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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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831. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 26. Juni 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

831. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 26. Juni 2014

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 26. Juni 2014: 9.04 – 16.21 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 geändert wird

2. Punkt: EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2014

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Hochschülerinnen- und Hochschüler­schaftsge­setz 2014 erlassen wird und das Universitätsgesetz 2002, das Fachhochschul-Studien­gesetz, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems geändert werden

4. Punkt: Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung zum EU Vorhaben

5. Punkt: Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Wirtschaft)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bezügegesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, der Artikel 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauar­beiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeiterkammergesetz 1992, das Wirt­schaftskammergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Ziviltechniker­kammergesetz 1993, das Ärztegesetz 1998, das Zahnärztekammergesetz, das Apo­thekerkammergesetz 2001, das ORF-Gesetz, das Schönbrunner Tiergartengesetz, das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz, das Aus­tria Wirtschaftsservice-Gesetz, das AMA-Gesetz, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bundesfinanzierungsgesetz, das ASFINAG-Gesetz und das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert werden sowie Bestimmungen über Pensions­sicherungsbeiträge im Verbund-Konzern und über Pensionsregelungen von Kreditinstituten, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, erlassen werden (Sonderpensionenbegrenzungsgesetz – SpBegrG)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, das Schulorga­ni­sationsgesetz, die 5. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Land- und forstwirt­schaft­liche Bundesschulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Minderheiten-Schulgesetz


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für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Pflichtschul­erhal­tungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Privatschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Bildungsdokumentationsgesetz und das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (Schulbehördenverwaltungsreform- und Rechts­bereinigungsgesetz 2014)

8. Punkt: Strategische Jahresplanung 2014 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monats­programms der irischen, litauischen und griechischen Präsidentschaften

9. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2014

*****

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache des Präsidenten Michael Lampel ................................................ 8

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die wechselseitige Hilfestellung beider Staaten durch ihre Vertretungsbehörden im Verfahren zur Erteilung von Visa für den langfristigen Aufenthalt durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................................. 33

Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, dem Finanzausschuss zur Bericht­erstattung über den Antrag 195/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestim­mungen bei der Pendlerpauschale gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 24. Juli 2014 zu setzen – Ablehnung .................................................................................  38, 123

Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR über diesen Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen – Ablehnung ...............................................................  38, 38

Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, das Stenographische Protokoll über die parlamentarische Enquete des Bundesrates zum Thema „Der Bundes­rat – Status und Entwicklungspotenziale“ samt Beilagen gemäß § 16 Abs. 4 GO-BR in Verhandlung zu nehmen und mit der Vorberatung dieses Verhand­lungs­gegenstandes den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zu betrauen – Annahme ................  38, 39

9. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2014 ............................................................................................................ 121

Schlussworte der Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz ......................................... 123

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Aktuelle Stunde (27.)

Thema: „Familien im Mittelpunkt – Maßnahmenpaket zur Unterstützung unserer Familien“        ............................................................................................................................... 10


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Redner/Rednerinnen:

Ing. Andreas Pum ................................................................................................... ..... 10

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 13

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 15

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 17

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin ...............................................  20, 30

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 24

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ..... 25

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 27

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 28

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 36

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend seinen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ....................................................................................................... 37

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 38

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  32, 124

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 geändert wird (142 d.B. und 168 d.B. sowie 9198/BR d.B.)                39

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 39

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 40

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 42

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 43

Brigitte Bierbauer-Hartinger ................................................................................. ..... 44

Walter Temmel ........................................................................................................ ..... 46

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ..... 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 49

2. Punkt: EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2014 (III-514-BR/2014 d.B. sowie 9195/BR d.B.) ............................. 49

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 50

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 50

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 53

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ..... 54

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 56

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 59

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ..... 61


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-514-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 65

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 erlassen wird und das Universitätsgesetz 2002, das Fachhochschul-Studien­gesetz, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems geändert werden (136 d.B. und 171 d.B. sowie 9189/BR d.B. und 9192/BR d.B.) ................................................................................................................. 65

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 65

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 65

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 67

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 68

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ..... 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 71

4. Punkt: Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wissenschaft und For­schung zum EU Vorhaben (III-509-BR/2014 d.B. sowie 9193/BR d.B.) ........................................................................ 71

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 71

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 72

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ..... 73

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 75

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 76

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ..... 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-509-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 81

5. Punkt: Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Wirtschaft) (III-510-BR/2014 d.B. sowie 9199/BR d.B.) .................................. 81

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 81

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 81

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 84

Ilse Fetik ................................................................................................................... ..... 86

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 87

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 89

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ..... 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-510-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 93

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bezügegesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, der Artikel 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeiterkammergesetz 1992,


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 5

das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ärztegesetz 1998, das Zahnärztekam­mergesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das ORF-Gesetz, das Schön­brun­ner Tiergartengesetz, das Österreichische Forschungsförderungs­gesell­schaft mbH-Errichtungsgesetz, das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das AMA-Gesetz, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bundes­finan­zierungsgesetz, das ASFINAG-Gesetz und das Bundesmuseen-Ge­setz 2002 geändert werden sowie Bestimmungen über Pensionssicherungs­beiträge im Verbund-Konzern und über Pensionsregelungen von Kreditinstituten, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, erlassen werden (Sonderpensionen­begrenzungsgesetz – SpBegrG) (140 d.B. und 151 d.B. sowie 9190/BR d.B. und 9194/BR d.B.) ................................................................................................................. 93

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 94

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 94

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ..... 96

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 97

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 99

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 100

Rene Pfister ............................................................................................................. ... 102

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ... 103

Antrag der Bundesräte Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend das Sonderpensionen­begrenzungs­gesetz (140 d.B. und 151 d.B. sowie 9190/BR d.B. und 9194/BR d.B.) gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR Einspruch zu erheben – Ablehnung           95, 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 107

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, das Schulorgani­sa­tions­gesetz, die 5. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Land- und forstwirt­schaftliche Bundesschulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Minder­heiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Privatschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Bildungsdokumen­ta­tions­gesetz und das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (Schul­behör­denverwaltungsreform- und Rechtsbereinigungsgesetz 2014) (141 d.B. und 150 d.B. sowie 9191/BR d.B. und 9196/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 107

Berichterstatter: Rene Pfister ..................................................................................... 107

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 108

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ... 110

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 112

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 113

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ... 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden


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Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 116

8. Punkt: Strategische Jahresplanung 2014 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der irischen, litauischen und griechischen Präsident­schaf­ten (III-520-BR/2014 d.B. sowie 9197/BR d.B.) ...... 116

Berichterstatter: Rene Pfister ..................................................................................... 117

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ... 117

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 118

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 120

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ... 121

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-520-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 121

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesräte

Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Einkommen durch eine sofortige Senkung der Lohnsteuer zur Stärkung der Kaufkraft (200/A(E)-BR/2014)

Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absenkung der SVA-Beiträge durch Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger (201/A(E)-BR/2014)

Anfrage der Bundesräte

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend: Breitbandoffensive in Österreich (3014/J-BR/2014)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die für die Universität Wien zur Verfügung stehenden Budgetmittel (2761/AB-BR/2014 zu 2984/J-BR/2014)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die studienrechtlichen Bestimmungen an der Donau-Universität Krems (2762/AB-BR/2014 zu 2985/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Christian Jachs, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kasernenschließungen (2763/AB-BR/2014 zu 2986/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwendung von eichfähigen Waagen für schulärztliche Untersuchungen – Schikane von Schulen und Gemeinden (2764/AB-BR/2014 zu 2983/J-BR/2014)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2765/AB-BR/2014 zu 2991/J-BR/2014)


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 7

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2766/AB-BR/2014 zu 2992/J-BR/2014)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2767/AB-BR/2014 zu 2998/J-BR/2014)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2768/AB-BR/2014 zu 2994/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2769/AB-BR/2014 zu 2999/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2770/AB-BR/2014 zu 2993/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2771/AB-BR/2014 zu 2989/J-BR/2014)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2772/AB-BR/2014 zu 3000/J-BR/2014)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2773/AB-BR/2014 zu 2997/J-BR/2014)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2774/AB-BR/2014 zu 2990/J-BR/2014)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2775/AB-BR/2014 zu 2988/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2776/AB-BR/2014 zu 2987/J-BR/2014)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2777/AB-BR/2014 zu 2996/J-BR/2014)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun-desräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge im Bundes­dienst (2778/AB-BR/2014 zu 2995/J-BR/2014)


 


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 8

09.04.23 Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Michael Lampel: Ich eröffne die 831. Sitzung des Bundesrates und möchte euch, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, herzlich begrüßen, ebenso die Besucher auf den Zuschauerplätzen und vor allem auch – und da bedanke ich mich für die Übertragung auf ORF III – die Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen.

Besonders begrüßen möchte ich auch Frau Bundesministerin Dr. Sophie Karmasin. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als verhindert gemeldet sind für die heutige Sitzung die Mitglieder des Bundesrates Mag. Gödl, Junker und Schennach.

09.05.04Schlussansprache des Präsidenten

 


9.05.05

Präsident Michael Lampel: Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! In wenigen Tagen wird das Land Burgenland den Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshauptleutekonferenz an das Land Kärnten übergeben. Das gibt mir Gelegenheit, heute meine Schlussansprache als Präsident des Bundesrates zu halten.

Das Land Burgenland hat seinen Vorsitz unter das Motto „Starke Regionen – unsere Zukunft!“ gestellt. Gemeinsam mit Herrn Landeshauptmann Hans Niessl habe ich mich bemüht, dieser Zielsetzung gerecht zu werden. Das hat insbesondere die intensive Diskussion über den Bundesrat gezeigt, die zu Beginn meiner Präsidentschaft neuer­lich aufgeflammt ist. Auch wenn ich keine prophetischen Fähigkeiten besitze, wage ich die Prognose, dass uns diese Diskussion über eine neue Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, über mehr Zentralismus oder mehr Föderalismus auch in Zukunft beschäftigen wird.

Ich sage: Ja, wir brauchen Reformen, wir brauchen einen modernen Föderalismus, damit wir unsere Aufgaben im Interesse der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich erfüllen können. Ich sage aber auch – und da hat sich auch der burgenländische Lan­deshauptmann in den letzten Tagen in der „Pressestunde“ des ORF klar positioniert –: Wir brauchen auch eine Zentralismusreform. Wir brauchen eine Reform des Zentralis­mus, damit staatliche Einrichtungen ihren Aufgaben sparsam, effizient und rasch nachkommen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen eine sinnvolle Aufgabenteilung. Es freut mich sehr, dass die Bundes­regierung in ihrem Arbeitsprogramm vorgesehen hat, dass der Bundesrat in seinen Aufgaben gestärkt wird. Es gibt auch ein klares Bekenntnis der Landtagspräsidenten und der Landeshauptleute zum Bundesrat. Sie sprechen sich ebenfalls für eine Stär­kung und Aufwertung der Länderkammer aus. Diese Aufwertung wäre gleichbedeutend mit einer Modernisierung des Föderalismus. Diese Aufwertung würde auch den Entwicklungen in einem Europa, in dem die Regionen eine immer größere Bedeutung haben, Rechnung tragen. Man schaue sich die Situation in Europa an: Es stehen nicht jene Länder mit dem stärksten Zentralismus besser da, sondern jene, in denen das föderale Prinzip herrscht, wobei das sicherlich nicht der einzige Grund ist.

Wir haben im Rahmen der gestrigen Enquete den Status und die Entwicklungs­poten­ziale des Bundesrates sehr eingehend beleuchtet. Wir müssen diese Entwicklungs­potenziale nutzen, und wir müssen weiterhin gemeinsam dafür arbeiten, dass diese


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 9

Potenziale als Chance und schließlich als Notwendigkeit erkannt werden. Das Ziel muss weiterhin sein: ein starker Bundesrat im Rahmen des bundesstaatlichen Prinzips.

Dass der Bundesrat neue Aufgabenbereiche ausgezeichnet bewältigen kann, hat er nicht zuletzt als Europakammer durch die Mitwirkung an der EU-Gesetzgebung durch die Subsidiaritätskontrolle unter Beweis gestellt. Der Bundesrat gehört zu den aktivsten parlamentarischen Kammern in Europa. Ich habe das auch bei der Konferenz der PräsidentInnen der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und des Europäischen Parla­ments in Vilnius thematisiert und bedanke mich beim EU-Ausschuss unter Vorsitz von Bundesrat Edgar Mayer für die intensive und ausgezeichnete Arbeit recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Natürlich gab in den vergangenen Monaten nicht nur die Konferenz in Vilnius, der auch die Frau Nationalratspräsidentin beiwohnte, Gelegenheit, internationale Kontakte zu pflegen und auszubauen. Zu den Höhepunkten zählte zweifellos der Besuch in Brasilien – mittlerweile der viertgrößte Exportpartner Österreichs – und die Vertretung der Frau Nationalratspräsidentin bei der feierlichen Annahme der Verfassung in Tunesien. Auch in Österreich, auch hier im Parlament konnte ich viele hochrangige politische Vertreter aus dem Ausland zu Arbeitsgesprächen begrüßen. Interessante politische Gespräche, aber auch Gespräche zu wirtschaftlichen Themen mit hoch­rangigen Persönlichkeiten konnte ich bei Besuchen in Ungarn und in der Türkei führen.

Besonders bewegend war für mich sicherlich der „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 5. Mai mit dem ehemaligen tschechischen Außenminister Karl Schwarzenberg, mit den Zeitzeuginnen Dagmar Lieblová und Eva Herrmannová und der Aufführung der Kinderoper Brundibár von Hans Krása. Damit konnte im Gedenkjahr 2014 – 75 Jahre nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges – ein eindrucksvolles Zeichen gegen Gewalt und Rassismus gesetzt werden.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Rahmen meiner Präsidentschaft hat auch die Jugend einen sehr hohen Stellenwert eingenommen. Beim Jugendparlament konnte ich, gemeinsam mit dem Zweiten und dem Dritten, hier im Parlament mehr als 100 Schülerinnen und Schüler aus dem Burgenland begrüßen.

Bei meiner Antrittsrede habe ich als Schwerpunkt für dieses halbe Jahr auch das Thema Nachhaltigkeit und erneuerbare Energie genannt. Am 11. Juni konnte ich zur Enquete „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunftsper­spektiven“ viele Persönlichkeiten begrüßen. Dieses Thema ist gerade für das Bur­genland von ganz großer Bedeutung, da wir im Jahr 2013 erstmalig 100 Prozent unseres Strombedarfs selbst, und zwar aus erneuerbarer Energie, abdecken konnten.

Die vergangenen sechs Monate waren für mich eine intensive Zeit, in der ich aber auch sehr viele positive Erfahrungen und Eindrücke sammeln konnte. Dazu gehört zweifellos auch die konstruktive und ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr möchte ich mich dafür ganz herzlich bedanken.

Mein besonderer Dank gilt auch der Präsidiale, meinen beiden Vizepräsidenten Susan­ne Kurz und Harry Himmer sowie den Fraktionsobleuten Reinhard Todt, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth und Marco Schreuder.

Nicht zuletzt möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesrats­dienst, an der Spitze mit Frau Direktor Dr. Susanne Bachmann, sehr herzlich für die großartige Unterstützung danken.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 10

Ebenso gilt mein Dank dem Internationalen Dienst des Parlaments unter der Leitung von Frau Dr. Brigitte Brenner, der sowohl beim Empfang von ausländischen Gästen als auch bei meinen Auslandsbesuchen ausgezeichnete Arbeit geleistet hat.

Auch ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung an den SPÖ-Klub mit Beppo Pointner und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier im Hause!

Besonders danken möchte ich auch meinem Fahrer Wolfgang Magyar für die sicheren Fahrten.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe es als eine große Ehre empfunden, dass ich in den vergangenen sechs Monaten für das Burgen­land den Vorsitz im Bundesrat ausüben konnte. Als besonderen Gewinn habe ich die vielen persönlichen Begegnungen und Gespräche empfunden, nicht nur jene mit den Vertretern aus Politik und Diplomatie, sondern auch jene mit den vielen Besuchern, Jugendlichen und Künstlern, die ich hier begrüßen konnte. Diese Begegnungen und Gespräche haben mich darin bestärkt, weiterhin für einen starken Bundesrat, für einen gelebten Föderalismus, als Erfolgsrezept auch für die Zukunft der Republik Österreich, einzutreten.

Ich möchte mich abschließend noch einmal sehr herzlich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedanken!

Ich wünsche dir, liebe Ana Blatnik, für den kommenden Vorsitz des Landes Kärnten, alles Gute und viel Erfolg! – Danke. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

9.14

09.14.30Aktuelle Stunde

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Familien im Mittelpunkt – Maßnahmenpaket zur Unterstützung unserer Familien“

mit Frau Bundesministerin für Familien und Jugend Dr. Sophie Karmasin, die ich nochmals ganz herzlich willkommen heißen darf.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgen wiederum je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion sowie anschließend eventuell eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Erster Redner: Herr Bundesrat Ing. Pum. Ich mache darauf aufmerksam, dass ent­sprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten be­trägt. – Bitte.

 


9.15.36

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin Dr. Sophie Karmasin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bun­desrates! Vor allem aber liebe Damen und Herren vor den Fernsehgeräten, Sie haben heute wieder die Chance, verschiedene Standpunkte, gerade zum Thema Familien­politik, nähergebracht zu bekommen, vor allem aber auch politische Haltungen zu diesem Thema sehr unterschiedlich beleuchtet diskutiert zu sehen, und nicht zuletzt


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die Chance, zu erfahren, wie in der Zukunft Familienpolitik, in Zahlen, bei Ihnen zu Hause, bei jedem Einzelnen, bei jeder Einzelnen auch wirklich ankommt.

Ich möchte, bevor ich hier nochmals einige Zahlen nenne, das Thema Familie sehr intensiv beleuchten, weil gerade dieses Thema uns alle sehr stark bewegt. Kinder haben ein Recht auf Familie. Damit setze ich den Schwerpunkt dieser Diskussion, das Thema Familienpolitik, dorthin, wo es hingestellt gehört, nämlich in den Mittelpunkt. Wir haben eines sehr stark gesehen: Kinder sind die einzige lebenslange Bindung, die wir eingehen, die wir haben, die nicht gelöst werden kann und die letztlich dazu beiträgt, dass Handlungsweisen und das eigene Leben sehr stark verändert und auch geprägt werden.

Eine überalternde Gesellschaft ist keineswegs ein Zukunftsbild, und wenn wir glauben, mit einer alternden Gesellschaft Fortschritt und Zukunft gestalten zu können, dann werden wir letztlich Schiffbruch damit erleiden. Wir werden sehen, dass wir hier vor enor­men gesellschaftlichen Herausforderungen stehen, die immer wieder in der Frage des Generationenvertrages enden und die uns vor verschiedene Aufgaben stellen, die wir auch zu lösen haben.

Angefangen von Patchwork-Familien über alleinstehende Mütter und Väter bis hin zu alleinerziehenden Singles prägen verschiedenste Formen des Familienbilds unsere heutigen Gesellschaft. All das sind heute Formen des tatsächlichen, realen Lebens, die letztlich aber immer wieder eines in den Mittelpunkt stellen, nämlich das Wohl des Kindes in all den verschiedenen Formen des alltäglichen Zusammenlebens oder Lebens.

Wir haben einen Paradigmenwechsel in der heutigen Zeit zu verzeichnen, und der sollte gerade diese Frage in der Diskussion immer wieder sehr stark begleiten. Die Generationen vor uns hatten einen anderen Zugang zu dieser Thematik. Damals, vor Generationen, war einzig die Entwicklung des Kindes, die Entwicklung der Kinder die Zielsetzung im Gestalten, im Entwickeln des eigenen Lebens. Der Lebensmittelpunkt war einzig von Fragen geprägt wie: Wie wird es den Kindern gehen? Wie wird die Zukunft meiner Kinder ausschauen?, und daraus hat sich auch Verschiedenstes in der Gestaltung ergeben.

Heute sehen wir insofern einen Wechsel, dass die eigene Entwicklung im Mittelpunkt steht, die Selbsterfüllung des Lebens und nicht zuletzt die eigene Verwirklichung. Wir haben eine Konsumgesellschaft, die ganz einfach darauf abzielt, enorm viel an Konsum zu schaffen und damit natürlich auch eine Zielgruppe in den Fokus stellt, nämlich allen voran Kinder und Jugendliche.

Ich glaube, es ist längst vielen bewusst geworden, hier ist ein Kampf um Kinder ent­brannt, der nicht nur in den Schulen, in verschiedensten Einrichtungen passiert, der auch in den Vereinen mittlerweile Einzug gehalten hat, aber der auch in der Frage der wirtschaftlichen Entwicklung voll und ganz entbrannt ist. Denn Unternehmen ohne junge Leute, ohne motivierte neue Mitarbeiter, ohne Fachkräfte haben zukünftig keine Chance, eine entsprechende Entwicklung zu erfahren.

Es ist eine weitere Frage, genau aus dieser Haltung heraus, dass die eigene Per­sönlichkeit in den Mittelpunkt gestellt wird, mit zu stellen, nämlich: Wo stehen die heutigen Werte eines Familienbildes? Wo ist die heutige Wertediskussion zu sehen? – Es ist sehr klar immer wieder anzuführen, dass Kinder eigene Individuen sind, eigene Persönlichkeiten darstellen und keinesfalls andere das Recht haben, über sie zu bestimmen.

Vielmehr geht es darum, Verantwortung zu tragen, Verantwortung zu tragen für Familie und für Kinder. Das klingt heute sehr einfach, aber es zeigt sich im alltäglichen Leben


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als eine große Herausforderung, denn wir sprechen von gesellschaftlicher Verantwor­tung, die hier eingefordert wird.

Ich möchte ein Beispiel bringen, ohne jetzt dieses Beispiel als Negativbeispiel in der Entwicklung für Randgruppen oder für benachteiligte Gruppen unserer Gesellschaft hinzustellen. Aber nehmen Sie einen Rollstuhlfahrer in Wien und schauen Sie, was alles an politischer Kraft investiert wird, um auch diesen Menschen ein eigenständiges Leben zu ermöglichen. Es zeigt sich ja, welche Barrieren immer wieder geschaffen werden, gerade im Hinblick auf Beeinträchtigungen.

Nehmen Sie eine Familie, eine Mutter mit vier Kindern, und vergegenwärtigen Sie sich einmal, wie ihr Alltag in der Realität ausschaut, wobei ich sagen muss, das ist ein sehr theoretisches Beispiel, denn der Durchschnitt unserer Kinderrate liegt bei 1,2.

Da sehen wir, wo eigentlich anzusetzen ist. Es ist die Frage: Sind die Kosten wirklich der entscheidende Grund, warum heute so wenig Kinder zur Welt gebracht werden, warum der Mut zum Kind ganz einfach fehlt? Ich glaube, es ist das gesamte Entwicklungsbild, die Frage der beruflichen Entwicklung, nicht zuletzt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es zeigt sich sehr klar, dass die Wahlfreiheit in den Mittelpunkt gestellt gehört, denn letztlich sind die Anforderungen und die Vorstellungen sehr individuell und unterschiedlich.

In einer Jugendstudie, die erst unlängst herausgekommen ist, wo untersucht wurde, was sich junge Menschen von der Zukunft wünschen, sind als Ergebnis sehr erstaun­liche Werte und Antworten zutage gekommen. Junge Menschen wünschen sich wieder an erster Stelle, Familie zu haben. Sie wünschen sich einen Arbeitsplatz. Sie wün­schen sich Freunde und nicht zuletzt auch ein eigenes Heim. Da muss ich schon sehr klar anmerken, das sind Werte, die auch in unserer Entwicklung Bodenständigkeit und Grundwerte darstellen.

Nur – und das möchte ich gleich anfügen –: Wieso scheitern in der Realität so viele Wunschvorstellungen in der Umsetzung? Die Zahlen und Fakten zeigen es klar: Wenn jede zweite Ehe geschieden wird, wenn viele als Single leben, wenn viele es nicht schaffen, diesen Wunsch zu verwirklichen, dann wird es wohl auch an den Rahmen­bedingungen liegen, dann wird es an anderen Ursachen liegen, die zu dieser Differenz zwischen Wunsch und Realität führen.

Es zeigt sich natürlich auch, es ist eine finanzielle Belastung, und gerade das prägt immer wieder den Alltag unserer Gesellschaft: Fahren Sie in den Urlaub mit Ihrer Familie, und schauen Sie sich die Kosten an! Familie heißt letztlich auch, Verzicht zu üben, auf gewisse Dinge zu verzichten, aber das, was Kinder, was Familie zurück­geben, ist etwas, was man nicht in finanzieller, in monetärer Hinsicht messen kann.

Daher ist es immer wieder wichtig, zu sagen: Eine gelungene Familienpolitik heißt letztlich, eine gelungene Sozialpolitik zu gestalten. Damit meine ich, dass viele, viele Probleme unserer modernen Gesellschaft schon im Familienverband, in der Familien­struktur gelöst werden könnten beziehungsweise gar nicht erst entstehen müssten.

Wenn man sich all die Kosten anschaut, was für Jugendwohlfahrt, für die Reparatur von falschen Entwicklungen budgetär immer wieder ausgegeben wird, dann, glaube ich, ist es an der Zeit, einmal ehrlich und ganz klar zu sagen: Investieren wir dieses Geld in unsere Familien! Investieren wir dieses Geld in die Entwicklung unserer Familien, die ein Recht haben, diesen Wohlstand, den wir heute genießen dürfen, mit zu erfahren! Natürlich kosten Kinder viel Geld, aber dieses Geld kommt letztlich wieder der Allgemeinheit zugute.


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Wer trägt unser Sozialsystem? – Es sind die Kinder von morgen, die wieder einzahlen. Daher bin ich überzeugt, und es ist richtig, dass man von der Politik her den Familien keine Prügel vor die Füße wirft, sondern vielmehr schaut, dass unsere Familien Chan­cen auf eine gute Entwicklung haben. Es kommt ja der gesellschaftlichen Entwick­lung – sei es im Vereinsleben, im Kulturleben –, es kommt vielen zugute.

 


Präsident Michael Lampel: Bitte zum Schluss kommen!

 


Bundesrat Ing. Andreas Pum (fortsetzend): Selbst Vater von zwei kleinen Töchtern weiß ich, was es heißt, Kinderbetreuung in Anspruch nehmen zu können, die Zweiein­halbjährigen im Kindergarten zu haben. Es sind 440 Millionen €, die zukünftig in Betreu­ungseinrichtungen investiert werden. Dieses Geld schafft letztlich die Möglich­keit, auch Familie mit Kindern zu leben.

Stärken wir diesen Weg im Sinne einer gemeinsamen Zukunft für unsere Kinder! Und nicht zuletzt deswegen: Das sind die besten Zinsen unserer Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.27


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich erteile ihr dieses.

 


9.27.18

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Mein Vorredner hat gerade von Verantwortung gesprochen, und ich meine, dass wir gerade in Österreich sagen können, dass wir sehr viel Verantwortung für Familie und Kinderfreundlichkeit übernehmen.

Ich möchte nur daran erinnern, was in der letzten Zeit alles getitelt wurde, was in den Schlagzeilen stand: „Rot-schwarzer Graben tut sich auf“, „Keine Einigung von SPÖ und ÖVP“, „Karmasin wütend über Heinisch-Hosek“, und so weiter.

Sicher ist es nicht einfach, sicher ist es schwierig, eine 15a-Vereinbarung zu verhan­deln – es gibt neun Bundesländer, wir sitzen hier in der Länderkammer und wissen, dass wir sehr, sehr viele Interessen gemeinsam zu verhandeln und auch durchzu­setzen haben –, aber denken wir auch ein Stück weiter zurück: Was ist schon alles erreicht worden in Ihrer Zeit, Frau Bundesministerin? – Die Erhöhung der Familien­beihilfe, eine monatliche Auszahlung für die Familien. Das ist ein sehr wichtiger und notwendiger Schritt für die Familien, denn wir wissen, dass in Österreich die Reichen immer reicher werden, und zu den Reichen gehören Familien, Durchschnittsfamilien in Österreich ganz sicherlich nicht.

Die Artikel-15a-Vereinbarung, die getroffen wurde, ist natürlich noch ausbaufähig, und das ganz sicherlich in jede Richtung. Es gibt ganz sicherlich noch Möglichkeiten zur Verbesserung, wenn wir etwa sehen, dass die Öffnungszeiten von 47 Wochen auf 45 Wochen gesunken sind. Klar hätten wir das gerne anders gehabt. Die Eltern in Österreich haben Anspruch auf fünf Wochen Urlaub, das Jahr hat 52 Wochen, und wenn ich fünf Wochen abziehe, bin ich bei 47 Wochen. Klar wäre das notwendig und wichtig, aber es konnten nicht alle Länder mit, daher wurde ein Kompromiss gefunden. Und an diesem Kompromiss muss man weiterarbeiten.

350 Millionen € wurden für die Familien versprochen, es gab eine Kürzung von 45 Millionen €, es sind also 305 Millionen € übrig geblieben für die Familien. Daraus gibt es Zuschüsse, Förderungen für die Länder, damit für die Kinderbetreuung etwas gemacht werden kann. 400 Millionen € hat die Bundesregierung auch für die schuli­sche Ganztagsbetreuung in Aussicht gestellt. Das sind alles Angebote vom Bund, vom Bundesministerium an die Länder zur Unterstützung der Familien, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die notwendig und sehr, sehr wichtig ist, nicht nur


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für die Familien, sondern natürlich auch für die Kinder. Längere Öffnungszeiten sind auch ein wesentliches Qualitätskriterium, damit man sich diese Förderungen abholen kann.

Wir diskutieren und hören auch sehr oft, wie aktiv der Bundesrat in der EU ist. Gemein­deübergreifende Kooperationen sind mehr als notwendig, meiner Meinung nach ist das wirklich ein Gebot der Stunde und sehr wichtig, dass es drinnen ist. Ein besserer Betreuungsschlüssel ist ebenfalls verankert, und Drei- bis Sechsjährige werden nun auch stärker gefördert, dass wir diese Betreuungseinrichtungen haben.

Alles in allem ist das eigentlich ein Schritt in die richtige Richtung. Natürlich werden wir weiterarbeiten, natürlich werden wir weiter fordern, und das wird auch ganz im Sinne aller Parteien sein, die hier im Bundesrat sitzen.

Die Familie in den Mittelpunkt zu stellen, die Familie in allen Lebensformen, die es gibt, zu akzeptieren, das ist ganz sicherlich nicht nur ein Gebot der Stunde, sondern unser Auftrag: zu handeln, zu arbeiten, aktiv zu sein. Wir sind Politikerinnen und Politiker, die nicht vor 20, 30, 40, 50 Jahren Politik gemacht haben, sondern wir sind jetzt hier und müssen jetzt für alle Lebensformen Politik die Familie betreffend machen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns das Recht hat, eine Familienform zu bewerten, über eine Familienform zu richten, sondern wir haben die Familienformen zu akzeptieren und allen Lebensformen, die es gibt, die besten Möglichkeiten zu geben, damit sie die Kinder auch betreuen können. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Wir haben 1986 – mein Sohn ist 1986 auf die Welt gekommen – die erste Veröffent­lichung von einem Foto gehabt, wo ein Mann ein Kind hält, wo man auch Nähe spürt, wo man merkt, dass da Herz dabei ist, wo diese Herzlichkeit zwischen Vater und Sohn auch öffentlich gezeigt wurde. Diese Herzlichkeit gab es sicherlich auch schon viel früher, aber es war halt in unserem Familienbild nicht im Kopf, dass auch ein Mann ein Kind mit Wärme und mit Herzlichkeit halten kann.

Das war 1986. Seither ist schon sehr viel passiert, haben wir schon sehr viel gemacht. Es wurde in Österreich der Papa-Monat für alle, die im öffentlichen Dienst stehen, eingeführt. Der Papa-Monat ist eine wichtige Errungenschaft für die, die ihn jetzt schon nutzen können, weil ich – ich habe das eh schon ein paar Mal hier gesagt – davon überzeugt bin, dass, wenn Väter die Chance haben, im ersten Monat, wo die Familie in all ihren Lebensformen neue Grundlagen braucht, sich neue Formen zurechtlegen muss, wo es neue Zeitstrukturen gibt, beim Kind zu sein, wird es auch viel, viel leichter werden, erstens die Väterkarenz zu erhöhen und zweitens natürlich auch die Bezie­hung zwischen Vater und Kind, zwischen Eltern und Kind, auch zwischen Vater und Mutter zu intensivieren. Das ist für Eltern und Kinder sicherlich sehr, sehr wichtig.

Hinsichtlich der Erhöhung der Väterkarenz haben wir noch sehr viel zu tun. Da müssen wir die Familie als Familie wirklich noch sehr viel mehr in den Mittelpunkt stellen.

Ich komme von den „Kinderfreunden“, für mich ist natürlich das Thema Kinderrechte ganz wichtig. Von den Kinderrechten haben wir in Österreich schon einen Teil in der Verfassung, ein Teil fehlt noch. Auch da werden wir weitermachen müssen, auch da werden wir die sein, die nicht aufhören werden, darauf zu drängen, dass da etwas weitergeht, darauf hinzuweisen – das hat auch mein Vorredner schon gesagt –, dass Kinder Individuen sind, die wirklich akzeptiert werden müssen, so wie sie sind, und mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet werden müssen.

Wir haben hier im Bundesrat schon einen wichtigen Schritt auf diesem Weg gesetzt. Wir haben im Jahr 2012 eine Petition im Bundesrat eingebracht, die heißt: „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“. Sehr viele Kolleginnen und Kollegen haben sich damals engagiert. Wir haben diese Petition mit 2 000 Unterschriften abgegeben; innerhalb kürzester Zeit


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haben wir diese 2 000 Unterschriften zusammenbekommen. In dieser Petition geht es darum, dass Kinder es für ihre Entwicklung brauchen, dass sie auch laut sein dürfen, dass es nicht angeht, so wie es leider bei uns in Österreich der Fall ist, dass Kinder­lärm mit Baulärm gleichgesetzt wird.

Diese Petition wurde auch hier im Bundesrat einstimmig zur Kenntnis genommen, nur konnten wir leider nicht weiterarbeiten. Mein großer Wunsch wäre es, dass wir dieses Thema wieder aufnehmen. Frau Ministerin, Sie haben – ich glaube, es war im April – auch auf dieses Thema reagiert. Da hatten wir in Österreich eine Familie, die angezeigt wurde, weil das Kind in der eigenen Wohnung zu laut war. Ich glaube, dass wir hier wirklich weitermachen müssen. Wir haben dazumal vom Justizministerium und vom Familienministerium Stellungnahmen bekommen. Mir wäre es sehr recht, wenn wir auf diesem Thema draufbleiben könnten, wenn wir noch einmal schauen, was wir für die Kinder verändern, verbessern können, damit der Kinderlärm wirklich Zukunftsmusik ist, damit es für die Familien ein kinderfreundlicheres Österreich gibt.

Im Großen und Ganzen glaube ich, dass es sehr, sehr wichtig ist, die Familien in den Mittelpunkt zu stellen, dass das unsere Aufgabe sein muss, denn ohne Familien in all ihren Formen – ich möchte das noch einmal betonen; Vater, Mutter, Kind, Haus und Hund ist nicht mehr –, in all ihren Formen (Bundesrat Himmer: Gibt es auch!) – Gibt es auch, aber nicht nur! Das müssen wir lernen, denn diese Form kennen wir eh sehr gut, für die arbeiten wir. Aber ich glaube, es ist wirklich notwendig, im Großen zu denken, und wir werden das hier gemeinsam schaffen, wie auch die 15a-Vereinbarung gemeinsam geschafft wurde. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.35


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 


9.35.18

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Fernsehgeräten! Das ist immer ein spannendes Thema, das Thema Familie. Und ich merke es auch bei jeder Diskussion, es beschäftigt uns in beson­derem Maße – zu Recht. Es ist aber auch immer sehr kontroversiell. Wie man bei meinen beiden Vorrednern gehört hat, gibt es doch sehr große Unterschiede in der Betrachtungsweise dessen, was wichtig und was notwendig für Familien ist. Und jetzt kommt eine dritte von mir noch dazu.

Ich frage mich nämlich schon immer wieder, von welchen Maßnahmenpaketen wir sprechen. Ja, ich anerkenne, dass die Regierung sich bemüht, die Familien zu fördern, auch in finanzieller Hinsicht. Ich stelle aber auch fest, und das haben wir letztes Mal schon diskutiert, dass Familienbeihilfen jahrzehntelang nicht valorisiert worden sind, wenn man von einer Ausnahme absieht. Das heißt, unterm Strich haben allen Förde­rungen zum Trotz die Familien immer wieder an Geld verloren, durch Nichtvalorisie­rung, zum Teil auch durch die Inflation. Das ist aber schon ein wesentlicher Punkt, da es viele Familien gibt, denen es finanziell nicht gut geht und die wirklich jeden Euro brauchen. Bei der letzten Erhöhung haben wir schon kritisiert, dass es 4 bis 9 € sind, die die Erhöhung der Familienbeihilfe für die Familien tatsächlich ausmacht.

Kinderkrippenplätze, Kindergartenplätze sind angesprochen worden. Ja, ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie sich jetzt mit Frau Minister Heinisch-Hosek einigen konnten. Sie wissen, wir sprechen der Wahlfreiheit immer das Wort. Darin ist auch beinhaltet, dass es uns natürlich klar ist, dass es auch Frauen gibt, die wieder arbeiten wollen – und zwar möglichst schnell. Es gibt auch Familien, in denen die Frau wieder arbeiten gehen


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muss, da sie zu wenig Geld haben. Und die brauchen dann die Krippenplätze, die brauchen dann die Kindergartenplätze.

Ich kann es jetzt nur für Wien sagen, von den Bundesländern weiß ich es nicht so genau, aber von Wien weiß ich, dass da immer noch Krippenplätze fehlen, denn nicht jeder will jeden Krippenplatz, man will sich diesen ja auch qualitativ aussuchen können, und da gibt es Staus. Da gibt es Krippenplätze, die will man aus welchen Gründen auch immer nicht. Es gibt aber auch welche, die so überlaufen sind, dass es eine Wartezeit von zwei Jahren gibt und man sich eigentlich schon in der Schwangerschaft anmelden muss, damit man diesen Krippenplatz überhaupt bekommt. Das ist ein Zustand, der natürlich sehr ungünstig ist und von dem ich hoffe, dass er sich jetzt ein bisschen verbessert.

Wir haben vor nicht allzu langer Zeit eine Enquete abgehalten, in der es um die Gemeinden und auch um den Wegzug gegangen ist, und da waren sich alle Experten und Expertinnen einig: Wenn die Rahmenbedingungen für die Frauen nicht stimmen, sprich: es gibt keine Arbeitsplätze, es gibt keine Kinderbetreuungsplätze, es gibt nicht genügend Schulplätze, dann ziehen die Frauen weg. Und wenn die Frauen wegziehen, ziehen auch die Männer weg. Dann werden die Kinder erst gar nicht geboren oder ziehen mit. Und am Ende stirbt die Gemeinde, und das ist etwas, was wir nicht wollen.

Auf der anderen Seite bin ich schon auch kritisch bei dem Leitbild, möglichst schnell alle Frauen wieder in den Beruf zurückzudrängen. Wie gesagt, wenn es eine Frau will, soll sie es machen, ich werte das nicht als schlecht. Auch wenn ich es besser finde, wenn die Frauen die ersten Jahre zu Hause bei ihren Kindern bleiben, werte ich es nicht als schlecht, wenn eine Frau sagt, ich kann das nicht, oder auch, ich will das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wird zwar immer von allen Parteien betont, dass ihnen die Wahlfreiheit wichtig ist, der SPÖ, der ÖVP, wahrscheinlich auch den Grünen – da habe ich es noch nicht so klar gehört, aber ich nehme es einmal an –, aber wenn wir uns die Realität anschauen, dann ist es halt einfach nicht so. Die Frauen, die zu Hause bleiben wollen, zumindest bis zum Kindergartenalter, also drei Jahre in etwa, die haben es besonders schwer. Warum haben sie es besonders schwer? – Es gibt überhaupt keine Fördermaßnahmen für die Wiedereinsteigerinnen. Man sagt dann immer, es ist so schwer für die Frauen, in den Beruf zurückzukommen, da ihnen diese drei Jahre eben fehlen.

Ich sage: Jeden, der den Beruf wechseln muss, weil es in seiner Sparte keine Arbeits­platzmöglichkeiten mehr gibt, können wir auch umschulen, den können wir wieder neu einschulen oder weiterschulen. Warum soll denn das bitte bei Frauen, die drei Jahre lang zuhause bleiben, nicht gehen? – Da wird meiner Meinung nach wirklich gar nichts getan.

Ich möchte noch einmal auf die Jugendmonitor-Studie, die auch schon zitiert worden ist, nämlich jene aus dem Jahr 2011, zurückkommen, weil diese meiner Ansicht nach ein bisschen aussagekräftiger ist. Da ging es ja nicht nur darum, was auch schon richtig gesagt worden ist, dass der Wunsch nach Kindern und die Realität aus­einanderklaffen, wo Sie auch in einem Interview gesagt haben, diese Lücke gelte es zu schließen. Da gebe ich Ihnen recht. Aber was dann nicht mehr vorgekommen ist, ist, dass viele Eltern ihre Kinder bis drei Jahre zu Hause selber betreuen wollen; es sind 77 Prozent, die das sagen. Da, meine ich, müssen wir etwas tun, damit das diesen Familien auch ermöglicht wird.

Und das Zweite ist: Sie haben damals diese Studie gemacht, Filzmaier hat dann gesagt, die Jugend war schon immer konservativer als angenommen. Es war für mich sehr interessant zu erfahren, dass sich unter anderem 85 Prozent der Frauen vorstel­len können, wenn der Mann entsprechend gut verdient, zu Hause zu bleiben, zumin-


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dest eine Zeit lang. Immerhin noch 31 Prozent der Männer können sich das auch vorstellen. Das ist schon eine interessante Ansage, finde ich, denn das zeigt, dass es nicht so selbstverständlich ist, dass alle Frauen wieder sofort arbeiten gehen wollen und müssen.

Dann kommen wir wieder zur Teilzeitarbeit, die heute auch schon angesprochen worden ist. Da gibt es einander widersprechende Aussagen, auch innerhalb der Regie­rungsparteien. Auf der einen Seite wird das Recht auf Teilzeit gefordert, möglichst auch für Väter, auf der anderen Seite warnt die Frauenministerin immer wieder davor, dass diese Teilzeitregelung eine Pensionsfalle sei, weil den Frauen am Ende das Geld in der Pension fehlen werde.

Was wollen Sie denn jetzt eigentlich? – Wir wissen, dass viele Frauen Teilzeit arbeiten wollen, weil es für sie einfacher ist, so Beruf und Familie zu vereinbaren. All jene, die Vollzeit arbeiten müssen, können Probleme bekommen. Wir kennen jene Studien und Warnrufe, die Psychologen und Psychiater gemacht haben, dass Frauen sehr dazu neigen, tablettensüchtig zu sein, weil es für sie oft schwierig ist, auch emotional, diese beiden Spannungsfelder zusammenzubekommen.

Es ist auch wenig hilfreich, wenn in Hochglanzmagazinen Karrierefrauen mit zwei, drei oder auch vier Kindern dargestellt werden, wo wir wissen, mit Kindermädchen geht das, die Oma springt auch oft ein. Da haben wir aber wieder das Problem, dass das nicht immer so geht, weil die Omas ja selber noch arbeiten. Wir sagen aber den Frauen, ihr müsst länger arbeiten, denn es geht nicht, dass ihr mit 60 in Pension geht.

Also wie soll das zusammengehen? – Ich weiß, wovon ich rede, ich bin selber so eine Oma, wo immer wieder Anfragen kommen: Kannst du einspringen? Ich muss dann sagen: Nein, leider nicht, ich habe Termine, ich muss arbeiten, ich habe Bundesrats­sitzung. Heute wäre so ein Tag gewesen, an dem mich meine Tochter gefragt hat und ich gesagt habe: Leider nein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist schon wirklich schwierig. Es zeigt aber, dieses Spannungsverhältnis betrifft jeden von uns, der jetzt einiges über 30 ist.

Sie sagen den Frauen auf der einen Seite, arbeitet länger, auf der anderen Seite würden aber unsere Kinder die Omas sehr wohl wieder brauchen, weil es sich ja doch letzten Endes wieder nicht ausgeht. Ich meine, das wären so Anliegen, die wir noch viel stärker in Angriff nehmen müssen.

Tagesmütter wären auch eine Option. Tagesmutter ist aber ein gewisses Vabanque­spiel, wenn man sie sucht, weil Sie – von beiden Regierungsparteien – sich leider noch immer nicht dazu entschlossen haben, eine einheitliche, wirklich qualitativ hochwertige Ausbildung für Tagesmütter zu garantieren. Es gibt eine Ausbildung, aber die ist ja eigentlich ein Kurzzeitprogramm. Auch Tagesmütter bräuchten eine wirklich gute päda­gogische Ausbildung, damit man sich darauf verlassen kann, dass auch in diesem Segment eine qualitativ hochwertige Ausbildung geboten wird.

Ich glaube daher, dass beim Familienmaßnahmenpaket, bei allen guten Vorsätzen und bei allen Bestrebungen, trotzdem in vielen Bereichen noch immer eine Baustelle besteht, wo es noch sehr viel für uns alle zu tun gibt. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

9.44


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


9.45.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte BesucherInnen!


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Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehbildschirmen! Vieles wurde von meinen VorrednerInnen schon gesagt und auch angedeutet. Eines ist Faktum: Öster­reich gehört zu jenen Ländern, in dem für die Familien zu Recht die meisten finan­ziel­len Unterstützungen angeboten werden. Alleine diese Erhöhung kostet uns 830 Mil­lionen €.

Das ist der eine Punkt, aber der andere Punkt ist – eine meiner VorrednerInnen hat das schon angesprochen – die Fertilitätsrate. Sie liegt in Österreich zurzeit bei 1,43 . Das heißt, es ist doch nicht nur der finanzielle Anreiz, Kinder in die Welt zu setzen, sondern es gehört auch vieles andere dazu.

Damit sind wir schon in den Strukturen drinnen, für die wir als Politiker verantwortlich sind. Wir sind dafür verantwortlich, dass sie erstens geschaffen werden und dass zwei­tens die Menschen, die in diesen Strukturen tätig sind, über die entsprechenden Qualifikationen und Niveaus verfügen und auch eine entsprechend angepasste Entloh­nung bekommen. Da gibt es wirklich massiven Aufholbedarf.

Nur jedes dritte Kind unter drei Jahren hat in Österreich die Chance auf einen Krippenplatz. Da sind wir zurzeit bei 20 Prozent. Bei den über Dreijährigen sind wir mittlerweile bei 90 Prozent. Wenn man sich die Schließtage der Krippen ansieht, dann sind wir in etwa im Durchschnitt bei 17 Tagen im Jahr, bei Kindergärten sind es 35 Tage im Jahr. Jetzt wissen wir, wie viele Urlaubstage ein Arbeiter, eine Angestellte im Schnitt haben kann. Wir merken sofort, das kann sich hinten und vorne nicht ausgehen. Letztendlich – und das ist meiner Meinung nach das eigentlich Problema­tische – entscheidet die Postleitzahl darüber, welches Angebot zur Verfügung steht und in welcher Qualität.

Österreich ist ja nicht so ein großes Land. Gerade wir in der Länderkammer sollten doch größtmögliches Interesse an einheitlichen Qualitätsstandards haben. Es gibt diesbezüglich Überlegungen, aber – und das ist wieder eine typisch österreichische Lösung – auf Freiwilligkeit basierend, nicht verpflichtend. Jetzt soll mir bitte einer oder eine nachvollziehbar erklären, warum ein Kind im Burgenland andere Voraussetzungen vorfinden soll als ein Kind in Wien oder in Oberösterreich.

Oberösterreich – dazu hat auch Herr Landesrat Hiesl eine Studie in Auftrag gegeben – ist ein sehr kinderfreundliches Bundesland. Kollege Tiefnig wird dazu vielleicht noch ein bisschen mehr sagen. Wir haben unterschiedliche Angebote, wir haben die Fa­milien­karte, mit der Familien Ermäßigungen bei den Partnerbetrieben bekommen können, sie können die öffentlichen Verkehrsmittel vergünstigt benutzen. Es gibt die Möglichkeit, dass sich Eltern mit einem Bildungskonto fort- und weiterbilden. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, auf elektronischem Wege, das heißt über Handy-Apps, die unterschiedlichen Angebote und Leistungen der Familienkarte abrufen zu können.

Das sind natürlich kleine Faktoren, die das Leben für die Familien erleichtern, aber nichtsdestotrotz gilt es, den Fokus auf Folgendes zu richten: Wir sind Menschen, die in unterschiedlichen Lebensphasen sind. Da gibt es Lebensphasen, wo etwas mehr Raum zum Beispiel der Familienplanung, der Kindererziehung gewidmet werden sollte, und dann gibt es natürlich wieder Zeiten, in denen man den Fokus der Aufmerksamkeit mehr auf die Arbeit, auf den Arbeitgeber richten sollte.

Wir können gemeinsam mit der Wirtschaft dazu beitragen, die Rahmenbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten, damit Beruf und Familie vereinbar sind. Das ist gegenwärtig eines der größten Hindernisse für die Familien. Das sage ich jetzt nicht nur, weil ich selber Familienvater bin und zwei kleine Kinder habe, sondern auch deswegen, weil ich als Sozialarbeiter in unterschiedlichste Familiensysteme sehr tiefe Einblicke habe.


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Diese schwierigen Rahmenbedingungen, nämlich die Reparatur und die Sicherung des Kindeswohls, kosten uns letztendlich sehr, sehr viel Geld. Die SPF-Maßnahmen, son­der­pädagogische Familienförderung, kosten uns in der Stunde 55 € netto. 55 € netto in der Stunde für SPF! Da rechne ich jetzt noch nicht alle anderen Begleit­maßnahmen, die auch Kosten verursachen, dazu.

Das heißt, es ist in unserem eigenen Interesse, wenn wir die gesellschaftlichen Rah­men­bedingungen so gestalten, dass Familie und Beruf auf jeden Fall vereinbar sein müssen.

Damit bin ich beim nächsten Thema. Es ist wirklich sehr komplex. Es hat viel mit Beschäftigung und dem Ausmaß von Beschäftigung zu tun. Wenn wir uns anschauen, wie die Beschäftigungsverhältnisse der Frauen in Österreich sind: Diesbezüglich hat vor Kurzem die Arbeiterkammer Oberösterreich den jährlich erscheinenden Frauen­monitor herausgegeben, der zeigt, wie viele Frauen in atypischen Beschäftigungs­verhältnissen tätig sind, Teilzeit, und so weiter. Das erfordert flexible Betreuungs­angebote. Wenn ein Kindergarten um vier Uhr Nachmittag schließt oder im Sommer zwei, drei Wochen oder über Weihnachten eine oder zwei Wochen geschlossen ist, so sind das wirklich enorme Herausforderungen.

Es gibt nun einmal Familien, die nicht über bestehende Strukturen verfügen und nicht auf solche zurückgreifen können, seien es Großeltern oder Geschwister, die für die Betreuung der Kinder einspringen können. Sie sind dann auf die öffentlichen Einrich­tun­gen angewiesen. Die Situation ist nach wie vor – da möchte ich das, was Frau Kollegin Mühlwerth gesagt hat, doppelt unterstreichen – in den ländlichen Regionen noch schlimmer. Wenn dann die Strukturen nicht vorhanden sind, ziehen diese Familien notgedrungen weg. Das beschleunigt dann wieder die Ausdünnung des länd­lichen Raums. Dort, wo wir attraktive Rahmenbedingungen haben – das sind nicht nur die monetären Belange –, ist es eben auch für die Familien attraktiv.

Meine VorrednerInnen haben es ohnehin schon gesagt: Es gibt jetzt zum Beispiel bei der Familienbeihilfe einige Änderungen und auch Erhöhungen, aber es hat jahrelang keine Valorisierung gegeben. Eine Familie mit einem einjährigen Kind bekommt aktuell 105,40 €, und ab 1. Juli mit der Anhebung 109 €. Das ist zwar ein bisschen etwas, man kann sich darum vielleicht zwei Kaffee mehr oder zwei Socken mehr kaufen, aber das ist kein großer Wurf für die betreffenden Familien.

Und das ist der springende Punkt: Wir müssen uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie wir die Zahl der Plätze in den Krabbelstuben erhöhen; nicht verpflich­tend – da bin ich absolut bei Ihnen, Frau Kollegin Mühlwerth –, sondern als Angebot. Wir Politiker haben die Aufgabe, die Angebote zur Verfügung zu stellen. Es liegt dann bei den Familien, ob sie das annehmen möchten oder nicht. Da gibt es auch ganz deutlich und dezidiert von uns Grünen absolute Wahlfreiheit. Wir drängen niemanden zu etwas.

Was natürlich auch etwas kritisch angemerkt werden muss, sehr geehrte Frau Minis­terin: Man muss auch festhalten, dass die 13. Familienbeihilfe reduziert wurde. Die Anspruchsdauer wurde von 26 Jahren auf 24 Jahre gekürzt. Die Familienbeihilfe für die arbeitsuchenden Kinder zwischen 18 und 21 Jahren wurde gestrichen. Es ist zuerst das Wegnehmen und dann das bisschen Hinaufkorrigieren, aber Sie sind auf dem richtigen Weg. Sie haben vollkommen richtig erkannt – ich habe das auch in meinem letzten Redebeitrag gesagt, sehr geehrte Frau Ministerin –, es geht nicht nur darum, auf die monetären Unterstützungsleistungen zu setzen, sondern wir müssen schauen, dass die Betreuungsplätze attraktiver werden. Nur so können wir erreichen, dass sich die durchschnittliche Fertilitätsrate von 1,43 erhöht.


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Das ist nicht nur im Interesse unserer Familien, sondern im Interesse unseres Stand­ortes Österreich und unserer Wirtschaft, denn nur wenn wir entsprechenden Nach­wuchs haben, können wir auch unseren Wohlstand absichern. Und darum geht es. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

9.54


Präsident Michael Lampel: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Familien und Jugend. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


9.54.39

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Ge­schätztes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen! Ich möchte jetzt noch einen gewissen anderen Aspekt einbringen, es ist ja schon sehr viel gesagt worden. Kurz zum Status quo ein paar Zahlen, die noch nicht so beleuchtet wurden: Wir leben in einem Land, in dem der Anteil der Familien in der Gesamtgesellschaft radikal reduziert wird. Es gibt immer mehr Singles, nicht nur die jungen Menschen, die sich immer länger in Singlehaushalten befinden, sondern natür­lich auch die älteren Menschen, die aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung – und da gerade die älteren Frauen – lange Zeit ihres Lebens in einem Singlehaushalt leben.

Faktum ist, dass wir immer weniger Familienhaushalte in Österreich haben – das ist tragisch genug –, nämlich auf das gesamtgesellschaftliche Gefüge umgelegt. Wenn man nämlich davon ausgeht, was die Basis von Familie ist, dann ist ja nicht mehr so wie früher das primäre Ziel der ökonomische Zusammenhalt und sich in einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammenzuschließen, sondern es ist eine Gemeinschaft, die sich aufgrund von Werten wie Vertrauen, Solidarität, Zusammenhalt und hoffentlich letztlich auch Liebe zusammenschließt.

Das sind eigentlich wunderbare Werte, die in unserer Gesellschaft verstärkt werden müssen, wo wir nicht zuschauen können, dass sie immer weniger werden. Also wir im Familienministerium wollen grundsätzlich aufgrund unserer Aktivitäten Familie und die Werte, die hinter der Familie stehen, stärken.

Zum Zweiten ist sichtbar, dass die Geburtenrate relativ stabil bleibt, auf einem nied­rigen Niveau von 1,43, aber diese über lange Jahre konstant niedrige Geburtenrate ist dadurch bedingt, dass der Anteil der Mehrkindfamilien, also der Familien mit drei und mehr Kindern, seit den 1960er und 1970er Jahren radikal sinkt. Diese ist mehr oder weniger ein Auslaufmodell.

Es ist nicht so, dass sich mehr Menschen dazu entschließen, keine Kinder zu bekommen – das bleibt konstant bei rund 20 Prozent, das steigt nicht –, sondern der Anteil der Mehrkindfamilien beeinflusst unsere niedrige Geburtenrate. Das ist ein, so glaube ich, wichtiges Faktum.

Im Zusammenhang mit internationalen Entwicklungen und Studien zeigt sich sehr eindringlich, dass die Direktzahlungen, das hohe Niveau der Direktzahlungen in Öster­reich, auf die wir ja grundsätzlich stolz sein können – es sind mehr als 6 Milliarden €, die jährlich in diesen Bereich fließen –, einen ganz hohen Anteil ausmachen, nämlich 80 Prozent, was im internationalen Vergleich sehr, sehr hoch ist. Aber, wie schon ausgeführt, ist das offenbar nicht ausschließlich der Schlüssel, um die Geburtenrate zu steigern.

Sicher ist das ein Beitrag, aber kein ausschließlicher, denn wenn wir in jene Länder blicken, in denen die Geburtenraten höher sind, wie in Frankreich mit 2,2 Kindern oder in Schweden oder in den anderen nordeuropäischen Ländern, die das eigentlich besser schaffen, dann sehen wir hier zwei Effekte: zum einen die Sachleistungen, die


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in einem erheblichen Ausmaß höher sind, also Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch ein gesamtgesellschaftliches Klima. Das ist leider etwas, was wir politisch nicht in ein oder zwei Jahren verändern können, sondern das ist natürlich ein Grundkonsens in einer Gesellschaft, der irgendwo verändert gehört.

Wir sagen zwar alle, Familie ist das Wichtigste, auch junge Menschen sagen immer noch, der Kinderwunsch ist vorhanden, aber die Sichtbarwerdung dieses Wunsches beziehungsweise die Realität ist da und dort in Österreich schon verbesserungswürdig. Da gibt es das Thema Kinderlärm, da gibt es auch in der Gastronomie und in der Hotellerie nicht immer willkommene Maßnahmen. Es herrscht ein Klima, das nicht immer heißt, Kinder sind das Schönste, willkommen und immer das Positivste, was es gibt, sondern da und dort bestehen durchaus Barrieren, die wir einfach in der Gesell­schaft sehen; nicht nur in der Gastronomie und im Dienstleistungsbereich, sondern auch in Unternehmen.

Da gibt es eben noch nicht dieses familienfreundliche Klima, das wir uns wünschen würden. Gerade Unternehmen brauchen natürlich auch diesen familienfreundlichen Zugang, denn, wie schon ausgeführt, sonst werden uns die Fachkräfte abhanden­kommen. Die Schätzung liegt schon bei über 100 000 Menschen, die fehlen werden. Abgesehen davon brauchen wir auch die Frauen, die sich in den Unternehmen in allen Hierarchien einbringen. Es ist also auch ein wirtschaftspolitisches Thema, das wir hier angehen müssen, denn sonst werden wir die Kraft unseres Wirtschaftsstandorts und letztendlich auch unseren Wohlstand verlieren.

Kurz ein Wort zum Familienbild. Ich denke, wir müssen hier wirklich einen sehr offenen und liberalen Zugang pflegen. Mein Zugang ist folgender: Familie ist immer wertvoll – in welcher Konstellation auch immer. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, wie er das gestalten will oder auch muss, denn ich will sicher nicht sagen, dass eine Allein­erzie­herin oder ein alleinerziehender Vater oder eine Familie, die aus mehreren Gene­rationen besteht – auch das gibt es mittlerweile, ältere Männer, die mit ganz jungen Frauen eine Familie gründen; vice versa ist es selten –, schlechter ist. Das ist natürlich genauso wertvoll und anerkennenswert wie die klassische Familie.

Ich warne vor diesen Idealzuschreibungen, dass nur die Vater-Mutter-Kind-Familie das Ideal wäre und der Rest sozusagen – das sagt man damit leider implizit dazu – ein Stück weit weniger wert wäre. – Davor möchte ich warnen! Ich meine, jede Form der Familie ist wertvoll und ein Beitrag zu unserem Wertekonsens. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

Aus all dem Gesagten ergibt sich, dass es meine Zielsetzung wäre, Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas zu gestalten. Das ist ein weiter Weg. Aber ich glaube, wir müssen uns ehrgeizige Ziele setzen, um hier das eine oder andere bewe­gen zu können. In diesem Sinn ist ja auch schon das eine oder andere gelungen. Vieles ist schon erläutert worden. Es gibt eine Erhöhung der Familienbeihilfe mit 1. Juli 2014. Wir hätten uns selbstverständlich eine Verdoppelung der Familienbeihilfe gewünscht, aber man muss natürlich realistisch bleiben: In budgetär angespannten Zeiten ist eine Erhöhung um 4 Prozent jetzt und dann noch zweimal um 2 Prozent ein sehr deutlicher Schritt in Richtung Wertschätzung der Familie.

Auch die monatliche Auszahlung ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Schritt für Familien vor allem im unteren sozialen Bereich, damit sie ihre Familienfinanzen besser in den Griff bekommen und besser planen können. Es ist nämlich bei manchen Familien leider so, dass es wirklich nach dem Prinzip in und out geht, und wenn der Familie die Familienbeihilfe zwei Monate im Voraus überwiesen wird, dann ist das Geld auch relativ schnell wieder ausgegeben, und im nächsten Monat gibt es dann Probleme,


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etwa wenn das Konto überzogen wird, was natürlich einen Zinsaufschlag et cetera bedeutet. – Ich meine also, dieses Thema der Auszahlung ist ganz, ganz wichtig.

Kurz jetzt noch zur Artikel-15a-Vereinbarung, die durchaus einer intensiven Vorlaufzeit und einer Auseinandersetzung mit den Ländern und natürlich auch mit der SPÖ bedarf. Wir konnten uns diesbezüglich jetzt einigen, und ich möchte dazu noch ein paar Punkte ausführen, die vielleicht nicht so bekannt sind.

Erstens bin auch ich eine volle Verfechterin der Wahlfreiheit, ich würde das jetzt vielleicht als Individualität bezeichnen: Jede Familienform ist gewünscht, das soll jeder selbst entscheiden. Aber auch die Art, wie man seine Kinder betreut und wie man sich in der Familie organisiert, soll natürlich selbst gewählt sein, und all das soll in diesem Sinn auch akzeptiert werden.

Wenn wir natürlich in Österreich eine Situation vorfinden, in der die unter dreijährigen Kinder nur zu 23 Prozent einen theoretischen Betreuungsplatz vorfinden, also jedes vierte Kind theoretisch einen Betreuungsplatz haben könnte, dann kann man in diesem Zusammenhang eigentlich nicht von Wahlfreiheit sprechen! Das ist dann eigentlich eine ganz klare Lenkung in die Richtung, dass die Frauen eher länger zu Hause bleiben sollen. – Das kann jeder halten, wie er will, und das ist auch wunderbar für diejenigen, die sich das so überlegt haben und auch die Konsequenzen kennen. Aber ich bin sehr wohl der Meinung, dass wir zumindest das sogenannte Barcelona-Ziel von 33 Prozent Betreuungsrate erreichen sollten, und auch das ist ja noch nicht echte Wahlfreiheit, aber zumindest eine verbesserte Wahlfreiheit.

Wenn wir über Wahlfreiheit sprechen, dann ist es mir besonders wichtig, nicht nur über die klassischen Institutionen wie Kinderkrippe und Kindergarten zu sprechen, sondern auch über andere Möglichkeiten. In diesem Sinne gibt es innovative Projekte wie gemeindeübergreifende Einrichtungen oder auch generationsübergreifende Projekte, die im Zusammenhang mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung besonders mit finanziellen Mitteln unterlegt sind.

Zweitens muss man natürlich sagen: Auch die Tageseltern sind mir ein besonderes Anliegen, denn da wir gerade in Österreich mit vielen kleinen Gemeinden nicht die Möglich­keit haben, in jeder Gemeinde eine entsprechende Einrichtung aufzubauen, sind Tageseltern eine sehr individuelle und flexible Möglichkeit für den Jahresbetrieb, aber natürlich auch für den Sommerbetrieb. – Ich glaube, das sollten wir noch stärker ins Bewusstsein und auch in die Öffentlichkeit bringen.

Kurz zur Artikel-15a-Vereinbarung: Es ist dies die größte Ausbauoffensive, die es vom Bund jemals gab. Es werden 305 Millionen zur Verfügung gestellt. Das ist rund sechsmal so viel wie bei der letzten Artikel-15a-Vereinbarung und somit ein deutliches Zeichen in Richtung Kinderbetreuungsausbau – mit einer verbesserten Kofinanzie­rungs­rate; das muss man auch einmal deutlich sagen. War das Verhältnis früher eins zu eins, also ein Euro vom Land und ein Euro vom Bund, so gibt es jetzt einen Euro vom Land und zwei Euro vom Bund im ersten Jahr, und das mit einer auf 35 Prozent erhöhten Rate in den letzten Jahren der Vereinbarung. – Über den Kofinanzierungs­schlüssel haben es die Länder also jetzt wesentlich einfacher, Gelder abzuholen.

Ein Wort noch dazu: Dieses Thema wurde nicht gekürzt. Die 45 Millionen, die im Regie­rungsprogramm in den 350 Millionen enthalten waren, kommen auch diesem Bereich zugute, und zwar über die Sprach- und Entwicklungsstandsfeststellung und –förderung. Es wird also bei Weitem nicht gekürzt, sondern das Geld wird einem eigenen Thema zugeführt. – Das möchte ich auch noch einmal betonen.

Wichtig ist auch, dass wir bei dieser Artikel-15a-Vereinbarung nicht mit Zwang arbeiten, sondern mit Anreizmodellen, und das entspricht meiner politischen Grund-


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haltung, dass man nicht – nach dem Motto: alles über einen Kamm – vereinheitlicht, sondern mit Anreizen arbeitet. Deswegen möchte ich die 47-Jahreswochen-Öffnungs­zeiten über ein Anreizmodell motivieren. Diejenigen Gemeinden oder Einrichtungen, die das erreichen, bekommen die höchste Förderung und bei Weitem eine höhere als in der letzten 15a‑Vereinbarung, nämlich auch mit Personalkostenzuschüssen. Wenn man es nur auf 45 Wochen schafft, dann bekommt man eben auch weniger Geld.

Natürlich ist es unser Ziel, die Jahreswochen-Öffnungszeiten zu verstärken. Allerdings müssen wir die gegenwärtige Situation beachten. Hier nur eine Zahl: Im Burgenland haben genau 18 Prozent der Einrichtungen 47 und mehr Wochen offen. Dort ist die Situation ganz anders als in Wien, wo wir bei über 90 Prozent liegen. Aber wir können beispielsweise das Burgenland oder Oberösterreich quasi nicht zwingen, jetzt auf 47 Jahreswochen zu gehen, wenn sie es einfach nicht so schnell schaffen. – Die Kon­se­quenz wäre nämlich, dass es dann einfach weniger Plätze gibt, und das ist sicherlich nicht das Ziel der Sache!

Ich setze also insgesamt auf Anreizmodelle. Diese Artikel-15a-Vereinbarung bietet sehr viele Möglichkeiten, Kinderbetreuungseinrichtungen zu fördern, etwa über Per­sonal­kosten oder über Neubauten, was auch noch nie der Fall war. Weiters gibt es entsprechende Möglichkeiten über Tageseltern, über die Verlängerung der Öffnungs­zeiten und über die besagte Anhebung der Betreuungsqualität.

Ja, das beruht auf Freiwilligkeit, denn das ist eben nun einmal kein Bundesgesetz. Es ist dies ein Ländergesetz, und deswegen kann man und will man aktuell gar nichts ändern, weil letztendlich die Gemeinden all das am allerbesten wissen oder wissen sollten: Sie kennen die Bedürfnisse und Wünsche der Eltern in Bezug auf Öffnungs­zeiten und Betreuungssituationen am besten. – Deswegen gibt es diesen freiwilligen Anreiz, die Betreuungsqualität über einen besonders guten Betreuungsschlüssel zu heben, nämlich im Verhältnis 1 : 4, eine Betreuungsperson mit vier Kindern bei den unter Dreijährigen, und 1 : 10 bei den Drei-bis Sechsjährigen.

Dazu muss man wirklich sagen: Das ist auch im internationalen Vergleich ein sehr hoher Standard! Wenn wir einen österreichweiten Vergleich ziehen, dann sehen wir, dass der Betreuungsschlüssel in Wien im Moment laut Gesetz etwa doppelt so schlecht ist: In Wien liegen wir bei rund eins zu acht bei den Kleinen und bei eins zu 17 bei den Großen.  – Da ist tatsächlich auch noch viel zu tun!

Es geht nicht nur um die Öffnungszeiten, und zwar wohlgemerkt nicht nur um die Jahresöffnungszeiten, sondern auch um die Tagesöffnungszeiten. Auch diesbezüglich besteht zum Beispiel in Vorarlberg die Situation, dass nur einige wenige Einrichtungen neun Stunden pro Tag geöffnet haben, sprich: Das ist nicht vereinbar mit einer Voll­berufstätigkeit von Frauen. – Das muss man also auch sagen: Es geht nicht nur um die Jahres-, sondern auch um die Tagesöffnungszeiten.

Abschließend noch ein kleiner Ausblick: Was sind die nächsten Aktivitäten? – Ich habe mir drei Prinzipien oder drei Ziele zurechtgelegt und die Maßnahmen, die ich verfolge, dahin gehend abgestimmt.

Erstes verfolge ich das Prinzip der Individualität: Das ist mir sehr wichtig. Es genügt nämlich nicht, alle Familienmodelle zu akzeptieren und höchste Wahlfreiheit nur zu schätzen, sondern es müssen natürlich auch entsprechende Rahmenbedingungen und Angebote geschaffen werden, die das überhaupt ermöglichen. Es ist nämlich immer leicht, von Wahlfreiheit zu reden, wenn aber die Einrichtungen nicht vorhanden sind, dann gibt es ja keine Wahlfreiheit.

Ich meine, es handelt sich auch nicht um Wahlfreiheit, wenn gemäß unserem System eigentlich nur die Mütter für das Kindeswohl verantwortlich sind. Diese Verantwortung


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haben natürlich sehr wohl auch die Väter. Beide Elternteile sind für das Wohl und das Wohlergehen des Kindes zuständig, und dementsprechend wollen und müssen wir auch die Väter – wiederum natürlich auf freiwilliger Basis – mehr einbeziehen.

Ich glaube, mehr Partnerschaftlichkeit in vielen Lebensbereichen tut Österreich gut, und zwar nicht nur hinsichtlich Kindererziehung, sondern natürlich auch im Zusam­menhang mit Karrieremöglichkeiten, Verdienstmöglichkeiten, mit dem Auskommen in der Pension beziehungsweise einfach im Hinblick auf alle Lebensbereiche. Diese sollten beiden Geschlechtern gleichermaßen offenstehen, was in Österreich, wie sich im internationalen Vergleich zeigt, bei Weitem noch nicht der Fall ist.

Ich sehe Individualität und Partnerschaftlichkeit als zwei oberste Prinzipien meiner Arbeit. Und das nächste Thema werden das Kinderbetreuungsgeldkonto und die Reform des Kinderbetreuungsgeldes sein. Wir werden uns in dieser Art und Weise damit auseinandersetzen und ab Herbst die Verhandlungen starten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

10.09


Präsident Michael Lampel: Ich danke der Frau Bundesministerin für ihre Stellung­nahme.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


10.10.36

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Familienpolitik ist Politik in allen Querschnitten, von Justizpolitik über Gesundheitspolitik und Sozialpolitik. Sie geht quer durch alle Materien, und unsere Frau Minister bewältigt diese Aufgabe bisher hervorragend.

Aber schauen wir zurück: Wie war Familienpolitik in der Vergangenheit?

In der Familienpolitik gab es eine strikte Trennung zwischen Wirtschaft und Privat­sphäre. Das hat sich in der heutigen Zeit massiv verändert, da es viele verschiedene Konstellationen in der Familie gibt, ob klassische Formen der Familie, ob Patchwork­familie, ob Alleinerziehende mit Kind oder Kindern. Im Hinblick darauf müssen die Eltern zu den öffentlichen Geldern etwas dazuverdienen, und das bewirkt natürlich auch eine Änderung der Familienpolitik.

Unsere Ministerin hat in der kurzen Zeit, seit sie in der Regierung mitwirkt, vieles erreicht, zum Beispiel die Erhöhung der Familienbeihilfe um 830 Millionen €. Wie schon erwähnt, wird dieses Geld im September zum ersten Mal monatlich ausbezahlt. Diesbezüglich muss noch eine Koordinierung erfolgen.

Ein weiterer Punkt ist natürlich der Ausbau der Betreuungseinrichtungen, und ich glaube, es ist besonders wichtig, dass ein Familien-App, ablesbar auf der Webseite des Familienministeriums, aufscheint, auf welches jeder zugreifen kann und wo man auch entsprechende Sommerbetreuungseinrichtungen finden kann.

Das gilt auch für die Unternehmungen. Dem familienfreundlichsten Unternehmen wurde der Staatspreis verliehen. – Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn wie wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Zukunft ausschauen? – Ist die Lösung Teleworking? Haben kleine Firmen die Möglichkeit, im ländlichen Raum überhaupt dementsprechende Betreuungseinrichtungen zu erstellen, oder wird – wie wir gehört haben – die Betreuung durch Tagesmütter oder Tagesväter in diesen Regionen eine


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Lösungsmöglichkeit sein? – Auch in dieser Hinsicht werden richtige Wege für die Zukunft beschritten.

Etwas müssen wir aber sicherlich festhalten: Wir in der Politik tragen auch Verant­wortung dafür, dass nicht der ganze Lebensweg, von der Wiege bis zur Pension, sozu­sagen in einem staatlichen Internat stattfindet. – Das wäre meines Erachtens ein gefährlicher Schritt, auch wenn wir jetzt immer wieder hören, dass Kinder schon mit drei Monaten oder jedenfalls kurze Zeit nach der Geburt in den Kinderhort oder in Kinderbetreuung gegeben werden.

Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Kinder auch die Liebe der Eltern spüren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. – Es wurde auch schon von Reichtum und davon ge­sprochen, dass Reiche dementsprechende Leistungen erbringen müssen. Für mich ist es der größte Reichtum, Kinder zu haben. Ich kenne viele Freunde in meinem Umkreis, deren Kinderwunsch sich nie erfüllte und die alles geben würden, wenn sie Kinder haben könnten!

Daher komme ich nun zu dem Punkt, dass nicht nur Kindererziehung oder Kinder­betreuung, sondern auch Pflege in den Familien stattfindet. Über 80 Prozent der Pflege findet Gott sei Dank noch zu Hause statt! Und wir in der Politik tragen auch Verantwortung dafür, auch in diesem Bereich in die Zukunft zu schauen und Wege zur Entlastung im Pflegebereich zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass die Lösung sicherlich nicht nur darin besteht, dass wir neue Pflegeheime errichten. Ich nenne in diesem Zusammenhang ein Beispiel, nämlich das Modell von Dr. Zitt in Vorarlberg: Im Rahmen dieses Projekts wird Pflege zu Hause geleistet. Auf diese Weise werden die Pflegekosten gesenkt, bleibt aber auch die Mobilität der Menschen länger erhalten, und auch das ist ein Weg, den die Familienpolitik natürlich zu beschreiten hat.

Zum Abschluss möchte ich sagen: Drei Dinge sind uns vom Paradies geblieben, nämlich die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder. Und ich bin überzeugt: Mit unserer Bundesministerin Sophie Karmasin werden die Augen der Kinder auch in Zukunft leuchten. Mit der Politik der ÖVP werden sie strahlen (Heiterkeit), und ein Teil des Paradieses wird weiterhin in Österreich sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.14


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Taucher. Ich erteile es ihm.

 


10.15.12

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Familien stehen im Mittelpunkt. – Dazu habe ich mir natürlich die Homepage des Ministeriums angeschaut, und auch ich gratuliere dazu: Es ist dies eine Informationsseite, die weniger auf Eigenwerbung, sondern viel mehr auf Information setzt.

Zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf findet man Kinderbetreuungsgeld-Vergleichsrechner, Familienbeihilfenrechner, Familienberatung, Kinderbetreuung, Familie und Beruf, Elternbildung, Jugendportal, Kinderrechte, Gewaltinfo et cetera. Es ist dies also wirklich eine sehr umfassende Informationsseite!

Ich glaube, es wäre allerdings sehr, sehr wichtig, das auch noch besser zu bewerben. Wir diskutieren in der Öffentlichkeit im politischen Diskurs zum Thema Familien haupt­sächlich, was wir unter Familie verstehen und wie sie zusammengesetzt ist, und zwar bis hinunter zum Haustier. Ich meine aber, wir sollten gleichzeitig auch die Infor­mationen gut transportieren, die in diesem Zusammenhang im Hintergrund stehen,


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wobei wir dabei vor allem betonen sollten, dass die Familien die entsprechenden Services auch wirklich in Anspruch nehmen können.

Ich möchte in dieser zweiten Phase der Aktuellen Stunde nur auf ein paar Punkte eingehen. – Uns ist es besonders wichtig, die Kinderrechte hervorzuheben und Kinderrechte nicht immer nur im Kontext der Familien zu diskutieren, denn Kinder leben auch außerhalb der Familie: Kinder haben Rechte in der Schule, Kinder haben Rechte im öffentlichen Raum, auf Spielplätzen, in der Freizeit, in Jugendeinrichtungen und so weiter und so fort.

Deswegen wäre uns sehr wichtig, dass wir im Hinblick auf die UN-Kinderrechts­kon­vention, die wir 1992 unterschrieben haben, deren Bestimmungen wir aber leider bis heute noch nicht in die Anwendbarkeit der Gerichte und Behörden eingefügt haben, hier einen eigenen Kinderrechteausschuss haben, in dem wir diese Themen bear­beiten können, und zwar abseits von Familie. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Auch die UN-Kinderrechtskonvention fordert ja eine neue Sicht von Kindern als eigen­ständige Persönlichkeiten und nicht nur als Schnittmenge in der Familie. Selbstver­ständlich gibt es da eine sehr große Schnittmenge, aber es gibt auch Bereiche, die außerhalb der Familie stattfinden.

So haben Kinder auch Rechte im öffentlichen Raum. Meine Kollegin, Bundesrätin Posch-Gruska, hat es schon angesprochen: Wenn Kinder heute Lärm machen, dann gibt es überall beziehungsweise jedenfalls bei uns in Wien in den Gemeindebauten oder in den großen Genossenschaftsbauten einen – wie ich es jetzt ausdrücken möchte – Mords-Bahöl, weil die Älteren oder die kinderlosen Familien ihre Ruhe haben wollen. – In diesem Zusammenhang ist schon das Wort „Sanatorium“ gefallen. Aber die Kinder von Familien und Mehrkindfamilien spielen halt im Hof. Deswegen haben wir die Wohnbauten auch so gestaltet, mit autofreien sicheren Innenhöfen, wo wir von der Küche oder vom Wohnzimmer in den Hof hinunterschauen und unsere Kinder ein bisschen im Auge haben können, wenn sie spielen.

Wir leben derzeit aber in einer Gesellschaft, die sehr kinderfeindlich ist. Jedes Lachen, jedes Fußballspielen, jedes zu dritt in der Nestschaukel Sitzen wird kritisiert. Dann heißt es: Die machen alles hin! Sie sind nur laut! Sie sollen weggehen! Die sollen ins Jugendzentrum gehen! – „Kinder weg von der Straße!“ ist auch so ein beliebtes Argument, das ich überhaupt nicht hören kann!

Wer muss jetzt alles weg von der Straße? – Die Behinderten? Die Kinder? Wer darf denn dann noch auf der Straße sein? Straße ist auch öffentlicher Raum! Ich finde, Kinder müssen im öffentlichen Raum sein dürfen. Straße ist mehr als die Fahrbahn, das würde ich schon meinen. Straße ist nicht nur die Fahrbahn, sondern quasi der ganze Bereich rundherum. (Bundesrat Schreuder: Das ist richtig, aber das vergessen die Leute immer wieder!) Und in diesem Bereich rundherum wollen wir auch Kinder haben! (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Ja, das vergessen wir immer! Es wird immer nur die Fahrbahn gesehen! Straße ist jedoch mehr, nämlich auch der Gehsteig daneben, die Spielflächen, die Grünflächen. Daher haben wir in Wien das Projekt „Spielstraßen“, in dessen Rahmen wir begleitetes Spielen auf Gehwegen und dergleichen ermöglichen und kleine Angebote wie Hüpf­angebote und Turnangebote machen, damit sich die Kinder auch auf dem Schulweg bewegen können.

Natürlich, als Wiener vergesse ich nicht, dass viele unserer Angebote selbstver­ständ­lich auch von der Dichte abhängig sind. Wien wächst, wir haben pro Jahr zirka 25 000 Menschen, die zuziehen. Diese Dichte erfordert natürlich ein anderes Angebot


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an Kindergärten, außerschulischer Kinder- und Jugendbetreuung oder Tagesmüttern, aber auch Spielplätze und Infrastruktur stellen sich ganz anders dar als in ländlichen Gebieten, die wesentlich dünner besiedelt sind. Deswegen will ich das nicht nur positiv sehen, sondern es hat auch etwas mit Dichte zu tun, aber natürlich auch mit den Zielen dieser Stadt, die den Gratiskindergarten anbietet, wo die Kindergärten 47 Wochen im Jahr geöffnet sind, zum Teil auch mehr, wo Kinderbetreuungseinrichtungen von früh morgens bis zum späten Abend, bis 18 oder 19 Uhr, geöffnet sind, damit Familie und Beruf wirklich vereinbar sind.

Ich wünsche mir – ein Vorredner hat es schon gesagt; das Licht auf dem Rednerpult leuchtet auch schon – überhaupt eine Gesellschaft, nicht nur im Familienbereich, die wieder mehr Wert auf Kinder legt und die die Welt auch ein bisschen mehr durch Kinderaugen betrachtet, verbunden mit Spaß, manchmal auch mit Ärger, mit dem Wildsein von Kindern, und dadurch vielleicht ein bisschen mehr Verständnis für die Bedürfnisse dieser Gruppe, ein bisschen mehr Verständnis für die Anliegen unserer Kinder hat – im täglichen Leben, in der Alltagspolitik, denn Politik ist auch, ob man in den Hof hinunterschreit: Ihr Gfraster, schleicht’s euch!, oder ob man sagt: Schau, wie schön die Kinder spielen, das gefällt mir, das ist ein Genuss! – Das ist Alltagspolitik (Präsident Lampel: Bitte zum Schluss kommen!), und diese Alltagspolitik soll auch die Anliegen unserer Kinder und Jugendlichen miteinbeziehen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.22


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Michalke. Ich erteile es ihr.

 


10.22.17

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrtes Präsidium! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Zuhörerinnen und Zuhörer, Zuschauer vor den Fernsehschirmen! Wie wir sehen, hat die Familienpolitik ein wahn­sinnig breites Spektrum, und es wird uns nicht möglich sein, diese komplette Band­breite völlig abzudecken, wie wir das gerne möchten.

Sieben Vorrednerinnen und Vorredner vor mir haben bereits versucht, die Wahlfreiheit entsprechend in den Vordergrund zu stellen. Das wollen wir offensichtlich alle. Es freut mich auch sehr, dass Sie in Zukunft Wert auf Individualität legen wollen. Diese Indivi­dualität hat sich hauptsächlich auf die Betreuungseinrichtungen fokussiert. Efgani, du hast die Betreuungseinrichtungen sogar in dem Zusammenhang angesprochen, dass sie eventuell wieder zur Steigerung der Fertilitätsrate der Frauen beitragen könnten. Daran glaube ich nicht.

Ich glaube, dass es sehr wohl Betreuungseinrichtungen braucht, unberedt (Bundesrat Schreuder: Schweden, Frankreich!), und ich weiß auch, Herr Schreuder, dass Sie als Redner nach mir dieses Detail mit Sicherheit noch ausführen werden, deshalb möchte ich mich auf einen anderen Weg fokussieren, der meiner Meinung nach bisher zu kurz gekommen ist. Es gibt auch Frauen, die sich entscheiden, zu Hause zu bleiben, weil ihre Familien – und zur Familie gehören alle, der Mann, die Kinder, eventuell auch die Großeltern – entschieden haben, die Kinder selbst zu erziehen. Und wenn wir die Wahlfreiheit haben wollen, dann brauchen wir nicht nur Betreuungseinrichtungen, die sehr wohl alle Spielchen spielen und Angebot und Nachfrage bis zu 150 Prozent erfüllen, sondern dann brauchen wir auch die Unterstützung für diese Frauen, damit sie die Möglichkeit haben, zu Hause zu bleiben, das gerne tun und zwei oder drei Kinder betreuen können. Diesen Familien sollte das Geld überlassen werden, das anderen­falls für die Betreuungseinrichtungen benötigt würde. Genau für diesen Personenkreis möchte ich eine Lanze brechen, weil es auch diese Familien gibt. Bei der Frage, was


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 28

wir wollen, stellen wir eigentlich nie die Frage: Wollen wir unsere Kinder vielleicht selbst erziehen?

Ganz lange Zeit haben die Feministinnen versucht, die Frauenpolitik über die Familienpolitik mit zu beeinflussen. Sie haben lediglich danach gefragt, wie die Frau frei werden kann. Das bedeutet, sie muss so schnell wie möglich wieder auf den Arbeitsmarkt zurück, berufstätig sein, dann ist sie finanziell unabhängig und auch vom Mann unabhängig. Wie sieht es zum Beispiel heute aus? Heute – das haben Sie auch sehr eindrücklich gesagt – spielt die Arbeitsmarktpolitik eine große Rolle, die mit in die Familienpolitik hineinspielt. Heute ist es so, dass wir uns die Frage stellen sollten: Wie bringen wir das alles unter einen Hut? Wann bringen wir die Kinder auf die Welt – es ist nach wie vor so, dass das nur die Frauen können –, und wie können dem Arbeitsmarkt so schnell wie möglich die Fachkräfte, die mittlerweile auch die Frauen sind, wieder zur Verfügung stehen? Das heißt: Kind bekommen, das Kind so schnell wie möglich in Erziehungsobhut geben, um so schnell wie möglich wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

Der Wunsch, Kinder in den ersten drei Lebensjahren zum Beispiel selbst zu erziehen, bei den Kindern zu Hause zu bleiben – und das freut mich ganz besonders; ich komme aus einer eher kleineren Gemeinde, einem kleineren Bundesland, wo dieser städtische Bereich nicht so stark verankert ist –, ist bei den jungen Frauen wieder ganz, ganz stark vorhanden. Sie wollen auch nicht nur ein Kind, sondern mehrere Kinder, und auch die jungen Männer sind durchaus bereit, sich mit einzubringen. Der Wunsch ist wieder da. Ohne dass Sie jetzt das Gesicht verziehen, Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Schreyer), es ist so, dass es Frauen gibt, die gerne Kinder bekommen, die ihre Kinder gerne zu Hause erziehen möchten, und für diese Kinder haben wir ebenfalls zu sorgen, für diese Familien haben wir ebenfalls zu sorgen. Diese Familien müssen wir finanziell genauso absichern wie die Betreuungseinrichtungen, die, um das noch einmal zu wiederholen, selbstverständlich wichtig und notwendig sind.

Wenn man nach Deutschland schaut, dann weiß man, dass dort zum Beispiel für Kinder ab dem ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch besteht, einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen. Dieser Krippenplatz kostet zirka 1 200 €, und im Laufe der Zeit, bis ein Kind quasi in die Schule kommt, werden pro Kind zirka 100 000 € in Krippen­plätze, in Betreuungseinrichtungen investiert. Es gibt ganz klar Familien, die sagen: Gebt dieses Geld jenen Familien, die sich entscheiden, die Erziehung selbst zu Hause in die Hand zu nehmen, und lagert die Erziehung unserer Kinder nicht oder nicht nur aus!

Ich glaube, auch das wäre ein Ansatz, um eventuell vielleicht wieder ein anderes Gesellschaftsgefühl, ein Pro-Kind- oder Pro-Familien-Gefühl zu vermitteln. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

10.28


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


10.28.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher und Besuche­rinnen! Wenn wir über Familienpolitik sprechen, dann gibt es natürlich ein so weites Feld an Besprechbarem, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen und aufhören soll. Wenn man nur 5 Minuten Zeit zur Verfügung hat, weil dann schon dieses Lamperl leuchtet, dann weiß man erst recht nicht, wo man den Schwerpunkt setzen soll.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 29

Familienpolitik ist natürlich in erheblichem Ausmaß Querschnittmaterie. Sie sind eben nicht für alles zuständig. Das ist wahrscheinlich auch Ihr Problem, das kann ich auch nachvollziehen. Familienpolitik ist Justizpolitik, ist Sozialpolitik, ist nicht nur die Frage, wie gehen wir mit Kindern um, sondern auch die Frage, wie gehen wir mit unserer älteren Generation um. Auch das ist Familienpolitik. Familienpolitik ist zum Beispiel die Frage: Kann sich eine Familie ein Ticket in ein Museum leisten? Also Familienpolitik ist auch Kulturpolitik. Familienpolitik ist so vieles, dass man tatsächlich nicht sagen kann, wo man anfangen soll.

Was mir aber in dieser heutigen Diskussion gefallen hat – weil Familienpolitik sehr gerne als ideologisches Schlachtfeld dient; das habe ich heute nicht so empfunden und das fand ich sehr wohltuend –, ist diese Individualität, die Rahmenbedingungen zu schaffen für die vielfältigen Formen von Familie, die es nun einmal gibt. Man kann eben nicht sagen, ob etwas schlechter oder besser ist. Das empfand ich als aus­gesprochen wohltuend. Es ist sehr selten in der österreichischen Innenpolitik, dass die Familienpolitik eben kein Schlachtfeld für Ideologien wird.

Es war auch deshalb immer ein Schlachtfeld der Ideologien, weil man natürlich auch sein eigenes Idealbild, seine eigene Idealvorstellung einer Familie gerne in den Mittelpunkt rückt, um anderes sozusagen als nicht so legitim dastehen zu lassen. Zum Glück – das dürfte tatsächlich ein großer Fortschritt unserer österreichischen Familien­politik sein – wird mittlerweile, wenn auch nicht von allen, so doch von sehr vielen anerkannt, dass die Lebensrealitäten draußen völlig vielfältig, völlig unterschiedlich sind. Es hat viel damit zu tun, ob man auf dem Land lebt, ob man in der Stadt lebt, in welchen Konstellationen, ob man schon einmal geschieden war, ob man in einer Patchworkfamilie lebt, ob in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ob alleinerzie­hend. Diese Vielfalt wird mittlerweile wahrgenommen. Familie ist eine große Chance, ist etwas Gutes und zugleich immer noch, wenn man sich die Kriminalitätsstatistiken anschaut, ein Ort, wo auch Gewalt passiert.

Man muss Familie nicht schönreden, aber gleichzeitig auch nicht verteufeln, sondern man hat einfach mit den Realitäten umzugehen. Und zu diesen Realitäten gehören natürlich auch – wir haben schon sehr oft darüber gesprochen – Kinderbetreuungs­einrichtungen. Sie haben gesagt, und darüber bin auch sehr froh, dass es nicht nur um Öffnungszeiten für soundso viele Wochen im Jahr geht – wann ist offen, wann ist geschlossen? –, sondern es geht natürlich auch darum, dass die Nine-to-Five-Jobs nicht mehr in der Häufigkeit vorhanden sind, wie sie früher vorhanden gewesen sind.

Früher war von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachmittags zu arbeiten eher die Regel, mittler­weile ist das fast schon eine Ausnahme. Für Eltern zum Beispiel, die im Gastgewerbe arbeiten, für Eltern, die gemeinsam ein Lokal betreuen, sehr oft bis 2 Uhr in der Früh arbeiten, dafür am Vormittag Zeit mit ihren Kindern verbringen könnten, ist es sehr schwierig, eine Betreuung zu finden. Das will ich nur betonen, um die Vielfalt der Formen des Familienlebens darzustellen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben angekündigt – und das finden wir gut –, dass im Herbst auch das Kinder­betreuungsgeld neu verhandelt werden soll, dass neue Wege beschritten werden sollen. Auch in diesem Bereich sehen wir ganz klar große Mängel, dass zum Beispiel Menschen, die die Kinder auch betreuen, wie etwa Großeltern, wie zum Beispiel auch der getrennt lebende Vater mit einem anderen Wohnsitz, der sich trotzdem um das Kind kümmert – nicht jede Trennung ist ja mit Scherben und mit Streit verbunden, manchmal trennt man sich auch in größter Freundschaft und im größten Einver­ständnis und im Einvernehmen –, keinen Zugang zu Kinderbetreuungsgeld haben. Auch das gehört geändert.


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Selbstverständlich – und ich wäre nicht der Sprecher der „Grünen Andersrum“, wenn ich das am Ende nicht noch betonen würde – sind auch die Fragen der Regenbogen­familien, die Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ganz entscheidende familienpolitische Fragen. Es gibt von Ihrer Seite gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Justizministerium Pläne, etwas zu ändern, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Ich möchte aber schon noch einmal betonen, dass natürlich, wenn man nicht werten will, auch dieselben Rahmenbedingungen, und zwar auch dieselben rechtlichen Rah­men­bedingungen, für alle vorhanden sein müssen. Das kann natürlich nur bedeuten, dass die Ehe aufgemacht wird für alle und die eingetragene Partnerschaft für verschiedengeschlechtliche Partnerschaften.

Wenn man das Kindswohl – „Kindeswohl“ sagt man, glaube ich, juristisch –, wenn man das Kindeswohl in den Vordergrund rücken will, ins Zentrum rücken will, ja auch muss, dann zählt natürlich auch bei der Adoption die Frage, wo das Kind am besten aufge­hoben ist. – Ein Kind ist nicht unbedingt schon vorab nur bei heterosexuellen Partner­schaften am besten aufgehoben. Die Adoption für alle ist schwierig, weil es ja viel mehr adoptionswillige Paare als Kinder gibt, das wissen wir, aber schon im Vorfeld aufgrund der sexuellen Orientierung zu filtern, halte ich für falsch. Es müssen die besten Rahmenbedingungen vorgefunden werden, und dabei sollte die sexuelle Orientierung keine Rolle spielen.

Die 5 Minuten Redezeit sind vorbei. Wie gesagt, Familienpolitik ist abendfüllend, aber wir müssen es jetzt einmal dabei belassen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

10.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­minister Dr. Karmasin. – Bitte, Frau Minister.

 


10.34.25

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Ge­schätztes Präsidium! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Ich möchte noch auf zwei, drei Punkte eingehen im Zusammenhang mit dieser immerwährenden Diskussion über Frauen, die zu Hause bleiben wollen, versus diejenigen, die arbeiten gehen wollen.

Ich glaube, dieses Modell gibt es in Wirklichkeit gar nicht so schwarz-weiß. Ich meine, wir sollten uns lösen von dieser Vorstellung, dass man sich als Familie oder als Frau für das eine oder das andere entscheidet. Würde das bedeuten, dass berufstätige Frauen ihre Kinder nicht selbst betreuen? Es ist ja nicht so, dass man ein Kind, vor allem wenn es erst ein Jahr alt ist, 18 Stunden lang in eine Kinderbetreuung gibt, son­dern vielleicht nur zwei, drei Stunden oder vielleicht auch fünf Stunden. Also dieses Schwarz-Weiß-Denken halte ich für verfehlt. Ganz im Gegenteil! Die Zukunft wird sich so gestalten, dass wir uns eine Verstrickung und eine Verwebung aller Lebensbereiche und auch der beiden Geschlechter vorstellen müssen. Das heißt, dass Frauen und Männer meiner Meinung nach möglichst bald wieder in ein Teilzeitbeschäfti­gungs­verhältnis gehen sollten, seien es jetzt zehn Stunden, seien es 30 Stunden. Beide sollten die Möglichkeit haben, erwerbstätig zu sein, auch für ihre eigene Unabhängig­keit, und gleichzeitig auch maximal Zeit mit den Kindern zu verbringen und die restliche Zeit auf Betreuungsmöglichkeiten zurückzugreifen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Somit sind wir wieder beim partnerschaftlichen Ansatz. Ich denke, Teilzeit ist sehr gut, sollte aber natürlich in allen Branchen und vor allem auch in allen Hierarchieebenen möglich sein, auch mit allen Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten und vor allem auch für beide Geschlechter. Das ist ja leider im Moment in Österreich auch sehr ge­schlechts­spezifisch aufgeteilt. 80 Prozent der Teilzeittätigkeiten werden von Frauen


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übernommen, was ich nicht als negativ bewerten würde, aber: Warum nur von Frauen? Genauso sollte das auch für Männer möglich sein, wie gesagt, in allen Hierarchie­stufen. Also dieses Verweben der Lebensbereiche wäre mir ein ganz wichtiges Anlie­gen.

Ich möchte noch zwei Punkte aufgreifen, nämlich zum einen: Schule. Aus eigener Erfahrung, und statistisch auch belegbar, möchte ich sagen, dass der Eintritt des Kindes in die Schule im Alter von sechs Jahren in Bezug auf Betreuung für eine berufs­tätige Frau ganz besonders schwierig ist. Im Kindergarten wird man noch verwöhnt mit Öffnungszeiten und vor allem Sommerbetreuungsmöglichkeiten, während der Schulzeit ist das viel, viel schwieriger. 38 Wochen „Öffnungszeit“, wenn man so will, stellen berufstätige Menschen vor besondere Herausforderungen, vor allem wenn man bedenkt, dass noch nicht einmal 20 Prozent der Schulkinder in einem Hort sind. Und Kinder, die in der Schulzeit nicht in einem Hort sind, werden in der Ferienzeit schon gar nicht in einen Hort gehen.

Also hier stehen wir vor besonderen Herausforderungen, die Schulzeit der Kinder für berufstätige Eltern interessanter und angenehmer zu gestalten und natürlich auch für die Kinder für den Sommer Möglichkeiten zu schaffen, die leistbar sind, die für die Kinder auch interessant und förderlich sind und nicht nur Aufbewahrungsstätten oder teure Feriencamps.

Zweiter großer Punkt ist das Thema Pflege. Ich glaube, wie angesprochen, in diese Richtung denken wir auch noch zu kurz. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bezieht sich leider oft nur auf die Kinder von null bis sechs, dann sozusagen rennt das Werk. Das stimmt ja gar nicht. Vor allem wenn die Kinder quasi aus dem Haus sind, wenn die Kinder selbständig sind, fängt das Pflegethema erst so richtig an mit den eigenen Eltern. Wir haben noch viel zu wenig Möglichkeiten der Betreuung, auch der mobilen Betreuung oder der Tagesbetreuung. Die Zuhause-Betreuung ist das ange­nehmste und schönste, aber bei Berufstätigkeit natürlich auch nicht immer zu bewerk­stelligen.

Einen Punkt möchte ich noch zum Thema Adoption und gleichgeschlechtliche Paare anführen. Ich bin gegen jegliche Diskriminierung, das ist hoffentlich schon durchge­kom­men, aber zu dem Thema Kindeswohl möchte ich eine Studie aus Deutschland zitieren, die mit Familien mit Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ge­macht wurde. Das waren Pflegekinder, das waren Stiefkindadoptionen oder sonstige Konstellationen, natürlich keine Fremdkindadoptionen. Wie geht es den Familien und wie geht es den Kindern in diesen Situationen? – Leider muss man sagen – und das ist die Dramatik an sich –, dass 43 Prozent der Eltern und auch der Kinder in diesen Konstellationen über Diskriminierung berichtet haben. (Bundesrat Schreuder: Ja, aber das ist das Problem der Gesellschaft, nicht der Familien!) – Ja, logisch, natürlich. Unsere Gesellschaft ist noch nicht so weit, das anzuerkennen. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Schreuder.)

Ich sage nur, das ist die Situation, in der wir im Moment leben. Ich glaube, wir müssen sehr stark daran arbeiten, Diskriminierungen in der Gesellschaft, im gesellschaftlichen Bild zu beheben, und dann über die Frage betreffend das Kindeswohl nachdenken, und nicht anders herum. Ich denke, wir müssen die Diskriminierung in der Gesellschaft Schritt für Schritt abstellen, wenn wir sagen, ein Adoptionskind soll das beste Lebens­verhältnis bekommen. Ich glaube, im Moment krankt es an der Diskriminierung dieser Familienformen in der Gesellschaft, und das gehört meiner Meinung nach bearbeitet und Schritt für Schritt gelöst. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

10.39



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 32

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.40.00Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2761/AB-BR bis 2778/AB-BR sowie

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen, beziehungsweise

jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die wechselseitige Hilfestellung beider Staaten durch ihre Vertretungsbehörden im Verfahren zur Erteilung von Visa für den langfristigen Aufenthalt und

eines Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und

eines Schreibens des Bundeskanzlers betreffend dessen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs.1 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

(Liste der Anfragebeantwortungen: siehe S. 6)

*****

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2014 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2014 (Bundesfinanzgesetz 2014 – BFG 2014) samt Anlagen (50 und 138/NR)

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2014 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2015 (Bundesfinanzgesetz 2015 – BFG 2015) samt Anlagen (51 und 139/NR)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:


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*****


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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

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BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 37

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend dessen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

*****

 



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 38

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der eingelangte Kulturbericht 2013 beziehungs­weise der Bericht über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2013 wurde dem Aus­schuss für Unterricht, Kunst und Kultur beziehungsweise dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zugewiesen.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

10.41.30Fristsetzungsantrag

 


10.42.45

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Es liegt seit einem Monat ein Antrag der Freiheitlichen im Finanzausschuss betreffend Evaluierung des Pendlerpauschales. Die Finanzstaatssekretärin Steßl hat sich offensichtlich nicht nur auf Initiative von uns Freiheitlichen, sondern auch auf Anregungen der Pendlerinitiative bewegt und gestern in einer OTS-Aussendung festgestellt, dass es hier zu Verbes­serungen gekommen ist.

Leider haben die Regierungsfraktionen die Tendenz, Anträge der Oppositionsparteien gut abliegen zu lassen, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, und daher stellen wir einen Fristsetzungsantrag, den wir auch schriftlich eingebracht haben, dem Finanzaus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 195/A(E)-BR/2014 eine Frist bis zum 24. Juli 2014 zu setzen.

Darüber hinaus verlangen wir gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag. (Beifall bei der FPÖ.)

10.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, Frau Kollegin.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich daher bekannt, dass Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung eingebracht hat, wonach dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 195/A(E)-BR/2014 betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale eine Frist bis 24. Juli 2014 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da weiters gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hierüber sogleich abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag ist somit abgelehnt.

Antrag gemäß § 16 Abs. 4 GO-BR


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 39

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Lampel, Kneifel, Mühlwerth, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen der Antrag gemäß § 16 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebrachte wurde, das Steno­graphische Protokoll zur Enquete „Der Bundesrat – Status und Entwicklungspoten­ziale“ samt Beilagen in Verhandlung zu nehmen und mit den Vorberatungen dieses Verhandlungsgegenstandes den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zu betrauen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Lampel, Kneifel, Mühlwerth, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, das Stenographische Protokoll zur Enquete „Der Bundes­rat – Status und Entwicklungspotenziale“ samt Beilagen als Verhandlungsgegenstand unter Zuweisung an den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag der Bundesräte Lampel, Kneifel, Mühlwerth, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, das Stenographische Protokoll zur Enquete „Der Bundesrat – Status und Entwicklungspotenziale“ samt Beilagen als Verhandlungsgegenstand unter Zuweisung an den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

10.45.541. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 geändert wird (142 d.B. und 168 d.B. sowie 9198/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kom­men zu deren 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Köck. Bitte um die Berichterstattung.

 


10.46.05

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Der vorliegende Beschluss des Nationalrates sieht die Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik durch eine Novelle des Markt­ord­nungsgesetzes im Bereich der Direktzahlungen in die österreichische Rechts­ordnung vor. Der Beschluss des Nationalrates bringt in diesem Sinn ein österreichweit einheitliches Regionalmodell ohne produktionsbezogene Koppelungen für Acker-, Dauerkultur und Grünlandflächen. Für Hutweiden wird eine differenzierte Flächenzah­lung sowie eine tierbezogene Zahlung für den Almauftrieb vorgesehen. Das neue Modell soll dabei im Rahmen einer Übergangsregelung ab 2015 bis 2019 in fünf 20-Prozent-Schritten eingeführt werden. Flankiert werden die Maßnahmen durch eine Regelung für KleinlandwirtInnen und ein Programm zur Unterstützung der Jungland­wirtInnen.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 40

10.47.21

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ganz herzlich darf ich auch die Schülerinnen und Schüler aus Innsbruck begrüßen. Wenn der Agrarminister aus Tirol hier ist, müs­sen natürlich auch Schülerinnen und Schüler aus Tirol mit dabei sein. (Allgemeiner Beifall.)

Zur aktuellen Materie möchte ich, Herr Bundesminister, zwei Welten der österreichi­schen Landwirtschaft aufzeigen: den bäuerlichen Kleinbetrieb, seine Sorgen und seinen Alltag, und demgegenüber den Agrargroßbetrieb, der auch entsprechend unter­stützt und gefördert wird und eine ganz andere wirtschaftliche Grundlage hat als Kleinbetriebe.

Am 16. Juni hat eine Kärntner Zeitung ein Kärnten-Thema publiziert, und dort wird die typisch bäuerliche Kleinfamilie, in diesem Fall die Familie Mattl aus dem Lavanttal, dargestellt. Der Jungbauer hat mit 21 Jahren einen Betrieb mit 7 Hektar Grünfläche und 5 Mutterkühen übernommen und hat diesen Betrieb auf 13 Mutterkühe ausge­weitet. Also ein klassischer Kleinbetrieb. Das erste Mal Urlaub gemacht hat diese Familie mit zwei Kindern nach 12 harten Betriebsjahren. Alles, was der Schichtarbeiter zusätzlich verdient, wird in die Reparatur des Traktors, den Ankauf der Motorsäge, in den Ausbau der bescheidenen räumlichen Umstände dieses Kleinbetriebes investiert. Das sind Menschen – wie die Bäuerin sagt: „Bei uns haben Kühe einen Namen und eine Geschichte“ –, die die Tierhaltung und die Umwelt ernst nehmen, die auch Familie im klassischen Sinne leben, die aber auch täglich einen Wirtschafts- und Überlebenskampf als kleinbäuerlicher Betrieb auszufechten haben.

Jetzt kommt der Grund, warum ich diesen Fall hier schildere: Vor Kurzem, Herr Bundesminister, nämlich im November 2013, ist auch diese Familie von der Almfutter­flächenproblematik erfasst worden und hat eine Strafzahlung von 12 000 € erhalten.

Eine Familie, die täglich ums Überleben kämpft, wird dafür bestraft, dass sie Umwelt ernst nimmt, dass sie eine Tierhaltung hat, wo die Kühe noch eine Geschichte haben. Wie kommt es dazu? Ich zitiere das Ehepaar Mattl: „Die Fläche der Alm wussten wir nie, denn sie ist nicht unser Eigentum.“ Auch die Futterfläche kennen die Aufzinser nicht, die gibt der Almbesitzer an. Das heißt, man ist dort Mieter einer Fläche, zahlt 35 Euro pro Mutterkuh, die man auf die Alm gibt, und wird dafür bestraft, dass unter Umständen der Almbesitzer, der ja im Regelfall kein Kleinbauer ist, falsche Angaben gemacht hat.

Jetzt ist aber in diesem Fall die Sache so, dass vor 2007 die AMA eine Vor-Ort-Kontrolle gemacht hat und die Almfläche mit 67 Hektar festgelegt hat. 2013 hat die gleiche Einrichtung wieder eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt, und diese Alm hatte angeblich nur mehr 38 Hektar. Gleich viel Vieh wurde in dieser Zeit auf die Alm gegeben. Das heißt, die Tiere hätten ja verhungern müssen, wenn man die Fläche aufgrund der Vor-Ort-Kontrolle der AMA innerhalb kürzester Zeit von 67 auf 38 Hektar reduziert hätte.

Und dafür soll die Familie Mattl jetzt 12 000 € Strafzahlungen leisten – eine Familie, die sich nach mehr als zehn Jahren Schwerstarbeit, erzählt die Jungbäuerin, endlich einmal vier Tage Urlaub an der Adria leisten konnte, um ihren Kindern einmal auch eine andere Welt zu zeigen!?

Das ist bedrückend, wenn man demgegenüber die andere Welt der österreichischen Agrarlandschaft etwas näher beleuchtet: So erhalten auch Stiftungen eine Förderung. Ich nenne bewusst keine Namen, aber ich weiß, dass eine sehr bekannte Stiftung in Österreich in den Jahren 2012 und 2013 eine Jahresförderung von 1 287 000 € erhalten hat. Es werden aber auch andere Stiftungen, GmbHs und sonstige Einrich-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 41

tungen, die eigentlich klassische Wirtschaftsbetriebe sind, hoch gefördert, und zwar mit 570 000 €, 549 000 €, 467 000 € und, und, und. Auf der anderen Seite haben wir den Kleinbauer, den Schichtarbeiter, der sich aufgrund der Strafzahlung die Reparatur seines Traktors nicht mehr leisten kann. Ich würde mir gerne einmal den Fuhrpark dieser mit mehr als einer Million geförderten Betriebe anschauen. Also die Sorgen, die dieser Kleinbauer hat, haben die sicher nicht. Das sind zwei Welten.

Aber ich kann auch nicht verstehen, dass jetzt im Rahmen dieser Veränderung der Marktordnung die SPÖ, die momentan ja die Antimillionärspartei ist, da mitstimmt. Das kann ich nicht verstehen! Ich stehe da auf der Seite des bäuerlichen Familienbetriebes. Ich bin aber keiner, der versucht, Neid zu säen, indem ich jetzt aufliste, wer wie viel Förderung bekommt. Aber Faktum ist, dass es hier eine Förderschieflage gibt. Diese Veränderung des Marktordnungsgesetzes sollte eine Chance, eigentlich, Herr Bundesminister, ein Auftrag sein, dieses Ungleichgewicht auszubügeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen, dass diese kleinen Familienbetriebe Landschaftspfleger sind und dass ohne sie der Tourismus im ländlichen Raum nicht möglich wäre. Diese Betriebe bele­ben auch die Wirtschaft im ländlichen Raum. Wovon leben denn Kleinbetriebe in den Dörfern? Sie leben auch von den bäuerlichen Kleinunternehmen, die vor Ort einkaufen und ihre Existenz- beziehungsweise Lebensgrundlage haben. Wir haben hochwertige Lebensmittel. Woher kommen denn die? Nicht aus Holland, Belgien, Spanien oder sonst woher, sondern aus Österreich. Diese Betriebe sind daher zu schützen.

Es ist für mich völlig unverständlich, dass diese Marktordnungsgesetz-Novelle nicht dazu beigetragen hat, dass man sofort einen Ausgleich gefunden und den Klein­betrie­ben eine faire Chance gegeben hat. Abgesehen davon ist es auch nicht verständlich, dass bei der Flächenförderung auf der einen Seite der eine für das Gleiche pro Hektar 0,37 Cent erhält, während auf der anderen Seite eine Maximal­förderung von 6 823 € pro Hektar möglich ist. Das ist eine weitere Ungleichgewichtung.

Herr Bundesminister! Sie haben in Kärnten – ich habe das auch hier im Hause ge­sagt – im Jänner große Hoffnungen geweckt. Ich zitiere:

„,Bis es auf den Almen aper wird, solle es eine Lösung für den Almfutterflächenkonflikt geben‘, hat Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bei seinem ersten Besuch in Kärnten im Jänner angekündigt.“

Faktum ist – ich zitiere wieder aus der gleichen Zeitung –:

„In der Praxis jedoch erhalten viele Bauern nach wie vor Strafbescheide. In manchen Fällen wird die Strafe für ein Jahr retourniert, während sie für ein anderes Jahr ver­hängt wird. Jedes Jahr wird extra abgerechnet.“

Herr Bundesminister! Ich hoffe, dass Ihre Zusage, dass es eine Lösung geben wird, wenigstens bis der Schnee im Herbst oder im Winter kommt, eingehalten wird. Ich weiß schon, dass es nicht immer leicht ist. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie sich redlich und, wie ich denke, auch ehrlich bemühen. Aber ich bitte Sie wirklich, dieses Problem insbesondere für die kleinbäuerlichen Betriebe zumindest bis der Schnee kommt zu lösen.

Wie schon gesagt: Es ist die Chance vertan worden, Fairness für die Kleinbauern beziehungsweise einen Ausgleich, was die Fördergerechtigkeit anlangt, mit dieser Marktordnungsgesetz-Novelle herbeizuführen. Deshalb werden wir ihr nicht zustim­men. Denn: Wir sind auf der Seite der Kleinen und Fleißigen! (Beifall bei der FPÖ.)

10.54



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 42

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.55.04

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Schülerinnen und Schüler, so sie noch da sind! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben das Marktordnungsgesetz beziehungsweise eine große Änderung desselben heute zu beschließen.

Ich möchte eingangs kurz auf die Ausführungen meines Kollegen Dörfler eingehen und ihm sagen: Die Almfutterflächenproblematik ist eine, die uns allen bewusst ist. Auch ich habe mich mit diesem Problem vor Ort beschäftigt und kann sagen: Es ist sehr schwierig, eine konkrete Nutzfläche festzustellen. Sie können eine Doktorarbeit darü­ber schreiben und werden trotzdem kein konkretes Ergebnis bekommen. Ein prak­tischer Ansatz wäre jener, den Sie hier dargestellt haben, nämlich dass man die Frage klärt: Wie viele Tiere kann ich auf einer Alm ernähren, beziehungsweise wie viele Tiere können sich von der Alm ernähren? Es ist schwierig, das mit Flächen­kataster und Überschattungen und Steinausgrenzungen festzustellen. Ich bin guter Dinge – und der Herr Bundesminister wird das sicher selbst auch noch genau erklären –, dass es für die Problemfälle sicherlich eine Lösung geben wird.

Es fällt mir schwer, zu verstehen, warum Sie so gerne einen Streit zwischen Groß und Klein anzetteln. Es gibt eben große und kleine Bauern. Ich bin selbst auf einem kleinen Bauernhof mit 10 Hektar und sechs Kühen aufgewachsen und kenne die Problematik und die Situation eines Kleinbauern sehr gut. Es hilft aber keinem weiter, wenn man hier einen Keil hineintreibt.

Wichtig ist – das ist auch sozial im neuen Programm so vorgesehen –, dass es eine Deckelung für Großbetriebe gibt, und zwar mit 150 000 €, wo auch die Arbeitskräfte und nicht nur die Fläche berücksichtigt werden.

Jetzt zum eigentlichen Thema: Seit 1995 haben wir ein EU-Agrarsystem, das damals eine komplette Änderung für die Landwirtschaft gebracht hatte, nämlich die Umstellung auf den Weltmarktpreis. Es gab einen Ausgleich auf die wesentlich reduzierten Welt­markt­preise, weil nicht kostendeckend, und zwar durch sogenannte Direktzahlungen. Diese Direktzahlungen waren nicht Förderungen, sondern Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft, und dadurch wurde den Konsumenten die Möglichkeit gegeben, öster­reichische Lebensmittel zum Weltmarktpreis zu konsumieren.

Das war eine große Umstellung. Seit Einführung dieses Systems gab es immer wieder Anpassungen, und heute haben wir einen weiteren wesentlichen Schritt zu be­schließen, nämlich die Änderung der historischen Ausgleichszahlungen in ein soge­nanntes regionales Modell. Was heißt das? – Dass es pro Fläche, egal, ob Acker- oder Grünland, eine einheitliche Flächenprämie geben wird, unabhängig von der Produktion. Auch das war lange Gegenstand der Diskussion, dass nämlich Ausgleichszahlungen nicht produktionsfördernd sein sollten und auch ökologische und naturbezogene Maßnahmen damit verbunden sein sollten.

Das ist auch inkludiert, denn jeder, der in Österreich beziehungsweise in Europa, muss man genau genommen sagen, eine EU-Ausgleichszahlung erhalten möchte, muss sich auch sogenannten Greening-Maßnahmen unterwerfen. Das heißt, dass das Grünland erhalten werden muss; das heißt, dass Fruchtfolgeauflagen eingehalten werden müssen; und das heißt, dass auch gewisse Biodiversitätsflächen angelegt werden müssen, um der biologischen Vielfalt genügend Platz zu geben. Es ist von der Ausgleichszahlung her eine eigene Schiene für Hutweiden angedacht, und es wird keine produktions- oder tierbezogenen Prämien mehr geben.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 43

Sehr wesentlich für Österreichs Bäuerinnen und Bauern ist, dass dieses neue System entsprechend eingeführt wird, dass es nämlich nicht zu einem plötzlichen Übergang kommt, sondern dass es für die nächsten fünf Jahre eine Einschleifregelung gibt, und zwar jährlich 20 Prozent Anpassung, dass es also einen gleitenden Übergang vom alten Ausgleichszahlungssystem auf das neue System gibt. Das ist, geschätzte Damen und Herren, für unsere Bäuerinnen und Bauern wichtig, weil auch diese Betriebe Verlässlichkeit und Stabilität brauchen.

Wenn ein Betriebsführer Entscheidungen trifft, dann muss er sich auch einige Jahre auf die Rahmenbedingungen verlassen können, da nur entsprechende Rahmenbedin­gungen die Grundlage sind, um Betriebsübernahmen entsprechend zu forcieren. Ich glaube, auch da ist ein wesentlicher Ansatz, dass es eine eigene Jungübernehmer­regelung oder Jungübernehmerförderung geben wird, weil es uns wichtig ist – und Österreich hat im Vergleich zu Europa eine noch junge Landwirtschaft –, dass die Land­wirtschaft und die Agrarbetriebe nicht überaltern, dass wir den jungen Menschen signalisieren: Es zahlt sich aus, es hat Zukunft und birgt Chancen, einen bäuerlichen Betrieb zu übernehmen!

Wenn wir diese Chance für die Zukunft auch entsprechend ausbauen wollen, dann ist es wichtig – und darauf wird ein Fokus gelegt –, dass die Investitionsförderung, die Entwicklung der Betriebe entsprechend forciert wird.

Es ist eine große Veränderung, die auf die bäuerlichen Betriebe zukommt, es gilt da aber auch wieder die Chancen zu sehen. Es wird viele Betriebe geben, die in dem alten System finanziell besser durchgekommen sind. Es wird aber auch Betriebe geben, für die das neue System ein besseres ist. Entscheidend ist, sich am Markt zu orientieren. Entscheidend ist es, für seinen Betrieb seine Chancen zu finden und eine entsprechende Entwicklung der Betriebe und der bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich zu forcieren. Das wollen wir, und das möge dieses neue Marktord­nungs­system bringen; deshalb werden wir auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Pfister.)

11.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


11.02.01

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier im Saal und zu Hause! In dieser Novelle, die wir heute behandeln, wird über 700 Millio­nen € jährlich bis 2020 entschieden. Die Novelle enthält auch ziemlich viele positive Inhalte, die ich natürlich hervorheben möchte, die Umsetzung in Österreich lässt aber leider noch viel zu wünschen übrig, weshalb wir der Novelle leider nicht zustimmen können.

So werden die Direktzahlungen – das haben meine Vorredner auch schon gesagt – künftig nicht mehr auf den historischen Referenzwerten beruhen. Das finden wir sehr, sehr gut, da es damit wirklich zu einer klaren Konvergenz der Zahlungen, zwischen­staatlich und auch innerstaatlich, kommt. Wir finden aber diese zögerliche Umsetzung, dass endlich diese bisher ungerechte Behandlung abgeschafft wird, mit dieser schritt­weisen 20-Prozent-Anpassung von 2015 bis 2020 wirklich unerträglich. Das ist eine unerträgliche Verlängerung der Benachteiligung.

Ich möchte – weil mein Kollege im Nationalrat genau diese Zahlen schon einmal be­müht hat – die Zahlen noch einmal bringen und die derzeitige Lage in Österreich schildern. Es sind 1 742 Betriebe in Österreich, die derzeit mehr als 1 000 € Prämie pro


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 44

Hektar erhalten, 62 Betriebe sogar mehr als 4 000 € pro Hektar. Diese Privilegien wer­den nun für weitere fünf Jahre beibehalten und sind einfach gegenüber vielen kleinen Bäuerinnen und Bauern, die auch weiterhin zum Teil deutlich weniger Prämien bekommen – weniger als 100 € pro Hektar –, eine weitere Ungerechtigkeit. Diese Be­triebe machen einen Anteil von über 17 Prozent der Betriebe aus, und es sind vor allem die kleinräumig strukturierten Betriebe, vor allem im Bergland, vor allem auch – ich als Bundesrätin aus Tirol muss das natürlich sagen – Betriebe in Bundesländern wie Tirol.

Ich habe bis jetzt noch halbwegs nachvollziehen können, dass ein Landwirtschafts­minister aus dem Flachland für Kleinräumigkeiten nicht so das Gespür hat, jetzt ist mir das aber sehr unverständlich, dass das so weiter fortgesetzt wird. Dabei wären ja jetzt mit der GAP-Reform sogar Mittel dafür geschaffen worden.

Es wird zum Beispiel in Deutschland auch umgesetzt, aber bei uns bei Weitem nicht ausgeschöpft, dass die Mitgliedstaaten eine Umverteilungsprämie für die ersten Hektar­flächen gewähren können. Das heißt, sie können bis zu 30 Prozent des natio­nalen Finanzrahmens an die Betriebsinhaber für die ersten 30 Hektar umverteilen. Das würde wirklich einen erheblichen Umverteilungseffekt erzielen – wird leider in Öster­reich nicht gemacht. Das ist auch der Hauptgrund, warum wir die Novelle hier ab­lehnen.

Sehr gut finden wir – das hat mein Vorredner schon angesprochen – das Programm für Junglandwirte, das in der GAP vorgesehen ist. Wenn wir uns ansehen, wie viele Betriebe jährlich in Österreich aufgegeben werden, wie viel Aufwand und wie viel Entbehrung die Entscheidung, den elterlichen Hof zu übernehmen, für die betroffenen JunglandwirtInnen darstellt  meist mit der Aussicht, dass es sowieso nie und nimmer in einen Vollerwerb münden kann und immer ein Balanceakt im Nebenerwerb, viel­leicht sogar noch mit einem zweiten Job, bleibt, weil die Zukunft für Nebenerwerbs­bauern einfach wirklich nicht rosig aussieht , dann sehen wir, das ist wirklich eine sehr, sehr sinnvolle Maßnahme.

Aus unserer Sicht wäre das Programm zusätzlich zu den Junglandwirten noch auf Kleinlandwirte und -landwirtinnen generell auszudehnen, um einfach die ökologische Vielfalt auf diesen Betrieben zu unterstützen.

Ich habe vorhin schon zum Thema Umverteilungsgerechtigkeit gesprochen und möchte noch ganz kurz einen Punkt hervorheben, weil da einfach mit zweierlei Maß gemessen wird. Ich möchte noch einmal ganz kurz die Mutterkuhprämie besprechen, für die es nämlich keine Übergangslösung gibt. Da ist eine Forderung von uns, dass bis 2019 mindestens noch für zehn Mutterkühe eine Prämie ausbezahlt wird – also wenn schon Übergangsregelungen, dann auch für Kleinbetriebe und nicht nur für Großbetriebe, wie dies in dieser Novelle eben hauptsächlich vorgesehen ist! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Bierbauer-Hartinger. – Bitte.

 


11.06.23

Bundesrätin Brigitte Bierbauer-Hartinger (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsi­dium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuseher hier im Saal und zu Hause an den Fernsehgeräten! Meine Vorredner beziehungsweise meine Vorrednerin haben ja schon die Stellungnahmen ihrer Fraktionen zum Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 laut Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2014 geändert werden soll, dargelegt. Ich


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werde mich gewissen populistischen Äußerungen jetzt nicht anschließen, die von Einzelschicksalen sprechen, sondern ich möchte jetzt schon klar die Standpunkte, die diese Novelle aus Sicht der SPÖ beinhaltet, darlegen.

Das Marktordnungsgesetz in seiner heutigen Form umfasst die innerstaatliche Rege­lung, um die Regeln der gemeinsamen Marktordnung innerhalb der Europäischen Union einhalten zu können. Was sind nun die Hauptgesichtspunkte dieser Änderung, und welche Ziele hat letzten Endes dieses neue Marktordnungsgesetz?

Ein vorrangiges Ziel einer Agrarpolitik muss es sein, die Sicherung der bäuerlichen Betriebe zu gewährleisten, den Konsumenten und Konsumentinnen hohe Qualität zu bieten, Lebensmittelsicherheit zu haben und auch Vielfalt zu gewährleisten. Es muss die Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Regionen unterstützt werden. Klarheit und Rechtssicherheit, das war die Devise, die in diese Novelle eingeflossen ist. An und für sich wird in dieser Novelle – und das müsste auch den Kollegen und Kolleginnen der grünen Fraktionen entgegenkommen – ja auch sehr auf die Sicherung der biologischen Landwirtschaft und die nachhaltige Sicherung des biologischen Landbaus Rücksicht genommen.

Auch sollen strukturschwache Regionen gefördert werden, und dazu braucht es ge­rechte Förderpolitik. Unsere Fraktion sieht in dieser Novelle eine gerechte Förder­politik. Mit dieser Novelle zum Marktordnungsgesetz wird in Österreich die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Periode 2014 bis 2020 umgesetzt. Es wird bis 2020 Rechtssicherheit für die Bauern geschaffen, um so die Grundlage für die Auszah­lung von Direktzahlungen im Ausmaß von zirka 700 Millionen € pro Jahr vorzugeben.

Betreffend diese Novelle, die Auswirkungen auf 130 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe hat, hält das Regierungsprogramm folgende Vereinbarungen fest:

Bis 2019 werden die Zahlungen schrittweise auf ein österreichweit einheitliches Regio­nal­modell ohne produktionsbezogene Koppelungen für Acker-, Dauerkultur- und Grünlandflächen umgestellt. Das hat zwar mein Vorredner, der Kollege von der ÖVP schon gesagt, aber vielleicht wirkt es dem Populismus ein bisschen entgegen, wenn man das noch einmal betont.

„Für Hutweiden/Almflächen wird eine differenzierte Flächenzahlung sowie eine tierbezogene Zahlung für den Almauftrieb vorgesehen“.

Das ist – und das belegen die Vorgaben – ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Ver­teilungsgerechtigkeit der Fördermittel. Es ist eine Novelle, die sowohl Rechtssicher­heit für die Almbauern als auch optimale Unterstützung für die Jungbauern bietet. Und da wir wissen, dass in den letzten Jahren sehr viele bäuerliche Betriebe zugesperrt haben, müssen wir eine Politik betreiben, die dem entgegentritt.

In diese Novelle fließt auch ein, wie weit die Definition eines aktiven Landwirtes geht. Diese Definition ist wichtig in Bezug auf Bauern, die den für den Tourismus sehr wichtigen Zweig des Urlaubs am Bauernhof anbieten, denn diese Bauern sollen keine erschwerten Bedingungen vorfinden. Mit dieser Klarstellung in der Novelle wird einem wichtigen Tourismuszweig Rechnung getragen.

Ganz wichtig war es der SPÖ und auch der ÖVP, die KleinlandwirtInnen-Regelung durchzusetzen. Die Novelle umfasst eine KleinlandwirtInnen-Regelung, die eine För­der­geldhöhe von 1 250 € pro Jahr vorsieht. Auch ist es möglich, bereits ab einer ange­mel­deten beihilfefähigen Fläche von 1,5 Hektar am Fördersystem teilzunehmen.

Zur Erhaltung vor allem von bäuerlichen Familienbetrieben werden Junglandwirtinnen und Junglandwirte bis zu einem Alter von 40 Jahren mit einer zusätzlichen Förderung von 41 € pro Hektar unterstützt werden, wobei der Spielraum der EU-Verordnung aus-


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geschöpft wird. Das heißt, 14 Millionen von 693 Millionen € werden den Junglandwir­tinnen/Junglandwirten jährlich gewidmet. Das hat es in der Vergangenheit in dieser Form noch nicht gegeben.

Dass künftig kein Betrieb mehr als 150 000 € Prämienzuzahlung unter Berücksichti­gung der Lohn- und Nebenkosten erhält, ist auch ein politischer Erfolg.

Die Umstellung des sogenannten historischen Modells auf das nahezu rein flächen­bezogene Modell der Förderung wird am Ende der Übergangsjahre zirka 284 € pro Hektar Prämie bedeuten.

Die Novellierung dieses Marktordnungsgesetzes umfasst natürlich noch andere wesentliche Punkte, die schlüssig aufzeigen, wie wichtig dieser Beschluss heute ist. Und eines ist klar: Wir haben nicht immer grundsätzlich die gleiche Einschätzung, aber ich denke trotzdem  und, Herr Minister, jetzt darf ich mich an Ihre Worte anlehnen; ich glaube, diese sollen auch für uns alle gelten , die Wertschätzung, die die Österreiche­rinnen und Österreicher den Bauern und ihrer Arbeit entgegenbringen, ist in diese Arbeit und diese Novelle eingeflossen. Deshalb wird unsere Fraktion, die SPÖ-Fraktion, die Zustimmung zu diesem Beschluss geben.  Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte.

 


11.13.01

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehgeräten! Gestern fand die Bundesrats-Enquete mit sehr guten Beiträgen zur Aufwertung des Bundesrates statt. Unter anderem hat Vize­präsident Harald Himmer auf die Wichtigkeit und Wertschätzung dieser Institution hingewiesen.

Meine Vorrednerin hat bereits darauf hingewiesen, dass die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern von den Österreichern und Österreicherinnen sehr geschätzt wird. Für diese wertvolle Arbeit zur Erhaltung unserer ländlichen Räume danke ich allen, auch von dieser Stelle aus, recht herzlich. Schließlich sind sie es, die uns mit gesunden Lebens­mitteln versorgen und die Kulturlandschaft auch für den Tourismus erhalten.

Mit dem Marktordnungsgesetz setzen wir die Gemeinsame Agrarpolitik der EU in nationales Recht um und geben unseren Landwirten Rechtssicherheit für die nächsten Jahre. Dabei ist ein wesentlicher Teil die Umstellung vom historischen Modell auf das Regionalmodell, wie bereits erwähnt, wo es eine Anpassung in mehreren Schritten gibt – was auch sehr wichtig ist, Frau Kollegin Schreyer: in mehreren Schritten, für die Planbarkeit der bäuerlichen Betriebe. Es ist eine konsequente Fortschreibung der flächendeckenden Ökologisierung, bringt mehr Fairness für die Almbauern und einen klaren Impuls für die Jungbauern.

Gerade die Förderung der Jungunternehmer ist sehr zukunftsweisend, das wurde bereits sehr ausführlich erwähnt. Diese sichert laut Schätzung für zirka 8 000 Betriebe die Übernahme durch die nächste Generation. Eine beachtliche Summe von 14 Millio­nen € pro Jahr steht erstmals dafür zur Verfügung.

Gerade in strukturschwachen ländlichen Regionen ist es wichtig, jeden Arbeitsplatz zu erhalten und zu sichern. Deshalb ist es auch ganz wichtig, dass die Infrastruktur in den ländlichen Regionen nachhaltig ausgebaut wird. Ich habe bereits mehrmals erwähnt, dass die Versorgung mit Breitbandinternet auch für den ländlichen Raum eine Selbst-


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verständlichkeit sein muss, genauso wie die Wasserver- und -entsorgung und die Stromversorgung eine Selbstverständlichkeit sind.

Wir fordern immer wieder hohe Standards und hohe Qualität unserer Produkte und sind sehr stolz, dass wir das in Österreich auch präsentieren können. Traurig ist aber, wie man permanent eine Geiz-ist-geil-Mentalität entstehen lässt. Ja, das stimmt, wir haben zum Teil höhere Preise, und wenn man die Preisspirale permanent nach unten dreht, dann ist das auch langfristig für die Konsumentinnen und Konsumenten sehr schädlich und ein Nachteil.

Österreich hat gezeigt, dass kleine Strukturen durch Einkommenskombinationen, Zuerwerb, Direktvermarktung, Maschinenring-Dienstleistungen, Urlaub am Bauernhof und so weiter möglich sind. Die Agrarpolitik, die in Österreich gemacht wird, ist ein Vorbild für ganz Europa.

Mit diesem neuen Gesetz und mit unserem Lebensminister ist garantiert, dass es auch in Zukunft so erfolgreich und ökologisch weitergeht. Deshalb danke ich Ihnen, Herr Minister, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die wertvolle Arbeit, dass dieses Gesetz auch zeitgerecht beschlossen werden kann, um für alle Betroffenen eine sinnvolle Planbarkeit zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP.)

11.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. – Bitte.

 


11.16.44

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Bundesräte und liebe Zuseher! Sie haben heute zur Beratung, zur Behandlung die Marktordnungsgesetz-Novelle, meine erste große Regierungsvorlage, die im National­rat in zwei Lesungen positiv beurteilt worden ist. Sie haben diese jetzt in der General­debatte diskutiert.

Diese Marktordnungsgesetz-Novelle, so, wie das von allen Rednern klar gesagt wurde, ist die richtige Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und stellt Rechts­sicherheit und Planungssicherheit für die Bäuerinnen und Bauern in den nächsten sieben Jahren bis einschließlich 2020 sicher. Es war mir auch sehr wichtig, in diese Regierungsvorlage einen Beitrag zur Lösung der Almfutterflächenproblematik einzu­bauen. Das waren aus meiner Sicht die wichtigsten Elemente für diese Marktordnungs­gesetz-Novelle.

Sie wissen, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht von mir mitverhandelt wurde, aber die Eckelemente für die Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrar­politik waren dem Regierungsübereinkommen der Koalitionsparteien zugrunde gelegt, und diese Umsetzungsstrategie ist so in die Regierungsvorlage eingeflossen. Die wichtigsten Kernelemente, ich darf das noch einmal wiederholen, waren die Realisie­rung einer einheitlichen Acker-, Grünlandflächenprämie und damit auch eine bessere, gerechtere Ausrichtung der Direktzahlungen. Immerhin sind das pro Jahr fast 700 Mil­lionen €, also in der Periode 4,9, fast 5 Milliarden € an Direktzahlungen, die über dieses neue Regionalmodell, mit der Abkehr von der historischen Beurteilung, Begrün­dung, ausbezahlt werden. Da werden tatsächlich diese 700 Millionen € Direkt­zah­lungen in einer faireren, gerechteren Ausprägung ausbezahlt.

Wir haben den vollen Umsetzungszeitraum von fünf Jahren gewählt, um auch die Anpassung, die Abschmelzung der Direktzahlungen in einer verträglichen Art und Weise vorzusehen. In Fünfjahresschritten zu 20 Prozent werden die Direktzahlungen auf diese neue einheitliche Basisprämie ausgerichtet werden. Das ist aus unserer Sicht


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auch richtig und gut, um den Bäuerinnen und Bauern, die von der Abschmelzung der Prämien betroffen sind, Zeit zu geben, sich auf diese Anpassung auszurichten.

Es ist mir wichtig gewesen, in dieser Marktordnungsgesetz-Novelle einen Beitrag zur Lösung der Almfutterflächenproblematik, die verschiedentlich angesprochen wurde, zu erbringen, und das ist mit mehreren Schritten gelungen. Ein wichtiges Element ist hier auch die Verdichtung der Prämie, die Nutzung der Reduktionsmöglichkeiten für Hutweiden und Almflächen. Hier haben wir es mit Grünland zu tun, das in seiner Ertragskraft – dafür gibt es Studien des Agrarwissenschaftlichen Instituts – etwa 20 Prozent der Ertragskraft entspricht. Deswegen haben wir diesen Reduktionsfaktor genutzt, um für die künftige Ausrichtung der Regionalprämie auf den Almflächen diese 20-prozentige Verdichtung vorzusehen, was heißt, dass 20 Prozent der Flächen mit Zahlungsansprüchen belegt sind und wir damit einen Puffer von 80 Prozent geschaffen haben und es in Zukunft bei Abweichungen der erklärten Fläche von der festgestellten Fläche nicht mehr zu Sanktionen kommt. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, um die Almförderung in der ersten Säule in Zukunft sicherer zu machen und vor allem für die Bauern verlässlich zu machen.

Wir haben einen weiteren wichtigen Beitrag erbracht durch das Vorsehen von gekop­pelten Prämien für aufgetriebene raufutterverzehrende Großvieheinheiten. Das ent­spricht übrigens auch einer Forderung der Grünen, die aber offensichtlich erklärt haben, dass sie dieser Marktordnungsgesetz-Novelle und daher dieser Almauftriebs­prämie nicht zustimmen werden. Ich nehme an, die Bauern werden das richtig bewer­ten können. (Bundesrätin Schreyer: Es geht um das gesamte Paket!)

Frau Bundesrätin, es trifft mich natürlich besonders, dass die Tiroler Grünen gegen diese Marktordnungsgesetz-Novelle stimmen, die übrigens auch eine Kleinerzeuge­rregelung beinhaltet, von der immerhin 35 000 Bauern und Bäuerinnen nutznießen können, was eine ganz deutliche Entbürokratisierung bringt, weil sie eben ausgenom­men und befreit sind von Cross-Compliance-Bestimmungen und daraus resultierenden Sanktionen. Also wenn Sie, Frau Bundesrätin, schon so ein Herz für die Kleinbauern haben, dann sollten Sie – und dazu fordere ich Sie auf – diesem Marktordnungsgesetz im Sinne der Kleinbauern auch zustimmen. Überlegen Sie sich das! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Denn, sehr geehrte Frau Bundesrätin, ich sage Ihnen schon, ich rede mit vielen Bauern und vor allem auch mit den Almbauern, und gerade in Tirol. Ich war erst vor Kurzem dort. Und wissen Sie, vor wem sich die Bauern fürchten – weil angesprochen worden ist, dass sich die Bauern vor uns fürchten –: Die Bauern bei mir zu Hause fürchten sich vor allem vor den Grünen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das sei Ihnen gesagt.

Und weil Sie auch die Jungbauern angesprochen haben: Wir haben mit dieser Markt­ordnungsgesetz-Novelle einen 25-prozentigen Top-up zur Basisprämie in fünf Jahren vorgesehen. Das ist die beste Jungbauernförderung, die es jemals gegeben hat. In Kombination mit der Jungbauernförderung, die wir auch in der Ländlichen Entwicklung vorgesehen haben, ist das eine Unterstützung der Jungbauern, die es in dieser Breite bisher noch nicht gegeben hat. Deswegen würde ich Sie auch ersuchen, sich noch einmal zu überlegen, ob Sie nicht dieser Marktordnungsgesetz-Novelle doch auch zustim­men können.

Wir haben übrigens auch – und da bin ich auch froh darüber, dass es gelungen ist –, auch im Sinne einer fairen Verteilung, eine Obergrenze von 150 000 € für die Basis­prämie vorgesehen. Herr Bundesrat Dörfler, auch Sie möchte ich deswegen auffor­dern, dieser sehr fairen und gerechten Verteilung der Direktzahlung Ihre Zustimmung zu geben.


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Und damit komme ich zum letzten Punkt: Ein ganz wichtiger Beitrag – und das ist in dieser Marktordnungsgesetz-Novelle umgesetzt – für die Lösung der Almfutterflächen­problematik ist die Sanktionsfreistellung für die Aufzinser, für die Auftreiber. Das haben wir im § 8i vorgesehen. Und zwar rückwirkend über fünf Jahre werden Bauern, wenn Sie eine Erklärung abgeben, in der sie glaubhaft versichern, dass sie sich über die Erklärung und die festgestellte Fläche entsprechend erkundigt haben, dafür sanktions­frei gestellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist schon ein ganz massiver Beitrag für die Lösung im Zusammenhang mit der Almfutterflächenerfassung. Herr Bundesrat Dörfler, der Fall, den Sie vorhin ange­sprochen haben, der auch in den Zeitungen reflektiert wurde, ist meines Wissens einer von jenen, die von dieser §-8i-Regelung profitieren würden. Wenn Sie heute dagegen stimmen, dann stimmen Sie dagegen, dass dieser Bauer seine Sanktionen zurück­bezahlt bekommt. Das sollen Sie sich auch vor Augen führen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesrätin Grimling.)

Mit heutigem Tag überweist die AMA an die 4 Millionen € an Sanktionszahlungen zurück an die betroffenen Bäuerinnen und Bauern. Das ist ein erstes konkretes Ergeb­nis der Taskforce Alm, die ich eingerichtet habe, nämlich auf der Grundlage der Einzelfallbeurteilung einer entsprechenden Erklärung der Landwirtschaftskammern. Wenn die Bauern dieses Gutachten haben, dass sie nach bestem Wissen und Gewis­sen vorgegangen sind – etwa 10 000 solcher Erklärungen gibt es, und das wird von Fall zu Fall abgerechnet –, dann werden den Bauern ungerechtfertigte Strafzahlungen zurückbezahlt. Das wird nicht alles heute erfolgen, aber bis in den Herbst hinein. Und ich denke, mit der Schaffung von Rechtssicherheit, mit der Schaffung des neuen Systems ab nächstem Jahr und vor allem mit diesem § 8i für die Aufzinseralmen können wir mit Fug und Recht behaupten, dass wir die Almfutterflächenproblematik mit heutigem Tag gelöst haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Und gelöst haben das all jene Fraktionen, die heute dieser Marktordnungsgesetz-Novelle ihre Zustimmung geben.

Diese Marktordnungsgesetz-Novelle ist ein gutes Gesetz für die Bäuerinnen und Bauern in Österreich, für die Almbauern in Österreich, sie ist ein gutes Gesetz für den ländlichen Raum und damit auch ein gutes Gesetz für ein lebenswertes Österreich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.27.112. Punkt

EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2014 (III-514-BR/2014 d.B. sowie 9195/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 50

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.27.25

Berichterstatter Richard Wilhelm: Werter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Der Bericht des Umweltausschusses über die EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2014 liegt in schriftlicher Form vor.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.28.03

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Bundesminister, ein herzliches Dankeschön! Ich werde mir dann von der betroffenen Familie Mattl aus dem Lavanttal berichten lassen, wie schnell das geklappt hat. Ich werde mich auch bei Ihnen bedanken, wenn es geklappt hat – das gehört auch dazu –, aber messen werden wir Sie daran, dass die gesetzlichen Möglichkeiten, die Sie heute angekündigt haben, sich dann tatsächlich auch in die Realität entwickeln. Das ist das Entscheidende für die betroffenen Bauern. Und Sie geben damit auch durchaus zu, dass diese Almfutter­flächenproblematik überhaupt erst unter ÖVP-Verantwortung entstanden ist. Das heißt, Sie reparieren in Wahrheit Versäumnisse eines oder mehrerer Ihrer Vorgänger. Das muss ich dazu schon auch festhalten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Sie stimmen gegen Kleinbauern!)

Wir stimmen nicht gegen Kleinbauern, wir sind für Kleinbauern, Herr Kollege aus dem Vorarlberger Land! (Rufe bei der SPÖ: Zur Tagesordnung!) Gerade ein Vertreter, ein Mitglied des Plenums aus Vorarlberg, aus dem Alpenbereich, sollte in erster Linie dafür eintreten, dass die Millionärsbauernförderung umgeschichtet wird auf eine Klein­bauern­förderung. Die Ansätze sind teilweise richtig, sie werden aber erst nach der Übergangszeit auch voll wirksam sein. Ich verstehe das einfach nicht, dass man nicht in der Lage ist, eine Übergangszeit von ein, zwei Jahren zu schaffen. Nein, fünf Jahre lang kriegen die Reichen mehr und die Armen weniger! Das ist ein Faktum, um das können Sie sich nicht drücken. (Rufe bei der SPÖ: Zur Tagesordnung!)

Nun zur Tagesordnung, zur Jahresvorschau: Die steht für mich auch unter dem Schatten der Agenda, dass momentan die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen stattfinden. Das ist auch erstaunlich: Jetzt gibt es eine Aktion der größten österreichi­schen Tageszeitung, wo sich auf einmal alle Parteien einfinden und der Meinung sind, dass das Verhandeln dieses Freihandelsabkommens höchst brisant ist, dass wir von Chlorhühnern nichts wissen wollen, dass wir nicht Parmaschinken aus den USA wollen und, und, und, dass die europäische und heimische Landwirtschaft Schutz braucht. – Ich kann mich gut an die letzte Diskussion hier erinnern, wo mir auch vorgeworfen wurde, dass ich da auf dem falschen Dampfer unterwegs sei, weil wir gegen diese Geheimverhandlungen sind.

Faktum ist, dass das eine brisante Situation ist, und es darf einfach nicht dazu kom­men. Beim Chlorhuhn ist ja nicht das Problem, dass das Huhn in Chlor getaucht wird, sondern das Problem ist, dass man damit die Qualität der Massentierhaltung ein weiteres Mal nach unten drücken will. Massentierhaltung ist an und für sich schon eine Schande. Ein Tier ist ein Lebewesen! (Beifall bei der FPÖ.)

Jemand wie ich, der noch mit zwei Hausschweinen und einer „Goaß“, wie man auf Kärntnerisch sagt, aufgewachsen ist, der hat einen anderen Respekt vor der Kreatur. Massentierhaltung ist für mich ohnedies unerträglich, und sie ist noch unerträglicher, wenn man die Massentierhaltung noch einmal durch Eingriffe, durch Handelsabkom-


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men, die man unter Umständen schließt, so weit verschlechtert, dass man sich eigentlich dafür genieren muss, dass man das politisch überhaupt zulässt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den einzelnen Themenbereichen: Es gibt auch sehr viel Positives in diesem Strate­gie­bericht. Ich darf als Beispiel die Forststrategie nennen. Das ist ja sehr erfreulich, dass Österreich tatsächlich – das kann man sagen – Europameister, wenn nicht Weltmeister im Bereich der Forstwirtschaft ist. Wir haben hier einen hohen Standard. Da ist es so, dass die bäuerlichen Betriebe, aber auch die Forstbetriebe großartige Arbeit leisten, dass Nachhaltigkeit, wenn es um 100-prozentige Nachhaltigkeit geht, würde ich einmal meinen, im österreichischen Forstwesen wirklich vorhanden ist.

Die Verantwortung eines Bauern oder eines Forstbetriebes wird ernst genommen – bis hin zu der Tatsache, dass es eine Sägeindustrie gibt, die Exportweltmeister ist. Aber wir müssen auch festhalten, dass wir durch den Ausbau der Sägeindustrie natürlich ein großer Holzimporteur geworden sind.

Ich finde auch sehr erfreulich, Herr Minister, dass festgehalten wird, dass eine erwei­terte Kontrollfunktion der Europäischen Kommission in Bezug auf die Waldbewirt­schaftung abgelehnt wird. Es ist richtig, wir brauchen uns nicht kontrollieren zu lassen, sondern alle anderen Länder sollen sich den österreichischen Standards anpassen. Dann, würde ich meinen, kann Europa im Bereich der Forststrategie tatsächlich eine Nachhaltigkeitsstrategie, mit dem Vorbild Österreich, fahren.

Zum Thema Schulobstprogramm: Ich bin gestern nach unserer Enquete zum „BILLA“ in der Josefstädter Straße gegangen und habe mir zwei „Golden Delicious“ gekauft. Preis pro Kilo: 1,99 €. Du kriegst dort aber auch Äpfel um 2,99 €. Wenn ich das in Schilling umrechne (Ruf bei der SPÖ: Macht man nicht mehr!) – und damit komme ich auch zur Familiendiskussion, die wir heute geführt haben –, dann frage ich mich, wer sich ein Kilo Äpfel um aufgerundet etwa 50 Schilling leisten kann.

Das heißt, wir haben da zu hohe Endverbraucherpreise, die leider nicht beim bäuer­lichen Produzenten ankommen, das möchte ich festhalten! Der bekannte Schokola­deerzeuger Zotter stammt ja aus einem Obstanbaubetrieb, und Zotter senior hat den hochwertigen Obstanbau eingestellt, weil er gesagt hat, hochwertiges Obst zu erzeugen ist in Österreich praktisch bäuerlich-wirtschaftlicher Ruin. Erfreulicherweise hat Zotter junior mit Schokolade den Erfolgsweg eingeschlagen. – Faktum ist, dass wir hier einerseits Programme fahren müssen und öffentliches Geld dafür einsetzen müssen, dass ein Schulobstbewusstsein vorhanden ist, aber wenn andererseits die Äpfel 1,99 € oder 2,99 € kosten, dann frage ich mich schon, ob das nicht schön lang­sam teurer wird als eine importierte Banane. Es ist eben auch eine Sache des Preises, wenn Obst nicht mehr leistbar ist.

Zum Schulmilchprogramm ist zu sagen: Erfreulich, dass es das gibt, dass das Be­wusst­sein gesteigert wird!

Zur Bio-Verordnung: Da tue ich mich ein bisschen schwer. Ich bin ja leidenschaftlicher Bio-Selbstanbauer mit einem Hausgarten, und mit Freunden haben wir so eine Art Nachbarschaftskooperative mit Hausgärten. Aber ist es Bio, wenn ich Bio-Obst aus Spanien nach Österreich importiere, wenn ich an den Transit und seine Folgen denke? – Ich glaube, dass Bio auch den Anspruch an sich selbst stellen muss, dass es nicht nur um die Produktion geht, sondern auch um die Wege, die ein sogenanntes Bioprodukt nach sich zieht. Ich habe nichts davon, wenn ich aus Sizilien eine angebliche Bio-Orange mit rauchenden und stinkenden Lkw nach Österreich bringe und hier verteile. Da hört sich aus meiner Sicht Bio auf. Ich denke, dass wir im Umgang mit den biologischen Erzeugnissen jedenfalls auch die Vertriebswege und deren Folgen und deren Kosten und deren Verpackung mit einbeziehen müssen. Das ist für


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 52

mich eine notwendige und vertiefte Bio-Diskussion. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Ist schon recht Kollege Perhab, aber wir sind ja besser! – Faktum ist, wir sollten die Menschen nicht täuschen, wir sollten uns selbst nicht täuschen. Darum geht es mir, und ich will eben zuerst österreichische oder zentraleuropäische Produkte im Regal und nicht Bio-Kiwis aus Neuseeland, die ohnedies keine Bio-Kiwis sind.

Zum Milchsektor ist zu sagen, dass natürlich mit dem Milchquotenauslauf eine extreme Herausforderung auf die Bauern – wieder einmal auf den ländlichen Raum – zukommt, dass dadurch natürlich die Milchproduktion in den Berggebieten am meisten gefährdet ist, wie im Bericht auch festzuhalten ist, Herr Bundesminister. Es ist derzeit schon so, dass ja die ländlichen Molkereien – wenn ich an die „Kärntnermilch“ denke, die eine Genossenschaftsmolkerei ist – natürlich auch einen großen Nachteil haben, was die Kosten betrifft, die der Transport der Milch bis zur Produktionsstätte mit sich bringt.

Ich hoffe, dass es Maßnahmen geben wird, durch die dafür Sorge getragen wird, dass die Milchproduktion im ländlichen Bereich durch diese Veränderung der Milch­quoten­situation nicht nachhaltig beeinträchtigt wird. Ein Bauer im ländlichen Raum, der den Betrieb stilllegt, kommt nicht wieder. Das ist für uns eine Riesenherausforderung. Wir bezeichnen Urlaub am Bauernhof immer wieder auch als das ehrlichste Urlaubs­produkt, aber dieser wird nur stattfinden können, wenn es ein wirkliches ländliches, bäuerliches Leben gibt. Und da muss man den Entwicklungen natürlich auch ent­sprechend gegensteuern.

Was haben wir noch? – Da gibt es noch vieles: Reform des Europäischen Meeres- und Fischereifonds. Ich denke, da hat Österreich auch noch Chancen, das „Gold der Natur“, das Wasser, noch stärker zu veredeln, sodass in Österreich produzierte Fische in Österreich, aber auch als Exportartikel natürlich entsprechende Marktchancen haben. Ich halte nichts davon, dass irgendwelche Fischfarmen betrieben werden. Oder zuletzt hat es wieder die Diskussion darüber gegeben, dass irgendwo im Fernen Osten mit Zwangsarbeit Shrimps produziert werden. Das sind Importgüter, die wir nicht benötigen. Ich denke, dass die Bewirtschaftung der heimischen Gewässer, nicht nur, was die Energieerzeugung anlangt, sondern auch die Fischproduktion, durchaus noch ausbaufähig ist.

Zum Bereich Umwelt vielleicht ein Thema, das interessant ist: Saubere Luft für Europa. Ja, Österreich hat relativ gute Luft, wir haben aber natürlich einen Import von Schad­stoffen. Grenzen sind nicht schließbar, was das Incoming von Luftschadstoffen an­langt, aber wir produzieren natürlich auch selbst entsprechende Luftschadstoffe.

Herr Bundesminister, es gibt jetzt eine neue Entwicklung. Österreich setzt auf den Bahnausbau. Wenn ich an die Brennerachse denke, wenn ich an die Südachse denke, wenn ich an die Westbahn denke, dass es hier eine gute Konkurrenzierung auf dem Markt gibt, die dem Markt gutgetan hat, dann sind wir da sicher gut unterwegs. Mir fehlt aber eine wirklich massive E-Automobilitäts-Förderaktion. Ich denke, dass wir hier als attraktives Umweltland noch einiges zu tun haben. Wir haben jetzt die großen Produzenten vor der Haustüre: BMW, VW und andere produzieren schon sehr attraktive Elektrofahrzeuge.

Ich glaube, es wäre wichtig, dass wir uns auch im Bereich der Forschung und Ent­wicklung – ich nenne nur Infineon, Bosch Mahle und andere –, aber auch im Bereich der Umstellung der Stadtfuhrparks entsprechend positionieren müssen. Als Zweitauto zum Beispiel ein Elektroauto zu haben, das muss auch entsprechend thematisiert werden, es müssen die notwendigen Infrastrukturen noch ausgebaut werden. Ich denke aber, dass es auch unterstützende Förderanreize braucht, um unsere Luft durch E-Mobilität zu verbessern.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 53

Vieles ist also zu tun, vieles wurde getan, aber es gibt auch viele Herausforderungen und Fragezeichen. Wir sehen diesen Bericht auf der einen Seite äußerst positiv, aber auf der anderen Seite durchaus kritisch und mit vielen Fragen, die zu klären sind. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Die Überschrift über allem sind für mich momentan die Verhandlungen über dieses TTIP-Freihandelsabkommen, und es darf nicht sein, dass dabei Europa und besonders Österreich der Verlierer ist. Deshalb sehen wir diesen Bericht äußerst kritisch und werden ihm die Zustimmung nicht er­teilen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.39.22

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Ich darf auch auf die EU-Vorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirt­schaft eingehen. Es sind zwei große Themenblöcke: zum einen die Vorschau im Bereich der Landwirtschaft und zum anderen die Vorschau im Bereich des Sektors Umwelt.

Kollege Dörfler hat sich sehr intensiv mit dem Bereich der Landwirtschaft beschäftigt. Dafür bin ich ihm als Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses auch entsprechend dankbar.

Es geht um viele Maßnahmen, zum Beispiel Absatzförderungen in der Landwirtschaft im Allgemeinen. Die Schulmilch wurde angesprochen, das Schulobst wurde ange­sprochen.

Das Auslaufen der Milchquoten ist sicher eine der größten Herausforderungen, die auf die Milchbauern zukommen werden, weil viele und vor allem jene Betriebe, die investiert haben, jene Betriebe, die auf die Milchwirtschaft gesetzt haben, sehr viel Geld für die Quoten ausgegeben haben, Geld, das mit dem Auslaufen der Milchquoten seinen Wert verloren hat. Das bringt aber auf der anderen Seite wieder den Vorteil, dass junge Landwirte expandieren können, ohne mit zusätzlichen Quotenkosten belastet zu sein. Es wird vor allem die österreichische Milchwirtschaft gefordert sein, da ein System zu entwickeln, das eine „Absatzgarantie“ – unter Anführungszeichen –, eine Absatzsicherheit für die Milchproduzenten gewährleisten kann.

Was auch ein wesentliches Thema ist, ist jenes der regionalen landwirtschaftlichen Produktion. Es wird in dieser Vorschau angesprochen, dass regionale Produkte, regional produzierte Lebensmittel besonders gekennzeichnet werden sollen, um dem Konsumenten auch die Möglichkeit zu geben, zu wissen, wenn er seine Lebensmittel einkauft, wo diese herkommen und wo – und damit auch wie – sie produziert wurden.

Ein weiteres Thema ist der Bereich Pflanzenschutz, weil Pflanzenschutz etwas sehr Sensibles in unserer Gesellschaft ist, dabei aber etwas, was durchaus notwendig ist, wenn Pflanzen, wenn Bestände gesund erhalten werden sollen. Das ist nicht etwas, wo man in Österreich prophylaktisch quer drüber behandelt, sondern nach Anlass – medi­kamentiv, würde man sagen. Wenn es notwendig ist, dann wird ein Medikament, ein Pflanzenschutzmittel entsprechend eingesetzt. Auch da gilt es, Ungleichheiten im Bereich der Registrierung, der Anerkennung zu beseitigen.

Was auch ein großes Thema ist, ist jenes der EU-Bio-Verordnung. Es soll eine EU-Bio-Verordnung auf den Weg gebracht werden. Wir haben uns im EU-Ausschuss des Bundesrates mit diesem Verordnungsentwurf auch sehr intensiv beschäftigt, weil die Intention, nämlich das europaweit einfacher beziehungsweise vergleichbarer zu gestal-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 54

ten, gut ist, aber für die österreichischen Biobauern da einige Themen beinhaltet sind, die wir so nicht haben wollen.

Für uns ist ein Neueinstieg in den Biolandbau etwas, das besser ermöglicht werden soll, als es die EU-Bio-Verordnung so vorsieht, weil in einer kleinstrukturierten Land­wirtschaft manchmal Ausnahmeregelungen notwendig sind, weil Rückstandskontrollen, wie sie die EU-Bio-Verordnung fordert, im österreichischen System schwierig nachvoll­ziehbar sind, weil hier kleinstrukturierte Flächen vielleicht auch Abdriften von Nach­bargrundstücken beinhalten und da eine praktikable und den Biolandbau fordernde und fördernde Lösung herbeigeführt werden soll. In diesem Sinne hat sich auch der EU-Ausschuss des Bundesrates mit einer begründeten Stellungnahme zu Wort gemeldet.

Es wurde aber auch betreffend den Bereich der Umwelt beziehungsweise im Bereich der Vorschau im Umweltsegment sehr vieles angesprochen, sei es der Klimawandel, sei es der Energierahmen, sei es auch das Thema Nuklearenergie, das dort behandelt wird und wo aus österreichischer Sicht die Fortsetzung der Stresstests – die Fortset­zung und vor allem die Umsetzung der Ergebnisse, die diese Stresstests bei den Kraftwerken gebracht haben – auch entsprechend vorangetrieben werden soll. Wir wissen, wir in Österreich haben eine klare Position zur Nuklearenergie und wollen natürlich die Sicherheit der noch bestehenden Kraftwerke zumindest gewährleisten.

Es gibt auch das Thema „Ressourcenschonendes Europa“, wo auch die Materie – das zu behandeln ist für mich sehr interessant – der Biokraftstoffe beinhaltet ist, weil Biokraftstoffe ein Segment sind, das in der Gesellschaft gleichfalls sehr differenziert diskutiert wird, bieten sie doch die Chance für die Umwelt, umweltgerechte Treibstoffe aus heimischer, aus agrarischer Produktion zu erhalten, ohne damit in Konkurrenz zum Lebensmittelmarkt und zu den Lebensmitteln zu treten. Da gibt es für die Land­wirtschaft und für die Umwelt Chancen, die entsprechend genützt werden müssen. Vom „Abfall- und Recycling-Paket“ über die „Donaustrategie“ bis zur „Alpenraum­strategie“ ist in dieser EU-Vorschau vieles enthalten, viele positive Ansätze, die es auch entsprechend umzusetzen gilt.

Wir werden diesen Bericht und diese Vorschau entsprechend zur Kenntnis nehmen, wenn auch einige Dinge kritisch zu sehen sind. Es hilft nichts, wenn man etwas fordert und verlangt, wenn wir sagen, Herr Kollege, wir müssen Kleinbauern fördern, aber einer Regelung, wie der Herr Minister sie vorgestellt hat, die ihnen helfen würde, nicht zustimmen. Das finde ich eigentlich nicht fair. Wir nehmen diese Vorschau zur Kennt­nis. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Taucher. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.45.26

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte betreffend diese EU-Jahresvorschau, die wir jetzt erst, sozusagen nach dem ersten Halb­jahr 2014, diskutieren, auf ein paar mir wesentlich erscheinende Punkte eingehen. Schulmilch, Schulobst ist schon diskutiert worden, ich finde es trotzdem kurz erwäh­nens­wert, dass das ein wichtiger Beitrag zu den Ernährungsgewohnheiten unserer Kinder ist und im Prinzip auch ein Beitrag zur gesunden Jause.

Was mich beschäftigt hat, war, dass es in dieser Förderperiode diese europäischen Innovationspartnerschaften gibt, wo man versucht, Produktivität und Nachhaltigkeit zusammenzubringen, das auch in der Landwirtschaft zu fördern. Da sollen neue Partnerschaften zwischen Landwirten, Wissenschaftlern und BeraterInnen anderer


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 55

Akteure entstehen, Innovationszyklen entstehen und Brücken geschlagen werden. Leider ist mir die Ausführung in dieser Vorschau etwas zu kurz gekommen, und ich würde gerne, weil Sie, Herr Minister, dann ohnehin dazu sprechen, hier sozusagen die Frage anhängen, ob Sie erläutern können, was da die Ziele sind oder welche Ideen oder welche Programme hier angedacht sind. Was soll da entstehen aus dieser Nachhaltigkeit und Produktivität?

Zum Bereich „Integrierte Meerespolitik“. – Es ist unüblich für einen Österreicher, wo wir doch nicht am Meer liegen, sich damit zu beschäftigen, aber wenn man sozusagen das Weltklima betrachtet, sind unsere Meere selbstverständlich hochwirksam und wichtig für das Klima, wichtig überhaupt für den Wasserhaushalt, für die Ernährung, für die Meeresbiologie.

Hier ist es mir etwas eigenwillig erschienen, dass man bei dieser maritimen Raum­ordnung von einer nachhaltigen Strategie, von einem nachhaltigen Wachstum spricht. Ich glaube, wir haben den Zeitpunkt schon längst versäumt, die Meere nachhaltig zu bewirtschaften, denn wir haben sie ausgefischt, wir haben sie vergiftet, verschmutzt, die Meeresbiologie zerstört. Wenn man nur daran denkt, wie viel Plastik in ihnen schwimmt, wie viele Küstenregionen wir schon verbaut haben, wo nichts mehr möglich ist an Biodiversität, dann ist, glaube ich, Nachhaltigkeit der falsche Begriff. Vielleicht sollten wir stattdessen von „Eindämmung von Folgeschäden“ reden, vielleicht wäre „Resilienz“ ein guter Begriff, wenn wir fragen: Wie gehen wir mit Krisen um? Wie können wir das handlen, wenn der Meeresspiegel steigt? Wie können wir die Über­fischung handlen? Wie können wir das viele Plastik im Meer handlen?

Abgesehen von dieser Wortspielerei – ich will mich darauf nicht weiter versteifen – ist es selbstverständlich ein absolut wichtiges Ziel und eine unabdingbare Aufgabe, in den Küstenregionen und im maritimen Bereich etwas zu tun und eine Strategie und eine Ordnung – so etwas wie eine Raumordnung – zu schaffen.

Ich möchte noch auf die EU SDS, also auf die europäische Nachhaltigkeitsstrategie, eingehen. Es war ja eine Zeit lang in Diskussion, ob diese Strategie überhaupt weitergeführt wird. Ich habe diese Diskussion mit etwas Sorge verfolgt, jetzt ist klar, die EU SDS, also die Sustainable Development Strategy, fließt ein in die EU-2020-Ziele, und die EU-2020-Ziele werden im Prinzip auch zur neuen Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union.

Wesentlich in diesem Zusammenhang ist für mich, dass sich die Europäische Union auch weiterentwickelt eben von einer Wirtschaftsunion zu einer sozialen Union und auch auf die Sorgen und die Bedürfnisse der Menschen reagiert, wo wir eine so hohe Arbeitslosigkeit haben, wo wir wirklich dringend zu lösende Probleme haben in den Bereichen demografischer Wandel, Bildung, Umwelt, dass sie sich da auch weiter­entwickelt, auf diese Themen eingeht. Und natürlich, wenn sie eine soziale Union ist, braucht der Mensch natürliche Lebensgrundlagen, also muss sie auch eine ökologi­sche Union werden und da sozusagen ... (Bundesrat Preineder: Ökosozial!) – Ja, warte nur, ich werde das schon ausführen, selbstverständlich, lieber Kollege! Die Zusam­menfassung dessen ist natürlich eine ökosoziale Marktwirtschaft und eine ökosoziale Europäische Union, wie es auch in ihrem Grundsatzprogramm geschrieben steht.

Ich glaube, das ist der richtige Weg: dass wir diese drei Säulen der Nachhaltigkeit in einen ordentlichen Einklang bringen. Das braucht es auch auf europäischer Ebene, denn das schaffen wir wahrscheinlich als Land alleine nicht mehr.

Wir haben es gestern in der Enquete zum Thema Föderalismus und Bundesrat auch diskutiert: Wir können das, glaube ich, nur schaffen, wenn wir es einerseits vor Ort tun, in den Regionen, in den Ländern, in der Biolandwirtschaft, in der Förderung von klein-


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bäuerlichen Strukturen tun und sozusagen in supranationalen Strukturen, in über­geordneten Strukturen. Als Österreich alleine werden wir uns im globalen Markt nicht durchsetzen, und deswegen brauchen wir die EU. Und die EU – ich habe es betreffend TTIP schon gesagt – muss das Selbstbewusstsein aufbringen und sozusagen unsere Werte der ökosozialen Marktwirtschaft in die Welt exportieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Betreffend die Diskussion ums Chlorhuhn: Wenn die „Kronen Zeitung“ – ich weiß (in Richtung FPÖ), Sie schneiden immer gerne Zeitungsartikel aus – einmal auf einem Thema drauf ist, bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich dann auch draufbleiben soll, denn das wird so populistisch.

Es geht ja hier wohl um ganz andere Inhalte: Es geht um Arbeitsmarktpolitik, es geht darum, die Arbeitsrechte zu exportieren (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) und nicht andere zu importieren, und es geht darum, unsere Umwelt­standards und Lebensstandards zu exportieren. Dann erst können wir ein ordentliches Abkommen abschließen.

Ein weiterer Punkt (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – ja, ja, Sie schreien immer hinein, Frau Mühlwerth, ich weiß schon, aber das hört man im Fernsehen nicht; vergessen Sie das! –: Rio+20: Die große Konferenz von Rio hat uns ja sozusagen das Thema der Nachhaltigkeit auf die Tagesordnung gebracht, hinunterdekliniert bis in die Städte und Gemeinden. Leider ist bei dieser letzten Konferenz, muss ich sagen, nicht sehr viel weitergegangen, aber die Europäische Union hat sich dazu verpflichtet, gemeinsam mit der UNO das Programm weiterzuentwickeln, mit der Post-2015 Agenda Nachhaltigkeitsziele für Europa zu entwickeln, wo sozusagen auch die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO nach 2015 weiterverarbeitet werden. Dabei geht es auch um Armutsbekämpfung in der Welt – ebenfalls eine Säule einer nachhaltigen Entwicklung, denn das wirkt sich ja wieder auf Flüchtlingsströme aus, auf Ressourcenströme, und so weiter und so fort.

Abschließend möchte ich sagen, dass diese Jahresvorschau in vielen Bereichen sehr flächendeckend ist. Es sind die Ressourcen angesprochen, Energie, Umwelt, nach­haltiges Wachstum, und da möchte ich im Speziellen eine Initiative des Ministeriums, das sich jetzt Ministerium für ein lebenswertes Österreich nennt, hervorheben, weil nämlich da auch endlich diskutiert wird, wie Wachstum aussehen soll. Ich glaube nämlich, wenn man von einer ökosozialen Marktwirtschaft spricht, dann muss man das Thema Wachstum diskutieren, und zwar nicht nur im Hinblick auf das BIP, also auf das Bruttoinlandsprodukt, sondern man muss andere Indikatoren, wie Lebensqualität, Zufriedenheit, Glück, qualitatives Wachstum, in die Diskussion einführen.

Da war das Ministerium schon 2010 mit einem Best-Practice-Projekt „Wachstum im Wandel“ Vorreiter. Das war ein Best-Practice-Projekt der österreichischen Nachhaltig­keitsstrategie, die die Länder gemeinsam mit dem Bund machen, und dafür herzlichen Dank und Gratulation. Dieses Projekt sollte weitergeführt werden im Sinne von neuen Zugängen zu diesem Wachstum und neuen Zugängen zum Markt. Herzlichen Dank! – Wir werden diesen Bericht positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.54.54

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause! Wir besprechen heute die EU Jahresvorschau 2014 des Umweltminis­te-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 57

riums. Dem Bericht an sich werden wir sehr gerne zustimmen beziehungsweise wer­den wir diesen zur Kenntnis nehmen. Vielen Dank an die MitarbeiterInnen des Minis­teriums!

Tja, aber was soll ich dazu sagen? – Der Bericht ist auf Basis des Arbeitsprogramms der griechischen Ratspräsidentschaft erstellt worden. Die griechische Ratspräsident­schaft endet Ende Juni, also in vier Tagen. Es ist wirklich ziemlich ärgerlich, dass wir einen Bericht, der wie vorgeschrieben Ende Jänner fertig war, bereits im Februar im Nationalrat war, jetzt, vier Tage vor Ende der Grundlage dieses Berichts, im Bundesrat behandeln. Künftig möchte ich wirklich, dass die Behandlung von solchen Berichten im Jänner oder Februar oder so früh wie möglich stattfindet (Zwischenruf des Bundesrates Pum), und nicht, wenn alles ohnehin schon fast vorbei ist.

Inhaltlich sind die Positionen der EU sehr übersichtlich zusammengefasst, etwas ganz Wesentliches fehlt jedoch fast im gesamten Bericht, nämlich die österreichische Position zu den Punkten. Im Bundes-Verfassungsgesetz steht im Artikel 23f, dass jeder Bundesminister/jede Bundesministerin zu Beginn jedes Jahres über die erwarteten Vorhaben des Rates und der Kommission an den Nationalrat und an den Bundesrat zu berichten hat „sowie über die voraussichtliche österreichische Position zu diesen Vorhaben“ – was ja der viel spannendere Teil wäre. Genau das würden wir gern im nächsten Bericht mehr berücksichtigt sehen.

Im Bericht selbst wird Landwirtschaft und Umwelt gemeinsam behandelt, ich möchte hier jetzt vor allem ein bisschen auf die Umweltpunkte im Bericht eingehen – wobei wir auch schon wieder bei dem Problem wären, dass das beim Klima- und Energie­rahmen 2030 zeitlich ein bisschen weit auseinanderklafft, denn der Bericht selbst ist offenbar vor der Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge fertiggestellt worden und kommentiert diese daher auch nicht. Ja, das ist ein bisschen schade.

Es fehlt auch eine Beschreibung der österreichischen Position dazu in diesem Bericht – vielleicht auch deshalb, weil Österreich immer noch keine einheitliche Position hat. Sie, Herr Minister, haben gemeint, dass Sie in Ihrer Funktion natürlich für ambitionierte Ziele sind. Das ist sehr schön, wir brauchen aber ein sehr deutliches Signal der gesamten Bundesregierung in Richtung ambitionierte EU-Klima- und –Energie­ziele für 2030, also auch vom Wirtschaftsminister und auch vom Kanzler. Es geht dabei sowohl um die Höhe der Ziele als auch darum, dass es gesonderte Ziele für Treibhausgasreduktion, für den Anteil Erneuerbarer sowie für Energieeffizienz gibt.

Es ist für uns auch überhaupt nicht ersichtlich, für welche konkreten Ziele sich die Bun­desregierung in den Verhandlungen zum Klima- und Energierahmen einsetzt. Vielleicht können Sie mich da noch ein bisschen zusätzlich aufklären.

Aus aktuellem Grund möchte ich auch auf das Programm „Saubere Luft für Europa“ eingehen. Das Programm stellt Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in der EU vor, weil Luftverschmutzung vor allem in den Ballungsräumen enorme Auswirkun­gen auf die EU-BürgerInnen hat.

Ich habe es gar nicht glauben können, als ich den Bericht gelesen habe, wie hoch die Gesundheitskosten sind. Es gibt EU-weit rund 400 000 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung. Die Gesundheitskosten und -ausgaben rein im Zusammen­hang mit der Luftverschmutzung werden pro Jahr EU-weit auf unglaubliche 330 bis 940 Milliarden geschätzt. Ich habe wirklich noch einmal nachlesen müssen, ob da irgendwie im Bericht etwas falsch steht, aber es stimmt so, und das sind einfach gigantische Ausgaben.

Umso mehr wundert es mich auch, dass im Bericht steht, Österreich begrüßt das Programm grundsätzlich, aber es stellt eine Herausforderung für Österreich dar. – Vor


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 58

zwei Wochen sind Sie, Herr Minister, beim Rat der Umweltminister in Luxemburg gewesen. Wir haben uns den Bericht zur Debatte über den Kommissionsvorschlag zur Änderung der NEC-Richtlinie, also der Richtlinie über die nationalen Emissions­höchst­grenzen, einmal angesehen. Ein Teil des Änderungsvorschlages der Kommission sieht vor, dass die NEC-Richtlinie um zusätzliche Schadstoffe erweitert wird, unter anderem um Methan, weil Methan einfach ein sehr, sehr aggressives Klimagas ist. Das bezieht sich zwar jetzt nicht auf die Luftqualität für den Menschen, hat aber extreme Auswirkungen auf das Klima. (Vizepräsidentin Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Laut Protokoll der Ratssitzung spricht sich Österreich gegen die Aufnahme von Methan aus. Wir haben jetzt im Ausschuss erfahren, die Begründung ist, dass Methan im Energie­sektor sein sollte. Dadurch, dass aber durch die Umweltfolgen von Methangas der Umweltbereich so extrem betroffen ist, finden wir, dass das auf alle Fälle im Umweltbereich drin sein sollte.

Einige Mitgliedstaaten haben bei dieser Konferenz auch die von der Kommission vorgeschlagenen Reduktionsziele als zu ehrgeizig kritisiert, darunter auch Österreich – also explizit Frankreich, Italien und Österreich –, nämlich mit der Begründung, dass auch weiterführende Analysen für das tatsächlich Machbare erforderlich wären, wes­halb eine neue Modellierung unter Einbeziehung der Zusatzinformationen erforderlich sei.

Ich bin mir nicht sicher, was mit dem „tatsächlich Machbaren“ hier gemeint ist, denn der von der Kommission vorgeschlagene Zielpfad für die Reduktion von Luftschadstoffen liegt ohnehin weit unter dem, was technisch wirklich machbar ist. Also von ambitioniert sind die Ziele EU-weit schon relativ weit entfernt, und ich glaube nicht, dass wir in Österreich noch ein bisschen darunter gehen müssen.

Ich bin bei diesem Thema ziemlich emotional, aber als Tiroler Bundesrätin habe ich in dieser Woche einfach schon sehr, sehr viel von Luftschadstoffen gehört. Die Tiroler Landesregierung hat nämlich diese Woche ein Luftgütepaket vorgelegt, das zum Beispiel Tempo 100 auf Tirols Autobahnen vorsieht, um das sektorale Fahrverbot um­setzen zu können und so 200 000 Lkw pro Jahr von der Straße auf die Schiene umzuleiten und die Tiroler Luftgüte mit dem Maßnahmenbündel enorm zu verbessern.

Das ist auch eine Herausforderung. Herausforderungen muss man sich halt, insbe­sondere dann, wenn es um wichtige Maßnahmen für die Gesundheit der Bevölkerung geht, stellen, auch wenn sie manchmal ein bisschen unangenehm sind.

Einen Punkt habe ich mir noch herausgepickt, nämlich die Biokraftstoffe und die iLUC, die indirekte Landnutzungsänderung. Im Bericht steht noch keine österreichische Position dazu, da der Bericht, wie schon gesagt, ein bisschen länger abgehandelt worden ist. Es geht dabei um den Ausbau und die verpflichtende Beibehaltung von Biokraftstoffen, und es gibt diesbezüglich noch keine Einigkeit mit den Kommissions­vorschlägen. Auch der Kompromiss des Energierates wird noch immer weiter ver­handelt, eine Lösung ist da noch relativ lange nicht in Sicht.

Wir Grüne stehen der Beibehaltung der Biokraftstoffverpflichtung ablehnend gegen­über. Ihr Vorgänger, Herr Minister, hat sich immer als Verfechter der Biospritindustrie präsentiert und hat alle von uns und von unabhängigen Studien aufgezeigten Umwelt- und Klimaargumente vom Tisch gewischt.

Wir haben jetzt im Ausschuss erfahren, dass auch von Ihnen daran festgehalten wird, dass der sogenannte Biosprit – wir nennen ihn ja „Agrosprit“ – weiterhin in Österreich umgesetzt wird. Ich hoffe, dass wir mit unseren Argumenten in Zukunft überzeugen können, dass wir davon abkommen.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 59

Sie sehen, Herr Minister, ich habe Fragen über Fragen, und daher freue ich mich schon sehr darauf, dass im Bericht 2015 die österreichische Position zu den Punkten schon immer mit berichtet wird, sodass das aus dem Bericht auch schon hervorgeht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Novak. Ich erteile es ihm.

12.02.47

 


Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Werte Frau Präsidentin! Wertes Prä­sidium! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schüler, die ihr vor Kurzem hier in den Sitzungssaal hereingekommen seid, um dieser Bundesrats­sitzung beizuwohnen! Wenn man Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde ist, und zwar Bürgermeister in Mallnitz in Kärnten, dann muss man gezwungenermaßen über diese Themen reden, natürlich auch über das Thema Umwelt.

Frau Kollegin, das, was Sie gesagt haben, stimmt nicht ganz. Wir haben in den vergangenen Sitzungen immer wieder über das Klima gesprochen, wir haben über verschiedene Umweltthemen geredet. Das, was in diesem Bericht steht, ist also nicht neu, sondern im Grunde genommen wissen wir es schon seit längerer Zeit. Heute kommt es halt zur Kenntnisnahme.

Ich nehme mir drei Themen heraus, auf die ich eingehen werde. Zum einen das Thema Klimawandel. Sie selbst haben das ja auch schon angesprochen. Dieses Thema wird sehr großflächig abgehandelt.

Von 11. bis 22. November 2013 hat die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Warschau getagt. Die Beschlüsse, die dort gefasst wurden – es wurden einige Grund­sätze beschlossen; das wurde immer wieder verschoben, Tag für Tag, schließlich ist es doch zu einer Beschlussfassung gekommen, um die Konferenz nicht völlig ergeb­nislos zu beenden, denn sie drohte zu scheitern –, sind auch meiner Meinung nach nicht zufriedenstellend, aber das werden wir in Österreich leider Gottes nicht lösen können. Viele andere Staaten müssen viele Dinge erledigen, ihre Situation ist weit schlechter als unsere.

Auch mir fehlt der Glaube, was die Klimakonferenzen anlangt, aber es ist die Hoffnung da, dass es wieder zu konkreten Verhandlungen kommt. Es bedarf großer Anstren­gungen in diesem Sektor, noch gewaltiger Schritte, damit wir dorthin kommen, wohin wir wollen.

Zur sauberen Luft in Europa: Die Europäische Kommission hat im Dezember 2013 das neue Programm „Saubere Luft für Europa“ präsentiert. Dieses basiert auf den Ergeb­nissen einer sehr genauen Studie der EU zur Luftqualität, die Anfang 2011 eingeleitet wurde. In der EU ist die schlechte Luftqualität Hauptursache umweltbedingter vorzei­tiger Todesfälle.

Sie haben es schon erwähnt und auch für mich war es erschreckend, als ich gelesen habe – das ist wirklich kaum zu glauben –, dass die Zahl der Todesopfer aufgrund der schlechten Luftqualität größer ist als die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr. Die Luftverschmutzung wirkt sich somit massiv auf die Lebensqualität aus. Die Höhe der gesamten externen Gesundheitskosten, die die Gesellschaft durch die Luftverschmut­zung in Europa zu zahlen hat, wird auf bis zu 940 Milliarden € geschätzt.

Das Programm „Saubere Luft für Europa“ setzt Maßnahmen zur Senkung der Luftver­schmutzung, mit dem Schwerpunkt auf der Verbesserung der Luftqualität in Städten.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 60

Wenn ich im Fernsehen sehe, welche Städte für den Verkehr gesperrt worden sind, zum Beispiel in China, dann muss ich sagen, wir leben ja wirklich noch in einem Paradies. Ich sowieso im Nationalpark, keine Frage. (Heiterkeit.) Aber wenn man das sieht, wird einem wirklich übel und man beginnt nachzudenken, was da eigentlich pas­siert. Es wundert mich nicht, dass dort sehr viele Menschen unter der Luftver­schmut­zung leiden und in weiterer Folge auch dadurch zu Tode kommen.

Langfristiges Ziel ist es, bis 2030 die Luftqualitätsrichtwerte der Weltgesundheits­organisation in der gesamten EU zu erreichen.

Zum Thema Wasser: Das ist ein Lieblingsthema von mir, und zwar insofern, als man bei uns – das ist auch bei vielen von Ihnen so – das Wasser aus dem Bach trinken kann, weil es so rein ist. Das Wasser ist unser Lebenselixier. Noch kürzer gesagt: Das Wasser ist Leben!

Wir haben vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit Swarovski bei uns im Natio­nalpark die Wasserschule gegründet. Und diese Wasserschule wird nicht nur regional, sondern auch überregional und jetzt auch international durchgeführt, da sie sehr erfolgreich ist. Das heißt, die Ressource Wasser wird vorgestellt. Es wird inter­aktiv mit Wasser gearbeitet. Kinder, beginnend mit dem Kindergartenalter, Jugendliche bis hin zu Erwachsenen können in dieser Wasserschule lernen, wie man mit Wasser umgehen sollte. Diese Wasserschule ist nicht nur erfolgreich, sondern sehr, sehr erfolgreich.

Ich denke, das ist auch der richtige Weg in die richtige Richtung, denn der von der Europäischen Kommission am 14. November 2012 verabschiedete „Blueprint für den Schutz der europäischen Wasserressourcen“ bildet für die nächsten Jahre die Grundlage für die Wasserpolitik auf EU-Ebene.

Wie schon gesagt, die Bedeutung von Wasser als lebenswichtige Ressource kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wasser ist ein unverzichtbares Lebenselixier für uns Menschen, für Natur und Wirtschaft, das jedoch nur in begrenztem Maße nutzbar ist. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass nur 2 Prozent des Wassers auf unserer Erde – nur 2 Prozent des Wassers! – Süßwasser sind. Prognosen sprechen davon, dass im Jahr 2030 weltweit schätzungsweise um ein Drittel weniger Wasser zur Verfügung stehen wird. Das heißt, wir werden 2030 einen akuten Wassermangel haben.

Wir wissen, schon jetzt leiden 26 Staaten weltweit unter Wassermangel oder unter Wasserknappheit.

Ziel dieses Blueprints ist es, der EU und den Mitgliedstaaten Richtlinien zur Verfügung zu stellen, die gewährleisten, dass alle Aktivitäten, die Auswirkungen auf das Wasser haben, dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprechen und dass die Verfügbarkeit von Wasser in guter Qualität und gerechter Nutzung sichergestellt wird.

Abschließend: Der Blueprint gibt einen genauen Überblick über die Zielsetzung und den Entwicklungspfad für die europäische Wasserpolitik. Ob sie realisierbar sind, hängt allerdings vom politischen Willen und von der Entschlossenheit der Interessenträger in den kommenden Jahren ab.

Ein bekannter Dichter und Philosoph hat gesagt: „Dieses Jahrhundert“ – dieses Jahrhundert – „wird das Jahrhundert des Wassers sein: wer es hat, wird reich, wer es vergeudet ein Dummkopf und wer es verschmutzt ein Verbrecher sein.“

Das heißt, die nachhaltige Nutzung der begrenzten Ressource Wasser ist lediglich dann gegeben, wenn man von den Süßwasservorräten nur so viel entnimmt, wie durch Niederschläge wieder aufgefüllt wird.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 61

Heute in der Früh habe ich in der „Kronen Zeitung“ gelesen – das wird immer wieder in den Medien kolportiert –, dass angeblich Spitzen der EU schon wieder darüber ver­handeln – das soll eines der Verhandlungsthemen mit den Amerikanern sein –, wie man das Wasser privatisieren kann. Dazu kann es von unserer Seite im Grunde genommen nur ein klares Nein und ein „Hände weg von unserem Wasser!“ geben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Rupprechter. – Bitte.

 


12.10.56

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zur Debatte steht die EU-Jahresvorschau für mein Ressort für das Jahr 2014. Mein Ressort hat diesen Bericht mit der Vorschau fristgerecht im Jänner dem Hohen Haus zugeleitet. Dass die Debatte erst Mitte des Jahres, Ende Juni, stattfindet, das finde ich so wie Sie bedauerlich, aber das liegt außerhalb meines Einflussbereiches. Das möchte ich hier deutlich sagen.

Ich habe in der Zwischenzeit bereits sechs Tagungen des Rates Landwirtschaft absolviert, Landwirtschaft und Fischerei, zwei Tagungen des Umweltministerrates und eine informelle Tagung des Rates. Also ich bin in dieser Zeit auf EU-Ebene nicht untätig gewesen. Und ich kann Ihnen berichten – ich glaube, gerade für den Bundesrat ist das eine wichtige Information –, ich habe eine Innovation im Zusammenhang mit und im Sinne der Multilevel Governance eingeleitet, nämlich die Länderebene in die Entscheidungsfindung entsprechend einbezogen.

Ich habe die Landesagrarreferentenkonferenz und die Landesumweltreferenten­konfe­renz eingeladen, jeweils einen Abgesandten, einen Delegierten, optimalerweise den Vorsitzenden oder die Vorsitzende der Landesagrarreferenten- und -umweltreferen­tenkonferenz, als Mitglied in meiner Delegation zu nominieren, sozusagen als meinen Vertreter in der Delegation, um so die Bundesländerebene im Sinne der Multilevel Governance in die Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene einzubeziehen. Das ist eine Innovation insbesondere im Sinne der Bundesländer, die aus meiner Sicht sehr begrüßenswert ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.) – Vielen Dank.

Die Bundesländer haben die Einladung angenommen, und so war auch jeweils der Vorsitzende der Landesagrarreferentenkonferenz, Andreas Liegenfeld, beziehungs­weise ein Vertreter von ihm, Erich Schwärzler, bei den Tagungen des Rates Land­wirtschaft anwesend. Und es war zweimal bei den Tagungen des Rates Umwelt als Delegierte, als Vertreterin der Landesumweltreferentenkonferenz Ihre Parteivor­sit­zende Landeshauptmann-Stellvertreterin Felipe dabei. So gesehen ist dieses Modell, denke ich, durchaus parteiübergreifend und im Sinne der Multilevel Governance ein Vorzeigemodell, das in der Zwischenzeit auch in anderen Mitgliedstaaten geprüft beziehungsweise umgesetzt wird.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen – Sie, Frau Bundesrätin, haben vorhin die Frage der NEC-Richtlinie angesprochen –, Frau Felipe war mit am Verhandlungstisch, und wir haben die Position beispielsweise in der Landesumweltreferentenkonferenz vor etwa drei Wochen im Burgenland zu allen Punkten, die bei der Tagung des Rates Umwelt behandelt wurden, im Detail besprochen und akkordiert. So gesehen ist auch diese Einbindung erfolgreich gewesen, weshalb ich nicht ganz verstehe, dass ich jetzt von den Tiroler Grünen ganz besonders kritisiert werde. Aber das erklärt sich anderswo.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 62

Ich möchte auf die zwei Themenbereiche Landwirtschaft und Umwelt und auch auf die Fragen, die im Rahmen der Debatte aufgeworfen wurden, in der gebotenen Kürze eingehen.

Zum Thema Landwirtschaft haben wir die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik heute schon diskutiert, im Rahmen der Behandlung der Marktordnungsgesetznovelle, daher werde ich auf diese nicht eingehen. In diesem Zusammenhang war es vor allem auch wichtig, die delegierten Rechtsakte, ein neues Instrument auf der Grundlage des Lissabon-Vertrages, zeitgerecht umzusetzen. Da war die Kommission ein bisschen widerspenstig und hat versucht, das sage ich ganz offen, die Verhandlungen von Neuem aufzumachen. Es war daher notwendig, gemeinsam mit den Abgeordneten im Europäischen Parlament da der Kommission das politische Korrektiv zu geben, bis hierher und nicht weiter. Wir konnten rechtzeitig, im März, sicherstellen, dass die dele­gierten Rechtsakte im Sinne der Beschlussfassungen der Gemeinsamen Agrarpolitik auch tatsächlich eingehalten wurden.

Ich möchte insbesondere auf die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik in aller Kürze eingehen. Auf der Grundlage des umfassend eingeleiteten Stakeholder-Pro­zesses – bereits im Jahr 2012 wurde die Diskussion mit allen betroffenen Partnern, auch den Bundesländern, eingeleitet – konnte ich eine Einigung mit den Bundes­ländern finden, mit den Landesagrarreferenten, nämlich am 22. März, und auf dieser Grundlage ein ländliches Entwicklungspaket auf der Grundlage der Partnerschafts­vereinbarung, die in der Regierung verabschiedet wurde, in Brüssel zur Genehmigung einreichen.

Wir haben insgesamt ein ländliches Entwicklungspaket mit allen Maßnahmen fest­gelegt, von der Umweltförderung in der Landwirtschaft, vom Agrarumweltprogramm, von der sehr wichtigen Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, Berggebiete, bis hin zu den Investitionsförderungen und zu der umfassendsten Jungübernehmerunter­stützung in der Investitionsförderung.

Wir haben einen Gesamtrahmen von 1,1 Milliarden € jährlich festlegen können, und zwar auf der Grundlage von 562 Millionen € jährlich, die aus den Mitteln des ELER stammen, und durch Bund- und Länder-Kofinanzierung. Insgesamt, wie gesagt, ein Gesamtpaket von 1,1 Milliarden € für den ländlichen Raum, für Investitionen in den ländlichen Raum.

Dieses Programm wird voraussichtlich im September mit entsprechend notwendigen Anpassungen, die sich aus den Verhandlungen sicherlich ergeben, genehmigt werden, sodass wir zeitgerecht mit Beginn des nächsten Jahres diese ländliche Entwicklungs­politik, die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, werden umsetzen können.

Ich möchte in diesem Zusammenhang eines besonders hervorheben: Es ist uns in diesen 20 Jahren der Integration in die Gemeinsame Agrarpolitik in Österreich gelun­gen, die ländliche Entwicklung, die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, so auszubauen, dass es in der Zwischenzeit schon das stärkere Standbein in Österreich ist, im Verhältnis 40 zu 60, und dass wir die EU-Fonds in diesem Zusammenhang optimal nützen und dadurch sogar Nettoempfänger in der zweiten Säule der Gemein­samen Agrarpolitik sind. Wir bekommen etwa 4,4 Prozent aus dem ELER-Fonds und zahlen mit unserer Budgetbeteiligung etwa 2,2 Prozent des Gesamttopfes. So gesehen sind wir wirklich ein Nettoempfänger, und das ist ein Erfolg der Bundesregierung, die in diesen 20 Jahren tatsächlich die EU-Fonds in diesem Bereich optimal genützt hat. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Michalke.)

Ein sehr wichtiges Element, das ist im Rahmen der Behandlung der Verhandlungen des Rates Landwirtschaft angesprochen worden, war natürlich das Auslaufen der Milch-


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quote im Jahr 2015. Es ist im Prinzip seit 2003 bekannt, dass die Milchquote auslaufen wird. Das heißt, man konnte sich darauf vorbereiten.

Wir mussten leider zur Kenntnis nehmen, dass es für die Fortführung der Milchquote keine Mehrheit mehr gibt, weder im Rat noch im Europäischen Parlament, vor allem gab es auch keine Bereitschaft der Kommission, einen diesbezüglichen Vorschlag vorzulegen. Sie wissen, dass wir im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik nach wie vor das ausschließliche Initiativrecht der Europäischen Kommission haben. Und wenn es dort nicht die Bereitschaft gibt, können der Rat und das Parlament auch keinen Beschluss fassen.

So gesehen ist es wichtig, dieses Softlanding, das Hineinwachsen in den quotenfreien Raum zu unterstützen.

Mir war es ein wichtiges Anliegen, und ich habe diesbezüglich auch eine Initiative im Rat gestartet, dass vor allem im letzten Jahr vor dem Auslaufen der Quote die Über­schussabgabe – das ist quasi die Strafzahlung für überlieferte Milch – nicht mehr im vollen Umfang zum Tragen kommt. Es gibt eine Initiative mit einer Reihe von Mitgliedstaaten – wir haben schon eine Mehrheit der Mitgliedstaaten –, die unseren Vorschlag betreffend die sogenannte Fettkorrektur unterstützen. Das würde für Öster­reich, für die betroffenen Bäuerinnen und Bauern etwa 8 Millionen € an Einsparungen bewirken. Wir haben es noch nicht aufgegeben, und ich hoffe, dass wir bei der nächsten Tagung des Rates – dann unter italienischem Vorsitz – tatsächlich eine Einigung über diesen Ansatz zustande bringen. Darüber werde ich in weiterer Folge berichten können.

Ich darf noch auf die wichtigsten Ansatzpunkte des Berichtes im Bereich der Umweltpolitik verweisen. Es ist im März gelungen, einen Durchbruch im Zusammen­hang mit dem Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten betreffend die Gentech­nikfreiheit in der Landwirtschaft zu erreichen. Dieses Dossier war seit der dänischen Präsidentschaft blockiert, es ist nun gelungen, Großbritannien zu überzeugen, seine Widerstandsposition aufzugeben. Großbritannien hat eine konstruktive Haltung einge­nom­men und unterstützte den Vorschlag. Zwischenzeitig, kann ich berichten, wurde bei der letzten Tagung des Rates Umwelt in Luxemburg tatsächlich eine Eini­gung – und zwar nur mit zwei Enthaltungen, es gab also eine sehr breite Mehrheit – betreffend dieses Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Vor­schlags der griechischen Präsidentschaft erzielt, die eine Abänderung der Zulas­sungsrichtlinie vorsieht. Diese Einigung wird jetzt mit dem Europäischen Parlament abschließend unter italienischem Vorsitz zu behandeln sein. Wir gehen davon aus, dass diesbezüglich noch in diesem Jahr die Rechtsgrundlage tatsächlich gesichert wird, was für uns sehr wichtig ist, damit haben wir auch die Rechtsgrundlage für unser Gentechnikanbauverbot.

Im Zusammenhang mit der europäischen Klima- und Energiepolitik haben Sie angemerkt, Frau Bundesrätin, dass Sie es begrüßt hätten, wenn ich auch die Mitteilung der Europäischen Kommission in diesem Bericht aufgenommen hätte. – Das war rein technisch nicht möglich, weil die Mitteilung der Kommission erst am 22. Jänner vorgelegt worden ist. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich nicht vorausschauend eine Mitteilung, die es noch nicht gegeben hat, eingearbeitet habe.

Ich kann Ihnen aber versichern, dass sich Österreich für eine ambitionierte Energie- und Klimaschutzpolitik und -strategie 2030 – die Folgestrategie für 2020 – einsetzen wird. Es hat in diesem Hohen Haus, im EU-Hauptausschuss des Nationalrates gestern eine Festlegung gegeben, die die Grundsatzorientierung des Hohen Hauses definiert, in der auch die Trias der Ziele betreffend die Reduktion der Treibhausgasemissionen, die Energieeffizienz und auch den Anteil der erneuerbaren Energieträger festgelegt


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wird. Das ist ein wichtiger Fortschritt, gerade auch im Hinblick darauf, dass der Europäische Rat bei seiner Tagung im Oktober die Ausrichtung für die Strategie 2030 festlegen muss. Und das ist wichtig und eine ganz wesentliche Grundvoraussetzung für die internationalen Klimaschutzverhandlungen in Lima im Dezember dieses Jahres, bei denen wir entsprechende Vorbereitungen für die Weltklimaschutzkonferenz in Paris im Dezember 2015 zu treffen haben.

Es ist wichtig, sich in Paris auf internationale verpflichtende Ziele zu einigen. Dafür gibt es ein gewisses Window of Opportunity, da jetzt auch die Vereinigten Staaten und China klar definiert haben, dass man in der Klimaschutzpolitik entsprechend voran­kommen muss. Da war die Klimakonferenz in Warschau eine wichtige Voraussetzung, weil es zu Selbstverpflichtungen dreier chinesischer Provinzen und auch Kaliforniens gekommen ist. Diese freiwilligen Verpflichtungen in international verbindliche Verpflich­tungen umzuwandeln, das muss unser Ziel sein und dafür werde ich mich einsetzen.

Wir brauchen selbstverständlich eine Energiewende in Europa, die vor allem auch sicherstellen muss, dass wir keine Renaissance der Atomenergie, der Nuklearenergie haben, die eben keine nachhaltige, keine umweltgerechte und auch keine klimafreund­liche Energiequelle ist. Auch die Biotreibstoffe – und dazu bekenne ich mich – haben in diesem Zusammenhang einen hohen Stellenwert. Wir müssen vor allem auch die Nutzung der Wasserenergie voranbringen, und wir müssen Sonnenenergie, Photo­voltaik, Solarenergie, Bodenwärme und auch Windkraft ausbauen; das muss unser Ansatz sein.

Mir ist es wichtig, zu betonen, dass es den Gegensatz von Umwelt und Wirtschaft nicht gibt, im Gegenteil: Gerade in der Entwicklung des Umweltumsatzes sehen wir, dass wir im Bereich der grünen Beschäftigung und auch im Bereich der Umwelttechnologie Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich haben; davon können wir in den rest­lichen Wirtschaftssektoren nur träumen. Mein Ziel ist es daher, die Green Jobs von derzeit 170 000 auf 200 000 Beschäftigte und den Umweltumsatz auf die 40-Milliarden-€-Marke zu bringen.

Lassen Sie mich abschließend noch zu den Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP Stellung nehmen, das aus meiner Sicht wichtig ist, auch für Beschäftigung und Wachstum in Europa wichtig ist! Wir haben großes Exportinter­esse, betreffend Umwelttechnologie beispielsweise, aber – und das sage ich ganz deutlich, das habe ich auch letzte Woche bei dem europäisch-amerikanischen Treffen mit dem amerikanischen Landwirtschaftsminister Vilsack gesagt – es muss in diesen Verhandlungen sichergestellt werden, dass unsere Sozialstandards, unsere Umwelt­stan­dards, unsere Lebensmittelstandards und beispielsweise auch die unterschiedliche Risikobeurteilung – etwa des Einsatzes von Antibiotika, des Einsatzes von Hormonen in der Rindermast – zum Tragen kommen und nicht unterlaufen werden dürfen. Da haben wir auch die roten Linien gegenüber der Kommission festzulegen, die die Verhandlungen durchführt, daher wird es wichtig sein, in den Hearings mit den betreffenden Kommissaren diese roten Linien deutlich zu machen.

Eines habe ich Landwirtschaftsminister Vilsack bei diesem Treffen auch sehr deutlich gesagt: Wir müssen diese Verhandlungen transparent führen. Wenn wir in diesen Verhandlungen keine Transparenz erreichen, dann wird dieses Abkommen scheitern, das ist ganz klar, und ich denke, dass diese Botschaft auch angekommen ist. In diesem Sinn: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)

12.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 65

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.28.173. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 erlassen wird und das Universitätsgesetz 2002, das Fachhochschul-Studiengesetz, das Hoch­schul-Qualitätssicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems geändert werden (136 d.B. und 171 d.B. sowie 9189/BR d.B. und 9192/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nun gelangen wir zum 3. Punkt der Tages­ordnung. Ich begrüße dazu Herrn Minister Mitterlehner sehr herzlich bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


12.28.56

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! KollegInnen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Hochschülerinnen- und Hochschülerschafts­gesetz 2014 erlassen wird und das Universitätsgesetz 2002, das Fachhochschul-Studiengesetz, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


12.29.54

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingangs möchte ich ein paar Worte zu diesem neu geschaffenen Ministerium sagen: Ich finde, es wurde zu Beginn dieses Jahres ein bisschen zu Unrecht kritisiert, dass Wirtschaft und Wissen­schaft nun von einem Ministerium gestaltet werden. Ich finde, das ist eine sehr span­nende Symbiose und kann zu fruchtvollen Wechselwirkungen, zu interaktiven Reak­tionen von beiden ehemals getrennten Ministerien führen.

Ich finde das sehr spannend und denke da vor allem – zum Beispiel seitens der Wissenschaft – an die Vermarktung der öffentlichen Universitäten; da ist sicherlich breitester Raum in jeder Hinsicht gegeben. Nächstes Jahr haben wir die 650-Jahr-Feier der öffentlichen Universität an der Ringstraße. Ich hoffe auf eine breite Beteili­gung seitens des Ministeriums. Es ist auch jede Menge Raum für das private Wirtschaftsinvestment an den öffentlichen Universitäten gegeben; diesbezüglich ist Österreich absolut unterentwickelt. Und last but not least, als drittes und für mich wichtigstes Thema: dass die Wirtschaft, Sie als Wirtschaftsminister, wenn ich das so


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sagen darf, selbst Forschungsaufträge an den universitären Wissenschaftsbetrieb vergeben, zum Beispiel im Bereich der Prognose.

Vielleicht kann man sich da an die Fakultäten für Wirtschaftswissenschaften und für Mathematik im neu geschaffenen Gebäude am Oskar-Morgenstern-Platz wenden. Oskar Morgenstern hat – das erfährt man, wenn man sich damit beschäftigt – seine Habilitation 1928 über die Wirtschaftsprognose geschrieben, und er hat 1963 das IHS gegründet. Man muss mit der Prognoseerstellung ja nicht immer dieses leidige – Ent­schuldigung, wenn ich das so sage – WIFO beauftragen, das sich betreffend Hand­werkerbonus in jeder Hinsicht mehr als blamiert hat. Es gibt jede Menge anderer universitärer und außeruniversitärer Prognoseinstitute. Vielleicht sollte man das als Anlass nehmen, und als Hommage an Oskar Morgenstern ein anderes Institut als das WIFO für Prognoseerstellungen heranziehen. – Das nur als kleine Anregung!

Nun zum eigentlichen Thema, zum Text dieses Gesetzes, zum Tagesordnungspunkt betreffend die Österreichische Hochschülerschaft: Na ja, es kommt ja nicht von ungefähr, dass 70 Prozent praktisch Nichtwähler sind und nicht einmal 30 Prozent – ich glaube, es sind genau 28 Prozent – alle zwei Jahre an diesen Wahlen teilnehmen, denn zum Nutzen der Studierenden ist diese ÖH wahrlich nicht. Sie beschäftigt sich mit Themen, die nicht zum Nutzen der Studierenden sind.

Ich habe mir Gedanken gemacht, was für einen Studierenden wirklich aktuell ist, was Themen sind, die einen Studierenden an der Universität interessieren könnten (Zwi­schenruf des Bundesrates Füller), und ich bin mir sicher, es ist auch so.

Ein Thema ist etwa der Ausbau der digitalen interaktiven Medien: Diese werden kaum genützt, und das ist eine Überraschung, denn das Argument ist, diese seien zu teuer – und das im 21. Jahrhundert. Das kann es ja nicht sein, dass praktisch Lehrveranstal­tungen persönlich besucht werden müssen, weil das interaktive Medium mit dem Argument, es sei zu teuer, nicht eingeschaltet wird. Da wundert es auch nicht, dass gewisse Lehrveranstaltungen völlig überbelegt sind, in jeder Hinsicht; den Studieren­den ist es einfach nicht möglich, diese Veranstaltungen anderwärtig zu absolvieren.

Ich erinnere daran, dass in Amerika die Online-Universitäten von bestehenden Groß­universitäten wie Harvard, MIT und so weiter und so fort ein totaler Hype sind, diese werden sogar gratis angeboten – ein volles Studium nur online! Also das muss ja in Österreich auch gehen! Ich spreche jetzt nicht von einem vollen Studium, aber zumindest einzelne Lehrveranstaltungen sollte man doch in der heutigen Zeit, im 21. Jahrhundert online anbieten, im Sinne eines Web-Streams aufzeichnen können – und das nicht mit dem Argument, das sei zu teuer, abtun. – Dies nur zum Nachdenken!

Ein weiteres Thema ist die Verschulung des Bakkalaureats- beziehungsweise Master­studiums. Man sollte einmal definieren, was man unter Verschulung versteht. Mit Verschulung ist in erster Linie das Anmeldesystem gemeint, das kommt vielleicht in der Öffentlichkeit nicht so oft zum Ausdruck. Man muss im Rahmen dieses Anmelde­systems die universitären Lehrveranstaltungen besuchen, aber – und das ist das Entscheidende – diese Lehrveranstaltungen basieren nicht auf einem modularen Aufbau­system. Sie werden, wie es universitär so üblich ist, im Rahmen der forschungs­gebundenen Lehre wahlweise frei gebunden, auch aktualitätsbezogen angeboten, aufgrund des Anmeldesystems muss man da aber stufenweise vorgehen. Da kann es vorkommen, dass im gleichen Hörsaal beim gleichen Thema in einer Lehrveranstaltung über 300 Studenten sitzen, und beim gleichen Thema im gleichen Hörsaal in einer anderen Lehrveranstaltung nicht einmal acht Personen sitzen. Das ist ja auch mit der Auslastung nicht vereinbar, und das ist ausschließlich auf dieses computergesteuerte Anmeldesystem zurückzuführen, das Studierende zwingt, in einem Kanal vorwärts zu


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gehen – und die anderen Kanäle bleiben vollkommen frei, obwohl auch Lehrveran­staltungen angeboten werden.

Da, sehr geehrter Herr Minister, sollte man vielleicht nachjustieren, ob das im Autono­mie­bereich der Universität liegt oder nicht, kann ich jetzt nicht beurteilen; auf jeden Fall funktioniert das definitiv nicht.

Ein dritter Punkt ist die Kürzung der Lehrveranstaltungen, und das ist doch etwas überraschend, weil die Lehrveranstaltungen im Rahmen der Geisteswissenschaften – und Geisteswissenschaften sind auch Grundlagenforschung – in den letzten ein bis zwei Jahren zwischen 30 und 50 Prozent gekürzt worden sind. Da frage ich mich doch, wohin die berühmte Universitätsmilliarde, von der Ihr von mir sehr respektierte Vorgän­ger, Herr Minister Töchterle, gesprochen hat, gewandert ist. – Sicherlich nicht zu den Studierenden, denn Studierende wollen studieren! Studierende wollen in erster Linie eine Lehrveranstaltung besuchen, ob diese online ist – was aber nicht angeboten wird – oder real; sie finden allerdings nicht statt, denn die Lehrveranstaltungen werden gekürzt.

Das sind Probleme – ich habe jetzt nur drei, vier aus meiner eigenen Erfahrung heraus­genommen –, die Studierende interessieren, aber sicher nicht ÖH-Gesetze oder politische Pamphlete der ÖH, die völlig an den Interessen eines Studierenden vorbeigehen.

Und man darf auch nicht überrascht sein, wenn der politfreie Raum an der Universität wesentlich größer ist, als angenommen. Es gibt viel mehr Studierende, die mit der Politik überhaupt nichts zu tun haben wollen, weil sie einfach am realen Sinn des täglichen Lebens vorbeigeht. Daher ist für uns Freiheitliche die ÖH-Pflichtmitgliedschaft generell infrage zu stellen.

Brauchen wir überhaupt eine ÖH-Pflichtmitgliedschaft? – Meiner Meinung nach nicht! Wichtig ist, die Gelder für digitale Medien gehören unbedingt erhöht. Es ist kein Argument, zu sagen, es gebe kein Geld dafür, dass man Lehrveranstaltungen im Web-Stream sehen kann. Das kann es nicht sein! Weiters wollen wir, dass die Lehrver­anstaltungen im Rahmen der Geisteswissenschaften im ursprünglichen Ausmaß, in der Intensität, wie es bis vor zwei, drei Jahren noch der Fall war, angeboten werden.

In diesem Sinne müssen wir dieses Gesetz ablehnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Saller. – Bitte.

 


12.36.42

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, im Wissenschaftsbereich ist ein sinnvolles Paket geschnürt und vom National­rat auch beschlossen worden. Die Kernpunkte sind ja an und für sich die Verbesserung der Qualitätssicherung, mehr Demokratie und direkte Beteiligung im Hochschulbereich.

Bei der Qualitätssicherung ist neu, dass ausländische Studien, die im Zusammenhang mit den österreichischen Bildungseinrichtungen angeboten werden, vor Aufnahme des Studienbetriebs eine Bestätigung der Agentur für Qualitätssicherung benötigen. Das ist, wie ich glaube, ein großer Fortschritt.

Was ist damit verbunden? – Natürlich mehr Information für Studierende und mehr Sicherheit – es hat in der Vergangenheit ja doch manche Missverständnisse gegeben. Die Agentur für Qualitätssicherung wird eine Art Meldestelle für ausländische Bil­dungseinrichtungen, die Studien in Österreich anbieten. Einrichtungen, die im Her-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 68

kunftsland oder Heimatland nicht anerkannt sind, wird es natürlich auch bei uns nicht geben.

Wichtig ist auch die Schaffung homogener Vertretungsstrukturen der Studierenden. Wichtig dafür, dass das geschehen ist, war die Einbindung aller: der Universitäten, der Universität für Weiterbildung in Krems, der Pädagogischen Hochschulen, Fachhoch­schulen, Privatuniversitäten. Gerade die Akkordierung mit den Privatuniversitäten scheint mir ganz besonders wichtig zu sein.

Ein Eckpunkt ist auch die Errichtung von Hochschülerinnen- und Hochschülerschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts an Bildungseinrichtungen mit über tausend Studierenden; wenn die Zahl kleiner ist, also weniger als tausend Studierende, gibt es Hochschul- und Studienvertretungen, welche die Interessen der jeweiligen Bildungsein­richtung vertreten.

Besonders positiv ist auch die Ausdehnung des passiven Wahlrechts sowie die Mitwirkung in Organen der Universität und der Studienvertretung von Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Das ist, wie ich meine, auch ein wichtiger Meilenstein, eine wichtige Änderung.

Nun noch zur Wahlbeteiligung: Wir alle wissen ja, 2013 betrug die Wahlbeteiligung magere 28 Prozent der Wahlberechtigten. Man hat jetzt die Briefwahl eingeführt, und durch diese erhofft man sich natürlich eine deutliche Steigerung der Wahlbeteiligung.

Ich glaube, es ist doch wichtig, dass die Studierenden dokumentieren, was sie wollen, was sie dazu sagen, anstatt an den Wahlen einfach nicht teilzunehmen.

Die Briefwahl wird ja zentral für alle Bildungseinrichtungen von der Wahlkommission der ÖH organisiert.

Also ich glaube, alles in allem handelt es sich um ein gelungenes Paket. Es ist dem Herrn Minister und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ministeriums zu danken, die dieses so gut vorbereitet und abgeschlossen haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Grimling. – Bitte.

 


12.40.59

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das vorliegende Bundesgesetz über die Vertretung der Studierenden – Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 – bringt eine Neugestaltung der zuletzt im Hoch­schülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 1998 verankerten Rechte und Pflichten für die Vertretung der Studierenden, und zwar durch die Schaffung einer ein­heitlichen Rechtsstruktur in den unterschiedlichen Bildungseinrichtungen – mein Vorredner hat es schon erwähnt, daher brauche ich dies, glaube ich, nicht noch einmal zu erwähnen –, insbesondere aber die Aufhebung der von der früheren Bundes­regierung initiierten Hochschülerschaftswahlordnung 2005. Durch dieses neue Gesetz wird aus sozialde­mo­kratischer Sicht ein wesentliches demokratiepolitisches Anliegen umgesetzt.

Im Einzelnen umfasst die Neuregelung folgende Bereiche:

Erstens: Mitglieder der Österreichischen Hochschülerschaft sind nunmehr die Studierenden aller Hochschulsektoren.

Zweitens: Die Vertretungsstrukturen werden nach dem Vorbild der Universitäts­vertre­tung auch an den anderen Hochschulen vereinheitlicht. Neben der Bundesvertretung


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 69

aller Studierenden werden in Hinkunft an allen Bildungseinrichtungen mit über 1 000 Studierenden neue Hochschülerinnen- und Hochschülerschaften als Körper­schaf­ten öffentlichen Rechts errichtet. Damit können sie unabhängige Vertretungs­arbeit leisten. Bei kleineren Bildungseinrichtungen, das wurde auch schon erwähnt, übernimmt die Bundesvertretung deren rechtsgeschäftliche Vertretung.

Drittens: Für die Bundesvertretung wurde vor zehn Jahren die direkte Listenwahl durch ein Nominierungssystem seitens der jeweiligen lokalen Vertretung ersetzt, wobei sich die Anzahl der Mandate, zuletzt über 100, nach der Anzahl der Studierenden richtete. Dieses schwerfällige und demokratiepolitisch bedenkliche Instrument zu beseitigen, war eine essentielle Forderung meiner Fraktion.

Nicht zuletzt bewies die geringe Wahlbeteiligung bei den letzten Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlen 2013 im Ausmaß von lediglich 28 Prozent der Wahlberechtigten die Notwendigkeit dieser Maßnahmen zur Stärkung der demokratie­politischen Haltung der Studierenden.

Ab den Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlen 2015 wird für die wahlwer­bende Gruppe wieder eine Direktwahl in der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft mit insgesamt 55 Mandaten vorgesehen und damit eine Effizienz der Vertretungsstruktur gewährleistet. Damit können die Studierenden ihre höchste Vertretung wieder direkt wählen.

Viertens: Durch die Einführung der Briefwahl soll die Möglichkeit der Stimmenabgabe für die Wahlen der Bundesvertretung und der Hochschulvertretungen erleichtert und die Wahlbeteiligung erhöht werden.

Fünftens: Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts bei diesen Wahlen unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

Zum Schluss kommend: Die neuen einheitlichen Regelungen verstärken die demo­kratischen Rechte der Studierenden. Es bleibt zu hoffen, dass sie dies auch zu nutzen wissen, zumal der Zustand einiger der betroffenen Bildungseinrichtungen zu wünschen übrig lässt. Denken wir nur an die Zugangsbeschränkungen oder an den Mangel an Studienplätzen. Aber das ist ein anderes Kapitel. Diesbezüglich ist unser Wissen­schafts­minister weiterhin nachdrücklich gefordert.

Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


12.46.05

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorredner haben teilweise Themen angesprochen, die an sich heute nicht zur Beschlussfassung stehen, aber ich möchte durchaus darauf eingehen.

Was die sehr positive Bemerkung von Herrn Bundesrat Pisec betreffend die Struktur im Ministerium anlangt, meine ich, haben sich die Vorbehalte, die teilweise emotional aufgebaut waren, mittlerweile doch sehr relativiert. Wir haben eine gemeinsame Linie gefunden. Zu den Fragen, die angesprochen worden sind, insbesondere wenn es darum geht, die Universitäten weiterzuentwickeln: Das ist der Fall. Aber die von Ihnen angesprochenen Fragen, gerade was das Lehrangebot anbelangt, das ist alles im Rahmen der Universitätsautonomie zu klären.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 70

Wir haben eine diese drei Jahre betreffende Leistungsvereinbarung. Und daher ist das Angebot, das von den Universitäten gemacht wird, von diesen auch selbst zu verant­worten. Ich glaube, es ist auch ein gutes Angebot. Lassen Sie sich nicht von den Rankings in diesem Zusammenhang täuschen! Die haben, gerade was die Univer­sitäten anbelangt, teilweise den Hintergrund, dass wir eben neu organisiert haben. Medizinuniversitäten sind vor einigen Jahren selbständig geworden. Das hat die Rankings deswegen negativ beeinflusst, weil da eben Volluniversitäten besser bewer­tet worden sind. Das was vorher, wir haben aber bestimmte Gründe gehabt, das eigen­ständig zu organisieren.

Ansonsten glaube ich, dass wir, was die Entwicklung, die Konstellation der Forschung anbelangt – wir haben nachher noch Gelegenheit, bei einem Punkt darüber zu sprechen –, prinzipiell gut aufgestellt sind mit einer Entwicklung nach oben. Das ist in allen Bereichen möglich, wo wir noch nicht die Werte erreicht haben, nämlich gerade was die 2-Prozent-Marke für den tertiären Sektor anbelangt. Das ist aber auch eine Frage der Budgets, und die sind eben in Zeiten der Krise relativ restriktiv gestaltet. Daher müssen wir diesen Spielraum, der uns zur Verfügung steht, nutzen und mög­lichst effizient arbeiten.

Nun aber zur Thematik, die heute zur Beschlussfassung steht: Im Wesentlichen ist vieles schon angesprochen worden. Das Hochschülerinnen- und Hochschülerschafts­gesetz 2014 ist in den Grundzügen einmal von der Problematik ausgegangen, dass wir mit rund 28 Prozent bei den letzten Wahlen eine relativ negative oder schlechte Wahlbeteiligung gehabt haben. Daher hängt der Versuch, die Identifikationsmög­lich­keiten mit seiner eigenen Organisation zu verbessern, natürlich auch mit dem System zusammen.

Wir haben ein indirektes Wahlsystem gehabt. Das hat die Identifikationsmöglichkeit bei Wahlen, wenn ich indirekt gewählte Vertreter habe, erschwert. Das hat aber auch das gebracht, was angesprochen worden ist, dass wir mehr als 100 Vertreter im Zentral­organ gehabt haben. Und daher haben wir das System einmal umstellen wollen, und es ist auch gelungen, wiederum in Richtung direkter Wahlbeteiligung und direkter Wahlmöglichkeit. Das ist mit 55 Mandaten auch kleiner, auch übersichtlicher, auch besser.

Das wurde aber nicht von uns oktroyiert, sondern wir haben die Möglichkeit gefunden, mit den Vertretern der Hochschülerschaft, aber auch mit den wichtigsten Oppositions­gruppen eine gemeinsame Linie zu finden. Das ist eine Art Grundprinzip auch in anderen Bereichen, dass man nicht sozusagen anderen etwas vorsetzt, sondern gerade im Falle von Körperschaften mit diesen gemeinsam das Recht gestaltet. Das ist in diesem Fall, glaube ich, sehr gut gelungen, was auch im Nationalrat bei der Be­schlussfassung zum Ausdruck gebracht wurde. Auch die Hochschülerschaft war vertreten und hat das mitgetragen.

Wir haben, was das aktive und passive Wahlrecht anlangt, Verbesserungen gehabt, auch in Richtung der Mitwirkungsmöglichkeiten über die EU hinaus, aber darüber hinaus auch die Briefwahl geschaffen. Diesbezüglich gibt es widersprüchliche Ansichten, ich glaube, bei anderen Körperschaften wie der Arbeiterkammer, aber auch im Bereich sonstiger Körperschaften. Auf Landesebene hat sich die Briefwahl­möglichkeit durchaus bewährt. Warum? – Weil auch viele Studenten eben in den drei Tagen, die bis jetzt zur Verfügung gestanden sind, teilweise nicht da waren und daher jetzt eine verbesserte und ausgeweitete Möglichkeit haben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Das haben wir ebenfalls verbessert.

Ich würde auch darauf eher mit Freude verweisen, dass wir ein homogenes System mit allen beteiligten Organisationen haben, also nicht nur Fachhochschulen, sondern auch


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 71

Privatuniversitäten. Gerade bei privaten war manchmal die Kritik da: Ist es notwendig? Wir haben das mit den Vertretungen der Privatuniversitäten entsprechend nicht nur erörtert, sondern auch mit ihnen gemeinsam gestaltet; daher auch dort keine ok­tro­yierte Vorgangsweise, sondern eine gemeinsam gestaltete.

Was nicht angesprochen worden ist, ist die Kontrollsituation. Auch die haben wir geändert. Diese ist in der Darstellung nicht zu sehr im Vordergrund gestanden, da es kein erfreuliches Kapitel war. Es hat einige Anlassfälle gegeben. Ich sage nur Café Rosa oder Facultas. Wir haben das sehr sorgsam gemacht und im Endeffekt auch dort die Einschaumöglichkeiten einer bestimmten Kontrolleinrichtung verstärkt. Und nur wenn die Spielregeln mehrmals nicht eingehalten werden, dann kann hier seitens des Ministeriums von der Aufsichtspflicht Gebrauch gemacht werden. Aber es gibt keinerlei inhaltliche Beeinflussung der Aktivitäten, diese ist nie und nimmer vorgesehen, ange­dacht, was auch immer.

Der Kollege von der ÖVP hat es schon angesprochen, es gibt noch ein zweites Gesetz, wo es um die Qualitätssicherung geht. Auch dort haben wir eine einvernehm­liche Regelung gefunden. Bis jetzt war nämlich die Vorgangsweise immer die, dass der Anbieter aus dem Ausland, der sich bei uns registrieren hat lassen, damit dann auch Werbeaktivitäten aufgenommen hat, was manches Mal irreführend war, da man geglaubt hat, die Qualität ist damit auch geprüft. Jetzt ist im Rahmen der Tätigkeit der Agentur für Qualitätssicherung eine andere Komponente in dieser Hinsicht gefunden worden, womit auch eine Verbesserung der Angebotssituation einhergegangen ist.

Alles in allem glaube ich – ich möchte Sie zeitmäßig nicht strapazieren –, das ist ein wichtiger Tag für den gesamten Bereich der Hochschülerschaftsorganisation, an dem einfach ein verbessertes, demokratisch ausgerichtetes, direktes Wahlrecht rechtzeitig vor den nächsten Wahlen beschlossen werden soll, auch mit Kontrollmaßnahmen im absolut notwendigen und nicht übertriebenen Umfang und entsprechenden Möglich­keiten im Qualitätssicherungsbereich. Ich hoffe, Sie können dem auf breiter Basis zustim­men. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.53.464. Punkt

Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung zum EU Vorhaben (III-509-BR/2014 d.B. sowie 9193/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. Bitte um den Bericht.

 


12.54.02

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung zum EU Vorhaben.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 72

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2014 – der Beschluss wurde mit Stimmeneinhelligkeit gefasst – den Antrag, die Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung zum EU Vorhaben zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


12.54.38

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Fernsehschirmen zu Hause! Ich darf einleitend festhalten, dass es sich bei Wissenschaft und Forschung um einen Bereich handelt, wo die Zusammenarbeit in der EU besonders hervorzuheben ist und wo deutlich aufgezeigt wird, welche Vorteile wir praktisch daraus lukrieren. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Kommission 2014 steht das Rahmenprogramm Horizont 2020. Weitere Vorhaben, die den Wirkungs­bereich des Wirtschafts- und Wissenschaftsministeriums betreffen, sind der Ausbau des europäischen Forschungsraumes, des EFR, und das Mobilitätsprogramm Eras­mus+.

Für den Bereich der Forschung stellt Horizont insgesamt einen Betrag von 80 Milliar­den € zur Verfügung. Das ist also eines der größten Programme im Bereich der EU und im Bereich des neuen EU-Finanzrahmens. Und das ist auch ein wesentlicher Faktor und stellt uns natürlich auch vor große gesellschaftliche Herausforderungen. Horizont 2020 bringt auch eine neue Programmstruktur – durchlässig, Orientierung an gesellschaftlichen Herausforderungen, Integration der gesamten Innovationskette –, neue Instrumente, wie zum Beispiel Programme Cofund, ein neues KMU-Instrument, und wesentlich vereinfachte Teilnahmeregeln.

Das bringt natürlich auch für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten, also insbesondere auch für die teilnehmenden Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen, eine massive Umstellung und bedeutet natürlich auch eine entsprechende Herausfor­derung.

Das Jahr 2014 steht also ganz im Zeichen der Umsetzung dieses neuen Rahmen­programms, das auch einen wesentlichen Teil der Strategie Europa 2020 darstellt. Und hier hat sich also die EU wirklich in einem koordinierten Rahmen sehr in diesem Bereich engagiert.

Horizont 2020 ist auch ein wesentlicher Faktor für die Steigerung der Wettbewerbs­fähigkeit der europäischen Wirtschaft, insbesondere durch zusätzliche öffentlich-private Partnerschaften und die verstärkte Unterstützung von innovativen kleinen und mittleren Unternehmen.

Wie bereits im vorhergehenden Rahmenprogramm werden alle potenziellen Teilneh­mer an Horizont 2020 durch die Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt. In einer gemeinsamen Beauftragung durch Bund und Wirtschaftskammer werden die neuen Schwerpunkte der Beratung und Betreuung den neuen Herausforderungen angepasst.

Ganz kurz zum Hochschulbereich: Relevant für den Hochschulbereich oder eines der Kernziele, wenn man das so erklären möchte, ist im Rahmen der Strategie Europa 2020 die Steigerung des Anteils der HochschulabsolventInnen auf 40 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 73

Die Aktivitäten des Rates werden sich daher auf die Erreichung der Bildungskernziele konzentrieren. Besonderes Augenmerk wurde dabei vom griechischen EU-Ratsvorsitz, der nur noch wenige Tage dauert, dem Bereich der Sprachkompetenz und der Qualitätssicherung gewidmet.

Eine Anmerkung: Wir oder viele in Europa waren skeptisch, was den EU-Vorsitz von Griechenland anlangt. Wer sich näher damit befasst, kann doch von einer beachtenswerten Leistung im Rahmen der griechischen Präsidentschaft berichten.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das auf sieben Jahre eingerichtete EU-Programm Erasmus+ für Bildung, Jugend und Sport. Österreich hat dazu am 22. Jänner die Auftaktveranstaltung organisiert. Ziel dabei war es, politische Schwerpunkte, Chancen und Herausforderungen des Programms Erasmus+ zu diskutieren, den Mehrwert des Programms für Bildung, Jugend und Sport in den nächsten sieben Jahren für Österreich darzulegen sowie einen Blick auf die sehr erfolgreichen Vorgängerpro­gramme aus österreichischer Sicht zu werfen.

Wir danken für den Bericht, Herr Minister. Wir werden gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Winkler. – Bitte.

 


12.59.04

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminister! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich freue mich, dass ich zum Tagesordnungspunkt EU Vorhaben Jahresvorschau 2014 Teil I, Wissenschaft und Forschung, die Möglich­keit habe zu sprechen.

Grundlage dieses Berichts ist, wie schon erwähnt, das Arbeitsprogramm der Euro­päischen Kommission für 2014 sowie das Programm der drei EU-Präsidentschaften von 2013 bis Juni dieses Jahres.

Ich denke, die Dynamik der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Veränderungen hat deutlich zugenommen. Geografische Entfernungen beginnen ihre Bedeutung zu verlieren, der internationale Konkurrenzdruck wächst. Gleichzeitig bietet sich aber auch die große Chance, Europa nicht zuletzt durch das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ weiter zusammenzuführen. Für mich ist es deswegen ein wichtiger Mosaikstein in den Antworten auf die großen gesellschaftlichen Heraus­forderungen der Zukunft.

Ich glaube, Fleiß und Lernbereitschaft haben die österreichische Bevölkerung immer ausgezeichnet. Aber auch die KMUs haben immer durch ihre Innovationsbereitschaft und den offensiven Zugang bei der Erschließung neuer Märkte bewiesen, dass sie sich den neuen Herausforderungen erfolgreich stellen. Deswegen werden die im Rahmen­programm behandelten Themenfelder von Österreich sicherlich angenommen.

Schon der Name des Programms, „Horizont 2020“, ist für mich positiv besetzt. Ich möchte hier den Horizont als sich abzeichnende positive Entwicklung sehen. Es soll dieses Abkommen dazu dienen, dass Strukturmittel in Forschung und Innovation fließen, um den Wettbewerb zu erhalten.

Das große Ziel der Kommission und des Europäischen Rates ist es, den Europäischen Forschungsraum zu vollenden. Die Welt wird sich in den kommenden Jahrzehnten für einen tiefgreifenden ökonomischen und auch gesellschaftlichen Strukturwandel öffnen


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 74

müssen, um die Zukunftschancen und Lebensgrundlagen der kommenden Generatio­nen zu erhalten, zu sichern und auszubauen.

Ich denke, dass es sehr gute Gründe für die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gibt. Meist sind die Themen gar nicht so kontrovers. Die Forschungs­aktivitäten sollen das Ziel haben, die Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu erhalten oder zu stärken. Österreich braucht einen starken Mittelstand, nur so können wir unser Land langfristig wettbewerbsfähig erhalten. Fördermittel, die diese Entwick­lung unterstützen, können nur begrüßt werden.

Die EU will Forschung, Bildung und Innovation miteinander in Beziehung setzen. Auch die vermehrte Internationalisierung der Hochschulbildung durch das angestrebte „Europäische Semester“ ist zu begrüßen. Hochschulbildung, aber auch Bildung im Allgemeinen werden als Faktor für Beschäftigung immer wichtiger werden. In diesem Zusammenhang darf das EU-Programm Erasmus+ nicht unerwähnt bleiben.

Der griechischen Präsidentschaft war, kann man jetzt beinahe schon sagen, es ein besonderes Anliegen, den Forschungsraum voranzutreiben. Wissenschaft war und ist schon immer international gewesen. Es ist aber auch ganz wichtig, die Wettbewerbs­fähigkeit der europäischen Wissenschaft unter dem wachsenden internationalen Kon­kur­renzdruck zu stärken. Dabei spielt Qualitätssicherung auf allen Bildungsebenen – wie zum Beispiel auf U-Multirank, das basierend auf den Themenfeldern Lehren und Lernen, Forschung, Wissenstransfer, internationale Ausrichtung und regionales Enga­gement eine Gesamtübersicht bietet – eine große Rolle.

Der Fokus wird im kommenden Jahr auf der Implementierung liegen. Die österreichi­schen Teilnehmer am Programm „Horizont 2020“ werden in Fragen wie zum Beispiel jener der besseren Zusammenschau zwischen nationalen und europäischen Förder­initiativen sehr tatkräftig durch die Fördergesellschaft FFG unterstützt werden. Die vorgesehene Stärkung der Partnerschaften, sei es jetzt öffentlich/öffentlich, sei es öffentlich/privatrechtlich, begrüße ich besonders.

Wenden wir uns jetzt vielleicht noch dem Ziel von Joint Programming zu. Erfreulicher­weise sind viele der strategischen Forschungsagenden fertiggestellt, und man kann nunmehr die Implementierung starten. Die zentralen gesellschaftlichen Herausforde­rungen wie Klimawandel, Energie- und Ernährungssicherheit sowie gesundes Altern sind auf nationaler Ebene allein nicht lösbar. Die Bündelung der Kräfte ist unbedingt notwendig.

Abschließend ist es für mich als stolze Österreicherin – und das spießt sich keinesfalls damit, dass ich eine überzeugte Europäerin bin – unumgänglich, über das Biobank-Netzwerk BBMRI, über die europäischen Biobanken zu reden. Einmal mehr zeigt dieses Projekt die große Leistungsfähigkeit der österreichischen Menschen. Sechs Millionen Proben werden in der größten akademischen Biobank Europas gelagert. Von der EU gefördert, sollen die über Europa verteilten Sammlungen in einer einzigen virtuellen Biobank zusammengeführt und sogar zur weltgrößten biologischen Proben­bank werden. Voll Stolz können wir sagen: Auch wenn Graz mit Lissabon, Helsinki, Manchester und London kooperiert, ist das Zentrum und der Knotenpunkt Graz!

Ich wäre keine Frauenpolitikerin, würde ich nicht abschließend sagen: Europa braucht Forscherinnen! Es gibt immer noch proportional zu wenige Frauen in der Forschung. Deswegen freue ich mich über jede Fördermaßnahme, die Abhilfe schafft und einen Weg in die richtige Richtung zeigt.

Ich denke, diese Jahresvorschau hat viele für die Menschen wichtige Themenfelder aufgezeigt. Ich glaube, dies beweist, dass man sich bemüht, Europa innovativer, trans­parenter und – das hoffe ich als Sozialdemokratin – damit auch gerechter zu machen.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 75

Deswegen werden wir diesem Bericht gerne zustimmen beziehungsweise ihn zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­rat Krusche. – Bitte.

 


13.07.10

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Unsere kritische Haltung gegenüber solchen EU-Berichten und den darin formulierten EU-Vorhaben und -Projekten kann ich ja als bekannt voraussetzen, wie ich bereits den Reaktionen entnommen habe, als ich mich zum Rednerpult begeben habe. Ich kann oder muss euch aber enttäuschen: Wir werden diesem Bericht, dieser Vorschau unsere Zustimmung erteilen. (Oh-Rufe und demonstrativer Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das freut euch.

Sicherlich einer der Hauptpunkte, die uns dazu bewegen, ist das bereits mehrfach erwähnte Programm „Horizon 2020“, das hier im Einzelnen ja schon vorgestellt wurde. Für uns wesentlich ist neben dem Gesamtvolumen von 80 Milliarden €, einer beacht­lich hohen Förderquote, das Ziel, verstärkt KMUs einzubinden, und vor allem auch die geplante und vorgesehene vereinfachte Abwicklung von Projekten im Rahmen dieses Programmes.

Ich weiß, wovon ich hier spreche: Das Unternehmen, bei dem ich beschäftigt bin, hat bereits im sechsten Rahmenprogramm unter anderem bei einem solchen EU-For­schungs­projekt mitgemacht. Das war auch relativ beachtlich, mit einem Volumen von insgesamt 26 Millionen €, davon 14 Millionen von der EU gefördert, mit 41 Projekt­partnern aus elf Ländern, von sechs Universitäten angefangen über Großbetriebe bis hin zu Klein- und Mittelbetrieben, so wie der meine einer ist.

Was war schlussendlich auch bei der Evaluierung, das Projekt ist schon abgeschlos­sen, einer der Haupt-Schwach- und -Kritikpunkte? – Das war die Größe dieses Pro­jektes, mit zahlreichen Unterprojekten und Subprojekten, und dadurch natürlich ein hoher Koordinierungsaufwand und sehr viel Bürokratie. Auch wird dann sehr viel Geld eigentlich, statt zielgerichtet in die Forschung investiert werden zu können, für Reisespesen und sonst wo verbraucht, wenn man immer quer durch Europa zu den diversen Meetings und Treffen tingelt.

Ich habe jetzt die Hoffnung, dass im Rahmen des neuen Programmes solche Projekte kleiner, effizienter, zielorientierter und vereinfachter abgewickelt werden können, und bin durchaus optimistisch, dass es die FFG schaffen wird, eine entsprechende Unterstützung und Aufklärung vor allem auch für Klein- und Mittelunternehmen und die Motivation für diese Unternehmen gewährleisten und sicherstellen zu können, damit diese dann an solchen Projekten auch teilnehmen.

Etwas kritischer sehe ich das Ziel, das auch du, Kollege Mayer, bereits erwähnt hast, nämlich die Hochschulabsolventen-Quote auf 40 Prozent zu erhöhen, wie es die Kom­mission formuliert hat. Ich halte dieses Quotendenken immer für etwas gefährlich. Das wahre und richtige Ziel sollte eigentlich eine hohe Ausbildungsqualität sein, um die Skills, die Fähigkeiten und die Kompetenzen der Absolventen zu gewährleisten, aber nicht, sich an Statistiken zu orientieren.

Ich habe auch das schon selber erlebt, auch bei EU-Ländern aus dem südlichen Raum, als ich mit zahlreichen sogenannten Civil Engineers im Bereich der Technik zu tun hatte, die aber in Wirklichkeit eine Kompetenz hatten, die von jedem HTL-Absol-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 76

ven­ten bei uns locker übertroffen wird. Das kann also nicht das alleinige Ziel sein, hier den Anteil zu heben, sondern es muss die Qualität gesteigert werden.

Es ist ja auch nicht so, dass man hier den jungen Menschen vielleicht falsche Erwartungen vorgaukeln sollte. Sie glauben dann, wenn sie einen akademischen Abschluss haben, werden sie entsprechend mehr verdienen. Die Zahl der Jobs auf dem Sektor wird ja nicht so steigen.

Ich darf nur daran erinnern, wie man das klassisch im Bankensektor hat miterleben können. Die Jobs, die früher noch – das ist schon sehr lange her – von Handels­schülern ausgefüllt wurden, sind später durch Handelsakademieabsolventen abge­deckt worden, und mittlerweile geht unter einem Bachelor eigentlich schon gar nichts mehr. Nur: Entsprechend mehr bezahlt bekommen die dann auch nicht!

Zu diesem Qualitätsgedanken darf ich vielleicht den Wittgenstein-Preisträger Josef Penninger zitieren, der Folgendes gesagt hat:

„Ein kleines Land kann international nur mithalten mit Qualität. Wir sollten also aufhö­ren, mit der Gießkanne zu verteilen, sondern Leuchttürme entwickeln. Die Realität ist leider: Wir fangen etwas an und bleiben im Mittelmaß stecken.“

Ich schließe mich hier seiner Kritik und seiner Aufforderung auch an Sie, Herr Bundesminister, an, dass uns – so die Kritik – die Vision in der Politik fehlt. Penninger wünscht sich, dass die Politik mit mehr Weitblick agiert, um solche Institutionen wie die seinige langfristig zu fördern. Ihm schweben in etwa zehn solcher Institute vor, was, wie er behauptet, gar nicht so teuer wäre – das kann und will ich jetzt nicht kommentieren –, und er meint, dass dies „für das ganze Land und auch international eine Signalwirkung“ hätte. Nun, ob es jetzt zehn oder fünf sind oder wie immer: Tatsache ist, die Qualität ist ein ganz wesentlicher Faktor und darf aus dem Blickpunkt der Wissenschaft und Forschung nie verloren gehen!

Abschließend noch kurz, auch positiv: Das Erasmus+-Programm ist ja bereits erwähnt worden, mit einem Volumen von insgesamt 14,8 Milliarden. Da erscheint mir besonders wichtig auch das Ziel, die Mobilität zu fördern. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich feststellen musste, dass eigentlich gerade bei jungen Menschen die Mobilität eher rückläufig ist. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich, ich sage einmal, Expeditionsgeist, Abenteuerlust und die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen, bei den jungen Menschen vielfach – nicht generell, aber vermehrt – auf die virtuellen Welten und weniger auf das reale Leben beziehen. Gerade für uns als export­orien­tiertes Land ist diese Internationalisierung, diese Mobilität und Kooperation, die im Rahmen dieses Programmes gefördert werden sollen, von essenzieller Bedeutung.

Ich hoffe, dass die Ziele, die diese Programme zum Inhalt haben, auch tatsächlich erreicht werden können. Deshalb sind wir optimistisch und stimmen diesem Bericht zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.15


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


13.15.58

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Lassen Sie mich hier am Anfang einen kurzen Sidestep machen. Wir haben ja heute relativ viele solche Berichte auf der Tages­ordnung, und das, wie soll ich sagen, Unbehagen oder die Schwierigkeit des Umgangs mit diesen Berichten ist teilweise auch schon zum Ausdruck gekommen. Denn wir behandeln jetzt, zur Hälfte des Jahres, also Mitte 2014, Berichte, die sich auf die 18-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 77

Monats-Präsidentschaft der drei EU-Präsidentschaften beziehen, und am Ende der griechischen Präsidentschaft, in vier Tagen, ist da sozusagen der Schlusspunkt.

Es ist also einerseits ein Hintennachwassern, was wir hier betreiben. Andererseits, um es einigermaßen seriös zu machen, ist es auch notwendig, sich über die Entwick­lungen vom Jahresbeginn bis jetzt zu informieren und das abzuklären. Im Sinne der Enquete über Status und Potenzial des Bundesrates, die gestern stattgefunden hat, glaube ich, sollte man sich auch den Umgang mit diesen Berichten im Rahmen des Bundesrates überlegen, nämlich ob es da nicht Verbesserungspotenziale des Bundes­rates gibt.

Aber zurück zum vorliegenden Bericht: Wichtig, denke ich – und das ist auch bei den Vorrednern schon zum Ausdruck gekommen –, ist der Start des neuen Rahmen­pro­grammes „Horizont 2020“ als eines der größten Programme im neuen EU-Finanz­rahmen mit 80 Milliarden €. Dieses Programm enthält viele neue Elemente und Instrumente, die sich – das steht auch im Bericht ganz deutlich drin – in der Praxis der Umsetzung erst bewähren müssen.

Da ist es natürlich von maßgeblicher Bedeutung, welche Unterstützung, vor allem auch finanzielle Unterstützung, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, aber auch Unter­nehmen – denn es sollen hier gerade auch KMUs einbezogen werden – vermehrt erhalten werden, um an diesem Programm mit Erfolg teilnehmen zu können. Das heißt, es ist zu hoffen, dass da die Kürzung der Ermessensausgaben nicht negativ zu Buche schlägt.

Insbesondere in Sorge sind wir betreffend den FWF, inwieweit es nicht doch notwendig ist, diesen finanziell viel mehr zu stärken. Ich darf nur daran erinnern, dass die FWF-Dotierung von Schwesterorganisationen in anderen Ländern eine sehr viel höhere als jene hier in Österreich ist. In der Schweiz stehen der entsprechenden Organisation 88,5 € pro Kopf und pro Jahr zur Verfügung; der finnischen Organisation 61,1 €, der englischen Organisation 48 €, der holländischen 37,2 €. In Deutschland sind es 33,5 €, und wir liegen bei 25,7 € pro Einwohner und pro Jahr. Daher denke ich, da wäre Spielraum nach oben und eine Aufstockung notwendig, eben auch, um gerade an solchen Programmen mit Erfolg teilnehmen zu können und sie wirklich auch auszu­schöpfen.

Es gibt in diesem Programm immerhin fünf Technologie-Initiativen, die für die österreichische Industrie auch wirklich von Bedeutung sind.

Der europäische Forschungsraum soll ja 2014 vollendet werden, und im Bericht wird vermerkt, dass es aber tatsächlich noch viel zu tun gibt. Aus dem Bericht geht nicht wirklich hervor, inwieweit es Hausaufgaben sind oder inwiefern andere Länder hier noch sehr viel zu tun haben.

Sehr positiv ist – das wurde auch hier schon angemerkt, und ich denke, dazu muss man wirklich gratulieren –, dass es gelungen ist, die Infrastrukturorganisation ERIC nach Graz zu bringen. Die Vernetzung der europäischen Biobanken ist ein sehr herausforderndes Projekt, durchaus auch gesellschaftlich herausfordernd, auch ethisch herausfordernd, aber auch für die Wissenschaft ein ganz wichtiges Projekt. Daher kann man nur dazu gratulieren, dass es gelungen ist, dass dies jetzt in Graz passiert, und darüber freue ich mich sehr.

Die Mobilität von Studierenden im Hochschulbereich und dergleichen wurde schon von meinem Vorredner angeschnitten. Mich hätte noch interessiert, inwieweit Österreich hier auch als Zielland interessant ist oder auch in seiner Attraktivität noch gesteigert werden könnte. Leider wird die Rot-Weiß-Rot-Karte in dieser Beziehung nicht verbes­sert. Im Bericht ist zwar davon die Rede, dass es eine Mobilitäts-Benchmark in diesem


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 78

Bereich gibt, aber nicht, wie Österreich da positioniert ist, also wie diese Benchmark für Österreich aussieht.

Im Rahmen der Strategie Europa 2020 soll ja der Anteil der Hochschulabsolventen und -absolventinnen auf 40 Prozent steigen. Es ist schon interessant, welche Berechnungs­modi man hier einsetzt, um die Quote zu erreichen. Rechnet man die HTL-Absolventen mit ein, haben wir diese Quote bereits erreicht und man könnte sich zurücklehnen, wenn nicht, dann sind wir bei 19 Prozent. – Das ist also schon ein großer Unterschied. Ich glaube, dass es auch in diesem Punkt nicht an der Zeit ist, sich zurückzulehnen oder sich auf etwas auszuruhen, sondern dass es auch hier Luft nach oben gibt.

Natürlich muss es in unser aller Interesse sein, diese Quote zu steigern und sich mit qualitätsvoller Ausbildung und auch als interessantes Zielland zu steigern, denn nur dann werden wir den Herausforderungen der Zukunft auch wirklich gerecht werden. Ich halte diesen Streit für müßig und hoffe, er führt nicht dazu, dass man sich zurücklehnt und sagt: Ja, wenn wir so berechnen, wie wir berechnen, dann haben wir das schon erreicht. – Das kann es sicherlich nicht sein, aber ich denke, es wird auch nicht so ver­standen.

Noch zu einem Punkt im Bericht: Ich glaube – und das kommt auch in dieser Formu­lierung, meiner Ansicht nach einer etwas unglücklichen Formulierung, in diesem Bericht zum Ausdruck –, dass es ein tiefes Missverständnis gibt, wie Forschung und Innovation funktionieren. Auf Seite 6 des Berichts steht Folgendes:

„Die Arbeit der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIPs) soll überwacht wer­den, mit dem Ziel, dass diese einen möglichst großen Beitrag für die gesellschaftlichen Herausforderungen leisten. Die Weiterentwicklung des ‚einzigen integrierten Inno­vations­indikators‘ im Sinne einer besseren Überwachung der Innovationsfortschritte in der EU wird unterstützt.“

Ich glaube, Innovationsfähigkeit ist etwas, was man nicht so direkt messen und über­wachen kann, auch nicht in seiner gesellschaftlichen Auswirkung und wie damit tatsächlich den gesellschaftlichen Herausforderungen begegnet werden kann. Ich denke, hier muss es viel Bemühen geben, auf der anderen Seite aber auch immer viel Vertrauen und auch Akzeptanz, dass die Messbarkeit da seine Grenzen hat, dass dieser Messbarkeit auch ganz klare Grenzen gesetzt werden und dass es da nicht um Überwachung gehen kann. Das halte ich für den Bereich der Innovation für kontra­produktiv. Wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mit­ter­lehner. – Bitte.

 


13.25.25

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf unmittelbar an die Ausführungen von Frau Dr. Reiter anschließen, was die Vorgangs­weise anlangt. Sie haben angemerkt, dass wir jetzt Juni haben und sich die Frage stellt, ob der Bericht noch aktuell ist oder ob man sich neue Informationen holen muss:

Im Endeffekt – und das werden Sie an der Struktur merken – sind es eigentlich zwei Berichte, denn der unmittelbar nachfolgende Tagesordnungspunkt hat ja den Bericht über die EU-Ebene im Bereich Wirtschaft zum Gegenstand. Daher spiegeln gerade die beiden Tagesordnungspunkte wider, dass im Dezember, als wir den Bericht vorgelegt haben, die Struktur noch unterschiedlich war. Das heißt, es waren zwei Ministerien. Eigentlich könnten oder sollten wir das in einem Tagesordnungspunkt diskutieren.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 79

Auf der anderen Seite hat die jetzige Diskussion den Vorteil, dass Sie damit einen Realcheck machen können, ob das, was im Bericht drinnen steht, der Realität ent­spricht, ob sich das auch in den Medien oder in anderen Programmen und Umset­zungsvorhaben widerspiegelt. – Ich würde sagen: Ja.

Das Vorhaben während des halben Jahres der griechischen Ratspräsidentschaft wurde schon mehrfach erwähnt, ich möchte noch einen Punkt herausnehmen, da er bereits mehrfach – und auch jetzt von Ihnen – angesprochen worden ist, und zwar, dass Griechenland im Rahmen der Ratspräsidentschaft vorgesehen hat, insbesondere in die jeweiligen Rankings der europäischen Hochschulen etwas mehr Objektivität hineinzubringen. Ich habe schon beim letzten Tagesordnungspunkt angemerkt, dass das immer ein Problem ist: Die meisten Rankings sind auf den europäischen, vor allem englischsprachigen Bereich ausgerichtet, daher gibt es schon eine bestimmte qualitative Komponente bei der Bewertung, die unterschiedlich ist, vor allem auch bei der Volluniversität, wo man dann ganz unterschiedliche Betreuungsrelationen be­kommt.

Daher war das sogenannte U-Multirank während der griechischen Präsidentschaft ein wichtiges Thema. Das ist ein Universitätsrankingprogramm, das anders ausschaut als die bisherigen Programme, es kann von den Interessenten mehr oder weniger interaktiv über Internet abgerufen werden, um wirklich einigermaßen objektive Rück­schlüsse ziehen zu können. Es ist in die Themenbereiche oder Dimensionen For­schung, Lehren und Lernen, internationale Ausrichtung, Wissenstransfer und regio­nales Engagement strukturiert. Der erste Realitätscheck ist mit 13. Mai 2014 online gegangen, es wurde also, wie geplant, auch umgesetzt.

Wir haben im Rahmen des Wissenschaftsausschusses mit wesentlichen Verant­wortlichen auch eine intensive Diskussion über die Bedeutung von derartigen Rankings und deren Nutzbarmachung geführt.

Sie haben die Frage gestellt, ob es richtig ist, betreffend den Innovationsbereich das Wort „Überwachung“ zu verwenden. – Ich würde sagen, es gibt vielleicht bessere Worte als „Überwachung“, denn ein Klima, ein Biotop können Sie nicht unbedingt mit derartigen Worten ganz scharf beurteilen. Bestimmte Orientierung bieten auch das Innovation Scoreboard und andere Einrichtungen. Wir hätten ja gerne eine etwas andere Positionierung als den 10. Platz. In Wirklichkeit haben wir uns vom Index her gar nicht verändert und verschlechtert, andere haben allerdings intensive Bemühungen gestartet.

All das hat Vor- und Nachteile. Ich würde sagen – ohne jetzt dem Ausschuss unrecht zu tun –, das gesamte Ranking ist sehr kritisch bewertet worden, sogar kritischer als im Wirtschaftsbereich, wenn man findet, es gäbe keine Objektivität. Ich glaube, wir sind uns aber einig, dass wir im Wesentlichen die Rahmenbedingungen für Innovation verstärken wollen.

Ein Kernanliegen der neuen italienischen Ratspräsidentschaft – und auch im 18-Monats-Programm enthalten – ist die Steigerung der Mobilität. In diesem Zusammen­hang ist Erasmus+ ein wirklich wichtiges Programm, das jetzt auch auf mehrere andere Bereiche konzentriert wurde, um eine bessere Übersichtlichkeit zu haben. Es wurden auch Sport und Jugend aufgenommen, den Hauptpunkt bildet aber nach wie vor der Bereich der Studierenden. Im letzten Programm hatten wir dort 74 000 Absolventen und wollen uns bemühen, diese Zahl im neuen Programm auf 100 000 zu erhöhen.

Es wurde auch die Frage gestellt, ob wir nur Outgoing sind oder ob es auch Incoming und Attraktivität gibt. – Das hält sich mit etwa 5 000 Studenten, die zu uns kommen und von Österreich weggehen, einigermaßen balanciert die Waage. Wir haben das bei anderen Darstellungen – aber nicht in diesem Report – auch schon präzisiert. Wir sind


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 80

zum Beispiel sogar attraktiver als manche andere Länder, die im Ranking offensichtlich so weit vorne liegen wie das Vereinigte Königreich. Da ist Österreich also durchaus – vielleicht auch wegen der geografischen Lage oder weil Wien und die anderen Städte eine gute Lebensqualität anbieten – interessant.

Wenn wir Identität in Europa haben wollen und die Möglichkeiten auch wirklich gelebt sehen wollen, dann ist Erasmus+ eine wirkliche Chance, und diese wollen wir auch im kommenden Programm nutzen. Sie haben schon die Summen angesprochen, auch dort hat man sich im Endeffekt auf EU-Ebene gesteigert.

Das gilt auch, wenn wir jetzt noch kurz den Bereich Forschung beleuchten, für diesen Punkt. Horizon 2020 hat über 80 Milliarden € zur Verfügung, ist also wesentlich ausgeweitet worden, um dem europäischen Forschungsraum auch größeres Gewicht zu geben. Wir hatten so wie zu Erasmus+ auch für Horizon 2020 im Jänner wirklich gute Auftaktveranstaltungen in der Hofburg, mit rund 1 000 Teilnehmern und den jeweils verantwortlichen Kommissarinnen. Ich glaube, dass wir gute Chancen haben – wir haben im letzten Rahmenprogramm 1 Milliarde € lukriert und wollen im kommenden beziehungsweise dem jetzt schon laufenden 1,5 Milliarden € haben. Das entspricht auch der Ausweitung um die rund 50 Prozent, und ich glaube, dass das wirklich gut angelegt ist. (Präsident Lampel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es wurden auch die Grand Challenges, das Europäische Semester schon erwähnt. Das sind natürliche genau die Wichtigkeiten, um die sogenannte Third Mission zu erfüllen, um nämlich neben Forschung und Lehre auch der Bevölkerung deutlich zu machen, dass Forschung und Wissenschaft auch Probleme lösen können, wie jene, die die demografische Entwicklung mit sich bringt, die CO2-Problematik oder die Ernährungssicherheit. All das steht ja da stärker im Fokus.

Das aus den Programmen abgeleitete Ziel für Österreich haben Sie ja schon teilweise angesprochen, und wir haben es im Bericht auch dargestellt: Wir wollen, was Horizon 2020 anbelangt, die Mittel quantitativ für uns lukrieren. Qualitativ, was die sogenannten Grants anbelangt, haben wir bei den ERC-Grants eine Positionierung an fünfter Stelle. Wir liegen da also über unserer Größenordnung, was für die Qualität im Bereich der Forschung spricht. Die Quote ist ja auch angesprochen worden. Die EU hat eine 40-Prozent-Quote, was Absolventen anbelangt, wir liegen leicht darunter. Ich pflichte auch vielen Rednern bei, die vor mir gesprochen haben: Es geht um die Qualität und um den Qualitätsrahmen insgesamt.

Wir wollen auch die erhöhte Sektordurchlässigkeit. Wir wollen den gesamten – daher auch die Konstellation im Ministerium – Innovationszyklus abdecken, also von der Grund­lagen­forschung über die angewandte Forschung bis zu den Unternehmen und zur betrieblichen Verwertung. Das heißt, es braucht dafür auch andere Voraus­setzungen bei der Beratung, das macht die FFG. Wir haben bei uns aber auch ein eigenes Beratungsgremium installiert, unter der Leitung von Frau Professor Helga Nowotny, die uns garantieren wird, dass wir nicht kopieren, was andere Länder tun, sondern kapieren, wie man das in anderen, mit uns vergleichbaren Ländern gemacht hat. Wir werden in Alpbach dann die ersten Umsetzungsschritte diskutieren, die dieses Gremium, das ich gerade angesprochen habe, das ERA Council Forum Austria, erarbeitet hat.

Daher glaube ich, dass wir jetzt nicht nur eine Stimmung erzeugen wollen und erzeugt haben, sondern auch die systematischen Grundlagen haben, um uns im Wissen­schafts- und Forschungsbereich weiterzuentwickeln. Und weil einige von Ihnen zuvor gemeint haben, man bräuchte und man sollte – Kollege Krusche hat Professor Pen­ninger zitiert – zehn derartige Einrichtungen haben: Wunderbar, ich würde mir noch mehr wünschen, das ist aber alles eine Frage der Finanzierung.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 81

Wir haben jedenfalls – weil auch der FWF angesprochen worden ist – das erste Mal den FWF auf diese Weise budgetär abgesichert. In den letzten fünf Jahren war das eine Art Bastelsystem, nur ein Teil war im Bereich Finanzrahmen abgesichert, der andere Teil bei der Nationalstiftung, teilweise Rücklagen von uns – und auf dem Niveau haben wir uns einigermaßen gehalten. Jetzt haben wir für die nächsten drei Jahre eine höhere Kontinuität, bessere Planungssicherheit, die budgetäre Abdeckung und eine Steigerung um, wie ich glaube, 7 Prozent für die Entwicklung. Das ist natürlich nach oben steigerbar, aber in Wirklichkeit eine solide Grundlage. Und glauben Sie mir: Die Forscher haben das so gesehen und die Akademie der Wissenschaften in ihrem Bereich detto. Dort haben wir ja sogar noch größere Steigerungen. Professor Penninger ist mit seinem Institut an der Akademie der Wissenschaften, und der Wittgenstein-Preis, den er erhalten hat, ist mit 1,5 Millionen € dotiert  das ist für viele oder einige Jungforscher eine Möglichkeit, in den nächsten Jahren hier entsprechend tätig zu sein.

Daher gibt es in dem Rahmen, den wir haben, durchaus eine Beschleunigung. Mach­bar ist das, was wir jetzt haben, wünschenswert noch mehr, an dem arbeiten wir. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.35


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.36.175. Punkt

Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Wirtschaft) (III-510-BR/2014 d.B. sowie 9199/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir kommen nun zum 5. Tagesordnungspunkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich bitte um den Bericht.

 


13.36.36

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M : Herr Präsident! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Jahresvorschau 2014 zum EU-Vorhaben im Bereich Wirtschaft.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2014 den Antrag, die Jahresvorschau 2014 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Michael Lampel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile es ihm.

 


13.37.16

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es wurde heute eingangs schon erwähnt, dass die Berichte von der EU-Kommission mehr oder weniger im Nachhinein zu uns kommen,


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denn in einer halben Woche ist die erste Jahreshälfte vorbei. Aber die Schuld liegt nicht im österreichischen Bundesministerium, sondern bei der EU-Kommission, da die Fristsetzung einfach viel zu lange ist. Das ist auch ein Grund, warum wir diesen Bericht ablehnen, denn er hat einfach zu wenig Österreich-Bezug. Das ist aber jetzt kein Vorwurf ans Ministerium, denn mich würde es auch nicht interessieren, historische Werte im Nachhinein hineinzuproduzieren, das macht wenig Sinn. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Ich habe mir aber erlaubt, dem Ganzen etwas österreichische Aktualität einzuimpfen. Denn die EU-Kommission gibt ja sehr wohl Vorgaben an die österreichische Bundes­regierung, und zwar diese nationalen Reformprogramme im Rahmen des Europä­ischen Semesters, der Fiskalpolitik. Vor Kurzem ist eine Empfehlung an Österreich ergangen, die Senkung der Kosten für Arbeit und Sozialversicherungsbeiträge endlich anzugehen, weil es nicht sein kann, dass wir Unternehmer und Unternehmerinnen – und letztlich trifft das ja auch die gesamte Arbeitnehmerschaft – mit dermaßen hohen Steuern belastet werden. Es geht in erster Linie um die Abgaben für Sozialver­sicherungsbeiträge, die bereits höher sind als die Steuern.

Da wir ja heute schon viel über Wissenschaft gesprochen haben, kann man da auch Joseph Schumpeter hernehmen. – Es ist immer interessant, wenn man sich mit der Genesis von gewissen Bereichen, Themen, Aspekten beschäftigt. Bei der Prognose war es zuvor Oskar Morgenstern, jetzt Schumpeter.

Schumpeter spricht über die „Freude am Erfolghaben“ und sagt, die Rastlosigkeit des Unternehmers sei die Quelle des Kapitalismus. – Dazu sollte man einmal stehen. Denn wer schafft Wachstum, wer schafft Entwicklung? – Das ist letztlich der Unternehmer mit seiner Beschäftigung, mit seinen Mitarbeitern, die hier auch schlussendlich die Steuer­quote für den österreichischen Staat lukrieren.

Zusammengefasst: Es kann nicht sein, dass wir Unternehmer permanent behindert werden, und nicht gefördert. Aus diesem Grund habe ich mir erlaubt, vor wenigen Tagen in der Wirtschaftskammer Wien einen Antrag einzubringen. – Ich muss ganz offen sagen, dass der Wirtschaftsbund gar nicht so unbeweglich ist. – Ich habe das ein bisschen konkreter durchgerechnet, nämlich in dem Sinne, dass wir nicht eine zehn­prozentige, sondern eine 45-prozentige Senkung der Sozialversicherungsbeiträge einfordern.

Wenn man sich das ausrechnet, nämlich im Vergleich zur Gebietskrankenkasse, dann zahlen die Unternehmen um 45 Prozent mehr als vergleichbare Versicherte bei der Gebietskrankenkasse. Beide, wenn ich das kurz präzisieren darf, bezahlen 7,65 Pro­zent bei der Gebietskrankenkasse und bei der Sozialversicherung, wir Unternehmer haben aber noch einen 20-prozentigen Selbstbehalt. Da stimmen schon einmal die 20 Prozent nicht, dieser Betrag ist zu hoch.

In zweiter Linie sind wir Unternehmer, das sage ich aber jetzt wertfrei, um zirka ein Viertel weniger krank. Das macht noch einmal 25 Prozent, dann bin ich bei 45 Prozent. Da bin ich aber genauso wie die bei der Gebietskrankenkasse Versicherten. Da haben wir uns noch nicht einmal genau angesehen, dass die Verwaltung bei der Gebietskrankenkasse ja auch einige Prozentpunkte ausmacht. Aber damit möchte ich mich jetzt nicht beschäftigen, es geht rein um die Versicherten bei der SVA, und da zahlen wir Unternehmer um 45 Prozent zu viel.

Daher fordern wir diese Senkung der Kassenbeiträge an die Sozialversicherung. Ich ersuche Sie oder ich lade Sie gerne dazu ein, mit uns für diesen Antrag zu stimmen, nämlich diesem Antrag von uns von der freiheitlichen Wirtschaft, von FPÖ pro Mittel­stand, vom Mittelstand, die wir auch in der Wirtschaftskammer tätig sind.


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Zurück zum Bericht: Ich habe mir das Thema Industriepolitik herausgenommen, das auch nicht ganz uninteressant ist, weil Industriepolitik ohne Finanzmarkt eigentlich nicht wirklich funktionieren kann. Der Finanzmarkt fristet in Österreich ein Dasein, das nicht gerade vorteilhaft ist für einen Industriekonzern – wenn man es so nennen darf, denn Industriekonzerne sind nicht per se etwas Negatives, denn es hängen sehr viele KMU-Betriebe daran, die am Erfolg oder Misserfolg solcher Industrieunternehmen mitpartizipieren. Ich möchte es einmal so definieren.

Weltweit ist ein Börsenboom bekannt, das ist kein Geheimnis. Wenn man sich aber die österreichische Börse ansieht, muss man feststellen: Wir sind gleichbleibend. Wenn ich mir vor das vor Kurzem verabschiedete Enteignungsgesetz ansehe, das rückfordert und Rückenteignungen schafft, trotz diverser Haftungen, muss ich sagen: Das ist genau das, was ich vor vier Jahren hier im Bundesrat einmal gesagt habe, wofür ich noch hellauf ausgebuht worden bin.

Ich habe damals gesagt, dass der österreichische Staat sich eines Tages nicht an seine Haftungen halten wird. Das habe ich 2010 in einer meiner ersten Reden gesagt, und das ist eingetreten: Der österreichische Staat kommt seinen Haftungsver­pflichtungen, die jetzt Länder- oder Bundessache sind, nicht nach.

Das wird noch heftige Auswirkungen haben, denn letztlich funktioniert eine gesunde Unternehmerschaft, eine gesunde Wirtschaftspolitik nur mit einem gesunden Finanz­markt, nur mit einem gesunden Geldmarkt, nur mit einem gesunden Kapital­markt. Denn auch die Bankenkredite sind letztlich Finanzmarkt. Jedes Fremdkapital, jedes Eigenkapital ist, wenn ich mich damit beschäftige, Finanzmarkt, Kapitalmarkt, und der liegt danieder. Die Bundesregierung hatte seit der Krise bereits sieben Jahre Zeit, da etwas zu tun, aber es wird schlechter und schlechter.

Daher diese Zielvorgabe seitens der EU, die im Bericht von der Industriepolitik auch wiedergegeben wird – ich zitiere –: Neue Investitionen und die „Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe an die Realwirtschaft“ sind notwendig. – Das wird es in Österreich in Zukunft weiter nicht spielen. Unternehmer werden weiterhin an der Kredit­klemme mehr und mehr leiden. Das ist aber hausgemacht, das ist österreichbezogen (Widerspruch bei der ÖVP), das hat mit der EU, mit der weltpolitischen makroöko­nomischen Lage eigentlich nichts zu tun, das ist allein Schuld unserer österreichischen Bundesregierung.

Die Steuern bewegen sich schon weltweit in eine andere Richtung. England hat die Steuern gesenkt, Spanien hat die Steuern gesenkt, Frankreich senkt die Steuern, bei uns tut sich nichts. Frankreich hat es angekündigt, Spanien wird es realisieren, England hat es schon realisiert, die Schweiz feiert fröhliche Urständ.

Egal, welches Ranking man sich ansieht, es ist beeindruckend, dass die Schweiz überall die Nummer eins ist. (Bundesrat Günther Köberl:  Fußball! – Allgemeine Heiterkeit.) Was ich zuvor nicht erwähnt habe: Sogar wenn man sich die Bezahlung der Professoren im weltweiten Vergleich ansieht, stellt man fest: Die ist in der Schweiz doppelt so hoch wie in Österreich. Es ist beeindruckend, wie man mit niedrigen Steuern, mit einer freien Marktwirtschaft, mit Respekt gegenüber der Unternehmer­landschaft einen Wohlstand schaffen kann.

Wir von FPÖ pro Mittelstand wollen so ein Modell mit niedrigen Steuern bezie­hungs­weise Abgaben. Daher treten wir für eine radikale Senkung und eine Befreiung ein. Das ist für mich Entfesselung der Unternehmenslandschaft! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.45



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 84

Präsident Michael Lampel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Perhab zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.45.15

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Eine 18-monatige EU-Vorschau hat es natürlich in sich, und es wurde heute schon des Öfteren kritisiert, dass wir diesen Bericht erst so spät auf der Tagesordnung haben.

Es ist eher zu 90 Prozent an uns, das in Zukunft zu regeln. Aber, Frau Dr. Reiter, es ist auch kein Beinbruch aus meiner Sicht, weil die Themen und die Zielsetzungen nicht abgehakt werden – wenn auch dieser Bericht am Montag mehr oder minder zum Abhaken ist –, denn diese Themen sind langfristig zu sehen, und das ist auch in diesem Wirtschaftsbericht so.

Wenn ich mir nur das Europäische Semester anschaue, das Kollege Pisec erwähnt hat, so sind die fünf Prioritäten im Europäischen Semester nach wie vor nicht erfüllt: Haushaltskonsolidierung, Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe an die Betriebe, Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit et cetera.

Es wäre für uns alle sehr schön und für mich als Vertreter der Wirtschaft besonders, wenn wir nur einige dieser Punkte bereits als absolviert und abgerechnet abhaken könnten und für die Zukunft andere Themen als Arbeitslosigkeit, mangelndes Wachs­tum und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit hätten. Ich denke, dass das ein Dauerthema sein wird und auch im Bericht der nächsten Präsidentschaft die gleichen Zielsetzungen wieder aufgelistet werden.

Zum Herr Kollegen Pisec möchte ich sagen: Um Sozialversicherungsbeiträge kann man natürlich immer streiten, vor allem um die der Selbständigen. Wir wissen, dass wir da doch eine große Belastung haben, sind aber in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft doch so solidarisch, dass eben die größeren Betriebe – nicht ich, ich bin ein Kleinbetrieb – für unsere vielen EPUs mitbezahlen, obwohl auch die das Gefühl haben, dass sie zu viel bezahlen. Aber in Summe ist das Solidarität der Groß­betriebe gegenüber den Kleinbetrieben. Daher ist auch diese Belastung für Betriebe nicht angenehm.

Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass ein Selbstbehalt per se nichts Schlech­tes ist, weil er die Menschen einfach dazu anhält, zu überlegen, ob sie diese Leistung in Anspruch nehmen oder nicht. Ich weiß, dass das eine breite Diskussion auch in anderen Sozialversicherungsanstalten auslösen würde.

Seien wir aber froh, dass wir die großen Sozialversicherungsanstalten in Österreich zurzeit finanziell halbwegs im Griff haben, und zwar ohne Beitragserhöhungen, die zusätzlich gekommen sind! Die SVA war eine dieser Anstalten, die jahrzehntelang in den Zuschussfonds, in den Hauptverband eingezahlt hat, und zwar gegen unseren Willen.

Heute ist die Situation so, dass wir an der Kippe der Ausgeglichenheit des Budgets sind, daher können wir uns keine großen Sprünge leisten; aber die Zielsetzung, da gebe ich dir recht, wäre auch für ein Unternehmen, für uns als Arbeitgeber und Unter­nehmer durchaus förderlich.

Deinen Ausführungen beziehungsweise Vorträgen zur Volkswirtschaft, die du als Hayek-Schüler unter sonstigen Verehrern des Kapitalismus und der freien Marktwirt­schaft hältst, kann ich nicht zustimmen. Ich habe bei der letzten Bundesratssitzung einen Redebeitrag von dir vermisst, nämlich zum TTIP, zum Freihandelsabkommen mit


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den USA. Ich weiß, dass du da zu 100 Prozent gegen die Meinung deiner Partei argumentieren müsstest.

Man muss trotz dieser Kampagne der „Kronen Zeitung“ und sonstiger Konzerne objektiv feststellen, dass Freihandelsabkommen per se nichts Schlechtes sind. Die Europäische Union hat ja schon zig Freihandelsabkommen mit anderen Wirtschafts­blöcken abgeschlossen, mit Japan, Korea und anderen, ich glaube zwölf oder 13 an der Zahl.

Letzten Endes ist ein intensiver Handel auch Garant dafür, dass wir ein besseres Zusammenleben auf dieser Welt zusammenbringen und in eine Win-win-Situation kommen; denn wo Handel stattfindet, ist meistens das Konfliktpotenzial viel geringer, als wenn kein Handel und keine Wirtschaftsbeziehungen stattfinden. Ich weiß ja, dass in Europa ein bisschen so ein latenter Anti-Amerikanismus verankert ist, aber reden wir das doch nicht schon von Haus aus alles schlecht, sondern schauen wir einmal, was herauskommt! (Zwischenrufe bei der FPÖ sowie des Bundesrates Füller.)

Man kann geteilter Meinung sein, ob das transparenter stattfinden sollte oder nicht (Bundesrätin Michalke: Der Landwirtschaftsminister hat es gesagt!), aber ich bin ein doch schon langjähriger Kollektivvertragsverhandler und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Weder die Arbeitnehmer- noch die Arbeitgeberseite gibt beim ersten Sitzungstermin schon alle ihre Verhandlungsforderungen preis. Das wird Zug um Zug abgesteckt, das wird verhandelt, und zum Schluss kommt ein Kompromiss heraus, den hoffentlich dann alle tragen.

Ich hoffe, dass das auch beim TTIP so sein wird, dass zum Schluss etwas heraus­kommt, das das Europäische Parlament mit Mehrheit beschließen muss und die 28 Mitgliedstaaten ratifizieren müssen. Also da gibt es genug Sicherheitsportale und Hürden, die verhindern, dass unsere Standards von Amerika oder jemand anderem unterlaufen werden.

Noch ein letzter Satz dazu: Jeder, der Amerika schon ein bisschen bereist und oder sich mit den USA beschäftigt hat, weiß: Hinterwäldler und Neandertaler sind sie ganz sicher nicht. Sie sind übrigens die ersten, die am Mond gewesen sind. Wir Europäer sind in dieser Hinsicht weit hinten. Und nicht alle Standards, die aus Amerika kommen, sind schlechter als unsere. Also bleiben wir da objektiv und sachlich, und schauen wir uns an, was herauskommt!

Nun aber noch zum Bericht: Ein meiner Ansicht nach besonders interessantes Kapitel ist COSME, das Programm für Wettbewerbsfähigkeit, das wir im Ausschuss schon diskutiert haben. Meine Bitte an den Herrn Minister ist daher, über das AWS diese Dinge nach wie vor zu lukrieren und auszuloten, damit wir noch näher an den Unternehmer herankommen, damit wir diese Mittel tatsächlich zum Betrieb, zum Unternehmer direkt hinführen können.

Wir wissen doch alle, die Garantievorschriften der Banken sind, nicht nur durch Basel III, einfach härter geworden, und das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich habe selber einen Betrieb mit einem Verkehrswert von etwa 1 Million € und einem Ertrags­wert von 700 000 € und habe keine Chance, einen Kredit von 1 Million € zu bekom­men, selbst wenn ich es wollte – ich will es aber ohnehin nicht mehr in meinem fortgeschrittenen Alter.

Ich sage nur dazu: Es ist für einen Jungen sehr schwer geworden, erst recht ohne überhöhte Sicherheiten, so einen Betrieb für die nächsten 20 Jahre zu erweitern oder zu finanzieren. Wenn dieses Programm dazu beiträgt, dass wir den Unternehmern die Finanzierung in Zukunft erleichtern können, dann ist das für uns alle nicht nur positiv,


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sondern auch zukunftsweisend und eine ganz, ganz richtige Maßnahme der Euro­päischen Union.

Ein letzter Satz noch zur Vorschau, etwas, das nach wie vor ein Dauerthema ist: die Umsetzung des Small Business Act, Schwerpunkt Aktionsplanung Unternehmer­tum 2020. Da ist, glaube ich, die Europäische Union und die Kommission sicherlich mithelfend, aber natürlich müssen auch wir in Österreich unsere Hausaufgaben machen.

In den nächsten Jahren stehen in Österreich 50 000 Betriebe zur Übernahme bezie­hungsweise Betriebsübergabe an. Wir haben viele familiengeführte Betriebe, in denen es aufgrund des fehlenden Nachwuchses, aber auch aufgrund der verminderten Marktchancen zu keinen Betriebsübergaben kommt. Es sind großteils Arbeitgeber­betriebe, die noch Arbeitnehmer beschäftigen, und nicht klassische EPUs.

Ich glaube, auch in dieser Angelegenheit müssen wir alles tun, um das Unternehmer­tum mit mehr Respekt und Anerkennung in Österreich zu behandeln. Und das müssen wir früh genug tun, denn es hat nicht jeder Österreicher und jede Österreicherin einen Zug zum Unternehmertum – das wissen wir aus der Praxis, aus Erfahrung –; und wenn wir das durch Vorbilder und solche Fördermaßnahmen in Zukunft noch besser machen können, dann soll uns nicht bang um die österreichische Wirtschaft sein.

Wir nehmen diesen Bericht sehr gerne zu Kenntnis. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.53


Präsident Michael Lampel: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Fetik zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


13.54.05

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Minister, Sie sprechen in Ihrem Bericht die hartnäckige Wachstums­schwäche in Europa an, die es zu überwinden gilt. Das ist nach wie vor aktuell, auch wenn der Bericht retrospektiv ist. Dafür braucht es – ich zitiere Ihr aktuelles Vorwort –, „eine Entfesselung des Binnenmarkts, eine stärkere Berücksichtigung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und eine raschere Erschließung neuer Märkte mit neuen Produkten und Dienstleistungen“.

Italien und Frankreich beginnen bereits, die akkurate Sparmaxime des Stabilitäts- und Fiskalpaktes zu diskutieren und verlangen, durch vermehrte Investition in Beschäfti­gung die Wachstumsmöglichkeiten tatsächlich zu vergrößern. Nur wenn möglichst viele Menschen in gesicherter Beschäftigung sind, von der sie selbstbestimmt leben können und wo von Lohnerhöhungen netto von brutto ausreichend überbleibt, werden sie sich die alten und neuen Produkte und Dienstleistungen leisten können, werden sie konsumieren und damit wieder die Entwicklungschancen von kleineren und größeren Unternehmen vergrößern.

Wo sollen all jene Menschen Beschäftigung finden, die durch die unsinnigen, der Spardoktrin folgenden, unmittelbaren und mittelbaren Einsparungen der öffentlichen Hand ihre heutigen und künftigen Arbeitsplätze verlieren? Wo sollen Menschen länger in Beschäftigung bleiben können, wenn ältere Menschen ausgetauscht werden durch jüngere, billigere in- und ausländische Arbeitskräfte? Ich frage mich auch: Wie sollen sich Menschen, die kein Einkommen haben, wenn sie krank sind, wenn sie älter sind, ihre Krankheit, ihre Pension leisten können?

Sie sprechen auch von einer aktiveren Rolle Europas in der Welthandelspolitik. Beson­deres Augenmerk ist dabei meiner Meinung nach auf die Vielzahl in Verhandlung


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stehender Abkommen zu richten. Zum Beispiel TISA und TTIP sind heute schon ange­sprochen worden.

Völlig inakzeptabel ist, dass durch ein Schiedsgerichtsverfahren und durch den Investitionsschutz beziehungsweise ISDS die Rechte von ausländischen Konzernen gestärkt werden sollen, wobei die Konzerne dann aufgrund von Regulierungen, Geset­zen, Standards und so weiter möglicherweise wegen Gewinneinbußen Klagen gegen Staaten erheben können. Wenn man glaubt, dass das Fiktion wäre, verweise ich auf die Beispiele von mehr als 20 Klagen in Kanada im Wert von 2,5 Milliarden Dollar.

Diese Verhandlungen führen auch dazu – das ist heute schon angesprochen worden –, dass möglicherweise in Standards eingegriffen wird, nämlich in arbeits-, sozial-, gesund­heits-, umweltpolitische Standards, da geht es um Regelungen, auf die wir in Österreich zu Recht sehr, sehr stolz sein können. Auch das halte ich für absolut problematisch.

Darüber hinaus denke ich – das sage ich von Kollektivvertragsverhandlerin zu Kollek­tiv­vertragsverhandler, Herr Bundesrat Perhab –: Wenn Verhandlungen im Geheimen stattfinden, unter Ausschluss wesentlicher Interessenvertretungsgruppen, dann macht mich das nicht sicher, dass am Ende Gutes herauskommt. Ich halte das im Gegenteil für ziemlich undemokratisch und auch ganz sicher nicht im Interesse der öster­reichischen Wirtschaft und der österreichischen Interessenvertreter. (Bundesrat Perhab: ÖGB!) – Ich denke, auch Sie haben die Möglichkeit, über Ihre Wirtschafts­kammer Ihre Interessen gut vertreten zu lassen.

Zum Abschluss würde ich gerne noch Folgendes sagen: Ein Schiedsgerichtverfahren ist für mich unmöglich. Eine Form, dass österreichische Standards untergraben wer­den, ist für mich undenkbar. Außerdem sollten bestimmte Bereiche von diesem TTIP ausgenommen werden, das Verfahren sollte noch einmal gestartet und ordentlich verhandelt werden.

Zum Abschluss würde ich gerne noch auf das Thema Ausbildung und Beschäfti­gung von jungen Menschen zurückkommen, denn in diesem Zusammenhang werden Österreich beziehungsweise Bundesminister Hundstorfer mit dem dualen Aus­bildungssystem immer wieder als gutes Beispiel genannt – zu Recht, aber ein gutes System lebt davon, dass man es weiterentwickelt, dass man es evaluiert und dass man schaut, wo es Bedarf gibt, weil sich Dinge verändern.

Man muss sich fragen, ob es wirklich notwendig ist, heute noch einen Lehrberuf für Buchdrucker und Schriftsetzer einzurichten oder ob es nicht sinnvoll wäre, über Lehrpläne, Berufsbilder und andere Inhalte zu reden. Man sollte sich nicht gegenseitig öffentlich die Blockadepositionen ausrichten, sondern sich vielmehr an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Das würde den Jungen eine gute Ausbildung ermöglichen und letztendlich auch dazu beitragen, dem Facharbeiter­mangel in der Wirtschaft mit einer ganz konkreten und sinnvollen Maßnahme zu begegnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.01


Präsident Michael Lampel: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


14.01.19

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Auch dieser Bericht bietet ein sehr breites Spektrum an Themen. Das zeigt auch die Breite der Redebeiträge, die wir hier schon gehört haben. Ich möchte wirklich nur ganz kurz einige Punkte herausgreifen.


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Zunächst zu COSME. Ich halte COSME für wichtig, weil ausdrücklich die KMU gefördert werden sollen und weil mehr als die Hälfte des Programmes für Kredite und Risikokapital vorgesehen ist. Bedenkt man allerdings, dass mit 1,4 Milliarden € 330 000 Unternehmen bei der Kreditaufnahme unterstützt werden sollen, ist klar, dass das nur eine kleine Ergänzung zu Finanzierungsprogrammen auf nationaler Ebene sein kann und dass auf nationaler Ebene sicher viel notwendig ist, um die schon erwähnten Kreditklemmen und anderen Problematiken zu überwinden.

Viel zu wenig ambitioniert ist unserer Meinung nach die Industriepolitik, und zwar deshalb, weil dort die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ausdrücklich an den Bereich Klima- und Energiepolitik gekoppelt ist, also an die Schaffung grüner Arbeitsplätze, an den Kampf gegen den Klimawandel und an die Hoffnung auf Exportsteigerungen der Ökowirtschaft, mit der Konsequenz der Eindämmung der Ausgaben für Energie im Importbereich, der Reduktion der Energieimportabhängigkeit und der Steigerung der Versorgungssicherheit in diesem Bereich.

Ganz aktuell ist übrigens doch festzuhalten, dass der Vertragsabschluss mit Gazprom am Dienstag auch aus diesen Gründen von grüner Seite als kontraproduktiv angesehen wird.

Es braucht unserer Meinung nach in diesem Bereich noch sehr viel gezieltere Inves­titionen in eine Energiewende, und dazu braucht es eben auch innovative Finanzie­rungsmodelle, weil die meisten Unternehmen in diesem Bereich KMUs sind. Die derzeit existierende Ökostromförderung mit diesem Wettbewerb um beschränkte Mittel halten wir für ein untaugliches Instrument, um die Potenziale, die es in diesem Bereich gibt, tatsächlich zu heben.

Es gibt Häuslbauer, die ihr Sparbuch lieber in Form einer  Photovoltaik-Anlage am Dach hätten oder ihre Pensionsvorsorge in Form einer Bürgerbeteiligungsanlage. (Bundes­minister Mitterlehner: Dann sollen Sie es tun!) – Das wäre der Wunsch, aber Sie machen es ihnen nicht leicht, Herr Minister. (Bundesminister Mitterlehner: Warum sollte ich ...!) Die derzeitigen Rahmenbedingungen machen es nicht leicht, denn die sind nach wie vor furchtbar. Ich weiß es nur aus Salzburg, und es geht um ganz einfache Rahmenbedingungen. In der Salzburg AG gibt es zum Beispiel nur einen einzigen Mitarbeiter, der die Zähler anschließt, was monatelange Wartezeiten zur Folge hat.

Von Investitionssicherheit kann unter diesen Rahmenbedingungen einfach nicht gesprochen werden, denn wenn man eine Anlage plant, aber bis zu dem Tag nicht weiß, ob man tatsächlich in die Förderung kommt, also ob man das Rennen schafft oder nicht, hat das mit Investitionssicherheit und Planungssicherheit schlicht und einfach nichts zu tun. Wie es anders geht, konnte man sich immer sehr gut anschauen, wenn man über die Grenze nach Bayern gefahren ist – „konnte“, weil man leider sagen muss, dass es inzwischen auch dort Tendenzen gibt, die Sache gegen die Wand zu fahren.

Es mutet auch etwas seltsam an, wenn im Rahmen des Marktinterventionspakets von schrittweiser Harmonisierung der Fördersysteme der Mitgliedstaaten im Bereich erneu­erbarer Energie gesprochen wird, die Atomenergie und Atomwirtschaft aber weiterhin mit riesigen Beträgen unterstützt wird, und das auch noch unter dem Thema Klima und Klimaschutz, wo doch ganz klar ist, dass Atomstrom unter marktkonformer Ausgestal­tung des Fördersystems in keiner Weise wettbewerbsfähig wäre.

Wir kennen die österreichische Position dazu, und ich weiß, dass Sie da mit uns einer Meinung sind, es bedarf aber auch entsprechenden politischen Einsatzes, damit es da zu Änderungen kommt.


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Nach den Diskussionen der letzten Wochen bezüglich des TTIP, die auch hier im Parlament geführt wurden, ist es uns beziehungsweise mir ganz besonders wichtig, dass die Verhandlungen transparent geführt werden. Ich denke, das ist die wichtigste Vorbedingung: dass die Verhandlungsdokumente veröffentlicht werden und dass damit eine öffentliche und fundierte Debatte über die Ziele und Inhalte stattfinden kann. Dann kann es, glaube ich, auch zu einem durchaus guten Abschluss dieser Verhandlungen kommen.

Es ist ja interessant zu beobachten, dass auch auf amerikanischer Seite die Bedenken durchaus ähnlich sind und dass es auch dort seitens der Konsumenten Bedenken gibt, wie sie auch in Europa vorherrschend sind. Ich glaube, es muss nicht zu einer gene­rellen Nivellierung nach unten kommen, sondern es ist durchaus auch im Rahmen solcher Verhandlungen möglich, dass es zu einer Hebung der Standards auf beiden Seiten kommen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube aber, dass in dieser Beziehung wirklich entsprechende Transparenz und eine breite öffentliche Debatte wichtig sind. (Beifall bei den Grünen.)

14.07

 


Präsident Michael Lampel: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


14.08.04

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseher! Wenn man so meinen Vorrednern zuhört, die davon reden, wie schlecht alles in Österreich ist und wie schlecht unsere Wirtschaft ist, glaubt man, Österreich ist irgendwo im Kongo oder wo auch immer.

Ich bin froh darüber, dass es diesen Bericht gibt, mithilfe dessen wir unseren Stand­punkt bestimmen können, und ich sehe, dass wir in Österreich laut diesem Bericht eigentlich sehr gut dastehen. Allein schon das duale Ausbildungsmodell, das auf europäischer Ebene übernommen wird und das von Europa positiv bewertet wird, ist doch schon ein hervorragender Schritt. Wenn man schaut, wie viele Staaten auf europäischer Ebene noch unter dem Bankenrettungsschirm sind, dann sieht man: Als der Bericht herausgekommen ist, waren die Staaten im Süden noch unter dem Bankenrettungsschirm, jetzt sind es die meisten nicht mehr, also auch da hat es Maßnahmen gegeben, die gegriffen haben.

Wie gesagt, es ist sicherlich manches zu verbessern, aber ich glaube, wir in Österreich sind gut unterwegs. Wir haben den höchsten Grad an Beschäftigung, wir haben zwar auch eine hohe Arbeitslosigkeit, aber wir haben den höchsten Sozialstandard der ganzen Welt. Ich verstehe es daher nicht, wenn eine Kollegin sagt, man muss alles unter die öffentliche Hand stellen. Die öffentliche Hand? Wer finanziert denn die öffentliche Hand? – Der Steuerzahler! Also werden wieder die Wirtschaft beziehungs­weise der einzelne Bürger zur Kasse gebeten.

Liebe Freunde, hier können wir von der ÖVP leider nicht mitmachen. Wir wollen nicht, dass man alles unter die öffentliche Hand stellt, bei manchem muss man sogar noch andenken, in die Privatisierung zu gehen, damit in Zukunft mehr Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

Ein weiterer Punkt ist natürlich auch das Thema KMUs. Sie sind einfach die Stärken im ländlichen Raum, aber trotzdem brauchen wir die Wirtschaft. Die Industrie ist einer der größten Arbeitgeber in Österreich, und es muss mit Augenmaß gearbeitet werden, damit die Standards nicht überbordend erhöht werden – ob es die Umweltstandards sind, die Sicherheitsstandards oder die Zertifizierungen, damit unsere Unternehmen auch eine Zukunftsperspektive haben.


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Ich glaube auch, dass wir im Bereich des TTIP-Abkommens, das ja auch ständig kritisiert wird, für Transparenz sorgen müssen, denn auch Österreich will sich beim Export weiterhin stark am Markt orientieren, und somit wird es auch wichtig sein, sich in dieses Abkommen einzubringen. Wie bereits vorher Minister Rupprechter gesagt hat: Wir wollen Transparenz. Auch wir hier im Bundesrat wollen Transparenz. Also, fordern wir diese Transparenz bei den Verhandlungen ein und reden wir nicht alles krank, was hier in Österreich gut läuft!

Da die Stimmung wichtig für eine Entwicklung ist, bin ich der Ansicht, dass wir diese Stimmung in Österreich positiv halten müssen. Zurzeit ist die Entwicklung unserer Wirtschaft sehr gut und wir sollten sie forcieren, auch dadurch, dass wir als Politiker unterstützend wirken, ob mit Steuersenkungen oder dergleichen, und nicht mit neuen Gesetzen, die Einschränkungen für die Wirtschaft bewirken.

Es ist ein hervorragender Bericht. Dankeschön dem Minister, dass er hier anwesend ist und auch dementsprechend den Bericht noch kommentieren wird, damit Sie auch sehen, was inhaltlich alles geboten wird!

In diesem Sinne noch einmal Dankeschön, wir stimmen dem Bericht natürlich gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

14.11


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitter­leh­ner. – Bitte.

 


14.11.47

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch einmal darauf zurückkommen, was der Bericht ist. Es ist nicht der Leistungsbericht des Wirtschaftsministeriums – oder in der neuen Konstellation des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft –, sondern das ist der Bericht über die Akti­vitäten, die auf EU-Ebene in den jeweiligen Ebenen stattfinden. Das heißt, es ist an sich gar nicht die Frage damit verbunden, ob man dem zustimmt oder nicht zustimmt, sondern das ist ein Bericht, den man üblicherweise, weil er als Bericht da ist, eigentlich nur zur Kenntnis nehmen kann. Aber Sie können es halten, wie Sie wollen.

Was die Aktualität anbelangt, finde ich es sehr sinnvoll, dass man genau diese anspricht, denn im Endeffekt, wenn Sie sich zum Beispiel die Außenhandelspolitik der EU in dem Bericht anschauen und das Kapitel Russland aufschlagen mit den dortigen Bemühungen, eine entsprechende Vertragsweiterentwicklung mit der EU zu schaffen, dann merken Sie, dass das mittlerweile von der Realität ganz einfach überholt worden ist.

Nicht von der Realität überholt ist und wahrscheinlich Gegenstand mehrerer Berichte wird das Europäische Semester sein, denn die Haushaltspolitik und die damit zusam­menhängenden Systemfragen in Ordnung und wieder in eine strategisch gute, wirtschaftsfördernde und konjunkturunterstützende Ausrichtung zu bringen, wird eine schwierige Aufgabe sein, die noch mehrere Präsidentschaften auf EU-Ebene prägen wird.

Was die Grundthemen anbelangt, sind die meisten schon erwähnt worden. Ich möchte mich eigentlich nur noch auf drei davon konzentrieren.

Die eine Problematik, die angesprochen worden ist, war die Industriepolitik, Frau Dr. Reiter, Sie haben das erfreulicherweise angesprochen, weil das nicht unbedingt die Sichtweise auf der gesamten EU-Ebene wiedergibt, wo wir Staaten haben, die das, gerade was Klima- und Energieziele anbelangt, sehr isoliert sehen. Es war ein Bemühen Österreichs, aber auch einiger anderer Partner, hier die Industriepolitik mit


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ins Feld und in den Kontext zu bringen. Auch ich bin der Meinung, dass es eine Chance ist, wenn wir Green Technology und andere Elemente, wie beispielsweise auch Energieeffizienz oder erneuerbare Energie auch im Rahmen der Industriepolitik leben und forcieren, weil uns das natürlich auch Chancen eröffnet, die wir – schauen Sie sich die Strukturen an! – im Industrie- und im Exportbereich auch wirklich wahrnehmen.

Aber auf EU-Ebene ist es eben nicht selbstverständlich, dass man mit der Diskussion der Klima- und Energieziele auch industriepolitische Ziele verbindet. Wenn wir etwa darüber diskutieren, dass man die Ziele, also zum Beispiel das 40-Prozent-Ziel bei CO2 bis zum Jahr 2030 oder 2027  manche sagen auch 30 Prozent bei erneuerbarer Energie, bei Effizienz redet man momentan von 25 Prozent – anhebt, dann muss man damit auch ein Industrieziel verbinden. Das ist aber in den Entscheidungen, die jetzt gefallen sind, noch nicht wirklich verankert. Wenn man dann ein 20-Prozent-Industrie­ziel hat, dann müsste man das ja bis 2030 auch permanent erhöhen. All das an Diskussionen und Weiterentwicklungen haben wir noch nicht, daher ist es eine aktuelle Aufgabe.

Sie haben in dem Zusammenhang auch die Förderpolitik im Bereich der erneuerbaren Energie angesprochen. Ich glaube, dass damit doch ein paar Irrtümer verbunden sind. Es ist nicht eine Vorgangsweise notwendig, durch die man jedem ein entsprechendes gefördertes Einkommen vermittelt, sondern was die Ökostromförderung als Ziel hat, ist, dass wir so bald wie möglich Technologiereife erreichen.

Sie haben bedauerlicherweise das deutsche System als Vorbild genommen und einen Blick ins sozusagen vorbildliche und anregende Nachbarland geworfen. Da blicken Sie, glaube ich, jetzt besser woanders hin. Gerade heute sind die Probleme mit dem deutschen EEG in den Medien. Die Problematik ist ja die, dass sie dort riesige Ver­werfungen haben. Sie haben dort 20 Jahre gefördert, aber keine Technologiereife.

Sie haben dort im Sommer so viel Strom ... (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.) – Bitte? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.Sie haben dort im Sommer so viel Strom, dass der deutsche Konsument den Strom verschenken muss, aber er zahlt ihn. Der deutsche Konsument zahlt über 200 € im Jahr für Ökostromförderung. Der Ökostrom, der jetzt aber nicht in Deutschland gebraucht wird, weil teilweise auch die Leitungen nicht vorhanden sind, wird in Richtung Tschechien und Polen ver­schenkt. Verschenkt! Der Konsument zahlt. Dann, wenn der Strom benötigt wird und wenn kein Wind da ist (Zwischenruf des Bundesrates Stadler) und auf der anderen Seite keine Sonne scheint, im Winter, zahlt der deutsche Konsument für den öster­reichischen Pumpspeicherstrom. Das ist also der „Vorteil“ des viel gerühmten EEG.

Im Gegensatz dazu zahlt Österreich in etwa 50 € für Ökostromförderung, und auch dort müssen Sie die Frage stellen, die Sie hier auch gestellt haben: Sollte nicht jeder eine Art Rechtsanspruch haben, dass er das alles kriegt? Dann sind wir einer ähnlichen Entwicklung wie der in Deutschland ausgesetzt. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist eben der, dass wir mit dem, was wir jetzt haben, und das ist nicht unbeträchtlich, die Technologiereife kriegen. Ich sage ganz offen, dass das meine Einstellung ist, nicht die der Branche, denn die Photovoltaikbranche möchte das nicht haben. Die möchte nach wie vor geförderte Tarife haben. Meine Einstellung ist, dass das Instrument der Inves­titionsförderung besser ist, weil man eine größere Bewegung hat, mehr Möglichkeiten und somit zu einem anderen Ergebnis kommt.

Last but not least, weil es natürlich auch im Bereich der Außenwirtschaftspolitik ver­treten ist – interessanterweise, wenn Sie die beiden Berichte lesen, wir wussten ja auch noch nicht, wie die Konstellation ist, finden Sie manche Dinge wie „Horizon 2020“ oder Erasmus+ auch im Wirtschaftsbericht; daran sehen Sie die Querschnittsmaterie –:


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Ich habe gehört, der Kollege Rupprechter hat auch das TTIP angesprochen, und dazu möchte ich auch ein paar Worte sagen, weil es doch die Außenhandelspolitik, aber auch unsere Medien prägt.

Wenn Sie Österreich einmal anschauen: Was ist Österreich? Ist Österreich irgend so ein Land wie Albanien, das isoliert agiert, oder ist Österreich eine Drehscheibe im Handelsbereich? Wissen Sie, wie viel Prozent wir exportieren? 60 Prozent. Wenn man 60 Prozent von dem, was man als Insgesamt-Kuchen produziert, ins Ausland ver­kauft, wird man dann von einem Handelsabkommen profitieren oder nicht? Man wird vermutlich profitieren. Haben wir von den letzten Handelsabkommen profitiert? Wir haben von allen Handelsabkommen profitiert! Wenn Sie einmal die generelle Frage beleuchtet haben: Wem nutzt ein Handelsabkommen und ist es insgesamt der Wirtschaftsentwicklung förderlich?, werden Sie draufkommen: Ja, eigentlich schon.

Dann kommt die zweite Frage, die damit verbunden ist: Was ist jetzt mit dem Freihan­delsabkommen mit den Vereinigten Staaten? – Und da existiert ja eine relativ wider­sprüchliche Berichterstattung in den Medien. Da würde ich Sie einmal, was die Lebensmittelstandards anbelangt, einladen, das Interview mit Herrn Brabeck-Letmathe, der einmal bei Nestlé operativ CEO war, jetzt Aufsichtsratsvorsitzender bei Nestlé ist, im „Kurier“ vom 21. Juni zu lesen. Dann lesen Sie über das sogenannte Right to Regulate, über die Standards und ob in Amerika schon irgendwo ein Konsument auf Basis von irgendwelchen Lebensmitteln einen Schaden erlitten hat. Und dann fragen Sie österreichische Unternehmen, die in dem Bereich Lebensmittel nach Amerika exportieren wollen, wie denn dort die Rechtslage ausschaut. Sie werden merken, dass diese bei der sogenannten Agency for Food and Drug hohe Kosten hätten, um dort hineinzukommen, weil sie, was die Qualität anbelangt, zertifiziert werden.

Daher überlegen Sie in diesem Zusammenhang auch einmal, wenn Sie von SPAR- oder von REWE-Inseraten hören, ob dort nicht vielleicht eine andere Motivlage mit­spielen könnte, dass man wenig Interesse hat, Konkurrenzprodukte zu haben, dass es aber vielleicht nicht ganz richtig sein könnte, dass die Standards nach unten gesenkt werden. Wer soll daran Interesse haben? Und vor allem: Wer muss das anbieten bei uns? Niemand. Das ist auch gar nicht Verhandlungsmandat. Das wäre der erste Punkt.

Der zweite Punkt in dem Zusammenhang ist die Transparenz. Und da muss ich allen Kritikern schon recht geben, ich finde das absolut nicht optimal aufgestellt. Ich bin da auch auf einer Linie mit dem deutschen Kollegen, aber auch anderen. In Zukunft muss man derartige Verhandlungsprozesse anders gestalten. Das hängt aber nicht nur von der EU ab, das hängt teilweise auch von den Vereinigten Staaten als Partner ab. Denn wenn ich dann in einen Raum gehen muss ohne Telefon, das ich vorher abgeben muss, und ohne Sonstiges, um dort irgendetwas zu lesen, dann habe ich auch den Eindruck, da wird mir irgendetwas verborgen. Daher sollte der Prozess neu aufgesetzt werden, was die Transparenz anbelangt. Aber das ist nicht so leicht.

Der dritte Punkt betrifft den Investitionsschutz und den Streitbeilegungsmechanismus. Auch da haben wir momentan ein Moratorium. Es wird innerhalb der EU noch einmal neu eine Konsultation durchgeführt: Brauchen wir das so? Brauchen wir es eventuell anders? Da gehen die Meinungen auseinander. Ich glaube, ein bestimmter Mechanis­mus, um das auch abzuwickeln, wäre nicht schlecht. Es entsteht dann halt immer der Eindruck, da werden Staaten von Organisationen gezwungen, ihr Rechtssystem zu ändern.

Es gab ja bisher schon Investitionsschutzabkommen. Da geht es zu 90 Prozent um Schadenersatz und nicht um Rechtsetzung. Und dass jemand einen Staat klagt, das haben Sie ja jetzt auch schon. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich klagen


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 93

Konsumenten, Geschädigte den Staat, ein Land, wen auch immer. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ja, ich kenne die Problematik Vattenfall, wo es um die Frage geht, ob ein Schieds­gericht da nicht eventuell ein Land beeinflussen kann. Da gibt es in Deutschland durchaus sehr kritische Auffassungen. Das muss man sich anschauen.

Die Überlegung, dass zum Beispiel die amerikanischen Zivilgerichte ohnedies aus­reichend wären, ist eine problematische. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal einen Prozess geführt hat, ich auch nicht, aber ich habe mir eines sagen lassen: Dort haben Sie die Jury-Entscheidung. Und was heißt das im Klartext? Sie sitzen dort vor einer Art Geschworenensenat. Es ist keiner, aber es ist so ähnlich aufgebaut und sehr kompliziert. Daher ist die Idee, irgendwo anders einmal einen Mechanismus zu haben, nicht so abwegig. Ich sage nur: Die NGOs haben vorgeschlagen, so etwas vielleicht in Österreich zu etablieren, einen eigenen Rechtsetzungs- und Schlichtungsmechanis­mus. Das muss man sich anschauen.

Daher, wenn ich das zusammenfassen darf: Es würde uns sehr, sehr guttun, wenn wir einigermaßen sachlich ausgerichtet auch solche Themen noch diskutieren könnten, denn ein Handelsabkommen ist nicht schon als solches gut oder schlecht, man kann jedes gut oder schlecht machen. Und bei dem Prozess, der noch nicht einmal zur Hälfte abgeschlossen ist, jetzt schon das Ergebnis bewerten zu wollen, ist doch etwas eigenartig. Das erinnert mich an den Wirtschaftsausschuss gestern. Da haben wir auch schon die Aussendungen gehabt, wir haben das Energieeffizienzgesetz beschlossen, obwohl der Ausschuss eigentlich unterbrochen war. So ähnlich kommt es mir da auch vor. Das ist eine ganz andere Qualität bei TTIP und hat eine ganz andere Bedeutung, aber ein bisschen mehr Gelassenheit, ein bisschen mehr Sachorientierung und mehr Transparenz – dafür bin ich auch – würden der ganzen Problematik guttun.

Österreich hat nicht unbedingt die Wahl, Albanien zu spielen und zu sagen: Das brauchen wir alles nicht!, sondern wir profitieren von einem – das muss man allerdings sagen – gut gemachten, gut verhandelten Abkommen. Und dafür stehe ich nach wie vor ein, auch wenn es scheinbar nur ganz wenige in diesem Sinne gibt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.24


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausfüh­rungen.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.24.416. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffent­licher Funktionäre, das Bezügegesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­bahngesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, der Artikel 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bau­arbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeiterkammergesetz 1992, das


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 94

Wirtschaftskammergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Zivil­techni­kerkammergesetz 1993, das Ärztegesetz 1998, das Zahnärztekam­mer­gesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das ORF-Gesetz, das Schönbrunner Tiergartengesetz, das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz, das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das AMA-Gesetz, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bundesfinanzierungs­gesetz, das ASFINAG-Gesetz und das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert werden sowie Bestimmungen über Pensionssicherungsbeiträge im Verbund-Kon­zern und über Pensionsregelungen von Kreditinstituten, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, erlassen werden (Sonderpensionen­be­grenzungs­gesetz – SpBegrG) (140 d.B. und 151 d.B. sowie 9190/BR d.B. und 9194/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zum 6. Tagesordnungspunkt.

Ich darf Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu dem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Wilhelm. Bitte um den Bericht.

 


14.25.07

Berichterstatter Richard Wilhelm: Werter Präsident! Werter Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Michael Lampel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Michalke. Ich erteile es ihr.

 


14.25.56

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher an den Fernsehgeräten! Wenn man aus einer Familie kommt, wo Sparen schon zu Erwerbszeiten des Vaters eigentlich an der Tagesordnung war und sich das dann so weitergezogen hat während den Gott sei Dank jahrzehntelangen Bezügen einer Mindestpension – wo Jammern aber nicht dazugehört hat, sondern wir sehr gut damit zurechtgekommen sind –, dann hat man schon ein bisschen ein Problem, wenn man die Zahlen und die Höhe dieser Sonderpensionen hört und sieht.

Ich bezeichne es als einen Affront gegenüber jedem ASVG-Pensionisten, was hier mit diesem Sonderpensionenbegrenzungsgesetz vollzogen wurde. Anstatt einen spür­baren Eingriff in diese untragbaren Pensionsprivilegien zu machen, ist es – leider Gottes mit der Unterstützung der Grünen – zu einem Luxuspensionenschutzpaket gewor­den. Für mich hat das absolut keinen Bezug zur Realität. Diesen Bezug zur Realität habe ich aber allerdings auch schon beim EU-Kandidaten Eugen Freund vermisst. Der hat nämlich gemeint, der Durchschnittsverdienst eines Arbeiters in Öster­reich würde bei zirka 3 000 € netto im Monat liegen. So viel zum Bezug zur Realität, offensichtlich ist der bei diesen Sonderpensionen genauso wenig gegeben.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 95

Nur um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Die Höchstpension eines ASVG-Pensionisten oder einer -Pensionistin liegt bei 3 136 €. Durchschnittlich bekommt eine Pensionistin oder ein Pensionist nach dem ASVG 1 023 €.

Es gibt also für meine Begriffe in diesem Gesetz keine Pensionengerechtigkeit. Und glauben Sie mir, jedem ASVG-Pensionisten muss es die Zornesröte ins Gesicht treiben, wenn er von so einem Beschluss hört. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt auch anerkannte Sozialexperten wie den Herrn Bernd Marin, der auch darauf hingewiesen hat, dass von dem beschlossenen Gesetz nur die Zusatz- und nicht die Gesamtpensionen betroffen sind. So ist es nach wie vor so, dass bei der Oester­reichischen Nationalbank bis über das Jahr 2050 hinausgehend die Obergrenzen nach wie vor bei unglaublichen 370 000 € liegen. Sonderpensionen als Dauerrecht sind bis zu 234 000 € weiterhin möglich. Und die ursprüngliche Abgabe für Luxuspensions­bezieher wurde auch noch von 74 auf 53 € monatlich reduziert.

Es gibt auch keine Verpflichtung für die Gemeinden oder für die Länder in Bezug auf die Beamten und Vertragsbediensteten und genauso wenig für deren ausgelagerte Unternehmen, die in den Bundesländern bestehen.

All das wurde mit dem Beschluss auch noch verfassungsrechtlich verankert und so auf Jahrzehnte hinaus einzementiert. Und die jährliche Valorisierung, auf die die ASVG-Pensionisten schon jahrelang warten, wurde in diesem Zuge gerade auch noch fest­gelegt.

Wir sind mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden und erheben Einspruch gegen den Nationalratsbeschluss, wofür wir hier um Zustimmung bitten. Wir haben den Antrag bereits abgegeben, und ich werde ihn jetzt entsprechend verlesen.

Antrag

der Bundesräte Michalke und Kollegen betreffend Einspruch gemäß Artikel 42 B-VG

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend das Sonder­pensionenbegrenzungsgesetz wird gemäß Artikel 42 B-VG mit folgender Begründung Einspruch erhoben:

Das Gesetz weist eine Anzahl Schwachstellen auf, aufgrund derer eine Reduktion der Sonderpensionen nicht oder nur unzureichend eintreten kann:

Durch die großzügige Höchstgrenze von 9 060 € und deren Valorisierung durch die Koppelung an die Höchstbemessungsgrundlage schafft man ein neues, durch Verfas­sungs­bestimmung abgesichertes System von Luxuspensionen mit Ansprüchen, die bis zum Zwölffachen eines ASVG-Pensionsbeziehers ausmachen können, anstatt einer tatsächlichen Harmonisierung auf der Basis des ASVG.

In Altverträge, die 30 000 € und mehr an monatlichem Luxuspensionsbezug umfassen können, wird durch äußerst moderate Pensionssicherungsbeiträge nur in sehr beschei­denem Maße eingegriffen.

Pensionskassenregelungen, die bisher schon zu einer Privilegierung von „Luxus­pen­sionisten“ geführt haben, werden in dieser Neuregelung nicht berücksichtigt. Für zukünftige Pensionskassenregelungen gibt es keine anspruchsmäßige Deckelung bezie­hungsweise eine Begrenzung der Beitragszahlungen aus den öffentlichen Haus­halten.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 96

Die Länder und Gemeinden und deren ausgelagerte Gesellschaften und Einrichtungen unterliegen keiner verbindlichen Regelung für eine Übernahme neuer Regelungen im Luxuspensionsbereich.

*****

Wir bitten um Zustimmung zu diesem Einspruch und um Verständnis für diese Vor­gangsweise – und vor allem für die ASVG-Pensionisten, die nicht und zu keiner Zeit in einen solchen Genuss kommen können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.32


Präsident Michael Lampel: Der von Bundesrätin Michalke, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


14.32.40

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen ersten Schritt, Frau Kollegin Michalke, hätte die FPÖ eigentlich schon während ihrer Regierungsbeteiligung von 2000 bis 2006 setzen können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Dörfler: Das gilt auch für die ÖVP!) Aber was hat diese Regierung in dieser Zeit gemacht? – Es war so, dass die ASVG-Pensionisten ins Auge gefasst wurden. Und wenn Sie heute gegen die Luxuspensionen, vor allem aber gegen das Sonderpensio­nen­begrenzungsgesetz wettern, so klingt das wirklich nicht glaubwürdig. Hätten Sie doch damals diese Regierungsbeteiligung genützt, um so ein Gesetz zu verab­schieden! – Warum haben Sie das nicht gemacht?

Das Thema Pensionen taucht seit geraumer Zeit immer wieder in den Schlagzeilen unserer Medienberichterstattung auf. Zum einen besteht die Angst vieler junger Men­schen, dass sie niemals in den Genuss einer ordentlichen Pension kommen können, zum anderen existiert auch die Sorge von den Pensionistinnen und Pensionisten, dass vermeintlich wohlerworbene Rechte infrage gestellt werden könnten.

Das Thema birgt also die Gefahr, dass die Gesellschaft sich spaltet – nicht nur in Arm gegen Reich, sondern auch in Jung gegen Alt. Die Politik ist daher verpflichtet, gerade bei diesem Thema sehr besonnen und verantwortungsbewusst zu agieren. Für manche mag die Versuchung gegeben sein, dieses Thema für das Wechseln politischen Kleingeldes zu nutzen. Davor möchte ich hier aber ausdrücklich warnen.

Die Sorge vieler junger Menschen, im Alter womöglich in Armut zu enden, ist angesichts des demographischen Entwicklungsprozesses sowie prekärer Arbeitsver­hält­nisse, in denen junge Menschen heute oft stecken, nicht unberechtigt. Diese Sorge ist von der Politik sehr ernst zu nehmen, und es sind auch entsprechende Maßnahmen diesbezüglich zu setzen.

Eine dieser Maßnahmen ist das heute zu beschließende Sonderpen­sionenbegren­zungsgesetz. Damit sollen in Hinkunft die sogenannten Luxuspensionen im staats­nahen Bereich eingeschränkt werden. So darf eine Sonderpension künftig nicht höher als die doppelte Höchstbeitragsgrundlage, also derzeit, wie schon genannt, 9 060 €, sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Wer hat die eigentlich möglich gemacht im staatsnahen Bereich? War das die SPÖ?)

Lobend zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass es somit erstmals auch eine Obergrenze für diese Sonderpensionen gibt. Dennoch erlaube ich mir an dieser Stelle


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 97

zu bemerken, dass viele junge Menschen heute von einem Aktivbezug von 9 060 € nur träumen können, von einer Pension in dieser Höhe, die sie einmal kassieren könnten, ganz zu schweigen. Es darf daher meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang sehr wohl die Frage gestellt werden, welche Pensionshöhe angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage moralisch wirklich vertretbar ist.

Unser Herr Bundesminister hat in der Nationalratssitzung am 12. Juni so treffend gesagt: „Ich weiß, dass das ein Gesetz ist, mit dem keiner von uns Lorbeeren ernten wird: Den Betroffenen ist es zu viel, anderen ist es viel zu wenig.“

Meiner Meinung nach ist das heute zu beschließende Sonderpensionen­begrenzungs­gesetz ein erster notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Es wäre unverantwortlich, diesen ersten Schritt nicht zu setzen, indem man, wie es die FPÖ und auch die NEOS in dieser Sitzung am 12. Juni gemacht haben, dem Gesetz die Zustimmung verweigert.

Man soll dieses Gesetz auch frauenpolitisch betrachten. Hervorzuheben sind da einer­seits die Teilzeitbeschäftigungen der Frauen und andererseits auch die Einkom­mensschere. Eine ganz aktuelle Untersuchung hat ergeben, dass sich in Österreich die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen pro Jahr nur um 0,2 Prozent schließt. Und wenn das so weitergeht, brauchen wir Frauen zirka noch 100 Jahre, bis hier eine Gleichstellung erfolgt.

Daraus ergibt sich, dass sich der Großteil der Frauen keine private oder beitrags­orientierte Vorsorge leisten wird können und die Stützung der gesetzlichen Pen­sionsversicherung als verlässliche und im Hinblick auf das Umlageverfahren im Generationenvertrag faire Absicherung im Alter notwendig sein wird. Schon jetzt ist die Anzahl von Frauen, die unter Altersarmut leiden, sehr hoch, was bei der durch­schnittlichen ASVG-Pension auch nicht verwundert.

Daher muss es in Zukunft um die Erhöhung des Einkommens der Frauen gehen, um eine schnellere Schließung dieser Einkommensschere zu erreichen. Aufgabe der Politik muss es also sein, Sorge dafür zu tragen, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter aufgeht.

Unsere Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


14.38.20

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause an den Fernsehgeräten! Ich bin Kollegin Michalke dankbar, das möchte ich eingangs erwähnen. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber man kann seine Meinung auch mit Stil vertreten. Das haben Sie hier gemacht (Beifall des Bundesrates Dörfler), entgegen einer Diskussion im Nationalrat zu dieser Thematik, wo es wirklich an Untergriffen nicht gemangelt hat. Aber noch einmal Respekt dafür, dass man eine Sache auch konträr sehen, aber trotzdem fair argumentieren kann.

Lassen Sie mich kurz zur Historie, wie dieses Gesetz entstanden ist, zurückkehren! Anlassfall waren, wie wir wissen, die berühmten hohen Pensionen bei der National­bank. Da hat es ja auch die berühmten Taferln in Konfrontationen dazu gegeben. Wir erinnern uns, das war schon in den neunziger Jahren. Kollege Dörfler lächelt dazu. (Bundesrat Dörfler: Rechberger!) Erstmals wird aber hier und heute in dieser Thematik wirklich etwas gemacht. Die Bundesregierung hat sich im Herbst 2013 in einem Minis-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 98

terratsvortrag dazu entschlossen, dieses Thema aufzugreifen. Seit Mitte März verhan­deln hier in diesem Haus alle sechs Fraktionen über dieses Gesetz.

Herr Bundesminister, es verdient Respekt und muss an dieser Stelle auch lobend hervorgehoben werden, dass Sie in dieser Frage alle Parteien an einen Tisch geholt und eingeladen haben, etwas mitzuentwickeln. Sie wollten eine breite Zustimmung. Diejenigen, die sich an der Arbeit beteiligt haben, sehen schon heute die Spuren in dem Ergebnis, das heute vorliegt.

Es geschieht also bei den sogenannten Luxuspensionen – ich möchte jetzt nicht auf detaillierte Zahlen eingehen – erstmals wirklich etwas. Noch nie zuvor ist dieses Thema wirklich ernsthaft angegangen worden. Das müssen Sie mir bestätigen, Frau Kollegin Michalke. Jetzt liegt ein Gesetz vor, das in die Richtung geht, dass hohe Pensionen künftig begrenzt und bestehende gestaffelt gekürzt werden. Das ist richtig so, meine Damen und Herren, weil wir der restlichen Bevölkerung schlecht erklären können, dass es so hohe Zusatz- und Luxuspensionen gibt und geben kann.

Die Verhandlungen darüber sind an und für sich gut verlaufen, aber je weiter man sich der sogenannten Zielgeraden genähert hat, desto mehr hat sich dann die FPÖ von einer gemeinsamen Verhandlungsrunde distanziert.

Ich erinnere, dass ursprünglich nur vier Bereiche betroffen waren, jetzt sind 27 Artikel eingearbeitet. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei der grünen Fraktion bedan­ken, die hier konstruktiv mitgearbeitet hat und auf dem Boden der Realität eine Rege­lung geschaffen hat, die auch vor den Gerichten standhalten soll und wird.

Es geht um alle rechnungshofgeprüften Unternehmungen, die Ministerien haben alles gemeldet, wo diese Art von Zusatz- und Sonderpensionen gängig waren, aber dazu brauchen wir eine Verfassungsmehrheit, das wissen Sie. Gerade deshalb ist ja von Beginn an auch mit allen Fraktionen gesprochen worden, sie wurden eingeladen, ihre Positionen einzubringen. Es wird manchmal so getan, meine Damen und Herren, als könnten wir in diese Pensionen so einfach eingreifen, sie wegradieren oder sie um 50, 70, 80, 90 Prozent kürzen. Dabei wissen Sie ganz genau, dass auch diese Menschen den sogenannten Vertrauensschutz haben, dass wir in Eigentumsrechte eingreifen. Mit einer Verfassungsmehrheit verhindern wir, dass Klagen an den Gerichtshöfen in Öster­reich eingereicht werden können. Aber es bleibt den Betroffenen immer noch die Möglichkeit, dass sie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einbringen.

Ich erinnere mich an ein berühmtes Verfahren in der Steiermark. Sie werden ihn kennen, den ehemaligen FPÖ-Bürgermeister, der die höchste Pension in der Steier­mark kassiert. Sie wurde gerichtlich durchgesetzt, er hat recht bekommen. Also muss man ein Mittel wählen, das tauglich ist, das auch vor den Gerichten standhält.

Auch die Länder werden ermächtigt, für Rechtsträger in ihrem Bereich analoge Rege­lungen einzuführen. Vier Bundesländer haben bereits zugesagt. Ob alle mitmachen, wird sich herausstellen, gerade aus der Bundeshauptstadt hört man ja andere Signale.

Ich möchte darauf hinweisen, dass laut einer Ausschussfeststellung des Sozial­aus­schusses des Nationalrates nach drei Jahren eine Überprüfung durch den Rechnungs­hof stattfinden wird, ob in allen betroffenen Einrichtungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene dieses Sonderpensionenbegrenzungsgesetz auch umgesetzt wurde.

Damit setzen wir alle Forderungen des Rechnungshofes im Bereich der Nationalbank um. Es gibt dort schwerwiegende Einschnitte. Wir stellen das Pensionssystem dort auch gleich, was das Pensionsantrittsalter anlangt und was die Durchrechnung betrifft. Auch das war im letzten Abänderungsantrag noch enthalten. Damit stellen wir eine Parität mit anderen Systemen her, und somit sind wirklich alle Forderungen des Rechnungshofs in diesem Bereich erfüllt.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 99

Meine Damen und Herren! Es ist einfach, zu erklären, wir müssen oder wir sollen die Forderung des Rechnungshofes umsetzen, und dann, wenn das erfolgt, zu sagen: Nein, das genügt uns doch noch nicht! Daher werden wir immer – das haben wir in Bezug auf das Pensionssystem schon oft betont – dafür offen sein, wenn es gilt, notwendige Anpassungen umzusetzen. Im Sinne einer nachhaltigen Absicherung sollten wir den Mut haben, das zu tun, und nicht darüber politisches Kleingeld wech­seln.

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion steht zu diesem Gesetz, weil es Luxus­pensionen in einer Höhe, die sich die Bevölkerung gar nicht vorstellen kann, kürzt, und in Zukunft solche Höhen nicht mehr möglich sein werden. Das, was wir hier be­schließen – das wurde im Nationalrat so formuliert –, ist eigentlich ein Zusammen­räumen, und ich bedanke mich bei allen, die das bis ins Finale mitgemacht haben.

Das mit den Lorbeeren wurde von meiner Kollegin Ebner schon zitiert, Herr Bundes­minister! Es wurde gesagt: Man wird uns dafür nicht loben, den Betroffenen ist es zu viel, den nicht Betroffenen viel, viel zu wenig.

Das Vorliegende ist das, was machbar ist, und das setzen wir mit diesem Gesetz um. Wer nicht zustimmt, stimmt eigentlich für eine Beibehaltung des bisherigen Systems. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

14.45


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


14.45.48

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Vorredner und Vorrednerinnen, genau das ist ja der wesentliche und springende Punkt: dass es rechtlich hält. Denn es hat wenig Sinn, etwas zu ändern, wenn das bei der nächsten Klage schon wieder gekippt wird und wir wieder eine alte Regelung hätten.

„Des politisch Machbaren“. – Natürlich wäre es mir auch am liebsten, die Grünen hätten in dieser Republik eine Zweidrittelmehrheit, aber so geht es wahrscheinlich jeder Partei zu einem gewissen Grad, man könnte im Verfassungsrang einfach viele Dinge tun. Das wäre auch nicht gut, denn dann wäre es so wie in Ungarn, und das wollen wir ja in Wirklichkeit auch nicht. Es war für die Grünen tatsächlich eine ganz entscheidende Frage: Wollen wir etwas scheitern lassen, dass alles beim Alten bleibt, oder setzt man sich an einen Verhandlungstisch, nimmt einfach die Mehrheiten so wahr, wie sie nun einmal sind, und versucht das Beste daraus zu machen? Am Ende, und das ist nun einmal das Wesen einer Demokratie, ist Verhandeln immer ein Kom­promiss und bedeutet Verhandeln auch immer Fortschritte in vielen Bereichen und Bauchschmerzen, dass man das eine oder andere nicht erreicht hat.

Natürlich stimmen wir dieser neuen Sonderpensionsregelung oder diesem neuen Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, wie es ja eigentlich heißt, zu, wissen aber, dass das für uns ein erster Schritt ist und noch vieles zu tun wäre. Das möchte ich hier schon auch betonen. Es gibt ja diese klassischen Politikfloskeln, ein Glas ist halbvoll, ein Glas ist halbleer. Wir kennen das, hören mag es eigentlich niemand mehr, aber in Wirklichkeit ist es so. Es ist so. Es stellt sich aber schon auch die Frage – und darin unterscheiden wir uns, glaube ich, schon sehr dramatisch von Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen der Freiheitlichen Partei –: Blockiert man oder verhandelt man? Wenn man nicht verhandelt, wenn man nichts erreichen will, dann kann man auch nichts erreichen. So einfach ist das. Dann bleibt alles, wie es war.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 100

Das ist schon manchmal – das muss ich jetzt auch sagen – ein Verdacht, der sich bei mir oft äußert in Bezug auf die Politik der Freiheitlichen Partei, dass Sie eigentlich gar nicht wollen, dass sich etwas ändert, weil es Ihnen lieber ist, man kann gegen etwas hetzen. Ich kann mich erinnern, ich war ja lange im Wiener Gemeinderat, als immer darauf gepocht wurde, dass die Migrantinnen und Migranten Deutsch lernen sollen, und immer dann, wenn wir einen Gesetzesvorschlag oder einen Subventionsvorschlag oder was auch immer vorliegen hatten, um die Deutschkenntnisse von Migrantinnen und Migranten zu stärken, hat man dagegen gestimmt. Der Verdacht ist schon groß, dass Sie gar nicht wollen, dass irgendjemand Deutsch spricht, denn dann kann man besser dagegen wettern, dass sie nicht Deutsch sprechen.

Diesen Verdacht habe ich jetzt auch ganz stark in diesem Fall, denn diese Logik verstehe ich nicht. Jetzt einen Einspruch zu erheben, den Antrag, einen Einspruch zu erheben, zu unterstützen, bedeutet, dass alles bleibt, wie es früher war. Das ist eine Logik, die ich in keinster Weise auch nur irgendwie nachvollziehen kann. Nein! Für uns ist ganz klar: besser ein Schritt vorwärts als gar kein Schritt vorwärts, besser, es bewegt sich was, als es bewegt sich gar nichts.

Die Ausgangslage ist bekannt, ich kann somit sagen, auch die Grünen haben Erfolge gehabt in diesen Verhandlungen. War am Anfang beispielsweise nur von der Oester­reichischen Nationalbank, von der Arbeiterkammer und von der Wirtschaftskammer die Rede, sind es mittlerweile eben 27 Betriebe, die in dieses Sonderpensionen­begren­zungsgesetz mit involviert sind, so zum Beispiel auch der ORF oder andere ausge­gliederte Unternehmen beziehungsweise alle vom Rechnungshof geprüften Unter­nehmen.

Das ist für uns ein riesiger Erfolg, und ehrlich gesagt, kann man darauf auch wirklich stolz sein, auch wenn man noch mehr oder noch viel mehr hätte haben wollen. Natürlich hätten wir auch gerne eine Verfassungsbestimmung gehabt, dass das – das muss ich hier in der Länderkammer vor allem betonen – dann auch in den Ländern und in den Gemeinden Gültigkeit hat. Das schauen wir uns jetzt natürlich alle mit großem Interesse an, wie das in den Ländern umgesetzt wird. Selbstverständlich.

Natürlich hätten wir auch gerne eine Harmonisierung, und natürlich hätten wir auch am liebsten, dass die ASVG-Höchstbeitragsgrundlage für alle gelten würde. Ja, das wäre uns auch lieber gewesen. Aber, wie gesagt, nicht zuzustimmen, hätte bedeutet, alles bleibt beim Alten, und alles bleibt beim Alten, hätte Luxuspensionen in so unverschämter Höhe bedeutet, die mit nichts, aber auch mit gar nichts zu rechtfertigen ist. Einen Antrag zu stellen, dass alles so bleiben soll, wie das die FPÖ macht, bedeutet noch mehr und noch höhere Luxuspensionen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.51


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.

 


14.51.15

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Unser Pensionssystem ist nicht nachhaltig finanzierbar aufgestellt und hat enormen Reformbedarf.

Die Pensionsabgaben, die wir zahlen, sind enorm. Wir zahlen 22,8 Prozent vom Bruttolohn für unsere Pensionen. 10,25 Prozent sind der Dienstgeberanteil, der wird am Lohnzettel ausgewiesen, und die Differenz auf 22,8 Prozent zahlt der Dienstgeber. Aus diesem Betrag finanzieren wir nicht nur unsere Pensionen, sondern auch den gesamten Pensionsversicherungsverwaltungsapparat.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 101

Wenn wir uns das Bundesbudget anschauen, dann sehen wir, dass der Pensionsanteil an den gesamten Staatsausgaben 25 Prozent beträgt. Das ist gewaltig. Das Bundes­budget 2014 und 2015 verursacht jeweils einen Verlust von 8 Milliarden €. Das heißt, wir finanzieren unsere Pensionen auf Pump und auf Kredit.

Bei den Pensionskosten müssen wir enorm auf die Notbremse steigen. Sämtliche Pensionsprivilegien und Sonderpensionsrechte sollten vollständig beseitigt werden. Wir unterstützen jeden noch so kleinen Schritt in diese Richtung. Luxuspensionen müssen reduziert werden. Niemand in der Bevölkerung hat ein Verständnis dafür, dass es Leute gibt, die 30 000 € Pension pro Monat bekommen, wenn die durchschnittliche ASVG-Pension bei monatlich 1 100 € liegt.

Egal ob Nationalbank, ORF, Verbund oder Sozialversicherungsbedienstete, höhere Beamte, Kammerangestellte, bei vielen dieser Institutionen haben sich unsere Funktionäre in der Vergangenheit gegenseitig hohe Zusatzpensionen zugeschanzt, ohne entsprechend in Pensionskassen eingezahlt zu haben. Gehälter und Pensions-Benefits sollten immer in einem angemessenen Verhältnis zur Arbeitsleistung stehen. Die Gier und Selbstbedienung an öffentlichen Kassen per Luxuspensionen müssen im Sinne der gesellschaftlichen Fairness korrigiert werden, auch dann, wenn der Staat deswegen per Verfassungsgesetz in bestehende Verträge eingreifen muss.

Wir befürworten eine Deckelung und Obergrenze der Luxuspensionen. Wir befürworten auch einen Solidarbeitrag bei den Luxuspensionen. Wobei wir hier auch die Länder in die Pflicht nehmen sollten, besonders bei den Landes-Hypobanken und den Energie­versorgern.

Was wir noch empfehlen, ist ein Stopp der Inflationsanpassung für Luxuspensionen. Bei einer 30 000-€-Luxusmonatspension liegt eine Inflationsanpassung von 3 Prozent bei zusätzlichen 900 € pro Monat, das ist schon fast die gesamte Höhe einer durchschnittlichen ASVG-Pension.

Die Einsparungen aus den aktuellen Solidarbeitragsmaßnahmen sind sehr gering, sie betragen nur 10 Millionen € pro Jahr. Das ganze Volumen der Luxuspensionen liegt bei zirka einer halben Milliarde, also bei 500 Millionen, und wir sind bei 10 Millionen € Einsparungspotenzial! Das sind nur 2 Prozent, das ist sehr gering, und mit dieser zaghaften, halbherzigen Maßnahme werden wir das Pensionssystem sicher nicht sanieren können.

Wir müssen vor allem bei der viel zu langen Pensionsbezugsdauer ansetzen. Die durchschnittliche Pensionsbezugsdauer beträgt in Österreich 25 Jahre. Das ist gegenüber der derzeit arbeitenden Bevölkerung, die das mit ihren Umlagebeiträgen finanzieren muss, extrem unfair und auch unfair gegenüber allen Steuerzahlern und Kindern.

So kann es nicht weitergehen. Das Pensionsantrittsalter muss automatisch an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Wer früher in Pension gehen will, kann das tun, aber mit kräftigem Abschlag, wer später in Pension gehen will, bekommt einen Bonus, also eine höhere Pension. Jedes Jahr später in Pension entlastet das Budget mit 1 Milliarde €.

Wenn wir es schaffen, Herr Bundesminister, die durchschnittliche Pensionsbezugs­dauer von 25 Jahre auf 20 Jahre zu senken, hätten wir ein Einsparungspotenzial von 5 Milliarden €. Hier müssen wir ansetzen, um das Pensionssystem langfristig und nachhaltig wieder leistbar zu machen! – Danke schön.

14.56


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 102

14.56.47

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Gerald, das ist jetzt schon das dritte Mal, glaube ich, dass du auf die Pensionisten hinhaust, weil sie zu lange in Pension sind und diese Möglichkeit haben. Kollegin Fetik hat es schon das letzte Mal gesagt, ich finde es sehr verwerflich, sich hierher zu stellen und die Kolleginnen und Kollegen, die Pensionistinnen und Pensionisten so abzuwerten, indem man sie deiner Meinung nach, sobald sie in Pension gehen, am besten bei Rot über die Straße schicken soll, damit ihre Pensionszeit relativ kurz ist. Das ist dein Zugang, und ich lehne das für meine Fraktion und, wie ich glaube, auch für alle anderen hier in dieser Runde vehement ab. (Beifall bei der SPÖ.) – Das darf dir auch ein etwas jüngerer Kollege sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir ehrlich gesagt auch nichts anderes erwartet, als dass die freiheitliche Fraktion nicht zustimmen wird. Man nimmt zuerst an Verhandlungen teil, dann gibt es die Möglichkeit, eine Gesetzesvorlage, die jetzt hier zur Beschlussfassung vorliegt, gemeinsam zu verhandeln, und dann, wenn wir dieses gemeinsame Papier vorlegen und gemeinsam erarbeiten wollen, um eine Lösung zu finden, stimmt man dagegen. Andere Fraktionen haben das sehr, sehr ernst genom­men. Diejenigen, die das ernst genommen haben, stehen nämlich für die Veränderung, und diejenigen, die das nicht so ernst nehmen, stehen in Wirklichkeit für ein bestehendes System, das weiterhin eingefroren werden soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass das, was hier gemacht wird, ein Aufräumen ist – Kollege Köberl hat sich schon bedankt bei den Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgearbeitet haben –, auch die berühmten Lorbeeren sind dabei nicht zu verdienen, aber Fakt ist, dass wir zum ersten Mal in unserem Land eine Obergrenze eingezogen haben, weil wir auch nicht wissen, was in Zukunft passiert. Deshalb gibt es diese Obergrenze, die festgelegt wurde. Es ist völlig klar, dass das mit sehr, sehr vielen Emotionen behaftet ist.

Natürlich können Pensionskassenvereinbarungen auch so gestaltet werden, dass daraus finanzielle Belastungen für das Unternehmen und gleichzeitig hohe Leistungen für Pensionsbezieher resultieren. Die allermeisten Luxuspensionen resultieren jedoch aus direkten Leistungszusagen von Unternehmungen und Einrichtungen und nicht aus Pensionskassenregelungen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, Sie erinnern sich schon sehr genau daran – es wurde auch heute schon kurz angesprochen –, dass der damalige Aufstieg der FPÖ das berühmte Taferl mit den Pensionen war. Das war in den neunziger Jahren. Die Möglichkeit, diese Pensionen zu ändern – auch meine Kollegin hat es vorhin schon angesprochen –, hatten Sie mehr als sechs Jahre lang in der schwarz-blauen Regierung, wo aber massiv in die ASVG-Pension eingegriffen worden ist, aber nicht in diese von Ihnen berichteten Luxuspensionen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Sie geschaffen haben!)

Fakt ist, dass sich in dieser Republik etwas entwickelt hat, wo Menschen tätig waren, von dem man viel zu wenig weiß. Das gehört hier auch gesagt, und zwar: In der Notenbank gab es auch sehr prominente freiheitliche Generalratsmitglieder, die dort viele Dienstordnungen mitbeschlossen haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Und die SPÖ war nirgends dabei!) Das wischt man hier jetzt einfach vom Tisch. Es wäre viel, viel ehrlicher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Sie würden hier heute zustimmen und nicht diese von Ihnen zitierten Luxuspensionisten schützen und dieses System erhalten.

Weil Sie immer den Einwand mit dem ASVG-System bringen: Das ASVG-System leistet seit 70 Jahren hervorragende Arbeit und sorgt auch für Stabilität und Sicherheit


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 103

in unserem Land. Natürlich sind immer Korrekturen und Neuregelungen nötig, und was wir heute hier beschließen, ist eben eine Weiterentwicklung unseres Systems. Es wird in Zukunft keine unangemessenen hohen Sonderpensionen mehr geben. Es gibt nämlich eine Höchstgrenze. Daher war ich etwas verwundert darüber, dass das heute hier von Ihnen so zur Diskussion gestellt wurde, denn im Ausschuss war das kein Thema.

Es hat viele Veränderungen gegeben, wie zum Beispiel beim Pensionsbeitrag. Außer­dem wurde das Pensionsantrittsalter erhöht, die Durchrechnungen wurden eingeführt, und, und, und. Wir entwickeln dieses System ständig weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in meiner Funktion als Betriebsrat und Gewerk­schafter sei von meiner Seite persönlich gesagt: Über die Höhe der Beiträge kann man diskutieren und verhandeln, das ist auch unsere Aufgabe, Betriebspensionen aber werden mit Einzelvereinbarungen, Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder auch mit Kollektivverträgen geregelt. Die Betroffenen haben oftmals über Jahre hinweg Vorleistungen erbracht in der Meinung, die zugesicherten Pensionsleistungen in einer bestimmten Höhe auch zu erhalten. Ihnen wird nun durch den vorliegenden Gesetz­entwurf eine privatrechtlich verbindliche Zusage als Gegenleistung gekürzt. Wenn man nun mittels Verfassungsbestimmungen eingreift, dann muss ich sagen, dass natürlich diese Problematik auch daraus resultiert, dass das vielfach nicht budgetwirksam ist, sondern in Wirklichkeit die Unternehmungen nur durch eine geringere Bezahlung entlastet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vergangenheit ist aufgeräumt, und es liegt nun an uns, die Zukunft neu zu gestalten. Ich ersuche Sie alle um eine breite Zustimmung, um dieses Gesetz hier auch beschließen zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundes­minis­ter Hundstorfer. – Bitte.

 


15.03.28

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich danke einmal für die Reden, in welchen gedankt wurde, denn wir haben, wie schon gesagt wurde, etwas zusammengeräumt. Wir haben etwas zusammengeräumt, was sich über viele Jahre in dieser Republik entwickelt hat, alles rechtmäßig, alles mit Organbeschlüssen abgesichert, teilweise sogar mit Einzelverträgen plus Organbe­schlüssen, das alles ist geschehen.

Und dann haben wir uns weiterentwickelt; es wurde die Historie schon erzählt. Was aber auch klar ist: Das, was wir hier gemacht haben, ist für eine Gruppe von Personen, die in sogenannten Auslaufmodellen sind, die es in Zukunft so nicht mehr gibt, denn, was wir auch mitdiskutieren sollten, die Notenbank ist seit 1998 umgestellt, der Sektor der Sozialversicherungsträger ist seit 1996 umgestellt, der ORF ist seit 1993 umge­stellt. All diejenigen, die dort ab diesem Datum neu zu arbeiten begonnen haben, kennen nur mehr die Welt des ASVG, die kennen das alles nicht mehr, nur mehr aus der Historie. (Ruf bei der ÖVP: Die Pensionskassa!) – Ja, eventuell eine Pensions­kassa, aber nicht mehr mit Leistungszusagen, sondern nur mehr beitragsfinanziert: Das, was eingezahlt wurde, ist da.

All das, was früher war, ist noch immer da, und da haben wir jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder wir schauen noch länger zu und schaukeln uns gegenseitig auf – das nächste Mal machen wir es mit Plakaten oder mit Taferln oder was weiß ich –, oder wir


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 104

greifen hin und probieren einmal, die Systeme zusammenzuräumen, die per se aber ihre Eigenheiten haben. Das ASVG und der Herr Marin wurden schon erwähnt. Die Notenbank-Menschen, um die es hier geht, die Dienstordnung I und II, sind vom ASVG ausgenommen, die haben noch nie eine ASVG-Pension gehabt, und die, die morgen in Pension gehen, haben auch keine ASVG-Pension, weil dieses Haus 1956 beschlossen hat, dass Notenbank-Mitarbeiter vom ASVG ausgenommen sind. Das ist 1956 hier passiert.

Viele Jahre hat das überhaupt niemanden interessiert. 1998 hat man dann begonnen mit der Dienstordnung III, und dann kam die Dienstordnung IV. Mittlerweile haben wir eine Dienstordnung V. Die Divergenzen spielen sich immer beim Beitrag zur Pensions­kassa ab, dort ist immer die Spielwiese.

Die Wahrheit ist die: Wir haben einen Sektor, wo es überhaupt kein ASVG gibt, dann haben wir Sektoren, wo es ASVG plus irgendwelche Leistungszusagen gibt, so wie beim ORF alt, und dann haben wir einen Sektor, der überhaupt nur eine Pension hat und sonst nichts, das ist der öffentliche Dienst, denn der kennt auch kein ASVG, die sogenannten Älteren. Das alles haben wir versucht, irgendwie in 27 Artikeln zusammenzuräumen. Wir sind zusammengekommen und haben uns bemüht, das mit einem Modell zu tun, das abgeleitet ist von dem, was im öffentlichen Dienst seit vielen Jahren üblich ist, nämlich von Pensionssicherungsbeiträgen. Und bei der Notenbank erfolgte es zusätzlich durch Veränderungen von Anspruchsberechigtenzeiten.

Jetzt weiß ich schon, das kann man jetzt in populistischer Weise alles auf- und umrechnen, aber immerhin kostet das einen Mitarbeiter bei der Notenbank mit einer hohen Pension jetzt 5 500 € im Monat. Ich betone: im Monat! Man kann natürlich sagen: Das ist eh wurscht, der verkraftet das schon! Natürlich verkraftet der das, das ist nicht das Thema, aber Sie von der FPÖ sind die Ersten, die rennen wegen der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen. Jetzt haben wir uns bemüht, diese Verhältnis­mäßigkeit von Eingriffen abseits des Populismus zu wahren, aber das Einzige, was man von Ihnen hört, ist wieder Populismus. Ich habe ja das alles miterlebt, in den Vorberatungen, nicht von Ihnen, sondern von Ihrer Partei. Dass Sie das hier anders gebracht haben, ist eh schon festgestellt worden, ich habe dem nichts hinzuzufügen. Aber Fakt ist, dass es natürlich weiterhin diese Pensionen gibt, denn diese Menschen gibt es nach wie vor, diese Menschen sind ja morgen nicht verschwunden, die leben ja, diese 10 000 Betroffenen sind ja da. Ich kann nicht sagen: Löst euch in Luft auf! Daher haben wir uns bemüht, diese Dinge folgendermaßen zu gestalten: Pensionssiche­rungsbeiträge für die, die noch aktiv sind und in der Dienstordnung I sind, aber auch da gewisse Anspruchsvoraussetzungen in Zukunft zu verändern.

Ich habe erst gestern mit einer Kollegin der Notenbank zu tun gehabt, die mir freudig erregt gesagt hat: Herr Minister, ich danke, ich darf jetzt sechs Jahre länger da sein! Das war ein nettes Gespräch, das können Sie sich vorstellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Gesicherter Arbeitsplatz!) – Das kann man als Antwort geben, das ist schon klar. Aber Sie wissen trotzdem, um wen es geht. Ja, es war ein sehr nettes Ge­spräch, es war aber auch sehr höflich.

Dann haben wir uns noch bemüht, noch andere Bereiche mit hereinzunehmen, um das alles abzudecken. Herr Kollege, nicht böse sein, aber bei allem, wovon wir hier reden, ist kein Steuergeld drin im großen Stil. Denn: Die Notenbank liefert uns Geld mit ihrer Gewinnspanne, aber wir zahlen der Notenbank nichts. Daher ist es auch so schwierig, zu sagen, das bleibt dort in diesen Systemen, diese Systeme haben dadurch Minder­aus­gaben oder haben dadurch teilweise höhere Erträge oder wie auch immer. Oder zum Beispiel bei den Kammern: Da sieht der öffentliche Haushalt null. Von den Kammern bekommt der öffentliche Haushalt null, denn wir zahlen bei den Kammern auch nichts, und insofern sehen wir dort null. Was das jetzt bei den diversen Kammern,


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 105

etwa bei der Wirtschaftskammer, ausmacht, davon habe ich keine Ahnung, irgend­einen Betrag x, aber den sehen wir nicht.

Was auch noch umgestellt ist – damit das auch einmal klar ist –, ist  (Bundesrätin Zwazl: Die Funktionäre ! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Man kann natürlich Auslaufmodelle weiterhin für populistische Zwecke verwenden. Das kann man natürlich, wenn man glaubt, damit Politik machen zu können. Wäre ich vor 15 Jahren Minister gewesen, hätte ich eine Pension als Minister. Ich war nicht vor 15 Jahren Minister und kriege demzufolge keine Pension. Damit will ich nur sagen: Es sind alles Umstellungsmodalitäten, in denen wir leben. Wir leben in der Zeitphase der Umstellung. Es ist alles komplett auf das ASVG umgestellt.

Weil Sie sagen, es sind 25 Prozent Aufwand des Bundes: Ich bin gerne bereit, Ihnen das darzulegen. Die 25 Prozent sind inklusive des Pensionsaufwandes für die Bundes­bediensteten. Es hat dieses Haus vor 100 Jahren beschlossen, dass es Beamte geben soll, und gleichzeitig wurde auch beschlossen, dass diese Beamten nicht in ein Umlage­verfahren einzahlen, sondern dass die Beamten aus dem laufenden Budget bezahlt werden und ihre Pension aus dem laufenden Budget bekommen.

Jetzt haben wir halt so ein Packerl, das Packerl ist da, es sind über 200 000 Personen, und diese Menschen haben natürlich einen Anspruch auf eine Pension. Das, was wir gemacht haben, ist, dass wir hohe Pensionen mit entsprechenden Pensionssiche­rungsbeiträgen versehen haben. Im öffentlichen Dienst haben wir sogar noch etwas gemacht, dort haben wir sogar alle, auch die Kleinstpensionisten mit Pensionssiche­rungsbeiträgen versehen. Und dann haben wir im Rahmen dieses Gesetzes auch noch Folgendes gemacht: Wir haben die ganz hohen Pensionen der Altpensionisten, die es auch gibt, mit einer nochmaligen Erhöhung für das letzte Zipferl bedacht und noch einmal mit einem Pensionssicherungsbeitrag versehen, um in der Gesamtsymmetrie gegenüber anderen Trägern zu bleiben.

Das heißt auf gut Wienerisch, wenn es gestattet ist: Es ist hier sehr viel zusam­mengeräumt worden. Die Valorisierung ist in Zukunft nach dem ASVG. Das ist auch Bestandteil dieses Gesetzes. Hätten wir es nicht angegriffen, dann wäre die Valorisie­rung bei der Notenbank weiterhin noch im Banken-KV, so wie das dort verhandelt wurde und Teil der Betriebsvereinbarung ist. Das ist in Zukunft Geschichte. Wir haben eingegriffen, die Valorisierung ist jetzt so wie im ASVG.

Sollte jemand den Trick 17 verwenden und schauen, dass er in eine Pensionskassa hineinkommt, dem möchte ich sagen: Das geht ohne Zustimmung des Ressortver­antwortlichen nicht! Sie können mir glauben, dass dem kein Ressortverantwortlicher zustimmen wird. Demzufolge ist diese Sache auch erledigt.

Und was am meisten Emotionen ausgelöst hat, ist, dass wir etwas gemacht haben, was einige einfach nicht verstehen wollen. Wir haben erstmalig eine Obergrenze definiert. Ich wiederhole: Wir haben erstmalig in dieser Republik eine Obergrenze für Pensionen definiert, für Sektoren, wo der Rechnungshof etwas zu reden hat. Das hat es noch nie gegeben. Noch nie! Das ist jetzt erstmalig definiert worden. Dazu, dass das jetzt eine Obergrenze ist, die nicht ASVG-Mindestpension ist, ist zu sagen: Ja, so ist es! Aber es ist erstmalig überhaupt eine Obergrenze definiert worden, und das ist auch die Ursache der Verfassungsbestimmung, weil das im Bezügebegrenzungs­gesetz entsprechend verankert werden muss, und da das Bezügebegrenzungsgesetz ein Verfassungsgesetz ist, brauchen wir diese Verfassungsbestimmung.

Ich kann sie nur bitten und ersuchen: Versuchen wir, dieses Thema sachlich zu dis­kutieren! Lassen wir den Populismus zu Hause!


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 106

Ich möchte mich bedanken bei allen, die mitgemacht haben, die wir zum Mitmachen eingeladen haben. Es hat eine Zeit lang wirklich sehr, sehr gut ausgeschaut, zum Schluss waren es halt statt sechs nur mehr vier, aber ich bedanke mich wirklich bei allen, weil es etwas geworden ist, was es in diesem Haus meines Wissens noch nie gab.

Ich habe zu den Verhandlungen im Dezember des Vorjahres eingeladen mit einem Blatt Papier mit vier Punkten. So haben wir angefangen: Es waren da der Minister­ratsbeschluss und ein Blatt Papier mit vier Punkten. Ich habe eingeladen und gesagt: Bitte, machen wir einen Working Progress! Es sind alle gekommen, der Klubvor­sitzende Strache, das Team Stronach, und, und, und. Die Frau Glawischnig war, glaube ich, auch einmal da. Fast alle Klubvorsitzenden waren da. Dann haben wir begonnen, das zu verhandeln, und es ist erstmalig auch wirklich geglückt – bis zum Finale; irgendwann einmal muss man auch ein Finale definieren –, dass sich das Gesetz ziemlich dynamisch weiterentwickelt hat. Vieles dessen, was in der Debatte gebracht wurde, hat Eingang gefunden. Wir haben jetzt 27 Artikel, und dafür möchte ich wirklich Danke sagen.

Ich möchte um Sachlichkeit in der Diskussion bitten und ersuchen!

Herr Bundesrat! Die durchschnittliche Bezugsdauer eines Pensionisten in Österreich ist, wenn er ein Mann ist, derzeit 20,8 Jahre. Ist er eine Frau, dann sind wir bei 25 Jahren. (Rufe bei der ÖVP: Sie!) – Ist sie eine Frau. Entschuldigung! (Heiterkeit.) Ihr seht bereits, wie der Song Contest einen beeinflusst. – Ist sie eine Frau, dann sind wir bei 25 Jahren. Aber wenn wir alles vermischen, dann sind wir bei 22,9 Jahren. Ich gebe Ihnen die offizielle Pensionsstatistik. (Bundesrat Zelina begibt sich zur Regie­rungsbank und zeigt Bundesminister Hundstorfer mit den Worten: Das ist die offizielle Statistik!, ein Schriftstück.) – Nehmen Sie die da, das ist die von der Pensionsver­sicherung!

Es sei mir gestattet, jetzt etwas zu sagen, was ich unlängst in einem anderen Forum und was ich heute schon im Rechnungshofausschuss gesagt habe: Ja, wir werden älter. Aber glauben Sie mir, es ist toll, in einem Land zu leben, wo die Herausforderung besteht, für Menschen, die länger leben, die glücklicher leben, die gesünder länger leben, tätig zu sein. Das ist besser, als in einem Land tätig zu sein, wo die Lebens­erwartung sinkt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich lebe lieber in einem Land, wo die Herausforderung besteht, dass wir für 20 bis 25 Jahre Pensionsfinanzierung bewerkstelligen müssen, wo die Herausforderung besteht, für Senioren auch die Frage der Pflege für einen längeren Zeitraum zu lösen. In so einem Land lebe ich lieber, wissend, dass das viele Herausforderungen bedeutet, wissend, dass man über viele Dinge diskutieren muss, das ist keine Frage, über das Pensionsantrittsalter und so weiter. Das ist alles nicht mein Thema.

Aber glauben Sie mir, es ist schöner, in so einem Land zu leben, als im Österreich des Jahres 1956, wo das ASVG begründet wurde und wo die durchschnittliche Restlebenserwartung des Mannes sieben Jahre war. Ich bin froh, dass diese Zeiten vorbei sind. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 107

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Michalke, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begrün­dung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen – ich korrigiere: abgelehnt. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksich­tigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

15.20.217. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schul­organisationsgesetz-Novelle, das Land- und forstwirtschaftliche Bundes­schul­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Minderheiten-Schul­gesetz für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Pflicht­schulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Privat­schul­gesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Bildungsdokumentationsgesetz und das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (Schulbehörden­verwaltungsreform- und Rechtsbereinigungsgesetz 2014) (141 d.B. und 150 d.B. sowie 9191/BR d.B. und 9196/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. Bitte um den Bericht.

 


15.20.36

Berichterstatter Rene Pfister: Werter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich verzichte daher auf die Verlesung und komme sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag,


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 108

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt sehr herzlich Frau Bundes­minister Heinisch-Hosek begrüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.21.28

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Sehr geehrte Frau Minister! Zum einen geht es ja in diesem Gesetz darum, dass die Bezirksschulräte abgeschafft worden sind und jetzt natürlich angepasst werden muss, dass die Landesschulräte deren Aufgabe übernehmen. Das ist ja auch völlig in Ordnung, wäre auch ein ganz normaler Akt, den man durchlaufen lassen könnte; denn ich weiß nicht, wie viele Jahre wir für die Abschaffung der Bezirks­schulräte gebraucht haben, und dann ist es endlich passiert. Aber wie es so oft ist, werden dann noch andere Sachen in ein Gesetz hineingepackt, und dann spießt es sich wieder.

Eines davon ist die Sprachförderung: Es ist jetzt nicht so, dass ich generell gegen die Sprachförderung sein möchte, aber – das wird Ihnen nicht ganz unbekannt sein – unser Credo lautet: erst Deutsch, dann Schule! Wir sehen es überhaupt nicht ein, dass es Kinder von Zuwanderereltern gibt, die hier geboren wurden und bei Schuleintritt immer noch nicht Deutsch können. Daher haben wir immer verlangt, und es erscheint uns auch zielführender und richtiger zu sein, dass diese Kinder zuerst Deutsch lernen, damit sie dann in der Schule ohne Probleme dem Unterricht folgen können. (Bundesrat Kneifel: Was ist mit Kindern, die später kommen, nach Schuleintritt?)

Das ist jetzt einmal das, was wir uns wünschen, was wir gerne hätten – so. Dass die Defizite ausgeglichen werden müssen, ist uns auch klar. Und wenn man da keine Mehrheit bekommt, muss man schauen, wie man das anders macht, denn am Ende des Tages hat keiner von uns etwas davon, auch nicht wir Freiheitlichen, wenn wir hier Kinder von Zuwanderereltern haben, die nicht, auch nach neun Schuljahren nicht, ausreichend Deutsch können, nicht richtig lesen können, nicht richtig schreiben können, nicht richtig rechnen können, und die dann nahtlos quasi von der Schule in die Notstandshilfe wandern. Das ist auch nicht unser Ziel, und das wollen wir auch nicht.

Wir meinen aber, wenn man eine Sprachförderung macht, gehört sie auch evaluiert. Man muss schauen: Wie kommt es an? Was bringt es? Ist es wirklich das Richtige, und ist der Erfolg damit gegeben, den wir haben wollen? Das ist bis jetzt noch nicht passiert, liegt noch in der Zukunft. Und wenn es so wichtig ist, dann verstehe ich es gar nicht, warum man das immer nur auf zwei Jahre verlängert. Wenn der Bedarf da ist, dann ist er garantiert über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre gegeben. Das ist dann immer so – ich sage es ein bisschen salopp – eine Zitterpartie, ob es diese Förderung dann wieder gibt, in derselben Höhe für die gleichen Kinder.

Das bringt mich zu einem nächsten Punkt, wo es um die Sonderpädagogischen Zentren geht. Ich sage jetzt, die Türschilder werden ausgetauscht, man nimmt die Sonderschule weg, man sagt, jetzt ist es ein Sonderpädagogisches Zentrum. Sie haben auch in der Begutachtung viel Kritik dafür  (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Das ist ja schon lange, Frau Kollegin! Es gibt nur mehr Sonderpädagogische Zentren!) – Ja, aber Sie haben viel Kritik dafür geerntet, auch Landesschulräte und das


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Institut für Inklusive Pädagogik, et cetera, haben Ihnen ausgerichtet, dass das jetzt alles noch komplizierter wird.

Das, was wir brauchen, ist, dass Kinder, die Beeinträchtigungen in den verschiedens­ten Formen haben, integrativ unterrichtet werden. Ich persönlich sage aber schon: Es hat auch die Sonderschule ihren Sinn! – Und bitte unterstellen Sie mir jetzt nicht gleich wieder, wie das gerne gemacht wird, ich wolle die Kinder abschieben und die sollen überhaupt nichts mit den anderen zu tun haben!

Jüngst gab es erst einen Zeitungsbericht, wo sich Eltern beklagt haben, die nicht wollten, dass ihr Kind in eine Integrationsklasse geht, weil sie der Meinung waren, dass es ihrem Kind besser täte, wenn es in einer Sonderschule wäre, weil auf die Defizite besser Rücksicht genommen werden kann, besser eingegangen werden kann. Und eines der Hauptargumente war: Dieses Kind sieht nicht täglich, dass es anders ist als die anderen!

Daher glaube ich, es kann beides Bestand haben. Natürlich ist unser Hauptziel, in einer Klasse alle gemeinsam zu unterrichten, aber man kann es sich auch anschauen  ohne gleich dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, das sei so wie in der NS-Vergangenheit, am liebsten würde man sie euthanasieren. Es geht darum, zu sagen, was das Beste und das Richtige für das Kind ist. Das vermisse ich aber in der Diskussion seit Jahren insgesamt. Die Sonderschule hat jetzt leider auch schon so einen schwarzen Fleck bekommen, wo man dieses Wort am liebsten gar nicht mehr in den Mund nehmen möchte.

Zwei Anmerkungen noch: Wofür ich durchaus Verständnis habe, das ist die Kritik an der Abschaffung des § 14 Abs. 1, das Anhörungsrecht bei der Abweichung der Klassenschülerhöchstzahlen.

Der zweite Punkt, wo es jetzt keine Möglichkeit mehr gibt, ist, wenn die Schüler der Schule fernbleiben. Das sollte man überdenken, das glaube ich auch. Das Problem wird in den Ländern unterschiedlich vorhanden sein, aber ich denke schon, dass die Schüler in die Schule gehören. Die sollen etwas lernen, die sollen sich später im Leben ja auch einmal selbst erhalten können, eine Familie gründen können, wo sie zum Erhalt beitragen können.

Ich weiß schon, es hat fast jeder Schüler schon einmal die Schule geschwänzt, aber es ist ein Unterschied, ob ich mir als Schüler einmal einen Tag quasi selber freigebe, oder ob ich tage- und wochenlang gar nicht zur Schule gehe. Oft genug ist es so, dass die Eltern das gar nicht wissen, manchmal wird es leider auch von den Eltern toleriert. Aber ich denke schon, dass man da etwas machen muss, dass man die Kinder wieder zurück in den Unterricht holt. Und wenn die Eltern, das gibt es leider auch, dann uneinsichtig sind, finde ich auch, dass es gewisse Maßnahmen geben sollte.

Noch etwas möchte ich ansprechen, weil es so aktuell ist: die Förderung für die Vienna International School. Sie haben das ja sicher heute auch schon gehört und gelesen. Sie, Frau Ministerin, müssen sparen. Sie müssen ganz schön viel sparen, obwohl wir für Bildung doch Geld brauchen und Geld in die Hand nehmen sollen – aber Sie haben eine ganz ordentliche Sparverordnung bekommen.

Und da muss man sich jetzt – auch ein bisschen im Hinblick auf die Diskussion über die Luxuspensionen vorhin – wundern, wenn die Vienna International School bis jetzt vom Bildungsministerium 5,2 Millionen an Förderungen bekommen hat. Da wurden noch einmal 2,5 Millionen vom Bund draufgelegt. Das heißt, wir reden hier von 7,7 Mil­lionen €. Für wie viele Schüler? – Für 1 400 Schüler. Alle anderen nichtkonfessionellen Privatschulen, die insgesamt 5 900 Schüler haben, bekommen 4,4 Millionen an Förde-


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run­gen. Da ist schon auch ein Ungleichgewicht, und es stellt sich die Frage, warum die eine besser behandelt wird als die andere.

Ich bin überhaupt nicht dagegen, dass es eine internationale Schule, oder zwei oder drei oder vier oder fünf, gibt – die soll es ruhig geben –, aber ich denke doch, dass es richtig und verantwortbar ist, alle gleich zu fördern und nicht der einen in Wirklichkeit dreimal so viel zu geben wie den anderen zusammen.

Man hat ja dann versucht, die heiße Kartoffel nach Wien zu schieben und zu sagen: Macht ihr das! Wien hat dankend abgelehnt. Die krachen ja budgetmäßig genauso wie eine Kaisersemmel. Wien hat gesagt, wir haben ja die Danube International School und wir haben die American International School, die ohne diese Förderungen aus­kom­men. Die kriegen auch Förderungen, aber jedenfalls nicht in dieser Höhe. Es wird ja jetzt ohnehin neu verhandelt, weil der Vertrag ausläuft, und ich denke, das ist schon auch etwas, was man im Bildungsbereich mitnehmen und aufnehmen muss, um da auch annähernd Gerechtigkeit zu schaffen. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

15.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Reich. – Bitte.

 


15.30.14

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der vorliegende Gesetzestext enthält drei Schwerpunkte, die den Schulalltag mehr oder weniger gravierend verändern werden.

Zum Ersten geht es im Schulbehördenverwaltungsreformgesetz um die Auflösung der Bezirksschulräte mit ihren Disziplinar- und Leistungsfeststellungskollegien, damit um den Wegfall einer Behördenebene und eine darauf folgende Rechtsbereinigung. Wir bewegen uns damit wieder einen Schritt in Richtung Verwaltungsreform und Verwal­tungsvereinfachung. Die Aufgaben der Bezirksschulräte werden nun von den Landes­schulräten wahrgenommen. Insgesamt soll das ein Einsparungspotenzial von zirka 20 Prozent ergeben, das die Bundesländer in ihren verschiedensten Ausführun­gen durchsetzen werden.

Am Montag dieser Woche konnte ich als Schulleiterin auf Einladung unserer Bezirks­obfrau, die ja die Vorsitzende des Bezirksschulrates und all seiner Kollegien war, an einer kleinen Feierstunde zu dieser Veränderung in unserem Bezirk teilnehmen und möchte nun aus ihrem Eingangsstatement und aus dem Gesetz zitieren.

„Durch die Auflösung der Bezirksschulräte soll ausschließlich die Behördeninstanz wegfallen. Die Aufgaben der Bezirksschulräte werden weiterhin wahrzunehmen sein, und zwar – dem Gebot der Bürgernähe und dem Servicegedanken entsprechend – auch vor Ort, an ‚Außenstellen des Landesschulrates‘, die bedarfsorientiert und losgelöst von der regionalpolitischen Situation () einzurichten sein werden ().“

Die Organe der Schulaufsicht in den Außenstellen des Landesschulrates oder der Lan­desschulräte werden nun die Bezeichnung „Pflichtschulinspektor – oder Pflichtschul­inspek­torin – für allgemein bildende Pflichtschulen“ führen.

Als LehrerInnenvertreterin habe ich jahrelang die Agenden meiner Kolleginnen und Kollegen im Bezirksschulratskollegium vertreten, und aus meiner persönlichen Erfah­rung kann ich mit Sicherheit sagen, dass die großen pädagogischen Veränderungen nicht von diesem Gremium ausgegangen sind. Schulleiterbestellungen wurden meist nicht beeinflusst, und Vorschläge für Titelüberreichungen und Auszeichnungen sind meistens ohne Diskussionen über die Bühne gegangen.


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Somit hoffe und wünsche ich, dass dies wirklich ein Schritt zu einer Verwaltungs­vereinfachung wird. Als Schulleiterin bleibt mir mein alter Bezirksschulinspektor auch weiterhin als Ansprechpartner, als neuer Pflichtschulinspektor oder regionaler Bil­dungs­manager, erhalten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, im Zuge der Veränderung des Schulorgani­sations­gesetzes werden auch die bestehenden Sprachförderkurse um zwei weitere Jahre verlängert. Mit Sprachförderung und Sprachfeststellung in den Kindergärten startet die Unterstützung von Kindern, deren Erstsprache in den Familien nicht Deutsch ist, schon in der Frühphase. Mit der vorliegenden Änderung werden nun die Mittel für die Sprachförderung in den Schulen verlängert. Das sind Ressourcen für zirka 440 Planstellen, die für mich an einer wichtigen und an der richtigen Stelle eingesetzt werden; denn damit wird Kindern, die dies brauchen, integrativ, das heißt im Klassen­verband, aber auch in speziellen Fördergruppen, die Möglichkeit gegeben, ihre sprachlichen Rückstände aufzuholen, und sie werden damit an die Leistungen der anderen SchülerInnen herangeführt.

Für meine FraktionskollegInnen und für mich ist dies eine enorm wichtige Maßnahme zur Chancengleichheit, denn Sprache ist der Schlüssel, um an der Gemeinschaft teilhaben zu können und schulische Abschlüsse zu erreichen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Förderung ein wichtiges Instrument für die soziale Integration ist, denn Sprachverständnis und Kommunikationsfähigkeit sind elementare Bedingungen für schulische Leistungen und später natürlich auch für die berufliche Qualifikation. Für mich sind diese für weitere zwei Jahre freigegebenen Mittel äußerst wertvolle Ressourcen für bessere Bildungs- und Jobchancen für diese SchülerInnen und im weiteren Sinne natürlich auch Unterstützung für die unterrichten­den Lehrerinnen und Lehrer. Für die Gesellschaft sind dies früh eingesetzte Res­sourcen, um spätere Konfliktpotenziale zu vermeiden. Ich möchte mich ganz herzlich für die Verlängerung bedanken.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, zum dritten Punkt, der mir wichtig erscheint, der, obwohl er offensichtlich nur ein Türschildwechsel ist, bei genauerem Hinsehen doch mehr in sich birgt: Sonderpädagogische Zentren werden in Hinkunft „Zentren für Inklusions- und Sonderpädagogik“ heißen. Im Gesetz heißt es, Kinder mit Beein­trächtigungen sollen mit Bereitstellung und Koordination sonderpädagogischer Maß­nah­men in bestmöglicher Weise auch in allgemeinen Schulen unterrichtet werden.

Diese Veränderung bedeutet auch, dass Kinder mit Beeinträchtigungen die schulische Betreuung erhalten, die genau für ihre persönliche Lebensbedingung die beste ist. Ich persönlich bin überzeugt, dass je länger sie im Klassenverband, bei ihren Freunden und Freundinnen, bei den schwachen, bei den guten und bei den besten SchülerInnen sein können, desto größer ihre Erfolgschancen sind.

Auch an meiner Schule befindet sich zum Beispiel in einer Klasse ein Schüler mit Lernproblemen, man nennt das einen allgemeinen sonderpädagogischen Förder­bedarf, wir haben ein Kind mit autistischen Zügen, der nicht mit LehrerInnen und Mitschülern spricht, aber grundsätzlich an allen Schultagen, an allen Projekttagen und allen Projektwochen teilnimmt, wir haben in der gleichen Klasse ein Kind mit Sinnes­behinderung, das überhaupt nichts hört und über Headsets unterrichtet wird, und jetzt auch ein Kind, das von den verschiedensten Stellen betreut wird, da es schwerer häuslicher Gewalt ausgesetzt war, schwer traumatisiert ist.

Wir Lehrerinnen und Lehrer stehen alle zu unseren Kindern, wir stehen zur Inklusiv­pädagogik, und wir haben trotz extrem vieler Team-, Eltern- und Behördengespräche  bei denen geht es meistens um Ressourcen, und die brauchen wir an den Schulen natürlich ganz dringend  die intensivsten aber auch die besten Erfahrungen mit unse-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 112

ren Kindern. Das ist Inklusivpädagogik, und die sollte sich auch am Türschild ablesen lassen!

Werte Kolleginnen und Kollegen, Veränderungen werde gesetzlich festgeschrieben, geschehen tun sie aber an der Basis. Wir von der SP-Fraktion stimmen gerne diesem Gesetz und dem Abänderungsantrag zu.  Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Oberlehner. – Bitte.

 


15.37.41

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuseher an den TV-Geräten zu Hause! Wenn wir heute dem Schulbehörden­verwal­tungsreform- und Rechtsbereinigungsgesetz 2014 unsere Zustimmung geben wollen, so sind dabei Verwaltungsvereinfachung und Qualitätssicherung ebenso das Thema wie sinnvolle Weiterentwicklungen.

Die Abschaffung der Bezirksschulräte, die schon angesprochen wurde, stellt dabei zweifellos eine sinnvolle, wenn auch nicht weiß Gott wie große Entbürokratisierung dar. Es ist nicht der so große Wurf, wie man vielleicht sagen möchte, aber es ist zweifellos ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Strukturen, die es in der gegebenen Form nicht mehr braucht und die ohne Qualitätsverlust aufgegeben werden können, soll man zweifellos verändern, und man soll die politischen Rahmenbedingungen dazu ent­sprechend schaffen, verändern und anpassen.

In Oberösterreich, so kann ich berichten, ist die Veränderung bereits voll im Gang. Die zukünftigen Bildungsmanager stehen für Qualität, sowohl in der pädagogischen Aus­bildung als auch in der Schulorganisation. Es gibt aber auch andere, ebenfalls schon angesprochene, wichtige Veränderungen, die mit diesem Bundesgesetz umgesetzt werden.

Ein ganz wichtiger Bereich ist dabei die Sprachförderung. Ich freue mich, dass hier wichtige Dinge entsprechend auf die Reihe gebracht werden konnten. Die Verlänge­rung dieser Sprachförderung um weitere zwei Jahre gibt Planungssicherheit. Es wurde aber auch schon angesprochen, dass man nicht ganz versteht, warum man es wieder nur auf zwei Jahre verlängert. Eine Verlängerung, vielleicht überhaupt einmal auf Dauer, wäre wohl zu überlegen, um die Planungssicherheit noch entsprechend zu verbes­sern.

Immerhin aber werden 25 Millionen € für diese Verlängerung zur Verfügung gestellt. Dadurch sind fast 10 000 Unterrichtswochenstunden für zirka 25 000 Schülerinnen und Schüler gesichert, denen beim Erlernen der deutschen Sprache in Zukunft geholfen werden kann.

Schüler an AHS-Unterstufen und an den Pflichtschulen werden diese Sprachförder­kurse entsprechend nützen können, und diese werden ihnen zugutekommen – unbe­stritten ein wesentlicher Punkt für die Integration von Kindern, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, auch eine ganz wichtige Unterstützung für den weiteren Weg dieser Kinder, für ihr Leben bei uns in Österreich.

Genauso wichtig erscheint es mir aber auch, dass die frühe sprachliche Förderung bis zum Schuleintritt entsprechend gefördert und unterstützt wird. Alle Initiativen, die auch Integrationsminister Sebastian Kurz dabei setzt und die er mit den Ländern verhandelt, sind in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr zu begrüßen.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 113

Es ist gut, dass auch Sie, sehr geehrte Frau Minister, dabei die Volksschulen stärken wollen und den Übergang von den Kindergärten zu den Volksschulen besonders fördern möchten. Es gibt ja viele Studien, die beweisen, wie wichtig gerade die Sprach­standsfeststellung bei den Vier- bis Fünfjährigen ist, weil hier eben eine gute oder eine weniger gute oder gar eine schlechte Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung gelegt wird.

Noch ein Wort auch zur ebenfalls schon angesprochenen Umbenennung der Sonder­pädagogischen Zentren, die derzeit ja eben nur eine Umbenennung ist und inhaltlich zu keinen Veränderungen führt. Diskussionen zu den Fragen der Inklusion und Inte­gration wird es hier aber zweifellos noch zu führen geben.

Insgesamt sind dies also wichtige Schritte in der weiteren Entwicklung unseres Schulsystems, wobei ich glaube, dass wir auch in der Entwicklung der Schulautonomie bald einen Schritt weiterkommen sollten.

Besonders wichtig erscheint mir als überzeugtem Kommunalpolitiker vor allem auch, dass wir uns klar zu den vielen ausgezeichneten kleinen Schulen im ländlichen Raum bekennen. Neben der ausgezeichneten Qualität, die vor allem dort geboten wird, schafft die Schule im Dorf auch Verwurzelung und Verbindung zur Heimat. Gerade das ist in vielerlei Hinsicht sehr wichtig, zum Beispiel auch, wenn es darum geht, dass die Menschen auch zukünftig in unseren schönen Regionen in Österreich leben wollen und nicht alle den Weg in die Großstädte und in die Ballungsräume suchen.

In diesem Sinne werden wir von der ÖVP-Fraktion dem vorliegenden Gesetz jedenfalls die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.42.19

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt, nur noch nicht von allen. Aber ich werde versuchen, neue Aspekte einzu­brin­gen.

Es steht natürlich außer Zweifel, dass die Sprache das Fundament für jegliches Voran­kommen ist, und wir haben hier in Österreich wirklich ein Fundament, einen Schatz, der als solcher noch nicht erkannt wird: Wir haben viele, viele Schülerinnen und Schüler, die aus unterschiedlichen Ländern kommen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, die aber nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen vorfinden, weil es in unserem System nach wie vor sehr, sehr schwierig ist, diese Potenziale auch ent­sprechend zu fördern.

Gerade für ein Land wie Österreich ist es derartig wichtig, dass wir Menschen haben, die neben einer fundierten beruflichen Ausbildung auch Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen haben, weil wir doch sehr viel vom Export leben. Insbe­sondere das Bundesland, aus dem ich komme, Oberösterreich, hat eine Exportrate von 70 Prozent. Was kann uns da Besseres passieren, als dass wir viele junge Menschen haben, die unterschiedliche Sprachen sprechen, und dass wir das dann bestmöglich fördern?!

Aber natürlich, die deutsche Sprache ist ganz, ganz wichtig, und auch da gibt es Ver­bes­serungsbedarf, das steht außer Diskussion. Wir haben aber leider Gottes ein sehr, sehr selektives Bildungssystem – das bestätigen uns die unterschiedlichsten Studien –, und Kollegin Mühlwerth hat ja auch nur eines dieser Beispiele genannt, die Vienna International School. Da ist es wirklich nicht nachvollziehbar, warum eine Schule, die


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als Privatschule geführt wird und doch von sehr vielen Kindern aus gesellschaftlich und finanziell sehr gut situierten Familien besucht wird, noch zusätzlich besondere Förde­rungen bekommt, andere Privatschulen hingegen nicht in diesem Ausmaß. Also da ist die Kritik, die die Kollegin Mühlwerth geäußert hat, durchaus berechtigt, und das sehe ich in diesem Punkt genauso.

Es ist aber auch zu beachten, dass wir aufgrund dieses selektiven Bildungssystems, das wir haben, ein Scheunentor öffnen auch für bestimmte Entwicklungen, die, glaube ich, für viele von uns noch nicht so sehr im Blickfeld sind. Denn: Wir können es nicht auf der einen Seite privaten oder kirchlich geführten Institutionen ermöglichen, dass sie Schulen führen, und andererseits zum Beispiel anderen Gruppierungen, die sozusagen aber eben von einer anderen religiösen Strömung kommen und auch Privatschulen betreiben möchten, dieses Recht verweigern.

Hier sehe ich schon eine Entwicklung, dass wir in jungen Jahren insbesondere über die Bildung auch eine soziale Selektion vorantreiben. Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass wir Städte und Stadtteile haben, wo der MigrantInnenanteil unter den Schülerinnen und Schülern über 90 Prozent beträgt. Ich glaube, das ist nicht im Interesse von uns allen. Und solange wir nicht eine Gesamtschule haben, werden wir auch weiterhin diese selektiven Systeme haben, und jene, die es sich leisten können, werden ihre Kinder an Privatschulen geben, sei es katholisch geführte oder auch solche wie die Vienna International School, und wir werden aber auch das Phänomen haben, dass sich hier immer mehr Bildungsinstitutionen zum Beispiel aus den arabi­schen Ländern oder aus der Türkei niederlassen und ihre eigenen Schulen betreiben werden.

Das ist eine Entwicklung, die ich gesellschaftspolitisch als sehr bedenklich erachte, denn ich möchte, dass unsere Jugend und unsere Kinder gemeinsam eine Ausbildung haben, dass sie gemeinsam Begegnungen haben, dass sie den Raum für Kontakte haben und nicht schon von Kindesalter an in sozial isolierten Räumen aufwachsen, die sich dann vielleicht auch noch im privaten Umfeld fortsetzen. Das ist nicht gut für das Zusammenleben und kann nicht im Interesse unseres Landes und unseres Staates sein.

Daher das Plädoyer von uns Grünen: Wir müssen massiv fördern. Sprachförderung ist wichtig. Die 24 Millionen € sind begrüßenswert. Die Dauer von zwei Jahren ist auch für mich nicht nachvollziehbar, weil Sprache doch etwas ist, was über einen längeren Zeit­raum erlernt und gefördert werden muss. Ich wünsche mir, dass wir hier über die zwei Jahre hinauskommen; aber das wurde jetzt, glaube ich, schon von allen Fraktionen in aller Deutlichkeit gesagt. Wir werden dem auf jeden Fall unsere Zustimmung erteilen, weil es ein wichtiger und ein richtiger Schritt ist.

Was die Sonderpädagogischen Zentren betrifft, so ist es da insbesondere meinen KollegInnen im Nationalrat Helene Jarmer und Harald Walser gelungen, durch ihren nachdrücklichen Einsatz für die Installierung der Zentren für Inklusiv- und Sonderpä­dagogik das durchzusetzen. Und es ist nicht nur ein Austausch des Namens, sondern es wird aus meiner Sicht noch viel weiter gehen, denn wenn man sich die Begründung anschaut, dann steht dort nämlich Folgendes:

Die Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik „dienen daher der Umsetzung von Inklu­sionsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem För­der­bedarf“.

Auf diese Begründung wird man sich auch in Zukunft berufen können, und das ist meines Erachtens doch mehr als ein reiner Namenswechsel.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 115

Insofern werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. Ich ersuche aber innigst auch darum, diese Entwicklung im Auge zu behalten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

15.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Minister.

 


15.48.52

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsi­dent! Hoher Bundesrat! Wir werden das nicht nur im Auge behalten, es ist auch ganz in meinem Sinne, dass diese 25 Millionen € oder 440 Planstellen für Sprachförde­rung in Volksschulen, Hauptschulen, Neuen Mittelschulen und AHS-Unterstufen über die zwei Jahre hinausgehend selbstverständlich weiterhin zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine Maßnahme, die es seit dem Schuljahr 2006/2007 gibt, und in etwa 25 000 Schü­lerinnen und Schüler können damit „bedient werden“, wenn ich das so sagen darf, sind davon betroffen, profitieren von dieser Maßnahme. Es geht ja, denke ich, nicht nur um Kinder, die eine Migrationsgeschichte mitbringen oder quer einsteigen – auch das war heute schon Thema –, es geht auch um Kinder, die Entwicklungsrückstände aufweisen und besonderer Sprachförderung bedürfen.

Ich glaube, alles in allem passt in diesen Zusammenhang auch das Thema der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik sehr gut, und ich freue mich sehr, dass diese hoffentlich heute auch Ihre Zustimmung finden werden. Dabei geht es keinesfalls nur um eine andere Bezeichnung, sondern es geht für die Zukunft auch darum, was im Regierungsprogramm steht, dass wir uns um inklusive Modellregionen bemühen wollen, dass auch inklusive Pädagogik schön langsam die Integrationspädagogik ablösen kann – denn inklusiv sein bedeutet die Vielfalt leben, und das bezieht sich auf weit mehr als nur auf Kinder, die sonderpädagogischen Förderbedarf oder besondere Bedürfnisse haben.

Um das weiterzuentwickeln, werde ich im Juli einen ersten Runden Tisch mit Behin­dertenverbänden abhalten, um zu schauen, wie wir genau dieses Thema gut für alle Betroffenen weiterentwickeln können. Vor allem unter den gegebenen finanziellen Umständen muss man ja inhaltlich sehr sorgsam damit umgehen. Und diese Forde­rung steht natürlich immer im Raum: Ressourcen! Mehr Ressourcen könnten alle, alle, alle gebrauchen. Wenn ich sie in meinem Ressort hätte, würde ich sie natürlich eins zu eins an die Schulen weitergeben. Aber nichtsdestotrotz glaube ich, mit dem Thema Inklusion sorgsam umzugehen, ist sicher in unser aller Interesse.

Weiters enthalten sind in dieser Novelle, wie gesagt, Verwaltungsvereinfachungen mit dem Ziel, auch Effizienz- und Effektivitätssteigerung herbeizuführen. Auch wenn es nur an die 30 Planstellen sein werden, die durch die Umstellung der Bezirks­schulratsbe­hörden in die Landesschulräte wegfallen, heißt es doch, dass man sich die Bezirks­schul­rats­kollegien in Zukunft ersparen wird, dass hier nicht mehr Leute zusammen­kommen müssen, sondern dass man direkt beim Landesschulrat angesiedelt die Pflichtschulinspektoren und -inspektorinnen und die Regionalmanagerinnen und -manager vorfinden wird, die sich natürlich nach wie vor exzellent in den einzelnen Bun­desländern – aber jetzt in Regionen aufgeteilt, nicht mehr in Bezirke – um das gesamte Gebiet kümmern werden.

Ich glaube, alles in allem sagen zu können, dass wir mit diesen Schritt-für-Schritt-Möglichkeiten, die wir hier haben – denn wenn man alleine entscheiden könnte, würde vielleicht vieles anders aussehen, aber so, mit diesen Kompromissen, ist es, glaube ich, auch gut: zwei Jahre die Sprachförderung gesichert, bei Abschaffung der Bezirks­schulräte Umwandlung in die Bundesbehörde Landesschulrat –, Schritte in die richtige


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Richtung gesetzt haben. Und ich hoffe, dass zu dieser Novelle hier auch von allen die Zustimmung erfolgen wird.

Ein Wort noch, weil es zwei Mal angesprochen wurde, zu einem Vertragskonstrukt aus dem Jahr 1978 zwischen dem Staat Österreich und der UNO, das jetzt zur Verlän­gerung ansteht, nämlich betreffend die spezielle Zuwendung, die spezielle Förderung einer internationalen Schule. Dieses Geld wurde immer schon von der Finanz dem Bildungsressort zur Verfügung gestellt. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass es hier von der Gewichtung her so scheint, als wäre das enorm viel, verglichen mit anderen Bereichen. Das, was ich tun kann, werde ich weiter tun, nämlich die Schulen in freier Trägerschaft so fördern, wie es mein Budget zulässt. Und wenn jetzt die Vertrags­verlängerung ansteht und das Finanzressort dieses Sonderbudget zur Verfügung stellt, das über mein Ressort abgewickelt wird, so werden sich jetzt noch einige Ministerien zusammensetzen, denn da sind einige involviert – das Außenamt, das Finanzministe­rium, das Bildungsministerium und auch das Wirtschaftsministerium. Diese Vertrags­verlängerung ist, wie gesagt, noch nicht abgeschlossen, und das wird sich noch weisen.

Alles in allem hoffe ich, dass Sie dieser Novelle Ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bun­desrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

15.54.568. Punkt

Strategische Jahresplanung 2014 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der irischen, litauischen und griechischen Präsidentschaften (III-520-BR/2014 d.B. sowie 9197/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 117

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nunmehr zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte um den Bericht.

 


15.55.15

Berichterstatter Rene Pfister: Werter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 2014 den Antrag, die Strategische Jahres­planung 2014 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der irischen, litauischen und griechischen Präsidentschaften zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Reich. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.55.52

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Werte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zu den Hauptzielen des Arbeitsprogrammes der EU-Kommission für 2014 zählen nach wie vor die Steigerung des Wachstums, die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Be­schäfti­gung. Bildung und Mobilität spielen eine Schlüsselrolle bei der Erlangung dieser Ziele.

Investitionen in Bildung sind langfristige, bedeutende Maßnahmen in der Wachstums­förderung. Die europäischen Bildungssysteme müssen jungen Menschen Qualifikatio­nen vermitteln, damit sie auf dem Arbeitsmarkt bestehen können.

Ein weiteres wichtiges Thema für diese Präsidentschaft ist die qualitativ hochwertige PädagogInnenbildung als Grundlage für guten und innovativen Unterricht und damit eine Voraussetzung für bessere Bildungserfolge und Motivation für lebenslanges Lernen.

Das Programm enthält weiters Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in den Medien, in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt sowie in den Leitungs­organen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern, für die auch wirt­schaftliche Gründe sprechen, ist ein grundlegender Wert der Europäischen Union und setzt ihren Schwerpunkt in der aktiven Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt, sodass ein Beschäftigungsziel von 75 Prozent erreicht werden kann. (Vizepräsidentin Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Gleichzeitig werden intensive Maßnahmen und Initiativen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gesetzt, die durch eine Konferenz in Brüssel im Frühjahr dieses Jahres untermauert wurde, bei der die größte Studie in der EU zur Gewalt gegen Frauen präsentiert wurde.

Im Bereich Frauenangelegenheiten und Gleichstellung plant die Europäische Kom­mission eine Initiative zur gleichen Entlohnung für Frauen und Männer, die auch aus österreichischer Sicht sehr positiv zu bewerten ist.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nun noch einmal auf die Bildungs­ziele und deren Umsetzung zurückkommen. Ein europäisches Bildungsziel ist es, die Schulabbruchsquote auf unter 10 Prozent zu senken, was Österreich mit 7,6 Prozent bereits erreicht hat, und den Anteil der Personen, die ein Studium im tertiären Bereich abgeschlossen haben, auf mindestens 40 Prozent zu erhöhen. Hier liegt Österreich nach den letzten Zahlen der Statistik Austria bei 27 Prozent, wobei sich nach Verän­derung der Definition – indem man andere Bereiche auch in den tertiären Bereich


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hinein­nimmt, weil es in den europäischen Ländern einfach verschieden gehandhabt wird, zum Beispiel Kindergartenpädagogik – der Wert auf gute 39 Prozent erhöht, was sogar über dem EU-Schnitt wäre und knapp an die 40 Prozent herankommt, die erreicht werden sollen.

Dass sich die Akademikerquote in den vergangenen 30 Jahren in Österreich verdrei­facht hat, liegt an den österreichischen Frauen, die auf diesem Gebiet die Männer überholt haben.

Die speziellen Empfehlungen für Österreich im Bereich der Bildung betreffen aber das ungenützte Potential von Menschen mit Migrationshintergrund, die Verbesserung der Bildungsergebnisse von benachteiligten Menschen, die Verbesserung der frühkind­lichen Bildung und eine Abmilderung der negativen Konsequenzen der frühen Leis­tungsdifferenzierung in Österreich.

Da wird das Reformpaket des Bundesministeriums für Bildung und Frauen – mit der heute schon erwähnten Sprachförderung, mit den Neuen Mittelschulen, mit dem Aus­bau der Ganztagsbetreuung und auch mit der PädagogInnenbildung Neu – ent­sprechend wirken und gegensteuern und damit auch dem Arbeitsprogramm der Kommission entsprechen.

An den Bildungsprogrammen der EU hat sich Österreich sehr erfolgreich beteiligt, und die Teilnehmerzahlen sind in den letzten Jahren ständig gestiegen. Zirka 16 000 junge Menschen nutzten oder nutzen die Chance, in einem anderen europäischen Land zu lernen oder zu arbeiten.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei den Verantwortlichen im Ministerium für den Bericht, eine ambitionierte Jahresplanung mit wichtigen Themen für die Zukunft Österreichs und einem gemeinsamen Europa. Gehen wir alle mit Qualität und Innovation mit! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Es ist alles gesagt!)

16.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­rat Köberl. – Bitte.

 


16.00.43

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Kollegin, wir haben den gleichen Bericht gelesen, deswegen darf ich mir einiges von meinen vorbereiteten Unterlagen ersparen – aber ich darf doch noch auf ein paar Punkte eingehen und mich eingangs für die Erstellung dieses Berichtes bedanken. Es ist sozusagen ein Abbild des Status quo und einer Perspektive für die Zukunft, und wir wissen, dass wir generell gesehen im Bildungsbereich in Österreich auch in den kommenden Jahren vor Herausforderungen stehen werden.

Meine Kollegin hat es schon erwähnt: Die Hauptziele des Arbeitsprogramms sind eben die Steigerung des Wachstums und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, vor allem aber die Erhöhung der Beschäftigungsquote in der EU.

Unbestritten ist – und das, glaube ich, eint uns hier –, dass Investitionen in den Bil­dungsbereich nachhaltig wachstumsfördernde Maßnahmen sind. Europas Bildungs- und Berufsbildungssysteme, auch das österreichische, müssen mehr denn je jungen Menschen jene Qualifikationen vermitteln, die der Arbeitsmarkt benötigt. Insbesondere die griechische Präsidentschaft von Jänner bis jetzt, auslaufend im Juni 2014, stellt deshalb Qualität und Innovation ins Zentrum ihrer Bemühungen im Bildungs- und Aus­bildungsbereich.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 119

Wir haben auch von der Ausbildung von Lehrkräften, die sozusagen neu aufgestellt wurde, gehört. Eine qualitativ hochwertige Pädagoginnen- und Pädagogenbildung ist der Grundstein für einen guten Unterricht und in weiterer Folge auch für bessere Bildungserfolge von Schülerinnen und Schülern. Dazu kommt, und darauf, glaube ich, kommt es besonders an, dass es attraktive Angebote im Sinne der Weiterbildung für die Lehrerinnen und Lehrer gibt und auch eine Motivation für ein lebenslanges Lernen.

Wesentlich ist auch – und verstehen Sie das nicht falsch als Seitenhieb –, dass es Planungs­sicherheit gibt, was neue Schulsysteme betrifft, insbesondere betreffend die Neue Mittelschule mit den Stundenkontingenten. Hier ist doch einiges an Unruhe hineingebracht worden.

Wir haben auch schon gehört, dass die Schulabbruchsquote in Österreich bei 7,6 Prozent liegt. Das ist unter dem Geforderten, aber doch noch immer zu viel, und vor allem brisant ist die Zahl, wenn man hört, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Österreich eine viermal so hohe Schulabbruchsquote als der Rest haben. Hier gibt es also einiges zu tun.

Österreich setzt, so entnehmen wir dem Bericht, verstärkt auf Maßnahmen im Bereich der Elementarbildung; insbesondere geht es um die Stärkung des Übergangsmanage­ments vom Kindergarten in die Volksschule sowie den Ausbau der Sprachförderung von Kindern.

Ich möchte auch noch auf das Erasmus+-Programm zu sprechen kommen, das heute schon im Wissenschaftsbericht sozusagen erwähnt wurde. Wir wissen, dass Erasmus+ jetzt auch den Teil der Jugend – sprich: der Schulen – umfasst, und gerade, weil auch unsere Schule in Bad Aussee sehr, sehr erfolgreich an einem Comenius-Projekt teilge­nommen hat, weiß ich, wie wichtig und wie nachhaltig fördernd das für die betroffenen jungen Damen und Herren sein wird.

Dann heißt es auch, und das ist wichtig, dass die Schlussfolgerungen dazu beitragen sollen, dass dem Bildungsbereich eine stärkere Stimme im Jahreswachstumsbericht und im Prozess der Europa-2020-Strategie gegeben wird. Die Mitgliedstaaten sind unter anderem dazu eingeladen, Grundkompetenzen zu fördern sowie lebenslanges Lernen zu stärken und digitale Fertigkeiten und Lernmethoden sowie die Ausschöpfung des Potenzials neuer Technologien zu unterstützen. – Ich freue mich schon darauf, und dankenswerterweise wurde im Nationalrat dazu, wie auch zur gesamten Bildungs­thematik, ein Unterausschuss eingerichtet.

Hier liegt sozusagen vieles auf dem Tisch, aber gerade was die neuen Technologien betrifft – ich spreche da ein Beispiel an, nämlich das Thema Handy in der Schule –, wird der Umgang damit mit unterschiedlichen Ergebnissen unterschiedlich gehandhabt. Sie können Fachmeinungen dazu in jede Richtung haben. Ich persönlich war in Däne­mark beeindruckt: Dort ist das selbstverständlich, dort gibt es einen neuen Zugang. Diese neuen Technologien ermöglichen auch neue Unterrichtsformen. Also diesbe­züglich, glaube ich, ist es an der Zeit, dass man einmal eine klare Richtlinie trifft.

Die neue Generation der europäischen Finanzierungsinstrumente, insbesondere Eras­mus+ sowie die Struktur- und Investitionsfonds sollen voll ausgeschöpft werden. – Diesbezüglich wissen wir, dass es diese Mittel, die aufgestockt wurden, gibt, ich habe sie schon bei Erasmus+ angesprochen. Es sind insgesamt 14,7 Milliarden € für das Programm bereitgestellt, 40 Prozent mehr als in der Finanzperiode 2007 bis 2013. Der Anteil Österreichs wird allein im Jahr 2014 rund 28 Millionen € betragen.

Dies ist ein imposanter Bericht in einem Bereich, in dem vieles in Veränderung ist. Wir haben es heute schon vom Sozialminister gehört: Wir leben in vielen Bereichen in einem Zeitalter der Veränderung, so auch im Bildungsbereich. Dort warten große Auf-


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 120

gaben, muss man sagen, und Herausforderungen auf uns, die wir gemeinsam lösen wollen. Wir sind dazu bereit, und auch die EU unterstützt uns in diesem Bereich. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

16.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


16.06.34

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Minis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich habe anscheinend das Privileg, die letzte Rednerin hier zu sein, und ich habe versprochen, es ganz, ganz kurz zu machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Oje!) – Was heißt da: „Oje“? (Zwischenruf des Bundesrates Günther Köberl.) – Ja, wir nehmen den Bericht zur Kenntnis.

Es ist leider so, dass es letztendlich am Geld hängt, denn die genannten Reform­maß­nahmen müssen finanziert werden. In denen fühlt das Ministerium sich laut Bericht offensichtlich bestätigt, wie eben Neue Mittelschule, Ausbau der Ganztagsbetreuung und PädagogInnenbildung Neu. Das alles ist nicht so neu, aber eben aufgrund der Budgetzwänge doch in vielen Bereichen nicht so umgesetzt, wie es wünschenswert und auch notwendig wäre, gerade auch, was Tagesbetreuung oder Förderstunden in den Neuen Mittelschulen und so weiter betrifft. Da ist es vor Ort immer wieder ein Kampf um die notwendigen Mittel dafür, damit die Neue Mittelschule nicht doch nur sozusagen Umbenennung oder Etikettenschwindel wird.

Es werden in diesem Wachstumsbericht fünf Schlüsselbotschaften formuliert, denen man sich nur anschließen kann, wie Modernisierung der Bildungs- und Ausbildungs­systeme, junge Menschen unterstützen, relevante Skills hervorbringen, Investitionen in Bildung beibehalten und Effizienz verbessern, auf die Bedürfnisse gefährdeter Gruppen eingehen – aber von einer Priorisierung von Investitionen in die Bildung, davon, glaube ich, kann man in diesem Land nicht wirklich sprechen. Es wird leider in diesem sehr wichtigen Bereich auch massiv gekürzt.

Sonderschulen – das Problem ist heute schon angesprochen worden. Ich halte diese Schritte, die jetzt in Richtung Inklusion gesetzt werden, für wichtig, aber ich halte es für schade und gefährlich, wenn gerade im Bereich der Tagesbetreuung in den Schulen gebremst wird, denn ich halte das in Form von Ganztagsschulen, Ganztagsbetreuung gerade für gefährdete Jugendliche für ungeheuer wichtig. Gerade für diese Kinder und für diese Gruppen, für Jugendliche mit schwachem sozialen Hintergrund, die sich Nachhilfestunden und Ähnliches nicht leisten können, wo es diese Unterstützung nicht gibt, sind Ganztagsschulen ungeheuer wichtig und notwendig.

Was Schulabbrecher betrifft: Ich glaube, dass auch 7,6 Prozent zu viel sind, und ich begrüße die ganzen Überlegungen einer entsprechenden Ausbildungsgarantie für Jugendliche, um diese Kinder, diese gefährdeten Gruppen auch entsprechend aufzu­fangen und weiter zu fördern.

Wir werden den Bericht wohlwollend zur Kenntnis nehmen und wünschen Ihnen und uns, dass die finanziellen Mittel in einem Ausmaß vorhanden sind, dass diesen Worten und Bekenntnissen auch Taten folgen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der ÖVP.)

16.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 121

16.10.25

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsi­dentin! Hoher Bundesrat! Es ist dem natürlich nicht viel mehr hinzuzufügen, als dass uns allen die Herausforderungen finanztechnischer Art bewusst sind. Nichtsdestotrotz sind die 7,6 Prozent, was Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher betrifft, natürlich zu hoch, sie sind aber halb so hoch wie im gesamten EU-Raum. Die Bemühungen, die Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr zu verwirklichen, sind, glaube ich, die richtige Strategie.

Ich habe mich nur deswegen jetzt noch einmal zu Wort gemeldet – ich wollte das gar nicht –, weil heute quasi das Tagesgeschehen recht gut zusammenpasst.

Ich habe in der Früh die Möglichkeit gehabt, die mit 400 000 € EU-geförderte Kam­pagne „GewaltFREI leben“ vorstellen zu können – 80 000 € oder 20 Prozent ist der Österreich-Anteil, der Rest kommt von der EU –, und jetzt, im Anschluss an meine Wortmeldung, verlasse ich den Hohen Bundesrates und besuche das Jahrestreffen der Donauraumstrategie.

Auch in diesem Zusammenhang wissen wir es sehr zu schätzen, wie gut innerhalb der Europäischen Union die Zusammenarbeit funktioniert, nicht nur, was Geld anlangt, sondern auch, wenn es darum geht, Know-how auszutauschen, um voneinander zu lernen, denn hier geht es natürlich auch um die Ressource Mensch, hier geht es darum, wie man Bildungswege, Ausbildungen transnational noch besser vernetzen kann und einander Know-how-Austausch bieten kann.

Das heißt, allem, was hier angeführt ist, haben wir uns schon ganz gut genähert, und wirw werden uns ihm noch schrittweise nähern, sofern es die finanziellen Ressourcen erlauben.

Ich glaube, dass betreffend die Gleichstellungsstrategien auf der einen Seite, aber auch den Bildungsbereich auf der anderen Seite Österreich als Wirtschaftsstandort stolz sein kann, auch darauf, dass es uns in Zeiten wie diesen so geht, wie es uns geht, und die Europäische Union uns da wirklich Rückenwind gibt. – Das wollte ich zum Abschluss noch einmal gesagt haben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.12.509. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 2. Halbjahr 2014

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesord­nung.

Da mit 1. Juli 2014 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Kärnten übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die an erster Stelle entsandte Vertreterin dieses Bundeslandes, Frau Bundesrätin Ana Blatnik, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 122

Wahl des Vizepräsidenten/der Vizepräsidentin

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich werde die Wahl des Vizepräsidenten beziehungsweise der Vizepräsidentin durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Danke. Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich bedanke mich für das Vertrauen und nehme die Wahl an.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gratuliere und wünsche dir weiterhin alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin des Bun­des­rates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundes­rätin Inge Posch-Gruska lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Plätzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl auch annimmt.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Ich bedanke mich recht herzlich für das Vertrauen und nehme die Wahl sehr gerne an.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Dann gratuliere ich ebenfalls herzlich und wün­sche dir alles Gute!

Wahl der SchriftführerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführe­rinnen beziehungsweise Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Josef Saller, Johanna Köberl, Anneliese Junker und Ewald Lindinger für das zweite Halbjahr 2014 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zu Schriftführern des Bundesrates wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Danke.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 123

(Die Bundesrätinnen Junker – vertreten durch Bundesrat Kneifel – und Johanna Köberl sowie die Bundesräte Lindinger – vertreten durch Bundesrat Stadler – und Saller danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an.)

Somit sind alle gewählt, und ich wünsche allen alles Gute für ihre Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der OrdnerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerin­nen beziehungsweise Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Werner Stadler, Cornelia Michalke und Mag. Nicole Schreyer für das zweite Halb­jahr 2014 zu Ordnerinnen beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Tiefnig und Stadler sowie die Bundesrätinnen Michalke und Mag. Schreyer danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an.)

Ich bedanke mich und wünsche auch euch alles Gute für eure verantwortungsvolle Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft, aber die Sitzung ist noch nicht aus.

16.17.04Abstimmung über Fristsetzungsantrag

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 195/A(E)-BR/2014 betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale eine Frist bis 24. Juli 2014 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

*****

Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich die Sitzung nun gleich endgültig beende, darf ich noch ein paar persönliche Worte an euch richten.

16.18.01 Schlussworte der Vizepräsidentin

 


16.18.03

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Es ist dies heute meine letzte Vorsitzführung, und deshalb möchte ich mich bei euch allen bedanken. Ich bin nun seit sechseinhalb


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 124

Jahren Mitglied des Präsidiums, sechs Jahre davon als Vizepräsidentin. In dieser Eigenschaft habe ich in etwa bei 60 Bundesratssitzungen den Vorsitz ein- oder mehr­mals geführt und dies auch mehrmals als Präsidentin gemacht. Dazu kommen zahl­reiche Enqueten, Sitzungen und Veranstaltungen. – Ihr braucht keine Angst zu haben, ich ziehe jetzt kein Resümee, denn ich bleibe ja Mitglied in diesem Bundesrat, ich möchte nur noch ein paar Dinge sagen:

In all diesen Jahren habe ich nur einen einzigen Ordnungsruf erteilt und nur dreimal die Sitzung unterbrochen. Ich möchte mich für das hohe Niveau bedanken, das die Debatten hier immer wieder zeigen, und ich denke, auch das ist ein Zeichen dafür, dass wir eigentlich einen sehr wertschätzenden Umgang miteinander pflegen und hohe Disziplin in diesem Bundesrat haben. Danke für diese wirklich gute Gesprächsführung in diesem Haus!

Bedanken möchte ich mich aber auch für den kollegialen Umgang in der Präsidiale. Ich habe in dieser Zeit zwölf Präsidenten erlebt – leider keine Präsidentin. (Bundesrat Himmer: Ja, Sie selbst!) – Mich selbst, aber da war ich keine Vizepräsidentin.

Ich habe mit dem einen Kollegen Himmer, mit dem ich ja die Vizepräsidentschaft quasi teile und der mich auch durch all die Jahre begleitet hat, stets ein kollegiales Einver­nehmen gehabt, und wir haben uns stets geholfen, wenn es darum ging, Termine aus­zutauschen.

Ich habe wechselnde Präsidialzusammensetzungen erlebt und einige Klubvorsitzende. Bei allen bedanke ich mich heute für die gute Zusammenarbeit und wünsche euch allen natürlich weiterhin alles, alles Gute!

Zu guter Letzt bedanke ich mich natürlich auch bei der Bundesratskanzlei für die stets professionelle Vorbereitung und Aufbereitung dieser Sitzungen hier im Hause und die kompetente Arbeit, bei jeder Krise immer die richtige Antwort zu wissen. Herzlichen Dank, Susanne Bachmann! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.19

16.20.01Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gebe bekannt, dass der Selbständige Entschließungsantrag 200/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Cornelia Michalke, Kollegin­nen und Kollegen betreffend mehr Einkommen durch eine sofortige Senkung der Lohnsteuer zur Stärkung der Kaufkraft eingebracht und dem Finanzausschuss zuge­wiesen wurde.

Weiters wurde der Selbständige Entschließungsantrag 201/A(E)-BR/2014 der Bundes­räte Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebracht und dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen.

Außerdem gebe ich bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung eine Anfrage, nämlich 3014/J-BR/2014, eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 24. Juli 2014, 9 Uhr, in Aussicht ge­nom­men.


BundesratStenographisches Protokoll831. Sitzung / Seite 125

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterlie­gen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 22. Juli, 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.21.12Schluss der Sitzung: 16.21 Uhr

 

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1017 Wien