KMUs und die kleinen Selb­ständigen die Steuerlast tragen und dieses System aufrechterhalten, so wie es heute


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ist, dass sie unter dieser Last aber zunehmend stöhnen und teilweise wahrscheinlich auch zusammenbrechen. Die Frage ist auch, wie es möglich sein sollte, mit diesen Senkungen der Lohnnebenkosten tatsächlich neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ich sehe das nicht, das kann sich rechnerisch schlicht und einfach nicht ausgehen.

Trotzdem verzichtet der Sozialminister aufgrund dieser Senkung auf 200 Millionen € Einnahmen, und da fragt man sich auch, wo das gegenfinanziert wird, wenn auf der anderen Seite der hohe Bedarf besteht, entsprechend für die älteren Arbeitnehmer etwas zu tun, für die älteren Arbeitslosen etwas zu tun, für die Jugendbeschäftigung etwas zu tun, spezielle Förderprogramme zu entwickeln, Eingliederungsbeihilfen, Kombilohn-Modelle und so weiter und so fort.

Deshalb, glaube ich, wird man nicht um eine ökologische Steuerreform, um Steuerein­nahmen aus dem Vermögensbereich herumkommen, denn es ist einfach so: Die Gelder, die jetzt auch in den Bereich Hypo Alpe-Adria und so weiter fließen, die ver­schwinden ja nicht, die hat jetzt nur jemand anderer. Da stellt sich eben die Frage, wer dieser andere ist und wie er zur Aufrechterhaltung unseres Wohlfahrtsstaates und unserer Sozialsysteme beiträgt. Und diesen Fragen muss sich die Politik jetzt ernsthaft stellen, denn ich glaube, mit derartigen Korrekturen, mit so marginalen Korrekturen werden wir nicht wirklich weiterkommen.

Wir sehen Lohnsubventionen teilweise kritisch, auch im Bereich der älteren Arbeits­losen. Wenn man sich zum Beispiel gemeinnützige Arbeitskräfteüberlasser anschaut, Leiharbeitsfirmen, die vom AMS selbst betrieben werden beziehungsweise vom AMS gefördert werden, sieht man, die unterliegen nicht dem Kollektivvertrag, was zur Folge hat, dass Betroffene oft auch schlecht bezahlt werden und schlechte Arbeitsbedin­gungen haben. Es war zu hören, dass eine Evaluierung solcher sozialökonomischer Betriebe läuft, und wir sind gespannt auf das Ergebnis. Wir erwarten uns gerade auch in diesem Bereich entsprechende Korrekturen.

Ich glaube, die Maßnahmen, die hier gesetzt werden, sind auf gar keinen Fall zu verurteilen, es sind minimale Schritte in die richtige Richtung. Aber ob sie uns wirklich weiterbringen im falschen System, das bezweifeln wir massiv. Wir werden aus diesem Grund auch diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

17.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Perhab. – Bitte.

 


17.58.45

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Reiter, Sie sind doch auch im Wirtschaftsparlament in Salzburg, oder? (Bundesrätin Reiter: Gewesen, ja!) – Gewesen, aha. Dann ist es aber interessant, dass Sie nicht einmal dieser minimalen Lohnnebenkostensenkung für Unternehmer Ihre Zustimmung geben. Es ist schon irgendwie eine paradoxe Situation, zu sagen, ja, ich bin ja dafür, aber wenn es definitiv darauf ankommt, sind Sie dagegen. Im Nationalrat waren Sie auch dagegen, wo doch beide arbeitgeberfinanzierte Fonds sind: der Insolvenzentgeltfonds ist arbeitgeberfinanziert, und die AUVA ist auch arbeitgeberfinanziert. Also es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber Sie stimmen halt nicht zu. – Das ist so, das können wir nicht ändern, aber man sieht natürlich das wirtschaftspolitische Grundver­ständnis der Grünen auch in dieser Hinsicht. (Bundesrat Dönmez:  wirtschafts­politisches Grundverständnis  das sieht man !) Da wir nächstes Jahr Wirtschafts­kammerwahlen haben, werden wir das sehr gerne aufnehmen, Efgani.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 158

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Saller wird sich noch mit der Situation der älteren Dienstnehmer beschäftigen. Ich glaube, er ist da berufener als ich. Ich denke, dass ich mich auf zwei Punkte konzentrieren kann.

Ich möchte erwähnen, dass wir von der Wirtschaft natürlich auch gute Erfahrungen mit einer Art Kombilohnsystem im Jahr 2008 während der Wirtschaftskrise gemacht haben. Das wäre eine Chance, hier doch im minimalen Bereich ältere Arbeitnehmer wieder im Arbeitsmarkt unterzubringen und damit auch den Unternehmern die Möglichkeit zu geben, ältere Arbeitnehmer wieder einzustellen.

Ein grundsätzliches Problem – das ist jetzt leider in der öffentlichen Debatte wieder hochgekommen, das ist bedauerlich – ist, dass man gewisse Dinge nicht sachlich argumentieren kann, wie den berühmten Zwölf-Stunden-Arbeitstag und die sechste Urlaubswoche. (Präsident Lampel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Die sechste Urlaubswoche wäre meiner Meinung nach für die Privatwirtschaft mit ein Grund, ältere Arbeitnehmer einfach nicht mehr einzustellen. Sie wäre kontraproduktiv. Auch ein Abtausch mit dem sogenannten Zwölf-Stunden-Arbeitstag ist für mich unvorstellbar. Der Zwölf-Stunden-Arbeitstag ist ja nicht als Normarbeitszeit gedacht. Das ist ja aus einer Arbeits­flexibilisierung für größere Unternehmen entstanden, damit diese ihre Konjunktur­spitzen produktionsorientiert abdecken können. Es redet niemand davon, dass wir das zur Normarbeitszeit machen wollen.

Ich habe selber gerade ein Beispiel in meiner Gemeinde. Dort wird die einzige Brücke generalsaniert, was zwölf Wochen Brückensperre bedeutet. Dass der Ort dadurch geteilt ist, ist noch das geringste Problem, dass wir aber vor allem auch in der Gastro­nomie natürlich durch den wegfallenden Besucherverkehr Umsatzeinbrüche haben, ist das andere Problem. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) – Es wird zwölf Wochen lang saniert.

Es ist aber so, dass jeden Donnerstag Arbeitsende ist, selbst wenn die Arbeiter einverstanden wären, auch am Freitag zu arbeiten. Ist das der Weisheit letzter Schluss? – Die Arbeiter wohnen zum Teil bei mir in meiner Pension, sie wären einverstanden, dass sie selbstverständlich auch freitags arbeiten, wenn eine Termin­arbeit vorgesehen ist.

Also ich glaube, das kann man sachlich diskutieren, ohne dabei ein Riesentheater zu vollführen, als ob wir einen Zwölf-Stunden-Arbeitstag für alle österreichischen Arbeit­neh­mer einführen würden.

Für uns von der Privatwirtschaft, von den Klein- und Mittelbetrieben ist eine sechste Urlaubswoche für alle in dieser Form sicherlich nicht vorstellbar. Dies würde meiner Meinung nach genau das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich gewollt wurde, nämlich eine bessere Erholung des Arbeitnehmers, damit er wieder fitter in den Beruf kommt. Ich glaube, die negativen Auswirkungen wären größer.

Selbstverständlich haben wir, was die AMS-Kurse betrifft, immer einige Wünsche. Ich denke, grosso modo funktioniert das sehr gut. Wir würden uns vielleicht noch wünschen, dass die Zeit zwischen den beiden Saisonen von den Saisonarbeitern dazu genützt werden könnte, im sprachlichen Bereich eine höhere Qualifikation zu erwerben. Das ist ein alter Wunsch der Tourismuswirtschaft.

Ich denke aber, dass das gesamte Paket durchaus in Ordnung geht. Wenn man die Summe sieht, 550 Millionen € für den Arbeitsmarkt, 200 Millionen € Lohnnebenkosten-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 159

senkung, dann muss man diesem Paket einfach im Sinne der österreichischen Wirt­schaft zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.03


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Zelina (den Namen auf dem „e“ betonend). Ich erteile es ihm.

 


18.03.58

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! – Noch eine Mitteilung in eigener Sache: Mein Name ist Gerald Zelina, Betonung auf dem „i“. (Allgemeine Heiterkeit.)

Der Faktor Arbeit ist in Österreich zu stark belastet. Wir liegen bei den Lohn­nebenkosten im internationalen Spitzenfeld. Eine Arbeitsstunde in der Industrie kostet in Österreich 30,5 €, im EU-Schnitt 23,4 €, in Polen 6,4 €, in Rumänien 3,7 € und in Bulgarien 2,8 €. Im globalen Wettbewerb und im Export müssen unsere Unternehmen mit den international günstigeren Arbeitskosten mithalten.

Natürlich muss man im Wettbewerbsvergleich auch die sehr gute Qualität österreichi­scher Fachkräfte mitberücksichtigen. Auch die Produktivität österreichischer Arbeit­neh­mer muss mitberücksichtigt werden. Diese ist sehr hoch, das beweisen die Lohnstück­kosten.

Unsere hohen Arbeitskosten vernichten – und das ist nicht zu leugnen – Arbeitsplätze in Österreich. Niedrigere Lohnkosten im Ausland schaffen Anreize für Betriebe, Arbeitsplätze von Österreich in das Ausland zu verlagern. Das ist eine Tatsache.

Ich muss mich selbst bei der Nase nehmen, auch im eigenen Unternehmensumfeld ist es so: Wir haben zum Beispiel unsere SEOs – das sind Search Engine Optimizers – nach Indien ausgelagert. Sie optimieren Suchmaschinen, damit man bei Google gleich an erster Stelle gefunden wird.

Wir haben „Datenbankeinklopfer“ nach China ausgelagert – dort sind auch die Lieferanten – und haben IT-Programmierer in Rumänien. Es gibt dort wunderbare, sehr gute Universitätsabsolventen und ganz andere Lohnkosten als hier in Österreich.

Auch die Firma Knowles baut 283 Mitarbeiter ab. Das ist eine ehemalige Philips-Firma, die Lautsprecher für Handys herstellt. Das wurde diese Woche berichtet. Die Produktion wird vom Wienerberg nach Asien verlegt. In Österreich ist das Lohnniveau zu hoch, ein Sozialplan wird erarbeitet.

Wir müssen den Produktionsfaktor Arbeit steuerlich entlasten. Jede Senkung der Lohn­nebenkosten wirkt beschäftigungsfördernd und wachstumssteigernd. Jede Senkung der Lohnnebenkosten hält Arbeitsplätze in Österreich. Wir begrüßen natürlich jede Reduktion der Lohnnebenkosten, aber ohne echte Systemreformen bleibt das Kosmetik.

Herr Bundesminister Hundstorfer! Die 0,1 Prozentpunkte beim Beitrag zum Insolvenz­entgeltsicherungsfonds werden nicht lange halten. Bei den derzeit steigenden Insolvenzfällen werden Sie wahrscheinlich bald gezwungen sein, diesen Beitrag gesetzlich wieder zu erhöhen.

Wir brauchen kräftigere Senkungen beim Pensionsversicherungsbeitrag und beim Kranken­versicherungsbeitrag. Dazu sind aber Reformen notwendig – bei den Pensio­nen, bei der Gesundheit, bei der Verwaltung –, und die geht bisher keiner an.

Die ganzen Frühpensionsprivilegien gehören gestrichen.

Wenn jemand nach dem 65. Lebensjahr arbeitet, sollten für den Arbeitgeber deutlich reduzierte Lohnnebenkosten anfallen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 160

Was ich nicht verstehe, ist Folgendes: Warum gehen wir in Österreich nicht gemein­sam her und fragen, was faire Jahre sind, die wir in der Pension verbringen? – Da kann man sagen, zehn Jahre sind vielleicht zu wenig, aber vielleicht sind es 15 Jahre. (Bundesrat Todt: Wann wollen Sie das ansetzen?) – Sagen wir, einigen wir uns auf 15 Jahre!

Dann gehe ich ganz normal her und frage: Was ist die statistische Lebenserwartung? – Diese minus 15 Jahre ist gleich neues Pensionsantrittsalter. (Bundesrat Todt: Sie wollen das Pensionsantrittsalter auf 70 erhöhen?! Ist das richtig?) – Genau.

Wer früher in Pension gehen will, kann natürlich gehen, aber mit einem Abschlag. Und wer länger bleibt, kriegt einen Bonus. (Bundesrat Todt: Das heißt, das Team Stronach will österreichweit das Pensionsalter auf 70 Jahre erhöhen?!) – Das ist zu diskutieren. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber was ist eine faire Zahl? – Das Team Stronach steht für Fairness. 15 Jahre sind wunderbar. Das ist fair. 15 Jahre sind auch gerecht gegenüber der Jugend. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) – Gut. Das betraf den Pensionsbereich.

Dann haben wir noch den Gesundheitsbereich. Im Gesundheitsbereich gibt es auch Einsparungspotenzial, besonders bei den Krankenversicherungen. Wir haben in Österreich 22 Krankenversicherungen mit 22 unterschiedlichen Tarifen und unter­schiedlichen Leistungen. Das ist doch das Paradebeispiel für unsere föderale Über­verwaltung. (Bundesrätin Grimling: Sie haben was versäumt bis jetzt!)

Legen wir doch alle Krankenversicherungen zu einer österreichischen Gesundheits­versicherung zusammen – mit gleichen Tarifen und gleicher Leistung! Diese Verwal­tungseinsparungen können wir dann für eine Senkung des Krankenkassen­beitrags verwenden und zur Reduzierung der Lohnnebenkosten weitergeben. Die Lohnneben­kosten sollten langfristig um Prozent gesenkt werden, nicht um 0,1 Pro­zent, und zwar von 32 Prozent auf 27 Prozent des aktuellen Bruttolohns.

Wir müssen international wettbewerbsfähig bleiben, mit dem Ziel, mehr Arbeitsplätze durch verstärkte Exporte zu generieren. – Danke.

18.10


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


18.10.31

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne, haben Sie, Herr Bundesrat Zelina, mich einfach herausgefordert. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin sehr froh, dass sich das Team Stronach in Auflösung befindet, denn womöglich wäre ein nächster Lösungsbeitrag, dass ich mit Erreichung meines versicherungs­mathematischen Sterbejahres bei Rot über die Kreuzung gehen muss. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aber auch Sie, Herr Bundesrat Perhab, möchte ich einladen, darüber nachzudenken, dass über die neue Brücke in Ihrer Heimatgemeinde auch viele Konsumentinnen und Konsumenten kommen werden, die ihre sechste Urlaubswoche genießen werden, um bei Ihnen in Ihrer schönen Heimat Urlaub zu machen, sich zu erholen und lange arbeitsfähig zu sein. Ich glaube nämlich eher, dass man bisher viele nicht beschäftigt hat, weil sie die sechs Wochen Urlaub, die wir schon haben, nicht erreichen konnten. Mit dieser Idee würden nämlich alle sie bekommen können. Und das hielte ich für fair.

Aber ich möchte jetzt zu meinem eigentlichen Redebeitrag kommen. Auch wenn Österreich im Vergleich mit anderen europäischen Ländern in der Arbeitslosenstatistik


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sehr gut dasteht, geht es doch für viele Tausende verzweifelte Menschen darum, möglichst schnell wieder einen guten Arbeitsplatz zu finden, um selbstbestimmt und gesellschaftlich anerkannt leben zu können.

Gerade ältere Personen haben es da besonders schwer. Vielfach werden ihnen Vorurteile entgegengebracht: zu teuer, unflexibel, nicht belastbar, langsam, zu wenig vertraut mit modernen technischen Entwicklungen, nicht mobil, häufig krank, lassen sich nicht alles gefallen, nicht lernfähig oder nicht lernwillig, und vieles andere mehr.

Wenn ich mich hier umsehe, dann sehe ich in diesem Kreis ganz viele, die auch zu den älteren Menschen zählen. Wie geht es Ihnen mit diesen Vorurteilen? Fühlen Sie sich zu Recht in dieses Eck gestellt? Oder bezeichnen Sie sich selbst vielmehr als lebens- und berufserfahren, stabil, loyal, verlässlich, ausdrucksstark, aufgeschlossen, neu­gierig, vielseitig interessiert, gut aus- und weitergebildet, sozial kompetent, gut ver­netzt, umsetzungsfähig, und vieles andere mehr?

Unser gemeinsames Ziel ist es doch, dass Menschen länger in Beschäftigung gehalten werden können und dass es ausreichend Arbeitsplätze gibt, an denen Menschen gesund und mit gleichen Chancen tätig sein können. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn wir an der Wurzel des Übels ansetzen, wenn alle Gruppen etwas dazu beitragen, vor allem auch mit der Stigmatisierung älterer Menschen aufhören, nicht nur deswegen, weil Altersdiskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz verboten ist, sondern vielmehr deswegen, weil es uns gemeinsam ein ernstes Anliegen ist und damit auch ein ganz wesentlicher Beitrag zum sozialen Frieden in Österreich geleistet wird.

Herr Bundesminister Hundstorfer rechnet damit, dass mit den vorliegenden Gesetzen, mit dem Schwerpunkt Arbeitsmarktpaket für Ältere zusätzlich zu den bereits vorhande­nen Förderungsmaßnahmen nun bis zu 20 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützt werden können. Bis zu 9 000 Menschen könnten Erfahrungen zufolge auch einen fixen Arbeitsplatz finden.

Es wird viel Geld investiert: einerseits für Eingliederungsbeihilfen und andererseits für die Unterstützung von sozialökonomischen Betrieben. Das Geld wird unter anderem aus dem Budget für das Arbeitslosengeld in die Beschäftigungsförderung umgeleitet. Damit werden Mittel, die sonst für das Arbeitslosengeld aufgewendet werden müssen, zur Unterstützung der Integration Älterer in den Ersten und Zweiten Arbeitsmarkt herangezogen.

Es ist die Senkung der Lohnnebenkosten im IESG und bei der AUVA vorgesehen. Ich finde es bedauerlich, dass die AUVA die wichtigen Präventionsmaßnahmen im bisher vereinbarten Ausmaß nicht erhöhen wird. Immerhin haben über 60 Prozent der derzeit arbeitslosen älteren Menschen gesundheitliche Einschränkungen. Es ist wichtig, dass die finanzielle Auswirkung dieser Senkung, die den Unternehmen in Summe in Zeiten der Budgetkonsolidierung eine Entlastung in Höhe von rund 200 Millionen € bringen soll, sowie die Wirksamkeit der Maßnahmen im Jahr 2016 evaluiert werden.

Vorgenannte Budgetkonsolidierung und eine dringend notwendige Wachstums­förde­rung in Balance zu halten sind schwierige Rahmenbedingungen. Offenbar sind sich aber heute, wenn ich die Redebeiträge zusammenfasse, alle Fraktionen darüber einig, dass die Entlastung des Faktors Arbeit eine wichtige Zielsetzung für die Verringerung von Arbeitslosigkeit und für die Ankurbelung des Konsums ist.

Sie kann dann erreicht werden, wenn wir uns über Parteigrenzen hinweg auf die notwendige Besteuerung hoher Vermögen einigen können, damit jene beitragen, die sich das leisten können. Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, wie sich Ver-


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mögen, vor allem aus Spekulationsgeschäften, vor und nach der Wirtschafts- und Finanzkrise entwickelt hat.

Ein wichtiger Beitrag zur Umverteilung von Arbeit, zur Schaffung von Beschäftigung liegt meiner Meinung nach auch darin, die 270 Millionen € pro anno für von rund 700 000 Beschäftigten geleistete Mehrarbeitsstunden besser auf mehr Beschäftigte zu verteilen. Reduzieren wir doch von den durchschnittlich pro Woche fast 42 geleisteten Stunden auf die Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden! Das hält jene, die bisher deutlich mehr leisten mussten, länger gesund und schafft Arbeitsmöglichkeiten für Arbeits­suchende.

Die Weiterentwicklung von Umschulungsmaßnahmen, die aktuelle gesetzliche Fein­einstellung zur finanziellen Absicherung von Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen Rehabilitationsgeld bekommen und nicht stichtagsmäßig benachteiligt werden dürfen, weitere Modelle wie die geplante Teilpension und vieles andere mehr, wie etwa eine wirksame Bonus-Malus-Lösung, werden noch notwendig sein, um das faktische Pensionsalter weiter anheben zu können.

Viele Menschen in guter Beschäftigung sind die beste Grundlage für ein stabiles Steueraufkommen und für die nachhaltige Finanzierung von Daseinsvorsorge und Investitionen in Wachstum. Wir dürfen nicht nachlassen in unseren Bemühungen, möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Ich bedanke mich daher bei Herrn Bundesminister Hundstorfer für seine dies­bezüglichen Initiativen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.18


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


18.19.07

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Weg, die Arbeitslosigkeit zu senken, ist schwierig und mühsam. Es sagt sich so leicht, aber da bedarf es großer Anstrengungen. Es konnten zwar viele Jobs geschaffen werden, aber der Konjunk­turmotor läuft einfach nicht so richtig.

Das vorliegende Arbeitsmarktpaket ist daher ein wichtiger und notwendiger Schritt. Ein Paket für die Personen von 50plus, mit 50 Lebensjahren und älter, ist besonders wichtig. Man verliert vielleicht unverschuldet den Arbeitsplatz, es beschleicht einen das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Wir kennen die oft sehr schwierigen Familien­situationen, die sich daraus ergeben. Genau da müssen auch Förderprogramme ein­setzen und wirksam werden.

100 Millionen werden heuer veranschlagt, um älteren Arbeitssuchenden zu helfen. Wer keinen Job findet, wer länger als ein halbes Jahr keine Arbeit findet, bekommt jetzt Hilfe. An die 8 000 werden durch Hilfe einen Arbeitsplatz finden, und an die 20 000 ältere Mitbürger werden gezielt gefördert.

Voraussetzung ist natürlich – das muss man auch sagen –, dass ältere Arbeits­suchende mit Nachdruck auch einen Job wollen, ihn annehmen und sich dafür einsetzen. Entgegen aller Skepsis, muss man sagen, haben im letzten Jahr über 100 000 Personen mit über 45 Lebensjahren einen Arbeitsplatz gefunden. Das muss man also nützen und suchen.

Wichtig ist natürlich auch – das muss ich ebenfalls sagen –, dass man an die Betriebe denkt, an die Arbeitgeber denkt. Die wichtigsten Arbeitgeber im Lande sind ja die Klein-


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und Mittelbetriebe. Fast zwei Millionen Menschen arbeiten dort, es sind also fast 66 Prozent, die in den KMUs arbeiten. Wir brauchen für die ältere Generation auch die Entlastung dieser Unternehmen. Es sind schon mehrmals die Lohnnebenkosten angesprochen worden: Hier haben wir noch viel Arbeit vor uns, dass man da etwas erreicht und dass das gesenkt wird.

Wir brauchen neben Förderprogrammen auch Verbesserungen. Die Leute sollen nicht so bald wie möglich in Pension gehen – das darf nicht die Devise sein –, sondern es muss Neuerungen geben, dass die Menschen länger im Beruf bleiben. Da wird derzeit an verschiedenen Modellen gearbeitet. Einige sind schon genannt worden. Das ist natürlich mühsam, aber wir kommen nicht darum herum, diese Modelle zu verwirk­lichen.

In einem Atemzug nenne ich natürlich auch die Aus- und Weiterbildung. Das ist eine ganz speziell wichtige Sache. Wenn jemand als Älterer vielseitig gebildet ist, dann wird der Umstieg oder die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz wesentlich erleichtert. Auch von den Arbeitgebern werden natürlich jene Personen genommen, die auch eine entsprechende Ausbildung haben.

Ich darf also festhalten: 350 Millionen € in den nächsten drei Jahren für unseren Arbeitsmarkt, das ist schon ein gewaltiger Schub, der Hilfe leistet. Herzlichen Dank, Herr Minister! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.23


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


18.23.16

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre jetzt natürlich verlockend, zu fast allen Redebeiträgen etwas zu sagen. Aber ein paar Punkte müssen beantwortet werden, das kann man so nicht stehen lassen.

Was tun wir mit dem Geld, was geschieht damit? – Wir machen Eingliederungs­bei­hilfen, wir machen Zweiten Arbeitsmarkt. 41 Prozent derer, die heute Eingliede­rungs­beihilfe bekommen, verbleiben dauerhaft in ihrem Job. Das heißt, ein Programm mit Erfolg: Wenn wir heute Eingliederungsbeihilfe mitgeben, verbleiben danach 41 Prozent in ihrer Beschäftigung. Ja, 60 Prozent scheiden wieder aus. Teilweise kommen die wieder, das ist gar keine Frage, aber zumindest 41 Prozent bleiben dauerhaft.

Weil hier gesagt wird, es seien nur 200 Millionen Lohnnebenkostensenkung: Ja, es sind nur 200 Millionen. Aber 200 Millionen sind einmal ein erster Schritt! Dann lade ich Sie noch auf die kleine Rechnung mit der Eingliederungsbeihilfe ein: Von den 100 Millionen sind 60 Prozent ebenfalls eine Lohnsubvention. Wir reden schon von 260 Millionen! Wenn man das jedes Jahr dazurechnet, kommt einiges zusammen, denn wer bekommt sie, die Eingliederungsbeihilfe? – Die Wirtschaft! Das ist eine Lohnsubvention und nichts anderes. Es geht mit den Menschen mit, und die ersten paar Monate ist somit eine Lohnsubvention gegeben.

Es wurde hier auch auf die Lehrlinge verwiesen; die Kollegin, von der das kam, ist jetzt leider nicht da. Aus Vorarlberg kommt immer wieder die Frage des Blum-Bonus. Ich weiß natürlich schon, wer der Herr Kommerzialrat Blum ist, ich habe selbst viel mit ihm zu tun gehabt. Aber warum haben wir das 2009 abgeschafft? – Wir haben uns das nicht leicht gemacht. Es ist ja nicht so, dass wir eine Jux-und-Tollerei-Aktion gestartet haben. Die Wirtschaftskammer war mit uns gemeinsam beim Abschaffen sehr wohl dabei, weil der Blum-Bonus ein paar Ecken und Kanten hat, ein paar Ecken und Kan-


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ten des Mitnahmeeffekts, und zwar nicht des Mitnahmeeffekts gezielt für neue Lehr­stellen, sondern für bestehende Lehrstellen.

Wir haben die bestehenden Lehrstellen mit der jetzigen Lehrstellenförderung, glaube ich, sehr ausreichend gefördert. Immerhin werden im ersten Lehrjahr sechs Monate Lehrlingsentschädigung subventioniert! Das ist ja nicht gerade wenig, das ist nicht gerade umsonst. Wir tun da einiges, das geschieht ja. Demzufolge haben wir ein anderes Lehrstellenförderungssystem entwickelt, wobei derzeit der Aufwand dafür immerhin 160, 170 Millionen pro Jahr beträgt. Demzufolge tun wir es, und zwar über diese Schiene.

Die Kollegin von den Grünen ist auch gegangen. – Das AMS hat keine Leiharbeits­firmen, wir haben das nicht! Wir haben sozialökonomische Betriebe, die eine Eigen­leistungsquote erarbeiten müssen, eine von 20 Prozent. Über diese Schiene werden hie und da Menschen zu anderen Firmen entliehen, aber wir haben keine Leih­arbeits­firmen im klassischen Sinne.

Herr Bundesrat! Herr Kommerzialrat! Ich habe eine Bitte. (Bundesrat Perhab: Kein Kommerzialrat!) Na, ist wurscht, okay. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Entschuldigung, vielleicht wird’s noch was! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe eine Bitte: Diskutieren wir das Gesamtpaket! Ich werde da jetzt nicht allzu viel sagen, denn Kollege Mitterlehner und ich haben eine Cool-down-Phase ausgemacht, und wir senken alle die Nerven runter. Aber diskutieren wir ein Gesamtpaket, schauen Sie sich bitte das Gesamtpaket an! Schauen Sie sich an, was in dem Paket allein für die Wirtschaft drinnen ist. Demnach lautet zum Beispiel ein Punkt so, dass, wenn ich das Dienstverhältnis beende, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordern kann, den Resturlaub während der Kündigungsfrist verbrauchen zu müssen! Das bringt Ihnen nämlich 170 Millionen, allein dieser Punkt.

Diskutieren wir dann, in Summe gesehen, was der erleichterte Zugang zur sechsten Urlaubswoche wirklich ist. Warum ist denn die Idee der sechsten Urlaubswoche aufgetaucht? – Wir haben zwei Millionen Menschen in diesem Land, die nie in den Genuss der sechsten Urlaubswoche kommen, weil sie in Berufen tätig sind, in denen es das nicht gibt, oder weil unter anderem eine Million Menschen – eine Million! – pro Jahr den Arbeitgeber wechselt. Von 3,6 Millionen Beschäftigten wechseln eine Million Arbeitnehmer pro Jahr den Arbeitgeber, und nach der klassischen Logik haben die nie eine Chance, zu ihrer sechsten Urlaubswoche zu kommen.

Aber wir sind uns alle gleichzeitig einig, länger gesünder im Erwerbsprozess zu bleiben. Länger gesünder im Erwerbsprozess zu bleiben heißt: Ich muss auch irgendwo Phasen schaffen, wo die Menschen sich länger erholen können. Eine dieser Phasen ist unter anderem die sechste Woche. Es ist ja nirgends verhandelt worden, dass das im 25. Jahr passieren muss. Das ist nirgends verhandelt, es ist eine offene Verhandlung. Sie ist aber leider medial zugespitzt auf zwei Themen, die in Wirklichkeit nur Randthemen sind, weil auch viele, viele andere Punkte drinnen sind, wie zum Beispiel die Verschärfung der Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes. Es würde der österreichischen Wirtschaft enorm helfen, wenn ich dort noch mehr prüfen dürfte! Das würde wirklich enorm helfen. Und das ist auch in diesem Paket drinnen!

Daher würde ich wirklich bitten: Nehmen wir das Paket in Ruhe, diskutieren wir es in Ruhe! Wir werden das nach Ostern tun. Ostern wird uns alle erhellen, oder ... (Bundesrat Wilhelm: Pfingsten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Entschuldigung, das ist jetzt falsch ausgedrückt: Pfingsten wird uns alle erhellen, und irgendwann bei der Himmelfahrt wird es dann so weit sein. Darum würde ich wirklich bitten.


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Herr Bundesrat vom Team Stronach! Seien Sie mir nicht böse, aber drei Botschaften: Die Zahl der Insolvenzen in Österreich ist rückläufig! Wir haben nur ein paar spek­takuläre, aber die Zahl der Insolvenzen ist rückläufig. Ich habe den Insolvenzent­geltfonds innerhalb von zwei Jahren sanieren können, vorgesehen waren vier Jahre. Wir haben zum Glück eine rückläufige Zahl bei den Insolvenzen. Wir haben spektakuläre Namen, ja, und natürlich sind spektakuläre Namen immer eine Ge­schichte, das ist ja klar. Mir tun die alle leid, die mit den sehr spektakulären Namen. Ich war auch selber einer, der die Besitzerfamilie von DiTech besucht hat, sie ausge­zeichnet hat, weil sie dort zum Beispiel wirklich eine tolle Lehrlingsförderung hoch­gezogen haben, und, und, und. Mir tut das leid, was bei denen alles passiert ist. Aber wir haben, in Summe gesehen, nicht steigende Insolvenzenzahlen. – Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Erklären Sie den Menschen Ihr Konzept irgendwo, nur nicht hier. Warum? – In der Demokratie ist natürlich alles zulässig, aber ich muss Ihnen sagen: Wir haben derzeit eine durchschnittliche Pensionsbezugsdauer in diesem Land von 25 Jahren. Der Durchschnittsösterreicher und die -österreicherin, wenn man alles zusam­menrechnet, Beamte, Angestellte, Bauern, Gewerbetreibende, alles zusam­mengeschmissen: 25 Jahre, männlich und weiblich, verschnitten. So, und jetzt erklären Sie den Leuten: Du, nach 15 Jahren ist „c’est la vie“, baba und fall net!? – Das wird sich nicht ausgehen.

Wir haben andere Wege gewählt. Und zwar haben wir andere Wege gewählt, indem wir lebenslange Durchrechnung haben und, und, und, indem wir Teilpension entwickeln, wie schon gesagt wurde, indem wir die Altersteilzeit neu gestaltet haben, indem wir ein Abschlagssystem entwickelt haben, wo ich wirklich bitte, sich einmal hinzusetzen und zu schauen, was das heißt. Wenn Sie Pech haben, haben Sie als Korridorpensionist 30 Prozent minus – 30 Prozent minus!“ –, und das müssen Sie einmal wem erzählen! Ich gebe schon zu: Dann, wenn Sie Pech haben!; in einer ganz speziellen Konstellation kann sich das ausgehen. Aber wir haben ordentlich reformiert im Interesse des Gesamtsystems, um es aufrechtzuerhalten auch für diejenigen, die morgen und übermorgen kommen. – Das wollte ich Ihnen nur mitgeben.

Nun zur Zusammenlegung der Krankenversicherung, ein Punkt, der natürlich immer wieder kommen muss – der muss kommen, das ist ja keine Frage –: Bei sechs Krankenversicherungen machen Sie das System einmal teurer, denn das sind sechs Betriebskrankenkassen, wo die Firmen alles zahlen, was Verwaltungskosten betrifft. – Das ist einmal Punkt eins. Wenn Sie das machen wollen, dann sagen Sie es bitte, und wundern Sie sich dann nicht, wenn Sie dort keiner wählt.

Punkt zwei, das Nächste, ist: Wir haben bei den Gebietskrankenkassen einen Leis­tungskatalog, und wir haben die niedrigsten Verwaltungskosten von ganz Europa, weil wir die Verwaltung massiv schlank halten. Und eines muss ebenfalls dazugesagt werden: Auch wenn wir heute alle Krankenkassen zusammenwerfen, brauchen wir Landesdirektionen, weil wir durch die Gesundheitsreform eine Verländerung der gesamten Zielsteuerung auf die Bundesländer gemacht haben. Es passiert ja alles auf Bundeslandebene, und demzufolge brauche ich im Bundesland überall irgendeine Partie, die das verhandelt.

Entschuldigen Sie den Ausdruck „Partie“; ich meine eine Gruppe, die das tut. (Bun­desrat Zelina: Eine Arbeitsgruppe!) Ja, eine Arbeitsgruppe, danke. – Demzufolge ist da nicht wirklich eine Ersparnis gegeben. Wir haben eine schlanke Verwaltung, weil die meisten, die unter sogenannter Verwaltung laufen, nicht Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind, sondern das sind medizinische MitarbeiterInnen, medizintech­nische MitarbeiterInnen, die Leistung anbieten, von der Massage angefangen bis zu Zahnärztediensten.


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Das heißt, langer Rede kurzer Sinn: Ich darf Sie bitten, diesem Paket Ihre Zustimmung zu erteilen, weil wir uns bemüht haben, damit eine Antwort zu geben, vor allem für jene Gruppe von Menschen, um die es in Wirklichkeit geht, und das sind die älteren Arbeitslosen, denn die wirklich größte Sorgengruppe ist die Generation 50plus. Wenn die Generation 50plus arbeitslos wird, dann haben die Betroffenen ein echtes Problem; außer, sie sind in Branchen tätig, wo es eine Einstellungszusage gibt, aber überall anderswo haben sie ein Problem. Dieser Gruppe müssen wir ganz speziell helfen, und einer der Punkte des Helfens sind diese zusätzlichen Millionen! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.34


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin, ich erteile es dir.

 


18.35.10

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, das muss jetzt leider sein. (Bundesminister Hundstorfer: Ja, sicher!) Sie kommen ja immer mit Zahlen daher, bringen das sehr überzeugend, und man ist fast geneigt, es Ihnen zu glauben. (Bundesminister Hundstorfer: Na bitte!)

Aber der KSV sagt zu den Insolvenzen, also der Kreditschutzverband von 1870 sagt über die Insolvenzlage in Österreich im ersten Quartal 2014 – die Meldung ist vom 2.4.2014 –:

„In den ersten drei Monaten gab es gegenüber dem ersten Quartal 2013 einen Anstieg“, also keinen Rückgang, „der Insolvenzen um 1,1 Prozent. Es wurden 1 452 Un­ternehmen insolvent, das sind – umgelegt auf die Amtstage bei Gericht“, also Fünf­tagewoche, „täglich rund 23 Unternehmen. Der bisherige Abwärtstrend scheint beendet zu sein, und wir werden wohl 2014 wieder mehr, aber möglicherweise kleinere Fälle sehen als 2013“. Immerhin sind von den Insolvenzen 5 900, also fast 6 000 Mitarbeiter betroffen. Was abgenommen hat, ist die Höhe der Schulden – „um über 3 Prozent auf etwa 467 Millionen €“ –, was vielleicht erklären lässt, dass Sie den Insolvenzentgelt­sicherungsfonds ein bisschen schneller sanieren konnten.

Aber Tatsache ist, dass der KSV sagt: Die Zahl der Insolvenzen ist gestiegen! Hier stehen einander also zwei Zahlen oder Aussagen gegenüber, und da bitte ich jetzt doch um Aufklärung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Hundstorfer: Gern!)

18.36


Präsident Michael Lampel: Der Herr Bundesminister hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.36.48

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich gebe Ihnen gerne die Aufklärung: Reden wir zum Jahresende weiter! Dann wissen wir es. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber Sie haben ja so getan, als wäre es rückläufig!) Entschuldigung, 2013 haben wir einen Rückgang! Und wir haben das erste Quartal. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Frau Bundesrätin Mühlwerth, reden Sie doch nicht das System krank! Wir haben 2013 einen Rückgang gehabt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das muss ich gar nicht machen!) Wir haben ein paar total spektakuläre gehabt, ja. Und was jetzt im ersten Quartal ist, keine Frage, ist kein Minus: 1 Prozent plus. Aber schauen wir es uns zum Schluss des Jahres an! Ich sage Ihnen, zum Schluss des Jahres werde ich recht haben. (Bundesrat


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Krusche: Wir werden uns das merken!) So einfach ist das, so einfach ist die Welt. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

18.37


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.37.5813. Punkt

Jahresbericht 2014 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2014 und des Achtzehnmonats­programms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes sowie des griechischen Arbeitsprogramms (III-508-BR/2014 d.B. sowie 9160/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nunmehr zum 13. Tagesordnungspunkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Ich bitte um den Bericht.

 


18.38.25

Berichterstatter Richard Wilhelm: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Der Jahresbericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 liegt in schriftlicher Form auf. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Michael Lampel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Schmittner. Ich erteile es ihm.

 


18.39.01

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Mitglieder des Bundesrates! Verehrte Fernsehzuseher – vielleicht schaut der eine oder andere noch zu und erfährt etwas Interessantes! Ich habe keine Rede mit, die ich herunterlese. Es dauert nicht so lang. In der Kürze liegt die Würze, das ist heute das Motto. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau! – Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir merken, dass die EU-Wahl vor der Tür steht. Europa und die EU sind heute ein wichtiges Thema, und man versucht da, die Freiheitlichen in ein Eck zu drängen, nämlich dass wir gegen Europa wären. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Darf ich weiter­reden? – Moment!

Für uns Freiheitliche ist Europa keine heilige Kuh, kein Abstraktum, kein Phantom der Oper, sondern Europa sind wir und die Politiker, die wir dorthin schicken. Das ist es. (Beifall bei der FPÖ.)


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Von denen kann ich erwarten, dass sie zumindest zwei Dinge erledigen. Erstens, dass wir nicht die Melkkuh dieses Projektes sind, dass wir zumindest das herausbekommen, was wir einzahlen, und dass wir die Dinge regeln, die wir besser regeln können, und dass nicht eine Richtlinie nach der anderen kommt.

Ich glaube, das ist ein sehr kleiner Minimalstandard, und nicht mehr und nicht weniger hat der Abgeordnete Herbert gemeint. Ich glaube, es werden alle zustimmen, wenn ich sage, dass wir Dinge oft besser machen als die EU-Politiker und die Beamtenschaft.

Nun zum Bundesminister und seiner Richtlinie, da habe ich eine Frage: Wie fühlt man sich als österreichischer Minister – ich hoffe, das hören einige im Fernsehen –, der einen Bericht basteln lassen muss – auch nicht ganz freiwillig, meine ich –, und zwar auf der Grundlage eines griechischen Arbeitsprogramms?

Die Griechen, die bisher am Futtertrog der EU waren, die eigentlich – ich meine, was will man noch sagen – den Müßiggang par excellence auf unsere Kosten gelebt haben, basteln ein Arbeitsprogramm, das wichtige sozial- und arbeitsmarktpolitische Ziele festlegt. (Bundesrat Todt: Was soll das werden?)  Nein, ich stelle es nur fest. (Bun­desrat Todt: Was soll die Neiddebatte jetzt?) – Nicht Neiddebatte. Moment einmal! (Bundesrat Todt: Was soll das sein?) Das muss ja der Österreicher zahlen. Ich frage mich: Was fühlt ein österreichischer Minister – diese Frage darf ich ja stellen – auf der Grundlage eines griechischen Arbeitsprogrammes?

Ich meine, wir zahlen sehr viel. Sie wissen genau, die wirtschaftliche Lage, Kollegin Mühlwerth hat es angesprochen, ist äußerst angespannt. Wir in Salzburg haben nicht einmal mehr das Geld, um den Kindergartenzuschuss zahlen zu können. Der wird jetzt halbiert. Das ist ein Faktum.

Wir haben auch für das Schulfahrgeld kein Geld mehr, weil der öffentliche Haushalt de facto unfinanzierbar ist und wir sämtliche Wohnbaukredite an Banken verkaufen müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Füller.) Und da reden wir über eine Verstär­kung der Freizügigkeit des Arbeitsmarktes! Das bedeutet, dass diese EU-Bürger, Griechen, Portugiesen, die ich persönlich auch schätze, herkommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Die kommen ja nicht wegen der Arbeit her. Die haben ja schon gewonnen, wenn sie die Mindestsicherung und ein Wohngeld vom Sozialamt bekommen. Da haben sie mehr. (Heiterkeit bei Bundesminister Hundstorfer. Na, es ist ja so, Herr Bundes­minister. (Bundesminister Hundstorfer: Das ist Blödsinn!)  Das ist das Faktum, das ist nicht falsch.

Das ist es, Kollegen, warum die EU teilweise ungeliebt ist. Wir müssen wieder Euro­papolitik machen aus unserer Sicht, dass wir nicht die Zweiten sind. Das ist wichtig. Dann werden wieder mehr Leute zur EU-Wahl gehen. Denn, Sie werden sehen, die Wahlbeteiligung wird äußerst dürftig sein. Wir jedenfalls als FPÖ  Es geht um den Europäischen Sozialfonds, da wird auch wieder das Motto gelten: Österreich zahlt, die anderen kassieren!  Oder? Kennen Sie etwas Besseres? (Bundesrat Füller: Vielleicht hätten Sie die Rede vorbereiten sollen?! – Bundesrätin Grimling: Er hat sich nicht vorbereitet!) – Es ist immer so und so, und am Ende hat die FPÖ dann doch recht mit ihren Bedenken.

Sie sind ja heute besonders FPÖ-kritisch gewesen, Herr Kollege, aber da müssen Sie mir doch recht geben. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Perhab hält die Zeitung „Die Presse“ vom 8. April 2014 mit der Schlagzeile „FPÖ: Was wäre Strache ohne Mölzer?“ in die Höhe. – Bundesrat Brunner: „Was wäre Strache ohne Mölzer“?) – Was hat Mölzer jetzt da verloren?


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Also da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Strache ist auch ohne Mölzer der Strache und wird erfolgreich Wahlen schlagen, weil die Leute ihm und der FPÖ gerade in der Europapolitik vertrauen, weil wir nicht sagen, Österreich zuerst, aber dass Österreich ein wichtiger Teil in Europa ist und nicht einer unter vielen und immer nur die Melkkuh. Darum wird die FPÖ diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. (Bun­desrat Stadler: Da bin ich überrascht! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Ein Paukenschlag, aber vielleicht auch mit gutem Grund.

Eines darf ich Ihnen auch noch sagen: Mich hat heute die Rede des burgenländischen Landeshauptmanns Niessl fasziniert. Der hat gesagt, er will die Stärkung des Bundesrates, weil der Bundesrat diese zentralistischen Elemente des Nationalrates ausgleichen kann, der ist dem Bürger verantwortlich. Was soll ich morgen am Stammtisch den Salzburgern sagen? Dass wir auf Grundlage eines griechischen Arbeitsprogrammes Sozial- und Arbeitspolitik machen. Dann sagen sie: Hast du da nichts dagegen gesagt? Dann schicken wir dich gar nicht mehr runter nach Wien! – So wird es auch vielen anderen gehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Hundstorfer.)

18.45


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Inge Posch-Gruska. – Bitte.

 


18.45.09

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ein Teil meiner Kollegen, die hier herinnen sind! Also mir geht es so, wie der Herr Minister gerade gesagt hat: Ich bin fassungslos. Herr Kollege, wenn Sie keine Zeit gehabt haben, sich auf diese Rede vorzubereiten, hätten Sie es doch gesagt! Wenn Sie morgen nicht wissen, was Sie am Stammtisch erzählen sollen, kann ich es Ihnen beim Hinausgehen sagen. Ich habe nämlich nach Ihrer Rede wirklich einige Pointen zu erzählen. Man glaubt es nicht!

Man glaubt es wirklich nicht, dass sich jetzt jemand traut, sich hier herzustellen und den Minister zu fragen, wie er sich fühlt, wenn Griechen so ein Programm vorlegen und er dieses verhandeln soll! Wie können Sie sich das trauen?! Ich meine das wirklich ernst. Wo haben Sie Politik gelernt? Sie waren Landesgeschäftsführer der Frei­heit­lichen Partei in Salzburg, glaube ich. – Nicht? Aber Sie haben, glaube ich, eine Landesfunktion gehabt. Es ist mir eigentlich egal. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Ich frage mich: Sie arbeiten in einer Partei, wo es mehr verurteilte Mandatare gibt als in jeder anderen. Sie arbeiten in einer Partei, wo der Rechtsruck so stark ist, dass die Spitzenkandidaten zurücktreten müssen. Sie arbeiten in einer Partei, die das Geld zum Fenster hinausgeschmissen hat, und jetzt trauen Sie sich über andere zu richten? Bitte hören Sie auf damit! Hören Sie bitte auf! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Man kann unser System krankreden wenn man will, das ist richtig. Aber wenn man für die Menschen arbeiten, etwas verändern will, soll man es nicht krankreden. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) Die Kollegin Mühlwerth hat heute gesagt, vielleicht treiben wir es manchmal an die Spitze, wenn wir über die EU reden. Das tun wir vielleicht alle. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir formulieren überspitzt, das ist etwas anderes!) – Ich bin noch nicht fertig. Das tun wir alle irgendwann einmal, das gebe ich schon zu. Genau das haben Sie auch gesagt. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht.

Aber was ich nicht will, ist, dass sobald irgendwann irgendwo das Wort EU kommt, die Freiheitlichen sofort sagen: Auf gar keinen Fall, wir wollen damit gar nichts zu tun haben; aber wir setzen unsere Mandatare hinaus, lassen sie da draußen sehr wohl


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arbeiten und das Geld nehmen. Aber die arbeiten nach dem gleichen Programm, das möchte ich auch dazusagen. Also überlegt euch das bitte wirklich sehr gut!

Von den heutigen 18 Tagesordnungspunkten nur bei fünf Tagesordnungspunkten dafür stimmen, bei allen anderen dagegen sein – bitte denkt darüber nach, dass ihr wirklich für die Leute arbeiten solltet! Es kann nicht sein, dass alles schlecht ist, was da herinnen gemacht wird. Nur Populismus wird auf die Dauer nicht zählen, das wird nicht gehen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich darf jetzt über dieses Grundprogramm, über das wir vorher geredet haben, weiter reden. Ich glaube, dass es ein sehr gutes Grundprogramm ist und dass diese Initia­tiven, die hier getroffen werden, sehr gute Initiativen sind. Eine dieser Initiativen ist, dass der Waren- und Dienstleistungsmarkt für Personen mit Behinderung und ältere Menschen auf Grundlage dieses Konzeptes des barrierefreien Zuganges verbessert werden soll.

Ich möchte mich jetzt gar nicht mehr viel auslassen. Wir haben heute schon sehr viel gehört über den Arbeitsmarkt, über die älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, wie wichtig das ist. Gerade die Menschen sind es, die Angst haben, den Job zu verlieren, die Angst haben, nicht mehr arbeiten gehen zu können. Da wird etwas gemacht, da wird etwas getan.

„Paket zur Mobilität der Arbeitskräfte“: Die Freizügigkeit von Personen innerhalb der EU soll durch eine bessere Koordinierung der Systeme, der sozialen Sicherheit erleichtert werden. – Eigentlich habe ich geglaubt, dass da Inhalte kommen werden von der FPÖ, die dagegen spricht, aber auf Inhalte habe ich heute umsonst gewartet.

„Einrichtung einer Plattform zur Bekämpfung der Schwarzarbeit“: Da hat das Bur­genland – ich habe es heute am Vormittag schon einmal sagen können – einen Arbeitsschutzschirm entwickelt, der, glaube ich, ein sehr guter und wichtiger Arbeits­schutzschirm ist, gemeinsam mit der Wirtschaftskammer, mit der Arbeiterkammer, den Sozialpartnern und dem Land Burgenland. Ich glaube, dass es ein guter und wichtiger Schritt ist. Auch hier wird im ersten Halbjahr etwas gemacht.

„Vorlage einer Mitteilung über die Schaffung von Arbeitsplätzen in der ‚grünen Wirtschaft‘“: Auch über diesen Punkt haben wir betreffend das Burgenland heute schon etwas gehört, nämlich dass wir gerade bei der Windenergie oder überhaupt Energie sehr, sehr große Fortschritte gemacht haben.

Ein Punkt, den ich herausgreifen möchte, ist die Inangriffnahme des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern – Förderung des gleichen Entgeltes um das anhaltende Lohngefälle zu verringern. Auch wir in Österreich haben es mit der selbstverpflich­tenden Quote probiert, und auch in der EU ist es probiert worden. Am 1. März 2011 wurde die Initiative „Mehr Frauen in Unternehmensvorständen – Selbstverpflichtung der Unternehmen“ gestartet.

Die Initiative galt für alle börsennotierten Unternehmen Europas. Für Aufsichtsräte war Folgendes geplant: Bis 2015 sollen 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten sitzen, bis 2020 sollten es 40 Prozent sein. Von der Unternehmerseite ist das leider nicht wirklich umgesetzt worden. Es gab leider keine Fortschritte. Europaweit liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten nach wie vor bei nur 15 Prozent.

Ich glaube, dass wir mit dieser Regierungsvorlage wirklich eine Chance haben, da etwas zu verändern, wirklich mehr Frauen in führende Positionen zu bekommen, was ein wichtiger und richtiger Schritt ist.

Ich möchte dazu aber auch gleich sagen, dass diese Regierungsvorlage auch besagt, dass dies auf KMUs keine Anwendung finden soll. Die KMUs sind in dieser Richtlinie


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folgendermaßen definiert: weniger als 250 Personen und Jahresumsatz von maximal 50 Millionen € im Jahr. Ich glaube, dass das sehr, sehr wichtig ist und dass wir hier darauf schauen müssen.

Auch wir in Österreich haben im Ministerrat eine Frauenquote beschlossen, und zwar auch 2011 und auch selbstverpflichtend. In Österreich schaut die Frauenquote so aus, dass wir auf Geschäftsführungsebene 5,6 Prozent Frauen haben. Von 620 Vorstands­positionen sind 35 weiblich und in Aufsichtsräten sind Frauen zu 13,5 Prozent ver­treten. Das heißt, die Hälfte aller Unternehmen haben überhaupt keine Frauen in Auf­sichtsrat oder Geschäftsführung.

Ich glaube, dass die Europäische Union uns da sehr helfen kann, uns auch sehr helfen wird. Ich glaube, das ist ein guter Ansatz, der sich mit der österreichischen Politik wirk­lich sehr gut vereinbaren lässt. Ich glaube, dass hier im Sinne aller Österreicherinnen und Österreicher mit Österreich in der EU eine hervorragende Politik gemacht wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.52


Präsident Michael Lampel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.52.11

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verbliebene Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen zu Hause! Kollege Schmittner! Frau Kollegin Posch-Gruska hat Sie eigentlich schon auf den richtigen Weg gewiesen. Es wird schwierig, Ihre Wortmeldung zu kommentieren, weil Sie insgesamt natürlich, glaube ich, kabarettistisch war, aber inhaltlich sehr falsch. Jedenfalls war vieles falsch.

Wenn ich zum Beispiel an Ihre Forderung denke, dass alles, was Österreich in die EU einzahlt, wieder herauskommen soll: Wenn die Nettozahler einzahlen und jeder seinen Beitrag herausbekommt, gibt es keine Umverteilung in der EU. Das ist ja ein logisches Modell. Das wird das Modell Schmittner auch nicht auflösen. Also das ist eine sen­sationelle Finanzierungsvariante, habe ich noch nie gehört in dieser Ausprägung, Herr Kollege. Sie befassen sich offensichtlich zu wenig mit der EU insgesamt, beziehungs­weise eure Partei. (Ruf bei der FPÖ: Zu viel!)

Wenn ihr auch jetzt gegen diesen Bericht stimmt, muss ich sagen: Ihr habt gegen alle EU-Berichte gestimmt, auch wenn es um Vorhabensberichte, um Informationen, um vorausschauende Informationen des Sozialministeriums ging. Ihr würdet auch gegen einen Bericht stimmen, wenn man 40 Seiten lang auf jeder Seite immer nur einen Satz schreiben würde: „Die Freiheitlichen sind die Besten.“ Auch dann würdet ihr dagegen stimmen, nur weil „EU“ draufsteht. Das ist ja vollkommen falsch! Unglaublich! (Heiter­keit und Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Was können die armen Griechen dafür, wenn sie den Vorsitz haben und diesen Vorsitz ernst nehmen und eben entsprechend Vorschläge für die Weiterentwicklung der Euro­päischen Union machen? Ja, sie haben abgewirtschaftet, die Griechen. Das wissen wir alle. Wir wissen auch, warum das geschehen ist. Aber sie jetzt zu verdammen und als Europäer dritter oder vierter Klasse zu bezeichnen, finde ich grenzwertig, Herr Kollege Schmittner. Das finde ich grenzwertig! (Neuerlicher Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich möchte nicht persönlich werden, aber trotz Ihrer wirklich eleganten weißen Brille fehlt Ihnen offensichtlich manchmal, was die EU anbelangt, der Durchblick, Herr Kollege Schmittner, tut mir leid! (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Was dieses Programm, den Jahresbericht des Ministeriums für Arbeit und Soziales und natürlich das Achtzehnmonatsprogramm betrifft, ist mir schon klar, dass das


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Achtzehnmonatsprogramm jetzt ausläuft. Wir haben aber trotzdem vorausschauend in Bezug auf den Griechenland-Vorsitz und den Italien-Vorsitz seitens des Sozialminis­teriums ganz klare Vorgaben gemacht. Da sind ganz wesentliche Punkte dabei, die uns auch im Sozialbereich weiterbringen, und das ist entscheidend.

Da geht es um die Förderung des Wirtschaftswachstums im Hinblick auf die Beschäfti­gungssituation – das ist ein wichtiger Punkt –, um die Umsetzung der Strategie 2020, die Erleichterung von Mobilität von Arbeitnehmern sowie um den Kampf gegen Schwarzarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, über den heute schon sehr intensiv diskutiert wurde. Ich erspare mir jede weitere zusätzliche Äußerung, denn es soll ja bei uns im Plenum wieder Frieden einkehren, was das anbelangt.

Auch der Steuerbetrug soll im Mittelpunkt stehen, und das ist noch ein Schwerpunkt des griechischen wie auch des italienischen Vorsitzes.

Beim Thema Wachstum stehen der mehrjährige Finanzrahmen sowie die Program­mierung der Struktur- und Investmentfonds im Mittelpunkt der Bemühungen. Das soll man herausstreichen. Darüber hinaus geht es auch um die Stärkung der Arbeit­nehmerInnenmobilität, um den Abbau von Hindernissen bei der Freizügigkeit zum Beispiel. Es geht auch darum, das Potential der Wachstumssektoren zu steigern.

Zentrales Thema – und das ist auch wichtig, das soll man unterstreichen – ist die Um­setzung der Jugendgarantie. Österreich hat da sehr, sehr viel vorzuweisen. Wir sind im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit diejenigen, die die geringste Arbeitslosigkeit haben. Das ist ein ganz wichtiger Faktor.

Außerdem ist in der EU unsere duale Ausbildung als Best-Practice-Modell ganz dick angekreuzt und angeschrieben. Da kann man nur immer wieder erwähnen, dass die EU beziehungsweise Europa immer wieder nach Österreich schaut und uns bewundert wegen unseres hervorragenden dualen Ausbildungssystems. Das ist eine Erfolgs­geschichte (Beifall bei ÖVP und SPÖ), und selbstverständlich ist es gut, wenn die EU auch insgesamt gegen die Jugendarbeitslosigkeit etwas tut.

Ich mache jetzt noch den Grünen eine Freude. Ein wichtiger Punkt: Mehr Jobs der „grünen Wirtschaft“. Klingt doch gut, oder? Dabei geht es um Mobilitätsförderung, Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und so weiter.

Es gibt ein konkretes Programm der Kommission dazu, European Accessibility Act – nicht leicht auszusprechen, das ist der Europäische Rechtsakt über die Zugänglichkeit zu Waren und Dienstleistungen. „Mit dieser Initiative soll der Waren- und Dienstleis­tungsmarkt für Personen mit Behinderungen und ältere Menschen auf der Grundlage des Konzepts des barrierefreien Zugangs verbessert werden.“ – Das hat die Frau Kollegin Posch-Gruska sehr richtig erwähnt.

„Weiters auf der Agenda steht das ‚Paket zur Mobilität der Arbeitskräfte‘, wodurch die Freizügigkeit von Personen innerhalb der EU durch eine bessere Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erleichtert werden soll. Überdies geplant sind die Einrichtung einer Plattform zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, die Vorlage einer Mitteilung über die Schaffung von Arbeitsplätzen in der ‚grünen Wirtschaft‘ sowie Initiativen zur Verbesserung des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern.“

Das also in aller Kürze. Das war ein Auszug aus diesem inhaltlich wirklich aus­gezeichneten Bericht. Ich bedanke mich, Herr Minister, für die Übermittlung des Berichtes. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.58


Präsident Michael Lampel: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich ganz herzlich Frau Bundesministerin Doris Bures begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)


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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


18.58.30

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Bun­desrat Füller: Bitte keine Schwarzarbeitsdebatte!) – Keine Angst, es kommt keine Schwarzarbeitsdebatte.

Herr Kollege Schmittner! Mir hat es wirklich den Magen umgedreht. (Bundesrat Schmittner: Ich hoffe, Sie haben nichts gegessen vorher!) – Ist, glaube ich, auch besser so. Wissen Sie, ich glaube, wir alle haben unsere unterschiedlichen ideologi­schen Zugänge, aber das Fundament sollte immer die Wahrheit sein, egal welcher politischen Couleur man angehört.

Wenn Sie hier herauskommen und das von sich geben – und ich versuche in den meisten Fällen wirklich, die Person vom Inhalt zu trennen –, bin ich einerseits froh, dass Sie diese Möglichkeit haben, denn dann wissen die ZuseherInnen zu Hause, was sie zu wählen haben und wer ihre Vertreter sind. Das ist mir lieber, als dass Menschen mit diesem Gedankengut in irgendwelchen Hinterzimmern und Kellern das von sich geben und die Leute den Blödsinn auch noch glauben.

Hier herinnen haben wir nämlich die Möglichkeit, etwas klarzustellen. Ich möchte jetzt auf die Punkte, die Sie angesprochen haben, replizieren. Sie haben nämlich suggeriert, dass EU-Bürger nach Österreich kommen können und gleich Anspruch auf Sozial­leistungen, Arbeitslosengeld oder Sonstiges haben. (Bundesrat Schmittner: Erleich­tert!) – Bitte?

Ich möchte etwas festhalten, damit der Herr Bundesminister nicht so viel richtigstellen muss: Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ist ein Kernelement der EU und des Bin­nen­marktes. EU-Bürger haben das Recht, sich überall in der EU unter gleichen Bedingungen wie Inländer um einen Job zu bewerben. Es gibt aber kein EU-Recht, wo allein mit dem Aufenthalt in einem anderen EU-Land ein Anspruch auf Sozialleistungen verknüpft ist.  Na, da schau her! Ganz im Gegenteil: Die Freizügigkeitsregeln sehen vor, dass jedes Land bei Missbrauch der Freizügigkeit eine Abschiebung und ein Wie­dereinreiseverbot verhängen kann. In Österreich, im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern, müssen sich selbst EU-Bürger bei der Fremdenpolizei melden. Wenn sie dann keinen Job haben oder den Job verlieren, dann haben sie einen Anspruch auf Unterstützung, und das maximal für die Dauer von 6 Monaten.

Das heißt, unter bestimmten Bedingungen haben EU-Bürger auch Anspruch auf Sozialleistungen. Das stimmt. Aber der Anspruch auf Sozialleistung setzt voraus, dass man einer Beschäftigung nachgegangen ist. Das heißt, es kann nicht irgendwer aus Rumänien, Bulgarien oder sonst woher kommen und gleich einen Antrag auf Sozial­hilfe stellen. Das geht nicht, und das gibt es nicht. Erst nach einem Daueraufenthalt von fünf Jahren haben sie einen Anspruch. Einen Anspruch auf die Mindestsicherung haben EU-Bürger schon, allerdings nur, wenn sie in einer Notsituation sind, aber dann müssen sie auch gewillt sein, eine Arbeit anzunehmen. Wenn sie das nicht machen, können sie auch wieder des Landes verwiesen werden, wenn sie keinen Nachweis über ein ausreichendes Einkommen – das ist die Mindestsicherung in der Höhe von circa 850 € – vorlegen können.

Auf Arbeitslosengeld haben sie nach 52 Wochen, in denen sie eingezahlt haben, Anspruch, genauso wie jeder andere Arbeitnehmer in Österreich, der einer Beschäf­tigung nachgeht. Dann gibt es noch eine Statistik darüber, wie viele Österreicher Arbeitslosengeld beziehen und wie viele EU-Bürger und wie viele davon wiederum rumänische oder bulgarische Staatsangehörige sind. Nur in aller Kürze: Das sind


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ungefähr 1,1 Prozent der Menschen, die Arbeitslosengeld beanspruchen. Auf Familien­beihilfe haben sie auch Anspruch.

Das ist der nächste und der letzte Punkt der Richtigstellung: Auch andere Politiker Ihrer Gesinnung haben bereits des Öfteren in der Vergangenheit prophezeit, dass mit der Arbeitsmarktöffnung ein riesengroßer Ansturm zu befürchten wäre. Seit der Arbeits­marktöffnung in den Jahren 2004 bis 2005 haben wir eine Zuwanderung von etwa 30 000 ArbeitnehmerInnen gehabt. Diese 30 000 ArbeitnehmerInnen sind überwiegend in Bereichen tätig, für die wir keine Arbeitskräfte finden, zum Beispiel im Pflegebereich. Das war es zu dem Punkt.

Wir können unterschiedliche Zugänge und Meinungen haben, aber ich glaube, unser gemeinsames Fundament sollte immer die Wahrheit und die Faktenlage sein. So, wie Sie das dargestellt haben, war das schlicht und einfach falsch. Das war entweder eine bewusste Irreführung der ZuseherInnen oder Sie wollten sich wie jemand darstellen, der zum Brand eilt, der aber in Wirklichkeit Benzin im Kanister hat. Das lasse ich so sicher nicht unkommentiert. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Eigentlich wollte ich einen Input zum Bereich Praktika und die ganze Problematik, die es in diesem Bereich gibt, geben. Ich werde mich ganz kurz fassen. Unsere Ziele bei diesem Punkt sind die Beseitigung aller arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Grauzonen, die Abschaffung von Volontariaten und freiwilligen Praktika, eine einheit­liche und klare Definition und Regelungen für alle Pflichtpraktika sowie Sozialver­sicherung und Mindestentschädigung für alle Praktika. Das könnte man zum Beispiel in einem PraktikantInnenausbildungsgesetz regeln. Wir fordern Qualitätsstandards und eine öffentliche Datenbank für alle Pflichtpraktika.

Ich möchte auch dem Herrn Bundesminister ein Dankeswort aussprechen. Sie haben in diesem Bereich einige Probleme wirklich erkannt. Wir sind diesbezüglich auf dem richtigen Weg, diese Grauzonen, die es gibt, abzubauen. Alle werden wir natürlich nicht gleich auf Anhieb beseitigen können, aber wir und Sie sind mit Ihren Mit­arbeiterInnen auf dem richtigen Weg. Dafür möchte ich Ihnen einfach danken. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

19.04


Präsident Michael Lampel: Zu Wort hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer gemel­det. – Bitte.

 


19.05.05

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Sie machen es einem wirklich schwer. Ich weiß nicht, ob Sie das sehr bewusst gemacht haben, ob es Ihnen Spaß macht oder ob Sie glauben, dass Sie damit Wählerstimmen lukrieren. Ich weiß es nicht, aber es ist notwendig, Dinge aufzuklären.

Erstens: Wer ist Europa? – Das sind wir. Das ist niemand anderer. Dieses Europa hat Spielregeln, aber die haben wir uns gegeben. Wir, alle Mitgliedstaaten, haben zuge­stimmt, dass alle 6 Monate die Präsidentschaft rotiert. Wir haben aber auch zuge­stimmt, dass die Präsidentschaft alleine überhaupt nichts machen kann, sondern die Präsidentschaft ist ein Trio. Das war Punkt eins.

Durch Zufall des Lebens ist jetzt Griechenland dran. Ich hätte mir Ihre Wortmeldung gerne angehört, wenn Österreich jetzt dran gewesen wäre. Da gäbe es wahrscheinlich Schweigen im Walde. (Bundesrat Himmer: Da wär nichts Gescheites dabei heraus­gekommen!)

Zweitens: Was macht diese Präsidentschaft? – Sie sammelt Ideen der Mitgliedstaaten ein, und die Mitgliedstaaten geben das Programm vor. Sie haben zum Beispiel


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Griechenland hier lächerlich gemacht, aber was heißt das für Österreich? – Keine Bekämpfung der Schwarzarbeit als Schwerpunkt, keine Jugendgarantieumsetzung als Schwerpunkt, keine Fragen der Mobilität der Arbeitskräfte, keine Verbesserung für Menschen mit Behinderungen. All das sind Schwerpunkte dieser griechischen Präsi­dentschaft.

Denken Sie doch über Ihre Worte nach, bevor Sie sie verwenden, bevor Sie eine Institution lächerlich machen, oder sagen Sie die Wahrheit! Ich will das alles nicht! Ich habe genug davon! – Sagen Sie das einmal laut und deutlich und kommen Sie doch nicht mit diesem populistischen Schmäh. Der populistische Schmäh, ich weiß schon, der kommt gut an. Das ist keine Frage. Auf ARTE hat es unlängst am Sonntag eine tolle Serie über Populisten in Europa gegeben. Das Pech war, dass Sie darin nicht vorgekommen sind. (Heiterkeit im Saal. – Bundesrätin Mühlwerth: Aber Sie würden auch gut reinpassen!) Es sind andere vorgekommen. Sagen Sie doch die Wahrheit! Fakt ist, Sie wollen dieses gemeinsame Europa nicht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Hören wir doch auf mit der Geschichte, dass die Portugiesen uns überrollen, die Spanier uns überrollen, dass uns alle überrollen! Schauen wir uns das einmal an! Spanien: Wir haben mit Stichtag Ende Februar 2 600 spanische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich beschäftigt. Die haben wir. Wissen Sie wie viele Österreicher in Spanien leben? – 12 500. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind die Pensionisten!) Nur damit man eine Relation sieht.

Es wird auch immer gesagt, die Rumänen erschleichen sich die Ausgleichszulage. Schauen Sie sich das doch einmal an! Sie erschleichen sie nicht, sondern es haben ganz legal 300 Rumänen die Ausgleichszulage. Wissen Sie wie viele Österreicher in der Schweiz die Schweizer Ausgleichszulage haben? – 1 300, weil die dort ihr ganzes Leben lang gehackelt haben, aber nicht so gehackelt haben, dass sie ausreichend Pension haben. Sie haben Anspruch auf die Schweizer Ausgleichszulage aufgrund des Versicherungssystems.

Sagen Sie doch bitte nicht der Bevölkerung, bei uns kann man die Mindestsicherung sofort erschleichen! Wissen Sie, dass wir derzeit auch ein Best-Practice-Beispiel sind, weil wir den Fehler nicht gemacht haben, den 2003 die Bundesrepublik gemacht hat? Die Bundesrepublik hat 2003 die Anmeldebescheinigung für EU-Bürger abgeschafft. Wir haben das nicht gemacht. Wir haben zum Beispiel, um den Herrn Abgeordneten zu ergänzen, voriges Jahr 101 EU-Bürger abgeschoben, weil sie die Grundvoraus­setzun­gen der Anmeldebescheinigung nicht erfüllen konnten. Wir schauen schon hin. Da brauchen wir aber Sie nicht dazu. Das machen wir selber. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir wollen faire Spielregeln in diesem gemeinsamen Europa. Faire Spielregeln heißt, es ist für alle fair, heißt aber auch getragen von Toleranz, heißt getragen vom Miteinander. Soll das aber auch heißen, dass das, was wir gerne konsumieren als Oberösterreicher, als Salzburger, als Tiroler, als Vorarlberger, nämlich in Deutschland, in der Schweiz, in Liechtenstein zu arbeiten, auf einmal für den Ungarn nicht gelten soll, der bei uns hackelt? – Das ist nicht fair. Fairness bedeutet, zu schauen, ob es ordentliche Lohnbestandteile gibt, ob unsere Lohn- und Sozialbestimmungen einge­halten werden. – Das ist Fairness.

Viele Sozialleistungen sind bei uns Versicherungsleistungen, wofür die Menschen etwas erbringen müssen, um irgendwann einmal diese Versicherungsleistung zu konsumieren oder auch nicht zu konsumieren. Ich wünsche den wenigsten, dass sie eine Arbeitslosenversicherungsleistung konsumieren müssen. Ich wünsche den wenigsten, dass sie eine Krankenversicherungsleistung konsumieren müssen. Mir wäre am liebsten, alle wären gesund. Wir wissen aber, dass das statistisch nicht so ist, aber das sind alles Versicherungsleistungen. Das ist doch kein Geschenk, sondern da


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musst du eine Leistung erbringen, um das Ganze zu bekommen! Wir schenken das doch nicht her!

Genauso prüfen wir, ob man einen Anspruch auf Mindestsicherung nach gewissen Kriterien hat. Kein Einziger bekommt eine Leistung, wenn er von irgendwo herkommt und sagt: Da bin ich jetzt! Ich möchte die Mindestsicherung!  Kein Einziger bekommt das, niemand. Wir sind sehr streng und prüfen ganz genau, um dieses gemeinsame Europa auch gemeinsam weiter zu gestalten zu diesen fairen Bedingungen. Das möchte ich Ihnen mitgeben, wissend, dass es wahrscheinlich nichts helfen wird. Was immer Sie morgen am Stammtisch erzählen, erzählen Sie. Aber das ist auch nicht das Thema. (Heiterkeit im Saal.)

Wir, die Parteien, die sich zu Europa bekennen, werden uns sehr, sehr bemühen, gewisse Märchen nicht Realität werden zu lassen. Europa muss man täglich erar­beiten. Das ist so, wie in jeder Partnerschaft auch. So, wie in Betrieben täglich zu schauen ist, ob etwas passt oder nicht, genauso ist es auch bei Europa. Europa kommt nicht von allein, sondern Europa sind wir. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

19.11


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.12.3614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (26. StVO-Novelle) (14 d.B. und 57 d.B. sowie 9147/BR d.B. und 9161/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nunmehr zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich bitte um den Bericht.

 


19.13.04

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Michael Lampel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte.

 


19.13.39

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich weiß ich, dass die 26. Novelle der Straßenverkehrsordnung nicht diese Emotionalität in sich birgt, dass sie zu


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Diskussionsbeiträgen wie den jetzt vorangegangenen führen wird (Bundesrat Stadler: Gott sei Dank!), aber ich glaube, dass es ein wichtiger Schritt hin zu mehr Verkehrs­sicherheit ist.

Der Gesetzgeber folgt in diesem Fall der Empfehlung des Kuratoriums für Verkehrs­sicherheit, wenn in Hinkunft Lkws mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen auf dreispurigen Autobahnen – in Österreich sind das 700 Kilo­meter – beziehungsweise auch auf vierspurigen Autobahnen – diese umfassen 400 Kilometer – das Befahren des jeweils äußerst links gelegenen Fahrstreifens verboten ist. In den Nachbarländern Deutschland, Schweiz und Italien gelten diese Regelungen bereits, und wir wissen, dass sie sich dort bewährt haben. Es ist somit fast logisch, wenn Österreich, das ja auch ein wichtiges Transitland für den Lkw-Verkehr ist, da nachzieht.

Schließlich spricht auch die Unfallstatistik eine deutliche Sprache. Lkws sind auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen deutlich häufiger in Unfälle verwickelt als Pkws. Nur 11 Prozent des Verkehrsaufkommens auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen stammen von Lkws, sie sind aber an 22 Prozent der Unfälle mit Personenschaden beteiligt.

Ein wesentlicher Grund dafür ist der große Geschwindigkeitsunterschied zwischen Lkws und Pkws, das wissen wir, wie ich meine, alle, wobei Überholmanöver und der damit verbundene Spurwechsel ein erhebliches Gefahrenpotenzial in sich bergen. Jeder, der wie ich jährlich zwischen 50 000 und 60 000 Kilometer auf Österreichs Autobahnen fährt, weiß, wovon da im Grunde genommen die Rede ist.

Daher ist das nunmehrige Einbremsen der Lkws als wichtiger Schritt zu begrüßen. Das Fernziel müsste allerdings weiterhin bleiben, den Schwerverkehr, durch welche Maßnahmen auch immer, noch stärker von der Straße wegzubringen und auf die Schiene zu verlagern. Das würde nicht nur zu größerer Verkehrssicherheit beitragen, sondern auch einen immensen Beitrag zur Reduktion der Umweltbelastung darstellen.

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf einige weitere Änderungen hinweisen, die die StVO-Novelle mit sich bringt. Sie betrifft die Aufnahme der Fahrzeuge der Finanzverwaltung in § 26a StVO – ich hoffe, dass ich das so richtig auf den Punkt bringe –, die im Auftrag der Betrugsbekämpfung unterwegs sind. Bisher zählte die österreichische Finanzverwaltung nicht zum öffentlichen Sicherheitsdienst, weshalb sie bei Fahrten ohne Blaulicht beziehungsweise Folgetonhorn die Verkehrsvorschriften einzuhalten hatte. Jetzt kann man sich vorstellen, dass für die Bediensteten der Finanzverwaltung, die nicht mehr als 130 km/h fahren durften, wenn sie Betrüger verfolgten oder jemanden observierten, der mehr als 130 km/h fuhr, die Verfolgungs­jagd unweigerlich zu Ende gegangen ist und sich der Betrüger absetzen konnte. Dies erinnert mich ein bisschen an „Kottan ermittelt“.

Mit der nunmehrigen Novelle dürfte aber in Hinkunft Betrügern, die observiert werden, vermehrt das Lachen vergehen. Das Manko ist nun, wie ich meine, beseitigt worden. Das ist gut so.

Meine Fraktion wird der 26. StVO-Novelle zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anneliese Junker. Ich erteile es ihr.

 


19.17.55

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner, Bundesrat


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Novak, hat die Gesetzesnovelle auf das Genaueste erläutert. Ich kann also meine Ausführungen ganz kurz halten.

Auch die Wirtschaft steht zu dieser Novelle und steht zum Lkw-Fahrverbot auf der dritten und vierten Fahrspur auf Autobahnen und Schnellstraßen, denn den Unter­nehmerinnen und Unternehmern ist die Sicherheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wichtig, und diese Novelle ist ein Schritt zu mehr Sicherheit.

Wie wir alle wissen und wie auch schon mein Vorredner ausgeführt hat, sind die Lkw-Unfälle meistens die schwereren Unfälle, und nicht selten gibt es auch Todesfälle. Dies lässt sich hoffentlich mit dieser Novelle vermeiden. Wer ist noch nicht auf der Über­holspur gewesen und hat sich, als ein Lkw-Fahrer einen anderen Lkw-Fahrer überholen wollte, gedacht, das dauert ja Jahre, bis das Überholmanöver endlich vollzogen ist. (Heiterkeit.) Dieses Gefühl, dass das Jahre dauert, kann natürlich zu Unachtsamkeit und zu unüberlegten Handlungen führen.

Darum treten wir für diese Novelle ein. Wir von der ÖVP stehen zur Verkehrssicherheit auf unseren Straßen und stimmen der Regierungsvorlage zu, damit sie mit 1. Juni in Kraft treten kann. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.19


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerhard Dörfler. – Bitte.

19.19.27

 


Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Bundes- und Weltraum­minister! Ich darf Ihnen gratulieren, dass Sie auch den Raum rund um Österreich mit sicherer Hand gut gestalten und verwalten.

Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme gleich ein Stichwort aus Tirol auf, wir werden natürlich dieser Novelle zustimmen, aber ich möchte einmal klarstellen, dass der Lkw nicht als Ungetüm auf Österreichs Straßen unterwegs und der Hauptverursacher von Verkehrsunfällen ist.

Ja, sie sind groß, mächtig und stark. Aber man muss einmal die Unfallbilanz 2013 analysieren. 453 Todesopfer mussten wir leider im Jahr 2013 auf Österreichs Straßen verzeichnen, es ist aber erfreulicherweise das mit Abstand niedrigste Unfallstatistik­ergebnis. 42 Prozent davon, nämlich 189, waren Pkw-Lenker. An zweiter Stelle kommt das Motorrad, in erster Linie ein Freizeitfortbewegungsgerät, mit 89 Todesopfern oder 19,6 Prozent. An dritter Stelle in der Unfallstatistik sind traurigerweise die Schwächs­ten, die Fußgänger, mit 80 toten Verkehrsteilnehmern oder 17,6 Prozent. An vierter Stelle kommt der in vielen Regionen Österreichs stark steigende Fahrradverkehr mit 51 toten Radfahrern in Österreich oder 11,2 Prozent. Der Lkw kommt erst auf Platz 5 mit 20 Todesopfern oder 4,4 Prozent.

Die Unfallstatistik zeigt also eindeutig und klar auf, dass nicht der vielgescholtene Lkw-Lenker die meisten Unfälle mit Todesfolgen verursacht. Und da möchte ich mich auch bei vielen bedanken, die eine hervorragende Ausbildung machen, auch bei den Unter­nehmen, die immer größeren Wert darauf legen, dass Lkw-Lenker bestens ausgebildet sind, aus Sicherheitsgründen, aber auch was den Treibstoffverbrauch und damit die Umweltbelastung anbelangt. Das heißt, da gibt es eine hohe Verantwortung. Wenn ich die Kilometerleistung des Lkw auf Österreichs Straßen in zwölf Monaten jener gegenüberstelle, die mit Motorrädern, also quasi dem Wochenendfahrgerät, haupt­sächlich an schönen Sommertagen gefahren wird, dann zeigt sich an den 89 Todes­opfern im Motorradverkehr, dass, was die Verkehrssicherheit anlangt, der Vorwurf, dass Lkw-Lenker oder der Wirtschaftsverkehr und damit der Lkw-Verkehr so etwas wie die größte Bedrohung auf Österreichs Straßen sind, ins Leere geht. Das möchte ich


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einmal mehr festhalten, weil es nicht fair ist, ständig einer Gruppe von Verkehrs­teilnehmern so etwas wie die rote Karte geben zu wollen. Das sind die Profis auf der Straße, die sind jeden Tag unterwegs.

Ich würde mir wünschen, dass auch das Thema Verkehrslärm vertieft untersucht wird. Wir bauen in Österreich Lärmschutzwände, auch dazu stehe ich leidenschaftlich, weil dies vielfach auch kritisiert wird. Man muss einmal bei 85 Dezibel Anrainer an einer österreichischen Autobahn sein. Da habe ich lieber eine zwar nicht immer schöne Lärmschutzwand, aber die Menschen können sich dahinter noch unterhalten, statt dass man bei 85 Dezibel Lärmbelastung nur noch eine „Lebensqualität“ hat, die heißt Rasen mähen. Alles andere kannst du vergessen. Erstaunlicherweise werden in der Öffentlichkeit lärmschutzbauliche Maßnahmen immer wieder heftig kritisiert.

Frau Bundesminister! Aber ich bin froh, dass die ASFINAG in den letzten Jahren in diesem Fall sehr offensiv agiert hat.

Zum A-Netz jetzt speziell, weil diese Novelle ja das Autobahnnetz betrifft; auch hier gibt es eine erfreuliche Entwicklung: 2001 179 Unfalltote auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen und im Jahr 2013 37 Unfalltote. Das heißt, auf Österreichs Autobahnen ist gerechnet von 2001 bis 2013 die Zahl der Unfälle mit Todesfolgen um 79 Prozent gesunken. Dies ist äußerst erfreulich und zeigt auch, dass hier mehrere Maßnahmen gegriffen haben, einerseits sicherheitsbauliche Maßnahmen, ich denke an die Tunnel­sicherheit, an den Leitschienenaustausch und vieles andere. Die ASFINAG hat also auf der baulichen Ebene wirklich höchste Leistungen, die in Richtung Sicherheit gehen, erbracht.

In Kärnten haben wir zum Beispiel die zweiten Röhren des Katschberg- und Tauern­tunnels gemeinsam eröffnet. Beim Karawankentunnel auf der A 11 zwischen Kärnten und Slowenien wird jetzt auch eine zweite Röhre errichtet. Die ASFINAG macht jetzt auch aktuell im 880 Millionen schweren Bau- und Investitionsprogramm letztendlich in erster Linie auch Sicherheitsinvestitionen: Sanierung des Arlbergtunnels, Sanierung der Tunnelkette Klagenfurt, Bosrucktunnel, Tunnelkette Klaus, Tunnelkette Bruck. Es werden ja kaum neue Autobahnkilometer gebaut, sondern der Bestand und das A-Netz werden sicherer. Das möchte ich einfach gesagt haben, denn bauen ist positiv, bauen schafft Arbeit und bauen schafft Sicherheit. Das muss man in diesem Zusammenhang eindeutig und klar festhalten.

Eines noch, weil wir jetzt gerade eine Gesetzesmaterie diskutieren, die speziell den Lkw in den Blickpunkt stellt – in den letzten Wochen ist ja das Thema Bemautung des Lkw-Verkehrs auf allen Straßen Österreichs aufgetaucht. Das ist die Grundfrage, die man sich schon auch stellen muss. Wir haben in Österreich Einnahmen aus der Mineralölsteuer in Höhe von 4,350 Milliarden €, Mehrwertsteuer für Kraftstoffe in Höhe von 1,460 Milliarden €, und so geht es weiter bis hin zu den Bemautungen. 1,510 Mil­liar­den € lukriert die ASFINAG aus Bemautungen. Das ist eine Grundsatz­frage, die man sich jetzt auch stellen muss, ich verweise da auf die Beiträge der Verkehrs­referenten. Die Frau Bundesminister hat sich ja zunächst durchaus zurück­haltend gezeigt und nicht gleich euphorisch dafür ausgesprochen. Die Verteuerung zahlen natürlich der Konsument und der Standort Österreich.

Wir haben ein Hochleistungsnetz, das hohe Transitverkehre hat, und man muss bedenken, dass ausgenommen Ausweichverkehre die Verkehre auf dem niederran­gigen Straßennetz letztendlich vor allem Regionalverkehre sind. Das ist auch eine Standortfrage, die sich stellt, dass man jetzt ländliche Räume damit wieder teurer macht, dass mit der Bemautung aller Straßen genau der regionale Wirtschaftskreislauf natürlich einer Entwicklung ausgesetzt ist, die nicht unbedingt erfreulich ist.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 180

Die zuständige Verkehrsstadträtin für Wien Vassilakou fordert laut Protokoll die Miterfassung auch der Gemeindestraßen für eine Bemautung. Das heißt für die Bundeshauptstadt, ich habe eine Tangente, die ohnedies ein Road-Pricing für Lkws hat. Das würde aber auch bedeuten, dass jede Kiste Bier, die Ottakringer durch die Stadt führt, jede Banane, jeder Apfel, jedes Möbelstück, das transportiert wird, in der Stadt Wien letztendlich bemautet wird. Ob das die Wiener wollen, denn das zahlen nur die Wiener und sonst niemand, das wage ich zu hinterfragen.

Gleichzeitig muss man auch festhalten, dass auch in anderen Bundesländern, in Tirol zum Beispiel, nicht nur die Einführung der Bemautung am niederrangigen Straßennetz von der zuständigen Verkehrsreferentin gefordert wird, sondern auch gleich eine Erhöhung der MÖSt, und wir brauchen eine Bepreisung der Straßen, um den öffentlichen Verkehr leistbarer zu machen. Das eine darf nicht zulasten des anderen gehen. Viele sind auf den Wirtschaftsverkehr, Pendlerverkehr und so weiter ange­wiesen. Dass die österreichischen Autofahrer und Konsumenten in ausreichendem Maße durch Verkehrskosten belastet sind, das steht, wie ich meine, eindeutig und klar fest.

Wenn auch der Salzburger Landesrat laut Protokoll für eine mutige Diskussion plädiert, der Transport sei zu günstig, es müsse konsequent an den Kosten der Straße gear­beitet werden, dann heißt das, machen wir einfach alles teurer, dann geht es uns besser und der Wirtschaft wird es guttun und das wird neue Arbeitsplätze schaffen. – Ich glaube, das ist ein brisanter Weg, den wir sehr klug diskutieren müssen.

Die Verkehrsreferenten haben einstimmig diese Mautdiskussion und die entsprechen­den fachlichen Themenkreise beschlossen. Aber ich halte schon fest, dass man mit dieser Mautdiskussion sehr vorsichtig sein sollte, denn ob der Standort Österreich, ob die ländlichen Räume mit einer Bemautung des niederrangigen Straßennetzes, ob die Stadt Wien mit einer Generalmaut am Wiener Straßennetz die richtige Wirtschafts­standortoffensive und eine damit verbundene Verkehrsverlagerung zustande bringen, das wage ich einmal zu bezweifeln.

In Wien hat man seitens der zuständigen Referentin 6 Millionen € für Radspaß aus­gegeben, aber nicht mehr Radfahrer, wie ich heute im „Kurier“ lesen musste. 6 Mil­lionen € nur für Show, da ist kein Meter Radweg gebaut worden! Aber ein paar sind grün angestrichen worden. Das finde ich vielleicht ganz lustig, wenn ich in Kärnten Radwege blau angestrichen hätte, dann hätte das zu Recht Riesenproteste hervor­gerufen. Radwege sind zum Fahren da, aber bitte nicht ein parteipolitisches Marketing­instrument. (Beifall bei der FPÖ.)

Faktum ist, wir werden diesem Gesetz natürlich zustimmen. Ich möchte zusammen­fassend noch einmal festhalten, dass in dieser öffentlichen Diskussion, die geführt wird, erstens festzuhalten ist – und das möchte ich wirklich tun –, dass die ASFINAG in den letzten Jahren sehr professionell gearbeitet hat, Frau Bundesminister, und dass die Sicherheit wesentlich besser geworden ist. Um 80 Prozent weniger Todesopfer auf Österreichs Autobahnen, das ist hervorragend. Dass aber der Lkw letztendlich nicht sozusagen der Sünder auf Österreichs Straßen ist, ist auch festzuhalten. Wir müssen Verkehrssicherheit weiterführen. Und ich wünsche mir einmal eine Diskussion darüber, wie man auch zum Beispiel das Radfahren wieder sicherer machen kann, vor allem auch das Motorradfahren. Es gibt nichts Schöneres, als die Natur zu genießen, hoffentlich leise und hoffentlich sicher. Das sind die Aufgaben, die sich uns stellen. In diesem Sinne hoffe ich, dass die Unfallbilanz 2014 noch besser als jene von 2013 sein wird. (Beifall bei der FPÖ.)

19.29



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 181

Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer. Ich erteile es ihr.

 


19.29.05

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause! Die hier vorliegende 26. StVO-Novelle beinhaltet zwei sehr gute Verbesserungen. Sie sind von meinen Vorrednern schon erläutert worden. Sie bein­haltet einerseits das Benutzungsverbot durch Lastkraftfahrzeuge des äußeren linken Fahrstreifens bei Autobahnen, die einen dritten oder vierten Fahrstreifen haben. Das wirkt sich, wie schon erwähnt, sicher sehr positiv auf die Fahrsicherheit aus und kann auch dazu beitragen, Chaos auf der Autobahn zu vermeiden.

Im Ausschuss habe ich mir sagen lassen, dass davon über 700 Kilometer Autobahn in Österreich betroffen sind. Damit habe ich nicht gerechnet, dass das wirklich so viel ist. Uns TirolerInnen betrifft das nämlich eher nicht, denn in Tirol gibt es – außer ein paar Kilometern zwischen Innsbruck-Ost und Innsbruck-Mitte – keine drei- und vierspurigen Autobahnen. Aber für den Rest von Österreich freut es uns sehr, dass die Verkehrs­sicherheit verbessert wird.

Die zweite Neuerung ist die Ausnahmeregelung für Kraftfahrzeuge der Finanz­verwaltung, die von Parkverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen ausgenom­men wird, wenn sie Tatverdächtige verfolgt. Das finde ich sehr gut, weil Finanz­ver­brecher in Österreich wirklich besser verfolgt gehören.

Wie gesagt, zwei gute Verbesserungen, deswegen wird unsere Fraktion hier auch für diese Novelle stimmen, aber es ist eine sehr, sehr kleine Novelle. Es ist eine sehr kleine Novelle, wenn man bedenkt, wie groß der Reformbedarf betreffend die Straßen­verkehrsordnung ist, die sehr auf AutofahrerInnen zugeschnitten ist und nicht aus­reichend auf andere VerkehrsteilnehmerInnen, wie FußgängerInnen und Radfah­rerInnen, eingeht.

Zu den Motorradfahrern: Herr Kollege Dörfler, du hast Motorradfahrer angesprochen und dass man da doch Sicherheitskonzepte ausarbeiten müsste. In Tirol ist in dieser Woche ein Sicherheitskonzept für Motorradfahrer vorgestellt worden, das in diesem Jahr umgesetzt wird. Ich leite gerne die Infos weiter, damit das auch in Kärnten geschieht und Kärnten auch noch sicherer wird.

In diesem Sinne: Im Bereich Verkehrssicherheit gibt es sicher noch sehr viele offene Baustellen in Österreich. Ich freue mich sehr auf die nächste Novelle, die dann hoffentlich noch ein bisschen mehr dazu hergibt. (Beifall bei den Grünen.)

19.31


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Doris Bures. Ich erteile es ihr.

 


19.31.36

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass es im Bereich der Verkehrspolitik genau dann, wenn es um Fragen der Verkehrs­sicherheit geht, in der Regel einen Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg gibt und dass man bei Novellen, bei denen es darum geht, das Leid auf Österreichs Straßen zu minimieren, einen Konsens findet, auch wenn es dem einen in einzelnen Nuancen ein bisschen zu wenig ist, dem anderen ein bisschen zu viel.

Es ist richtig, dass wir uns immer wieder ansehen, welchen Beitrag wir dazu leisten können, dass wir weniger Unfälle, weniger verletzte Menschen, weniger Menschen, die


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 182

ihr Leben auf Österreichs Straßen verlieren, haben. Die heutige Novelle trägt dazu bei. (Vizepräsident Himmer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Sie können mir glauben, dass ausschließlich die Intention dahintersteht, die Straßen sicherer zu machen, wenn Sie mit der heutigen Novelle beschließen, dass es bei drei- und vierspurigen Autobahnen für Lkws über 7,5 Tonnen auf der dritten und vierten Spur ein Fahrverbot geben soll. Es geht in keiner Weise darum, dass man den Güterverkehr und die Wirtschaft in irgendeiner Form behindern möchte. Es ist zwar so, dass es in absoluten Zahlen weniger Unfälle mit Lkws gibt, aber relativ sind es um viele mehr.

Rund 11 Prozent des Verkehrs, Herr Bundesrat Dörfler, machen Lkws aus, bei den Unfällen liegen sie aber bei 22 Prozent. Und was die Folgen und die Schwere der Unfälle betrifft, ist es natürlich wesentlich dramatischer und schlimmer, wenn ein Lkw in einen Unfall verwickelt ist. Daher bin ich froh, wenn Sie heute der Regelung zustim­men, dass es in Zukunft das Fahrverbot auf der dritten und vierten Spur geben soll. Das soll zu einer weiteren Erhöhung der Verkehrssicherheit führen und ein Beitrag dazu sein, die Flüssigkeit des Verkehrs zu erhöhen, mit unterschiedlichen Geschwin­dig­keiten.

Wir werden heute noch die Möglichkeit haben, bei fünf Tagesordnungspunkten die Breite der Mobilität zu diskutieren. Daher betrifft diese eine Novelle einen Punkt einer Veränderung und hat gar nichts mit grundsätzlichen verkehrspolitischen Ausrichtungen zu tun.

Frau Bundesrätin Schreyer! Es gibt einen Gesamtverkehrsplan, den wir beschlossen haben, wo auf all diese Aspekte der Mobilität eingegangen wird, wo mit der umweltfreundlichen Mobilität ein wirklicher Schwerpunkt gesetzt wird und der Fokus darauf gerichtet ist. Mit der vorliegenden Novelle werden wir für mehr Sicherheit sorgen.

Ich rufe eines noch in Erinnerung: Wir haben bei der letzten StVO-Novelle eine ganz entscheidende Veränderung vorgenommen, indem wir ein Rücksichtnahmegebot hineingenommen haben, indem wir als Gesetzgeber festgeschrieben haben, dass wir auf den Straßen nicht das Gesetz des Stärkeren haben wollen, dass wir nicht haben wollen, dass sich der Stärkere durchsetzt und der Schwächere auf der Strecke bleibt. Wir haben dezidiert ins Gesetz geschrieben, dass es im öffentlichen Verkehr immer die Rücksichtnahme auf den Schwächeren geben soll, ob das die Kinder, die Fußgänger, die Radfahrer sind. Es soll da keine Ellbogengesellschaft geben. Ich denke, das war eine der ganz großen Novellen, auf der wir jetzt Schritt für Schritt aufbauen und die einzelnen Maßnahmen setzen.

Meiner Ansicht nach ist das Rücksichtnahmegebot gut, denn man soll nicht nur Ge­setze machen, deren Einhaltung dann die Polizei kontrolliert. Jeder hat in der Gesellschaft Verantwortung für den anderen zu übernehmen, das ist etwas Wichtiges. Und ich bin, wie gesagt, dafür, dass nicht nur auf der Straße nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern insgesamt in der Gesellschaft, in der wir leben, dass man aufeinander Rücksicht nimmt.

Bei der jetzigen Novelle geht es darum, im Straßenverkehr für mehr Sicherheit zu sorgen, durch diese Novelle, durch dieses Fahrverbot möglicherweise schwere Unfälle zu verhindern, ohne den Güterverkehr und die Industrie zu behindern. Mit denen ist das abgesprochen. Dafür bedanke ich mich auch hier, dass es wie in so vielen anderen Fragen in diesem Bereich immer wieder gelingt, Konsens, Verständnis und eine gemeinsame Linie zu finden. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.36



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 183

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.36.45

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Erlauben Sie mir, zu diesem Tagesordnungspunkt Folgendes zu sagen: Ich bin jetzt hier gesessen und habe immer von Unfällen gehört, sodass ich jetzt etwas sehr Persönliches an meine Kolleginnen und Kollegen richten möchte – das hat nichts mit Parteipolitik und nichts mit Politik zu tun.

Ich bin selbst zufällig – das kann jedem von uns passieren – der Erste gewesen, der an einen Unfallort gekommen ist. Also es ist gerade vor uns ein Unfall passiert, und wir waren die Ersten, die dort waren. Es war in diesem Fall ein Unfall zwischen einem Pkw und einem Motorrad nach einem wunderschönen Tagesausflug auf der Großglockner Hochalpenstraße. Der Motorradfahrer lag mitten auf der Straße, der Helm war nicht mehr da, und er war schwer verletzt.

Zum Glück, kann ich sagen, hatte ich kurz davor meine Erste-Hilfe-Kenntnisse durch einen Kurs aufgefrischt. Und das ist eigentlich meine Bitte, denn ihr alle seid Bun­desräte: Es kann jedem von uns passieren, als Erster an einen Unfallort zu kommen. Es kann jedem von uns passieren, in einem solchen Augenblick kühlen Kopf bewahren zu müssen, um zu wissen, was man tun muss.

In diesem Fall war es leider zu spät. Ich habe Erste Hilfe geleistet, meine Schwester hat versucht, die natürlich in Panik befindlichen Menschen im Pkw zu beruhigen, die Polizei gerufen und so weiter. Das kann allen von uns passieren, und dann geht es darum, in diesem Moment das Richtige zu tun.

Ich habe schon nachdenken müssen und mich daran erinnert. Es gibt auch Erste-Hilfe-Apps, die man auf das Handy herunterladen kann. Die begleiten einen Schritt für Schritt und zeigen, was man tun muss. Auch diese App hat mir sehr geholfen, da ich mir bei manchen Punkten auch nicht sicher war.

Meine Bitte an euch, ihr alle seid Mandatsträger und Mandatsträgerinnen: Frischt eure Erste-Hilfe-Kenntnisse auf! – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.39.2515. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (113/A und 58 d.B. sowie 9162/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 184

Bericht.

 


19.39.39

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie-genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.40.23

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! Herr Vize-präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim vorhergehenden Tagesord­nungspunkt habe ich auf die bessere Möglichkeit der Betrugsbekämpfung durch Aufnahme der Finanzverwaltung in den öffentlichen Sicherheitsdienst im Sinne des § 25a Abs. 1 StVO hingewiesen.

Wenn nun das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird, so erfolgt auch hier eine Kampf-ansage des Staates an den Steuerbetrug. Bisher nutzten vor allem die Österreicher, die in den grenznahen Gebieten zu Deutschland und zur Slowakei wohnten, eine Gesetzeslücke betreffend die NoVA. Von diesen Leuten wurden die Autos in Deutschland beziehungsweise in der Slowakei, also in Ländern, in denen es keine NoVA gibt, angemeldet, sie wurden aber ausschließlich in Österreich benutzt. Meistens ging es dabei um leistungsstarke Fahrzeuge. In Österreich galt bisher eine 30-Tage-Frist, innerhalb derer man das aus dem Ausland eingeführte Auto anzumelden hatte. Diese Frist wurde immer wieder um 30 Tage verlängert, wenn man für einen Tag einen Ausflug nach Deutschland beziehungsweise in die Slowakei machte.

Mit der nunmehrigen Änderung wird dieses Katz-und-Maus-Spiel mit den Finanzbe­hörden – und nichts anderes war das Ganze – endlich beendet. Es gibt nur mehr die einmalige 30-tägige Frist, die zu laufen beginnt, wenn das Auto erstmals nach Österreich gebracht wird, und diese wird nicht mehr unterbrochen beziehungsweise kann nicht mehr verlängert werden.

Mit dieser Änderung wird eine offensichtlich bestehende Gesetzeslücke geschlossen, und es ist zu begrüßen, dass dieses Gesetz rückwirkend mit 2002 zur Anwendung kommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

19.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.42.43

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es ist gut, wenn eine Steuerlücke, ein Steuerschlupfloch geschlossen wird, vor allen eines, das ja kaum oder sehr schwer exekutierbar war und immer zu Diskussionen geführt hat, was das Wiedereinreisen, Ausreisen und so weiter betrifft. Ich hoffe nur, dass parallel dazu eine entsprechende Aufklärung, eine Klarstellung erfolgt und dass auch die Finanz entsprechend geschult wird, damit es nicht wieder zu ständigen Diskussionen kommt, ob nun eine NoVA zu bezahlen ist oder nicht. In diesem Sinne werden wir diesem Antrag unsere Zustimmung geben.

Allerdings: Der Wermutstropfen dabei ist eigentlich der, dass wir es überhaupt nötig haben, ein solches Gesetz zu beschließen. Das zeigt nämlich, dass wir im Vergleich, und zwar nicht zu den Cayman Islands oder Monaco, sondern zu unserem größten Handelspartner ein Hochsteuerland sind. Wenn wir nämlich moderatere Steuern


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 185

hätten, dann bräuchten wir solche Gesetze gar nicht zu diskutieren und zu be­schließen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


19.44.23

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen! Die hier vorliegende Gesetzesanpassung besagt – wie der Kollege schon gesagt hat: rückwirkend bis 2002 –, dass man sein Auto auch dort anmelden muss, wo man seinen Hauptwohnsitz hat, und somit die NoVA und eventuelle weitere Steuern auch in Österreich zahlen muss. Das ist nur logisch. Und wir Grüne unterstützen das natürlich auch, weil Steuerflucht nun einmal kein Kavaliersdelikt und auch kein Kavalierinnen­delikt ist.

Im Ausschuss bin ich darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei den Autos mit ausländischem Kennzeichen vor allem um große und PS-starke Autos handelt, und zwar vor allem um Autos im Grenzgebiet zu Deutschland. Für diese großen und PS-starken Autos wird die NoVA, die ja verbrauchsabhängig ist, eher hoch ausfallen. Wir treffen also mit dieser Novelle nicht den sozial schwachen Teil Österreichs, über den wir heute schon öfter gesprochen haben, sondern eigentlich den sozial sehr gut gestellten Teil Österreichs. Weiters trifft es den Westen Österreichs stärker, da vor allem der Grenzraum rund um Salzburg ein Ballungszentrum für NoVA-Flüchtlinge ist. Aber auch die meisten anderen grenznahen Gebiete zu Deutschland, wie der Grenzraum in Oberösterreich und in Tirol, sind davon betroffen. Zum Beispiel stehen in der Gegend, aus der ich komme, im Grenzbereich Tirols zu Deutschland auffällig viele Autos mit deutschem Kennzeichen vor sehr vielen österreichischen Hauptwohnsitzen.

Betroffen sind von dieser Novelle auch Firmenfahrzeuge, die privat genutzt werden. Das heißt, auch wenn ich Firmen in Deutschland, in Holland oder in Liechtenstein besitze, muss ich trotzdem meinen Ferrari in Österreich anmelden und darf ihn als Besitzer einer Firma im Ausland nicht weiterhin dort anmelden. Für Fahrten, die im direkten Dienst für meine Firma passieren, darf ich allerdings weiterhin das auslän­dische Fahrzeug verwenden, sollte das aber am besten mit einer Bestätigung machen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich hoffe, dass diese Novelle sehr bald greift. Denn: Wir reden hier von Zehntausenden Autos in Österreich, die ein ausländisches Kennzeichen haben und von Personen genutzt werden, die den Hauptwohnsitz in Österreich haben, und von einem Steuerentgang im zweistelligen, wenn nicht sogar dreistelligen Millionenbereich. So hoch wird die Dunkelziffer nämlich geschätzt – und zwar deshalb geschätzt, weil es ja keine Meldepflicht für verwendete Autos im Inland gibt.

Ich habe ein großes Problem mit dieser Gesetzesanpassung, und zwar mit deren Umsetzung, denn es gilt für mich auch ein bisschen die Unschuldsvermutung. Ich glaube nämlich, dass sehr viele Leute gar nicht wissen, dass sie hier illegal handeln, weil es nämlich sehr oft in den Ländern, in denen das Auto angemeldet ist, wie zum Beispiel in Deutschland, wenn man dort einen Nebenwohnsitz hat, legal ist, sein Auto anzumelden und dort auch versichert zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) – Ja, genau! Ich glaube, dass sehr vielen Leuten einfach nicht bewusst ist, dass sie hier illegal handeln, weil sie ja in dem Land, in dem ihr Auto angemeldet ist, legal handeln, und ich glaube, dass viele Personen einfach denken, dass sie hier ein legales Steuerschlupfloch nutzen, und sich einfach darüber freuen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 186

In Bulgarien zum Beispiel ist die Gesetzeslage so, dass man dort nicht einmal einen Wohnsitz braucht und trotzdem sein Auto dort anmelden kann. Also ich glaube, dass da ein bisschen mehr Bewusstseinsbildung gemacht werden muss und mehr Kommunikation und Information stattfinden müssen. Wir brauchen da mehr als nur verstärkte Kontrollen, denn es geht da wirklich um eine sehr große Zahl von Fahrzeugen, und nur mit verstärkten Kontrollen kommen wir diesem Problem nicht bei.

Ich glaube, es braucht da, wie gesagt, wirklich verstärkte Kommunikation und Infor­mation, und zwar auch über die Konsequenzen, die diese Gesetzesänderung nach sich zieht, und zwar sehr empfindliche finanzielle Konsequenzen, schätze jetzt einmal. Ich hoffe, dass dieser Steuerentgang, der sich nach meiner Schätzung in zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen bewegt, dann auch in Österreich ankommt. Wir brauchen nämlich dieses Geld ganz dringend, denn wir haben, wie den meisten hier bekannt ist, einige Löcher im Staatshaushalt, die gestopft werden müssen. Und da meine ich, dass gerade Steuerflucht auf alle Fälle eingedämmt werden muss. (Beifall bei den Grünen.)

19.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

19.48.5316. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das SP-V-Gesetz geändert wird (SP-V-Gesetz-Novelle 2014) (261/A und 59 d.B. sowie 9163/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


19.49.16

Berichterstatter Günther Novak: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das SP-V-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung. Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 187

19.50.00

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen! 2001 hat die EU die Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung herausgegeben. Wie alle Richtlinien so war auch diese in nationales Recht zu überführen. Für den Verkehr hätte das im Gesetz zur strategischen Prüfung im Verkehrsbereich stattfinden sollen. „Hätte stattfinden sollen“ – das ist der Punkt, auf den ich hinauswill, denn trotz mehrfacher Proteste der Grünen ist die EU-Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung nur unvollständig umgesetzt worden. Die Grünen, in diesem Fall meine oberösterreichische Kollegin Gabi Moser, die die strategische Prüfung im Verkehrs­bereich vor allem im Zusammenhang mit der Linzer Westring-Problematik aufgreift, haben daraufhin Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt und recht bekommen.

Die Grünen haben von der Kommission recht bekommen. Österreich hat daraufhin ein Mahnschreiben bekommen, und infolgedessen haben wir jetzt diese Gesetzesnovelle vorgelegt bekommen. Wir haben diese Novelle geprüft und sind der Auffassung, dass sie immer noch nicht EU-rechtskonform ist. Wir sind auf einem guten Weg, aber wir glauben, dass diese Novelle in dieser Form nicht wird bestehen können. Wir glauben, dass sie nicht EU-rechtskonform ist, und daher können wir ihr leider auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

19.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Beer. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.51.29

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon ausgeführt, wurde 2005 diese EU-Richtlinie in ein Gesetz umgewandelt. Damals waren die Grünen schon dagegen. Wozu dient denn dieses Gesetz eigentlich? – Es geht dabei um die strategische Prüfung für Verkehrsflächen, für Verkehrsstraßen. Es sind also nicht nur für Lkw und Auto befahrbare Straßen gemeint, sondern es sind auch Wasserstraßen gemeint. Das gibt uns eigentlich die Möglichkeit, im Voraus zu prüfen: Welche Belastungen wird es hier geben? Ist es sinnvoll, diese Straßen zu machen? Es ist eine Beteiligung der Bürger vorgesehen, die sechs Wochen Zeit haben, dazu Stellungnahmen abzugeben. Es wurden seit 2005 schon sehr viele Überprüfungen durchgeführt.

Es wurde, wie schon erwähnt, 2013 ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Es wurde auch begründet, warum dieses Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde. Die EU hat uns gesagt, wir würden zu wenig Rücksicht auf ihre Richtlinie nehmen und hätten ihre Umsetzung näher zu präzisieren und zu konkretisieren. Daher diese Änderung des Gesetzes, dieser Gesetzesnovelle. Diese Änderung besteht darin – und das muss eigentlich genügen –, dass im SP-V-Gesetz direkt auf die Prüf­kriterien der Richtlinie verwiesen wird. Diese befinden sich im Anhang II, und damit müsste eigentlich dieses Vertragsverletzungsverfahren vom Tisch sein. (Beifall bei der SPÖ.)

19.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.53.36

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Man sollte schon die Kirche im Dorf lassen, denn hier geht es ja um geringfügige Änderungen, die betroffen sind. Leider wissen wir aus leidvoller Erfahrung, dass es gerade die Grünen sind, die sehr gerne irgendwelche Formalismen in Verfahren suchen und meistens auch finden – siehe


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 188

Semmering jetzt! –, aber damit – und das sollte man auch einmal sagen – immense Kosten verursachen, die schlussendlich wir Steuerzahler zu tragen haben. Da geht es nicht um die Sache, sondern da geht es meistens nur um das Verhindern von irgendetwas, und das mit Spitzfindigkeiten, mit fadenscheinigen Begründungen. Da­durch kommt es zu Verzögerungen, zu Umplanungen und damit zu Kostensteige­rungen bei der Projektumsetzung. Genau dasselbe werden wir jetzt beim Semmering haben.

Es ist ja nicht so, dass bei dieser Novellierung, bei dieser Änderung jetzt jeder Umwelt­aspekt ausgeschlossen wird, sondern es ist ja ohnehin notwendig, dass die ent­sprechenden Gutachten und Prüfungen vorgelegt werden. Es ist faktisch nur eine Beschleunigung und eine Vereinfachung, und das ist im Sinne des Großen und Ganzen, sage ich jetzt einmal. Deshalb werden wir dem auch unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

19.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.55.5317. Punkt

Jahresbericht 2012 der Schienen-Control GmbH (III-500-BR/2013 d.B. sowie 9164/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


19.56.03

Berichterstatter Günther Novak: Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Jahresbericht 2012 der Schienen-Control GmbH.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung. Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2014 den Antrag, den Jahresbericht 2012 der Schienen-Control GmbH zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Kollege Stadler. – Bitte.

 


19.56.45

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es liegt uns hier vor der Jahres­bericht der Schienen-Control GmbH aus dem Jahr 2012, und da wir das zu dieser


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vorgerückten Stunde debattieren und alle hier vertretenen Parteien den Bericht zur Kenntnis nehmen, kann ich, glaube ich, das Wichtigste in ein paar Sätzen zusammen­fassen.

Ich möchte mich zunächst einmal für den Bericht und für die engagierte Arbeit der Schienen-Control GmbH bedanken und bitte die Frau Ministerin, das an die Expertinnen und Experten in der Schienen-Control GmbH weiterzuleiten.

Wir können erfreulicherweise feststellen – und das ist nicht nur beim Bericht für das Jahr 2012 der Fall, sondern das wird sicher bei den nächstfolgenden Berichten genau dasselbe sein –, dass der Schienenverkehr in Österreich im Vormarsch ist, gerade beim Personenverkehr im Jahre 2012. Immer mehr Menschen nutzen das Angebot der Bahn. Insgesamt wurden im Jahr 2012 262 Millionen Reisende befördert. Das ist gegenüber dem Vorjahr, also dem Jahr 2011, ein Anstieg um 7,3 Prozent. Mehr als 7 000 Züge täglich bringen die Fahrgäste in ganz Österreich an ihr Ziel. Um das weiterhin zu steigern, gilt es, das System im Sinne der Reisenden weiter zu verbessern, das Angebot, die Fahrgastrechte und auch die Infrastruktur.

Was die Fahrgastrechte betrifft, gab es wieder eine Verbesserung. Auf Initiative unse­rer Frau Ministerin wurde nämlich im Jahr 2012 im Nationalrat und im Bundesrat ein Gesetz beschlossen, das die Rechte der Fahrgäste wiederum stärkt. Im Juli 2013 ist dieses Gesetz dann in Kraft getreten. Und zwar stärkt dieses Gesetz die Fahrgast­rechte im Vorort- und Regionalverkehr.

Noch zur Pünktlichkeit im Personenverkehr, die auch immer von großem Interesse für die vielen Millionen Reisenden ist. Ich meine, eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Wahl des Verkehrsmittels stellt die Pünktlichkeit des Verkehrsmittels dar. Für Bahnreisende ist nicht nur eine möglichst kurze Fahrzeit, sondern auch das Erreichen des Zieles zur festgesetzten Zeit, vor allem, wenn man einen Termin hat oder wenn man einen Anschlusszug erreichen will, ganz wesentlich. Im Jahr 2012 konnte im gesamten Personenverkehr ein Pünktlichkeitsgrad von 96,5 Prozent erreicht werden.

Was den Fernverkehr betrifft, wo es leider den höchsten Unpünktlichkeitsgrad gibt, muss man dazusagen, dass das meistens nicht an den Verkehrsunternehmen, die in Österreich tätig sind, liegt, sondern dass wir da sehr unter dem grenzüberschreitenden Verkehr „leiden“ – unter Anführungszeichen –, da es gerade bei Zügen aus Italien und aus dem Osten leider immer sehr große Verspätungen gibt, und zwar speziell bei Nachtzügen. Aber auch da hat man sich schon etwas einfallen lassen, und das hat man auch im Bericht nachlesen können. Dass man diese Verspätungen irgendwo wieder aufholen kann, ein wenig vermindern kann, hat man die Zeiten bei den Grenzübergängen verlängert. So kann man ein bisschen etwas abfedern.

Im Güterverkehr, nur ganz kurz, war die Entwicklung 2012 nicht so positiv. Der hat eher stagniert, und das hat mehrere Gründe. Einerseits war die wirtschaftliche Ent­wicklung noch nicht so gut, andererseits ist das aber auch darauf zurückzuführen – das hat auch der Herr Kollege Dörfler im Ausschuss schon angesprochen –, dass man die Flächenbedienungen und auch die Einzelwagenbeförderung, speziell bei den An­schluss­bahnen, zurückgenommen hat.

Interessant ist auch – ich habe das immer wieder gesagt; es ist ja fast ein Steckenpferd von mir, dass ich zum Schienen-Control-Bericht immer rede; und ihr werdet euch sicher erinnern, ich habe das bei jedem Bericht angesprochen – die Aufteilung der beförderten Züge der einzelnen Verkehrsunternehmen. Da sieht man wieder, bei den privaten EVUs werden fast ausschließlich, über 90 Prozent, Ganzzüge geführt, was natürlich einen Grund hat, und die Einzelwagenbeförderung bleibt dann der ÖBB, der RCA.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 190

Was sagt uns das? Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, denn diese Ent-wicklung gefällt mir nicht so gut, dass dort, wo man leicht das Geld verdienen kann, natürlich die Privaten zugreifen, und dort, wo man mehr Arbeitsaufwand hat, wo der Transport teurer ist, ist die ÖBB zuständig. Da sage ich wieder, wie so oft, und der Herr Kollege Dörfler hat das im Ausschuss auch eingefordert: Man kann auf die Anschluss­bahnen und auf die Flächenbedienungen einfach nicht verzichten. Da müssen wir uns politisch alle im Haus einig sein, dass man da auch gewisse Förderungen, Zuschüsse gewährt, weil man kann – und Sie haben das auch im Ausschuss erwähnt – diese Beförderungen sicher nicht kostenneutral durchführen. Wenn man das will, dann muss man auch politisch dazu stehen und darf nicht immer schimpfen, dass die ÖBB-RCA immer so viele Zuschüsse braucht, um diese Transporte abwickeln zu können.

Zum Abschluss zur Infrastruktur. Im Jahr 2012 hat es da auch eine sehr positive Veränderung im österreichischen Eisenbahnnetz gegeben. Wir haben sehr stark in die Infrastruktur investiert, und es gingen im Jahr 2012 rund 100 Kilometer Neubau­strecken in Betrieb. Das ist einerseits erfreulich für den österreichischen Arbeitsmarkt, da stehen ja auch Arbeitsplätze dahinter, wenn neue Eisenbahnnetze gebaut werden. Es ist gleichzeitig aber auch eine Qualitätssteigerung bei der Abwicklung der Eisen­bahnverkehre.

Ich möchte noch einmal im Namen der SPÖ-Fraktion der Schienen-Control für die engagierte und erfolgreiche Arbeit danken. Der Jahresbericht zeigt uns auch, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit wird die Schienen-Control immer bekannter und wird, was ja auch Sinn und Zweck ist, immer mehr als Anlaufstelle für Beschwerdefälle genützt. Wo viel gearbeitet wird, kann nicht immer alles passen, und in so einem Fall sollten die Fahrgäste oder auch Eisenbahnverkehrsunternehmen, wenn sie glauben, nicht richtig behandelt zu werden, oder wenn irgendetwas nicht passt, sich an die Schlichtungsstelle bei der Schienen-Control wenden. Dort sind sie sehr gut aufgehoben.

Ich danke abschließend nochmals, und ich danke auch für den Bericht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anneliese Junker. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.04.35

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Herr Bundesrat Stadler, wir haben den gleichen Bericht gelesen. Wir könnten ihn miteinander vortragen.

Ich möchte mich im Namen der ÖVP bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schienen-Control GmbH und der Kommission für ihre Arbeit der letzten Jahre recht herzlich bedanken. Der Bericht ist schon im Juni 2013 auf den Markt gekommen, sage ich jetzt einmal, und dass wir ihn jetzt erst im April 2014 behandeln, liegt nicht an den MitarbeiterInnen. Ich denke, der Bericht 2013 wird in den nächsten Monaten kommen.

Einige Dinge in dem Bericht haben sich schon überholt, sind bereits in Kraft, wie zum Beispiel die Schienen-Control Neu. Diese haben wir ja schon im Bundesrat beschlos­sen, gibt es schon und arbeitet genauso erfolgreich wie die alte Schienen-Control GmbH.

Die Zuwächse im Personenverkehr sind erfreulich, wobei ich da schon sagen muss, es mag wohl sein, dass die private Konkurrenz auf der Westbahn vielleicht auch ein wenig dazu beigetragen hat, dass die Preisgestaltung bei der ÖBB ein bisschen in Bewegung gekommen ist, dass viele gute Aktionen von Seiten der ÖBB gestartet worden sind,


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etwa die Preissenkung durch die SparSchiene oder die Vorteilscard, was den Bahnbenützern fast bis zu 75 Prozent Ersparnis bei den Bahnfahrten gebracht hat.

Auch die Schnelligkeit und die Pünktlichkeit der Bahn haben sicher dazu beigetragen, dass mehr Menschen auf die Bahn umgestiegen sind.

Hingegen – und das hat auch schon mein Kollege Stadler angeführt – die wirtschaft­liche Entwicklung im Schienengüterverkehr war 2012 negativ und hat sich auch 2013 nicht wirklich erholt. Für 2014 hoffen wir, dass die österreichische Wirtschaft ein positives Wachstum hat, damit auch die Schiene in dem Bereich wachsen kann. Aber da muss die Bahn auch ein bisschen flexibler werden und mehr auf die Bedürfnisse der Wirtschaft eingehen, damit auch hier eine gewisse Schnelligkeit und Zielsicherheit für die Unternehmer und ihre Frachten, die sie mit der Bahn befördern wollen, gegeben sind.

Die Fahrgastrechte haben sich wieder verbessert. Wir haben sie ja schon einmal verbessern können. Jetzt sind auch die Entschädigungen für Wochen- und Monats­karten enthalten. Die Beschwerdefälle, und das, glaube ich, ist wirklich positiv, konnten zu 95 Prozent zufriedenstellend erledigt werden.

Wir haben viele Statistiken über die Entwicklung der Zusammenarbeit grenzüber­schreitender Bahnliberalisierungen in diesem Bericht, und da kann man feststellen, dass wir EU-weit auf einem erfolgreichen Weg sind.

Im Jahre 2012 wurden auch vier neue Bahnstrecken eröffnet. Eine davon ist die vierspurige Strecke in Tirol, die sogenannte Unterinntaltrasse zwischen Radfeld und Baumkirchen. Hier handelt es sich um eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, wo bis zu 230 km/h gefahren werden können. Die Bahntrasse ist mit modernsten technischen Geräten, mit allem, was man sich nur vorstellen kann, ausgestattet. Eine Komplet­tierung ist sicher, wenn der Brenner-Basistunnel kommt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Gerhard Dörfler. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.08.50

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Zunächst einmal, Frau Bundesminister, sind wir froh, dass nicht Frank Stronach die Bahn gekauft hat. Es ist ja erfreulich, dass die ÖVP heute so bahnaffin und so positiv eingestellt ist, denn ich muss schon sagen, ich war ja 12 Jahre Verkehrsreferent, und das Bahn-Bashing, das es in Österreich über viele Jahre gegeben hat, ist Gott sei Dank Geschichte. Grund dafür sind einerseits klare verkehrspolitische Zielsetzungen, die die Politik vorgegeben hat, andererseits ein ÖBB-General, der sich ziemlich gut auskennt und weiß, was zu tun ist, und zirka 40 000 Mitarbeiter, die auch ihr Bestes geben. Das einmal grundsätzlich dazu. Es führt einfach zu nichts, wenn man ein Unternehmen, nämlich eines der größten Österreichs, ständig schlechtredet. Das möchte ich einmal grundsätzlich aus diesem Bericht herauslesen.

Ich darf auch festhalten, dass die Zahlen des Personenverkehrs, wie schon gesagt, sehr erfreulich sind. Ich darf aber auch dazusagen, Kärnten ist ja ab und zu der Watschenbaum der Nation, aber wir sind auch an positiver Stelle, wenn es um die Zahl der Verkehrsteilnehmer auf der Schiene geht. 4,5 Prozent war der Personen­verkehrszuwachs in Österreich. Wenn wir die Bundesländer vergleichen: Vorarlberg: 5,2 Prozent Zuwachs; Tirol: 5,25 Prozent; Salzburg: fast gleich mit 0,84 Prozent plus; Oberösterreich: etwas weniger mit einem Passagierminus von 1,43 Prozent im letzten Jahr; die Ostregion Burgenland, Niederösterreich, Wien: plus 3,8 Prozent; die steiri-


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schen Nachbarn, unsere Lieblingsnachbarn: 8,09 Prozent plus – und wir in Kärnten konnten ein Plus von 13,77 Prozent beim Personenverkehr lukrieren.

Was ist passiert in unserem Bundesland? Wir haben mit der Fußball-Europa­meisterschaft auch ein Verkehrskonzept entwickelt. Es gab die Einführung der Talent- und Desiro-Bahngarnituren. Wir haben dann 2009 den Kärnten-Takt eingeführt. Wir haben 2010 die S-Bahn eingeführt. Wir haben 2011/2012 das S-Bahn-Konzept abge­schlossen und sind jetzt in der Endphase dieses Konzeptes. Das heißt, wo das Angebot stimmt, da wechselt man gerne vom Auto zur Bahn.

Es hat eine Angebotsoffensive und eine Modernitätsoffensive gegeben, was wir sehen, wenn wir heute Österreichs Bahnhöfe vergleichen mit denen von vor 10 Jahren, beginnend von Klagenfurt, wo 70 Millionen € investiert wurden, bis Wien. Da ist einiges passiert. Und wenn am Klagenfurter Bahnhof täglich 15 000 Menschen ein und aus gehen, dann hat das kein Hinterhof, sondern so etwas wie ein moderner Flughafen für Schienenverkehre zu sein. Da ist viel gelungen, und das halte ich für sehr positiv.

Zum Güterverkehr. Eines sollten wir hier, Frau Minister, wirklich bedenken: Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist quasi das höchste verkehrspolitische Ziel, das wir haben. Ich weiß schon, dass Regionen nicht diese Mengen liefern können, sodass alles, was dort angeboten wird, profitabel ist, aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass es zum Beispiel Holzverladestellen gibt, die große Volumina und Ge­wichte abwickeln können, vor allem auch in den Frühjahrsmonaten, wo die Säge­wirtschaft eingeschränkte Verkehrsmöglichkeiten im niederrangigen Straßennetz hat. Diese Bedienung darf nicht zu stark eingebremst werden.

Ich habe schon Verständnis dafür, dass Verladestellen wie zum Beispiel bei uns in Kärnten, in Kötschach-Mauthen, die keine zehn Verladungen pro Jahr haben, nicht wirtschaftlich darstellbar sind. Und die zehn Lkws, die dann von Kötschach nach Hermagor fahren, um dort zu verladen, machen mir keine Sorgen. Aber wenn jetzt die Diskussion geführt wird, auch die Verladestelle in Hermagor einzustellen, in einer Bezirkshauptstadt, dann wird die Bedienung zu sehr ausgedünnt. Das sollten wir jedenfalls auch in dieser Diskussion berücksichtigen, dass die ÖBB nicht kontraproduk­tiv agiert und vor allem im niederrangigen Schienennetz die Zulaufstrecken und die Zulaufbedienmöglichkeiten für den Güterverkehr nicht zu stark eingeschränkt werden.

Was ist zu hinterfragen? Das haben wir auch im Ausschuss bereits diskutiert. Das berühmte Kurshandbuch war sozusagen die Bibel des Bahnfahrers. Heute braucht man 107 000 Seiten – 107 000 Seiten, das ist ja bald ein Stapel so hoch wie der Stephansdom! –, um nichts herauslesen zu können, außer Abfahrts- und Ankunfts­bahn­hof und den Kosten, aber nicht die Kilometerkosten. Und die Fahrgäste wünschen sich sehr wohl auch die Angabe dieser Kosten, also Transparenz, die durch den Wettbewerb auf der Westbahn durchaus verbessert worden ist.

Eine Frage noch, Frau Bundesminister: Ich lese hier im „Wiener Bezirksblatt“: Die Berichterstattung ist auf eine humane, soziale, umweltorientierte und demokratische Stadtpolitik ausgerichtet. So die Beschreibung. Und da drinnen sind auch Bahninserate zu finden, die zu hinterfragen sind: „Der Bahnschützer im Gebirge“. Da wirbt die ÖBB Infrastruktur AG damit, was der Herr Platzer als Servicetechniker in Dalaas am Arlbergtunnel macht. Da geht es über „Stock und Stein“, heißt es da.

Also ich würde mir wünschen, dass man hier vielleicht eine Reise nach Tirol anpreist, wo man sagt, man kann am Wochenende um 19,90 € nach Innsbruck mit der Bahn fahren, um dort Schi fahren zu gehen. Aber was „der Bahnschützer im Gebirge“ in Dalaas macht, das wird den Wiener Zeitungsleser kaum interessieren. (Bundesrat Stadler: Das ist eine gewisse Wertschätzung gegenüber den Bediensteten der Österreichischen Bundesbahn! Ich glaube, das haben Sie auch geschätzt, wie Sie


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noch einen anderen Job gehabt haben!) Die beste Wertschätzung ist, wenn die Kunden zufrieden sind und die Bahn nutzen.

Noch einmal: Ich will, dass Werbung gemacht wird. Und die Bahn macht teilweise sehr gute Werbung. Aber ich brauche auch nicht das Inserat „Sicherheit für den Tunnelbau“, in der gleichen Zeitung, wo die Frau Fehleisen erklärt, wie man beim Koralmtunnel für Sicherheit sorgt. Nein, bitte bewerbt ein Bahnticket zum Wörthersee! Das ist mir lieber, weil damit sichere ich Arbeitsplätze im Bereich der ÖBB; ich bewerbe ein gutes Produkt und schaffe dafür einen Nutzen. Ja zur Werbung, aber bitte Verkaufswerbung und nicht das, was die Frau Fehleisen im Koralmtunnel macht. Das interessiert den Leser dieser Zeitung sicher nicht.

Frau Bundesminister! Werbung ja, aber bitte zielorientiert, damit die Kunden nicht über Tunnelbohrmaßnahmen informiert werden, sondern letztendlich mehr Gäste mit der Bahn transportiert werden können.

Wir werden diesem Bericht natürlich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.15.21

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen! Vielen Dank für den sehr umfassenden und informativen Bericht. Vielen Dank für die sehr engagierte Arbeit der Schienen-Control GmbH. Wir werden dem Bericht natürlich sehr, sehr gerne zustimmen.

Besonders positiv ist – das ist von meinen Vorrednern schon erwähnt worden –, dass der Personentransport wirklich deutliche Zuwächse verzeichnen kann; 7 Prozent, haben wir gehört. Das ist für ein Jahr eine wirklich ansehnliche Zahl an Personen­transportzuwachs und somit auch ein Beweis dafür, dass die Verlagerung vom Individualverkehr in Richtung öffentlicher Verkehr funktioniert, wenn auch aus grüner Sicht hier noch viel mehr Tempo vorgelegt und das Thema noch ambitionierter ange­gangen werden muss. Aber wir freuen uns sehr, dass immer mehr Leute das Auto stehen lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen und vor allem auf die Bahn umsteigen. Gerade im Bereich Innsbruck, wo jetzt auch die S-Bahn verstärkt ausge­baut wird, haben wir einige Projekte angeleiert, die noch sehr viel mehr Anreize hinsichtlich des Komforts der Fahrgäste bringen werden.

Uns ist aber auch einiges nicht ganz so Positives aufgefallen. Der Bericht betrifft das Jahr 2012 und stellt fest, dass der Güterverkehr gegenüber dem Vorjahr, also 2011, bereits rückläufig war, und das sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ zum Gesamtgütertransport. In den ersten drei Quartalen 2013 war der Schienengüter­transport absolut gegenüber dem Bericht betreffend das Jahr 2012, also dem Jahr, wo er bereits rückläufig gewesen ist, nochmals um 8 Prozent rückläufig. Wenn wir in dem Tempo weitermachen, wird der Schienengütertransport in ein paar Jahren stark reduziert sein.

Was es braucht, sind einfach mehr Lenkung und mehr Anreize, um die Verlagerung von Lkws auf die Schiene endlich wirklich in einem quantitativ sehr hohem Maß umzusetzen. Der Hauptpunkt ist dabei ganz klar der Kostenfaktor, weil die Schiene im Vergleich zum Straßenverkehr noch immer viel zu teuer ist, weil es einfach keine Kostenwahrheit gibt. Die immensen Folgekosten aus dem Straßenverkehr, die Luft-, Lärm-, Treibhausgasemissionsbelastung trägt die Öffentlichkeit und nicht die Fräch­terInnen. Daher ist die Straße noch viel zu attraktiv im Vergleich zur Schiene.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 194

Um die Verlagerung wirklich gut umsetzen zu können, braucht es ein Maßnahmen­paket – ein Maßnahmenpaket, das aufgrund der Unterschiedlichkeit der regionalen Anforderungen in Österreich auch regional verschiedene Lösungen bieten sollte. Diese Lösungen sind vielleicht nicht immer sehr populär, aber ein Teil der Lösung könnte zum Beispiel die letzte Woche bei der VerkehrsreferentInnen-Konferenz in Kärnten wieder einmal geforderte flächendeckende Lkw-Maut sein, die für viele Regionen in Österreich sehr viel bringen würde. In manchen Regionen, wie zum Beispiel auch in meiner Region in Tirol, würde das nicht so viel bringen, weil wir in Tirol nur sehr wenige Möglichkeiten für Lenkungseffekte haben, weil der Verkehr in Tirol, sei es Autobahn, seien es Bundesstraßen oder niederrangige Straßen, parallel in den Tälern verläuft und wir dadurch eigentlich kaum einen Lenkungseffekt hätten.

Es könnte zum Beispiel auch im Bereich der Mineralölsteuer eine Optimierung erfol­gen. Österreich ist topographisch sehr unterschiedlich, es gibt sehr viele verschiedene Regionen, und es braucht daher sehr kreative Lösungen, um wirklich für alle Regionen das Beste herauszuholen und vor allem den Schwerverkehr aus den Regionen herauszubringen.

Ich bin sicher, Frau Bundesministerin, dass Sie da auch sehr rasch gute Ideen um­setzen werden, worüber ich mich jedenfalls freuen werde, denn ich möchte in den künftigen Berichten nichts mehr über rückläufige Zahlen lesen, sondern ich möchte dann über Zuwächse im Güterverkehr auf der Schiene und über eine wirklich erfolg­reiche Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene lesen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Bures. – Bitte, Frau Ministerin.

 


20.19.18

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die engagierte Diskussion und den Eindruck, den ich da gewinnen konnte, dass alle ein großes Interesse daran haben, dass wir den Verkehr auf der Schiene optimieren, verbessern und in den Mittelpunkt unserer Verkehrspolitik stellen. Österreich – das stimmt, das wurde ja auch erwähnt – hat sich immer dazu bekannt, dass wir dem umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr und damit auch der Eisenbahn den Vorrang geben wollen.

Ich glaube, dass dieser siebte Jahresbericht der österreichischen Bahn-Regulie­rungsbehörde schon ganz klar zeigt, dass in Österreich der Schienenverkehr auf dem Vormarsch ist, und das betrifft wirklich alle Bereiche.

Ich möchte trotz der vorgeschrittenen Zeit auf ein paar Punkte, die in der Diskussion eingebracht wurden, eingehen.

Das eine, Herr Bundesrat Dörfler: Ich finde es ja sehr schön, wenn Sie hier heraus­kommen und sich dagegen aussprechen, dass immer gegen die Bundesbahnen, gegen das Unternehmen, gegen fast 40 000 Menschen, die in diesem Unternehmen tagtäglich, von Montag bis Sonntag, sieben Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag eine Dienstleistung erbringen, Bashing betrieben wird. Ich möchte Ihnen aber trotzdem in Erinnerung rufen, dass es meine Vorgänger als Verkehrsminister von der FPÖ, die Vertreter Ihrer Partei waren, die ein Bundesbahngesetz gemacht haben, das fast zur Zerschlagung der Bahn geführt hätte, die bewirkt haben, dass wir keine Investitionen in die Bahn gehabt haben (Beifall bei der SPÖ) und dass die Bahn eigentlich gegen die Wand gefahren wäre, hätten wir diesen Kurs fortgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 195

Ich rechne Ihnen an, dass Sie sich hier gegen ein Bashing aussprechen – man kann ja klüger werden –, aber was nicht angeht, ist, sich jetzt als Verteidiger hinzustellen und eigentlich – wir erleben das ja auch bei anderen Themen mit der FPÖ – der Verur­sacher von Problemen gewesen zu sein. Dagegen wende ich mich, Herr Bundesrat. (Beifall bei der SPÖ.)

Und das Zweite: Frau Bundesrätin Schreyer, ich lade Sie herzlich ein, wenn Sie sagen, es ist Ihnen ein Anliegen, dieses System Bahn zu stärken, es ist Ihnen ein Anliegen, dass wir auf der Bahn eine Infrastruktur haben, die auch den Herausforderungen und den Kapazitäten und den Notwendigkeiten und Anforderungen der Fahrgäste in höherem Maße gerecht wird, dann sagen Sie nicht, Sie wollen, dass das noch schneller und beschleunigt wird, wenn auf der anderen Seite bei allen Investitionen, bei allen auch notwendigen Baumaßnahmen, die wir zu tätigen haben – und unsere Bundeshymne beginnt mit „Land der Berge“, daher müssen wir, wenn wir eine Eisenbahn bauen, nicht eine Zahnradbahn, sondern einen Tunnel bauen –, bei all diesen Projekten genau Ihre Partei, die Grünen, anstatt für umweltfreundliche Schie­nen­infrastruktur einzutreten, immer auf der Bremse steht! Also dazustehen und zu sagen: beschleunigen!, und dann in Wirklichkeit auf der Bremse zu stehen und alles zu erschweren und immer gegen diese Investitionen zu sein, das ist auch nicht glaub­würdig.

Daher bitte ich Sie: Wenn Sie das ernst meinen, was Sie hier sagen, dann stehen Sie auch dazu, dass wir Investitionen in eine Infrastruktur brauchen, dass wir Kapazitäten auf der Schiene brauchen, dass wir die Dienstleistung auch ausbauen wollen, dass es dazu neue Züge, neues Material geben muss. Ich lade Sie daher ein, nicht nur hier große Reden zu halten, sondern ganz konkret dann, wenn es darum geht, dass wir die Baustellen führen, dass wir investieren, auch dahinterzustehen und genauso wortstark dafür einzutreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Und es ist so: Wir befördern so viele Menschen auf der Bahn wie noch nie. Das zeigt auch dieser Bericht. (Bundesrätin Mühlwerth: Außerdem ist das von der Regierungsbank, möchte ich nur sagen! Das kann ich nur anmerken!) Und es stimmt, dass es beim Güterverkehr weniger Tonnagen auf der Schiene gibt, aber, wissen Sie, das hat nichts damit zu tun, dass wir einen Rückgang insgesamt haben, was den Anteil des Güterverkehrs betrifft. Es werden – das ist der berühmte Modal Split – 30 Prozent des Güterverkehrs in Österreich auf der Schiene transportiert.

Es ist mein Ziel, mit den Investitionen in die Schienenkorridore – ob es der Brenner-Basistunnel, der Semmeringtunnel oder der Koralmtunnel ist – all diese Korridore für den Güterverkehr auch fit zu machen. Es ist mein Ziel, das auszubauen. Aber nichtsdestotrotz ist es so, dass wir 30 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene haben und dass es kein einziges Land in Europa gibt, das so einen hohen Anteil hat – auch nicht die Schweiz, die da immer als Vorbild genannt wird. Also nicht nur innerhalb der EU, sondern in ganz Europa gibt es kein Land, das so viele Güter auf der Schiene befördert, wie das in Österreich der Fall ist.

Wenn Tonnagen zurückgehen, dann hat das mit der wirtschaftlichen Situation in Europa zu tun. Es sind auch Tonnagen auf der Straße zurückgegangen. Das ist an sich noch nichts Positives, weil das mit Exportquoten zu tun hat und daher wirt­schaftlich leider negative Auswirkungen hat. Aber wir sind Weltmeister beim Transport auf der Schiene, und wir wollen noch besser sein – ich lade Sie dazu ein, uns dabei zu unterstützen. Aber es ist nicht fair, sich hier herzustellen und zu sagen: Die Tonnagen sind zurückgegangen, die Bahn nimmt ab. – Das entspricht nicht der Tatsache, und ich glaube, Sie wissen das.


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Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal abschließend: Es ist mein Ziel, dass wir die Infrastruktur zukunftsfit machen, und ich halte diese Inves­titionen, die wir in eine moderne, umweltfreundliche Bahn tätigen, für wirklich notwen­dige Zukunftsinvestitionen, von denen auch nächste Generationen profitieren werden.

Und: Für uns ist Bauen kein Selbstzweck. Wir werden dort die Verkehre organisieren. Wir müssen die Dienstleistung ausbauen. Wir müssen auf die Pünktlichkeit achten – aber mit einem Pünktlichkeitsgrad von 96 Prozent sind wir auch da an der Spitze. Wir müssen die Pünktlichkeit halten. Wir müssen Fahrgastrechte stärken. Wir müssen Taktverkehre auch tatsächlich implementieren. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

Dieser Bericht zeigt, wo wir gut sind, wo wir auch noch Anstrengungen machen, um besser zu werden. Daher schließe ich mich allen an, die der Schienen-Con­trol Kommission, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen aufschluss­reichen Bericht gedankt haben, und ich bedanke mich für die Tätigkeit dieser engagierten Leute, die uns zeigen, wo wir ansetzen müssen, aber auch zeigen, wo wir in Europa, was die Bahn und das System Schiene betrifft, in Wirklichkeit Europameister sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.

 


20.26.44

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Bundesminister! Einer Frau zu widersprechen ist nicht mein Stil, ich mache das auch zu Hause nicht, aber ich muss zumindest etwas klarstellen, denn ich darf für mich und für Kärnten in Anspruch nehmen, dass ich ein glühender ÖBBler bin, dass ich als Verkehrsreferent gezeigt habe, dass wir etwas entwickeln – die Zahlen beweisen das.

Wenn Sie sagen, dass unter freiheitlichen Verkehrsministern quasi die Bahn „gebasht“ wurde, darf ich schon daran erinnern, dass das von Ihnen jetzt erfreulicherweise so stark getragene Projekt Südbahn/Koralmtunnel ein freiheitliches Projekt ist. Das möchte ich ein für alle Mal für die Geschichtsbücher auch festhalten. Dann zu sagen, dass wir dieses historische Projekt vielleicht noch verhindert hätten, das ist kühn. Das ist auch nicht die Wahrheit.

Die Wahrheit ist auch, dass dieses Projekt Teil des Baltisch-Adriatischen Verkehrs­korridors ist, den wir Kärntner 2004 in Villach mit unseren Nachbarn entwickelt haben, mit der von Regierung Friaul-Julisch Venetien – damals mit Präsident Riccardo Illy – und mit der Nachbarregion, dem Veneto, damals mit Giancarlo Galan. Und mit dem italienischen Verkehrskommissar Antonio Tajani ist es uns gelungen, das EU-Projekt „BATco“ aufzustellen, damit wir die Regionen von Danzig bis Bologna in dieses Projekt einbinden. Und heute dürfen wir erfreulicherweise festhalten, dass wir diese Kärntner Projektidee durchsetzen konnten. Das ist ein Kärntner Erfolg und ein freiheitlicher Kärntner Erfolg – mit einer guten grenzüberschreitenden Partnerschaft.

Damit komme ich auch zum europäischen Thema: Ich bin Europäer und ich bin, wie es Hans Niessl gesagt hat, auch ein starker Regionenbefürworter. Aber das lasse ich uns Kärntnern nicht nachsagen, dass wir kontraproduktiv gearbeitet haben. Der Beweis steht in Form von Zahlen fest. Und das Südbahn-Projekt ist auch unser Projekt, vor allem auch in starker Partnerschaft mit dem steirischen Nachbarn Franz Voves. Das muss einfach gesagt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

20.28



BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 197

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. (Bundesministerin Bures: Oja!) – Doch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


20.28.48

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Ich weiß nicht, Herr Bundesrat Dörfler, wie Sie das zu Hause handhaben, ob dann auch Ihre Frau das letzte Wort hat. (Heiterkeit.) Aber das sei Ihnen ganz unbenommen. Ich kann auch nicht sagen, ob das hier jetzt der Fall ist.

Es ist Ihnen unbenommen, Ihre persönliche Einstellung und Ihre Bahnaffinität hier auch noch einmal zum Ausdruck zu bringen. Wenn es jedoch darum geht, was die politische Verantwortung Ihrer Partei betrifft, dann steht es Ihnen nicht zu, zu sagen, dass Sie immer die Bahn gefördert und immer die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass die Bahn in eine gute Zukunft geht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das beurteilen aber nicht Sie, was uns zusteht, zu sagen! Das steht Ihnen nicht zu! – Das ist ja unglaub­lich!)

Es hat in der Zeit, in der blaue Verkehrsminister tätig waren, einen Investitionsstopp gegeben. Es gab keinen Ausbau der gesamten Korridore. Es stimmt (Bundesrätin Mühlwerth: Mäßigen Sie sich ein bisschen in Ihrer Art und Weise!) – vielleicht können Sie kurz zuhören –, es hat das Engagement rund um den Koralmtunnel gegeben, das wissen alle in diesem Land, aber es ging nie um einen gesamten Korridor. Es ging nie darum, dass man die Verkehre tatsächlich stärkt, sondern das Einzige, was in dieser Zeit passiert ist, war, dass das Unternehmen zerschlagen wurde, dass versucht wurde, eine ÖBB-Struktur aufzubauen, die die Bahn nicht in die Zukunft führt, sondern gegen die Wand fährt. Es hat einen Investitionsstopp gegeben.

Und was die Pensionsregelungen bei den ÖBB betrifft, die sind an die Grenze der Menschenverachtung gegangen. Das ist Ihre politische Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Polemik von der Regierungsbank! – Bundesministerin Bures: Das ist Tatsache! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber das ist hier unerwünscht! Und Sie sind nicht die erste Ministerin, der ich das sage!)

20.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. (Bundesrätin Mühlwerth meldet sich zu Wort.) – Doch! – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

 


20.30.38

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Bei allem Respekt, Frau Minister: Es steht Ihnen selbstverständlich, wie uns auch, frei und zu, Ihre Meinung kundzutun, und Sie können natürlich das, was wir sagen, zurückweisen. Wobei Sie hier auch nicht recht haben, wenn Sie sagen, dass wir die Bahn zerschlagen hätten, sondern wir haben, soweit ich das im Gedächtnis habe, dafür gesorgt, dass eine Richtlinie umgesetzt worden ist. (Bundesrat Beer: Nicht: Die EU ist überall schuld! – Bundesrat Füller: Genau! Jetzt die EU!) Fehler sind bei Ihnen dann auch passiert.

Aber eines sage ich Ihnen schon: Wir bemühen uns – es gelingt uns nicht immer –, als Abgeordnete doch einigermaßen einen Stil zu praktizieren. Ich sage ja, es gelingt nicht immer. Aber eines, Frau Minister, mögen wir alle gar nicht, und das ist Polemik von der Regierungsbank. Und glauben Sie mir: Wir können das von den Bänken auch wirklich besser. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit von Bundesministerin Bures.)

20.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wenn jetzt irgendeine Bereitschaft zum Frieden besteht, würde ich sagen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 198

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir stimmen trotzdem zu!) – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.32.2418. Punkt

Jahresvorschau des BMVIT 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-512-BR/2014 d.B. sowie 9165/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte um den Bericht.

 


20.32.41

Berichterstatter Wolfgang Beer: Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt den Antrag, die Jahres­vorschau des BMVIT 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte, Herr Kollege.

20.33.24

 


Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Ich muss ja nicht immer etwas in der Hand haben. Ich möchte noch eine Klarstellung zum Thema Europa machen, weil heute die Wogen ziemlich hochgegangen sind.

Ich bin Europäer, leidenschaftlich. Ich bin leidenschaftlicher Österreicher und leiden­schaftlicher Kärntner. Und das, Herr Mayer – du bist ja der Oberlehrer der Nation –,  (Zwischenrufe des Bundesrates Mayer sowie der Bundesrätin Zwazl. – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Mayer! Die Aufregung ist so groß. Habe ich einmal dreingeredet, wenn du gesprochen hast? – Da sieht man schon, dass man Ihrerseits eine Aufgeregtheit hat, die erstaunlich ist.

Ich will nur sagen: Es muss doch auch zulässig sein, ein besseres Europa haben zu wollen, ein gemeinsames. Europa als Friedensprojekt, ja, das haben wir heute schon diskutiert, das ist gelungen. Auch wenn es um Europa als Infrastrukturprojekt geht – wenn wir zum Beispiel an die TEN-T-Netze denken –, ist uns viel gelungen, da sind wir sozusagen im Drehkreuz Europas. Aber leider Gottes gibt es auch viele Bereiche, die den Menschen nicht gefallen – und ich bin Anwalt der Menschen und nicht zum Selbstzweck hier in diesem Hause.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 199

Ich möchte jetzt auf diesen Bericht gar nicht näher eingehen. Ich möchte mir das Recht herausnehmen, dagegen stimmen zu können oder dafür stimmen zu können. Und in diesem Fall werde ich dagegen stimmen. – Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

20.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Stadler. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.35.01

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt ganz kurz, Herr Bundesrat Dörfler! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein, ich brauche keinen Verteidiger. Aber es ist heute schon ein paarmal gesagt worden, ich plappere das jetzt einfach nach, aber zu diesem Zeitpunkt gehört das dazu:

Da steht EU drauf, da brauche ich keine Unterlagen, da brauche ich gar nichts, da gehe ich nur heraus, wenn ich von der FPÖ bin, und sage, ich nehme mir das Recht heraus und stimme dagegen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja überhaupt nicht wahr! Wir haben es heute oft genug ganz sachlich begründet!) Ein bisschen ein Argument, Frau Kollegin Mühlwerth, wäre schon angebracht. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn es nicht wahr ist!) Aber jetzt sind die Kameras ausgeschaltet, das haben Sie auch schon bemerkt, nicht wahr? Jetzt sehen es die Menschen draußen nicht mehr, jetzt braucht ihr kein Argument mehr zu bringen. (Bundesrätin Mühlwerth: Nach diesem Motto handeln Sie offensichtlich auch! – Bundesrat Krusche: Bei so viel Polemik kann man ja gar nicht sachlich argumentieren!) – Herr Kollege Krusche! Bitte!

Aber eines muss ich schon noch sagen, Herr Bundesrat Dörfler. Wenn Sie die blaue Verkehrspolitik ansprechen, dann muss ich Sie schon ein bisschen zurückerinnern. Wenn Sie auch in Kärnten damals noch auf einer anderen Wolke geschwebt sind, von der Sie jetzt heruntergefallen sind, muss ich Ihnen schon noch etwas sagen: Die größte und die schnellste Arbeit, die unter der damaligen Regierung die blauen Minister bei den ÖBB gemacht haben, das war, das Büro auszuräumen und das Büro einzuräumen (Bundesrätin Mühlwerth: Sozialistische Sozialminister! So wie der Edlinger! – Bundesrat Todt: Finanzminister! – Bundesrätin Mühlwerth: Ah, Finanz­minister!), denn wir haben nie gewusst, wenn wir eine Bundesratssitzung gehabt haben, wenn wir in unserer Familie der Bundesrätinnen und Bundesräte hier versam­melt waren: Wer wird denn heute kommen? Ist es wieder ein neuer Verkehrsminister? Ist es wieder eine neue Verkehrsministerin? – Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln, denn das sind auch Tatsachen. Und wenn sie nicht stimmen, dann kommen Sie hier heraus und sagen Sie das Gegenteil!

Aber jetzt zum angesprochenen Bericht, der Jahresvorschau des BMVIT auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission. Die Vorschau ist eine Arbeitsgrundlage, erstellt von Expertinnen und Experten im Ministerium, und sie ist, wenn man sie mit den letzten vergleicht – das ist auch im Verkehrsausschuss im Nationalrat von allen Fraktionen angesprochen worden –, in einzelnen Kapiteln noch übersichtlicher geworden. Ich möchte mich eingangs gleich seitens der SPÖ-Fraktion für diesen Bericht herzlich bedanken.

Ich möchte nur einen Punkt oder zwei wesentliche Punkte aus diesem Arbeits-programm herausgreifen. Da ist einerseits die Initiative zum viel diskutierten und auch in den Medien schon oft erwähnten Vierten Eisenbahnpaket. Dieses Eisenbahnpaket enthält viele Vorschläge, die wir als Österreicher mittragen können, aber es gibt auch einige Punkte, bei denen das nicht der Fall ist. – Wir stimmen also nicht überall zu, Frau Kollegin Mühlwerth. Sie sagen ja immer, wenn wir von der EU reden, dann seien


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 200

wir überall dafür. Nein, wir sind auch kritisch, und wir beweisen das nicht nur im EU-Ausschuss, sondern auch bei diesem Punkt, dieser Jahresvorschau.

Positiv sehen wir die Absicht von einheitlichen technischen Vorschriften, von der Interoperabilität, von der Eisenbahnsicherheit und von der Eisenbahnagentur. Hier geht es um die Verlagerung der Kompetenzen zur Marktzulassung von Eisenbahnfahr­zeugen und die Ausstellung von Sicherheitsbescheinigungen für Eisenbahnunterneh­men in die Europäische Eisenbahnagentur. Um einheitliche europäische Sicherheits­standards zu erreichen ist es natürlich unerlässlich, dass diese europaweit einheitlich geregelt werden und auf hohem Niveau sind, so wie wir es in Österreich auch gewöhnt sind. Ganz wichtig ist dabei, dass die nationalen Genehmigungs- und Sicherheits­behörden auch weiterhin eine gewisse Mitkompetenz haben und auch eine stärkere Kontrollbefugnis erhalten.

Kritisch stehen wir dem Vorschlag zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraumes bezüglich Öffnung des Marktes für inländische Schienen-Personen­verkehrsdienste und der Verwaltung der Eisenbahnstruktur gegenüber. Da geht es um die Trennung von Infrastruktur und Eisenbahnbetrieb. Wir wollen keine Zerschlagung von integrierten Bahnen. Ein integrierter Taktverkehr muss unbedingt Vorrang haben.

Wir befördern in Österreich – ich habe es beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt schon gesagt – so viele Personen wie noch nie in der Vergangenheit, und um diesen hohen Wert halten und ausbauen zu können, ist neben moderneren Zügen, schnelleren Zügen auch ein integrierter Taktfahrplan für die Reisenden ganz, ganz wichtig. Der Richtlinienvorschlag lässt zwar ein integriertes Eisenbahnunternehmen zu, aber die Einhaltung der in diesem Vorschlag enthaltenen Bedingungen stellt ein funktionierendes Holdingmodell infrage. Österreich hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass trotz eines Holdingsmodells ein funktionierender Wettbewerb auf dem Netz möglich ist.

In Österreich ist es seit Jahren möglich, dass Eisenbahnunternehmen mit österreichi­schem Sitz Netzzugang erhalten. Und dieses österreichische Modell soll und darf nicht vernichtet werden. Wir stehen weiterhin zur Direktvergabe in Österreich und zur Wahlfreiheit zwischen Direktvergabe und Ausschreibungen von Schienenpersonen­verkehr. Die hohen Qualitäts- und Sozialstandards müssen bei Ausschreibungen verpflichtend erhalten bleiben.

Ganz druckfrisch habe ich hier einen Initiativantrag aus dem Oberösterreichischen Landtag, der heute – heute war Landtagssitzung –, auch über dieses Thema debattiert hat. Dieser Antrag wurde – für die Freiheitlichen – auch von der FPÖ Oberösterreich mitgetragen, da geht es um dieselben Forderungen oder positiven und negativen Seiten dieses Vierten Eisenbahnpakets, und die FPÖ hat ihn mitunterzeichnet und mitdiskutiert. Das heißt, es ist nicht so wie im Bundesrat oder im Nationalrat, dass die FPÖ zu allem, wo EU draufsteht, sofort Nein sagt, sondern es gibt auch konstruktive Kräfte. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) – Deine Kolleginnen und Kollegen im Landtag diskutieren zumindest mit und ergreifen auch Initiativen. Das muss man auch einmal positiv hervorheben. Du tust dich da schon ein bisschen härter, oder?

Zum Abschluss noch zu einem Punkt, wo es momentan etwas positiver ausschaut – das haben wir auch schon bei einigen Sitzungen angesprochen –, zu den Gigalinern: Wir haben wahrscheinlich alle miteinander die Abstimmung im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments positiv zur Kenntnis genommen, denn dort wurde dem grenzüber­schreitenden Verkehr dieser Monster-Lkws eine Absage erteilt. Ich denke aber, das ist nur ein Teilerfolg, und ich bitte dich, liebe Frau Ministerin, so wie in der Vergangenheit auch in Zukunft gegen diese Monster-Lkws aufzutreten und bei jeder sich bietenden Gelegenheit dagegen zu stimmen.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 201

Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch das Gesamtverkehrskonzept für Österreich erwähnen, das natürlich als Arbeitsgrundlage für die weitere Verkehrspolitik sehr wichtig ist. Das von unserer Ministerin vorgelegte Konzept verdeutlicht den verkehrs­politischen Weg: Güter- und Personenbeförderung weg von der Straße, hin zur umwelt­freundlichen und sicheren Schiene und auf unsere Wasserstraßen. Wichtig ist: weg von der Straße!

Diese Verlagerungspolitik, die du, geschätzte Frau Ministerin, auch auf EU-Ebene immer wieder ansprichst und befürwortest, hat auch in der EU schon zum Umdenken geführt, und ich möchte mich dafür herzlich bedanken. Wir, die SPÖ-Fraktion, nehmen die Jahresvorschau, die Vorhaben positiv zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte, Herr Kollege. (Rufe bei ÖVP und SPÖ: Oberlehrer Mayer! Oberlehrer!)

 


20.43.34

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es liegt heute schon eine gewisse Würze in der Diskussion, einige spüren den Frühling doch vehement (Heiterkeit bei der ÖVP), und farblich stellt sich das so dar: manchmal grün, manchmal blau.

Lieber Gerhard Dörfler! (Bundesrat Dörfler: Hier!) Danke für die Bezeichnung „Oberlehrer“ (Bundesrat Dörfler: Respektvoll!), da komme ich ja zu besonderen Ehren, aus deinem berufenen Munde. Wenn es bei einem EU-Thema die Bezeichnung „Oberlehrer“ gibt, dann nehme ich das als Kompliment, denn wir haben an dieser Erfolgsgeschichte EU schon einige Jahre mitgewirkt – ganz hervorragend mitgewirkt.

Wenn man unsere Performance im Wirtschaftsbereich anschaut, die Arbeitslosen­zahlen zum Beispiel, dann sieht man, wir verdanken vieles auch der EU, wir sind als Teil dieser Staatengemeinschaft Profiteure dieser Staatengemeinschaft. Wenn wir da nicht dabei wären, ginge es unserer Wirtschaft schlecht – die wäre sicherlich am Boden (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler–, es würde unserem Schilling schlecht gehen – der würde vielleicht so dastehen wie der Forint in Ungarn. (Bundesrat Pisec: Aber geh!) Insgesamt ist das also eine Erfolgsgeschichte, an der ich gerne teilhabe und wo ich gerne Oberlehrer bin. Danke, lieber Gerhard Dörfler! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Kurz zum Bericht: Er ist sehr umfassend und sehr informativ. Es heißt zum Beispiel:

„Ein vollständig integrierter und vernetzter Binnenmarkt, der die Bereiche Telekom­munikation, Energie und Verkehr umfasst, erfordert eine erschwingliche, zugängliche, effiziente und sichere Netzinfrastruktur. Mithilfe der Fazilität ‚Connecting Europe‘ dient der EU-Haushalt als Katalysator für private Investitionen in strategische Netzinfra­strukturen. (...)

Im Verkehrsbereich sollten die Bürger effizientere Netze nutzen und leicht zwischen den verschiedenen Beförderungsarten wechseln können. Es sollen Vorschläge in den Bereichen Schienenverkehr, Flughäfen, Flugverkehrsmanagement und Häfen verab­schiedet werden, mit dem Ziel, neue Chancen zu eröffnen und eine wettbewerbs­fähigere Infrastruktur zu fördern.“

Die EU-Kommission nimmt auch Bezug auf die Einrichtung eines Binnenmarktes für die Telekommunikation.

„Die Verabschiedung dieses Vorschlages würde nach Ansicht der EK“ – also der EU-Kommission – „einen wichtigen Schritt zur Verwirklichung eines dynamischen Binnen-


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 202

markts für die Telekommunikation (...) darstellen. (...) Darüber hinaus sind die rasche Verabschiedung der Rechtsetzungsvorschläge über die Netz- und Informationssicher­heit, der Datenschutz und weitere Maßnahmen zur Modernisierung der gewerblichen Schutzrechte wesentliche Bestandteile der digitalen Agenda.

Die Vorschläge (...) für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 bilden den Rahmen für die mittlerweile benötigten konkreten Maßnahmen zur ehrgeizigen und rechtzeitigen Reduzierung der Treibhausgasemissionen unter gleichzeitiger Gewährleistung einer sicheren und erschwinglichen Energieversorgung.“

Ich möchte jetzt abschließend – um es nicht zu lang werden zu lassen – auch noch den Punkt betreffend Gigaliner herausgreifen, die Kollege Stadler schon erwähnt hat. Da hat sich Österreich – nicht nur Legislative und Exekutive, sondern auch viele Institutionen – wirklich in vorbildlicher Art und Weise rasch und wirklich vehement geäußert, dass dies für die Straßenverkehrsinfrastruktur in Österreich eine unzumut­bare Belastung darstellen würde und einer nachhaltigen Verkehrspolitik und der Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger diametral entgegensteht. Österreich hat sich wirklich massiv damit auseinandergesetzt – auszugsweise: Es gibt Ent­schließungs­anträge des Nationalrates, der Bundesländer Salzburg, Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Kärnten. Auch der Bundesrat hat sich erst jüngst durch eine Mitteilung im EU-Ausschuss entsprechend geäußert. Die Landeshauptleutekonferenz hat sich massiv zur Wehr gesetzt, und auch der ständige EU-Ausschuss des National­rates hat sich nach dem Motto: Wehrt den Anfängen!, wirklich massiv zur Wehr gesetzt. Wir hoffen, dass es schlussendlich auch gelingen wird, das europaweit zu ver­hindern.

Frau Minister, ich bedanke mich nochmals für den informativen und umfassenden Bericht; wir werden ihn gerne zu Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.48.26

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe KollegInnen! Sehr geehrte ZuseherInnen! (Widerspruch bei der ÖVP.) – Da drüben, links von mir (auf Mitarbeiter von Bundesministerin Bures deutend), sitzen noch ZuseherInnen, sie habe ich begrüßt. (Ironische Heiterkeit.) – Ich habe extra geschaut, ob noch jemand da ist. (Bundesministerin Bures: Die haben es geschrieben!)

Zuerst einmal möchte ich den MitarbeiterInnen danken, es ist eine sehr detaillierte und sehr informative Vorschau. Es stehen wirklich sehr viele Zahlen, Daten, Fakten drinnen, das hat mir sehr gut gefallen. Ich möchte mich sehr kurz fassen, weil es doch schon fast 21 Uhr ist, und nur zwei sehr positive Beispiele herausheben. Es ist ohnehin bereits von den Vorrednern erwähnt worden: Ich freue mich sehr darüber, dass die Ablehnung der Gigaliner jetzt auch wirklich auf die gesamte EU bezogen wird.

Es ist schon lange eine grüne Forderung, dass die Positionierung Österreichs nicht nur lautet, dass wir keine Gigaliner in Österreich wollen, sondern dass die österreichische Positionierung sein muss, dass wir Gigaliner EU-weit ablehnen, einfach um eine Salamitaktik zu verhindern – das steht auch im Bericht drinnen –, um Hintertüren und Aufweichungen gerade im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EU zu ver­meiden.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 203

Das ist nämlich wirklich das Letzte, was wir brauchen. Das konterkariert die Bemü­hungen der EU, die Verlagerung von der Straße auf die Schiene voranzutreiben. Das bringt uns noch weiter davon weg, dass wir endlich von fossilen Energieträgern unab­hängiger werden. Und fraglos steht das natürlich auch im krassen Gegensatz zur Energiewende. Aus diesem Grund möchte ich sagen, dass jeder mit gesundem Menschenverstand weiß, dass Gigaliner ganz einfach abzulehnen sind.

Das Zweite, was mir sehr positiv aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass auf der Karte in der Vorschau auf Seite 25 bei den Hauptverkehrstrassen beziehungsweise Kerntras­sen in Tirol die Unterinntaltrasse und der Brenner Basistunnel zwar enthalten sind, dass das Konkurrenzprojekt dazu, nämlich der Tschirganttunnel, jedoch nicht enthalten ist. Dass man endlich seitens des Ministeriums erkannt hat, dass der Bau des Tschirganttunnels einfach ein unsinniges Projekt ist, eine weitere Transitroute durch Tirol bringt, die Verkehrsbelastung noch intensiver macht und die Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene noch einmal erschwert, und daher dieses Projekt nicht mehr fortgeführt wird, freut mich sehr.

Den Brenner Basistunnel  (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) – Bitte? – Die Zahl der Personen, die Anwohner sind und den Tunnel nutzen, ist prozentuell so gering im Vergleich zum Transitverkehr, der diesen Tunnel nützen würde, und jeder Verkehrs­experte würde Ihnen aufzeigen, dass überall dort, wo eine Route technisch verbessert wird und einfacher zu befahren ist, noch mehr Verkehr hingezogen wird. Man würde davon also nicht profitieren. Und die Leute, die dort wohnen  (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Krusche.) Ja.

Ich möchte noch kurz auf den Brenner Basistunnel eingehen, weil er schon ange­sprochen wurde: Im Bericht steht, dass die Kofinanzierung der EU laut Vorschau bis 2020 gesichert ist. 30 bis 40 Prozent EU‑Kofinanzierung sind anscheinend zugesagt. Es freut uns sehr, wenn es eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene gibt, und zwar mit dem kleinen Zusatz: Wenn es diese gibt, wenn es nämlich eine Verpflichtung dazu gibt, dass der Transitverkehr und der Transitgütertransport dann wirklich auf die Schiene verlagert werden, wenn auch wirklich Zulaufstrecken in Deutschland und Italien kommen und wenn der Brenner Basistunnel nicht, wie von den Grünen befürchtet, ein Milliardenloch im Berg bleibt oder wird.

Wenn das wirklich funktioniert und wir dadurch wirklich eine Verlagerung schaffen können, dann freuen wir uns natürlich, dass der Verkehr weg ist. Ja. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesministerin Bures: Ich darf mich verabschieden, frohe Ostern!) Frohe Ostern, Frau Minister!

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll828. Sitzung / Seite 204

Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt noch zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale eine Frist bis 15. Mai 2014 zu setzen. – Ich bitte um Aufmerksamkeit!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abge­lehnt.

20.54.04Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen, 2966/J‑BR/2014 bis 2986/J‑BR/2014, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist der 15. Mai 2014, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Wie immer kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für den 13. Mai ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich gebe noch bekannt, dass folgende Ausschüsse jetzt im Anschluss an die Bun­desratssitzung zu ihrer Konstituierung zusammentreten werden: der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen des Bundesrates, der Ausschuss für Familie und Jugend des Bundesrates, der Geschäftsordnungsausschuss des Bundesrates, der Gleichbehandlungsausschuss des Bundesrates, der Ausschuss für innere Angelegen­heiten des Bundesrates, der Justizausschuss des Bundesrates, der Landesver­teidigungsausschuss des Bundesrates, der Ausschuss für Land‑, Forst‑ und Wasserwirtschaft des Bundesrates, der Ausschuss für Sportangelegenheiten des Bundes­rates, der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur des Bundesrates und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.55.13Schluss der Sitzung: 20.55 Uhr

 

 

 

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