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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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834. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 6. November 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

834. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. November 2014

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. November 2014: 9.04 – 19.18 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer/eines Ordnerin/Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2014

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Unternehmensgesetzbuch zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert werden (GesbR-Reformgesetz – GesbR-RG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm geändert wird

4. Punkt: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2013)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz 2013 und das Staats­bürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 sowie das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung Montenegros zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Zusammenarbeit für eine erleichterte Umsetzung von FATCA

9. Punkt: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den CARIFORUM-Staaten einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits

10. Punkt: Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Côte d’Ivoire einer­seits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits

11. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2013

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern geändert wird

14. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925, geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 2

15. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2013

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 71

17. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Duale Ausbildung in Österreich: Gelungene Ausbildung, Vorbild für Europa und Chance für Frauen“ (206/A-BR/2014)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ................................................................................. 9

Angelobung der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Christoph Längle, und Edgar Mayer      ............................................................................................................................... 11

Erklärung des Vizekanzlers Dr. Reinhold Mitterlehner gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR zum Thema „Die Arbeit der Regierungsmitglieder mit neuer Ressort­zustän­digkeit“ – Bekanntgabe ................. 11

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ....................... 11

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 11

Debatte:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 16

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 20

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 23

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 26

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ..... 28

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 31

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 33

Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ....................................................................... ..... 35

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 38

Antrag der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 206/A-BR/2014 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Die Duale Ausbildung in Österreich: Gelungene Ausbildung, Vorbild für Europa und Chance für Frauen“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmit­telbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme  71, 71

1. Punkt: Wahl einer/eines Ordnerin/Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2014                        72


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 3

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidentin Ana Blatnik ............................................................................................. 173

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 173

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Fragestunde (164.)

Justiz ............................................................................................................................. 39

Anneliese Junker (1850/M-BR/2014); Ing. Hans-Peter Bock, Hermann Brückl, Dr. Heidelinde Reiter

Christian Füller (1847/M-BR/2014); Josef Saller, Gerd Krusche, Dr. Heidelinde Reiter

Werner Herbert (1853/M-BR/2014); Peter Oberlehner, Rene Pfister, Marco Schreuder

Marco Schreuder (1846/M-BR/2014); Mag. Ernst Gödl, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth

Mag. Klaus Fürlinger (1851/M-BR/2014); Elisabeth Grimling, Werner Herbert, Dr. Heidelinde Reiter, Mag. Gerald Zelina

Ilse Fetik (1848/M-BR/2014); Ferdinand Tiefnig, Dr. Dietmar Schmittner, Efgani Dönmez, PMM

Dr. Magnus Brunner, LL.M (1852/M-BR/2014); Johanna Köberl, Werner Herbert, Marco Schreuder

Brigitte Bierbauer-Hartinger (1849/M-BR/2014); Hermann Brückl, Mag. Gerald Zelina

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 70

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 71

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  69, 173

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Unter­nehmensgesetzbuch zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert werden (GesbR-Reformgesetz – GesbR-RG) (270 d.B. und 297 d.B. sowie 9241/BR d.B.) ................................................................................................................. 72

Berichterstatterin: Brigitte Bierbauer-Hartinger ......................................................... 72


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 73

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 73

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 74

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 75

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 75

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm geändert wird (607/A und 298 d.B. sowie 9242/BR d.B.) ................. 75

Berichterstatterin: Ingrid Winkler .................................................................................. 76

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 76

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 78

Brigitte Bierbauer-Hartinger ................................................................................. ..... 78

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 79

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 80

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 80

4. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2013) (III-528-BR/2014 d.B. sowie 9243/BR d.B.) ........................................................................ 80

Berichterstatter: Gerhard Schödinger  ........................................................................ 81

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ......................................................................................................  81, 94

Ing. Bernhard Ebner, MSc ....................................................................................  83, 93

Werner Herbert (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 86

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 87

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 88

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 89

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ..... 91

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung temporärer Grenzkontrollen – Ablehnung ........................................  83, 95

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufrechterhaltung des hohen Sicherheits­niveaus in Österreich – Annahme (E 240-BR/2014)              93, 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-528-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 95

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz 2013 und das Staatsbürger­schafts­gesetz 1985 geändert werden (612/A und 274 d.B. sowie 9244/BR d.B.) ...................................................................................................... 95

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ........................................................................ 95

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 95

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 96

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 98


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 5

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 98

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ..... 98

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 99

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 sowie das Allgemeine Sozialver­siche­rungsgesetz geändert werden (268 d.B. und 300 d.B. sowie 9249/BR d.B.) .................................................................................................... 100

Berichterstatter: Dr. Andreas Köll .............................................................................. 100

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 100

Johanna Köberl ....................................................................................................... ... 101

Josef Saller .............................................................................................................. ... 103

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 104

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 106

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 109

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Montenegros zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (227 d.B. und 311 d.B. sowie 9252/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 109

Berichterstatterin: Ingrid Winkler ................................................................................ 110

Redner/Rednerinnen:

Walter Temmel ........................................................................................................ ... 110

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 111

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 112

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ... 114

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 115

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ......................................... 116

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Abkom­men zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Zusammenarbeit für eine erleichterte Umsetzung von FATCA (262 d.B. sowie 9253/BR d.B.) ............................................. 116

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 116

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 117

Ing. Andreas Pum ................................................................................................... ... 119

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 120

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ... 120

Ilse Fetik ................................................................................................................... ... 121

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 122


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 6

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Wirt­schaftspartnerschaftsabkommen zwischen den CARIFORUM-Staaten einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (186 d.B. und 283 d.B. sowie 9245/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 122

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 123

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Inte­rims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Côte d’Ivoire einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (261 d.B. und 284 d.B. sowie 9246/BR d.B.)                        123

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 123

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 123

Staatssekretär Dr. Harald Mahrer ......................................................................... ... 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 127

11. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2013 (III-522-BR/2014 d.B. sowie 9247/BR d.B.) .............................................................................. 127

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................ 127

Redner/Rednerinnen:

Christian Poglitsch ................................................................................................. ... 127

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ... 130

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 132

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 136

Staatssekretär Dr. Harald Mahrer ......................................................................... ... 138

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-522-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 141

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (269 d.B. und 315 d.B. sowie 9250/BR d.B.) .... 141

Berichterstatterin: Elisabeth Reich ............................................................................. 142

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 142

Mag. Christian Jachs .............................................................................................. ... 142

Monika Mühlwerth ............................................................................................  143, 148

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 144

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 146

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 148


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 7

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern geändert wird (672/A und 316 d.B. sowie 9251/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 148

Berichterstatter: Rene Pfister ..................................................................................... 149

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 149

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ... 149

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 151

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 152

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 152

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 153

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925, geändert wird (264/A und 72 d.B. sowie 9254/BR d.B.) .............................................. 154

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 154

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 154

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ... 155

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 156

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 157

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 158

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 158

15. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungs­gerichtshofes für das Jahr 2013 (III-529-BR/2014 d.B. sowie 9255/BR d.B.) ................................................. 159

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 159

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 159

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ... 161

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 162

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-529-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 164

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (608/A und 285 d.B. sowie 9248/BR d.B.)                    164

Berichterstatter: Rene Pfister ..................................................................................... 164

Redner/Rednerinnen:

Richard Wilhelm ..................................................................................................... ... 165

Ing. Bernhard Ebner, MSc ..................................................................................... ... 165

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 166

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 167


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 8

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 168

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ... 169

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 172

17. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Duale Ausbildung in Österreich: Gelungene Ausbildung, Vorbild für Europa und Chance für Frauen“ (206/A-BR/2014) .......................................................................... 172

Annahme des Selbständigen Antrages 206/A-BR/2014 .............................................. 172

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesräte

Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Duale Ausbildung in Österreich: Gelungene Ausbildung, Vorbild für Europa und Chance für Frauen“ (206/A-BR/2014)

Christian Füller, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft und den Schutz von persönlichen Daten (207/A(E)-BR/2014)

Anfragen der Bundesräte

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Einsparungen bei Truppenteilen und Ausbildungs­einrichtungen (3032/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ungleichbehandlung bei der Gewährung des Alleinverdiener- und Allein­erzie­herabsetzbetrages aufgrund des gestaffelten Ferienbeginns im Jahr 2014 (3033/J-BR/2014)

Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Existenzvernichtung für einen Unterneh­mer (3034/J-BR/2014)

Mag. Christian Jachs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Tilly-Kaserne in Freistadt (3035/J-BR/2014)

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Flugsicherheit hinsichtlich Flügen nach Teheran (3036/J-BR/2014)

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Al-Quds-Tag 2014 (3037/J-BR/2014)


 


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 9

09.04.00 Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsidentin Ana Blatnik: Ich eröffne die 834. Sitzung des Bundesrates.

In unserer Runde recht herzlich begrüßen darf ich

den Herrn Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner, die Frau Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, den Herrn Bundesminister Alois Stöger, diplȏmé, der uns um dreiviertel zehn verlassen wird, weil er einen dringenden Termin hat – das ist mit mir so ver­einbart; schön, dass du trotzdem gekommen bist! –, und die Frau Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl.

Schön, dass ihr alle da seid! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Das Amtliche Protokoll der 833. Sitzung des Bundesrates vom 9. Oktober 2014 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Günther Köberl, Günther Novak, Franz Perhab, Stefan Schennach, Mag. Nicole Schreyer und Hans-Jörg Jene­wein.

09.05.44Einlauf

 


Präsidentin Ana Blatnik: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Vorarl­berger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bun­desrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 10

*****

 


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 11

09.05.50 Angelobung

 


Präsidentin Ana Blatnik: Das neue Mitglied und die zwei wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend; ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.06.44

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

Über Namensaufruf durch den Schriftführer leisten die Bundesräte Dr. Magnus Brun­ner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg), Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg) und Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsidentin Ana Blatnik: Ich begrüße das neue Mitglied und die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Das neue Mitglied und die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates werden von ihren Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

Ankündigung einer Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

 


Präsidentin Ana Blatnik: Der Herr Vizekanzler hat seine Absicht bekundet, eine Erklä­rung zum Thema „Die Arbeit der Regierungsmitglieder mit neuer Ressort­zuständigkeit“ gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates abgeben zu wollen.

Bevor ich dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Vizekanzler abge­gebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres statt­geben.

Ich erteile nun dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.

09.10.09Erklärung des Vizekanzlers zum Thema „Die Arbeit der Regierungsmitglieder mit neuer Ressortzuständigkeit“

 


9.10.10

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte zuerst allen, die neu gewählt oder wiederbestellt worden sind, herzlich gratulieren und alles Gute für die kommende Arbeit wünschen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 12

Ich darf meinen Dank dafür ausdrücken, dass ich mich heute mit dem neuen Team, was unsere Fraktion anbelangt, vorstellen darf. Es ist mit dem Koalitionspartner abge­sprochen, dass wir das gemeinsam machen; die Damen und Herren werden sich aber dann selber vorstellen.

Ich möchte mich auch dafür entschuldigen, dass es Koordinationsprobleme gegeben hat, was die Vorstellung der neuen Regierungsmitglieder hier im Bundesrat anbelangt. Dies war mir anfangs entgangen, was aber nicht mit meiner Einstellung zum Bundesrat zusammenhängt. Sie wissen: Ich schätze den Bundesrat sehr und bin auch immer gern bei Bundesratssitzungen dabei, wenn es um bestimmte Tagesordnungspunkte geht, weil es hier immer – zumindest bislang war es so – eine sehr faire Diskussion gibt. Ich gehe davon aus, dass wir das auch in Zukunft so halten können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich darf damit zur Sache kommen. Der bisherige Vizekanzler Michael Spindelegger hat, wie Sie alle wissen, seine Tätigkeit beendet. Nun ist es ja meistens in der Politik nicht so, dass Leistungen objektiv bewertet werden. Ich darf ihm aber an dieser Stelle, genauso wie dem Staatssekretär Jochen Danninger, für die geleistete Arbeit danken. Er hat die Budgetsanierung für zwei Jahre eingeleitet. Er hat auch die Abwicklung der Hypo-Alpe-Adria-Bank vorbereitet, und zwar richtig, was die Gesamtkonstellation, die Weichenstellung und die Strukturen anbelangt. Ich darf ihm und auch dem Staats­sekre­tär für deren Arbeit auch in diesem Forum nochmals herzlich danken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Regierung ist nun die bereits angesprochene Neukonstellation vorgenommen worden, und so wie in der Gesellschaft ist die Dynamik relativ groß: Wir sind eigentlich schon mitten im Arbeiten.

Ich darf nun kurz die Namen der Regierungskollegen und -kolleginnen erwähnen: Frau Dr. Sabine Oberhauser, die neue Gesundheitsministerin, wird sich und ihren Arbeits­bereich selber vorstellen; detto Herr Minister Stöger, der in das BMVIT gewechselt ist. Ebenso geändert hat sich die Ressortzuständigkeit der Frau Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl.

Was meine Fraktion anbelangt, wird sich Herr Finanzminister Schelling, der heute beim ECOFIN-Rat ist, am 4. Dezember hier im Bundesrat vorstellen. Harald Mahrer, der neue Staatssekretär in meinem Bereich, war meines Wissens bereits hier, wird sich aber ebenfalls noch entsprechend vorstellen.

Ich darf nun kurz darstellen, worum es aus meiner Sicht in den nächsten Wochen und Monaten gehen wird. Alle wissen, wir leben in schwierigen Zeiten. Die wirtschaftliche Lage hat sich verschlechtert und die Prognosen wurden nicht erfüllt. Wir hatten für dieses Jahr 1,7 Prozentpunkte Wachstum erwartet. Doch dann hat sich die geopoliti­sche Situation verschlechtert. Das geschah zum einen durch den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Noch bevor überhaupt die Sanktionen in Kraft getreten sind, haben sich schon die Exporte nach Russland um 12 Prozent verschlechtert.

Zum anderen waren auch sonstige internationale Beziehungen und Entwicklungen schwieriger: Ich darf hier auf die Krise in Syrien und in Libyen verweisen. Wir haben derzeit 37 weltwirtschaftliche Krisenpunkte. All dies hat auf die Stimmung gedrückt; Investitionspläne der Unternehmen sind wieder in die Schublade gelegt worden.

All das erzähle ich Ihnen, weil es gravierende Auswirkungen auf die Systeme hat – zum einen bezüglich Budgetentwicklung und Budgetvollzug, zum anderen auf dem Arbeitsmarkt; auch da haben wir jetzt Monate einer negativen Entwicklung. Das hat zur Konsequenz, dass wir für die aktive Arbeitsmarktpolitik mehr Mittel brauchen. Die


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automatischen Stabilisatoren wirken zwar in Richtung Markt positiv, aber in Richtung Kosten durchaus für das System belastend.

Ähnliches gilt für andere Systempunkte und Systementwicklungen, die vom Budget abhängig sind, und natürlich für die Vollziehung des Budgets, insbesondere des Bud­gets im nächsten Jahr. Wir haben ja heuer, was die Einnahmen anbelangt, noch kaum Auswirkungen, aber im Jahr 2015 werden die Auswirkungen wesentlich spürbarer werden.

Unter diesen Prämissen ist es nicht verwunderlich, wenn die Bürger den Staat sehr genau beobachten. Dabei werden alle Auseinandersetzungen als sehr problematisch betrachtet – zum einen die Auseinandersetzungen, die es auf Regierungsebene gibt, aber eventuell auch die auf der Ebene zwischen Opposition und Regierung im Sinne von Streit. Der Bürger möchte in schwierigen Zeiten wie diesen Problemlösungen haben. In meiner Tätigkeit als Vizekanzler, als Koordinator in unserem Bereich, sehe ich daher für mich die primäre Aufgabe, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Bei allem, was uns unterschiedlich macht, brauchen wir in vielen Punkten auch gemeinsame Vorgangsweisen.

Wir haben in diesem Haus sehr notwendige Maßnahmen wie das Ökostromgesetz besprochen und erörtert. Im letzten Sommer kam auch das Energieeffizienzgesetz mit Unterstützung der Grünen Partei mit Zweidrittelmehrheit zustande. Ich glaube, es gibt noch weitere Beispiele, bei denen auch andere Parteien mitgearbeitet und mitgestimmt haben. Es gibt also Themen, die wir gemeinsam lösen können und die wir gemeinsam lösen müssen.

Auch was den Ton der Auseinandersetzung anlangt – die Art und Weise des Argumen­te­austausches –, kann man durchaus Respekt vor anderen Argumenten haben. Man muss sie nicht immer teilen, es kommt eben auf die Art und Weise an, wie man Zustim­mung oder Ablehnung äußert. Ich stehe hier – bei allen Unterschiedlichkeiten – für einen gepflegten und geordneten Diskurs. Auch das schätzt der Bürger. Der Bürger möchte nicht den Streit. Der Bürger möchte Problemlösungen!

Was hat die Regierung daher in den letzten Wochen in die Wege geleitet? Wir haben eine Regierungsklausur in Schladming durchgeführt mit dem Ziel, angesichts der Konjunkturentwicklung Investitionen vorzuziehen und Maßnahmen zu fokussieren, die der Konjunkturbelebung dienen. So haben wir etwa die Breitbandmilliarde um ein Jahr vorgezogen, damit Investitionen in diesem Bereich erfolgen. Das hilft uns, unsere Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen, weil damit die Technologieorientierung und die Inno­vationsorientierung forciert werden, die unsere Wirtschaft braucht, um konkurrenzfähig zu sein. Wir haben bei den Universitäten über 200 Millionen € durch Mittel der BIG flott­machen können. Auch das nützt uns konjunkturpolitisch. Wir haben auch Maßnahmen im Baubereich getroffen. Sie wissen, der Baubereich ist momentan in einer eher schwierigen Situation.

Wir haben darüber hinaus auch Ansatzpunkte für Lösungen finden können, etwa in der Flüchtlingsproblematik. Was die Quoten anlangt, war die Umsetzung auf Gemeinde- und Landesebene schwierig. Mit Unterstützung des Wiener Bürgermeisters ist es uns gelungen, in BIG-Gebäuden für vier Monate in Wien Lösungen zu finden, und zwar in der früheren Wirtschaftsuniversität und in einem Gebäude in Erdberg. Das hat uns die Problematik zumindest einmal aus den Medien genommen. Ich finde, es ist nicht gut, wenn international diskutiert wird, dass wir, wenn es um Solidarität geht, keine Prob­leme lösen können. Es geht aber nun auch darum, jetzt die Quoten in den Ländern zu erfüllen. Daran arbeiten wir.

Genauso arbeiten wir daran, die Bundesheerproblematik gemeinsam zu lösen. Auch dies ist ein Themenfeld, bei dem meiner Meinung nach niemand gewinnen kann. Wir


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haben eine andere Bedrohungssituation, ein anderes Umfeld. Wir müssen Katastro­phenschutz, Auslandseinsatz und auch eine bestimmte militärische Verteidigung rechtfertigen und entsprechend organisieren. Das tun wir, aber nicht aus budgetären Gründen, um weniger Ausgaben zu haben, sondern um auf die geänderten Notwen­digkeiten einzugehen. In früheren Zeiten hätte dieses Thema, glaube ich, für Konflikte gesorgt. Jetzt haben wir eine Lösungsstrategie gefunden, die sehr, ich würde nicht einvernehmlich sagen, aber sehr konsensual orientiert und demnächst abgeschlossen ist. Ein Teil ist vor einigen Tagen auch im Sicherheitsausschuss behandelt worden. Ich glaube, dass wir da bald eine Lösung vorstellen können, die auch auf die Kasernen in den Bundesländern eingeht, auf die Problematik der Militärmusik und anderes mehr.

Wir haben dann noch drei größere Themen, die wir in Arbeitsgruppen mit Einbe­ziehung der Bundesländer lösen wollen.

Das erste Thema ist die Problematik Steuerreform. Ich sage deswegen Problematik, weil sich jeder eine Lösung wünscht, wo wir alle weniger Steuern zahlen. Aber ich habe gerade vorher die Budgetprobleme beschrieben. Wir sind gerade in Gesprächen, sprich Verhandlungen mit der Europäischen Kommission, was den Budgetvollzug anbelangt. Auf der einen Seite wird uns gesagt, ihr müsst beim Budgetvollzug noch mehr auf die Umsetzung achten, eigentlich mehr sparen, und dann machen wir auf der anderen Seite eine Steuerreform. Das stellt also ein bestimmtes Problem dar.

Wir stehen dazu. Wir haben Bürger, die sich einfach, was Brutto und Netto anbelangt, nicht mehr unterstützt fühlen, wo die Relationen nicht mehr passen. Daher werden wir in diesem Zusammenhang den Plan, bis Mitte März eine Lösung zu haben, auch umsetzen. Wir haben im Unterschied zu früheren Vorgangsweisen von vornherein die Länder eingebunden – das ganz offiziell. Über die Verbindungsstelle der Bundesländer haben wir eine Arbeitsgruppe, wo wir ab Dezember politisch verhandeln. Im März wollen wir eine Lösung haben.

Wahrscheinlich wird es auch keine Schwierigkeit sein, auf der Entlastungsseite die jeweiligen Zielgruppen festzustellen. Das ist ein Wettbewerb wie ein Song Contest, also jeder hat noch bessere, noch schönere Vorschläge. Die Problematik liegt ja auf der anderen Seite: Wie finanzieren wir das? Und es ist ein Gerücht, dass wir nur entlasten müssen und alles spielt sich dann über die Konjunktur von selber herein. Wenn das so wäre, dann wäre das eine wunderbare Ökonomie. Sie wissen, wir haben eine offene Volkswirtschaft. In einer offenen Volkswirtschaft geht viel dann auch ins Ausland, ob Auto oder Reisen. Nur ein Teil wird davon wirksam. Andererseits werden wir schauen, was wir mit Deregulierung und anderen Maßnahmen, die einfach in Richtung mehr Effizienz gehen, bewerkstelligen können.

Beim Themenbereich Steuerreform also eine ganz klare Vorgangsweise, was die Struk­tur, was auch den Zeitpunkt anbelangt.

Ähnlich ist es auch beim Thema Bildung. Und da sehen Sie wieder die Problematik. In Österreich ist man es gewohnt, um ein Wort einen Streit zu führen. Das Wort war „Gesamtschule“. Das bringt weder den Kindern etwas, noch bringt es auf der anderen Seite den Eltern etwas, noch dem Bildungssystem. Daher haben wir verschiedene Themenbereiche festgelegt. Die arbeiten wir jetzt auch gemeinsam jeweils in Achter­gruppen, wie bei der Steuerreform, bis März aus, um einfach auch dort anzusetzen, wo die wirkliche Problematik beginnt. Diese beginnt nämlich beim Übergang vom Kinder­garten – und überhaupt bei der Kinderbetreuung und deren Qualität im pädagogischen Sinne – in Richtung Volksschule. Dort werden die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen vermittelt. Wenn wir die höchsten Kosten in Europa haben, aber 15 Prozent nicht sinnerfassend lesen können, dann sehe ich, dass wir dort ein Problem haben. Und natürlich werden wir dann auch die Fragen der Autonomie, die Fragen von Ganz-


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tagsangeboten und letztendlich auch die Frage der Neuen Mittelschule im Rahmen der Bildungsproblematik erledigen. Aber wichtig scheint mir, einen Gesamtansatz zu finden, anstatt uns über ein Wort in endlosen Diskussionen zu verlieren.

Der dritte Punkt, an dem wir arbeiten, an dem wir gemessen werden, ist die ÖIAG-Reform. Die Notwendigkeit ist durch bestimmte interne Vorgänge im Bereich der ÖIAG entstanden. Diese Vorgänge haben zu der Frage geführt: Brauchen wir diese Einrich­tung überhaupt in dieser Konstellation und, wenn nein, wie können wir sie eventuell erweitern, um auch Infrastrukturvorhaben, auf der anderen Seite aber auch Synergie­effekte, was bestimmte Versorgungsabwicklungen, im Energiebereich beispielsweise, anbelangt, besser abzudecken als vorher? An dem arbeiten wir auch und wollen im Dezember eine Lösung vorstellen.

Das soll Ihnen nur verdeutlichen, dass die Bundesregierung mit dieser klaren Vor­gangs­weise, auch Termine festzusetzen, eindeutig Schwerpunkte schon in Richtung Bürgerorientierung gesetzt hat.

Es kommt ein weiterer Punkt dazu, den ich auch noch erwähnen darf. Sie alle haben mich oder andere schon oft mit Bürokratie- und Administrationsproblemen konfrontiert. Ich glaube, das ist auch der Punkt, der dem Bürger, der dem Unternehmer, auch ande­ren Schwierigkeiten macht, wenn es um konkrete Vorhaben geht. Daher messen wir dem Thema Entbürokratisierung in der Bundesregierung auch einen sehr großen Stellenwert bei. Wir haben mehrere Vorhaben, die vor allem den Unternehmerbereich betroffen haben, schon in Umsetzung. Es sind 125 Millionen €, die sich die Unterneh­men alleine in diesem Jahr oder in einem Jahr ersparen werden.

Vorgestern haben wir beispielsweise das GISA, das neue GewerbeInformationsSystem Austria für elektronische Gewerbeanmeldungen, auf den Weg gebracht, wofür umfang­reiche Vorbereitungsmaßnahmen in den Ländern, Statutarstädten und so weiter notwendig waren. Nun kann der Gewerbetreibende Gewerbeanmeldungen online machen. Er muss nicht, aber er kann. Und die meisten werden es tun, weil sie auch entsprechende Internetverbindungen haben. Wenn die Breitbandinvestitionen funktio­nie­ren, wird das dann, glaube ich, lückenlos abgerufen und genutzt werden.

Dort haben wir also konkrete Verbesserungen. Das gilt dann auch im Falle eines Stand­ort­wechsels, von Erweiterungen oder eines Geschäftsführerwechsels. Man braucht jetzt nicht mehr persönlich beim Amt zu erscheinen. Die Ersparnis für die Unternehmen beträgt rund 30 Millionen im Jahr.

Wir werden im Anlagenrecht Vereinfachungen bei betrieblichen Anlagengenehmi­gungen machen, wo es um ganz einfache Tätigkeiten in Unternehmen geht, die bis jetzt da darunter gefallen sind, etwa Friseure oder andere. 2 000 Unternehmen haben wir identifiziert, wo wir eigentlich Vereinfachungen machen können, im Jahr sind es 12 000. Das ist etwas.

Genauso werden wir auch Beauftragte abschaffen, die wir nicht mehr brauchen, die andere Professionisten übernehmen: den Hebeanlagenwärter, den Elektrobeauftrag­ten, alles Mögliche. Das klingt fast komisch, aber in Wirklichkeit waren das Kosten von 16 Millionen, von 9 Millionen.

Oder wir haben beim Maß- und Eichgesetz einfach die Fristen geändert, was be­stimmte Zählerüberprüfungen und anderes im Strombereich anbelangt, weil die Technik sich ja weiterentwickelt hat. Da haben wir uns auf Stichproben konzentriert. Damit haben wir Kosteneinsparungen von 40 Millionen € im Jahr dadurch, dass manche Amtswege, sonstige Vorführungen und Prüfungen de facto nicht mehr notwendig sind.

Das werden wir fortsetzen. Ich glaube, die Notwendigkeit, in diesem Bereich etwas zu tun, wird immer größer.


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Ich bin gerade mit Folgendem konfrontiert: Entsprechend der Geldwäscherichtlinie müssen, glaube ich, ab 1. Jänner alle Sparvereine ihre Mitglieder mit Foto, mit Namen und so weiter entsprechend legitimieren und dann der Bank melden. Das verwundert unsere Sparvereinsobmänner sehr, weil sie die Leute eigentlich alle kennen, so wie es Sie wahrscheinlich verwundert, wenn man zur Bank geht und eine bestimmte kleinere Summe abheben will, dass man den Ausweis vorlegen muss, obwohl eigentlich der entsprechende Bedienstete die Leute kennt. Somit wird irgendwie dann sogar der Sparverein in Frage gestellt: Ist das noch sinnvoll oder ist es nicht sinnvoll?

Daher, meine Damen und Herren: Die Bürokratie ist, wie ich meine, immer und überall. Es wird somit nicht reichen, nach dem Motto vorzugehen „es war immer so und es hat von der EU her geheißen“, sondern wir werden auch auf der EU-Ebene unsere Mitbestimmung, unsere Mitgestaltung anders wahrnehmen müssen. Aber das ist eine andere Thematik, die mit den Abgeordneten und den Entscheidungsträgern dort zu entwickeln ist.

Nachdem wir die Europawahlen gehabt haben, habe ich schon den Eindruck, ist das Thema EU nicht nur aus unseren Köpfen, sondern auch aus den Diskussionen. Wir nehmen es maximal begleitend wahr, wenn wir sehen, welche Entscheidungen dort getroffen werden. Aber vielleicht  ich sage vielleicht, ich möchte niemandem unrecht tun – könnten wir, zumindest was die Entscheidungsvorgänge hier im Bundesrat oder im Parlament anbelangt, noch intensiver mitgestalten. Ich glaube, da ist noch Poten­zial, da ist noch Luft nach oben.

Ich möchte jetzt nicht die Zeit übermäßig strapazieren, denn im Endeffekt, glaube ich, ist Ihnen allen bewusst: Bürgerorientierung liegt Ihnen am Herzen, liegt mir am Herzen. Wir müssen es leben. Und die Systemfunktionsfähigkeit, wobei klar ist, dass das Pen­sionssystem, Arbeitsmarktsystem, Gesundheitssystem auch von der Wirtschaftsent­wicklung abhängig sind, liegt auch jedem am Herzen. Es wird jeder dafür sein, dass wir da Ineffizienzen beseitigen.

Daher: Gemeinsame Anstrengungen! Zuallererst muss die Konjunktur, muss die Wirt­schaft stimmen, dann wird alles andere auch mitgenommen. Und das Stereotyp, dass damit dann der Arbeitnehmer leidet, wenn die Wirtschaft forciert wird, möchte ich auch nicht unbedingt haben. In Wirklichkeit leben wir in einer Volkswirtschaft. Beide Teile partizipieren davon und haben etwas davon, wenn die Wirtschaft funktioniert und die Systeme sowieso.

Daher wollte ich Ihnen einmal diesen Abriss geben, was uns momentan beschäftigt. Es wird das eine oder andere für Sie natürlich nicht neu gewesen sein. Aber ich glaube, es ist wichtig, festzustellen: Bei allen Unterschieden ist das Gemeinsame vor das Tren­nende zu stellen und sind Bürgeranliegen in einer Art und Weise zu vertreten, dass sie dem Bürger auch so vermittelt werden können. Dann, glaube ich, wird auch eines in Ihrer aller und in unser aller Interesse stattfinden: Das Ansehen der Politik wird in den Rankings nicht ganz unten, sondern vielleicht dort sein, wo Sie es auch selber haben wollen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

9.29


Präsidentin Ana Blatnik: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 


9.30.01

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Minister! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Herz­lichen Dank, dass Sie heute zu uns gekommen sind. Was ich bedauerlich finde, ist,


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dass der Bundeskanzler nicht da ist. Wenn man den Medien Glauben schenken darf, könnte man zu dem Schluss kommen, dass er mit seinem Parteitag Ende November so beschäftigt ist und keine Zeit hat, in den Bundesrat zu kommen.

Aber, Herr Vizekanzler, ich danke Ihnen für Ihre Worte, dass Sie gerne in den Bundes­rat kommen. Es war für uns wirklich sehr befremdlich, dass es niemand der Mühe wert gefunden hat, das neue Regierungsteam auch im Bundesrat zu präsentieren. Wir sind die zweite Kammer in diesem Haus und eins zu eins an der Gesetzgebung beteiligt. Die Aufgabe der Länderkammer ist es natürlich auch, die Interessen der Länder entsprechend zu vertreten. Daher ist es auch aus dieser Sicht wichtig und interessant, eine Diskussion über die Vorhaben der Regierung zu führen.

Jetzt ist die Regierung so neu auch wieder nicht. Wir kennen die meisten handelnden Personen. Die Einzigen, die neu sind, sind der Finanzminister, der heute eine Termin­kollision hat – das nehmen wir zur Kenntnis –, und die Gesundheitsministerin. Die Frau Staatssekretärin war vorher schon woanders, was den Herrn Minister Stöger betrifft, ist es ja schon gesagt worden. Also sie waren vorher für andere Ressorts verantwortlich. Die Ressortverantwortlichkeit hat sich also jetzt geändert. Ich wünsche allen Regie­rungsmitgliedern wirklich viel Erfolg bei ihrer Arbeit, denn – und das haben Sie völlig richtig gesagt –, auch wenn wir manche Dinge unterschiedlich sehen, es geht ja nicht um mich oder um die FPÖ, sondern es geht um unser Land. Es geht um die Menschen in diesem Lande. Und da unterstelle ich jetzt im positiven Sinn jedem von Ihnen, von uns, dass wir das Beste für die Menschen wollen.

Die Ansätze sind halt unterschiedlich, und die Ausgangslage ist manchmal unter­schiedlich, aber es eint uns dieses Bestreben. Ich wünsche vor allem den beiden neuen Mitgliedern das Beste, denn wir haben das ja auch nicht zum ersten Mal erlebt, dass fachkompetente Personen, und das sind Sie, Frau Gesundheitsminister, und das ist der Herr Finanzminister, dann doch auf dem politischen Parkett ausgerutscht sind, obwohl ihnen Fachkompetenz nicht abzusprechen war. Dass Sie hier bei diesem Eier­tanz auf dem Wiener politischen Parkett nicht ausrutschen, das wünsche ich Ihnen wirklich sehr. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ich wünsche grundsätzlich niemandem etwas Schlechtes, grundsätzlich!

Was ist jetzt das Neue? Was sind die neuen Vorhaben dieser neuen Regierung? – Wenn man sich die Reden im Nationalrat angehört hat, dann ist aufgefallen, dass zum Beispiel der ehemalige Klubobmann der SPÖ in seiner Rede von der Neuheit dieser Regierung offensichtlich auch nicht sehr überzeugt war, sonst hätte er ja nicht gesagt, in Summe seien es herzeigbare Persönlichkeiten. Also das finde ich schon bemer­kenswert für ein Mitglied einer der Regierungsfraktionen, zu sagen, es sind in Summe herzeigbare Persönlichkeiten. Es wäre jetzt interessant, zu wissen, wer für ihn nicht ganz so herzeigbar ist. Aber dies zeigt, dass auch dort die Überzeugung und das Vertrauen in die eigenen Reihen der Regierung nicht wahnsinnig groß sind.

Da stellt sich natürlich für die Opposition immer die Frage: Wo soll dann die Bevöl­kerung das Vertrauen hernehmen, die seit 2006 zu einem Sparpaket nach dem anderen gezwungen wurde, die, wie wir es sagen, geschröpft worden ist wie eine Weihnachtsgans oder ausgepresst wie eine Zitrone? Die Steuerpakete hatten es schon in sich, und die Leute leiden wirklich darunter. Es gibt immer mehr Leute, die immer weniger für ihr Auskommen haben. Daran sind natürlich auch diese Steuerpakete schuld.

Es ist nicht nur die globale Krise, und es ist nicht nur die Wirtschaftskrise seit 2008. Da erinnere ich in diesem Zusammenhang an eine Rede des steirischen Landeshaupt­manns Voves, SPÖ, der bei einer seiner Reden in dieser Kammer gesagt hat, an ungefähr einem Viertel unserer Staatschulden und unserer Finanzprobleme ist die


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Krise schuld und der Rest ist hausgemacht, und da hat er recht. Der Grund ist der, dass schlecht gewirtschaftet worden ist. Es ist schlecht gehaushaltet worden. Sie haben immer mehr ausgegeben, als Sie eingenommen haben, und es musste immer eine gewisse Klientel zufriedengestellt werden. Wahlzuckerln sind verteilt worden, damit man bei der nächsten Wahl möglichst wieder gewählt wird. Das hat aber der Steuerzahler letzten Endes dann selber zu tragen gehabt.

Ich habe Ihnen ja sehr genau zugehört, was Sie alles vorhaben, was zum Teil auch schon geschehen ist. Jetzt ist ein Jahr vergangen, seit die Regierung überhaupt angetreten ist. Sehr viel, sage ich Ihnen, ist noch nicht angekommen, und es dürfte auch nicht bei anderen angekommen sein. Da könnte man jetzt unterstellen, die Opposition lässt nie ein gutes Haar daran, aber es ist offensichtlich auch bei anderen nicht angekommen, denn was unseren Wirtschaftsstandort betrifft, lese ich heute in der Früh in der Zeitung, dass wir nach einer Erhebung, die PricewaterhouseCoopers vor­ge­nommen hat, vom positiven Rang 25 auf minus 30 abgerutscht sind. Was sind die Gründe, die dafür angegeben werden? – Es ist dies die Bildung, es sind die Abgaben und es ist die Bürokratie.

Jetzt nehme ich positiv zur Kenntnis, dass Sie gerade beim Bürokratieabbau durchaus erkannt haben, dass da etwas zu tun ist, und auch schon etwas gemacht haben, aber es dürfte noch immer zu wenig sein, weil immer mehr Firmen, vor allem US-amerikanische Firmen, weggehen und auch diesen tiefen Fall auf der Rangliste verursacht haben. Also wird da noch einiges zu tun sein.

Ich erinnere daran – und das sage ich jetzt mittlerweile ohnehin fast jedes Mal, aber ich werde es so lange sagen, bis es geschehen ist –, gerade Ihre Partei, Herr Vizekanzler, die ÖVP hat doch so sehr darauf gedrungen, dass wir eine Transparenzdatenbank einrichten – gute Idee, durchaus richtig –, um diesen Förderdschungel auf drei Ebenen, nämlich Bund, Länder und Gemeinden, zu durchforsten und zu minimieren, um auch da wieder Gelder frei zu bekommen.

Bis heute ist dies allerdings überhaupt nicht mit Leben erfüllt worden. Da geschieht genau nichts. Daher werde ich immer wieder daran erinnern, bis auf diesem Gebiet etwas geschehen ist.

15 Milliarden an Förderungen werden Jahr für Jahr in dem kleinen Österreich aus­geschüttet. Das ist ungefähr doppelt so viel wie die ganze EU, und die ist ein bisserl größer als Österreich. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.) – Nein, nein, nein, von diesem rede ich nicht, nein, sondern von den 15 Milliarden an Förderungen, die zum Teil an parteinahe Institutionen gehen, aber auch an Private. Auch das muss man sich anschauen. Man könnte durchaus kürzen, ohne dass jetzt irgendwer sehr darunter zu leiden hat oder überhaupt dem Untergang geweiht ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, 15 Milliarden Förderungen, das sind 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Seien Sie mir nicht böse, was das kleine Österreich betrifft, EU-weit ist es die Hälfte, kann mir niemand sagen, dass da nicht etwas zu tun ist. Da hätten Sie schon einmal einen Teil des Geldes für eine Steuerreform, die wirklich dringend nötig ist.

Wir haben eine der höchsten Abgabenquoten in ganz Europa. Die Reallöhne sind in den letzten Jahren um 4 Prozent gesunken, aber die Steuereinnahmen um 18 Prozent gestiegen. Das ist ein krasses Missverhältnis! Das ist ein Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Leute haben immer weniger Geld im Börserl und haben natürlich Sorgen, wie es weitergehen soll. Sie haben Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Die Arbeitslosenstatistik ist ja gerade erst veröffentlicht worden. 400 000 Menschen sind ohne Arbeit! Und bei den über 50-Jährigen ist der Anteil um 13 Prozent gestiegen, um 13 Prozent!


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Dann sagen Sie den Leuten, ihr müsst länger arbeiten. Ja wie denn und wo denn? Wo sind denn die Arbeitsplätze, wo die Älteren, die zum Teil durchaus auch arbeiten wollen, arbeiten können? Was fällt Ihnen dazu ein? – Die Bestimmungen sollen verschärft werden, zum Beispiel was die Entfernung anbelangt. Die gibt es ja jetzt schon. Bei einem Vollzeitjob sind es zwei Stunden und bei einem Teilzeitjob sind es, glaube ich, eineinhalb Stunden.

Ich bin ja dafür, dort, wo Missbrauch betrieben wird, diesen schärfstens zu bekämpfen und sofort die Reißleine zu ziehen. Aber wir müssen schon auch daran denken, dass die Menschen irgendwo noch in der Nähe ihrer Familien einen Arbeitsplatz haben wollen. Historisch betrachtet waren wir froh, als wir das Nomadentum aufgegeben haben und sesshaft wurden, und jetzt wollen wir ein Industrie-Nomadentum wieder einführen, wo dann der Oberösterreicher nach Vorarlberg pendeln muss.

Das ist jetzt nicht lustig, jedenfalls nicht für die Menschen, die dem dann ausgesetzt sind. (Zwischenruf des Bundesrates Todt.) Das ist, glaube ich, der falsche Ansatz: zu sagen, wir müssen die Bestimmungen verschärfen.

Die Leute haben Sorge, was mit ihnen passiert, wenn sie pflegebedürftig werden, wenn es sich die Familie nicht leisten kann oder will, aus welchen Gründen auch immer. Am Pflegepaket doktern Sie seit Jahren herum, ohne dass wirklich etwas herauskommt, was den Menschen auch die nächsten Jahre Sicherheit gibt, damit sie nicht Angst haben müssen, irgendwo in einem Heim ins hinterste Kammerl abgeschoben zu wer­den, falls sie einmal, was ich ja niemandem wünsche, ein Pflegefall werden würden.

Die Leute machen sich Sorgen – Sie haben es angesprochen – um die Bildung ihrer Kinder und damit auch, ob ihre Kinder noch irgendeinen Arbeitsplatz bekommen werden. Bei der Bildung ist dieses ewige Hin und Her wirklich kontraproduktiv: Gesamt­schule ja oder nein, ist das gescheit oder ist das nicht gescheit, machen wir Modell­regionen, und so weiter. Alle Experten sind sich einig: Es geht überhaupt nicht um die Organisationsform, und ich muss auch nicht die Türschilder austauschen und der Neuen Mittelschule mehr Ressourcen geben; dann lasse ich das Gymnasium wieder ein bisschen verhungern.

Worum es geht, ist, unsere Kinder bestmöglich zu bilden – ich sage ganz bewusst nicht auszubilden, denn Schule ist für mich ein Hort der Bildung, wo man letzten Endes in der Lage sein soll, selbständig, eigenständig zu denken, einen klaren Blick zu haben, um Dinge auch beurteilen zu können. Dazu gehört auch Wissen – also nicht, wie es so oft dann in Diskussionen formuliert wird: Es geht um Kompetenzen!  Ja, aber es geht vor allem um Wissen.

Beschäftigen wir uns damit, wie wir es schaffen, diese von Ihnen angesprochenen 15 Prozent, die nicht sinnerfassend lesen und schreiben können, dorthin zu bringen, dass das der nächsten Generation nicht mehr passiert und jene zu beschulen, die jetzt schon diese Defizite haben. Das sind die wichtigen Dinge. Das wird der Wirtschaft helfen, und es wird auch dem Wirtschaftsstandort helfen.

Die Bedingungen sind rundherum auch nicht schlecht. Auch das stand in dieser „Wie gut wir sind“-Erhebung, nämlich dass es in Pressburg ähnliche Bedingungen gibt. Also warum sollen wir jetzt in Österreich bleiben? – Da müssen wir schon auch etwas bieten, und da gehören eben Bildung und Ausbildung dazu.

Auch die Pensionisten haben Sorgen, ob sie sich – jetzt habe ich gelesen, wir haben eine Lücke von 250 Millionen € – im Alter wenigstens einigermaßen den Standard noch leisten können, den sie gewohnt waren, sprich: Sie wollen nicht aus der Wohnung ausziehen müssen, weil die Pension so gering ist, dass sie sagen, die Wohnung kann ich nicht mehr halten. Ich rede nicht von Luxuswohnungen, von, ich weiß nicht, 360 Qua-


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drat­metern in der Inneren Stadt, sondern von einem ganz normalen Bewohner einer ganz normalen mittelgroßen Wohnung, hier bei uns in Wien. Das sind die wichtigen Dinge, auf die wir uns konzentrieren müssen!

Natürlich sind die Leute auf der anderen Seite verärgert, wenn man sich anschaut, was wir schon in den EFSF, ESM eingezahlt haben und mit wie vielen Milliarden wir haften. Auf der anderen Seite hören die Leute bei jeder Maßnahme, die wir als wichtig erach­ten, oder Sie vielleicht auch, wir haben kein Geld dafür. Dann sagen die Leute: Na bitte, ihr zahlt überall, und für uns bleibt nie Geld übrig!

Das gilt übrigens auch für die Universitäten. Diese Universitätsmilliarde, die wird auch so in Kleinsttranchen abgearbeitet, ohne dass sie jemals zum Tragen kommt. Aber die Universitäten sind für uns auch wichtig, und zwar sehr wichtig, obwohl ich nicht denen das Wort spreche, die sagen, wir brauchen eine höhere Akademikerquote. Da bin ich völlig anderer Meinung, wir sollten nämlich von diesem Mantra wegkommen, man braucht unbedingt die Matura, sonst ist man leider nichts. – Wir brauchen gute Fach­arbeiter, die kriegen wir über die Hauptschulen, von mir aus auch über die Neue Mittelschule, von mir aus auch, wenn jemand nur die Unterstufe eines Gymnasiums gemacht hat, auch über Lehre mit Matura. Wir brauchen diesen Mittelbau der gut ausgebildeten und gut gebildeten Facharbeiter, sodass dann keiner mehr auf die Idee kommt, zu sagen, die müssen wir uns wieder aus dem Ausland importieren. Wir haben genügend eigenes Potential, um das selber bewältigen zu können.

Unsere Lehrlinge – weil Frau Präsidentin Zwazl mich gerade anschaut, die das ja auch das letzte Mal gesagt hat, und das stimmt ja auch – schneiden bei sämtlichen internationalen Wettbewerben bestens ab. Da frage ich immer, und vielleicht könnten Sie  (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.) – Ja, aber es wird der Lehrling, meiner Meinung nach, nie so richtig vor den Vorhang gehoben, weil wir uns in der Bildungsdebatte immer um Maturanten und Universitätsabsolventen kümmern.

Es ist kaum jemand – ich sage ja nicht gar niemand – da, der sagt: Bitte unsere Lehrlinge vor den Vorhang, denn die sind wirklich gut! (Bundesrätin Zwazl:  machen wir!) – Ja, aber da kann man vielleicht noch ein bisschen mehr machen. Es ist ja nicht so, dass man sich zurücklehnen und sagen kann: Machen wir eh, passt eh alles! Man kann ja immer ein bisschen mehr machen. (Bundesrätin Zwazl: Na, na, na! Mach die Augen auf! Schau dich um, was gut ist! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Dass die Präsidentin der Wirt­schafts­kammer das sagt (Bundesrätin Zwazl: Nein, ich mache! Ich sage nicht, ich tue!), ist eh ganz klar.

Ich sage ja, die Lehrlinge sind gut, aber von der allgemeinen Politik werden Sie meines Dafürhaltens zu wenig gelobt und zu wenig vor den Vorhang gestellt. (Bundesrätin Zwazl:  der Bevölkerung!) Das heißt, wir haben hier noch einige Baustellen zu beackern. Meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungsparteien, es wäre gut für Sie, wenn Sie die jetzt wirklich anpacken und auch Lösungen finden, denn ich bin überzeugt davon: Das ist die letzte Chance dieser Regierung, eine weitere hat sie nicht mehr! (Beifall bei der FPÖ.)

9.46


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile ihm dieses.

 


9.46.37

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Leider hat meine Vorred­nerin die Redezeit etwas überzogen, sodass der Herr Infrastrukturminister bereits


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gegangen ist und aus dem Hause ausgetreten ist. (Rufe bei der FPÖ: „Ist aus­getreten“! – Heiterkeit.) – Er hat die Kammer verlassen, aus welchen Gründen auch immer. Ich hätte ihn mir auch noch gerne angehört, aber das ist leider nicht mehr möglich.

Umso mehr bedanke ich mich, dass heute das neue Regierungsteam die Chance genutzt hat oder die Chance nutzen wird, in weiterer Folge für uns als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Ich glaube, es ist ein guter Brauch im Parlamentarismus und Zeichen einer vitalen und starken Demokratie, den Dialog zwischen der Regierung und den Abgeordneten konsequent zu führen. Das ist heute ein Anlass, und ich bedanke mich, dass die Möglichkeit dafür besteht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Herr Vizekanzler hat erwähnt, dass wir nicht nur eine Binnenvolkswirtschaft haben, sondern uns auch in einer Weltwirtschaft zu bewähren haben, dass wir in Zeiten mit enormen globalen Turbulenzen leben, die natürlich auch Einfluss auf unsere Gestaltung hier in Österreich haben, auf unsere politischen Bedingungen, dass wir umgeben sind von Kriegen, Katastrophen, Nöten, Epidemien und so weiter – ich brauche das nicht länger auszuführen –, und dass das unsere Gesamtrahmenbedingungen sind, in denen wir Politik zu machen haben und in denen wir uns zu bewähren haben.

Die Fragen und wichtigsten Themen sind vom Herrn Vizekanzler weitgehend beant­wortet und behandelt worden: Wie schaffen wir es, in Zukunft mehr Arbeit und Beschäftigung für unsere Bevölkerung zu garantieren? – Ich möchte auch auf Ihren Einwand eingehen, Frau Kollegin. Sie haben gesagt, Sie missbilligen die Äußerung betreffend weitere Entfernungen, wenn jemand einen Arbeitsplatz sucht, die Zumut­barkeitsbedingungen. – Die Zeiten, wo wir in der Agrargesellschaft leben – ich will gar nicht auf das Nomadentum zurückgehen, das Sie erwähnt haben –, wo ich aus dem Bauernhof hinausgehe und vor mir den Arbeitsplatz habe, das Feld und den Acker, die sind vorbei! (Bundesrätin Mühlwerth: Zwei Stunden!)

Wir leben in einer mobilen Gesellschaft, wo die Qualifikation immer höher wird oder wo wir uns bemühen, die Qualifikation zu heben – dann hat man eben auch mit einer hohen Qualifikation nicht immer vor der Haustür seinen Arbeitsplatz, und da muss ich mich eben in einem größeren Umkreis bewähren. (Bundesrätin Mühlwerth: Zwei Stunden!) Das Risiko gehe ich ein, wenn ich eine höhere Qualifikation habe. Das ist, glaube ich, der richtige Ansatz, und ich glaube, dass das eine Möglichkeit ist, wie wir mehr Beschäftigung und mehr Arbeit gewährleisten können.

Es geht auch um die Frage: Wie schaffen wir mehr Investitionen, trotz Budgetkon­solidierung, trotz Stabilitätspakts, trotz Bundesfinanzrahmenplans? Wie schaffen wir Spielräume für mehr Investitionen? – Ich glaube, dieser Prozess ist gut aufgestellt, wir kommen gut weiter. Der Finanzminister hat in den letzten Tagen deutlich gemacht, dass wir auch neue Spielräume bekommen sollen.

Es geht darum: Wie können wir uns im Wettbewerb als österreichischer Standort bewähren, wie können wir international attraktiver werden? – Und da brauchen wir als sehr exportorientiertes Land neue Märkte, weil wir eben gute Produkte verkaufen, die wir nicht nur im eigenen Land absetzen können. Die genannte Exportinitiative für Betriebe und Beschäftigte in diesen Exportbetrieben ist ein sehr guter Ansatz.

Das Bildungssystem wurde genannt. Ich halte nichts von einem Austausch von Taferln, dass man statt „Hauptschule“ „Neue Mittelschule“ drüberschreibt, oder dass man „Gesamtschule“ oder „Ganztagsschule“ draufschreibt. Wissen Sie, worum es geht, was die wirklichen Herausforderungen in der Bildungspolitik sind? – Dass wir die Input-Output-Relation halbwegs in der Waage halten. Derzeit geben wir sehr viel für die Bil­dungspolitik aus, und es stellt sich die Frage, ob dieser hohe Input auch einen ent-


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sprechenden Output gewährleistet, wenn die Schüler die Schule und die Bildungs­einrichtungen verlassen, ob die Relation stimmt zwischen Input und Output, und ich glaube, da ist etwas nachzubessern.

Richtigerweise wurde das tolle System der dualen Ausbildung genannt. Ich glaube, das ist unumstritten, das ist eine Erfolgsstory. Ich wünsche mir, dass dieser Geist der dualen Ausbildung, der uns alle, Sozialpartner und Unternehmer, Ausbildner et cetera, beseelt, übertragen wird auf das andere Bildungssystem, auf andere Bildungsein­rich­tungen, dass wir diese Standards auch auf andere Einrichtungen erweitern und ausweiten und entsprechend weiterentwickeln. Das wünsche ich mir.

Dieser Bereich, dieses Segment der dualen Ausbildung zeigt, dass wir es könnten, dass wir Fähigkeiten haben, dass wir Persönlichkeiten haben, die in der Lage sind, das auch entsprechend zu praktizieren, und darum geht es. Wie können wir Talente stärken, ohne die Lernschwachen zurückzulassen? Wie können wir die Talente ausfin­dig machen? – Wir brauchen in Zukunft die besten Köpfe, und da ist der neue Ansatz der Bundesregierung, das entsprechend in Arbeitsgruppen aufzuarbeiten, ein sehr guter, und ich bin schon sehr gespannt und werde bei diesem Thema auch ent­sprechend mitarbeiten.

Wie können wir die ökosoziale Marktwirtschaft mit entsprechender Nachhaltigkeit weiterentwickeln? – Bürokratieabbau ist genannt worden, aber Bürokratieabbau, ohne den Staat zu schwächen. Wir haben Interesse an einem starken Staat, an einem schlanken Staat, aber ohne Bürokratie. Das ist kein Angriff auf Beamte, die Para­graphen sind es, die wir anklagen müssen, die uns behindern und die wir beseitigen müssen und bei denen wir Erleichterungen schaffen müssen. Das Bürokratieab­baupaket, das der Herr Vizekanzler genannt hat, mit den Beauftragten, ist ein Ansatz, ein erster Schritt, wie wir weiterkommen.

Wie können wir letztlich einen fairen Wettbewerb sichern? – Die Wettbewerbssiche­rung ist Kerngeschäft des Staates: den Wettbewerb zu sichern und faire Bedingungen zuzulassen. Ich begrüße in diesem Sinn auch die Enquete über das Bestbieterprinzip, die in wenigen Tagen in diesem Hause stattfinden wird, auf Einladung der Frau Prä­sidentin des Nationalrates.

Wie können wir leistbare Wohnungen schaffen? Wie können wir eine größtmögliche Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite garantieren, bei optimaler Sicherheit auf der anderen Seite, die wir gewährleisten müssen? – Und Sicherheit ist auch ein Kerngeschäft des Staates, das reicht von der Polizei bis zum Bundesheer und zu all diesen Bereichen, bis zur Datensicherheit und anderen Themen.

Wie können wir unsere sozialen Systeme in Zukunft absichern, sodass auch die Jungen noch eine Perspektive haben, einen Ruhestand genießen zu können und halbwegs nennenswerte Pensionen zu erhalten?

Wie können wir – und der Herr Vizekanzler hat es angesprochen – unsere Verpflich­tungen, die aus der Europäischen Menschenrechtskonvention resultieren und für deren Einhaltung wir verantwortlich sind – Stichwort Asyl –, erfüllen, ohne unsere Mitbür­gerIn­nen zu überfordern? Wie schaffen wir diesen Weg, den wir gehen, zwischen unseren Verpflichtungen auf der einen und der Solidarität auf der anderen Seite? – Das sind die Herausforderungen der nächsten Monate und Jahre.

Wie können wir diese multiplen Veränderungen beherrschen, oder – ich würde es positiv formulieren – wie können wir sogar Chancen schaffen, denkt man zum Beispiel an Klimawandel, an Umweltpolitik, die auch für unsere technisch hoch standardisierten Betriebe entsprechende Chancen, Marktchancen bietet? Das meine ich mit: Aus der


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Krise eine Chance machen! Wie können wir Europa greifbarer machen für unsere Bürger, verständlicher machen, transparenter, spürbarer und fühlbarer?

Um diese Fragen wird es gehen, und wir werden auch als Bundesrat einen Beitrag leisten, indem wir uns verstärkt der Europafrage widmen werden. Ich glaube, das ist auch ein Weg und ein konkreter Beitrag, den wir selber leisten können: Forderungen an uns selbst und nicht immer nur Forderungen an andere in diesem Bereich der Europapolitik zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage in den nächsten Monaten und Jahren wird sein: Wie können wir mehr Vertrauen in die Entscheidungen der Politik, der Regierungen – ich beziehe hier die Landesregierungen ein – und der Parlamente schaffen? Unser größter Rohstoff, den wir in der Politik haben, unser wichtigster Rohstoff ist das Vertrauen. Wenn Vertrauen verspielt ist, dann genügen keine Konzepte mehr, diese werden dann nicht mehr angenommen. Wie können wir mehr Vertrauen gewinnen, wie können wir den Bürgern Ängste nehmen und Hoffnungen geben? Wie können wir erklären, dass Politik nützlich ist? – Politik soll schützen und nützen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Fragen sollten wir bei solchen Anläs­sen wie heute in den Mittelpunkt stellen, und ich schließe mit einem Zitat eines meiner Lieblingsdichter, nämlich Hermann Hesse, der gesagt hat:

„Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“

Nicht trauern, sondern trauen müssen wir uns etwas, trauen, mehr Mut haben, trauen, damit wir dann wieder mehr Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern erwarten können! Das wünsche ich mir von ganzem Herzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.58


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


9.58.45

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass es offensichtlich protokollarischer Usus in diesem Haus ist, dass man als Oppositionspartei automatisch als Kontra-Redner gemeldet wird. Ich möchte explizit festhalten, dass das keine Kontra-Rede ist, sondern auch ich im Namen der Grünen und der Opposition der Regierung und den Regie­rungsmitgliedern bei ihrer Arbeit alles Gute wünschen möchte. (Allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Todt: Wo ist der Oberösterreicher-Bonus?!) – Ja, warte einmal, wir sind eh Oberösterreicher, ich kom­me schon darauf zurück.

Ich bin für harte, aber für faire Diskussionen, und ich glaube, es ist nur fair genug, wenn man ihnen einen Vertrauensvorschuss gibt. Einer der Vorredner hat ja vorhin schon bemerkt, dass das Parkett glatt ist, und ich glaube, zu dem glatten Parkett tragen natürlich auch die Oppositionsparteien bei. Aber nichtsdestotrotz sollten wir im Sinne unseres Landes die bestmöglichen Ideen umsetzen und uns nicht gegenseitig blockieren.

Mein Vorredner, der geschätzte Kollege Gottfried Kneifel, hat sehr viele Fragen aufge­worfen. Ich bin der Überzeugung, dass wir weit darüber hinaus sind, Fragen aufzu­werfen, wir haben genug Antworten in den unterschiedlichsten Bereichen, und mit deinen letzten Schlusssätzen hast du das auch untermauert. (Der Redner blickt in Richtung des Bundesrates Kneifel.)


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Das, was wir in der Politik brauchen, ist der Mut, auch unpopuläre Dinge durchzu­setzen, teilweise auch gegen die eigenen Interessengruppierungen in unseren eigenen Parteien – zum Wohle des Landes! Es kann nicht sein, dass wir uns gegenseitig blockieren, nur deshalb, weil eine gute Idee von einem anderen Regierungspartner oder von der Oppositionsseite kommt, und dann wird das sozusagen auf die lange Bank geschoben.

Sie haben zu Recht gesagt, Herr Minister, dass die Wirtschaft stagniert. Ein möglicher Schlüssel ist, auf das Wirtschaftswachstum zu setzen, aber ist das wirklich der Weg, den wir einschlagen sollen, in Anbetracht der Umweltproblematiken und in Anbetracht der Klimaerwärmung?

Wir wissen, dass die Ressourcen begrenzt sind, dass die Emissionen, die wir ausstoßen dürfen, begrenzt sind. Wieder ein Beispiel vom Klimarat ... (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.– Da braucht man keine Fragen mehr zu stellen, wir haben die Antworten für die Politik, selbst von den Experten, mittlerweile schon übermittelt bekommen. Das, woran es fehlt, ist der Mut, diese sehr guten Vorschläge von den unabhängigen Experten und Expertinnen auch in konkrete Politik umzusetzen, und wir sind es unseren zukünftigen Generationen schuldig, weil auch sie das Recht haben, in einer intakten Umwelt zu leben.

Ein Weg, die Wirtschaft sozusagen anzukurbeln, sind zum Beispiel die Gespräche, in denen wir – die Europäische Union, aber auch Österreich mit den USA, das Freihandelsabkommen TTIP betreffend – jetzt gerade stecken.

Natürlich ist wirtschaftlicher Austausch wichtig, für beide Seiten, und dort, wo es Austausch gegeben hat, haben großteils immer beide Seiten davon profitiert, da braucht man nur in die Menschheitsgeschichte zurückzuschauen, aber das Wesent­liche ist, wie dieser Austausch geschieht, unter welchen Rahmenbedingungen. Hier darf es zu keiner Aufweichung von arbeitsrechtlichen Aspekten, von Umweltaspekten oder von Konsumentenschutzaspekten kommen, da haben wir einfach höhere Stan­dards, und die dürfen nicht am Altar einer falsch verstandenen Wirtschaftspolitik geopfert werden.

Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass wir auch für konstruktive Arbeit zu gewinnen sind, aber in diesem Punkt kann ich Ihnen garantieren, da gibt es keinen Kompromiss, nicht mit der Opposition, nicht mit den Grünen und auch nicht mit den NGOs, denn die Lebensqualität des schönen Österreichs – das, was Österreich ausmacht, sind eben diese hohen Standards – müssen wir erhalten, wir dürfen sie nicht am Altar der großen Wirtschaftslobbys und Großbanken und deren Interessen opfern. Da werden wir sicher nicht mitspielen, da wird es einen massiven Gegenwind unsererseits geben.

Ein weiterer Punkt, der uns beschäftigt, den haben Sie auch angesprochen, ist die steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere die Altersarbeitslosigkeit. Mit den verschärften Bedingungen, dem Kappen der Invaliditätspension und so weiter, können diese Menschen jetzt nicht mehr in ein anderes System wechseln, sondern sie sind sozusagen im Topf des AMS. Diese Menschen zu vermitteln, unterzubringen und einer Beschäftigung zuzuführen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das ist nicht nur eine Aufgabe des AMS, sondern hier ist auch die Wirtschaft gefordert, attraktive Arbeitsmodelle anzubieten. Denn: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man mit 65 Jahren noch auf der Baustelle – bei Kälte, Regen und Windzug – die Heizkörper bis in den siebenten Stock hinaufbringen soll. Das wird nicht funktionieren.

Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir Beschäftigung, auch in einem höheren Alter, so attraktiv wie möglich machen können, damit die Menschen noch gesund in Pension gehen können.


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Neben dem Wirtschaftsthema, neben der steigenden Arbeitslosigkeit sehe ich einen weiteren großen gesellschaftlichen Brocken, mit dem wir uns noch die nächsten Jahre beschäftigen werden, und zwar ist das das gesellschaftliche Zusammenleben – das gesellschaftliche Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen, von unterschied­lichen Religionen.

Wir führen gegenwärtig die Diskussion um das neue Islamgesetz. Da gibt es massiven Diskussionsbedarf von unterschiedlichen Seiten, auch große Ablehnung von unter­schiedlichen Seiten. Ich plädiere dafür, hier nichts zu überhudeln, wir haben genügend Zeit, ob wir jetzt noch ein paar Jahre warten oder nicht, macht das Kraut auch nicht fetter. Ich plädiere dafür, dass wir diese Materie an den Ausschuss rückverweisen und zu den Verhandlungen Experten und Expertinnen einladen, und zwar nicht aus der österreichischen Landschaft, sondern aus dem Ausland, weil die wirklich unabhängig sind, um dieses grundlegende Thema zu diskutieren.

Viele denken, dass das ein Gesetz ist, das eh nur die Muslime betrifft, aber wenn man genau hinschaut, öffnen wir uns hier Diskussionen, wo wir eigentlich Grundsatz­dis­kussionen führen müssen, die nämlich auch andere Religions- und Bekenntnisgemein­schaften tangieren werden – Konkordat, Religionsunterricht, Auslandsfinanzierung. Das sind Themen, die uns sicher noch lange beschäftigen werden. Daher ersuche ich, hier den Weg der Vernunft zu gehen und uns nicht treiben zu lassen.

Kollege Kneifel hat die Wettbewerbssicherung angesprochen. Dieses Thema ist absolut wichtig. Wie können wir den Wettbewerb sichern? – Österreich hat an den Stückkosten sehr hohe Lohnkosten. Wir werden mit Ländern wie Brasilien, Indien, China und Russland de facto nicht mithalten können, aber wo wir mithalten können, ist – wenn schon nicht über die Masse – über die Qualität. Und Qualität setzt eines voraus: Fachwissen, Bildung. Es ist daher unumgänglich, dass wir in diesem Bereich Investitionen tätigen. Du hast es angesprochen: Das duale Ausbildungssystem ist wirklich ein Erfolgsmodell, und dieses Erfolgsmodell müssen wir auch in andere Länder hineintragen. Hier gibt es von der Wirtschaftskammer massivste Anstrengungen und Kooperationen, dieses gute System im Ausland zu implementieren.

Ich bin selber ein Nutznießer dieses Systems. Ich war Lehrling, Facharbeiter, jetzt bin ich halt Akademiker. Es ist schön, beides im Rücken zu haben, weil es doch eine gewisse Sicherheit gibt. Der Punkt der Bildung ist einer, der uns wirklich stark be­schäftigt und der für massive Diskussionen sorgt.

Geschätzter Herr Vizekanzler! Sie haben das Thema Übergang vom Kindergarten in die Volksschule angesprochen, ich bin persönlich gerade in einer derartigen Phase, so wie viele Tausende andere ÖsterreicherInnen auch. Meine Tochter besucht gerade den Kindergarten. Einerseits sind wir in der glücklichen Lage, uns die Schule aus­suchen zu können, aber andererseits ist das ein immenser Stress, kann ich sagen, wenn ich mir das im Konkreten ansehe, wie das mit den Unterrichtszeiten funktioniert, denn um 7.45 Uhr bis 8 Uhr sollen die Kinder in der Schule sein, der Unterricht dauert bis halb zwölf. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Jetzt fordert der Kollege mehr Mobilität beziehungsweise die Ausweitung der Zumut­barkeitsregelungen für Beschäftigte. Ich frage Sie: Wie soll denn das funktioniere? – Wir haben viele Betriebe. In Oberösterreich gibt es jetzt eine Paradefirma, die einen eigenen Betriebskindergarten errichtet. Das sind aber noch zarte Pflänzchen. Wir müs­sen vielmehr in die Richtung gehen, unsere Firmen, größere Firmen dahin gehend zu unterstützen, dass sie auch Betriebskindergärten errichten, um damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, damit diese Übergänge besser funktionieren, denn: Was tue ich, wenn ich berufstätig bin? – Man kann nicht erst um 8 Uhr in der Firma sein, denn meistens fängt man schon um 7 Uhr zum Arbeiten an. Und wenn man


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aber noch eine Anfahrtszeit von mindestens zwei Stunden hat, muss man bereits um 4 Uhr oder halb vier aufstehen.

Was haben denn diese Menschen dann noch für ein Familienleben? Das eine greift in das andere hinein, es sind kommunizierende Gefäße. Wenn die Eltern weniger Zeit füreinander oder für die Kinder haben, werden die Konflikte in den Familien nicht weniger; das sind Themen, die ineinandergreifen. Wir müssen immer im Blick haben, was es im Gesamtsystem an Veränderungen nach sich zieht, wenn wir etwas an den Rädchen verändern.

Ich bin mittlerweile nicht mehr der Überzeugung, dass wir viele Fragen aufwerfen müssen, sondern wir müssen bei den Antworten, die uns die unabhängigen Experten und Expertinnen geben, den Mut aufbringen, diese auch umzusetzen. Wir werden nämlich an den konkreten Schritten gemessen, die wir setzen, wie zum Beispiel bei der Entbürokratisierung, aber auch das Fördersystem gehört durchforstet, denn im Endef­fekt weiß ja weder die rechte noch die linke Hand, wo was wie gefördert wird – dieser Dschungel gehört durchforstet!

Wir müssen in der Verwaltung ansetzen, aber auch auf der politischen Ebene. Da wird es Diskussionen bezüglich Bundesratsreform, Verwaltungsreform und so weiter geben. Auch da müssen wir den Mut aufbringen, neue, vielleicht auch steinige und holprige Wege zu gehen, aber letztendlich werden wir meines Erachtens nur so das Vertrauen der BürgerInnen zurückgewinnen können, und ich glaube, das ist im Interesse von uns allen. Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

10.09


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


10.10.30

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizekanzler Mitterlehner! Sehr geehrte Frau Bundesministerin Oberhauser! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Steßl! Herzlichen Dank, dass ihr in den Bundesrat gekommen seid und uns Rede und Antwort steht.

Gottfried! Was ich nicht ganz verstanden habe, ist, warum du Minister Stöger kritisiert hast, dass er schon weggegangen ist, das war mit der Frau Präsidentin abgesprochen. (Bundesrat Kneifel: Nein, ich habe meine Vorrednerin kritisiert, weil sie so lange gesprochen hat und weil es nicht mehr möglich war! – Allgemeine Heiterkeit. – Ruf bei der SPÖ: Sie haben sich auch schlecht ausgedrückt!) – Okay, gut, klargestellt. Danke schön. Er kommt wieder, keine Sorge.

Ich möchte mich nicht mit dieser Frage der Experten und all diesen Dingen be­schäftigen, sondern ich möchte mich auf zwei Punkte konzentrieren: Das eine ist die Frage der Krise, die Sie angesprochen haben, und die Situation Österreichs, das Zweite ist die Frage der Steuerreform, eine ganz wesentliche Frage für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, für die Menschen in Österreich.

Herr Vizekanzler! Sie haben geschildert, dass die Weltsituation Auswirkungen auf Österreich hat, und das haben Sie uns auch sehr drastisch und ungeschönt mitgeteilt. Das bedeutet schlicht und einfach für Österreich, dass wir ein geringeres Wirtschafts­wachstum haben, dass wir eine höhere Arbeitslosigkeit haben, und dass all das die Menschen vor Probleme stellt, die nicht einfach sind, und dass die Menschen erwarten, dass die Politik Antworten gibt. Und diese Antworten wird es wahrscheinlich nicht von den sogenannten unabhängigen Experten geben, die zuerst hier genannt worden sind, sondern von mutigen Politikerinnen und Politikern.

Ich denke, dass diese Bundesregierung auf einem guten Weg ist, das auch anzu­greifen, denn diese Bundesregierung hat schon einmal – in der letzten Krise, die da-


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mals von den USA in Form einer Finanz- und Wirtschaftskrise ausgegangen ist – richtig reagiert und auch entsprechend gegengesteuert, und hat nicht, wie die meisten Länder in Europa rigorose Sparprogramme gemacht und nur die Ausgaben gekürzt, was dann Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gehabt hätte. Sie hat in Bildung investiert und nicht bei den Pensionen und im Sozial- und Gesundheitssystem gespart, denn das hätte es ausgehöhlt, wie man an anderen Ländern sieht; andere Länder haben auch das Pensionsantrittsalter erhöht.

Menschen, die 45 Jahre lang im Arbeitsprozess waren, haben genug vom Arbeitspro­zess, dafür gibt es genug Beispiele. All jene, die länger arbeiten wollen, können das auch tun, sie müssen nicht in Pension gehen. Es gibt auch hier noch Möglichkeiten, und ich gebe jedem recht, der sagt, wir brauchen altersgerechte Arbeitsplätze, aber wir müssen sie schaffen. Das kostet Geld, und das Geld muss auch erwirtschaftet werden, also so ganz einfach ist das alles nicht, und es hängt natürlich alles miteinander zusammen und hat Auswirkungen auf andere. Wenn ich das auf der einen Seite schaffe, muss ich bedenken, dass es auf der anderen Seite dann vielleicht den einen oder anderen Arbeitsplatz für Junge nicht gibt oder geben wird. Wir können nicht alle zufriedenstellen; das ist so.

Daher wird die Politik bei der Durchführung bestimmter Dinge sehr mutig sein müssen, und Politiker, die in der Regierung sitzen, werden immer durch den Wähler bewertet und entweder gelobt oder bestraft. Das werden wir dann sehen, wenn diese Legislatur­periode zu Ende ist.

Ich will noch ein paar Punkte anmerken, die bereits gemacht worden sind, damit das in dieser Krise nicht gemacht wird. Die Bundesregierung hat dem unsozialen Kaputt­sparen in der Krise von Anfang an eine klare Absage erteilt. Ich denke, dass Inves­titionen ein wesentlicher Bestandteil sind, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaftsleistung wieder anzukurbeln.

Ich komme jetzt zu einem Punkt, der mir ein großes Anliegen ist, das ist die Frage der Steuerreform. Die Steuerreform ist deswegen so wichtig – Sie haben das selbst angesprochen, Herr Vizekanzler –, weil die Menschen den Eindruck haben, dass sie immer weniger Geld im Börsel haben. Es gibt in Österreich ein soziales Ungleich­gewicht, und wir sollten der Fairness wegen dieses soziale Ungleichgewicht beseitigen. Damit meine ich ganz einfach, dass es in Österreich Menschen gibt, die reicher als reich sind, und dass diese Reichen ebenfalls einen Beitrag leisten müssen, damit es zur Finanzierung einer Steuerreform kommen kann. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Schreuder und Kneifel.)

Der letzte Valluga-Vermögensreport hebt hervor, dass in Österreich die Millionäre so reich wie nie zuvor sind, dass im Jahr 2013 ihr Vermögen um 7 Prozent auf 260 Milliar­den € angewachsen ist und dass die Zahl der Millionäre im Jahr 2013 um 4 600 auf 82 300 gestiegen ist. Laut einer aktuellen Studie der Europäischen Zentralbank besitzt das reichste Prozent der Österreicherinnen und Österreicher unglaubliche 36 Prozent, die reichsten 5 Prozent der Österreicher bis zu 55 Prozent des Gesamtvermögens. Während diese wenigen Superreichen immer reicher werden und ihr Vermögen kaum besteuert wird, bleibt den Arbeitern und Angestellten, den Pensionistinnen und Pensionisten durch den hohen Einstiegssteuersatz und die kalte Progression immer weniger Geld im Börsel. Diese Ungerechtigkeit gehört beseitigt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter.)

Die Studie hat aufgezeigt, dass Österreich im europäischen Vergleich, was das Un­gleich­gewicht bei Vermögen betrifft, an vorderster Stelle steht. Daher ist diese Steuer­reform so wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 28

Meine Damen und Herren, eine Steuerreform ist auch deswegen wichtig, weil diese Steuerreform den Menschen ermöglicht, wieder mehr Geld auszugeben, und das kommt eins zu eins auch der Wirtschaft zugute und kurbelt letzten Endes auch die Konjunktur an. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Betriebe, denn Betriebe, die in der Lage sind, wieder mehr zu investieren, können auch entsprechend mehr produzieren und brauchen daher auch mehr Arbeitskräfte. Man sollte bedenken, dass man mit so einer Steuerreform auch die Wirtschaft entsprechend ankurbelt.

Ich bin dieser Regierung auch sehr dankbar dafür, dass sie bei den Pensionen dieses Mal nichts wegnimmt und die vollen 1,7 Prozent an Inflationsausgleich abgegolten werden. Das ist sehr wichtig, denn die älteren Menschen haben schon genug zur Budget­sanierung beigetragen, haben zweimal eine Dämpfung hingenommen, also weniger Geld bekommen, als der Inflationsausgleich gewesen wäre. Sie haben damit einen großen Beitrag zur Budgetsanierung geleistet. Daher ist es nur recht und billig, dass die Pensionistinnen und Pensionisten heuer den vollen Ausgleich der Teuerung bekommen. Dafür danke ich der Regierung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kompassnadel immer auf soziale Gerechtigkeit gerichtet, so hat Österreich bisher auch die Wogen der Vergangenheit gemeistert. Und ich meine, dass dieser Kurs fortgesetzt werden muss, denn die soziale Gerechtigkeit ist ein wesentliches Gut, denn in einem Klima sozialer Gerechtigkeit kann die Wirt­schaft angekurbelt und können Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wir brauchen in der Zukunft Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und einen gesamtgesellschaftlichen sozialen Zusammenhalt. Das ist zu stärken, und in diese Richtung ist zu arbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Reiter.)

10.21


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminis­terin Dr. Oberhauser. Ich erteile ihr dieses.

 


10.22.00

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich freue mich sehr, dass es heute auch mir gestattet ist, mich im Rahmen der Erklärung des Herrn Vizekanzlers in der zweiten Kammer des Parlaments vorzustellen. Jene, die mich kennen, wissen, dass ich viele Jahre im Nationalrat war. Das heißt, das Proce­dere und auch das Wissen, wie man sich fühlt, wenn man auf der anderen Seite dieser Bank sitzt, ist mir nicht fremd. Deswegen freue ich mich, dass es mir heute gestattet ist, hier mit Ihnen zu diskutieren, meine Sachen, meine Pläne klarzulegen.

Bevor ich auf meine gesundheitspolitischen Themen eingehe, möchte ich versuchen, zwei Dinge klarzustellen.

Nicht, dass wir uns wirklich sehr einig sind in der Frage, was die Zumutbarkeitsgrenzen betrifft, aber um das richtigzustellen: Die zwei Stunden sind nicht zwei Stunden hin, zwei Stunden zurück, sondern zwei Stunden insgesamt. Ich bitte, da die Kirche im Dorf zu lassen. Es gibt noch viele andere Zumutbarkeitsbestimmungen, aber wir gehen, wie gesagt, davon aus, dass die Wirtschaft – ich glaube, das wird auch ge­macht werden – zuerst einmal Arbeitsplätze wird schaffen müssen, damit die Menschen mehr in der Tasche haben, dass die Steuerreform kommt. – Das deshalb, damit hier mit fairen Karten gespielt wird, weil der Herr Vizekanzler das nicht mehr richtigstellen konnte.

Der zweite Punkt ist eine Frage der Pflege. Es wurde gesagt, dass sich die Menschen fürchten müssen, in ein Kammerl in einem Pflegeheim abgeschoben zu werden, sie


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haben Sorge. Ich glaube, dass im Rahmen des Pflegefonds und vor allem auch der Neustrukturierung des Pflegefonds und dessen, was wir bei den Regierungsver­hand­lungen dahin gehend beschlossen haben, viele, viele Schritte gesetzt sind, damit sich die Menschen genau davor nicht fürchten müssen.

Ich weiß von den Wiener Pflegeheimen und Pflegewohnheimen, dass in diesem Zu­sam­menhang von Fürchten Gott sei Dank keine Rede mehr ist. Dort arbeiten hoch­motivierte Menschen, und die Betreuung, die Pflege vor Ort funktioniert sehr, sehr gut. Das heißt, wir müssen den Menschen die Sorge nehmen. Wir arbeiten weiter an der Pflege – es ist der Bundesregierung ein großes Anliegen, diese zu sichern und vor allem den Menschen Sicherheit zu geben.

Lassen Sie mich nun zu meinen eigentlichen Themen kommen. Viele von Ihnen wissen wahrscheinlich, dass ich aus dem medizinischen Bereich komme. Ich bin Ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, bin dann in die Gewerkschaft gewechselt, war zuerst zuständig für die Ärztinnen und Ärzte in Wien, dann für den Bund, und dann hat sich mein Weg sukzessive von der Gewerkschaft weiter hinein in die Politik verschoben. Das heißt, ich kenne das Gesundheitssystem nicht nur aus der Position, sage ich, der Ärztin, die drinnen gearbeitet hat, sondern auch als Personalvertreterin, als Patientin, als Abgeordnete zum Nationalrat und jetzt als Gesundheitsministerin.

Ich habe mir, als ich begonnen habe, drei Meta-Ziele vorgenommen. Erstens: Auch aus meiner Erfahrung als junge Stationsgehilfin in einem Krankenhaus, wo man seine Zeit während des Studiums mit Nachtkastl-Putzen und Zusammenräumen irgendwie verbracht hat, weiß ich, dass die Patienten und Patientinnen eines wollen: Sie wollen Zeit und Zuwendung haben.

Das ist ja nicht nur aufseiten der PatientInnen so. Die Zahlen des Wahlarztsystems zeigen, dass die Menschen, ob sie es sich leisten können oder nicht, sage ich einmal, ins Wahlarztsystem drängen und dass sich junge Kolleginnen und Kollegen nicht mehr um einen Kassenvertrag reißen, sondern versuchen, sich als Wahlarzt niederzulassen. Das hat damit zu tun, dass man in diesem System offensichtlich mehr Zeit hat für Zuwendung. Die Patienten wissen als Kunde, die Ärztinnen und Ärzte wissen als Dienstleister, dass es oft das Gespräch ist, das Menschen mehr hilft als wahrscheinlich ein Medikament.

Das heißt, mein Ziel ist es, kleine Schritte zu gehen, um vielleicht im Großen dann zu erreichen, dass Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit haben und Patientinnen und Patienten mehr Zeit bekommen. Es sind mehrere Schritte, die dafür notwendig sind.

Es geht da um die Frage der Primärversorgung. Das heißt: Wie zentriere, wie konzen­triere ich die Medizin so, dass nicht mehr ein Arzt allein ist, sondern vielleicht mehrere Ärzte/Ärztinnen, Pflegepersonen, diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegeper­sonal, Physiotherapeuten, wer auch immer, in einem Haus, also wirklich sehr bildlich in einem Haus, zusammenarbeiten zum eigenen Wohl – man kann sich austauschen, man hat die Möglichkeit, miteinander zu reden – und zum Wohl der Patientinnen und Patienten. Sie haben bei längeren Öffnungszeiten mehrere Ärztinnen und Ärzte und noch weitere nichtärztliche Gesundheitsberufe zur Auswahl, im städtischen Bereich. Im ländlichen Bereich wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, in jeder kleineren Stadt ein Primärversorgungszentrum zu bauen, aber Netzwerke zu schaffen, wo sich meh­rere Ärzte/Ärztinnen durchaus dezentral zusammentun, die Öffnungszeiten aufeinan­der abstimmen und versuchen – da spielt dann noch ein Punkt hinein, nämlich ELGA –, vielleicht auch die Daten schon gleichzeitig habend, Patientinnen und Patienten besser zu versorgen als heute. Das würde möglicherweise den Patienten etwas bringen, aber, wie gesagt, auch den Kolleginnen und Kollegen.


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Das zweite Ziel, das ich mir gesetzt habe, war aus meiner zweiten Profession als Kinderärztin heraus, aus gesunden Kindern – aus meistens gesunden Kindern, die so auf die Welt kommen – gesunde Erwachsene zu machen. Diesbezüglich gibt es schon sehr, sehr viel an Vorarbeiten, die Alois Stöger begonnen hat. Im Kindergesund­heitsdialog sind schon mehrere Schritte gesetzt worden.

Eine meiner ersten Tätigkeiten als Gesundheitsministerin war, dass ich die HPV-Impfung in den Kinderimpfpass aufnehmen konnte. Etwas, wo wir jahrelang gefragt haben: Können wir uns das leisten? Wollen wir uns das leisten?, wurde jetzt umge­setzt. In dieser Phase sind wir weltweit führend, wir impfen nämlich nicht nur die Mädchen, sondern wir impfen im Sinne der Verhütung dieser Erkrankung auch die Burschen im Alter zwischen 9 und 12 Jahren – in den Schulen oder über den Kinder­arzt kostenlos und danach mit einem reduzierten Tarif.

Das sind zwei kleine Schritte, die bereits gesetzt worden sind.

Eines meiner Ziele, mit denen ich auch schon 2008 im Nationalrat konfrontiert war, war die Frage eines vernünftigen Tabakgesetzes, also eines Tabakgesetzes, das auch das Nichtrauchen in der Gastronomie beinhaltet. Aber nicht nur das, sondern man muss auch schauen, dass junge Menschen nicht zu rauchen beginnen, das heißt, man muss in diesem Bereich Prävention betreiben.

Wir werden hoffentlich im nächsten Jahr gemeinsam mit dem FGÖ, dem Fonds Ge­sundes Österreich, ein Programm ausarbeiten, wie wir versuchen, an Jugendliche heranzukommen mit dem einfachen Ziel, zur Einsicht zu kommen, dass Rauchen einfach nicht mehr chic ist. Wir wissen, dass der erhobene Zeigefinger oft nichts nutzt, das heißt, es geht um die Frage: Wie kann man es den jungen Menschen einfach auch zeigen, vorleben, wie auch immer? Vielleicht kann man ihnen das Nichtrauchen er­leich­tern, indem die Möglichkeiten, wo überall geraucht werden darf, eingeschränkt wer­den.

Das dritte Ziel – und das ist das Ziel, das eigentlich über allem steht – ist der Erhalt des solidarischen Gesundheitssystems. Ich glaube, wir alle, die wir hier sitzen, wissen, wie wertvoll es ist, dass wir nicht darüber nachdenken müssen: Bin ich versichert, bin ich nicht versichert? Zahlt das die Kasse, zahlt sie es nicht?

Früher war es der Krankenschein, jetzt feiern wir bald zehn Jahre e-card, wo man im Prinzip zum Arzt geht, die e-card gesteckt wird – und damit ist das für die Versicherung erledigt.

Fragen Sie einmal Schülerinnen und Schüler, ob sie wissen, was eine Sozialver­sicherung ist. Viele junge Menschen wissen das nicht mehr. Das heißt, diesen Benefit, den unsere Vorfahren erarbeitet haben, ist für die jungen Menschen heute so selbst­verständlich, dass ich mir wirklich Sorgen mache, dass man, wenn Angriffe darauf kommen, auch wirklich darum kämpft.

Sie, meine Damen und Herren, sind ja draußen vor Ort, in Ihren Gemeinden, in Ihren Wahlkreisen, reden Sie mit den jungen Leuten, erklären Sie ihnen, wie wichtig es ist, dass es eine flächendeckende Sozialversicherung gibt, die keine Sparkasse ist, wo man für sich selbst einzahlt, sondern wo der Gesunde für den Kranken einzahlt, dass das ein sehr, sehr wichtiges Gut ist, dass wir darum auch wirklich kämpfen müssen und dass wir, wenn, wie gesagt, Angriffe darauf kommen, diese abwehren müssen.

Wir werden uns ja heute Nachmittag noch einmal sehen. Das erste Gesetz, das in meiner Amtszeit im Nationalrat verabschiedet wurde, war das Ärztegesetz, und darüber werden wir uns heute noch unterhalten; auch ein Ziel im Rahmen der Gesund­heitsreform.


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Wir arbeiten derzeit mit Volldruck an einer Weiterstrukturierung im Rahmen des Ge­sundheits- und Krankenpflegegesetzes mit dem Ziel, eine modular durchgängige Karriere für Menschen zu ermöglichen, die sich entscheiden, Menschen zu pflegen, Menschen zu betreuen. Das soll gehen von einem, sage ich jetzt einmal, möglicher­weise Unterstützungsberuf, der kein Gesundheitsberuf mehr ist, bis hinauf zur tertiären Ausbildung, damit wir europaweit mit unseren Gesundheits- und KrankenpflegerInnen nicht nur Furore machen können, sondern diesen Beruf auch so attraktivieren, dass viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Beruf bleiben.

Die Umsetzung der Gesundheitsreform wird noch sehr, sehr vieler Schritte bedürfen. Da gibt es noch einiges zu tun, daran arbeiten wir derzeit auch mit Volldampf. Das heißt, ich hoffe, wir werden uns in Kürze auch mit anderen Gesetzen und zu anderen Themen hier bei Ihnen wieder sehen.

Ich bedanke mich recht herzlich dafür, dass ich heute zu Ihnen reden durfte, und freue mich auf das nächste Mal. (Allgemeiner Beifall.)

10.30


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile ihm dieses.

 


10.31.02

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Mir ging es wie meinem Kollegen Dönmez. Wenn man sich zu Wort meldet, muss man ja sagen, ob man pro oder contra redet. Daran sieht man auch, wie sozusagen unsere Politik tickt: Man kann nur dafür oder dagegen sein. Aus. Das ist bei solch einer Erklärung ein bisschen absurd.

Daher war ich sehr froh über die Aussage, dass es natürlich darum geht, gemeinsam für die besten Lösungen auch einmal zu streiten, macht ja nichts, oder zu verhandeln, zu diskutieren, zu debattieren, um die besten Lösungen zu ringen. Die Grünen haben in den letzten Jahren sehr oft gezeigt, dass sie dazu bereit sind, für die besten Lösungen auch mitzuverhandeln, mitzuringen. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht erfolgreich, auch das gehört dazu. Manchmal passt es halt nicht, oder man ist zu weit auseinander.

Allerdings bin ich froh und das möchte ich schon sagen  über die Entwicklungen oder die Aussagen und auch die Diskussion, die ich heute hier erlebe. Ich sehe es als Fortschritt, sagen wir es einmal so, dass wir – dass wir im Bundesrat ja immer schon eine bessere Kultur hatten, das muss man auch dazusagen – miteinander reden, dass wir miteinander über die besten Lösungen diskutieren, dass wir miteinander darüber nachdenken, was das Beste ist, ohne dass wir wieder dorthin zurückfallen, wo wir in den letzten Jahren sehr oft waren, nämlich dass viele Parteipolitiker und -politikerinnen nicht die Interessen der Bevölkerung in den Vordergrund gestellt haben, nicht über die eigene Wählerklientel und die eigene Zielgruppe hinausgeblickt haben und das Große und Ganze im Blickfeld hatten, sodass wir durch diese Klientelpolitik und durch das In-den-Vordergrund-Stellen von Parteiinteressen vor Bevölkerungsinteressen tatsächlich in eine Blockade, in einen Stillstand, in eine lähmende Situation gekommen sind. Und ob dieser Gordische Knoten schon durchschnitten worden ist, werden wir in den nächsten Monaten und Jahren ja auch weiter beobachten können. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Selbstverständlich ist es schon so, und da kommen wir wieder zu dieser Pro/Contra-Logik, dass es Aufgabe der Opposition ist – und das ist gut so in einer Demokratie –, eine Regierung zu kontrollieren. Das ist ja grundsätzlich eine Sache, für die viele Men­schen sogar gekämpft haben und die zu begrüßen ist. Allerdings, und das muss man


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auch fragen, ich finde das ganz wichtig, wenn man über eine neue Bundesregierung spricht: Welche Macht – diese Frage muss man sich ganz offen stellen – hat eine Bundesregierung im 21. Jahrhundert in einer vollkommen globalisierten Welt?

Das ist eine Frage, die sich natürlich viele stellen, auch die vielen Regierungsmit­glie­der, da die Erwartungshaltung von vielen Menschen ja noch immer ist: Die Regierung wird es schon richten! – So ungefähr gibt es das sehr oft. Die Befugnisse in einer globalisierten Welt oder die Möglichkeiten in einer globalisierten Welt sind immer enden wollender geworden. Das war ja auch einer der Gründe dafür, dass Österreich vor 20 Jahren der Europäischen Union beigetreten ist. Ich halte das immer noch für die richtige Entscheidung, um in dieser komplexer gewordenen Welt, in einer globalen Welt auch eine Stimme zu haben als Global Player. Und wenn man als Österreicher oder Österreicherin international eine Stimme haben will, dann funktioniert das natür­lich über die Europäische Union.

Die Aufgaben, die nur global und gar nicht auf der nationalen Ebene zu bewältigen sind, sind enorm. Mein Kollege Dönmez hat den Klimawandel schon genannt, die Not­wendigkeiten beim Umweltschutz und die Fragen: Wie wirtschaften wir zukünftig? Wie schaffen wir Arbeitsplatzsicherheit mit enden wollenden Ressourcen? Eine ganz ent­schei­dende Frage, die sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sicher stellen wird, ist: Wie wird diese Wirtschaft funktionieren? Überrollt sie die Menschen oder dient sie den Menschen? Das ist eine ganz entscheidende Frage, die sich seit der Krise 2008 viele Menschen stellen, die nicht mehr das Gefühl haben, dass die Wirtschaft sozusagen der Menschheit dient, wie ursprünglich gewollt. Man hat die Arbeitsteilung erfunden, weil sie praktisch ist, und durch die Arbeitsteilung ist in den ersten Zivili­sationen Wirtschaft entstanden. (Zwischenruf des Bundesrates Pisec.) – Bitte? Ich habe es nicht verstanden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Pisec.) – Genau. Okay. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, sehe ich auch so.

Als dritten Bereich möchte ich hier schon auch noch die große Kommunikations­revolution ansprechen, die wir erleben, nämlich durch das Internet. Das Internet hat nicht nur große globale Datenschutzfragen und geheimdienstliche Fragen aufgeworfen, das Internet hat natürlich auch grundsätzlich die Demokratie entwickelt, sagen wir einmal so. Menschen haben ein neues Tool bekommen, in dem sie mitreden können, auch mitreden wollen; manchmal konstruktiv, manchmal auch gar nicht konstruktiv, auch das ist hier zu beobachten.

Das Internet ist eine völlig neue globale Entwicklung der Kommunikation, der Partizi­pation und der Auseinandersetzung. Solch eine Revolution haben wir eigentlich seit dem Buchdruck nicht mehr gehabt. Und das wird auch eine der ganz großen Heraus­forderungen sein, die wir nur global bewältigen können. Es gibt viele Punkte, wo ein Bundesregierungsmitglied sicher einen Anstoß geben kann, zu etwas anregen kann, Diskussionen ins Rollen bringen kann, aber wo wir nur global agieren können.

Es gibt aber weltweit und das ist auch zu beobachten – eine, wie ich finde, sehr beunruhigende Entwicklung, nämlich dass sich immer mehr Staaten von der liberalen Demokratie abwenden und sich wieder dorthin wenden, wo wir schon einmal waren, nämlich in Richtung Autokratie, in die Richtung: Eine Idee, ein Mann – eigentlich nie eine Frau, immer ein Mann! – entscheidet alles!

Wir erleben das in Russland, wir erleben das in der Türkei, wir erleben das – und das bereitet mir wirklich die meiste Sorge – auch innerhalb der Europäischen Union, wir erleben das in Ungarn. Das ist eine Auseinandersetzung, die, wie ich finde, doch viel zu wenig ernst genommen wird.

Es gibt auch immer mehr Staaten, auch Schwellenländer, wie man so schön sagt, die sich die Frage stellen: In welchem System sind wir am erfolgreichsten? – Da sagt


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natür­lich ein Land wie China: Wir sind es! Da sagt natürlich auch ein Land wie Russland: Wir sind es! Und natürlich sagt auch die Europäische Union: Wir sind es!

Aber diese Auseinandersetzung, was Demokratie ist und welche Rolle Demokratie in der Welt spielt, wird uns, glaube ich, in den nächsten Jahren noch sehr, sehr beschäf­tigen.

Hier sind wir und da sind wir wieder bei der politischen Kultur, womit ich eigentlich angefangen habe schon auch in einer Phase, wo wir in eine, ich nenne es einmal so, parteipolitische Medienfalle geraten sind. Wir sind in einer Zeit angelangt, in der die Polemik, das Zuspitzen, das Auseinandersetzen in den Vordergrund gerückt werden und die Menschen die Demokratie oft nicht mehr als die beste Lösung wahrnehmen. Es ist ja auch kein Zufall, dass gerade in Europa Parteien und Strömungen einen starken Zuwachs erleben, die nicht unbedingt demokratiefreundlich gesinnt sind.

Das hat auch mit den demokratischen Kräften zu tun und wie sie, in welchem Ton und mit welchem gegenseitigen Respekt sie einander begegnen und debattieren. Und noch ist es schon so, dass Oppositionsvorschläge meistens in Schubladen verstauben, in Ausschüssen vertagt werden – wir haben das auch vor Kurzem in einem Ausschuss des Bundesrates erlebt –, weil Sie von der Regierung meinen, einen Oppositionsantrag wollen wir prinzipiell nicht.

Wir müssen darüber diskutieren: Wer macht eigentlich in einer Demokratie wie Öster­reich die Gesetze? Sind das die Ministerien oder ist es das Parlament? Wir müssen darüber diskutieren – das sage ich jetzt nicht als Grüner, das sage ich jetzt wirklich als Parlamentarier gegenüber der Regierung –, wir müssen über das Verhält­nis Legislative zu Exekutive diskutieren. Es ist so, dass die meisten Gesetze von der Exekutive ge­macht werden und nicht von der Legislative. Das ist im Übrigen auch eine Selbstkritik.

Die Stärke der Demokratie zu beweisen wird auch ein Zeichen davon sein, wie wir miteinander hier umgehen. Da nehme ich uns nicht aus, das sage ich auch selbst­kritisch, auch wir spitzen oft zu oder sind polemisch, das weiß ich. Aber je polemischer wir sind, desto stärker machen wir die Kräfte – und die sind auch in Österreich sehr stark, und sie sitzen auch in dieser Kammer –, die nicht für den sozialen Frieden sind, die hetzen, Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen, die rassistisch sind, die ungleich behandeln wollen (Zwischenruf des Bundesrates Krusche), und das ist nicht demokratisch, denn die Basis einer Demokratie muss immer sein, dass jeder Mensch vor dem Recht gleich bleibt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

10.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Zelina. – Bitte.

 


10.41.57

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Zu­nächst einmal, Herr Vizekanzler, herzliche Gratulation zur Regierungsumbildung. Was mich besonders freut, ist, dass nun der Wirtschaftsflügel der ÖVP die Führung über­nommen hat.

Eine funktionierende Wirtschaft ist die Basis für die Finanzierung auch unseres Sozialstaates.

Ich gratuliere Ihnen auch zu dem Mut, dass Sie Fachleute auf die oberste Ebene heben, dass Sie Leute aus der Privatwirtschaft auf Ministerebene heben, das ist ein guter Ansatz. Auch hier bei der Frau Gesundheitsministerin: Kompetente Fachleute ganz vorne hin, das ist gut für unsere Republik.


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Wobei wir dann auch über die Gehälter der Minister diskutieren müssen. Wenn wir personell mit der Privatwirtschaft konkurrieren wollen, müssen wir unsere Minister­gehälter auch an die Privatwirtschaft anpassen. Es kann nicht sein, dass die Vorstände in der Privatwirtschaft oder unsere Bankvorstände ein x-Faches davon verdienen, was unser Finanzminister verdient! (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Hohe Arbeitslosigkeit, stagnierende Wirtschaft, steigende Inflation und Mietpreise und dazu ein Riesenschuldenberg – die Lage ist ernst, der Handlungsbedarf ist gewaltig, Österreich ist ein Sanierungsfall. Jedes Kind in Österreich kommt mit 32 000 € Schul­den auf die Welt. Unsere Staatsverschuldung liegt bei 260 Milliarden €; inklusive der ausgegliederten Gesellschaften sind das bereits 90 Prozent des Bruttoinlandsproduk­tes.

Unsere Jahresbudgets sind nach wie vor nicht ausgeglichen, jedes Jahr kommen weitere 8 Milliarden € Schulden dazu. Jedes Jahr zahlen wir wegen der hohen Schul­den 10 Milliarden € an Zinsen, das ist mehr, als unser ganzes Bildungsbudget aus­macht.

Zahlungen an Banken und an den Geldverleiher Finanzsektor machen bereits 12 Pro­zent unserer gesamten Staatsausgaben aus, und das alles bei historisch niedrigstem Zinsniveau. Die Schulden und die Zinslast fesseln unseren Staat bei dringend notwen­digen Zukunftsinvestitionen.

Wenn die Zinssätze wieder steigen, die Konjunktur weiter einbricht oder zusätzliche Ban­kenhilfen schlagend werden, zerreißt es uns gewaltig und damit auch unser ganzes Sozialsystem. Denken Sie nur an unser Russland-Exposure bei den Banken!

Das Einschlagen eines harten Sanierungskurses und eines Zurückfahrens unnotwen­diger Staatsausgaben ist unabdingbar und nicht mehr aufschiebbar. Das muss jeder Führungskraft hier im Lande, allen Ministern, allen Verantwortlichen klargemacht werden. Dazu braucht es einen nationalen Schulterschluss unter Einbindung aller Landeshauptleute, der Sozialpartnerschaft, Gewerkschaften und Kammern.

Unser Staatshaushalt hat einen Staatsausgabenkonsolidierungsbedarf von 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, von 12 Milliarden €, um nachhaltig ausgeglichen zu sein. Wir müssen unseren fetten Verwaltungsapparat abspecken, Förderungen an Nichtbe­dürftige stoppen, Steuerausnahmen und Steuerschlupflöcher reduzieren, das Pen­sions­antrittsalter an die steigende Lebenserwartung koppeln, das Gesundheitssystem vereinheitlichen und der Selbstbedienungsmentalität unserer Selbstverwaltungskörper­schaften an unseren Steuergeldern ein Ende setzen.

Wenn wir Finanzstabilität wollen, sind folgende vier Punkte prioritär umzusetzen; der Herr Schelling ist heute nicht da, aber das gilt besonders für den Herrn Finanzminister:

Erstens: strikte Budgetvorgaben für Ministerien und Länder. Der Bund gibt über den Finanzminister den Ministerien und Ländern Budgets vor, mit denen sie auskommen müssen, welche sie aber ausgabenseitig in Selbstbestimmung verwenden können.

Zweitens: Neuschuldenaufnahmeverbot für Länder und deren ausgegliederte Gesell­schaften. Länder dürfen nicht durch zusätzliche Schuldenaufnahmen mehr ausgeben, als ihr vom Bund zugeteiltes Budget ausmacht.

Drittens: Haftungsgenehmigungspflicht durch den Bund, wenn Länder zusätzliche Haftun­gen übernehmen wollen.

Und viertens: ein bundeseinheitliches Haushaltsrecht mit verpflichtender Bilanzer­stel­lungs­pflicht für sämtliche Gebietskörperschaften auf Basis internationaler IPSAS/IFRS-Rechnungslegungsstandards. (Bundesrat Kneifel: Das kommt jetzt eh komplett!)


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 35

Den Schulden der Gebietskörperschaften sind deren Vermögen gegenüberzustellen und auszuweisen. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich Schulden aufnehme und damit Infrastrukturinvestitionen tätige oder ob ich Schulden aufnehme und damit Verwal­tungs­beamte und Frühpensionierungen finanziere. Jede Firma kann Bilanzen erstellen, Länder und Gemeinden können das auch.

Die intransparente Kameralistik muss durch die transparente doppelte Buchhaltung abgelöst werden. (Bundesrat Todt: Das ist ja schon!) Die Vergleichbarkeit der Länder mit Benchmarkerstellung und auf einem Blick sichtbaren Verwaltungsein­sparungs­poten­zialen, gemessen am effizientesten geführten Land ist hinsichtlich unserer EU-Stabilitätspaktziele absolut notwendig. Ohne ein klares Bild der aktuellen Finanzlage kann man keinen Staat professionell steuern. Nur wer einen Überblick über die finanzielle Wahrheit hat, hat die Chance, gute und richtige Entscheidungen zu treffen. (Bundesrat Todt: Wie das Team Stronach beim Nationalratswahlkampf!)

Bei der Sicherstellung der Finanzierung unseres Sozialstaates geht es nur um eines: um Arbeitsplätze. Dafür müssen wir alles tun, darauf müssen alle Reformen abzielen. Unser Sozialstaat ist nicht durch höhere Steuern und Abgaben, nicht durch zu­sätzliches Schuldenmachen und auch nicht durch mehr öffentliches Verwaltungsper­sonal absicherbar, sondern ausschließlich durch mehr Arbeitsplätze im privaten Unter­nehmenssektor.

Haben wir genug Arbeitsplätze, müssen wir unsere Leute nicht in Frühpension schicken, und das Pensionssystem wird finanzierbar. Haben wir genug Arbeitsplätze, ist das Krankenkassenbeitragsaufkommen hoch genug, um unser Gesundheitssystem zu finanzieren.

Nur ein verstärkter Verkauf österreichischer Produkte im In- und Ausland durch Export und Neuerschließung von Auslandsmärkten schafft Arbeitsplätze und sichert uns nachhaltig die Finanzierung unseres Sozialsystems.

Dazu benötigen wir eine stärkere Kaufkraft unserer Konsumenten und wettbewerbs­fähigere Produkte. Beides erreichen wir ausschließlich durch ein Niedrigsteuersystem und nicht durch Steuererhöhungen. Die Wirtschaft wächst nur dann, wenn die Bürger konsumieren und die Unternehmen investieren.

Deswegen runter mit den Steuern, runter mit den Abgaben und den fetten Verwal­tungsstaat auf Diät setzen!

Steuersenkungen sind das beste Konjunkturbelebungsprogramm, Steuersenkungen führen zu einem höheren Gesamtsteueraufkommen, Steuersenkungen begünstigen Investitionen, Steuersenkungen schaffen Arbeitsplätze.

Und die Gegenfinanzierung, Herr Vizekanzler, muss ausgabenseitig erfolgen: Verwal­tungsabbau, Durchforsten der Förderungen, Pensionsreform, Zusammenlegung der Krankenkassen. – Vielen Dank und alles Gute!

10.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staats­sekretärin Mag. Steßl. – Bitte.

 


10.50.40

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Vizekanzler! Herr Minister! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr darüber, dass ich auch heute bei dieser Debatte an­wesend sein und Ihnen auch meinen Wechsel vom Finanzministerium in das Bun­deskanzleramt erläutern darf. Ich werde insbesondere erklären, welche Aufgaben­gebiete jetzt dazugekommen sind.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 36

Im Bundeskanzleramt bin ich beispielsweise für die Koordination der Steuerreform zuständig, neben anderen Leitprojekten der Bundesregierung, etwa auch für die Ver­waltungsreform – ein „Unwort“, das bei den meisten Menschen Emotionen auslöst –, aber auch für den öffentlichen Dienst, Punkte, die auch mein Vorredner angesprochen hat. Ich werde dann auch noch erläutern, was meine Meinung zum öffentlichen Dienst und zur Verwaltungsreform ist. Und selbstverständlich bin ich auch die verfassungs­gemäße Vertretung des Herrn Bundeskanzlers. Frau Kollegin Mühlwerth! Ich vertrete heute den Bundeskanzler hier im Bundesrat, und ich komme auch immer sehr, sehr gerne zu Ihnen in den Bundesrat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Es wurden heute sehr, sehr viele Themen aufgeworfen, beispielsweise die wirtschafts­politische und die steuerpolitische Lage. Warum spreche ich das so dezidiert an? Weil ich nach wie vor noch der politische Spiegel des Finanzministers innerhalb der Regie­rung bin. Wenn man sich die Wirtschaftskonjunkturdaten anschaut, stellt man fest, dass wir im Frühjahr mit 1,7 Prozent begonnen haben, das Budget haben wir mit 1,4 Prozent erstellt. Die letzte WIFO-Prognose betrug 0,8 Prozent. Und wenn man sich die Herbstprognose der Europäischen Kommission ansieht, wird diese noch einmal revidiert auf 0,6 Prozent. Also wir sehen, die Wirtschaftslage verschlechtert sich.

Eines unserer Hauptprojekte muss es jetzt sein, auf der einen Seite die Konjunktur zu beleben und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass der Konsum gestärkt wird. 2009, mitten in der Wirtschaftskrise, haben wir das bei der letzten Steuerreform getan. Der Konsum ist nicht eingebrochen, und dadurch ist Österreich neben vielen Inves­titionsmaßnahmen gut durch die Krise gekommen. Aber wenn man es in einer Volkswirtschaft vom ökonomischen Gedanken her angeht, dann ist es in der öko­nomischen Theorie ja meistens so, dass der vollkommene Markt eigentlich alles selbst regeln sollte. Er sollte die Verteilung und alle anderen marktwirtschaftlichen Aspekte regeln.

Wenn man sich jetzt aber umschaut, gibt es den vollkommenen Markt eigentlich nicht. Das hat man bei der Finanz- und Wirtschaftskrise gesehen, wo der Finanzmarkt sich nicht selbst regulieren konnte, sondern wiederum die Staaten einspringen mussten und so nach der Finanzkrise in vielen Staaten auch eine Budgetkrise entstanden ist. Je geringer das Wachstum ist, desto größer wird die Diskussion um die Verteilung: die Verteilung zwischen Jung und Alt, die Verteilung zwischen Nord und Süd, die Verteilung zwischen Arm und Reich. Und vor diesem Verteilungskonflikt – Verteilungs­konflikt möchte ich es noch nicht nennen, aber –, vor dieser Verteilungsfrage stehen wir. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir darauf achten, auch in der europä­ischen Politik, dass wir unsere Wirtschafts- und Budgetpolitik in Europa koordinieren.

Im Vertrag steht zwar, dass die europäischen Länder ihre Wirtschafts- und Budget­politik koordinieren sollen. Faktisch, wenn man sich das in letzter Zeit ansieht, ist es eher so, dass die Europäische Kommission vor allem darüber wacht, ob verschiedene Budgetziele eingehalten wurden. Es ist derzeit anscheinend nicht möglich, dass man sich anschaut – und da spreche ich jetzt nicht von der Golden Rule –: Welche europäischen Länder haben einen budgetären Spielraum für Investitionen? Welche Länder müssen konsolidieren? Welche Länder haben einen Budgetpfad, den ja auch alle anderen europäischen Länder einhalten müssen? Welche europäischen Länder haben auch aufgrund ihrer guten budgetären Lage Spielraum für Investitionen? Das sind Fragen, die wir uns auch in Europa stellen müssen.

Wir haben bei der Regierungsklausur in Schladming – der Herr Vizekanzler hat es ange­sprochen – wichtige Investitionen für Österreich beschlossen, wie etwa die flächendeckende Breitbandversorgung, eine der wichtigsten Investitionen überhaupt. Warum spreche ich das so dezidiert an? Weil ich im Bundeskanzleramt auch für das E-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 37

Government, die IKT zuständig bin und das alles auch miteinander zusammenhängt. Wir sind nämlich auch in Österreich sehr, sehr fortschrittlich, was das Thema E-Government betrifft. 70 Prozent der Menschen in Österreich nutzen bereits unsere E-Government-Services. Über 400 000 Menschen haben bereits eine Handy-Signatur angemeldet, und ich kann Sie hier in diesem Rahmen nur bitten, meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte, dass auch Sie die Handy-Signatur einerseits nutzen und zweitens auch in die Bevölkerung hinaustragen, weil mit der Handy-Signatur bereits sehr, sehr viele E-Government-Anwendungen möglich sind und natürlich auch der Staat bürgernäher wird, weil die Bürgerin oder der Bürger nicht mehr in einer gewissen Zeit in ein Amt gehen muss, sondern bereits sehr, sehr viele Anwendungen von zu Hause aus oder von wo auch immer tätigen kann. Das ist ein wichtiger Fort­schritt.

Wir haben in Schladming auch ein Paket „Bürgernaher Staat“ beschlossen. Das sind einerseits Verwaltungsreformmaßnahmen, sogenannte Quick Wins, die wir, ohne viele Gesetze erlassen zu müssen, umsetzen können. Das sind bereits die ersten Vor­schläge der Aufgaben- und Deregulierungskommission, wo auch ein wichtiges Paket des E-Governments enthalten ist, wo aber auch andere bürgernahe Maßnahmen enthalten sind, wie etwa der sogenannte automatische Steuerausgleich, der auch Realität werden soll – eine sehr große Weiterentwicklung im E-Government-System.

Bevor ich auf den öffentlichen Dienst zu sprechen komme, möchte ich noch auf etwas eingehen, was mir insbesondere beim letzten Redebeitrag aufgefallen ist: Ich kann in einem Staat nicht so handeln wie in der Privatwirtschaft. Wir leben in einer Volks­wirtschaft. Volkswirtschaften haben andere Parameter, als wir sie in der Privatwirt­schaft kennen. Wir stehen zu unserem sozialen Wohlfahrtsstaat, und wir stehen dazu, dass wir natürlich verschiedenste Maßnahmen dafür setzen müssen, dass die Kon­junk­tur angekurbelt wird, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, und vor allem, dass auch die Menschen in diesem Land eine Perspektive haben. Denn ich möchte nicht in einem Land leben, wo junge Menschen – wie es etwa in anderen Volkswirtschaften in Europa der Fall ist – keine Perspektive haben.

Wenn man beispielsweise in England in einer großen Kette auf einen Kaffee geht, wo einem ein Akademiker den Kaffee reicht, und wenn man diesen dann fragt: Wie geht’s?, und: Wo kommen Sie her?, kann es sein, dass man feststellt, dass der aus Griechenland nach Großbritannien ausgewandert ist und dort leider aufgrund verschie­denster Unvorhersehbarkeiten auch keine Perspektive hat. Ich glaube, dass es wichtig ist, gerade im jetzigen System und in der jetzigen Zeit der Krise den Menschen und auch den Unternehmen und der Wirtschaft die Zuversicht zu geben, dass sich unsere Volkswirtschaft gut entwickeln kann. Und dass wir vor allem den Jungen wie den Alten Perspektiven geben, das ist das Wichtigste in Zeiten der Krise.

Ich bin davon überzeugt, dass diese Bundesregierung mit Konjunkturbelebungs­maß­nahmen die richtigen Schritte setzt, aber auch mit einer sozialen Handschrift und vor allem der Bereitschaft, sich den Herausforderungen zu stellen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

Zum Schluss noch zum öffentlichen Dienst, da das ja auch immer wieder in Diskussion steht. Ich habe den öffentlichen Dienst übernommen, und ich sage auch in diesem Rahmen dezidiert, ganz klar: Ich bin gegen ein Bashing, das sich gegen den öffentlichen Dienst und gegen die Kolleginnen und Kollegen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, richtet. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und FPÖ.)

Natürlich muss man das jetzt mit empirischen Daten untermauern, was meine Argu­mentation ist. Ich habe mir eine OECD-Studie angeschaut, die zeigt, wie die verschie­denen europäischen Länder hinsichtlich ihres BIPs und ihrer Beschäftigungszahlen


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 38

aufgestellt sind und wie viel Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst bezie­hungsweise in der öffentlichen Verwaltung arbeiten. Da ist Österreich keinesfalls ein Spitzenreiter im Sinne einer großen Anzahl an Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sondern wir sind sehr gut aufgestellt.

In meinem Verantwortungsbereich liegen wir bei zirka 130 000 bis 131 000 Personen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, und wir haben in den letzten Jahren schon sehr viele Reformmaßnahmen gesetzt. Auch den Personalplan haben wir konsolidiert und sehr strikt umgesetzt, wobei wir natürlich verschiedenste Berufsgruppen wie etwa PolizistInnen, StaatsanwältInnen, RichterInnen, aber auch LehrerInnen, MitarbeiterIn­nen der Finanzpolizei und andere vom Aufnahmestopp ausgenommen haben.

Wir beginnen jetzt mit 2015 auch, jede zweite Stelle, die nach einer Pensionierung frei wird, nachzubesetzen. Das heißt, wir lockern den Aufnahmestopp ein wenig auf, um 2016 dann auch wichtige Maßnahmen zu setzen, wie etwa, der operativen Finanz­verwaltung über 500 Planstellen zu geben, damit wir auch die Abgabensicherung gut aufstellen können.

Unter anderem – das möchte ich noch zum Schluss sagen – ist ein wichtiges Thema im öffentlichen Dienst auch das Mobilitätsmanagement. Wenn man das jetzt so plakativ anspricht, kann man sich sehr wenig darunter vorstellen, aber zum besseren Verständnis: Als wir mit dem Mobilitätsmanagement begonnen haben, war die Dis­kussion: Schaffen wir es überhaupt, 1 000 Menschen innerhalb der öffentlichen Ver­wal­tung zu bewegen? Vor Kurzem durfte ich folgende Zahl vorlegen: Bereits über 1 100 Menschen sind im Rahmen der öffentlichen Verwaltung gewechselt, sei es von der Post zur Polizei, sei es aber auch beispielsweise vom BMLVS in das BMF. Ich denke, eine gut aufgestellte, moderne Verwaltung muss auch den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst eine Perspektive geben, damit sie sich weiterent­wickeln können, damit sie auch andere Karrierewege gehen können, damit sie auch andere Perspektiven haben. Ich glaube, dass gerade das Mobilitätsmanagement ein wichtiger Weg dazu ist.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Wir werden uns sicher des Öfteren hier im Bundesrat sehen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesräten von FPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

11.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Durch einen Hinweis meiner Kollegin Stöckl habe ich bemerkt, dass die Schülerinnen und Schüler der niederösterreichischen Mittelschule Oberwaltersdorf mit ihren Begleitern zu uns gekommen sind. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen? Bitte, Herr Bundesrat Herbert.

 


11.03.19

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich will diese Debatte nicht unnötig in die Länge ziehen (Rufe bei der SPÖ: Ist das jetzt pro oder contra?), aber ich möchte noch kurz auf die Ausführungen der Frau Staatssekretärin bezüglicher öffentlicher Dienst replizieren, weil ich mich als Bereichssprecher für öffentlichen Dienst meiner Fraktion auch ein bisschen angesprochen fühle.

Zum einen möchte ich mich für Ihr Bekenntnis zum öffentlichen Dienst bedanken, nämlich dass Sie hier eine Lanze für den öffentlichen Dienst gebrochen haben. (Rufe bei der SPÖ: Ah, pro!) Das war in der Vergangenheit bei den Regierungsparteien nicht immer so. Sie haben auch die Problematik der Kürzung von Planstellen, der Einspa-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 39

rungen beim Personal angesprochen, was dem öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren große Herausforderungen beschert hat, einen immensen Mehraufwand bereitet hat, was aber – nicht nur aus der Sicht der im öffentlichen Dienst Beschäftigten – große Nachteile gebracht hat, etwa bei der Servicierung der Bevölkerung, der Bürger. Mit diesen Einsparungen war eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den Ämtern und den Dienstleistungen verbunden, die dann wiederum jene Bediensteten auszubaden hatten, deren Möglichkeiten im Vorfeld durch die Bundesregierung beschränkt worden waren.

So gesehen freut es mich, dass seitens der Bundesregierung offensichtlich ein neuer Weg eingeschlagen wird, und auch, dass die Planstelleneinsparungen – Kürzung jeder zweiten Planstelle ab 2016 – wieder rückgängig gemacht werden, wie Sie gesagt haben. Der öffentliche Dienst wird sich freuen, auch unter dem Aspekt, dass wir – das wissen Sie genauso gut wie ich – ja vor der Herausforderung stehen, dass im öffent­lichen Dienst jetzt bald die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kommen, mit dem Nachteil, dass sehr viele in Pension gehen werden.

Daher ist gerade dieses Bekenntnis, dass wir hier dem öffentlichen Dienst den Rücken stärken, ein besonders wichtiges.

Noch ein Wort zu dem von Ihnen angesprochenen Mobilitätsmanagement: Das ist eine Frage der Perspektive. Die Möglichkeit der beruflichen Weiterentwicklung ist natürlich eine Sichtweise, die ich nicht infrage stellen möchte. Das ist eine gute Möglichkeit für diejenigen, die das auch persönlich anstreben. Die Problematik bei diesem Mobilitäts­management, so wie es die Bundesregierung in der Vergangenheit gelebt hat, ist aller­dings, dass Bedienstete gegen ihren Willen zu anderen Dienstleistungen hingedrängt wurden. (Staatssekretärin Steßl: Das ist ja nicht möglich, Herr Kollege, gegen ihren Willen, bitte!)

Und dann hat sich wiederum die Problematik ergeben, dass sie ihren Dienst höchst unzufrieden absolvieren mussten. Ich denke da an die Post- und Telekom-Mitarbeiter, die bei der Polizei gelandet sind. Ich habe von keinem dieser ehemaligen Post- und Telekom-Mitarbeiter ein gutes Wort darüber gehört, wie ihre ehemalige Behörde mit ihnen umgegangen und verfahren ist und wie sie schlussendlich bei der Polizei gelandet sind.

Mag sein, dass da viele Versprechungen gemacht wurden, die am Schluss nicht gehalten werden konnten. Ich ersuche daher darum, dass man vielleicht, wenn man schon einen neuen Weg in diese Richtung einschlägt, auch in dieser Frage einen neuen Weg beschreitet. Mobilitätsmanagement ja; wenn es freiwillig geschieht – jeden­falls; das wird auch von mir unterstützt, aber nicht wie in der Vergangenheit, wo viel versprochen und wenig gehalten wurde. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Mir liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Damit ist die Debatte geschlossen.

11.07.09Fragestunde

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen somit zur Fragestunde.

Ich darf den Herrn Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter sehr herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 40

Bevor ich nun – um 11.07 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit der Präsidentin und der Vize­präsidentin, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Justiz

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1850/M-BR/2014, an den Herrn Bundesminister für Justiz.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Junker, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben Schwerpunkte gesetzt. Ein Schwerpunkt ist das Erbrecht.

Meine Frage:

1850/M-BR/2014

„Sie haben angekündigt, dass nächstes Jahr das Erbrecht reformiert werden soll. – Welche Reformen planen Sie im Bereich des Erbrechts?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Bundes­rätin, wir haben gerade einen Entwurf für eine Novelle zum Erbrecht in Ausarbeitung. Das ist in Wirklichkeit eine Novelle zum ABGB, das ja, wie Sie alle wissen, schon ein sehr hohes Alter aufweist – über 200 Jahre. Und der Bereich des Erbrechts ist der erste Teil des ABGB, den wir reformieren wollen.

Ich möchte nur einmal kurz und in Stichworten auf die wesentlichen Inhalte dieser Novellierung, so, wie sie jetzt geplant ist, eingehen.

Wir planen einerseits eine Möglichkeit, die Auszahlung des Pflichtteils an die Pflicht­teilsberechtigten zu stunden, damit wir vor allem in jenen Fällen, in denen jemand zwar erbt, aber die Verpflichtung hat, Pflichtteilsberechtigte auszuzahlen, leichter die Möglichkeit hat, das Erbe anzutreten. Konkret betrifft das auch relativ viele Klein- und Familienbetriebe, bei denen in den nächsten Jahren ansteht, dass sie an die nächste Generation übergeben werden sollen. Die Stundung des Pflichtteils als Erleichterung, insbesondere bei Unternehmensübergängen, ist also einer der Hauptpunkte. In dem Zusammenhang wird auch das Anrechnungsrecht neu geregelt.

Es ist gerade in diesem Bereich, muss man schon sagen, überhaupt notwendig, sehr viel an der Diktion zu ändern und zu modernisieren. Man kann sich vorstellen, die Sprache war vor mehr als 200 Jahren etwas anders als heute. Daher wird es auch einiges an Änderungen in den Formulierungen im Sinn von Straffung oder Klarstellung geben. Es wird, wie es derzeit aussieht, auch der Pflichtteil der Großeltern überhaupt entfallen, und es wird eine Neuheit aufgenommen werden, nämlich die Notwendigkeit, dass jemandem, der für den späteren Erblasser Pflegeleistungen erbracht hat, die Ansprüche aufgrund der Pflegeleistungen im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens abgegolten werden.

Es wird kein formelles Erbrecht sein, das der Betreffende dann hat, aber es wird im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens klargestellt werden, dass eben diejenigen, die den Erblasser gepflegt haben, auch den Anspruch haben, dafür eine angemessene Vergütung zu bekommen.


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Das ist der wesentliche Inhalt von den Schwerpunkten her betrachtet. Ich bin natürlich gerne bereit, auch auf weitere Details einzugehen. Ich habe natürlich heute auch – und darüber freue ich mich – die maßgeblichen Exponenten meines hervorragenden Teams im Bundesministerium für Justiz hier, den Sektionschef Dr. Kathrein, der im Bereich des Erbrechts federführend tätig ist. Aber das waren, wie gesagt, die wesent­lichen Punkte, die ich Ihnen gegenüber vorweg einmal deklarieren wollte.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Bock.

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, dass Sie auch ein zusätzliches Erbrecht für jene Personen einführen wollen, die den Erblasser gepflegt haben. Auf den ersten Blick ist es eine sehr gute Idee, aber wie wollen Sie der mit dieser Neuerung verbundenen enormen Zunahme von Beweisschwierigkeiten und damit einhergehend von Erbstreitigkeiten begegnen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Für diese Zusatzfrage bin ich sehr dankbar, weil Sie mir Gelegenheit gibt, noch einmal darauf hinzuweisen, dass, wie ich schon vorhin gesagt habe, es nicht ein formelles Erbrecht sein wird, sondern es wird ein Anspruch darauf sein – im Gesetz verbrieft und verankert –, dass jemand, der Pflegeleistungen erbracht hat, dafür auch eine angemessene Vergütung bekommen soll. In welcher Höhe das dann angemessen ist, darüber zu entscheiden ist Sache des Gerichts. Aber ich bin wirklich felsenfest überzeugt davon, dass gerade die Notwendig­keit, sich mit dieser Frage im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens auseinander­zusetzen, den einen oder anderen Erbschaftsstreit sogar vermeiden kann, denn dann ist ganz klar: Das Gericht muss sich überlegen, ob es da wirklich jemanden gab, der Pflegeleistungen erbracht hat.

Das Gericht hat auch die Möglichkeit, im Rahmen der üblichen Beweiserhebung festzustellen, was hier wirklich gerechtfertigt ist und was nicht. Ich bin felsenfest überzeugt davon, dass wir gerade mit dieser Regelung Erbstreitigkeiten, die – da haben Sie schon recht – leider in vielen Fällen vorprogrammiert sind, sogar vorbeugen können. Deshalb wollen wir diese Regelung ja drinnen haben. Also ich sehe das wirklich optimistisch.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Sie haben in der Vergangenheit mehrmals betont, dass in den nächsten zehn Jahren etwa 58 000 Betriebsübergaben durchgeführt werden. Daher bedarf es auch einer Änderung im Erbrecht hinsichtlich der Bezahlung der Pflichtteile. Bei Betriebs­übergaben kommt es aber immer wieder auch zu Übergaben von Liegenschaften. In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister: Inwieweit wird mit der Erbrechtsreform auch eine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes einhergehen, das einer drin­gen­den Reparatur gerade im Bereich des nicht im Grundbuch verzeichneten Zubehörs bedarf?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das sind natürlich völlig getrennte Problembereiche. Die notwendige Novellierung des Wohnungseigentums­gesetzes hat an sich mit dem Erbrecht gar nichts zu tun. Aber ich gebe Ihnen Recht, das ist notwendig und, soviel ich weiß, gibt es jetzt noch Schlussverhandlungen darüber, wie diese Novelle dann tatsächlich auf den Weg Richtung Nationalrat gebracht werden kann. Ich bin auch optimistisch, aber es ist völlig richtig, wir haben da


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eigentlich ein großes Problem für die Praxis. Wie gesagt, es kann natürlich sein, dass im Zuge von erbrechtlichen Verfahren oder von Verlassenschaftsverfahren so ein Problem auch aufpoppt, aber das ist dann kein Spezifikum des Erbrechts, sondern das kann überall auftreten.

Wenn jemand eine Eigentumswohnung besitzt, eine kaufen oder verkaufen will und plötzlich feststellt, dass das Zubehör, das eigentlich zu so einer Wohnung gehört – der Parkplatz, der Gartenanteil, der Abstellraum, was auch immer –, nicht im Grundbuch festgeschrieben ist, dann sollte das, laut der höchstgerichtlichen Judikatur, nicht sein.

Um eben das nicht notwendig zu machen, braucht es eine Novelle. Wir haben einen entsprechenden Entwurf ja schon vor längerer Zeit fertiggestellt. Er liegt auch den Koalitionsparteien vor, wie Sie wissen, und jetzt wird es hoffentlich sehr bald auch dazu kommen, dass dieser Entwurf freigegeben wird und wir ihn möglichst rasch auch umsetzen können. Dieses wichtige Problem muss vor allem aus Sicht der Praxis gelöst werden. Es ist relativ einfach zu lösen. Wir haben, wie gesagt, schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, wie man es machen müsste, damit das Problem vom Tisch ist.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Die wurde bereits beantwortet, bezog sich auf pflegende Angehörige. – Danke.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Damit gelangen wir zur 2. Anfrage, 1847/M-BR/2014, und ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Füller, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage:

1847/M-BR/2014

„Es kam zu einer öffentlich emotional geführten Diskussion über das Instrumentarium der Fußfessel, ausgelöst durch den Opernbesuch in Graz und der Abhaltung einer Geburtstagsfeier in einem Wiener Nobelhotel durch Hannes Kartnig, wie beurteilen Sie diese Vorgänge?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Bundes­rat, Sie können sich natürlich vorstellen, dass ich mit diesen Vorgängen aus mehreren Gründen alles andere als eine Freude habe.

Zum einen muss man schon klar festhalten, dass die Fußfessel, wenn sie vernünftig zur Anwendung gelangt, ein wichtiges Instrumentarium in ganz bestimmten Bereichen des Strafvollzugs ist. Das muss man klar sagen. Und sie hat sich dort, wo sie vernünftig zur Anwendung gelangte, auch durchaus bewährt.

Warum haben mich diese Vorkommnisse so beschäftigt? – Aus einem ganz einfachen Grund. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, hier ganz klar sagen zu dürfen, dass solche Vorkommnisse und vor allem auch ihre mediale Wahrnehmung und Wieder­gabe der Grundidee natürlich Schaden zufügen. Ich habe das natürlich schon genau verfolgt. Man sieht das am verlässlichsten, wenn man sich die Leserbriefe in den führenden österreichischen Tageszeitungen ansieht. Ich verlasse mich da immer lieber auf die führenden Tageszeitungen, weil dort Leserbriefe namentlich gezeichnet und daher, glaube ich, verlässlicher als vielleicht anderswo sind, wo das nicht so ist, wie man hört. 


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Aber da wird schon ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass man eben der Meinung wäre, so eine Fußfessel, das sei ja eigentlich gar keine Strafe, das wäre völlig unnötig und man möge doch gefälligst – so steht es hier in dieser Zuschrift an die „Kronen Zeitung“ – einfach mehr Gefängnisse bauen und es gebe ohnehin so viele Arbeitslose. Da wird natürlich furchtbar vereinfacht und letztlich ein Meinungsklima erzeugt, das uns allen schadet. Wir brauchen einen vernünftigen, humanen Strafvollzug. Das ist ein Gebot der Vernunft, und die Fußfessel ist Teil davon.

Wenn ich das vielleicht noch sagen darf – dieses Argument kommt vielleicht bei späterer Gelegenheit auch noch –, man darf nicht vergessen: Wir haben, was den Strafvollzug betrifft, internationale Verpflichtungen, die wir erfüllen müssen. Wir müssen daher aufgrund internationaler Verpflichtungen einen lückenlos EMRK-konfor­men Strafvollzug in allen unseren Institutionen garantieren. Das ist auch gut so, dazu haben wir uns verpflichtet, und das müssen wir tun.

Wir haben – das können Sie auch dem Sicherheitsbericht entnehmen, der dann, glaube ich, ohnehin noch Thema sein wird – einfach wieder einen Höchststand an Häftlingen, nämlich nahezu genau jenen Höchststand von 2007: 2007 hatten wir 8 957 Häftlinge insgesamt, jetzt haben wir 8 950. Und 2007 hat dieser Höchststand letztlich dazu geführt, dass im Rahmen des Haftentlassungspakets die Fußfessel ja eingeführt wurde. Dann hat sich die Häftlingszahl etwas reduziert. Jetzt sind wir wieder dort, wo wir schon einmal waren, wo wir natürlich wieder Handlungsbedarf haben.

Daher kann ich nur Folgendes sagen: Ich weiß und bitte auch um Verständnis dafür, dass wir im Bereich des Strafvollzugs wirklich große Probleme zu lösen haben. Das wird nicht einfach sein, und es wird lange dauern, bis wir hier alles Notwendige umgesetzt haben. Aber ich kann nur sagen, dass die Fußfessel als eine mögliche Form des Strafvollzugs in bestimmten Bereichen durchaus ein wichtiger Teil des Konzepts des Strafvollzugs ist. Nur sollte sie eben vernünftig angewendet werden. Was den Einzelfall betrifft, werden Sie verstehen, dass ich mich natürlich in Einzel­fallentscheidungen nicht einmischen kann, will und darf. Es ist Sache der Vollzugs­behörden, die auch dafür zuständig sind, jetzt zu klären, wie es zu diesen Vorkomm­nissen kommen konnte. Ich möchte das auch nicht bewerten.

Ich kann nur eine Bitte an Sie alle richten: Wir sollten uns die Fußfessel, als grundsätzliche Möglichkeit des Strafvollzugs, von solchen Vorkommnissen nicht schlechtmachen lassen. Und ich hoffe, sie wiederholen sich nicht. (Allgemeiner Beifall.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Kollege Füller.

 


Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Welche Anordnungen beziehungs­weise Weisungen werden Sie in diesem Zusammenhang Ihren Behörden geben, damit solche für die Bevölkerung zu Recht unverständlichen Ausflüge in Zukunft ausge­schlossen werden können?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Die Strafvollzugsdirektion, als zuständige Behörde, hat veranlasst, dass derartige Entscheidungen ihr und damit der Behördenleitung in Zukunft vorzulegen sind. Es war von meiner Seite keinerlei Notwendigkeit gegeben, hier irgendwelche Vorgaben zu machen oder gar mit Weisun­gen einzugreifen. Das ist auch nicht erfolgt. Da hat die Behörde von sich aus – wie ich glaube – sehr richtig reagiert, und ich bin davon überzeugt, dass man diese Dinge jetzt etwas vorsichtiger handhaben und hier letztlich auch in gesetzeskonformer Weise vorgehen wird. Das war meines Erachtens im Normalfall auch immer schon so. Ich habe volles Vertrauen in die Vollzugsdirektion und in die zuständigen Vollzugsbe-


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hörden, dass man in Zukunft sicherstellt, dass es bei der sinnvollen und vernünftigen Anwendung der Fußfessel bleibt.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Seit dem Jahr 2010 gibt es die Fußfessel als Alternative im Strafvollzug. Sie haben schon gesagt, dass sie sich bewährt hat, aber ich möchte trotzdem noch einmal nachfragen – unabhängig von diesem gegenständlichen Fall, der genannt worden ist –, ob sich diese Fußfessel in der Gesamtheit bewährt hat?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Aufgrund aller Evaluierungen oder auch Statistiken, die uns zur Verfügung stehen, muss man sagen, dass sich die Fußfessel grundsätzlich bewährt hat. Deshalb habe ich gesagt, dass das ein not­wendiges und sinnvolles Instrumentarium des Strafvollzugs ist. Das muss halt auch sinnvoll eingesetzt werden.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, die Angelegenheit wird natürlich aufgrund der Prominenz des Herrn Kartnig sehr hochgespielt. Es wird gesagt, er habe das missbraucht. Für mich stellt sich natürlich schon die Frage – das ist noch nicht die Frage an Sie –, welche Mitverantwortung der Anstaltsleiter gehabt hat, weil wenn man sich die Gesetzestexte anschaut, speziell § 99, dann ist es mir eigentlich unverständlich, wie jemand zu einer Abendveranstaltung überhaupt Ausgang bekommen kann. Es sei denn, er belügt die Anstaltsleitung über seine Motive und sagt, es sei jemand gestorben.

Jetzt ist es so, dass man heutzutage mit jedem Smartphone GPS-Empfang hat und Bewegungsprofile erstellen kann. Die Fußfessel hat das nicht. Die ist – zumindest nach meinen Informationen – eigentlich an die Basisstation, die am Wohnort ist, gebunden. Die Frage: Ist angedacht, das technologisch zu modernisieren, sodass das Bewe­gungs­profil des Häftlings erstellt werden kann? Dabei glaube ich, dass es gar nicht so sehr um die Überwachung geht, sondern vielmehr um das Wissen des Häftlings, dass eigentlich jederzeit nachvollziehbar ist, wo er wann war. Meine Frage ist, ob hier eine Modernisierung angedacht ist.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Falls der Herr Minister jetzt die Frage heraus­destilliert hat, bitte ich um die Antwort.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Nein, nein, das ist schon eine sehr interessante Frage, die hier gestellt wurde. Wie gesagt: Einerseits – was jetzt den Einzelfall betrifft – kann und will ich nicht beurteilen, was da konkret die Grundlage der Bewilligung der Fußfessel war und welchen Auflagenbedingungen diese im Einzel­fall unterlag. Es ist Gegenstand eines anhängigen Verfahrens, in das ich mich sicher nicht einmischen werde und es daher auch nicht beurteilen möchte. Aber das läuft und wird geklärt. Da sind die zuständigen Behörden ja ohnehin am Arbeiten.

Was die Zukunft der Fußfessel betrifft – und so habe ich Ihre Frage verstanden (Bun­desrat Krusche: Ja!) –, muss man wirklich sagen, dass nach meiner persönlichen Überzeugung solche elektronischen Überwachungseinrichtungen eine sehr große Zukunft haben. Wenn Sie mich fragen, wird in ferner Zukunft letztlich diese Art der Überwachung in vielen Bereichen des Strafvollzugs absolut prioritär sein. Es ist auch so, dass es mittlerweile auch schon eine Weiterentwicklung der Fußfessel gibt. Die Fußfessel mit Basisstation, die Sie angesprochen haben, gibt es noch. Sie war die


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erste Variante. Mittlerweile haben wir schon die GPS-Fußfesseln – die haben wir sehr wohl –, und die werden in Zukunft sicherlich eine viel größere Rolle spielen.

Das wird natürlich von vielen, die diese Fußfessel tragen müssen, zu Recht auch als Freiheitseinschränkung empfunden. Das soll ja auch so sein, es ist eine Freiheits­einschränkung. Es sind gar nicht so wenige, die als Fußfesselträger irgendwann einmal sagen, dass sie das nicht mehr wollen und es ihnen lieber ist, dass sie zurück in die Haft­anstalt gehen, weil das für sie angenehmer sei, als ständig diesen Einschränkun­gen unterworfen zu sein. Ja, auch solche Fälle gibt es.

Tatsache ist – da haben Sie durchaus recht mit Ihrer Fragestellung –, dass die Anwen­dung elektronischer Überwachungssysteme in Zukunft sicherlich deutlich zunehmen wird. Das ist überhaupt keine Frage. Ich habe mir das am Nationalfeiertag am Helden­platz vorführen lassen, wie das jetzt funktioniert und wie das läuft. Wir sind technisch so weit, dass man mit dieser GPS-Fußfessel genau überwachen kann, wo sich jemand befindet. Das geht ja noch viel weiter. Das ist jetzt alles Zukunftsmusik, aber auf europäischer Ebene gibt es natürlich schon Projekte, die in die Richtung gehen, dass man auch für Präventionszwecke solche elektronischen Überwachungssysteme ein­setzen sollte.

Das hat jetzt mit Strafvollzug gar nichts zu tun: Würde jemand eine Wegweisung bekommen und müsste sichergestellt werden, dass er einen bestimmten Bereich nicht aufsucht, dann wäre natürlich für die Zukunft – wie gesagt, ich bewege mich jetzt weit weg vom Strafvollzug – durchaus auch so eine Einrichtung zu überlegen. Auf euro­päischer Ebene gibt es eine Reihe von Projekten in diese Richtung, die ich mir alle mit großer Begeisterung anschaue, weil ich auch überzeugt davon bin, dass man da auch am Ball bleiben und wirklich immer auf dem letzten Stand der Entwicklung sein muss. Das versuchen wir auch. Deshalb wäre es ja auch so schlimm, wenn die Institution der Fußfessel – oder sagen wir lieber: des elektronisch überwachten Bewegungsablaufs – gesamtgesellschaftlich weniger Akzeptanz hätte, als das ursprünglich der Fall war.

Daher auch meine Bitte, dass man wirklich um Verständnis dafür wirbt, dass in dieser elektronischen Überwachungsmethode sicherlich die Zukunft vieler Bereiche, auch des Strafvollzugs, liegt. Es ist einfach so. Es ist eine sehr effiziente und letztlich natürlich auch sehr kostengünstige Methode, die notwendige Freiheitsbeschränkung in be­stimm­ten Bereichen, wo sie Sinn macht, sicherzustellen. Jetzt wiederhole ich mich wie­der: Dort, wo die Fußfessel, die elektronische Überwachung, sinnvoll eingesetzt wird, hat sie sich hundertprozentig bewährt und dort werden wir sie weiter brauchen –absolut.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Minister, irgendwie teile ich Ihre Begeisterung, aber es gruselt mich auch bei dem Gedanken, dass sehr viele Menschen mit einem Chip jederzeit ortbar sein könnten. Das sind Gedanken, die bei mir dazu aufkommen. Ich denke, dass man da auch sehr vorsichtig in Richtung Miss­brauch sein muss.

Aber noch eine Frage zu diesem Bereich: Soll es einen Erlass geben, der dann wirklich konkretisiert, welche Aktivitäten mit Fußfesseln noch erlaubt sind oder nicht?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Es gibt Erlässe zu dem Themenbereich, deren Vollziehung durch die zuständigen Justizvollzugsbehörden an sich problemlos funktioniert.


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Was Ihre Befürchtung betrifft, möchte ich noch einmal klarstellen: Es ist eine Einrich­tung, eine Möglichkeit, eine Methode des Strafvollzugs. Was heißt das?! – Das heißt, ich brauche vorher eine rechtskräftige Verurteilung, eine gerichtliche Anordnung des Strafvollzugs und dann, im Rahmen der dafür vorgesehenen gesetzlichen Möglich­keiten, eben die Anwendbarkeit dieser elektronischen Absicherung. Die Befürchtung, es könnte  (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.) – Ich habe aber ausdrücklich dazu gesagt, dass das mit Strafvollzug nichts mehr zu tun hat und dann zu einem guten Teil meinen Kompetenzbereich überschreitet. Ich habe nur auf die Frage, wie die Zukunft aussehe und welche Zukunft diese elektronischen Überwachungssysteme haben würden, geantwortet, dass das – außerhalb des Strafvollzugs und außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs – auf europäischer Ebene eine große Zukunft zu haben scheint und man da natürlich auch dranbleiben muss.

Die Gefahr, dass jetzt – sozusagen – alle mit so einer GPS-Fußfessel herumlaufen, sehe ich schon deshalb nicht, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ganz Österreich plötzlich Straftaten begeht – sicherlich nicht! Ich bin nur zuständig für den Strafvollzug. Wir haben letztlich eine durchaus überschaubare Zahl von Personen mit dieser elektronischen Überwachung in bestimmten Bereichen des Strafvollzugs ausgestattet. Dort, wo wir es bisher gemacht haben, hat es sich bei vernünftiger Anwendung im Wesentlichen immer bewährt. Daher werden wir es auch weiterhin brauchen. So gesehen sehe ich die Gefahren, die Sie jetzt angesprochen haben – jedenfalls in meinem Zuständigkeitsbereich – in keiner Weise. Da kann ich beruhigen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen damit zur 3. Anfrage, 1853/M-BR/2014, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Herbert, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Die Personalsituation in den Justizanstalten ist, wie Sie auch selbst schon erkannt haben, höchst problematisch. Es gibt zu wenig Personal, und nun gibt es einen neuen Vorschlag, wie man mit schnell ausgebildeten Nicht-Justizwachebeamten die Überwachung in den Werkstätten sicherstellen möchte.

Daher meine Frage:

1853/M-BR/2014

„Wie werden Sie gewährleisten, dass die Sicherheit für die Öffentlichkeit, Mitarbeiter und Häftlinge trotz des ab nächstem Jahr vorgesehenen Einsatzes von nicht als Justizwachebeamte ausgebildeten, vom AMS rekrutierten Mitarbeitern zur Bewachung der Werkstätten erhalten bleibt?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das ist jetzt das erste Mal, dass ich eine Fragestellung als solche einfach korrigieren muss, weil die Prämisse nicht stimmt. Es ist nicht so, dass wir über das AMS Mitarbeiter zur Bewachung von Insassen von Haftanstalten rekrutiert hätten – das stimmt nicht –, sondern der Aus­gangspunkt war ein ganz anderer.

Der unbestrittene Ausgangspunkt war, dass wir tatsächlich in mehreren Haftanstalten Personalnöte haben. Wir haben immer noch zu wenig Personal, aber immerhin 100 neue Planstellen für öffentlich-rechtlich bedienstete Justizwachebeamte bekom­men, was in budgetär schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt haben, nicht einfach ist.

Ich möchte bei der Gelegenheit auch sagen, dass von diesen 100 neuen Planstellen 30 aus dem Mobilitätsprogramm des Bundes kommen werden, und ich möchte bestä-


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tigen, was Kollegin Steßl vorhin gesagt hat: Wir haben schon einige Personen vorgeschlagen bekommen, die sich sehr gut eignen werden. In unserem Bereich wird das – das kann ich jetzt schon sagen – gut funktionieren. Wir werden Mitarbeiter des Verteidigungsressorts übernehmen.

Warum dauert die Besetzung der Planstellen so lange? Damit man versteht, wo das Problem lag und warum wir es so gelöst haben, wie es jetzt gelöst wurde, muss ich ein bisschen weiter ausholen.

Justizwachebedienstete haben durchaus eine spezielle Aufgabe. Es geht dabei nicht nur um die Sicherheitsverwahrung von Personen, sondern Justizwachebedienstete müs­sen sich im Sinne des Strafvollzugsgesetzes natürlich auch mit den Insassen beschäftigen, sie müssen sie betreuen. Letztlich – und das ist, glaube ich, nicht überzogen – ist das auch eine pädagogische und daher durchaus anspruchsvolle Aufgabe, die eine entsprechende Ausbildung braucht.

Von diesen 100 neuen Planstellen sind jetzt einige mit jungen Aspiranten zu besetzen, mit Personen, die gerade die Ausbildung machen oder abgeschlossen haben, und das ist der Grund dafür, dass die Besetzung dieser Planstellen sukzessive erfolgt. Das geht nicht von heute auf morgen, das heißt, wir können die dringendsten Personalnöte nicht so rasch durch diese neuen Planstellen abbauen, wie das vielleicht wünschenswert wäre.

Es entstehen echte Lücken, was folgende Konsequenz hat: Neben anderen Ursachen ist das Hauptproblem, dass man, wenn zu wenig Justizwachebedienstete vorhanden sind, in Haftanstalten zur ersten Maßnahme greift, die man umsetzen kann, und die Betriebe schließt. Das ist aus meiner Sicht eine wirkliche Katastrophe. Das Wichtigste im Bereich des Strafvollzuges ist, dass die Insassen eine sinnvolle Beschäftigung haben. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir brauchen Vollbeschäftigung in den Haft­anstalten und müssen alles Nötige tun, um diese zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund habe ich noch Rücksprache mit Anstaltsleitern gehalten, die mir genau das bestätigt und gesagt haben, dass wir die Schließtage in den Werkstätten und unseren Betrieben reduzieren müssten, um wieder Vollbeschäftigung zu haben.

In den betroffenen Haftanstalten sollen zusätzlich Facharbeiter – allerdings nur be­fristet, denn es geht ja nur um den Übergang, bis diese 109 Planstellen zur Gänze besetzt werden konnten – beschäftigt werden. Mit diesen über die Justizbetreuungs­agentur beschäftigten Personen haben wir jetzt die Unterstützung des Überwachungs­personals sichergestellt. Nicht zur Überwachung an sich, sondern zur Aufrecht­erhal­tung der Betriebe und der Werkstätten, wurde dieses Personal aufgenommen. Wo wir das bisher gemacht haben, hat es sich wirklich hervorragend bewährt. Ich habe mir das selbst angesehen. Es ist erfreulich, wenn man dann plötzlich in Krems-Stein feststellt, dass an einem Freitag nichts geschlossen ist, die Betriebe laufen und alle sehr zufrieden sind. Es gibt jedenfalls Anstaltsleiter, die mir bereits gesagt haben, dass es von diesen Facharbeitern, die über das AMS gekommen sind, einige gibt, von denen sie sich vorstellen könnten, dass sie auch auf lange Sicht sehr gute und hervorragende Justizwachebedienstete werden könnten. Wir werden sehen, was daraus noch wird.

Das ist jedenfalls eine Übergangsmaßnahme, die befristet ist und sicher nicht in der Form fortgeführt wird, weil es nicht notwendig ist. Der entscheidende Punkt ist aber, dass diese Personen nicht zur Überwachung der Häftlinge angestellt werden. Ich muss Ihnen jetzt wirklich ein kleines Bild zeichnen, eine kleine Wahrnehmung, die vielleicht zeigt, worin das Problem liegt und warum mir das so wichtig ist.

Ohne Beschäftigung im Rahmen des Strafvollzugs ist das Erreichen der Zwecke desselben praktisch nicht möglich. Die Verwirklichung der Zwecke des Strafvollzugs


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steht und fällt mit der sinnvollen Beschäftigung. Das wird jeder bestätigen, der in diesem Bereich entsprechende Erfahrung hat. Bei einem meiner Besuche, speziell in Krems-Stein, waren wir in der Schlosserei. Es gab drei Justizwachebedienstete mit entsprechender Ausrüstung, entsprechend bewaffnet, und drei Insassen, die dort gearbeitet haben. Das ist ein Verhältnis, das, glaube ich, nicht wirklich notwendig ist. Jetzt gibt es auf jeden Fall Überwachungspersonal vonseiten der Justizwache und zusätzlich eben Facharbeiter, die die Leute letztlich anleiten und ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit behilflich sind. Ich sehe hier nicht das geringste Problem mit der Über­wachung. Wenn es eines gäbe, hätten die Anstaltsleiter dort, wo wir das gemacht haben, sicherlich nicht zugestimmt.

Ich habe mir das danach auch angeschaut und muss ehrlich sagen, ein Über­wachungsproblem gibt es nicht. Die Facharbeiter, die dort tätig sind, haben keine Überwachungsfunktion, sie haben eine Betreuungsfunktion. Sie arbeiten mit den Leuten in den Werkstätten, in den Betrieben, und es ist durchaus eine Freude zu sehen, dass sie auch sehr motiviert sind. Diese Facharbeiter kamen im Wesentlichen über das AMS und zeigen großes Engagement auch deshalb, weil sie jetzt wieder in einem Fachbereich tätig sein können, der ihnen liegt und in dem sie immer schon tätig waren. Und auch die Justizwachebediensteten, die gemeinsam mit ihnen tätig sind, haben mir auch überall, wo ich war, bestätigt, dass es funktioniert.

Wir haben so die Chance, die Schließtage zu verhindern, aber ich sage noch einmal, dass das keine endgültige Lösung ist für die Personalnöte, die es gibt, sondern eine Übergangslösung, die wir einfach unbedingt umsetzen wollten, um die weitgehende Vollbeschäftigung in den Haftanstalten zu ermöglichen, was auch gelungen ist. Die Erfahrungen sind wirklich gut. Natürlich wird es eine genauere Evaluierung geben, aber bis jetzt war alles sehr ermutigend, was wir in dem Zusammenhang erlebt haben, und Sie können mir glauben, dass ich mir das wirklich selbst anschaue. Ich sage manchmal schon scherzhaft zu meinen Mitarbeitern, dass ich nicht glaube, dass es in Österreich jemanden gibt, der schon so oft in Stein war wie ich.

Es ist einfach wichtig, dass man dranbleibt und sich vor Ort die Situation anschaut. Ich habe ja durch meine frühere Tätigkeit auf universitärer Ebene auch schon oft Haft­anstalten besucht und mich mit kriminologischen Fragen beschäftigt. Es führt nichts daran vorbei, dass die Insassen sinnvoll beschäftigt und betreut werden müssen, das brauchen wir einfach. Es gibt – Sie kennen ihn sicher – einen Spruch unter den Justiz­wachebediensteten, der gar nicht zynisch gemeint sein mag, aber Faktum ist: Wenn man die Insassen nicht beschäftigt, dann beschäftigen sie die Betreuer umso mehr. Das zu berücksichtigen ist wichtig.

Auch wenn die Werkstätten wieder laufen, auch wenn gearbeitet wird – wir haben unsere Fühler auch nach weiteren Arbeitsmöglichkeiten für Betriebe ausgestreckt, sodass mehr an Leistungen erbracht werden kann als bisher, damit wir mehr Beschäfti­gungsmöglichkeiten haben.

Insgesamt ist zu sagen: Oberstes Ziel und einzige Motivation war Vollbeschäftigung in den Haftanstalten, und das ist mit dieser Maßnahme gelungen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird trotz ausgiebiger Antwort eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Herbert: Ja, eine kurze!) – Bitte.

 


Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Minister, ich teile Ihre Ansicht, dass Häftlinge beschäftigt werden müssen. Ich kenne den Spruch auch, er ist richtig und wird von mir auch vollinhaltlich unterstützt. Genauso finde ich es lobenswert und unterstützenswert, dass das Justizministerium Arbeitssuchenden über das AMS die Möglichkeit gibt, neue berufliche Wege einzuschlagen. Ich bin auch davon überzeugt, dass das vonseiten der Arbeitssuchenden gerne und wahrscheinlich dan-


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kend angenommen wird, aber es ist auch so, dass dort, wo diese Facharbeiter in den Werkstätten zum Einsatz kommen, das Bewachungspersonal, die Zahl der Justiz­wachebeamten minimiert wurde und daraus durchaus der Eindruck entstehen könnte, es wäre hier ein kommunizierendes Gefäß.

Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, dass das wohl eine Momentaufnahme war, die für den Einsatz dieser Facharbeiter in den Werkstätten keineswegs systematisch ist?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Bundesrat, ich würde das vermuten, aber ich sage Ihnen jetzt gerne hier coram publico den Satz, den Sie von mir hören wollen, und ich sage ihn gern: Diese Facharbeiter sind befristet aufge­nommen worden zur Unterstützung der Justizwachebediensteten und nicht, um diese zu verdrängen. Das war nie intendiert und ist auch nicht so.

Nur, wenn wir jetzt etwa an die Schließtage an den Freitagen denken – Sie wissen das alles ja, an den Freitagen waren die Werkstätten in vielen Haftanstalten zu –: Bitte, da geht es nicht darum, dass irgendein Justizwachebediensteter an diesem Freitag von anderen verdrängt wurde, es war einfach gar keiner da.

Jetzt, mit Unterstützung der Facharbeiter, können wir die Dienstpläne so erstellen, dass eben am Freitag auch eine ausreichende Zahl von Justizwachebediensteten dort zur Beaufsichtigung Dienst machen kann, und das geht, weil eben für die Tätigkeiten in der Werkstatt selbst die Unterstützung durch die Facharbeiter vorhanden ist.

Also noch einmal, die Justizwachebediensteten brauchen keine Sorge zu haben, dass sie da in irgendeiner Form in Gefahr wären, verdrängt zu werden. Ganz im Gegenteil! Das wäre ja auch völlig absurd, denn – wenn man sich jetzt wieder daran erinnert – was war denn das Grundproblem am Beginn? – Dass die Ausbildung zu einem Justiz­wachebeamten eine sehr aufwendige, eine wirklich auch sehr intensive und eine hochwertige ist, weshalb es eine gewisse Zeit braucht, bis wir genug Leute dafür haben, die wir zuteilen können. Das war der Beginn, und daher ist die Gefahr absolut nicht gegeben, und es braucht niemand Sorge zu haben, dass jetzt durch diese Fach­arbeiter sozusagen die wertvolle und wichtige und öffentlich-rechtliche Aufgabe der Justizwachebediensteten vielleicht durch andere wahrgenommen werden könnte.

Das ist es nicht, sondern es ist eine Unterstützung. Aber mit dieser Unterstützung haben wir es geschafft, dass wir wieder Vollbeschäftigung in diesen Haftanstalten haben. Und das freut mich einfach – ich sage es, wie es ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Oberlehner.

 


Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Die Zusatzfrage, die mich interessiert hätte, nämlich welche Zielsetzung Sie mit der Anstellung dieser Mitarbeiter verfolgen, ist, glaube ich, im Wesentlichen schon beantwortet – außer Sie möchten noch etwas dazu ergänzen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Ich darf dazu noch einmal das sagen, was ich im Prinzip schon gesagt habe: Die Zielsetzung war eben, wieder Vollbeschäftigung in den Werkstätten und in den Betrieben zu haben. Auf diese Art und Weise ist das möglich gewesen. Und wenn wir dann diese 100 neuen Planstellen auch voll besetzt haben, dann werden wir das Ganze noch evaluieren, und ich schließe nicht aus, dass wir vielleicht sogar den einen oder anderen von diesen Facharbeitern, wenn er sich besonders bewährt hat, dann auch in diese Lehrgänge schicken – wenn er das


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will –, und vielleicht wird der eine oder andere von ihnen auch einmal Justizwache­bediensteter.

Aber grundsätzlich war die Motivation klar: Beschäftigung sicherstellen, möglichst keine Schließtage mehr in den Haftanstalten, denn das führt vielfältig zu Problemen, und letztlich ist damit die Basis für den Erfolg des Strafvollzugs und seine Zwecke nicht mehr gegeben. – Das war es.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pfister.

 


Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! In jüngster Zeit gab es seriöse Medienberichte über zahlreiche sexuelle Übergriffe in Justiz­an­stalten. Wie haben Sie darauf reagiert und welche konkreten Schritte werden Sie einleiten, um in Zukunft solche Übergriffe zu vermeiden?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Bundes­rat, ich weiß natürlich, auf welchen Fall Sie sich jetzt konkret beziehen. Ich kann dazu nur sagen, dass wir auch sichergestellt haben oder uns vergewissert haben, dass die zuständigen Dienstaufsichtsbehörden alle notwendigen Schritte gesetzt haben. Diese wurden auch gesetzt.

Das Problem in dem Fall war nur schon, dass es Kritik seitens eines Mediums gab, das im Besitz eines Vorhabensberichts war, der noch gar nicht bei uns eingelangt war. Das heißt, man hat uns zum Teil dafür kritisiert, einen Vorhabensbericht noch nicht umge­setzt zu haben, den wir gar nicht hatten. Das ist halt so, das kann ich nicht ändern. Das kommt vor.

Aber ich glaube, es gab auch eine unmissverständliche Reaktion meinerseits in Bezug auf diese Vorfälle: Das ist unerträglich, und jemand, der nachgewiesenermaßen tat­sächlich derartige Verhaltensweisen an den Tag legt, wie sie hier Gegenstand des Vorwurfs sind, hat in der Uniform eines Justizwachebediensteten in Österreich nichts verloren. Dazu stehe ich, und das sage ich auch, wie gesagt, mit allem Vorbehalt – das ist ein laufendes Verfahren. Wir werden sehen, was sich letztlich von diesen Vorwürfen tatsächlich als richtig erweist.

Aber grundsätzlich, wenn so etwas passiert, wie es hier Gegenstand des Vorwurfs ist, dann muss ich ganz klar sagen, das ist absolut unerträglich und für mich völlig inak­zeptabel. Und es wurden, wie gesagt, jetzt einmal aus meiner Sicht alle nötigen Konsequenzen gezogen. Das Verfahren läuft. Wir werden sehen, wie es ausgeht.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich wollte dieselbe Frage stellen. Es ist daher für mich erledigt.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Damit kommen wir zur 4. Anfrage, 1846/M-BR/2014, jener des Herrn Bundesrates Schreuder. Bitte um deren Verlesung.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Minister! Im April 2014 wurden Änderungen im Eingetragenen Partnerschaftsrecht angekündigt, dass Diskriminierun­gen gegenüber dem Eherecht – es gibt ja noch über dreißig; viele wurden ja schon durch Gerichtsprozesse und dergleichen abgeschafft – beseitigt werden. Das war im


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April 2014. Wir haben jetzt November 2014 und es ist noch nicht umgesetzt. Wann ist denn damit zu rechnen, und welche Änderungen sind zu erwarten?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 1846/M-BR/2014, hat folgenden Wortlaut:

„Wann werden die zahlreichen Diskriminierungen im Gesetz zur Eingetragenen Part­nerschaft gegenüber dem Eherecht endlich beseitigt, nachdem eine Änderung bereits im April 2014 angekündigt wurde?“

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Richtig, Sie haben recht, April 2014 – da waren wir schon relativ weit auch in den Gesprächen mit den ein­schlägigen und maßgeblichen Interessenvertretungen. Wir hatten gemeinsam mit der Gruppe Lambda schon eine Liste von Problempunkten herausgefiltert, und da ist es so, dass im Zuge der Gespräche und der Verhandlungen auch innerhalb der Regierung eigentlich in den meisten Fällen, in denen auch ich der Meinung bin, da gibt es Rege­lungen, die man als diskriminierend empfinden kann, schon weitgehend Verständnis dafür vorhanden war, dass man diese Dinge ändern muss.

Der Output ist einstweilen noch bescheiden, da gebe ich Ihnen recht. Die Sache mit der Verpartnerung auf dem Standesamt ist über die Bühne gegangen, soviel ich weiß, also das ist kein Thema mehr. Oder ist es noch nicht umgesetzt? – Ja, sehen Sie, das ist Zuständigkeit des Innenressorts, da habe ich jetzt den letzten Stand nicht. Aber ich kann Ihnen nur eines sagen, soweit es mein Ressort betrifft: Wir haben alle diese Punkte durch. Es gab entsprechende Gespräche, die dann im Sommer allerdings des­halb nicht mehr stattgefunden haben, weil die maßgeblichen Vertreter der Organisation Lambda uns auch gesagt haben, man wäre der Meinung, dass vielleicht ohnehin die Möglichkeit bestünde, das Ehegesetz auszuweiten auf gleichgeschlechtliche Partner­schaften. – Das ist aus meiner Sicht wohl nicht realistisch. Daher muss man, das sage ich Ihnen ganz offen, diese Punkte weiter im Auge behalten und eben die notwendigen Änderungen umsetzen. Das wird an uns und an meinem Haus und an mir sicher nicht scheitern.

Es gibt einen Punkt, der besonders strittig ist, auch gesellschaftspolitisch, den wir aber in dieser Form jetzt gar nicht mehr weiter ausverhandeln müssen, nämlich das Adop­tions­recht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Da gibt es ein Verfahren, das beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist, und daher ist das insofern jetzt einmal außer Streit, denn da werden wir sehen, was der Verfassungsgerichtshof dazu sagt. Es hat gar keinen Sinn, da vorher irgendetwas legistisch umzusetzen, solange wir nicht wissen, wie das der Verfassungsgerichtshof sieht.

Aber es ist richtig, da gab es im Frühjahr mehr Schwung von allen Beteiligten. Über den Sommer ist der Schwung etwas verloren gegangen. Aber jetzt laufen die Ge­spräche wieder, und ich bin überzeugt – und dazu stehe ich –, dass dort, wo es Rege­lungen gibt, die als diskriminierend empfunden werden müssen, diese sicher beseitigt werden – soweit es jetzt mein Ressort und die Umsetzungsmöglichkeit in meinem Ressort betrifft, ganz sicher.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte.

 



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Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Danke für diese Erläuterungen. Sie haben gerade gesagt, dass die Erweiterung des Eherechts für lesbische und schwule Paare für Sie nicht infrage kommt. Alle Juristen, auch diese NGOs, die Vertreter und Vertreterinnen, die Sie genannt haben, auch wir und ich persönlich sind der Meinung, das ist die einfachste Lösung, einfach das Eherecht aufzumachen. Warum kommt das nicht infrage?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das ist eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten. Ich sehe derzeit nicht die Möglichkeit, dass es hier tatsächlich dazu käme, dass sich mit der Ausdehnung des Ehegesetzes auf gleich­geschlechtliche Partnerschaften alle Probleme leicht lösen würden. Ich sehe vor allem die nötigen Mehrheitsverhältnisse nicht. – Das ist jetzt eine Einschätzung von mir. Sollte es anders sein, dann würden wir uns viele Verhandlungen, viele Probleme er­sparen. Wie gesagt, Sie wissen, ich bin als Justizminister parteiunabhängig, aber ich schätze die Mehrheitsverhältnisse so ein, dass ich eher nicht glaube, dass es dazu kommen würde.

Wenn es anders ist – und insofern habe ich das auch dem Vertreter der Gruppe Lambda gesagt –, wunderbar! Dann können wir uns weitere Verhandlungen ersparen. Aber die Frage ist schon auch – und da gebe ich Ihnen auch recht, da kommt der Zeitfaktor ja auch dazu –: Wie lange kann so etwas allenfalls dauern? Wie lange sollen wir jetzt noch warten?

Aus meiner Sicht sollten wir in diesen noch offenen Punkten – und allzu viele sind es nicht mehr, insofern ist schon auch einiges weitergegangen in diesen Gesprächen – jetzt rasch weiter die Gespräche so weit vorantreiben, dass wir zu konkreten Vor­schlägen kommen, ausgenommen den einen Punkt – und das ist ohnedies der schwie­rigste – betreffend das Adoptionsrecht. Das liegt beim Verfassungsgerichtshof, und das wird dort entschieden.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Gödl.

 


Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister, Sie haben gerade eine Gesetzesvorlage zum Themenbereich Ehe und Familie in Begutachtung, und zwar die Abschaffung der Gerichtsgebühren für Minderjährige. Ich darf Sie bitten, uns dieses Vorhaben kurz zu erläutern.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Grundsätzlich geht es darum, dass wir im Zuge der im Regierungsprogramm vorgesehenen Evaluierung aller Gebühren festgestellt haben, dass es Gebühren gibt, die eigentlich nicht das bringen, was sie bürokratisch an Aufwand verursachen. Das war die erste Zielrichtung, da gibt es einiges auch über das Familienrecht hinausgehend, wo man sagen muss, da kostet die Suppe mehr als das Fleisch, das geht nicht.

Der zweite Bereich – der liegt mir besonders am Herzen, das muss ich sagen – sind die Gebühren im Bereich des Familienrechts. Wenn ich jetzt alle Punkte aufzählen würde, würden wir relativ lang brauchen, man kann es ja überall nachlesen, worin diese Änderungen bestehen. Wir haben eigentlich im gesamten familienrechtlichen Bereich die Gebühren abgeschafft oder gesenkt, vor allem weil es schon belastend genug ist, wenn man bei familienrechtlichen Streitigkeiten letztlich bei Gericht Hilfe suchen muss. Das ist schwierig genug und wird dem Problem oft nicht wirklich gerecht.


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Das ist auch einer der Gründe, weshalb aus meiner Sicht diese Familiengerichtshilfe so erfolgreich läuft, weil sie ein Mediationsversuch ist, dem Gerichtsverfahren vorge­schaltet und mit ihm mehr oder weniger akkordiert. Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, dass im Zuge von Obsorgestreitigkeiten oder familienrechtlichen Streitig­keiten jemand eine Gebühr dafür zahlen muss, dass er sein eigenes Kind besucht, das Besuchsrecht am eigenen Kind wahrnimmt. Das ist für mich das krasseste Beispiel für eine Gebühr, von der ich meine, sie muss abgeschafft werden, wenn es nur irgendwie budgetär möglich ist. Das ist im Wesentlichen auch der Inhalt dieser Gebührengesetz-Novelle.

Ich muss mich bei dieser Gelegenheit auch beim Finanzminister dafür bedanken, dass er dafür Verständnis gehabt hat. Es war sachlich wirklich geboten, dass man hier zur Entlastung der Familien und dort, wo letztlich gar Minderjährige mit Gebühren belastet werden, zurückschraubt und diese Gebühren, auch wenn es natürlich das Budget belastet, beseitigt. Es ist einfach so, das wissen Sie alle, ich kann über mein Budget nicht so einfach verfügen, sondern das muss natürlich im Zuge des Budgetvollzuges mit dem Finanzministerium akkordiert werden. Das ist hier auch der Fall gewesen, sonst ginge es gar nicht. Wenn es um Planstellen geht, bedarf es darüber hinaus der Akkordierung mit dem Bundeskanzleramt. Mein Haus hat den Vorschlag gemacht, dass man einige Gebühren streichen sollte, und hat das Finanzministerium davon überzeugen können, dass man auf die dafür nötigen Budgetmittel, die jetzt eben nicht hereinkommen, im Interesse der Sache – und, wie ich glaube, aus guten Gründen – verzichten sollte.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Vizeprä­sidentin Posch-Gruska.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben die Frage fast schon beantwortet. Ich möchte nur noch hinterfragen: Meiner Ein­schätzung nach gelingt es dann am besten, Diskriminierungen von Menschen mit gleich­geschlechtlicher Gesinnung zu verhindern, wenn wir das Eherecht wirklich aufmachen und hier keine Unterschiede mehr schaffen. Sie haben gesagt, es gibt nach Ihrer realistischen Einschätzung keine Möglichkeiten dazu. Ich möchte nur noch hinterfragen: Die realistische Einschätzung ist nicht juristischer, sondern rein inhalt­licher Natur. Sehe ich das richtig?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Die Einschätzung ist real­politischer Natur, ja. Ich habe mittlerweile schon gelernt, dass es nicht immer einfach ist, den nötigen Konsens zu finden, Stichwort WEG-Novelle. Es ist halt nicht immer einfach, hier so rasch diejenigen zu überzeugen, die man überzeugen muss, damit man eine Mehrheit hat.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte voranstellen, ich werte die sexuelle Orientierung jedes Einzelnen in keiner Weise. Trotzdem bin ich der konservativen Auffassung, und meine freiheitlichen Kolle­gen sind es auch, dass die Ehe zwischen Mann und Frau schon das bevorzugte Modell sein sollte. Es ist ja in Europa und speziell auch in Österreich überhaupt kein Problem, wie man sexuell, ich sage es jetzt salopp, gestrickt ist. Anders ist das aber bei Gruppen von Zuwanderern, vor allem dann, wenn sie islamistisch sind und den Koran sehr extrem auslegen. In deren Herkunftsländern werden Homosexuelle verfolgt, gefoltert und zum Teil auch ermordet, was abzulehnen ist.


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Gibt es nach Ihrem Wissensstand derartige Übergriffe hier in Österreich, wo man schon festmachen konnte, dass extremistische islamische Gruppen Homosexuelle überfallen haben oder Ähnliches?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das könnte ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Da müssten Sie sich eigentlich an das Innenressort wenden, weil man dort sicherlich profunder Auskunft über derartige Vorfälle geben kann, die nämlich zuerst einmal im Bereich des Innenressorts aufschlagen. Ich habe jetzt keine Infor­mationen diesbezüglich. (Bundesrätin Mühlwerth:  kein Fall bekannt, dass irgend­was schon verhandelt worden wäre?)

Ich habe kein Informationsmaterial dazu. Ich müsste jetzt auch im Innenressort nach­fragen, aber Sie können das genauso gut tun wie ich.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen zur 5. Anfrage, 1851/M-BR/2014, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Fürlinger, um die Verlesung.

 


Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Herr Minister! Der Strafvollzug war heute schon ausgiebigst Thema, und dass ein humaner Strafvollzug notwendig ist, wurde auch eingehend festgestellt. Anlassbezogen war der Strafvollzug, aber insbesondere auch der Jugendstrafvollzug und die Untersuchungshaft für Jugend­liche, mediales Thema und im Fokus. Sie haben nach Amtsantritt hier eine Evaluie­rung, Maßnahmen zugesichert, vor allem was die Jugendlichen betrifft, im Strafvollzug, aber auch bei der U-Haft. Gibt es bereits Resultate der Evaluierung? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden gesetzt? Gibt es Resultate von diesen Maß­nahmen, die Sie uns berichten können?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 1851/M-BR/2014, hat folgenden Wortlaut:

„Der Strafvollzug ist ein Themenbereich, der immer wieder für Schlagzeilen sorgt. – Welche Ihrer Maßnahmen im Bereich des Strafvollzuges haben sich bereits in kon­kreten Verbesserungen niedergeschlagen?“

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Für diese Frage bin ich insofern dankbar, als sie mir Gelegenheit gibt, speziell auf einen Bereich des Straf­vollzuges einzugehen, in dem es wirklich erste Erfolge gibt. Ich will mich hier aber nicht mit fremden Federn schmücken, denn diese Erfolge gehen auf die Einsetzung einer Taskforce unter meiner Vorgängerin zurück – schon Mitte 2013 war das, denke ich. Die Ergebnisse und die Empfehlungen dieser Taskforce haben wir einfach konsequent umgesetzt, und siehe da, wir haben hier erste Erfolge erzielt.

Worin bestehen die Erfolge ganz konkret? – Wir sind konstant unter der Anzahl von 100 Jugendlichen im Bereich der Haft, wir haben die Untersuchungshaft der Jugend­lichen wirklich zurückdrängen können, aber nicht einfach dadurch, dass man sie nicht mehr verhängt, das selbstverständlich nicht, sondern wir haben sie durch etwas Bes-


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seres und Sinnvolleres ersetzen können. Das ist im Zuge der sogenannten Sozialnetz-Konferenzen gelungen. Das klingt kompliziert, ist aber nichts anderes als der Versuch, die Bezugspersonen des betreffenden Jugendlichen an einen Tisch zu bekommen und mit ihnen gemeinsam zu überlegen, was wir machen können, um diesen Jugendlichen wieder aufzufangen, damit er nicht weiter auf die schiefe Bahn rutscht. Das ist gerade bei jugendlichen Ersttätern ganz, ganz wichtig, da sind die Chancen hoch, dass man sie wieder auffängt, wenn sie ihre Orientierung in der Gesellschaft verloren haben.

Diese Sozialnetz-Konferenzen haben wir mithilfe von NEUSTART seit 1. November flächendeckend einführen können, und das hat es in Wirklichkeit gebracht – davon bin ich fest überzeugt –, weil es hier noch einen entsprechenden Informationsfluss zwi­schen Staatsanwaltschaft, Gericht und diesen Sozialnetz-Konferenzen gibt. Das ist in Wahrheit das wirklich Neue und das Sinnvolle. Das heißt, es ist nicht mehr so wie vielleicht vor vielen, vielen Jahren, dass ein Staatsanwalt einen Antrag auf U-Haft stellt und der Richter sagt ja, Verhängung der U-Haft, und dann unternehmen wir 14 Tage nichts bis zur ersten Haftprüfungsverhandlung.

Nein, jetzt beginnt vom ersten Tag an der Versuch, die Ursachen zu finden und auch anzusprechen, die dazu geführt haben, dass es zu dieser Verhaltensweise des Jugend­lichen, zu diesem Delikt kommen konnte. Wenn man die Ursachen kennt, dann hat man auch die größte Chance, dass man durch deren Beseitigung sicherstellt, dass der Jugendliche nicht weiter auf die schiefe Bahn kommt. Dann ist in vielen Fällen – nicht in allen natürlich – die Untersuchungshaft vermeidbar.

Jetzt kommt der nächste Schritt, ganz konsequent, die nächste Etappe: Ab 1. Jänner werden wir in Wien diese Wohngruppenbetreuung anbieten können. Es sind insgesamt vier Trägervereine, die wir unter Vertrag haben und die sicherstellen werden, dass Jugendliche, von denen das Gericht und die Staatsanwaltschaft sagen, ja, das macht Sinn, sozusagen als gelindere Maßnahme in diese Wohngruppenbetreuung entlassen werden können. Da werden wir sicherlich auch wieder insofern Erfolg haben, als wir damit die Zahl der Fälle von Untersuchungshaft bei Jugendlichen weiter reduzieren können.

Und dort – jetzt kommt die nächste Etappe, die ist allerdings noch nicht ganz so weit –, wo es um Jugendliche geht, die man nicht innerhalb der ersten 14 Tage aus der U-Haft entlassen kann, werden wir eines unserer Lieblingsprojekte hoffentlich möglichst bald verwirklichen können: Das ist das Jugendhaftkompetenzzentrum in Gerasdorf, in der Jugendstrafanstalt, wo es einiger Ausbauten, Umbauten und Adaptierungen bedarf, damit wir das auch verlässlich unterbringen können. Ziel ist, da bin ich jetzt schon kühn und sage mittelfristig, dass ein Jugendlicher in Wien Josefstadt maximal 14 Tage in U-Haft sein sollte. Dann kommt er entweder in die Wohngruppenbetreuung oder ins Jugendhaftkompetenzzentrum Gerasdorf.

Das ist das Ziel. Auf dem Weg dorthin sind wir jetzt schon weiter, da haben wir bereits einiges erreicht. Das ist jener Bereich des Strafvollzugs, wo es erste Erfolge gibt, aber ich sage gleich dazu, in vielen anderen Bereichen, insbesondere im Bereich des Maß­nahmenvollzugs, steht uns noch ein langer und schwieriger Weg bevor – das darf man nicht vergessen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Grimling.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Regierungsprogramm ist die Prüfung der Neuregelung der Unterbringung in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher vorgesehen.


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Kann die Verwirklichung dieser Zielsetzung auch zu einer Verbesserung der Situation im Strafvollzug beitragen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Ich würde darauf antworten wollen, sie kann nicht nur dazu beitragen, sie muss dazu beitragen, aber das ist jetzt in Wirklichkeit genau jener Themenbereich, den ich auch vorhin noch einmal ange­sprochen habe, der von der Kompetenz und von der Möglichkeit der Reformen her mein Ressort alleine überfordern würde.

Es geht hier um Fragen, die natürlich auch mit dem Gesundheitsressort abzuklären sind, denn insbesondere bei denjenigen, die zurechnungsunfähig sind, die also nicht schuldfähig sind, die daher auch keine Strafe bekommen können und die dann bei uns in der ersten Variante des Maßnahmenvollzugs landen – nämlich geistig abnorme Rechts­brecher, die eben nicht schuldfähig sind –, stellt sich schon die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, diese Personen letztlich im Rahmen des Gesundheitsbereiches entsprechend und adäquat zu versorgen.

Damit man solche Gespräche führen kann, ist auch ein hochrangiger Vertreter des Gesundheitsministeriums – mit dem ich immer wieder sehr konstruktive Gespräche geführt habe, das möchte ich bei der Gelegenheit auch sagen – ein Mitglied in unserer Expertengruppe, die sich eben auch mit den notwendigen Reformen im Strafvollzug im Allgemeinen und im Maßnahmenvollzug im Besonderen befasst. Also da muss man einfach vom Grundsatz her auch darüber nachdenken.

Es bleibt aber auf jeden Fall das Problem jener Straftäter, die eben nicht schuldunfähig sind, die daher eine Strafe verbüßen und aufgrund ihrer von den Gerichtspsychiatern und Experten konstatierten Gefährlichkeit, die natürlich dann auch immer wieder gerichtlich überprüft werden muss, nach Verbüßung der Strafe noch in den Maßnah­menvollzug aufgenommen werden müssen.

Da haben wir enorme Steigerungsraten, das muss man ganz klar sagen. Wir haben eine enorme Steigerung der Insassen im Maßnahmenvollzug in Bezug auf die nicht schuldunfähigen geistig beeinträchtigten Insassen. Da kann ich nur sagen, das hat vielfältige Ursachen, die man sich natürlich auch wirklich sehr seriös anschauen muss, aber da haben wir sicher einen großen Reformbedarf, das ist ganz, ganz klar.

Wir wollen da eigentlich auf mehreren Ebenen vorgehen: Es gehört die Grundsatzfrage einmal ausdiskutiert, wo solche Personen, die schuldunfähig sind, bestmöglich betreut werden sollten. – Wenn ich Ihnen dazu vielleicht nur ein Beispiel nennen darf: Es hängt ja oft von Zufälligkeiten ab, wie jemand, der eben leider unter einer geistigen Abnor­mität leidet und deshalb schuldunfähig ist, auffällig wird. Das kann sein durch irgendein Verhalten, das in keiner Weise deliktisch ist – dann wird er wohl nach dem Unterbrin­gungs­gesetz irgendwann einmal in einer geschlossenen Anstalt landen –, es kann aber genauso gut sein, dass dieselbe Abnormität dazu führt, dass es irgendein deliktisches Verhalten gibt, und dann ist dieselbe Person plötzlich in unserem Bereich und wir kommen zur Feststellung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, es liegt Schuldun­fähigkeit vor. Dann gibt es den Maßnahmenvollzug in der ersten Variante für schuld­unfähige geistig abnorme Personen. – Ich denke, dass man sich eben wirklich überlegen muss, da zumindest eine viel engere Ankoppelung an das Gesundheits­system anzustreben.

Das darf auch nicht an irgendwelchen Kompetenzstreitigkeiten oder Budgetproblemen scheitern. Da muss man ganz klar sagen, wir haben da die bestmögliche Betreuung


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sicherzustellen. Was den Strafvollzug betrifft, glaube ich, dass man das hier wirklich einmal grundsätzlich auch andenken muss.

Die Frage ist immer nur dieselbe: Wo und wie können wir die effizienteste und gleich­zeitig bestmögliche Betreuung dieser Personen sicherstellen? – Da, finde ich, sollte man diese Fragen einmal ganz tabulos diskutieren. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Dieser Prozess hat ja schon begonnen. Ich bin in einem wirklich sehr, sehr guten, konstruktiven Einvernehmen mit dem Gesundheitsressort. Ich bin davon überzeugt, wir werden da sicher die notwendigen Reformansätze finden – auch im Rahmen der Exper­tengruppe, die ja noch an der Arbeit ist –, aber es ist wirklich eine sehr, sehr große Baustelle, die wir hier zu bewältigen haben. Ich kann das nur noch einmal betonen: Man darf sich nicht erwarten, dass man jetzt in einem so komplexen Bereich rasch wirklich nachhaltige Erfolge erzielen kann.

Im Bereich des Jugendstrafvollzugs ist es gelungen – das war auch ein vergleichs­weise überschaubarer Bereich –, aber im Bereich des Maßnahmenvollzugs wird es schwierig, das wird ein mühsamer Weg. (Bundesrätin Grimling: Aber ich bin opti­mistisch, wenn ich Ihnen zuhöre, dass Sie weiter daran arbeiten!) – Wie ich schon sagen durfte: Ich habe hervorragende Fachleute bei mir im Haus, und mit denen gemeinsam bin ich sehr optimistisch, dass wir das bewältigen werden. Wir sehen uns ’raus!

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Herbert.

 


Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Eine mit dem Strafvollzug maßgeblich im Zusammenhang stehende Stelle in Ihrem Haus ist die Vollzugsdirektion, eine Einrichtung, die intern wie auch extern immer wieder im Mittelpunkt von Kritik steht. Nun gibt es Informationen, wonach diese Voll­zugsdirektion im kommenden Jahr umstrukturiert oder gar abgeschafft wird.

Meine Frage: Können Sie das bestätigen beziehungsweise wie schauen diese ange­dachten Veränderungen aus? Haben Sie Informationen in diese Richtung?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Selbstverständlich kann ich das im Ergebnis bestätigen, aber ich möchte ein bisschen weiter ausholen und auch etwas über die Gründe dafür sagen.

Diese Änderung im Bereich der Strafvollzugsbehörden wurde nicht etwa ausgelöst dadurch, dass man jetzt die dort tätigen Personen in besonderer Weise kritisieren müsste – überhaupt nicht! –, es geht um ein ganz grundsätzliches Problem.

Ich beschäftige mich von Berufs wegen schon seit ich junger Assistent an der Uni war, seit den achtziger Jahren, auch mit Themen des Strafvollzugs. Ich habe auch damals schon Haftanstalten besichtigt und mich damit auseinandergesetzt. Daher bin ich so etwas wie ein Zeitzeuge dafür, dass der gesamten Themenbereich des Strafvollzugs lange Jahre etwas war, womit man sich öffentlich nicht wirklich beschäftigen wollte. Im Klartext gesprochen: Das ist ein Bereich, der auch budgetär in den letzten Jahren, und ich meine jetzt viele Jahre, vernachlässigt wurde.

Dadurch haben sich einfach Strukturen ergeben beziehungsweise sind diese auch verkrustet, die man jetzt, wo das Problem so groß geworden ist, einfach aufbrechen


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muss. Und da sind wir bei einem Problem, wo ich wirklich sagen muss, dass natürlich die Strafvollzugsdirektion, sozusagen als ausgelagerte Institution etwas weiter weg vom Bundesministerium, etwas Eigenständiges ist. Es mag in der Vergangenheit auch der Gedanke eine Rolle gespielt haben, mit Strafvollzug sollte man sich nicht zu sehr beschäftigen müssen, denn da kann immer etwas passieren, das ist eine Frage der politischen Verantwortung und was auch immer. – Ich sage Ihnen ganz offen: Ich will diese Verantwortung wahrnehmen, weil ich glaube zu wissen, was dort notwendig ist und was man dort an Maßnahmen setzen muss, um ihn zu reformieren, um ihn in Österreich sozusagen flächendeckend auch wirklich auf ein Niveau zu heben, das wir einfach brauchen und zu dem wir auch international verpflichtet sind.

Ich sage bei der Gelegenheit gleich, ich sage bewusst immer „flächendeckend“, weil wir viele Bereiche im Strafvollzug haben, wo wirklich hervorragende Arbeit geleistet wird, wo es bestens funktioniert. Wir haben höchst unterschiedliche Niveaus in dem Bereich, und daher müssen wir dafür sorgen, dass alle das höchstmögliche Niveau erreichen. Das ist genau der Reformansatz, und die Schritte müssen wir gehen.

Um das wirklich tun zu können – und um das effizient tun zu können und rasch umsetzen zu können –, braucht es eine entsprechende Verwaltungsstruktur. Daher habe ich mir eigentlich gleich einmal zu Beginn der näheren Beschäftigung mit dem Problem angeschaut: Seit wann gibt es diese Vollzugsdirektion? Wann und unter welchen Voraussetzungen wurde sie eingerichtet? Wie könnte man da einfach straffere Strukturen schaffen, die es mir tatsächlich ermöglichen, diese Verantwortung auch wirklich wahrzunehmen?

Daher bin ich überzeugt davon, dass wir mit der Einrichtung einer Generaldirektion für den Strafvollzug nach dem Muster der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit – das ist ja nichts Neues, was wir da erfinden – einfach sicherstellen können, dass man da auch rascher die Verantwortung wahrnehmen kann, auch rascher und effizienter dafür sorgen kann, dass einfach die notwendigen Veränderungen herbeigeführt werden. Das ist der Grund.

Wir haben die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schon weitgehend ausge­arbeitet, und diese neue Behördenstruktur, die wir hier haben wollen, wird noch heuer, so hoffe ich, auch umsetzbar sein. Noch einmal: Im Prinzip werden die Personen, die jetzt im Bereich der Strafvollzugsdirektion tätig sind, dann im Bereich dieser General­direktion tätig sein, aber natürlich wird es eine straffere Behördenstruktur sein.

Ich bin fest überzeugt davon, dass wir das einfach brauchen. Das ist ein notwendiger Teil der Gesamtreform des Strafvollzugs, und daher wird es dazu kommen, mit Datum des Inkrafttretens aus heutiger Sicht – ich hoffe, dass das auch möglich sein wird; ich kann es nur hoffen –: 1. Juli nächsten Jahres. Ja, das ist richtig.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Minister, sind Sie von der Idee, im derzeitigen Polizeianhaltezentrum Wien-Hernals ein Jugendgefängnis zu er­rich­ten, abgekommen?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Ja, davon musste ich abkom­men, aber auch da sage ich gleich dazu, warum und wieso. Ich hatte im Zusam­menhang mit den Reformüberlegungen im Themenbereich Jugendstrafvollzug und Untersuchungshaft für Jugendliche als Kenner der örtlichen Liegenschaften dort und


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auch aus der Praxis heraus die Idee, dass der Hernalser Gürtel als spezielle Einrich­tung und Jugendhaftkompetenzzentrum eigentlich eine ideale Örtlichkeit wäre, weil er so nahe beim Landesgericht für Strafsachen liegt.

Ich habe dann die ersten Gespräche mit dem Innenministerium geführt und musste dabei sehr bald Folgendes feststellen, was ich ursprünglich nicht gewusst habe: dass unter anderem der Hernalser Gürtel – andere Örtlichkeiten auch – zwischenzeitlich als Ausweichquartier dringend benötigt wird, weil in der Justizanstalt Josefstadt Sanie­rungsmaßnahmen wirklich notwendig sind. Diese kann man zwar etappenweise machen, aber sie müssen einfach durchgeführt werden. Dann braucht es natürlich sektoral immer wieder eine gewisse Kapazität von Anstalten, die eben jene Insassen, die wir aus der Josefstadt dann zeitweise ausquartieren müssen, aufnehmen können.

Dann habe ich mich näher erkundigt, auch bei der BIG, wie denn das geplant ist, wie lange die Umbauarbeiten dauern können. Da wurde mir gesagt, das wird sicher einige Jahre dauern, bis die abgeschlossen sind. – Das heißt, es wird einige Jahre dauern, bis der Hernalser Gürtel uneingeschränkt für eine andere Nutzung, wie wir sie uns vorgestellt hätten, zur Verfügung steht. Da habe ich gesagt, dass ich darauf nicht warten kann.

Auf lange Sicht ist der Hernalser Gürtel als Örtlichkeit für uns immer noch ein Thema, und ich kann mir vorstellen, dass man auch dann, wenn er wirklich zur Verfügung steht, hier sicher sinnvolle Verwendungsmöglichkeiten, auch in meinem Ressort und Verantwortungsbereich, finden kann. Das Jugendhaftkompetenzzentrum brauchen wir aber viel, viel schneller, deshalb haben wir diese Variante gewählt, die auch relativ einfach zu realisieren ist.

Das ist in Wahrheit natürlich immer eine budgetäre Frage, aber in Gerasdorf haben wir ein Areal, das so groß ist, dass dort auch kleinere Zubauten nicht das geringste Prob­lem darstellen. Ich habe dort eine funktionierende Infrastruktur, kann darauf aufsetzen. So gesehen ist das, glaube ich, die richtige Entscheidung gewesen. Daher ist für dieses Projekt, das Jugendhaftkompetenzzentrum, der Hernalser Gürtel derzeit kein Thema mehr.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben es angesprochen: Der Strafvollzug braucht viele Verbesse­rungsmaßnahmen, Umbauten, Ausbauten, Sanierungen, Strukturverbesserungen. Mich interessiert die Finanzierung.

Können Sie das aus dem laufenden Budget finanzieren oder greifen Sie auf Rücklagen zurück?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Wir werden zur Finanzierung dieser Vorhaben, jedenfalls zumindest jetzt, auch auf Rücklagen zurückgreifen müs­sen. Das geht nicht so ohne Weiteres: Wie ich schon vorhin gesagt habe, bedarf auch das der Konsensfindung mit dem Finanzressort. Daher sind wir natürlich auch diesbezüglich in Kontakt mit dem Finanzressort, denn auch über Rücklagen, die das Ressort hat, kann ich nicht frei verfügen. Ich muss im Prinzip jede Ausgabe, jede Investition mit dem Finanzressort abstimmen. Das ist in Bezug auf diese ersten Maß-


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nahmen und Ausbaupläne schon im Frühjahr erfolgt und wird jetzt natürlich laufend mit dem Finanzministerium akkordiert und auch aktualisiert, keine Frage.

Also wie gesagt, ich kann selbst über das, was an Rücklagen vielleicht noch vorhanden wäre, nicht einfach so ohne Weiteres verfügen, das ist aber auch ganz gut so. Ich muss ganz offen sagen, so wie ich das vorhin schon gesagt habe: Wenn man wirklich gute sachliche Argumente hat, dann habe ich bisher immer im Finanzminister jeman­den gefunden, der dafür auch zugänglich ist und der sogar da oder dort eine ganz gute Idee entwickelt, wie man vielleicht das eine oder andere noch effizienter gestalten könnte, und das ist gut so. Wir sind ja froh darüber, wenn wir hier auch einen ent­sprechenden Input bekommen, wie man etwas noch effizienter und kostengünstiger machen könnte.

Da Sie die Rücklagen ansprechen: Das Justizressort hat keine besonders großen Liegenschaften mehr. Der Jugendgerichtshof ist ja schon längst verkauft, auch das Gebäude des Bezirksgerichts Innere Stadt in der Riemergasse ist ja schon längst verkauft worden, lange vor meiner Zeit. Wir haben also – nicht dass man jetzt einen falschen Eindruck erweckt oder stehen lässt – keine besonderen Rücklagen, das könnte ich nicht sagen. Ich bin letztlich in diesem Bereich auf die Unterstützung und die Hilfe des Finanzressorts angewiesen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1848/M-BR/2014. Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Fetik, die Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Zuerst möchte ich mich einmal dafür bedanken, dass Sie sich so ausführlich mit unseren Fragen beschäftigen, und möchte gleich meine stellen.

1848/M-BR/2014

„Sie haben medial die Vorbereitung einer Novelle zum Verhetzungstatbestand ange­kündigt, um Hassprediger effektiver bekämpfen zu können. – Wie soll dieser Gesetzes­entwurf konkret aussehen?“

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Bundesrätin, ich weiß, mir wurde das auch schon signalisiert, ich soll mich kürzer fassen. Aber was soll ich tun? Sie wissen, ältere Herren neigen zur Geschwätzigkeit. (Heiterkeit des Bundes­rates Stadler.) Sie müssen mir dann sagen, wenn es soweit ist.

Was den Verhetzungstatbestand betrifft, ist es einfach so, dass ich der Überzeugung gewesen bin, dass man dort etwas nachschärfen muss. Dieser Überzeugung war ich aber nicht erst, seit die Dschihadismus-Debatte letztlich auf ihrem Höhepunkt war, sondern Auslöser war etwas anderes, nämlich dieser Platzsturm in Bischofshofen, diese tätliche Attacke auf Fußballspieler aus Israel. Das war eigentlich der Anlass.

Warum? – Weil uns da bewusst geworden ist, dass wir mit dem Verhetzungstatbestand gar nicht wirklich vorgehen können, es sei denn, es lässt sich nachweisen, dass tat­sächlich mehr als 150 Personen dort anwesend waren, das sieht aber nicht so aus. Und da wurde uns auch bewusst, dass wir beim Verhetzungstatbestand mit der Wahrnehmbarkeit durch zumindest 150 Personen eine Hürde für die Strafbarkeit haben, die heute eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, denn worum geht es denn?


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Es geht einerseits darum, dass wir mit dem Verhetzungstatbestand genau jene Phä­nomene erfassen, wo sozusagen verbale Attacken, Hetzparolen, Hasstiraden konkret in Tätlichkeiten umschlagen, das ist der Punkt. Genau die Schnittstelle zwischen ver­baler und tätlicher Gewalt wollen wir mit dem Verhetzungstatbestand bekämpfen. Daher müssen wir die Tathandlung, und daran wird gerade getüftelt, etwas enger fassen, damit nicht jede verbale Attacke an irgendeinem Wirtshaustisch dann plötzlich kriminalisiert wird, sondern es muss schon zielgerichtet sein gegen solche Aufrufe zur Gewalt, die wirklich schon die Nähe zur Gewalttätigkeit aufweisen und dann konkret auch dazu führen, das ist klar. Das wäre dann eine entsprechende qualifizierte Straf­barkeit, die dann fällig wäre.

Andererseits müssen wir aber auch den Kreis der Geschützten, der Opfer doch vor­sichtig ausweiten, um insgesamt eben genau das zu erreichen, was uns seit diesem Vorfall vorschwebt: dass wir damit eine wirklich treffsichere und zielgenaue legistische Waffe durch einen neu formulierten Tatbestand haben, der wirklich auch dort einge­setzt werden kann, wo man ihn braucht, und dass nicht irgendwelche Lücken letztlich zutage treten, wie eben bei diesem Vorfall, den ich gerade geschildert habe. Das ist der Zweck.

Das ist – das möchte ich jetzt schon sagen – kein spezielles Gesetz im Rahmen der Bekämpfung des Dschihadismus. Dafür wird der neue Tatbestand auch eingesetzt werden können, das ist ganz klar, aber es geht darüber hinaus. Und da es hier auch um die allgemeine Frage, wie bekämpfe ich die verbale Gewalt, die in tätliche Gewalt umschlägt, geht, wird das nach unserer Vorstellung Teil des Gesamtpakets Strafge­setz­buch 2015 sein, wofür es, denke ich, jedenfalls Anfang des kommenden Jahres einen fertigen Entwurf unsererseits geben wird. Es gibt auch andere Schwerpunkte, die enthalten sein werden, nicht zufällig auch erstmals ein Tatbestand des Cybermobbing.

Man darf ja nicht vergessen, dass heute die Möglichkeit, etwas öffentlichkeitswirksam zu tun, ganz anders ist als noch vor einigen Jahren. Das muss man alles mitbedenken und daher auch die jeweiligen Straftatbestände entsprechend modernisieren. Daher wer­den wir diesen neuen Verhetzungstatbestand als Teil des Gesamtpakets StGB 2015 vorstellen, wenn alles fertig ist.

Wir haben schon einmal im Justizausschuss über die Vorschläge der Expertengruppe diskutiert, die, wie gesagt, nicht unsere Vorschläge sind, sondern deren Vorschläge, für die ich auch sehr dankbar bin. Wir werden im nächsten Justizausschuss wieder darü­ber diskutieren, denn gerade bei diesen Novellierungen ist mir ganz wichtig, dass man hier wirklich alle einbindet und einen größtmöglichen Konsens findet. Das hat nicht nur mit der Tradition im Justizausschuss zu tun, obwohl die eine sehr gute und sehr sinn­volle ist, sondern Strafgesetze sollten auf einem möglichst breiten Konsens beruhen, und daher werden wir das noch in jeder Richtung ausdiskutieren.

Das ist der Bereich, in dem dann auch der neu gestaltete Verhetzungstatbestand zum Tragen kommen soll. Wie gesagt: engere, treffsicherere Tathandlung, aber dafür auch eine zumindest leicht angehobene Strafdrohung dort, wo es aufgrund solcher Vorge­hensweisen tatsächlich zu Gewalttätigkeiten kommt, das ist das Ziel.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Frau Kollegin, wird eine Zusatzfrage ge­wünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Ich denke mir, so eine Gesetzeswerdung hat ja auch Auswirkungen gesellschaftlicher Natur. Welche erwarten Sie da auf die öster­reichi­sche Gesellschaft insgesamt?

 



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Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Ich erwarte mir eine höhere Sensibilität für derartige Verhaltensweisen. Insofern ist eine breite Diskussion darüber, wie ich sie anstrebe, auch unter dem Aspekt sinnvoll. Ich erwarte mir schon auch, dass man sich Gedanken darüber macht, wo eigentlich die Grenzen entsprechender Aktivitäten sind. Wo zieht der Gesetzgeber hier eine klare Grenze? Wo sagt er: So, bis hierher und nicht weiter!? – Deshalb ist es so wichtig, dass die Tathandlung etwas genauer und exakter formuliert wird, als es derzeit der Fall ist.

In dem Zusammenhang, nur weil es jetzt durchaus dazu passt: Dasselbe haben wir ja auch vor in Bezug auf einen ganz anderen Tatbestand, nämlich den berühmt-berüch­tigten Landfriedensbruch. Da haben wir ein ähnliches Problem. Auch dort brauchen wir in Wirklichkeit eine viel engere, treffsicherere Formulierung der Tathandlungen, die hier wirklich verpönt sein sollen. Auch das ist in Ausarbeitung. Auch da wird es Änderungen geben, neben einigen anderen Schwerpunktsetzungen im StGB-2015-Projekt.

Insbesondere wird es auch dazu kommen – das kann ich jetzt schon sagen, das ist, glaube ich, auf allgemeinem Konsens beruhend nach dem letzten Justizausschuss –, dass man die Strafdrohungen bei Gewaltdelikten tendenziell anhebt im Verhältnis zu den Vermögensdelikten. Das macht, glaube ich, auch Sinn.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Tiefnig.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Können Sie uns auch sagen, welche sonstigen Bestimmungen im StGB eine Änderung erfahren sollten?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Jetzt habe ich schon ein bisschen vorweggenommen – wie gesagt: erstmals ein Tatbestand gegen das Cyber­mob­bing. Das ist eine ernsthafte Gefahr, die sich hier durch die neuen Medien ergeben hat. Wir haben auch in Österreich leider schon einen Fall des Selbstmords eines Schülers gehabt, der diesem Druck durch Cybermobbing nicht mehr standgehalten hat. Es gibt auf internationaler Ebene viele Vorbilder für solche Tatbestände. Wir wollen hier auch einen eigenständigen Tatbestand für Österreich schaffen, der ist für mich ein Fixpunkt. Auch hier gibt es einen breiten Konsens.

Über die Anpassung der Strafdrohungen habe ich schon gesprochen. Landfriedens­bruch, habe ich erwähnt, werden wir auch treffsicherer gestalten müssen. Es wird Anpassungen im Bereich der Wertgrenzen geben.

Das ist aber im Gesamtpaket zu sehen, das eben schon darauf abzielt – und insofern bin ich wieder bei der vorigen Frage –, dass gesamtgesellschaftlich einfach auch der Eindruck vermittelt werden soll, Gewaltdelikte werden in Zukunft tendenziell schwerer bestraft. Das ist auch gut so, und das muss man, glaube ich, als Gesamtpaket sehen. Wir sind mitten in der Diskussion, die bisher sehr, sehr konstruktiv verlaufen ist. Wir sind weiterhin offen für weitere Anregungen oder auch Wünsche oder vielleicht noch gar nicht erkannte Notwendigkeiten, hier legistisch etwas zu tun.

Eines muss ich auch ganz offen sagen. Ich meine, wir haben jetzt – und das ist der Anlass für diese Novelle – 40 Jahre Strafgesetzbuch. Natürlich war das Jahr 1975 von der gesamtgesellschaftlichen Situation her etwas anderes. Das StGB 1975 war natür­lich ein großes Reformvorhaben, mit dem wird man das neue nicht vergleichen


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können. Das ist auch nicht sinnvoll und nicht notwendig. Es ist jetzt nicht die Zeit für Riesenreformen, mit denen man sozusagen alles auf den Kopf stellt. Das braucht es nicht. Wir brauchen sinnvolle Neuregelungen und Anpassungen dort, wo es den kon­kreten Bedarf dann auch gibt. Da sollte man möglichst rasch agieren, und das wäre unser Ziel.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Schmittner.

 


Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Al Kaida/Islamischer Staat ist, glaube ich, auch in Österreich ein Begriff, nicht nur wegen Kobane, sondern weil wirklich Hassprediger durch unser Land ziehen – ich habe das in Salzburg selbst erlebt – und viele junge Menschen, vor allen Dingen Mädchen, ansprechen und überzeugen wollen.

Jetzt ist meine Frage: Ist im Zuge dieser Novelle geplant, dass man gefährliche islamistische Vereinigungen wie diese beiden gesetzlich verbietet, denn was nützt da eine Verschärfung des Verhetzungsverbotes? – Ich glaube, die Exekutive und die Gerichte würden sich viel leichter tun, gegen sie vorzugehen, wenn sie verboten wären. In Deutschland wird das ja auch andiskutiert, ich habe das gestern im Deutsch­landfunk gehört. Ich glaube, das wäre vielleicht eine Möglichkeit.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sie haben mit Ihrer Frage­stellung völlig recht, und die Fragestellung zeigt ja auch, dass es hier etwas braucht, nämlich ein gemeinsames Vorgehen der tatsächlich für diesen Problembereich zustän­digen Ministerien. Was jetzt allfällige Verbote von Organisationen betrifft, ist das Innen­ressort zuständig. Wir haben uns deshalb natürlich auch zusammengetan und im Rah­men unseres Gipfels gegen Hass und Hetze versucht, jeder in seinem Bereich, die nötigen Maßnahmen vorzuschlagen.

In meinem Verantwortungsbereich ist rein legistisch nicht viel erforderlich. Wie gesagt, das Nachschärfen des Verhetzungstatbestandes ist ein sinnvoller Beitrag, auch in diesem Zusammenhang, wäre aber auch sonst gekommen, muss ich ganz offen sagen. Es ist schon sinnvoll, wenn man das auch hier einsetzen kann. Aber an sich ist unsere Rechtsgrundlage im strafrechtlichen Bereich für die Bekämpfung von terroris­tischen Aktivitäten oder Aktivitäten im Vorfeld von Terrorismus schon so streng, dass wir da nichts nachbessern müssen.

Ich habe beim letzten Justizministerrat Gelegenheit gehabt, mit einem Kollegen aus Deutschland zu sprechen, der von mir wissen wollte, wie weit unsere Regelungen reichen und was wir konkret tun können. Als ich ihm erklärt habe, ja, wir können jemanden auch schon inhaftieren, wenn er mit der festen Absicht, sich am Dschihad zu beteiligen, in Richtung Grenze fährt und diese überschreiten will, dann haben wir schon jetzt die Rechtsgrundlage, das zu tun – da hat er gemeint, na ja, das haben wir nicht, da werden wir uns vielleicht auch etwas überlegen. Das heißt, nur als Beispiel, im europaweiten Vergleich haben wir sehr, sehr strenge Gesetze – Gott sei Dank! –, und die haben es uns ja auch ermöglicht, hier rechtzeitig einzugreifen.

Ich bin aber ganz bei Ihnen, wie gesagt, abgesehen davon, dass ich eben nur für die Strafgesetze zuständig bin. Der Bereich der Prävention ist viel wichtiger, das ist keine Frage, und da müssen letztlich alle an einem Strang ziehen. Gerade ich bin immer ein Anhänger des Grundsatzes „Prävention ist besser als Repression“. Was nützt mir, wie Sie jetzt gesagt haben, die Repression, wenn schon vorher so viel passiert?


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Da muss man vorher ansetzen, und dazu gehören jetzt wirklich viele Maßnahmen, die letztlich auch ressortübergreifend sind. Da kann ich nur sagen, da muss man viele einbinden, das Familienministerium, wie ich immer gesagt habe, und natürlich die Schulen. Das ist ganz, ganz wichtig als Präventionsprojekt, dass man einfach auch in den Schulen Aufklärungsarbeit leistet, denn es ist ja schon ein Phänomen, das schwer begreiflich ist: Wie können Jugendliche doch relativ leicht zu solchen Dingen verleitet werden?

Das ist eine Fragestellung, die weit über meinen Fachbereich hinausgeht, aber sie interessiert mich brennend, und Sie sicherlich auch, ja? – Das ist etwas, was man wirklich versuchen muss zu ergründen. Sind das Jugendliche, die deshalb leicht in die Irre geleitet werden können, weil sie nichts zu verlieren haben? – Dann muss man natürlich auch präventiv dafür sorgen, dass sie gesellschaftlich eine Position erringen können, wo sie eben etwas zu verlieren haben, wenn das der Punkt ist.

Ist es religiöser Fanatismus? Ist es eine ökonomische Situation, die die Betreffenden dazu bringt? – Da sind viele Experten dran, und darüber sollten sich auch viele den Kopf zerbrechen. Daher ist es sinnvoll, wenn man sich hier wirklich zusammentut. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.

Ich halte auch viel – und insofern sind wir da wieder ein bisschen mitbeteiligt im Bereich der Prävention, und ich befürworte und betreibe das auch – von folgender Maßnahme: Ich will, dass es auch im Bereich der Schulen möglich wird, dass etwa für spezielle Schulungen auch Angehörige der Staatsanwaltschaften oder der Polizeibe­hörden mit den Lehrern mitgehen. Ich habe aus meiner eigenen schulischen Erfah­rung – vielleicht geht es manchen von Ihnen auch so – einfach noch in Erinnerung, wenn immer nur der Lehrer gekommen ist, dass es weniger spektakulär war als wenn – wie es bei uns auch schon der Fall war – ein Polizeibeamter dabei war und einfach aus der Praxis erzählt hat. Das war natürlich ein besonderer Aufmerksam­keitswert, und das sollte man pädagogisch auch nützen. Da sind wir eben dabei, entsprechende Überlegungen zu machen und Konzepte zu entwickeln.

Aber das ist sicher ein Problem, das viel, viel größer ist, als dass es nur mit straf­recht­lichen Mitteln bekämpft werden könnte. Das ist sicherlich nicht so, und das sehe ich auch so. (Bundesrat Schmittner: Darf ich kurz eine Zwischenfrage stellen? – Vize­präsidentin Posch-Gruska: Gibt es eigentlich nicht! – Bundesrat Schmittner: Wann kommt dazu eine Regierungsvorlage? Wann wird die Regierungsvorlage in etwa kommen?)

Es ist halt so, wenn man es wirklich ernst damit meint, wie ich gesagt habe, dass das wirklich ausdiskutiert werden soll und breitest möglicher Konsens erzielt werden soll, dann muss man davon ausgehen: Wir haben jetzt im November noch einmal Justiz­ausschuss, und ich möchte da auch keine Diskussionen abwürgen. Wir hatten immer das ehrgeizige Ziel, es soll die Beschlussfassung, wenn irgendwie möglich, das Datum 2015 tragen, das ist schon klar. Ich gehe also davon aus, es müsste nach derzeitiger Sicht möglich sein, dass wir bis Anfang des Jahres einen fertigen Entwurf haben und den dann auf die übliche Reise schicken. Wenn das Inkrafttreten mit 1.1.2016 erfolgt, dann wird es auch noch die Novelle 2015 sein, das war halt irgendwie das Ziel. Aber letztlich geht es darum, dass man die Dinge rein sachlich ausdiskutiert, sie auch einer breiten Diskussion unterzieht und diese nicht in irgendeiner Form abkürzt oder beein­trächtigt. Das möchte ich nicht.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister, auch für Ihre Geduld. Normalerweise gibt es keine Zusatzfrage zur Zusatzfrage.


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Wir kommen nun zur 7. Anfrage, und ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Brunner, diese Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister, Meine Anfrage wäre eine über die Schwerpunkte der StGB-Reform 2015 gewesen:

1852/M-BR/2014

„Sie haben den politischen Diskussionsprozess zur Reform des österreichischen Strafgesetzbuches vor Kurzem gestartet. – Welche Schwerpunkte wird die Reform StGB 2015 zum Inhalt haben?“

Aber ich glaube, dies wurde schon in den Vorfragen ausführlich erörtert. – Danke.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eine Zusatzfrage wäre von Bundesrat Herbert gewünscht.

Zunächst aber liegt eine Zusatzfrage von Frau Bundesrätin Köberl vor. Das wurde übersehen, Entschuldigung! (Bundesrat Herbert: Das war ein bisschen überraschend!)

Bitte, Frau Kollegin Köberl.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie haben es auch schon erwähnt: In den letzten Monaten wurde der § 274 des Strafgesetzbuches, und zwar der Landfriedensbruch, von mehreren Parteien, ExpertIn­nen und auch von Ihnen selbst als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Es geht darum, dass man sich schon strafbar macht, wenn man an einer Zusammenrottung teilnimmt, bei der es zu Sachbeschädigungen oder zu Körperverletzungen kommt. Man dürfte also auch an keinem Fußballspiel als Zuschauer mehr teilnehmen, weil man ja nicht weiß, ob dort irgendwer verletzt wird.

Dieses Gesetz dürfte wieder neu entdeckt worden sein, denn in den ersten 40 Jahren gab es zirka 23 Verurteilungen. Aber allein im Jahr 2012 waren es schon 75. Meine Frage wäre jetzt: Auf welche Art und Weise soll nach Ihren Vorstellungen dieses reformbedürftige Gesetz geändert werden?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Ja, Frau Bundesrätin, natürlich in der Richtung, die Sie schon angedeutet haben: Der Tatbestand ist dringend reformbedürftig, weil er einfach in eine modernere Form übersetzt werden muss. Dass jemand nur deshalb bestraft wird, weil er irgendwo mehr oder weniger zufällig dabei ist, das sollte nicht passieren.

Es geht auch hier eigentlich um die strafrechtliche Reaktion auf ein bestimmtes Ge­fährdungspotenzial, das ein sehr konkretes sein muss und das dadurch noch ver­schärft wird, dass jemand ganz bewusst sagt: Ja, da liegt jetzt sozusagen Gewalt in der Luft, gleich fliegen die Fäuste, also werde ich mich entsprechend daran beteili­gen. – Das sollte eben nicht passieren.

Was den Tatbestand des Landfriedensbruchs betrifft, haben Sie schon recht. Ich kann mich an meine Prüfungstätigkeit an der Uni erinnern: Das war oft eine Sehr-gut-Frage, weil den Tatbestand keiner gekannt hat, wenn man danach gefragt hat. Es war fast hinterhältig, danach zu fragen, weil er wirklich kaum bekannt war.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 66

Aber das liegt vielleicht auch daran, dass einfach die Phänomene, die diesen Tat­bestand anwendbar machen, sich erst in den letzten Jahren entwickelt haben. Ich weiß es nicht, ich kenne mich mit Fußball zu wenig aus, aber zu der Zeit, als ich noch Fußballspiele besucht habe, war es ruhig. Da gab es diese Ausschreitungen in irgendeiner Form überhaupt nicht. Das hat sich offenbar auch erst in der letzten Zeit entwickelt. Das ist ein Phänomen, das es schon auch immer wieder gibt.

Aber ich kann nur sagen, der Landfriedensbruch in der derzeitigen Form, so, wie er jetzt formuliert ist, wird die StGB-Novelle 2015 nicht überleben. Wir arbeiten an einem besseren Tatbestand, und der könnte auch ganz anders ausschauen. Aber das, worum es geht, ist wirklich nur, dass man dieses Gefährdungspotenzial entsprechend straf­rechtlich bekämpft, das sich durch solche Aktivitäten von Gruppen ergibt. Ich will gar nicht von Zusammenrottung reden, weil auch das von der Begriffsbildung her veraltet ist.

Aber es gibt schon Situationen, wo man von einem Staatsbürger verlangen kann: Jetzt geh bitte nicht auch du noch dazu, und mach nicht auch du noch mit! Das gibt es schon, und daher geht es jetzt auch darum, zielgerichtet und treffsicher das heraus­zufiltern, was an Gefährdungspotenzial mit sinnvollen Maßnahmen und mit einer sinn­vollen Strafdrohung bekämpft werden soll. Das wird sicher ganz anders aus­schauen als jetzt.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Jetzt stellt die nächste Zusatzfrage Herr Bun­desrat Herbert. – Bitte.

 


Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister, ungerechtfertigte Anschuldigungen gegen Justizwachebeamte und auch gegen andere Beamte der Hoheitsverwaltung kommen immer häufiger vor. Daher meine Frage: Sind in der Reform StGB 2015 Änderungen in Gesetzen dahin gehend enthalten, dass die Amtsstellung von Beamten beziehungsweise Vertretern der Ho­heits­verwaltung während der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten gestärkt wird?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Ich sehe derzeit in den lau­fenden Diskussionen keinen Punkt, der unter diesem Aspekt die Rechtsstellung oder die Interessenssphäre der öffentlich Bediensteten in irgendeiner Form wirklich negativ beeinträchtigen würde. Das sehe ich derzeit nicht. Die Diskussion ist offen.

Sie wissen, rein akademisch gibt es immer wieder Diskussionen über die eine oder andere Regelung, die an die Beamteneigenschaft oder die Amtsträgereigenschaft anknüpft. Wir haben in der letzten Zeit auch schon einige Novellierungen gehabt, die diesen Themenbereich berühren. Nur ein Beispiel, Sie werden das kennen: Wir haben die Diversionsmöglichkeit, mit 1. Jänner 2014 in Kraft tretend, auch für den Tatbestand des einfachen Amtsmissbrauchs geöffnet, weil es natürlich – da haben Sie schon recht – immer wieder zu Strafverfolgungen kommt wegen Verhaltensweisen, die auch in der Öffentlichkeit nicht als besonders schwerwiegend empfunden werden, die aber formal doch Amtsmissbrauch darstellen. Stichwort: Müllmänner-Entscheidung.

Das sind Dinge, die mir sehr wohl bewusst sind. Ich weiß, dass es der öffentliche Dienst nicht immer leicht hat und dass man hier auch durchaus maßvoll vorgehen soll, was aber nichts daran ändert, dass natürlich auch ein öffentlich Bediensteter eine ent­sprechende Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft hat. Er hat eine Vorbildfunk-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 67

tion, und deshalb gibt es auch die eigene disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit, zusätzlich zu einer allfälligen strafgerichtlichen.

Diese Dinge vernünftig auszutarieren, das ist sicher nicht einfach. Das ist mir bewusst, daher kann ich Ihnen schon versichern: Es wird sicherlich keine Regelungen geben, die spezifisch den Berufsstand der öffentlich Bediensteten in irgendeiner Form nach­haltig beeinträchtigen würden. Das sehe ich nicht.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nun zur 8. Anfrage, und ich er­suche die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Bierbauer-Hartinger, um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Brigitte Bierbauer-Hartinger (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Kritik des Rechnungshofes vom Juli 2014 betrifft die Konstruktion der Justizbetreuungseinrichtung, speziell die in der Justizbetreuungseinrichtung be­schäf­tigten Personen. Was haben Sie dieser Kritik entgegenzuhalten, und welche Änderungen sind vorgesehen?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 1849/M-BR/2014, hat folgenden Wortlaut:

„Der Rechnungshof hat in seinem Bericht (Bund 2014/7) die Konstruktion der Justiz­betreuungsagentur heftig kritisiert. – Welche Änderungen planen Sie aufgrund dieser Kritik?“

*****

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Bundesrätin, ich habe natürlich die Kritik oder den Bericht des Rechnungshofs – es ist ja nicht nur Kritik drin – auch genau studiert. Ich glaube, man muss hier, wie Sie es ja auch in der Frage­stellung gemacht haben, zwei Themenbereiche unterscheiden.

Zum einen geht es um das Umsetzen von Vorschlägen des Rechnungshofs zur Effizi­enz­steigerung und zur besseren verwaltungstechnischen Abwicklung der Aufgaben im Bereich der Justizbetreuungsagentur. Da sind wir natürlich gerne bereit, hier umzu­setzen, was nur möglich ist. Selbstverständlich, das tue ich auch gerne.

Der andere Bereich – und jetzt wird es ein bisschen schwieriger – betrifft eine grund­sätzliche Frage, nämlich: Warum gibt es solche Einrichtungen wie die Justizbetreu­ungs­agentur? Das ist eine ausgelagerte Gesellschaft. Es gibt die Kritik des Rech­nungshofs, und das ist eine grundsätzliche, wenn Sie so wollen, fundamentale Kritik, die eben darin gipfelt, dass man mit solchen ausgelagerten Gesellschaften den Stellenplan des Bundes unterlaufen würde.

Was diese fundamentale Kritik betrifft, muss ich ganz offen sagen: Ja, diese Kritik halte ich aus, und ich stehe dazu, dass wir daran grundsätzlich nichts ändern werden, nichts ändern wollen und auch nichts ändern können. Warum? – Es ist ja völlig naheliegend, dass in vielen Bereichen des Bundes Leistungen durch ausgelagerte Gesellschaften erbracht werden müssen, weil es gar nicht anders geht.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 68

Ich komme heute – das ist ein Zufall – zurück auf das Beispiel mit der Justizbetreu­ungsagentur, die die Facharbeiter angestellt hat, die übergangsmäßig bis zur Beset­zung der öffentlich-rechtlichen Planstellen im Bereich der Strafvollzugseinrichtungen dafür sorgen sollen, dass man die Betriebe und Werkstätten in den Vollzugsanstalten wieder aufsperren kann und nicht mehr so viele Schließtage hat. Das geht nur befristet über eine ausgelagerte Gesellschaft wie die Justizbetreuungsagentur.

Wir brauchen sie dringend, und nicht nur wir: Nahezu jedes Ressort hat ausgelagerte Gesellschaften, die sicherstellen, dass man bestimmte Leistungen eben ohne Inan­spruch­nahme der öffentlich-rechtlichen Personalverwaltung – die naturgemäß viel kom­plizierter und schwerfälliger ist, das liegt in ihrer Natur – auch erbringen können muss, durch solche privatwirtschaftliche Organisationsformen. Das macht Sinn, und das werden wir auch weiterhin tun. Insofern muss ich mit dieser Kritik, so wie alle anderen auch, durchaus leben.

Ich habe auch mit dem Herrn Präsidenten schon einmal darüber gesprochen, dass es für mich keinen Zweifel daran gibt, dass die Justizbetreuungsagentur auf einer einfachgesetzlichen Grundlage eingerichtet wurde. Das darf man nicht vergessen. Das ist ja keine kleine GesmbH, die wir jetzt irgendwie gegründet hätten; nein, da gibt es ein Gesetz: Das Justizbetreuungsagentur-Gesetz regelt ganz genau, zu welchem Zweck diese Einrichtung geschaffen wurde, als privatrechtliche Organisationsform, und was wir im Rahmen dieser Justizbetreuungsagentur tatsächlich tun können und was nicht. Daran halten wir uns natürlich auch.

Das heißt, das ist gar nichts anderes als eine notwendige ausgelagerte Gesellschaft, mit der wir jene Leistungen effizient und kostengünstig – und damit, nebenbei bemerkt, auch im Sinne des Rechnungshofs und der Grundprinzipien, die er zu prüfen hat – erbringen können, die wir im normalen dienstrechtlichen, öffentlich-rechtlichen Plan­stel­len­schema nie erbringen könnten. Das ist es.

Insofern muss man es zweiteilen: Es gibt im Rechnungshofbericht viele Vorschläge im Detail, die wir gerne aufgreifen, aber, wie gesagt, zur grundsätzlichen Kritik daran, dass es die Justizbetreuungsagentur gibt und wir damit etwas tun, das außerhalb des Stellenplans des öffentlich-rechtlichen Schemas des Bundes erfolgt, muss ich sagen: Ja, das tun wir. Wir werden es weiterhin tun. Wir tun es aus Überzeugung und auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entsprechend dem Legalitätsprinzip. Da fühle ich mich sehr wohl dabei, und das muss auch so sein.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Brigitte Bierbauer-Hartinger (SPÖ, Steiermark): Es wurde schon aus­reichend geantwortet; ich ziehe die Frage zurück. – Danke.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Brückl, bitte.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wie hoch waren die Ausgaben für die Justizbetreuungsagentur in den letzten drei Jahren, 2012, 2013 und voraussichtlich 2014?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das habe ich ad hoc natür­lich nicht im Kopf. Es ist richtig – und ich nehme an, darauf zielt Ihre Frage ab –, dass der Aufgabenbereich der Justizbetreuungsagentur stets angewachsen ist. Das stimmt, das ist richtig, aber es sind auch die Aufgaben gewachsen. Wenn ich Ihnen heute beispielsweise gesagt habe, dass die Häftlingszahlen wieder einen Höchststand


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 69

erreicht haben, so darf man nicht vergessen, dass damit auch viele notwendige Leis­tungen zusammenhängen, die über die Justizbetreuungsagentur erbracht werden – Dienstleistungen von Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeitern, Psychologen, all das.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass der Aufwand dafür gestiegen ist und ten­den­ziell auch weiter steigen wird. Sie können jedoch sicher sein, dass es sich dabei um notwendige Leistungen handelt, die wir im Rahmen unseres Ressorts erbringen müssen, und gerade über die Justizbetreuungsagentur können wir sie bestmöglich, effizient und kostengünstig erbringen. Es geht nicht anders.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Es wurde angekündigt, dass eine Analyse erstellt wird über die Aufbau- und Ablauforganisation. Kennen Sie die? Gibt es schon Ergebnisse?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das ist das, was ich vorhin bereits erwähnt habe, nämlich dass wir uns natürlich diese Kritik des Rechnungshofs und auch die vielen Anregungen genau anschauen und dann natürlich auch eine entsprechende Evaluierung machen. Das ist keine Frage. Der Bericht ist jedoch, glaube ich, von Juni oder Juli oder so. Wir sind noch nicht so weit, dass ich Ihnen genau sagen könnte, was von diesen Anregungen jetzt tatsächlich schon umgesetzt wurde. Das braucht noch ein bisschen Zeit.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Die Fragestunde ist somit beendet. Ich bedanke mich recht herzlich, Herr Minister. (Allgemeiner Beifall. – Bundesminister Brandstetter: Ich hätte noch Zeit gehabt!) – Sie bleiben ja noch bei uns.

12.43.00Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich des eingelangten Verhandlungs­gegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Wirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, sowie eines

Schreibens des Bundeskanzlers betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz über die Zustimmung und Ermächtigung zur Verwertung und Übertragung von unbeweg­lichem und beweglichem Bundesvermögen sowie Änderung des Bundesimmo­biliengesetzes (260 und 312/NR der Beilagen)

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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


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Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth und Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selb­ständige Antrag 206/A-BR/2014 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Die Duale Ausbildung in Österreich: Gelungene Ausbildung, Vorbild für Europa und Chance für Frauen“ eingebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Blatnik, Himmer, Mühlwerth und Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 206/A-BR/2014 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bun­desräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth und Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, den Antrag 206/A-BR/2014 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittel­mehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 206/A-BR/2014 ergänzen und ihn als 17. und letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

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Eingelangt und zur Vorberatung zugewiesen wurden:

der Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2013, vor­gelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie

und der Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat – Vollziehung der Angele­genheiten des Pflegegeldwesens, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abge­schlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen Antrag 206/A-BR/2014 der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth und Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 72

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 9 und 10 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen.

12.46.301. Punkt

Wahl einer/eines Ordnerin/Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2014

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Wir treten in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des Ordners.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Gerd Krusche für den Rest des 2. Halbjahres 2014 zum Ordner zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage nun den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Ich nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

12.47.092. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Unternehmens­gesetz­buch zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert werden (GesbR-Reformgesetz – GesbR-RG) (270 d.B. und 297 d.B. sowie 9241/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Bierbauer-Hartinger. Ich bitte um den Bericht.

 


12.47.34

Berichterstatterin Brigitte Bierbauer-Hartinger: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Wertes Präsidium! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Unternehmensgesetzbuch zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher verzichte ich auf seine Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 73

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


12.48.32

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Man muss ja in Wahrheit den Hut ziehen vor Franz von Zeiller, der es geschafft hat, ein Gesetzeskompendium mit zu schaffen, das 200 Jahre gehalten hat, und dabei damals schon an wirtschaftliche Gebarung gedacht haben muss, als er in die §§ 1175ff die Gesellschaft bürgerlichen Rechts dort einbezogen hat.

Wie bei allen Gesetzen ist es so, dass sie durch Lehre, aber auch durch zahlreiche Judikatur interpretiert, neu interpretiert oder auch mit Leben erfüllt werden. Wenn es dann viel Judikatur ist, dann gelangt man doch dazu, dass man sich fragt, ob das, was den Erstsemestrigen gesagt wird, dass wir gesatztes Recht haben und nicht anglo­amerikanisches Case Law, auch noch ganz richtig ist.

Daher muss sich ab und an die Legislative, das Gesetz sozusagen im System die Macht zurückholen, und das geht nur dadurch, dass man das Gesetz anpasst, dass man es erneuert. Und das ist in diesem Fall geschehen. Es war eine eingehende, von fachlichen Überlegungen getragene Diskussion, die es in Österreich Gott sei Dank immer noch möglich macht, auf liberalen Grundsätzen basierend Wirtschaft im Rah­men einer wesentlichen Privatautonomie zu betreiben. Das heißt, was die zwei, drei oder mehreren Gesellschafter nach bürgerlichem Recht vereinbaren, obliegt im Wesent­lichen ihrer Disposition.

Es wurden wirtschaftliche Schranken eingezogen dadurch, dass man diese Reform auch in das UGB hineingebracht hat, in die Bilanzierungsregeln gebracht hat, dass man gesagt hat: Diese Autonomie hast du, bis du mehrfach hintereinander 700 000 € Umsatz machst. Dann solltest du doch daran denken, das Ganze gesellschaftsrechtlich zu vertiefen. Es wurde die Geschäftsführung neu geregelt, im Wesentlichen auch die Gesamtrechtsnachfolge.

Das alles sind Punkte, die geklärt worden sind, weil es notwendig war, ohne dass man Schranken gesetzt hat, die die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, die eine der am weitesten verbreiteten Formen gerade auch für Freiberufler in Österreich ist, über die Maßen eingeschränkt oder überreguliert hätten. Daher ist diese Reform eine gute. Daher wird sie auch, wie ich weiß, einstimmig in diesem Haus beschlossen werden. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.51


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 


12.51.07

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fürlinger hat es ja schon angesprochen: Die Bestimmungen für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts beruhen noch immer zum größten Teil auf der Stammfassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Jahre 1811 und sind somit über 200 Jahre alt. Historisch betrachtet ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts die älteste heute noch in Geltung stehende Gesellschaftsform in Österreich, und sie hat bei zahlreichen Modernisierungen, die das Gesellschaftsrecht in der Zwischenzeit erfahren hat, diese auch nur zum Teil mitgemacht.

Ziel der nunmehrigen Reform ist einfach die Schaffung klarer, übersichtlicher Regeln, die gegenüber dem teilweise inhaltlich umstrittenen geltenden Recht den Rechts- und Geschäftsverkehr von Unsicherheiten und zusätzlichen Rechtsberatungskosten befreien sollen. Während das ABGB ursprünglich bei der Gesellschaft bürgerlichen


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Rechts von der Grundkonzeption einer Anteilsgemeinschaft ausgegangen ist, bewirk­ten Lehre und Rechtsprechung im Laufe der Zeit die Ausweitung der Solidarhaftung der Gesellschafter einer solchen. Die Reform greift diese Entwicklung auf, führt sie weiter. In ihren Wesensmerkmalen soll sie allerdings auch nach der Reform unver­ändert bleiben und die Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses wie bisher grund­sätzlich den Parteien des Gesellschaftsvertrags obliegen.

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hatte von Anfang an eine Art Auffangfunktion. Sie wird unter anderem ja auch gegründet, wenn man die hohen Publizitäts- oder Formerfordernisse einer OG oder KG als nicht zweckmäßig erachtet. In der Praxis ist das häufig bei Arbeitsgemeinschaften der Fall, beispielsweise bei der Abwicklung großer Bauprojekte. Es ist kein Stammkapital aufzubringen. Unter Umständen genügt es auch, dass Gesellschafter quasi nur ihre Arbeitskraft einbringen, was auch der momentan geltenden und häufigen wirtschaftlichen Praxis entspricht.

Auch im Privaten, bei Lebensgemeinschaften soll es weiterhin möglich sein, sich dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu bedienen. Für die Praxis, für die Lebenspraxis zahlreicher Österreicherinnen und Österreicher ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts von Bedeutung. Somit ist es ein Fortschritt, dass wir mit dieser Reform eine Modernisierung im Sinne einer höheren Rechtssicherheit schaffen.

Herzlichen Dank, Herr Justizminister, dafür, dass Sie dieses Projekt in Angriff genom­men haben, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. – Danke. (Allgemeiner Bei­fall.)

12.53


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


12.53.59

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die außergewöhnliche Rolle unseres allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches wurde heute bereits mehrfach erwähnt. Auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellt das ABGB die Rechts­grund­lage dar, hat also wirklich zwei Jahrhunderte überdauert. Das zeigt auch, dass die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht eine durchaus attraktive Gesellschaftsform ist und darstellt. Sie bietet der Wirtschaft gute Möglichkeiten. Sie ist flexibel, und sie kann vor allem auch besonders dadurch begründet sein, dass sie einfach eine reine Innengesellschaft ist.

Das hat Vorteile, aber sie tritt auch nach außen auf. Wenn das der Fall ist, so gibt es hier eben auch Änderungen. Das soll künftig auch im Namen seinen Niederschlag finden, damit sie eben auch im Rechtsverkehr als solche erkennbar ist. Es ist jetzt auch die Umwandlung in eine OGH geregelt, eine spezielle Regelung, aber es bleibt dennoch der Freiraum im Innenleben der Gesellschaft, also diese dispositive Freiheit bleibt oder wird eben der OGH angeglichen. Man passt sich mit diesem Gesetz einfach der modernen Zeit und vor allem auch der Rechtsprechung, die vielleicht schon einen Schritt weiter war, an, und das ist gut so.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, darauf möchte ich noch hinweisen, spielt vor allem bei uns im ländlichen Raum eine sehr große Rolle oder eine durchaus gewichtige Rolle, weil sie sehr oft auch dann zur Anwendung kommt, wenn es darum geht, dass man landwirtschaftliche oder einfach Wirtschaftsgemeinschaften gründet oder wenn sich junge Musiker zu einer Musikgruppe, zu einer Band sozusagen zusammenfinden. Auch da kommt das immer wieder vor und wird gerne verwendet.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 75

Alles in allem ist diese Novelle oder diese Verbesserung des Rechts eine gute, und daher werden wir dem auch gerne zustimmen, weil sie auch eine Modernisierung unseres Zivilrechts darstellt. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weiters hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.56.26

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, das geht jetzt wirklich ganz, ganz kurz. Ich wollte einfach nur meiner Freude über dieses Gesetz Ausdruck verleihen. Es ist eine wirklich feine legistische Meisterleistung, die hier gelungen ist. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass es auch im Nationalrat einstimmig beschlossen worden ist.

Wir haben den Ehrgeiz, dass das nicht das letzte Gesetz sein sollte, das wir vor­schlagen, das auch einstimmig den Nationalrat passiert. Die Arbeit, die dahintersteckt und geleistet wurde, ist wirklich bemerkenswert und hat jetzt auch dazu geführt, und das muss ich auch sagen, dass ich mich in einem Punkt korrigieren muss, denn das war in Wirklichkeit die erste Novellierung des ABGB. Ich habe vorhin gesagt, das Erbrecht sei das erste, was wir im ABGB novellieren werden. Das stimmt gar nicht. Es ist in Wahrheit das zweite. Das erste war dieses Gesetz über die Gesellschaft bür­gerlichen Rechts, mit dem das ABGB sozusagen erstmals in sinnvoller Weise novelliert worden ist, darf ich jetzt schon sagen Ihre Abstimmung in kecker Weise vorweg­nehmend.

Es hat mich sehr gefreut, dass das wirklich so gut gelungen ist, und es ist ein wirklich ausgewogenes Gesetz, das nicht nur die Vereinheitlichungen schafft, die es braucht, sondern auch Erleichterungen für die Unternehmer, aber auch den Vertrauensschutz im Rechtsverkehr entsprechend berücksichtigt. Das ist also eine wirklich gelungene Leistung, für die ich auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken möchte an dieser Stelle.

Ja, lieber Herr Sektionschef Kathrein, gestatten Sie mir die Bemerkung: Es geht ja weiter. Ich kenne Ihren Tatendrang. Jetzt haben wir also die GesbR. Wir haben jetzt das Erbrecht sozusagen schon in Arbeit. Es würde mich nicht wundern, wenn künftige Generationen sagen würden, der Nachfolger von Franz von Zeiller, das war doch ein gewisser Georg Kathrein. So wird es sein. Ich würde mich freuen, wenn es in dem Tempo und auf diese Art und Weise weitergeht. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.58


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.58.543. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm geändert wird (607/A und 298 d.B. sowie 9242/BR d.B.)

 



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Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Winkler. Ich bitte um den Bericht.

 


12.59.14

Berichterstatterin Ingrid Winkler: Herr Justizminister! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm geän­dert werden soll, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb darf ich gleich zur Antragstellung kommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


13.00.10

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Jahren haben wir mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 unter anderem die Anhebung der Wertgrenzen für die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Bezirks- und der Landesgerichte in Zivilprozesssachen erster Instanz vorgenommen.

Damit sollten schrittweise die Wertgrenzen angepasst werden. Am 1. Jänner 2013 erfolgte eine Erhöhung von 10 000 auf 15 000 €, am 1. Jänner 2015 sollte die Erhö­hung auf 20 000 € und am 1. Jänner 2016 die Erhöhung auf 25 000 € folgen. Begrün­det wurde das damals einerseits mit der Geldentwertung – man hatte über 14 Jahre hinweg keine Anpassung dieser Wertgrenzen vorgenommen – und andererseits damit, dass man dadurch bezirksgerichtliche Strukturen stärken werde.

Nun nehmen wir diese beiden Folgeschritte sozusagen wieder zurück, mit der Begrün­dung, dass eine gleiche Auslastung der Richter am BG und am LG erreicht wurde. Herr Bundesminister, dankenswerterweise wurden uns aus Ihrem Ministerium die Auslas­tungszahlen aus der Personalanforderungsrechnung zur Verfügung gestellt. Daraus geht hervor, dass im Jahr 2010 die Auslastung eines Richters beim Bezirksgericht etwa 105 Prozent und im Jahr 2013 ebenfalls knapp über 105 Prozent betragen hat. Das ist also in etwa gleich geblieben. Die Auslastung der Richter am Landesgericht betrug 2010 123 Prozent und 2013 104 Prozent. Hier hat es eine deutliche Senkung gegeben. Das ist aber auch dringend notwendig, denn wenn ich diese 123 Prozent betrachte, muss ich sagen, dass der Richter seine Arbeit gar nicht mehr in der normalen Dienstzeit erfüllen konnte, sondern eine Sechs-Tage-Woche benötigt hat, um eine solche Arbeitsleistung zu bewältigen.

Was die Verfahrensdauer betrifft, wurde uns gesagt, dass die durchschnittliche Verfah­rensdauer dieser Zivilverfahren beim Bezirksgericht fünf bis sieben Monate und beim Landesgericht etwa zehn bis zwölf Monate beträgt. Das sind im internationalen Vergleich Spitzenwerte. Bei allen Studien und Bewertungen, die dazu durchgeführt wurden, liegt die Justiz in Österreich wirklich im Spitzenfeld. Das ist sicherlich auch eine Auswirkung der Justizpolitik in unserem Land.

Dabei stellt sich nur die Frage, wie lange sich Österreich noch im Spitzenfeld befinden wird, denn die Zurücknahme der Erhöhung der Wertgrenzen stellt in Wirklichkeit eine weitere Aushöhlung der Bezirksgerichte dar. Diese etappenweise Aushöhlung der Gerichte führt schlussendlich wiederum zur Schließung von Bezirksgerichten.


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Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie haben bereits mehrmals gesagt, es werde keine weiteren Schließungen geben. Das glaube ich Ihnen auch, weil Sie sich bereits zu der Zeit, bevor Sie Minister geworden sind, sehr intensiv für den Erhalt von Bezirks­gerichten eingesetzt haben. Außerdem gestehe ich Ihnen als Politiker zu – und das würde ich auch so machen – dass Sie, da im nächsten Jahr doch nicht unbedeutende Landtagswahlen bevorstehen, natürlich eine solche Diskussion auch nicht haben wollen. Nur, wenn die Entwicklung so weitergeht, dann werden Sie, Herr Bundes­minister, es schlussendlich auch nicht verhindern können, dass wir gezwungen sind, weitere Gerichte zu schließen.

Es sind viele Bausteine, die einfach zwangsläufig dazu führen werden: Wir nehmen jetzt diese Erhöhung zurück. Wir sperren Gerichte mittlerweile tageweise zu. Die Justiz wird personell entsprechend ausgehöhlt – wobei ich hier durchaus zugebe, dass die Verantwortung dafür nicht im Bereich der Justiz, sondern eindeutig im Bundeskanz­leramt liegt. Wir haben Aufnahmestopps. Der erste Aufnahmestopp endet am 31. De­zem­ber 2014 – das wäre eigentlich eine gute Sache –, der nächste Aufnahmestopp in einer etwas veränderten Form beginnt aber am 1. Jänner 2015 – daher wird sich daran nichts ändern.

Am Beispiel des Oberlandesgerichtes Linz: Hier wurden der Justiz im Bereich des Fach- und Kanzleidienstes vom Bundeskanzleramt im Jahr 2013 873,5 Planstellen für Vertragsbedienstete und Beamte zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2014 waren es 858,5. Das heißt, es waren schon 15 Planstellen weniger. Es hat zwar eine Vermehrung gegeben, nämlich im Bereich A 2, A 3 der Revisor-Planstellen und auch bei Planstellen im Bereich des Bezirksgerichtes Wels, wo man ein Pilotprojekt für Teamassistenz durchführt. Diese acht Planstellen muss ich von den oben genannten wieder abrech­nen und stelle fest, dass insgesamt in diesem Bereich 23 Arbeitsplätze weniger zur Verfügung stehen. 23 Arbeitsplätze entsprechen in etwa der Größenordnung eines mittleren Gerichtes – das haben wir hier eingespart.

Ein weiterer Punkt: Bei Richtern besteht die Möglichkeit, Ersatzplanstellen zu schaffen, wenn jemand wegen Karenzierung oder eines langfristigen Krankenstandes ausfällt. Bei Rechtspflegern gibt es das nicht, weil sich hier wiederum das Bundeskanzleramt dagegen ausspricht. Das bedeutet aber – wiederum am Beispiel des Oberlandes­ge­richtssprengels Linz –, dass derzeit 33 Rechtspfleger die Herabsetzung der Wochen­dienstzeit in Anspruch nehmen, das sind in Wirklichkeit 13 Vollzeitkapazitäten, was heißt, dass auch hier wiederum personell ein kleines Gericht eingespart wird. Wenn ich hier nicht nachbesetzen kann, kommt noch dazu, dass diese Arbeiten durch Zutei­lungen, durch Mehrleistungen von Mitarbeitern aufgearbeitet werden müssen, damit die Rückstände nicht zu groß werden. Es führt aber auch dazu, wie vorhin erwähnt, dass heute Richter 120 Prozent und auch 125 Prozent Arbeitsleistung erbringen müssen.

Jetzt bildet man gerade im Bereich der Justiz sehr vorbildlich – denn es ist jenes Ministerium, welches das, glaube ich, mittlerweile am längsten macht – sogenannte Verwaltungsassistenten aus. Diese Lehrlinge sind aber heute de facto die Lückenfüller für die Nicht-zur-Verfügung-Stellung der Planstellen durch das Bundeskanzleramt. Ich denke, es kann nicht der Sinn der Sache sein, dass wir Lehrlinge heranziehen, damit diese Abteilungsarbeit machen und in einer Abteilung verschwinden, denn Lehrlinge haben auch ein Recht auf Ausbildung. Das muss man ganz klar hier auch so festhalten.

Herr Bundesminister, abschließend: Tageweise sperren wir die Gerichte zu, wir lassen Stellen unbesetzt, wir sparen Personal ein, wir haben Auslastungen weit über 100 Pro­zent, wir nehmen jetzt die Erhöhung der Wertgrenzen zurück, es gibt Auslagerungen – so wie heute bereits auch erwähnt. Alle diese Bausteine führen letztendlich dazu, dass


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 78

wir der Schließung von weiteren Bezirksgerichten Vorschub leisten. Und wenn man hier die Justiz weiter personell so aushöhlt, dann wird am Ende nicht mehr viel übrigbleiben als die Hülle und dann wird man sich fragen müssen, ob wir im inter­nationalen Vergleich überhaupt noch standhalten können und ob wir diese Spitzenrolle in Europa weiterhin haben und halten können.

Herr Bundesminister, ich ersuche Sie wirklich eindringlich, dass Sie vor allem im Kreise der Regierung und mit dem Koalitionspartner dafür Sorge tragen, dass personelle Ressourcen in größerer Anzahl zur Verfügung stehen, denn spätestens im Jahr 2018 – 2017 bis 2018 – wird es mit Sicherheit zu solchen Engpässen kommen, dass die Mühlen der Justiz womöglich aufhören zu mahlen. Und ich glaube, das wünscht sich niemand. – Wir werden dem Gesetz hier daher auch nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


13.09.09

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ursprünglich habe ich mir kurz überlegt, nicht ans Rednerpult zu gehen, da die Umsetzung eines Resultats von normalem Controlling an und für sich keine tiefgreifende Debatte notwendig machen würde. Denn wenn das Controlling ergibt, dass die beiden Eingangsgerichte, die verschiedenen Stufen, gut bedient sind, dann macht es Sinn, wenn wir diese Maßnahme zurücknehmen.

Dann ist jedoch der liebe Freund Hermann Brückl herausgegangen und hat begonnen, das Weltuntergangsszenario an die Wand zu malen, dass die österreichische Justiz quasi vor dem Aus steht. Da ich gelegentlich auch rechtspraktizierend tätig bin, möchte ich nun doch die Lanze dafür brechen: Das System funktioniert. Die Gerichts­schließun­gen – die da immer an die Wand genagelt und noch weiter hingemalt werden – als Resultat dieses Gesetzes anzusehen, erschließt sich mir nach logischen und dialek­tischen Grundsätzen nicht bis ins letzte Detail.

Ich gebe zum Abschluss noch einen kleinen Hinweis besonders für dich, lieber Kollege Brückl: Wir haben zurzeit 20 Landesgerichte und noch 116 Bezirksgerichte – eines wird 2016 noch wegkommen. Das macht also insgesamt 135. Es ist noch nicht lange her, dass hier ein Minister deiner Partei saß, der das Ziel verfolgte, 64 Eingangs­gerichte zu machen. – Ein interessanter Plan, über den man viel diskutiert hat.

Daher frage ich mich, wenn wir jetzt den Teufel so an die Wand malen, dass die Justiz vor dem Zusammenbruch sei, wie das denn mit 64 Eingangsgerichten hätte funktio­nie­ren sollen. Daher halte ich das Junktim der Umsetzung einer Controlling-Maß­nahme, die richtigerweise umgesetzt wird, mit Allerweltszenarien und Untergangsszenarien der österreichischen Justiz für – vorsichtig gesagt – etwas übertrieben.

Wir werden dieser Umsetzung der Controlling-Maßnahme jedenfalls gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.11


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Bierbauer-Hartinger. – Bitte.

 


13.11.21

Bundesrätin Brigitte Bierbauer-Hartinger (SPÖ, Steiermark): Wertes Präsidium! Herr Bundesminister! Lieber Kollege Fürlinger, du machst es mir schwer oder leicht – je nachdem, wie man es sehen will; ich darf jedenfalls meine Zettel wieder wegpacken.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 79

Deinen ausführlichen Darlegungen zum Beschluss des Nationalrates, die Juris­diktionsnorm zu ändern, ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Dem Szenario der FPÖ können wir von der SPÖ-Fraktion ohnedies nichts abgewinnen. Die FPÖ-Fraktion hat heute bereits einmal gelobt. Anscheinend ist das schon zu viel gewesen, und jetzt verfallen wir wieder in den alten Trott.

Ich möchte daher nur ganz kurz die Eckpunkte definieren, die aus Sicht der SPÖ-Fraktion dazu führen, dass wir dem Beschluss des Nationalrates zustimmen. Der Grund liegt auch darin, dass sich seit der Anhebung der Wertgrenze im Jahr 2013 gezeigt hat, dass die Auslastung bei den Bezirks- und Landesgerichten mit zirka 105 Prozent fast ident ist. Es sind also die Landesgerichte entlastet und auf der anderen Seite die bezirksgerichtlichen Strukturen gestärkt worden.

Das bedeutet, das Ziel, das man sich mit dieser Reform gesetzt hat, wurde schon im ersten Etappenschritt erreicht. Daher ist es nicht notwendig, noch zwei Wertgren­zen­erhöhungen durchzuführen, denn das würde zu einer starken Belastung der Bezirks­gerichte zugunsten der Landesgerichte führen. Wenn die Optimierung erreicht wurde und so eine Auslastung der Zivilgerichte auf allen Ebenen gegeben ist, wäre es kontraproduktiv, Entscheidungen zu treffen, die anderslautend sind.

Deshalb stimmen wir, wie eingangs schon erwähnt, diesem Beschluss zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.13


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


13.13.37

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich entschuldige mich, ich bin jetzt nicht so gut vorbereitet, weil ich direkt von der Präsidiale komme. (Bundesrätin Zwazl: Du kannst gerne verzichten!) – Ich verzichte nicht, das würde der Frau Kollegin Zwazl so passen. Nein, denn ich stimme ja zu, und, so gesehen, kann ich gerne reden.

Grundsätzlich finden wir es richtig, dass es hier eine klare Aufteilung gibt. Ich möchte nur auf einen Punkt hinweisen. Es gab vor Kurzem eine Studie über die Arbeits­aus­lastung an den Gerichten in Österreich. Da gab es auch einen europaweiten Vergleich, wie viele Richter und Richterinnen und wie viele Staatsanwälte und Staats­anwältinnen es pro 100 000 Einwohner und Einwohnerinnen gibt. In Österreich sind es 18 Rich­terInnen pro 100 000 EinwohnerInnen und im Europadurchschnitt sind es 21. – Das ist jetzt noch kein so Riesenunterschied, könnte man meinen, da sind wir knapp hinter dem europäischen Schnitt.

Bei StaatsanwältInnen schaut dieses unterschiedliche Verhältnis natürlich schon etwas dramatischer aus. In Österreich kommen vier StaatsanwältInnen auf 100 000 Einwoh­nerInnen, europaweit sind es elf. Da muss man dann schon sagen, dass bei den StaatsanwältInnen das Verhältnis so erheblich unter dem europäischen Schnitt liegt, dass wir hier personell dringend etwas machen müssen. Ich weiß, dass Verfahren in Österreich im Europavergleich relativ schnell gehen. Das ist auch gut so. Aber wir sollten schon darüber nachdenken, weil wir ein Justizsystem haben, das – salopp gesagt – knapp vor dem Burnout steht. In diesem Bereich würde ich schon sagen, dass wir Handlungsbedarf haben.

Das war der Redebeitrag, den ich noch loswerden wollte, Frau Kollegin Zwazl. Aber wir stimmen zu. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.16



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 80

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte.

 


13.16.05

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Meine Damen und Herren, ich kann eigentlich den wesentlichen Argumenten nur zustimmen. In Wirklichkeit ist der Grund für diese legistische Maßnahme ganz einfach: Wir wollen nicht nur die Voll­beschäftigung in den Haftanstalten sicherstellen, sondern auch bei den Gerichten. Deshalb gibt es ja – Gott sei Dank – ein sehr diffiziles Monitoring und ein Controlling, das uns immer wieder sagt, wie ausgelastet die jeweiligen Gerichte sind.

Aufgrund der bereits erfolgten Anhebung der Wertgrenzen kam es eben dazu, dass wir mit 2013 bei den Bezirksgerichten eine Auslastung von 105,14 im Schnitt haben und bei Gerichtshöfen in erster Instanz um die 104,84 – also etwas darunter liegen. Wenn wir jetzt auch den nächsten Schritt gesetzt und nicht auf die Stopptaste gedrückt hätten, dann hätten wir natürlich die Bezirksgerichte extrem überlastet und arbeits­mäßig die Gerichtshöfe erster Instanz tendenziell ausgehungert.

Das will ich nicht! Ich will, dass wir überall einigermaßen gleichmäßig Vollbe­schäf­tigung haben. Das ist der einzige Grund und das hat nichts mit irgendwelchen mög­lichen oder geplanten Schließungen von Bezirksgerichten zu tun. Überhaupt nicht! Sie wissen, ich bin nicht dafür bekannt, dass ich sehr viel davon halte, einen Kahlschlag bei den Bezirksgerichten vorzunehmen. Ich habe aber auch nie gesagt, dass man weitere Schließungen, dort, wo es im Einvernehmen mit den jeweiligen Ländern Sinn macht, ausschließen könnte. Das sage ich auch nicht. Ich sage nur, Bezirksgerichte sind mir sehr wichtig, sie brauchen eine gewisse Mindestgröße, damit man dort auch das Service entsprechend verbessern kann.

Das ist etwas, was uns sicherlich da oder dort in weiterer Folge beschäftigen wird – nicht mehr viel, aber doch. Es hat überhaupt nichts mit der Notwendigkeit zu tun, dass man immer schauen muss, dass die Auslastung der Beschäftigten einigermaßen gleichmäßig ist. Die Effizienzsteigerung im öffentlichen Dienst ist sicher in unser beider Interesse. Darum geht es, um nichts sonst. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.17


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, recht herzlich für Ihre Zeit und auch für Ihre guten und sehr ausführlichen Antworten bedanken und darf nun recht herzlich die Frau Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner begrüßen. Herzlich willkom­men bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

13.18.44 4. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2013) (III-528-BR/2014 d.B. sowie 9243/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 81

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. Bitte um den Bericht.

 


13.19.00

Berichterstatter Gerhard Schödinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Sicherheitsbericht 2013.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den vorliegenden Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


13.19.45

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gestern im Ausschuss für innere Angelegenheiten schon meinen Unmut bekun­det und gesagt, dass es eigentlich, sagen wir einmal, höchst unwürdig ist, dass wir im November 2014 über den Sicherheitsbericht 2013 diskutieren und uns hier über Zahlen auslassen oder diskutieren, die in der Zwischenzeit längst überholt sind. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Ungeachtet dessen erkenne ich aber natürlich, dass es sinnvoll und notwendig ist, dass wir uns mit dem Bericht auseinandersetzen. Daher darf ich eingangs feststellen, dass der gegenständliche Sicherheitsbericht 2013, wenn man ihn plakativ, oberfläch­lich heranzieht, durchaus positive Trends betreffend Kriminalitätsentwicklung zeigt.

So gibt es einen Rückgang der Kriminalität um 0,3 Prozent als generellen Wert, es gibt eine Steigerung der Aufklärungsquote um 0,5 Prozent; das ist damit mit 43,1 Prozent der zweithöchste Wert in den letzten zehn Jahren. Es gibt eine anhaltend hohe Auf­klärungsrate bei Gewaltverbrechen, nämlich 82,3 Prozent. Man könnte also salopp sagen, toller Bericht, Deckel zu. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Wenn ich aber – und darum bin ich ja Kontraredner, Kollege Mayer, aufpassen, gut zuhören, dann lernen Sie noch etwas – ein bisschen ins Detail gehe, dann gibt es doch einigen Zahlenoutput, der eigentlich erschreckend ist. So gut sich die Kolleginnen und Kollegen der Exekutive, der Polizei auch bemühen, ihre Arbeit gut zu erledigen – was ja grundsätzlich auch der Fall ist, und was wir, zumindest ich, von dieser Stelle auch lobend anerkennen möchten –, so differenziert sind doch einzelne Werte zu betrachten, die wir uns nun näher anschauen wollen.

Wenn ich da lese, dass die Zahl der Verbrechen in Wien um 11 Prozent gestiegen ist, wenn ich da lese, dass die Zahl der Ladendiebstähle generell um 36,2 Prozent ge­stiegen ist, wenn ich da lese, dass die Zahl der Raube in öffentlichen Verkehrsmitteln gar um 165,6 Prozent gestiegen ist, und wenn ich da lese, dass die Zahl der Einbruch­diebstähle in Geldinstituten, Banken und Wechselstuben sogar ein Plus von 500 Pro­zent ausweist, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob hier inhaltlich, nämlich seitens Ihres Ressorts, Frau Bundesministerin, auch tatsächlich alle Möglichkeiten optimal ausgeschöpft wurden. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 82

Es ist nämlich interessanterweise zu bemerken, dass gerade bei den Einbruch­diebstählen in Wohnungen und Wohnhäusern, die insgesamt um 7,1 Prozent gestie­gen sind, der Anteil der ausländischen Tätergruppen, nämlich da speziell Rumänen, Serben und Albaner, 72 Prozent ausmacht. 72 Prozent Ausländerkriminalitätsanteil bei den Einbrüchen in Wohnungen und Wohnhäuser!

Bei den Kfz-Diebstählen gibt es ebenfalls einen extrem hohen Anteil an ausländischen Tätergruppen, und dasselbe ist auch bei den Ladendiebstählen zu vermuten. Und da kommen wir wieder einmal zu der politischen Frage: Wie kann man das unterbinden? Oder: Warum führt man nicht ein, was nicht nur die Freiheitliche Partei in diesem Zusammenhang immer wieder fordert, sondern was auch von Landeshauptleuten in ihrer politischen Ausübung in letzter Zeit sehr oft gefordert wurde, nämlich temporäre Grenzkontrollen?

Ich darf in diesem Zusammenhang den Landeshauptmann des Burgenlandes Hans Niessl erwähnen, der sich am 12. September 2014 auf DiePresse.com für die Ein­führung temporärer Grenzkontrollen ausgesprochen hat.

Auch Landeshauptmann Günther Platter wurde am 17. September vom ORF Tirol folgendermaßen zitiert: „wegen der Zunahme an Asylwerbern kann sich der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ‚punktuelle Kontrollen da oder dort‘ vor­stellen“.

Ebenso sprach sich auch der Landeshauptmann von Oberösterreich Josef Pühringer, am 17. September auf salzburg.com, in der Online-Version der „Salzburger Nach­richten“ für Grenzkontrollen aus.

Wir bleiben in guter Gesellschaft. Auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer schließt sich in der Frage von Grenzkontrollen seinen Kollegen Josef Pühringer und Günther Platter an. – Das sage nicht ich, das steht auf salzburg.com, der Online-Version der „Salzburger Nachrichten“, datiert vom 18. September 2014. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wir bleiben in prominenter Gesellschaft. Auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser könnte sich laut kurier.at, Artikel vom 17. September Grenzkontrollen grund­sätzlich vorstellen. Auch Landeshauptmann-Stellvertreter Siegfried Schrittwieser sagt im selben Artikel: „Sollte die Union“ – ich nehme an, er meint die EU – „weiter nur zögerlich agieren, bin ich ebenfalls für zeitlich befristete Grenzkontrollen.“

Ich könnte das jetzt noch ein bisschen ergänzen, da gibt es noch einige Landes­hauptleute oder deren Stellvertreter. (Bundesrätin Zwazl: Wallner ist nicht dabei, ich habe aufgepasst!) – Wallner! Frau Präsidentin Zwazl? Ihren Kollegen Wallner, den Vorarlberger Landeshauptmann könnte ich da auch noch zitieren. Vorarlberg online beziehungsweise vol.at titelt am 18. September: „Grenzkontrollen: Wallner dafür, wenn Sicherheitslage es erfordert.“

Diese honorigen Landeshauptleute, deren Stellvertreter und Landespolitiker stellen unisono das fest, was die Freiheitliche Partei seit geraumer Zeit sagt, nämlich dass man dieser dramatischen Kriminalitätsentwicklung, insbesondere in der Eigentums­krimi­nalität, nur durch temporäre Grenzkontrollen effektiv und nachhaltig begegnen kann.

Es hat in der Vergangenheit schon mehrmals Gelegenheit gegeben, darzustellen, dass das möglich ist. Am bekanntesten ist die Euro 2008 gewesen, als es diese Grenz­kontrollen gab. Es gab sie zwischenzeitlich bei Großveranstaltungen auch punktuell, räumlich gesehen,


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 83

All denjenigen, die sagen, das geht alles nicht, denn das ist EU-Recht, das kann man nicht, das will man nicht, das ist EU-rechtlich nicht durchzubringen, sei damit gesagt: Auch das ist möglich. (Bundesrätin Zwazl: Pröll ist abgegangen!)

Ich könnte unter anderem auch ein Zitat von Erwin Pröll bringen. Wollt ihr es hören? Willst du es hören, Frau Präsidentin? Ich sage es dir. Er hat am 16. September 2014 gesagt: Es ist „an der Zeit, ein Konzept zu erarbeiten, mit dem man Grenzkontrollen wieder einführt - und zwar im Bedarfsfall von einem Tag auf den anderen ().“

Also für die Frau Präsidentin haben wir jetzt auch den Landeshauptmann von Nieder­österreich zitiert, um ja keinen auszulassen, denn wir wollen ja nicht diskriminierend sein. (Bundesrat Stadler: Sie fühlt sich geehrt! – Allgemeine Heiterkeit.)

Jetzt darf ich aber zum eigentlichen Punkt meiner Rede und meines Ansinnens zurück­kommen, nämlich das fortzusetzen, was die Landeshauptleute sehr eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht haben, die Forderung nach Grenzkontrollen. Ich darf daher stellvertretend für diese Landeshauptleute auch einen Antrag einbringen, der genau das einfordert, was die Landeshauptleute in den Bundesländern alle gefordert haben.

Ich darf folgenden Entschließungsantrag stellen:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, auf Grund der unkontrollierten Migration von Flüchtlingen, der steigenden Schleppertätigkeit und des Kriminaltouris­mus schnellst möglich temporäre Grenzkontrollen einzuführen.“

*****

Ich denke, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass Sie Ihren Landeshauptleuten nicht widersprechen wollen. Daher sehe ich einer Zustimmung Ihrerseits zu diesem Entschließungsantrag mit freudiger Erwartung entgegen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Der von den Bundesräten Werner Herbert, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag be­tref­fend Durchführung temporärer Grenzkontrollen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Ing. Ebner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.29.40

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Minister! Es geht um den Sicherheitsbericht 2013. Wie wir wissen, es haben ihn ja alle gelesen, besteht dieser Sicherheitsbericht aus zwei Teilen, nämlich aus dem Teil Kriminalität und aus dem Teil Justiz. Deswegen sitzt auch Herr Minister Brandstetter noch da, Herr Kollege Herbert, falls du das übersehen hast. (Bundesrat Herbert: Nein!) Er ist genau deswegen da, weil es zwei umfangreiche Berichte gibt, die sehr, sehr gut erarbeitet wurden.

Um kurz auf die Ausführungen des Kollegen Herbert einzugehen: Es ist ja typisch für die FPÖ Niederösterreich, was du hier heute wieder geliefert hast: Vernadern, schlechtmachen, schlechtreden, aber in Wirklichkeit nichts zusammenbringen, nicht arbeiten. Das ist typisch für die FPÖ Niederösterreich. (Widerspruch bei der FPÖ.)

Ich bin der Meinung, gut gelernt, aber schlecht umgesetzt. Anstatt zu vernadern und zu verunsichern, wäre es besser, konstruktiv mitzuarbeiten. Dieser Bericht, der heute vor-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 84

liegt, zeigt auf, wie erfolgreiche Sicherheitspolitik in Niederösterreich funktionieren kann.

Ich möchte zunächst auf den Justizbericht eingehen. Der Justizbericht gibt einen sehr umfangreichen und sehr positiven Einblick in die Arbeit des Justizministeriums, einen Überblick über die Verfahren, die Verurteilungen, den Strafvollzug, über gesetz­gebe­rische Tätigkeiten im Kriminalrecht, über Reformen des Strafprozesses, Hilfeleistungen für Verbrechensopfer, über internationale Zusammenarbeit in Strafsachen sowie über organisierte Maßnahmen bei den Justizbehörden – all das in sehr, sehr gut und umfangreich dargestellten positiven Zahlen für Österreich.

Ich möchte einige Zahlen herausgreifen, weil es mir wichtig ist, dass wir auf diese ein­gehen. Der erste Punkt betrifft die Verfahren. Es wurden insgesamt 250 000 Ver­fahren endgefertigt, das heißt beendet; um 4 000 weniger als 2012, aber eine durchaus sehr beachtliche Zahl, die die intensive Arbeit unserer Justiz in Österreich wider­spiegelt.

Die Verurteilungsstatistik zeigt, dass rund 52 000 Delikte verurteilt wurden. Da ist positiv anzumerken, dass es einen Bereich gibt, der wirklich aus dieser Statistik heraussticht, dass die Zahl bei den Jugendlichen drastisch zurückgegangen ist. Es ist ein Rückgang von immerhin 12,3 Prozent. Es wurde heute bereits in der Fragestunde sehr ausführlich auf diesen Bereich eingegangen.

Der dritte Punkt, den ich herausgreifen möchte, weil ich finde, dass er sehr positiv ist, ist die Diversion. Die Diversionsangebote sind um 1,4 Prozent gestiegen, quasi acht von zehn Diversionsverfahren wurden erfolgreich abgeschlossen.

Der vierte Punkt, der wirklich sehr, sehr positiv ist, weil er auch mit Geld zu tun hat, ist der Bereich vermögensrechtliche Anordnungen: Wir haben vermögensrechtliche Anord­nungen in der Höhe von 9,3 Millionen €. Somit wurde in diesem Bereich ein Plus von 15,6 Prozent erreicht.

Sie sehen also, es ist ein sehr, sehr umfangreicher Bericht, ein sehr, sehr guter Bericht, der viele Zahlen bringt, der viele positive Zahlen bringt. Er bringt keine Über­raschungen, sondern zeigt nur die intensive Arbeit unserer Justiz. Er bringt keine Fakten, mit denen man nicht gerechnet hat. Es ist vieles positiv. Natürlich gibt es auch einige Herausforderungen, die in Zukunft zu lösen sind; aber ich bin fest davon über­zeugt, dass das Justizministerium mit unserem Minister Brandstetter da sehr gute Arbeit leisten und das auch entsprechend umsetzen wird. – Das war der erste Teil des Berichts, der Bericht Justiz.

Nun kommen wir zum zweiten Teil des Berichts, zur Kriminalität. Ich möchte aus dem Bericht zitieren, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass man das an den Beginn dieser Diskussion und dieser Debatte stellt. Ich möchte unsere Innenministerin zitieren, die in ihrem Vorwort ganz klar sagt:

„Sozialer Friede, Sicherheit und Freiheit sind zentrale Bedürfnisse der Menschen in Österreich. Sie bedeuten Lebensqualität. Unsere Vision ist es daher, Österreich zum sichersten Land der Welt mit der höchsten Lebensqualität zu machen.“

Da möchte ich wirklich gratulieren, weil wir auf einem sehr guten Weg in dieser Richtung sind, Österreich zum sichersten Land der Welt zu machen. Wir haben sehr viele positive Aspekte in diesem Tätigkeitsbericht 2013 gefunden. Wir in Österreich können zu Recht auf die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten draußen und auf das hohe Maß an Sicherheit in unserem Land stolz sein.

Die Eckzahlen zeigen es, einiges hat Kollege Herbert sogar schon positiv erwähnt, wobei es mich freut, dass er das positiv erkannt hat. Es sind 1 631 Delikte weniger bei


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der Kriminalität, und die Aufklärungsrate ist um 0,5 Prozent auf 43,1 Prozent ange­hoben worden.

Aber, und das ist wichtig, ein so dichtes Sicherheitsnetz bedarf natürlich unendlich vieler kleiner Fäden, die zusammenwirken, zusammenhalten, um diese erfolgreichen Zahlen auch zu erreichen. Deswegen an dieser Stelle auch im Namen meiner gesamten Fraktion ein ganz großes Danke an alle Polizistinnen und Polizisten da draußen, die für unsere Sicherheit in Österreich immer wieder sorgen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte auf drei Punkte eingehen, weil es mir wichtig ist, da auch inhaltlich einige Punkte herauszustreichen. Der erste Punkt ist die kostenlose Bürgerinformation. Es geht um kriminalpräventive Tätigkeiten. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 385 000 Öster­reicherinnen und Österreicher über Maßnahmen zur Prävention informiert.

Gerade wir in Niederösterreich setzen sehr stark auf diese Information, auch in Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich. Ich möchte nur ein Projekt hervorheben, nämlich die Wohnbauförderung Sicheres Wohnen, die es in Niederöster­reich gibt. Im Rahmen dieser Förderungen werden in Niederösterreich bis zu 30 Pro­zent der Investitionskosten für Alarm- und Sicherheitsanlagen gefördert.

Wir gehen da sehr offensiv hinaus in die Gemeinden, veranstalten Informationsabende gemeinsam mit den Polizistinnen und Polizisten, um darüber zu informieren. Gerade jetzt, zu dieser Jahreszeit ist es umso wichtiger, auf diese Themen hinzuweisen.

Der zweite Punkt, den ich herausstreichen möchte, ist das Erfolgskonzept Soko; Sonder­einsatzkommandos. Wir alle wissen, wir brauchen Schwerpunktmaßnahmen. Wir brauchen gezielte Maßnahmen, um auf die einzelnen Themen eingehen zu kön­nen. Wir müssen ständig Maßnahmen setzen, um noch mehr über das Kriminalitäts­verhalten herauszufinden, um uns dann auch dementsprechend anzupassen.

Es gibt Erfolgskonzepte, bei denen unsere Polizistinnen und Polizisten dort hingeführt und dort eingesetzt werden, wo wir sie aktuell zu diesem Zeitpunkt punktgenau brauchen. Allein im Jahr 2013 wurden 129 Straftäter durch diese Programme, die ge­setzt wurden, dingfest gemacht.

Der dritte Punkt, den ich herausgreifen möchte, hat – leider, muss man fast sagen – aktuelle politische Relevanz bekommen, das ist das Thema Kampf gegen Drogen­handel. 2013 betrug der Anstieg in diesem Bereich 18,6 Prozent. Es wurden insgesamt Drogen im Wert von 22,6 Millionen € sichergestellt. Und das Positive in dieser Sache ist: Seit 2012 gibt es Sonderermittler in diesem Bereich, und die haben bereits 169 Personen dingfest gemacht.

Politisch relevant ist es zurzeit deswegen geworden, weil eine kleine Parlamentspartei hergegangen ist und wieder einmal die Legalisierung von Cannabis gefordert hat, und darüber hinaus gleich die Legalisierung aller Drogen, was komplett widersprüchlich ist.

Ich sage ein klares Nein zu dieser Legalisierung. Ich danke auch in diesem Fall der Gesundheitsministerin, die am Sonntag in der „Pressestunde“ ein ganz klares Commitment gezeigt und zur Legalisierung von weichen Drogen ganz klar Nein gesagt hat. Im Gegensatz zur Position eines Teils ihrer eigenen Parteijugend und natürlich auch im Gegensatz zur Position der NEOS bekannte sich die Ministerin klar zur Nichtlegalisierung von weichen Drogen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte allen Polizistinnen und Polizisten garantieren: Wir stehen mit voller Kraft hinter Ihnen. Polizeiarbeit darf nicht für politische Zwecke missbraucht werden, wie wir es leider immer wieder erleben. Wir in Niederösterreich sind da leider im letzten Jahr etwas geprüft worden.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 86

Wenn wir uns zurückerinnern: Vor einem Jahr hat der Wilderer von Annaberg gewütet, hat drei Polizisten und einen Rotkreuz-Mitarbeiter, man muss fast sagen, hinge­schlachtet, rücklings erschossen, was wirklich dramatisch war. Aber das wahre Problem war, dass am Tag danach sogar das von einigen Parteien politisch miss­braucht wurde. Da hat man ganz klar gesagt, da müssen wir einen Schuldigen finden, da waren die Opfer schon wieder weit weg. – Eines der Opfer habe ich persönlich gekannt. – Es ist in dieser Situation darum gegangen, dass man einen Schuldigen findet und politisch dingfest machen kann.

Ich möchte ein Dankeschön sagen, nämlich unseren Polizistinnen und Polizisten und auch der Frau Bundesministerin, die ganz klar gesagt hat: So etwas darf nicht mehr vorkommen! Wir brauchen da Maßnahmen, die gesetzt werden und gesetzt wurden, und wir müssen dieses Mahnmal von Annaberg auch immer wieder in Erinnerung halten.

Deswegen wurde heuer im September ein Denkmal vor Ort errichtet, mit dem wir unter anderem darauf hinweisen, wie wichtig es für uns ist, dass man solche Tragödien, die passiert sind, nicht parteipolitisch missbraucht – und schon gar nicht in eine Personal­vertretungswahl hineinzieht, wie es eine Partei zurzeit leider macht, die zwar AUF heißt, aber in Wirklichkeit auch A und F bedeuten kann. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das Verhalten bei manchen Personalvertretungswahlen ist natürlich auch ein Thema  (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) AUF  (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – A und F – das ist eure Bezeichnung! Ich habe es nur so gesagt, wie ihr euch auch selbst bezeichnet. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Es darf eines nicht passieren: dass Personalvertretungswahlen in die Tagespolitik, was die Sicherheit betrifft, hineinspielen. Sie wissen, in der Liebe und im Wahlkampf ist vieles erlaubt, aber es sollte für politische Wahlkämpfe nicht alles erlaubt und auch missbraucht werden. Daher eine klare Aufforderung an alle: Lassen wir die Kirche im Dorf! Bleiben wir bei der Wahrheit! Verbreiten wir nicht Unwahrheiten, wie es in manchen Ressorts leider passiert! Verbreiten wir nicht Verunsicherung, wie es in manchen Bereichen der Fall ist, wo man als politischer Vertreter bewusst mit Falsch­informationen hinausgeht, um zu verunsichern und vielleicht politisches Kleingeld zu wechseln.

Bleiben wir bei der Wahrheit! Nämlich: dass der Sicherheitsbericht 2013 bescheinigt hat, dass man erfolgreich war, dass die Polizei, die Polizistinnen und die Polizisten, die für uns tagtäglich draußen stehen, um gegen die Kriminalität zu kämpfen, die tagtäglich im Sinne unserer Sicherheit aktiv sind, ausgezeichnete Arbeit leisten.

Ich gratuliere beiden Ministern zu diesem Bericht. Wir werden ihn gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.41


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


13.41.44

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich nur eine tatsächliche Berichtigung anbringen, muss aber mittlerweile schon zwei tatsächliche Berichtigungen machen.

Zum einen hat Kollege Ebner gerade behauptet, ich hätte in meiner Rede Vernaderung betrieben. (Ruf bei der ÖVP: Das hat er nicht gesagt!)


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 87

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe niemanden angeschwärzt, niemanden vernadert, ich habe nur die Aussagen der Landeshauptleute in den Medien zitiert.

Offensichtlich hat der Kollege Ebner ein kleines Problem mit den Begrifflichkeiten der deutschen Sprache. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Eine Vernaderung wäre das jetzt keine gewesen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Geh bitte, er wird schon etwas aushalten, er war ja auch nicht schlampert!

Die zweite tatsächliche Berichtigung betrifft die Aussage des Kollegen Ebner, die Personalvertretungsfraktion AUF heißt „A und F“.

Ich berichtige tatsächlich: AUF steht für Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher – eine sehr erfolgreiche Personalvertretungsfraktion, die hoffentlich bei den jetzigen Personalvertretungswahlen auch den Zuspruch der Polizistinnen und Polizisten, so wie es erwartet wird, bekommen wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Das war eine Wahlrede und keine tatsächliche Berichtigung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.43.11

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich will nur noch zwei kurze Bemerkungen zum Sicherheitsbericht 2013 machen, soweit er mein Ressort und meine Zuständigkeit betrifft.

Wie schon gesagt worden ist: Ja, es ist in diesem Bericht vieles enthalten, was an sich sehr positiv ist. Das zeigt, dass wir Gott sei Dank auch bei unseren Gerichten Vollaus­lastung haben und dort auch wirklich gute Arbeit geleistet wird. Das ist schon richtig! Aber es gibt, und zwar auch aus meiner Sicht, zwei Punkte, die auffallen: Der eine Punkt ist positiv, der andere ist nicht positiv. Ich möchte ganz bewusst beide kurz beleuchten.

Wir haben im Zuge der vermögensrechtlichen Abschöpfungen tatsächlich deutlich mehr erzielt, eine mächtige Steigerung erreicht. Wir konnten jetzt immerhin 9,3 Millio­nen € lukrieren. Das ist eine Steigerung von 15,6 Prozent. Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, warum das gelungen ist. Und zwar: Das ist nicht allein aufgrund der legistischen Maßnahmen gelungen, die dem zugrunde liegen, sondern es ist dadurch gelungen, dass wir bei den Staatsanwaltschaften einzelne Staatsanwälte speziell in diese Richtung geschult haben. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass es gar nicht so viel hilft, wenn man nur legistisch alles Mögliche an tatsächlichen Chancen eröffnet, hier konkret vorzugehen, sondern man muss wirklich schauen, ganz bodenständig vor Ort: Gibt es da auch entsprechende Leute, die das so umsetzen können, wie es sein soll, damit man auch die gewünschten Ergebnisse erzielt?

Das bedeutet natürlich auch immer, dass entsprechende Maßnahmen beim Plan­stellenbedarf zu setzen sind, und, und, und, das ist keine Frage. Aber ich wollte es nur einmal erwähnt haben, weil man daran auch sieht, wie man solche Erfolge erzielen kann. Da bedarf es auch ganz konkreter Maßnahmen, wie etwa der angesprochenen Spezialschulung für Staatsanwälte.

Zweiter Punkt, und der ist nicht erfreulich, ich kann es nur noch einmal sagen: Wir haben im Maßnahmenvollzug bei der ersten Gruppe, die zurechnungsunfähige Straf­täter betrifft, laut Sicherheitsbericht eine Steigerung von 85 Prozent gegenüber dem Jahr 2000, und wir haben im Maßnahmenvollzug in Bezug auf die zweite Gruppe, näm-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 88

lich die nichtzurechnungsunfähigen, aber im Maßnahmenvollzug zu integrierenden Täter, tatsächlich mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu den Daten des Jahres 2000. Das heißt: Die Zahl der Insassen im Maßnahmenvollzug hat sich mehr als verdoppelt.

Ich sage das auch deshalb, weil ich diese Gelegenheit dazu nutzen möchte, um bei Ihnen um Verständnis und Unterstützung zu werben. Wir brauchen wirksame Unter­stützung von allen Seiten, um diese wirklich schwierigen Aufgaben im Sinne von not­wendigen Reformen zu bewältigen. – Das wollte ich noch gesagt haben. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.45


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Füller zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.45.55

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn man sich den vorliegenden Sicherheitsbericht 2013 genau durch­liest, so wäre man durchaus verführt, viele oder sämtliche Punkte aus diesem Bericht herauszunehmen und anzusprechen. Kollege Ebner hat ja schon sehr viele Punkte in diesem Bericht, die das Justizressort betreffen, eingehend beleuchtet.

Man kann generell, wenn man diesen Bericht hernimmt – und Kollege Herbert, das hat nichts mit „oberflächlich lesen“ zu tun –, feststellen, dass die Zahl der Verbrechen in Österreich zurückgeht. Die Frau Bundesministerin hat ja in der Nationalratsdebatte einen Langzeitvergleich anhand einer Zahl dargestellt, nämlich: Während es im Jahre 2013 540 000 Anzeigen waren, hat es im Jahre 2004 rund 640 000 Anzeigen gegeben, also in zehn Jahren eine Reduktion von rund 100 000 Anzeigedelikten.

Wir haben laut diesem Sicherheitsbericht die zweithöchste Aufklärungsrate der letzten zehn Jahre – eine großartige Leistung, ein Umstand, der unseren Polizistinnen und Polizisten in diesem Land zu verdanken ist! Daher möchte ich diese Debatte zum Anlass nehmen, mich auch heute für die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten zu bedanken, dafür Danke zu sagen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Selbstverständlich steht außer Zweifel, dass im Bereich innere Sicherheit auch per­sonelle Zuwächse notwendig sind. Diese gibt es auch. Während der Bund seit 1997 40 000 Beamte abgebaut hat, wurde bei der Polizei die Zahl der Planstellen in den letzten Jahren erhöht. In der Debatte zur Erklärung des Vizekanzlers hat Kollege Zelina ja eigentlich nur mehr vom „fetten Staat“ gesprochen, obwohl in den letzten 17 Jahren 40 000 Beamtinnen und Beamte abgebaut wurden.

Unumgänglich ist aber auch die Frage der Ausrüstung unserer Exekutive. Dort müssen wir den Beamtinnen und Beamten die entsprechende Ausrüstung zuteilwerden lassen.

Natürlich ist jede Straftat eine zu viel. Wir wissen, dass, gerade wenn es um Eigen­tums­delikte geht, aber vor allem um Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen Leib und Leben, die Betroffenen sehr lange an den Folgen zu leiden haben, das Erlebte mit sich tragen und in einem Gefühl der Unsicherheit leben. Daher hat eine der wesentlichen Investitionen in unsere Sicherheit im Bereich der Prävention zu ge­sche­hen. Dort sind die Schwerpunkte zu setzen. Und das geschieht auch.

Aber auch eine gute Sozialpolitik und eine gute Bildungspolitik unterstützen unsere Möglichkeiten, das Land Österreich sicherer zu machen. Insofern freut es mich, dass aus diesem Bericht auch hervorgeht, dass besondere Anstrengungen im Bereich der Prävention unternommen werden. So wurden im Jahr 2013 von den Mitarbeiterinnen


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 89

und Mitarbeitern in den verschiedensten Abteilungen auf dem Gebiet der Kriminalprä­vention über 38 000 Beratungen durchgeführt. Damit konnten über 380 000 Menschen mit Information erreicht werden.

Viele hunderte Gemeinden – ich kenne es auch aus meinem eigenen Umfeld, aus meiner eigenen Gemeinde – veranstalten zusammen mit der Exekutive Vortrags­abende, um Informationen an die Bevölkerung weiterzugeben. Viele hunderte Schulen holen sich Exekutivbeamte in den Unterricht, um Aufklärung zu betreiben. Für solche Initiativen kann man nur dankbar sein.

Wir haben den Bericht auch schon im Innenausschuss vorgestern sehr ausführlich und eingehend diskutiert. Es freut mich besonders, dass in meiner eigenen Heimat in der Obersteiermark West, also in den Bezirken Murtal und Murau, zum Beispiel bei Vergehen gegen fremdes Eigentum Rückgänge von 15,8 Prozent beziehungsweise 9,8 Prozent feststellbar sind.

Bei den Vergehen und Straftaten gegen Leib und Leben ist der Rückgang mit 1,9 Pro­zent in Murau zwar geringer, aber im Bezirk Murtal mit 19,5 Prozent  umso beträcht­licher.

Wenn man die Zahl der Vergehen und Straftaten im Zusammenhang mit den Einwoh­nern auf die Bezirke umrechnet und genauer anschaut, sieht man, dass diese Rück­gänge umso beträchtlicher sind. Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ – und wir haben das auch im Ausschuss erlebt – heute wieder einmal diesen Sicherheitsbericht zum Anlass nehmen, um Österreich wie Chicago 1930 darzustellen, gewissermaßen als Hort der Kriminalität. Dabei nehmen sie zum Teil nur solche Zahlen aus dem Bericht heraus, die ihre vermeintlichen Argumente untermauern können.

Herr Kollege Herbert, seit Wochen erleben wir das in den Ausschüssen, an den Plenar­tagen: Wenn Sie könnten, ich weiß nicht, ob Sie welche haben, würden Sie auch Ihre Hühneraugen benutzen, um in Richtung Personalvertretungswahlen schielen zu können! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Aber dieser Bericht erteilt Ihnen – Sie können ja dann eine tatsächliche Berichtigung machen – eine eindeutige Absage. Daher ist es uns eine Freude, diesen Bericht so auch zur Kenntnis nehmen. Ich bedanke mich recht herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen von der Polizei. Danke für diese hervorragende Arbeit! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.51


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


13.52.50

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Ich habe die Debatte kurz nicht verfolgen können, weil ich bei A&F hängen­geblieben bin. Ich habe nämlich die ganze Zeit gedacht: Wieso reden die jetzt von einem US-amerikanischen Modelabel? – Da sieht man einmal wieder, A&F kann man auch anders verstehen. Aber ich habe gedacht: Was hat jetzt ein amerikanisches Modelabel mit Sicherheit zu tun? Okay, kann passieren. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wir diskutieren ja den Sicherheitsbericht 2013, und ich möchte jetzt nicht wiederholen, was hier (der Redner deutet auf den auf dem Rednerpult liegenden Sicherheitsbericht) noch liegt, auch nicht das, was die Redner vor mir gesagt haben. Das Auswerten der Statistik ist bereits geschehen. Schade finde ich, dass der Herr Bundesminister für Justiz schon gegangen ist, weil mich etwas interessiert hätte, das ich auch bereits im Ausschuss gefragt habe. Das hängt damit zusammen, dass es erfreulicherweise einen


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 90

Rückgang der Zahl von Anzeigen und Verurteilungen gibt. Das ist grundsätzlich durch­aus etwas Erfreuliches. Den Garten Eden versprechen kann man nicht. Das Wichtigste ist ja, dass man präventiv gegen Kriminalität arbeitet und dass man dann, wenn etwas passiert, das Verbrechen aufklärt.

Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum der Häftlingsstand gestiegen ist. Diese Logik ist mir nicht ganz klar. Es hätte mich nur interessiert: Was kann die Ursache dafür sein, dass Anzeigen und Verurteilungen zurückgehen und der Häftlingsstand steigt? Hat sich da im Justizsystem etwas verändert? Wie gesagt, schade, dass wir das jetzt nicht  (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Mikl-Leitner.) – Wahrscheinlich ist es auch die Art der Delikte, wie Sie, Frau Ministerin, auch sagen. Aber es wäre interessant, das zu wissen.

Besonders auffällig ist für uns der starke Anstieg bei Auskünften über Bankkonten und Bankgeschäfte. Diesen doch erheblichen Anstieg werten wir als Zeichen dafür, dass offensichtlich wesentlich mehr Wirtschaftsverbrechen geschehen sind. Stark aufge­fallen ist uns auch der Anstieg bei den Nachrichtenüberwachungen. Das war eine enorme Steigerung von 2 242 im Jahr 2012 auf 3 016 im Jahr 2013.

Ich möchte jetzt diesen Sicherheitsbericht zum Anlass nehmen, auf einen Punkt hinzu­weisen, den die Grünen immer wieder betonen, wenn sie sagen, was die beste Sicher­heitspolitik ist; das wurde auch von den Vorrednern angedeutet.

Die beste Sicherheitspolitik ist und bleibt die soziale Sicherheit. Soziale Sicherheit ist die beste Prävention jeglicher Sicherheitspolitik. Da können wir noch so oft darüber reden, wie viele Verbrechen aufgeklärt wurden. Wenn wir wollen, dass Kriminalität grundsätzlich zurückgeht, dann müssen wir Armut bekämpfen, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in einem vereinten Europa natürlich auch grenzüberschreitend; in einem Europa ohne Grenzen – erfreulicherweise! –, denn durch Grenzschließungen wird es, 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, garantiert nicht sicherer werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. Das halte ich für einen der wichtigsten Aspekte, der immer wieder betont werden sollte.

Ich möchte jetzt nicht die gestrige Sondersitzung des Nationalrates wiederholen, das wäre sinnlos, doch wenn wir schon über Sicherheit sprechen, sollten wir über ein Thema sprechen, das in den letzten Tagen und Wochen sehr intensiv diskutiert wurde: die Situation von österreichischen Dschihadisten und auch Dschihadistinnen.

Frau Ministerin Mikl-Leitner, ich möchte mich diesbezüglich ausdrücklich bei Ihnen bedanken. Ich habe Sie natürlich dazu in vielen Diskussionen erlebt. Sie blieben sehr sachlich. Sie blieben sehr differenziert. Sie haben in keiner Weise irgendwie auf pau­schale Verurteilungen, auf Pauschalisierungen zurückgegriffen. Im Gegenteil: Sie haben diese ganz dezidiert und ganz scharf zurückgewiesen. Ich glaube, dass das wichtig ist, auch parteiübergreifend – minus einer Partei, sage ich jetzt auch ganz bewusst –, damit wir hier nicht eine gesamte Bevölkerungsgruppe in einen Topf werfen. Das passiert leider, und das ist der sozialen Sicherheit in diesem Land natürlich alles andere als zuträglich.

Gleichzeitig müssen wir intensiv darüber nachdenken – und da komme ich wieder zum Thema Prävention –, wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Was ist der Grund für junge Männer und junge Frauen, die nicht einmal religiös sind, dass sie sich dort abgeholt fühlen? Das ist wirklich etwas, was mich zutiefst bewegt, was mich zutiefst nachdenken lässt. Dazu gibt es einige Vorschläge – nicht nur von den Grünen, sondern von vielen Menschen aus der Zivilgesellschaft –, wie man deradikalisieren kann und wie man Jugendliche, die sich offensichtlich außer von Dschihadisten von niemandem abgeholt fühlen, auch auffangen kann.


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So wie auch bei Nationalsozialisten muss es auf jeden Fall Hilfestellung für Aussteiger und Aussteigerinnen geben. Das halte ich für einen der wichtigsten Punkte. Wir brauchen zudem eine echte Präventionsarbeit in den Schulen. Wir brauchen eine Prä­ventionsarbeit in den Berufsschulen und in den Betrieben. Wir müssen darüber reden. Das ist nicht nur eine politische, sondern tatsächlich auch eine gesamtgesell­schaftliche Aufgabe. Da müssen wir Lehrern und Lehrerinnen helfen und da müssen wir auch den Betrieben helfen, wenn es um Fragen geht, wie zum Beispiel: Wie geht man damit um? Wo melde ich etwas? Denn die wissen zum Teil nicht: Wohin kann ich mich überhaupt wenden, wenn ich in meinem Betrieb, bei einem Lehrling oder bei wem auch immer, etwas wahrnehme? – Das halte ich für notwendig!

À la longue, glaube ich, müssen wir unbedingt über den Religionsunterricht in den Schulen sprechen. Dabei wäre zu diskutieren, ob wir jetzt nicht doch endlich einen gemeinsamen Ethikunterricht in diesem Land umsetzen sollten – auch als deradikali­sie­rende und deeskalierende Maßnahme. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

13.58


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

 


13.58.45

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bin dankbar, dass heute hier im Rahmen dieser Sitzung das Thema Sicherheit im Mittelpunkt steht. Wenn wir von Sicherheit sprechen, dann, so meine ich, können wir auch stolz auf die Situation hier bei uns in Österreich sein. Österreich zählt weltweit zu einem der sichersten Länder, wir liegen da auf Platz 6 und im europäischen Vergleich auf Platz 3.

Dass wir gut unterwegs sind, zeigt neben dem Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2013 auch, wie bereits von einem meiner Vorredner angesprochen, der Langzeitvergleich. Wenn wir uns die letzten zehn Jahre anschauen, dann sehen wir, dass wir vor zehn Jahren noch 640 000 Delikte zu verzeichnen hatten, während es im Jahr 2013 540 000 Delikte waren. Das bedeutet, dass 100 000 Delikte weniger verübt wurden – trotz neuer Deliktsformen wie Handydiebstählen oder eben des gesamten Bereichs der Cyber-Kriminalität. Das heißt, wir sind da zweifelsohne gut unterwegs.

Auch im Jahr 2013 konnten wir um 1 631 Anzeigen weniger verzeichnen und auch die Aufklärungsquote steigern, das heißt, wir liegen im Jahr 2013 bei einer Aufklärungs­quote von 43,1 Prozent. Und da darf ich auch ein herzliches Danke an alle Polizistin­nen und Polizisten für diese guten Werte sagen, sowohl für den Anstieg der Aufklä­rungsrate als auch die Reduktion der generellen Kriminalitätsrate, denn das kommt nicht von ungefähr, sondern das verdanken wir dem Engagement und der Kompetenz all unserer Polizistinnen und Polizisten, und dafür auch ein Dankeschön. (Allgemeiner Beifall.)

Für die Polizei ist es aber nicht nur wichtig, Kriminalitätsformen aufzuklären, sondern natürlich auch auf Prävention zu setzen. Da waren wir auch im Jahr 2013 aktiv unter­wegs. So wurden im Rahmen unserer Kriminalprävention 385.000 Personen informiert. Das heißt ein Plus von 74 900 Beratungen im Vergleich zu 2012, also ein guter Wert, wobei wir auch im nächsten Jahr, sprich jetzt im Jahr 2014, weiter auf dem Bereich der Prävention aufbauen.

Im Sicherheitsbericht zu finden ist auch die SOKO Ost, wie vom Kollegen Ebner bereits angesprochen. Auch das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Erfolgsgeschichte, das zeigen auch die Zahlen. So gab es im Rahmen der SOKO Ost 442 000 Fahn-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 92

dungs­anfragen, und es konnten im Rahmen der SOKO Ost und aufgrund dieser Fahndungsanfragen auch 129 Straftäter festgenommen werden.

Weiters kam es zu 504 verwaltungspolizeilichen Festnahmen und zu 248 Sicher­stellungen. Das heißt, allein diese Zahlen unterstreichen die Erfolgsgeschichte der SOKO Ost, die wir fortsetzen wollen, wo wir auch jetzt wieder mit einer langfristig ange­legten Aktion begonnen haben, nämlich mit unangekündigten Grenzraumkon­trollen, um Kriminelle dingfest machen und vor allem auch den Schleppern das Handwerk legen zu können.

Das heißt, wir setzen hier ganz gezielt auf Grenzraumkontrollen und nicht auf Grenz­kontrollen, wie der Kollege seitens der Freiheitlichen das letztendlich auch gefordert hätte. Nein, diese Grenzraumkontrollen sind wesentlich effizienter, weil Kriminelle nie wissen, wo letztendlich die Polizei vor Ort ist, und wir eben der Kriminellen wesentlich leichter habhaft werden können. Das heißt, all das, was wir tun, tun wir sehr überlegt und natürlich mit dem Ziel, da auch Effizienz an den Tag zu legen.

Aber selbstverständlich haben sich in den letzten Jahren und auch in den letzten Monaten die Kriminalitätsformen verändert und sind neue hinzugekommen. Ich denke hier an den gesamten Bereich der Cyberkriminalität, wo wir auch auf Prävention und auf Repression setzen. Auch da sprechen die Zahlen eine ganz klare Sprache. So sind die Zahlen jetzt um 14,8 Prozent im Vergleich zu 2013 zurückgegangen. Auch die Aufklärungsquote haben wir heuer im Vergleich zu 2013 wieder steigern können, nämlich um 4,7 Prozent, und liegen jetzt bei 45,2 Prozent. Das heißt, all unsere Maßnahmen im Bereich der Cyberkriminalität zeigen Wirkung.

Aber gerade das Thema Cyber-Sicherheit wird auch in den nächsten Monaten im Fokus stehen. Deswegen haben wir den gesamten Bereich Cyber-Sicherheit als Schwerpunkt auch im Regierungsprogramm definiert, wo es vor allem darum geht, in den nächsten Monaten ein Cyber Security Center auf den Weg zu bringen, um eben auch ganz klare Lagebilder erstellen und vor allem auch Informationsprozesse und Eskalationsprozesse festlegen zu können. Hier ist ganz wichtig, dass wir im Aufbau dieses Cyber Security Centers weitere Player einladen, diesen Prozess auch zu definieren, von der Verteidigung über die Wirtschaft bis zur Industrie, damit wir da in weiterer Folge gut aufgestellt sind und auch effizient arbeiten können.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das Thema Asyl- und Frem­denwesen war natürlich im letzten Jahr, 2013, ein topaktuelles Thema wie auch jetzt im Jahr 2014. Hatten wir im letzten Jahr einen Anstieg bei der Zahl der Asylanträge von 0,5 Prozent zu verzeichnen, haben wir heuer, bis Ende September, bereits einen Anstieg von 27,5 Prozent zu verzeichnen. Der Grund dafür wurde bereits ange­sprochen: weil eben Millionen von Menschen auf der Flucht sind, wobei vor allem viele aus den Krisenregionen wie aus dem Irak oder aus Syrien hier nach Österreich kom­men, wo es zum einen darum geht, den Kriegsflüchtlingen Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, aber auf der anderen Seite auch darum, eben dem Dschi­hadismus den Kampf anzusagen, wo vor allem die volle Härte des Gesetzes zuschla­gen muss und auch im Präventionsbereich ein Schwerpunkt zu setzen ist. (Präsidentin Blatnik übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch beim Staatsschutz gibt es natürlich sehr viele Herausforderungen, vor allem wenn ich an den Rechtsextremismus denke, der alarmierend ist, wie aus den Zahlen hervorgeht, die aus dem Jahr 2013 vorliegen. Da haben wir eine Steigerung um 10,6 Prozent. Aber Gott sei Dank konnte in diesem Bereich auch die Aufklärungsrate gesteigert werden, nämlich auf 58 Prozent.

Zum Staatsschutz generell: Sie wissen, dass wir dabei sind, den Staatsschutz umfas­send zu diskutieren. Warum? – Weil eben neue Phänomene, Cybersicherheit, Cyber-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 93

kriminalität, Schutz kritischer Infrastruktur, Dschihadismus, dazugekommen sind und wir uns natürlich auch die Frage stellen müssen, welche Art von Sicherheit sich die Bevölkerung wünscht, welche Strukturen und vor allem welche gesetzlichen Änderun­gen es da braucht.

Deswegen haben wir die Diskussion zum Staatsschutz bereits begonnen, die wir umfassend, vor allem auch transparent führen wollen. Ein herzliches Danke an alle Parlamentsparteien für das Bekenntnis, hier offen und transparent mitzudiskutieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Sommer nächsten Jahres hier einen gemein­samen Konsens finden und auch ein gemeinsames Gesetz beschließen können.

Ich möchte Ihnen für Ihre Mitarbeit Danke sagen, aber darf mich auch generell bei der Justiz für die enge Zusammenarbeit zwischen dem Innenressort und dem Justizressort bedanken, weil da einfach eine enge Zusammenarbeit äußerst wichtig ist, um in weiterer Zukunft auch erfolgreich zu sein. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.07


Präsidentin Ana Blatnik: Danke vielmals, Frau Ministerin.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Ebner. Ich erteile ihm dieses.

 


14.07.35

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich möchte folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Gottfried Kneifel und Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Aufrechterhaltung des hohen Sicherheitsniveaus in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte über den Sicherheitsbericht 2013 in der 834. Sitzung des Bundesrates am 6. November 2014.

Begründung:

Es ist gelungen, in den letzten zehn Jahren die angezeigten Delikte von 640 000 auf 540 000, also um rund 100 000, zu senken. Dieser Umstand trägt auch dazu bei, dass sich neun von zehn Österreichern sicher beziehungsweise sehr sicher in Österreich fühlen.

Insbesondere ist dies auf die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit, verstärkte Analysetätigkeiten und ständige Überwachung des Grenzraumes zurückzuführen.

Es sollen daher die erfolgreichen Grenzraumkontrollen, die verstärkten Kontrollen an der Flughafenaußengrenze sowie die bi- und trilateralen vorgelagerten Streifen in den Nachbarstaaten in diesem intensiven Ausmaß weiter durchgeführt werden, um das hohe Sicherheitsniveau für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich aufrecht zu erhalten.

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 94

„Die Frau Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, alle Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene zu setzen, um das hohe Sicherheitsniveau und das hohe Sicherheitsgefühl der Bevölkerung weiterhin zu gewährleisten.“

*****

Danke schön.

14.09


Präsidentin Ana Blatnik: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters hat sich Herr Bundesrat Herbert zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

 


14.09.36

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der soeben vom Kollegen Ebner eingebrachte Entschließungsantrag hat mich dazu bewogen, hier noch einmal kurz dazu Stellung zu nehmen.

In diesem Entschließungsantrag ist vom hohen Sicherheitsniveau in Österreich die Rede. Meinen Sie, Kollege Ebner, mit dem hohen Sicherheitsniveau die 546 396 straf­baren Handlungen, die vergangenes Jahr angezeigt wurden? – Das sind 1 497 Straf­taten pro Tag.

Und wenn Sie da die letzten zehn Jahre heranziehen, wie es im Antrag angeführt ist, dann darf ich Ihnen mitteilen, dass insgesamt fast 6 Millionen Straftaten angezeigt wur­den, wobei im Schnitt nur 40 Prozent aufgeklärt wurden und 60 Prozent überhaupt keiner Aufklärung zugeführt wurden.

Um den Kreis zu unserem ersten Antrag zu schließen, darf ich Ihnen noch mitteilen, dass von den 90 701 ermittelten fremden tatverdächtigen Personen fast die Hälfte Ausländer aus dem östlichen Umland von Österreich waren. Das heißt, wenn man auf den Gesamtkonnex im Jahr 2013 abschließend eingeht, also dass im Jahr 2013 von den 546 396 Straftaten sowieso nur 235 466 Taten aufgeklärt wurden, dann kann man sich vorstellen, wie es mit dem Sicherheitsniveau, von dem Sie gerade gesprochen haben, tatsächlich bestellt ist.

Dass dieser Antrag nicht das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung widerspiegelt, darf ich Ihnen anhand zweier Medienberichte zeigen und noch einmal darlegen und die Medienwelt noch einmal zitieren. Am 8.7.2014 hat die „Kronen Zeitung“ berichtet:

„Fast 7 300 Einbrüche pro Monat

Tagtäglich schlagen Einbrecher in Österreich durchschnittlich 243-mal zu“.

Und am 21. Oktober hat die „Kronen Zeitung“ getitelt:

„Hundert Wohnungen pro Woche geknackt 

,Die Kriminalität ufert aus.‘“ 

Ist das das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, das Sie hier antragsmäßig zum Besten geben wollen? – Also ich sage Ihnen, wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, weil er weder das hohe Sicherheitsniveau, das hier zitiert wird, rechtfertigt noch dem hohen Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, von dem Sie ausgehen, tatsächlich entspricht. Und daher, wie gesagt, gibt es keine Zustimmung zu diesem Antrag unsererseits. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.12



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 95

Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Herbert, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Durchführung temporärer Grenzkontrollen vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Kneifel und Todt, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend Aufrechterhaltung des hohen Sicherheitsniveaus in Österreich vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 240-BR/2014.)

14.14.105. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz 2013 und das Staatsbürgerschafts­ge­setz 1985 geändert werden (612/A und 274 d.B. sowie 9244/BR d.B.)

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Ich bitte um den Bericht.

 


14.14.34

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


14.15.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass bei einem derart wichtigen Thema offensichtlich Einstimmigkeit herrscht, es ist eine Konsens­materie. Deshalb denke ich, dass hier tatsächliche Berichtigungen eher hintangehalten werden.

Wenn es um das Zentrale Personenstandsregister oder Staatsbürgerschaftsregister geht, das den Betrieb schon zum 1. November 2014 aufgenommen hat, dann ist es, glaube ich, gut und recht so, dass man das geschaffen hat. Wir stellen damit auch klar, dass wir somit alle Informationen über Geburt, Ehe, Tod und so weiter in diesem


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 96

zentralen Register verwalten können. Bisher war es ja so, dass in den Standesämtern solche Eintragungen entweder auf handschriftlichem Wege oder auch über ent­sprechende EDV-Lösungen vorgenommen und auch entsprechende Urkunden aus­gestellt wurden. Wenn man sonst als Vorarlberger über Zentralisierungen spricht, dann bekommt man meistens nervöse Zuckungen, bei diesem zentralen Register macht es allerdings Sinn.

Das Ganze wird dann auch bürgerfreundlicher. Wir rücken näher zum Bürger. Zukünf­tig kann jedes Meldeamt, jedes Standesamt derartige Eintragungen vornehmen und natürlich auch, wie erwähnt, Urkunden ausstellen. Ein gelungenes Projekt, für das natürlich auch einige Zeit aufgewendet wurde, und man kann das durchaus als einen wichtigen und richtigen Schritt in Richtung einer bürgernahen, optimierten Verwaltung sehen. One-Stop-Shop, wie man das so schön neudeutsch sagt, mit dem wir Bürgerinnen und Bürger stärker und besser servicieren.

Wenn es auch anscheinend im Probebetrieb ein paar Kinderkrankheiten gegeben hat, dann sind diese allerdings, wie man im Ausschuss gehört hat, längst gelöst. Ich möchte es vielleicht auch mit der Einführung des Zentralen Melderegisters vor mehr als zwölf Jahren vergleichen, da hat es auch einige Wehwehchen gegeben. Aber wenn man an dieses ZMR heute denkt, dann wissen wir, wie wichtig es für die öffentliche Verwaltung geworden ist.

Ich habe damals als Leiter eines großen Meldeamtes – jenes der Stadt Feldkirch mit mehr als 33 000 Einwohnern – die Einführung des ZMR auch mitgestalten können und erlebt, wie sich das in einer großen Gemeinde darstellt. Mag. Walter Grosinger, der heute bei uns ist, war damals schon missionarisch mit dem ZMR unterwegs und ist natürlich jetzt wieder mit eingebunden. Und da sage ich mir als geprüfter Gemeinde­beamter: Dann muss es doch funktionieren! Und es funktioniert auch. Denn wenn man alle parteienverkehrsintensiven Angelegenheiten einer Gemeinde wie das Meldeamt, das Standesamt, die Stadtkassa, das Sozialamt und das Wohnungsamt in einem Bereich zusammenfasst, dann ist das eine Bürgerservicestelle. Und somit sind wir ganz nahe beim Bürger, und dieses One-Stop-Shop-Erlebnis können wir dann dort entsprechend leben.

Vereinfacht ausgedrückt, mit dem Zentralen Personenstandsregister, dem Zentralen Staatsbürgerschaftsregister und dem Zentralen Melderegister sparen sich die Bür­gerinnen und Bürger viel Zeit, aber vor allem auch viele Wege, und es ist ein Parade­beispiel dafür, wie moderne Verwaltung funktionieren sollte.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin, auch allen Beamtinnen und Beamten, einen Propo­nenten habe ich ja schon sehr gerne erwähnt. Wir werden diesem wirklich großartigen Projekt gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.18


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Bock. Ich erteile es ihm.

 


14.18.54

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs darf ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass es nun gelungen ist, die technischen Möglichkeiten bei der Führung des Personenstands- und des Staatsbürgerschafts­katasters zeitgemäß zu nutzen, wenn es auch länger gedauert hat als ursprünglich angenommen. Seit 2004 drängte vor allem der Städtebund darauf, dass dieses Zentral­register auch eingeführt werden sollte.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 97

Wir wissen alle, dass bei der Umstellung auf ein neues und so umfassendes System, mit 500 bis 600 Zugriffen pro Minute, auch Schwierigkeiten entstehen können. Mehr als 1 400 Standesämter, Bezirkshauptmannschaften und auch Polizeidienststellen muss­ten ja vorbereitet werden. Deshalb wird die Frau Bundesministerin mit dem heutigen Beschluss ermächtigt, im Notfall auf die alten Register in Papierform zuzu­greifen. Bis zum Sommer 2015 sollte das neue Programm problemlos arbeiten, davon bin ich auch überzeugt.

Zugriff auf diese Daten erhalten also die Standesämter, die Bezirkshauptmannschaften und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Polizeidienststellen. Ich hoffe, dass in Zukunft, wie beim ZMR und anderen Einrichtungen, auch die Gemeinden und vielleicht auch das AMS Zugriff auf diese Daten erhalten werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser neuen zentralen Datenbank in Per­sonenstands- und Staatsbürgerschaftsangelegenheiten setzt sich die Modernisierung der österreichischen Verwaltung fort. Ziel der Einführung dieser Instrumente ist es, den Bürgerinnen und Bürgern einen leichteren Zugang zu den oft benötigten Unterlagen zu ermöglichen. Ich hoffe, dass dies in Zukunft auch zeitunabhängig, also auch von zu Hause aus, erledigt werden kann.

Bei der Einführung der e-Card wurde noch viel über Datenschutz und deren Miss­brauch diskutiert. Inzwischen wissen wir, dass das System sehr gut funktioniert und durch spezielle Maßnahmen äußerst sicher und vor unbefugten Zugriffen geschützt ist. Durch das Zweischlüsselsystem, eines beim Arzt beziehungsweise bei der Apotheke und das andere beim Klienten, wird dieser sichere Zugang ermöglicht.

Ähnlich gut bewährt hat sich, wie Kollege Mayer bereits erwähnt hat, die Einführung des Zentralen Melderegisters, ZMR. Früher musste man sich bei einer Gemeinde anmelden und bei der anderen Gemeinde abmelden. Durch das damals eingeführte System war es dann auch möglich, dass man in einer Gemeinde beide Vorgänge vornehmen konnte.

Das Zentrale Gebäuderegister ermöglicht eine bessere Kontrolle der Anzahl der Bewoh­ner und gibt Hinweise auf mögliche genehmigte oder ungenehmigte Erweite­rungen in den Häusern.

Bürgerinnen und Bürgern können durch die Einführung des Zentralen Personenstands- und Staatsbürgerschaftsregisters viele Behördenwege erspart bleiben. Die Frage eines sicheren Umganges mit den vorhandenen Daten war auch zentrales Thema bei der Einführung des ZMR. Mir ist aufgefallen, dass in vielen Büros der Umgang mit der Sicherheit von Computern nicht immer der beste war. Benutzername und Benutzer­code sind meistens im gesamten Büro bekannt. Der Zugang für eine Abfrage im ZMR ist jedoch mit einer eigenen Karte abgesichert. Da jede Abfrage auch registriert wird, wird die Zugangskarte äußerst gewissenhaft verwahrt.

Wir haben bereits mehrfach angesprochen, dass diese Verwaltungsvereinfachung am 1. November begonnen hat. Ich freue mich ganz besonders, dass durch einen gemein­samen Antrag aller Parteien in Zukunft die Möglichkeit besteht, die sogenannten Ster­nenkinder, also alle fehlgeborenen Kinder unter 500 Gramm Geburtsgewicht, in das Personenstandsregister einzutragen. Dies ist in Deutschland seit einem Jahr möglich.

Unsere Fraktion stimmt diesem Antrag sehr gerne zu. Ich wünsche einen möglichst problemlosen Start, sodass der heutige Beschluss nur eine formelle Wirkung hat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.23


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile ihm dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 98

14.24.09

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Sinnhaftigkeit des ZPR als zeitgemäßes EDV-Mittel für eine ökonomische, benutzerfreundliche und auch im Sinne des Bürgers schnelle Erledigung administrativer Abläufe steht ja wohl außer Streit. Dazu haben meine Vorredner ja ohnedies schon Ausführungen in die positive Richtung gemacht.

Konkret geht es jetzt ja um die sogenannte Ermächtigungsverordnung für die Frau Bun­desminister, um eben auf die alten Personenstandsregister zurückgreifen zu kön­nen, falls dieses EDV-System jetzt in der Anfangsphase ausfallen sollte. Dagegen kann man sich eigentlich auch nicht verwahren. Wir wollen ja, dass der Dienst am Bürger wie auch die administrativen Abläufe in jedem Fall sichergestellt sind. Daher werden wir diesem Antrag auch zustimmen. Es bleibt zu hoffen, dass die hier befürch­teten EDV-Mängel, die ja Grundlage für diese Verordnungsermächtigung im Sinne des Antrages sind, wohl doch nicht so dramatisch ausfallen, dass man eventuell diese Maßnahme, die ja auf sechs Monate beschränkt ist, noch verlängern müsste. Das hoffe ich nicht.

Ich gehe davon aus, dass es um die üblichen Anfangsschwierigkeiten geht und sich daher auch im Sinne dieses Antrages diese Verordnungsermächtigung auf die sechs Monate, wie es hier ausgeführt ist, beschränken wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.25


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile ihm dieses.

 


14.25.54

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Letztes Jahr wurde ja das elektronische Personenstandsregister beschlossen, und zwar gegen unsere Stimmen. Wir hatten, ich will das jetzt gar nicht wiederholen, sehr massive Datenschutzbedenken, weswegen wir das abgelehnt haben. Aber jetzt ist es beschlossen, und dieser Übergangslösung stimmen wir natürlich zu.

Ich will mich kurz fassen, denn wenn wir heute einen 12-Stunden-Tag haben, dann freuen sich ja nur die NEOS. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ich wollte das zum Anlass nehmen, wenn wir schon das Personenstandsgesetz und die Standes­ämter besprechen, Folgendes anzusprechen  wir hatten ja heute Morgen auch schon eine Fragestunde, Frau Ministerin, mit dem Herrn Justizminister –: Es wurde im April 2014 auch von Ihrer Seite versprochen, dass noch vor dem Sommer 2014 das Schließen von eingetragenen Partnerschaften auch auf den Standesämtern möglich sein sollte. Wir haben mittlerweile November 2014, und es geht noch immer nicht. Die­sen Zustand finde ich ausgesprochen unbefriedigend. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Tiefnig.)

14.27


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Mag. Mikl-Leitner. Ich erteile ihr dieses.

 


14.27.15

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Wie einige meiner Vorredner bereits gesagt haben: Mit 1. November ist das Zentrale Personenstandsregister in Betrieb gegangen, ein Projekt, das wir monatelang, jahrelang geplant und jetzt umge­setzt haben und womit wir zweifelsohne für die Bürgerinnen und Bürger einen riesigen


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Meilenstein gesetzt haben, weil sie sich in Zukunft sehr viel an Behördenwegen erspa­ren und damit auch sehr viel an Zeit gewinnen.

Es wurde bereits gesagt: Während es früher relativ kompliziert war, da zentrale Infor­mationen über Geburt, Ehe, Tod in jedem Standesamt lokal verwaltet werden mussten, soll jetzt alles zusammengeführt werden. Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine ganz große Aufgabe, und zwar deswegen, weil Daten aus 1 400 Gemeinden zusam­mengespielt wurden. Das bedeutet nicht nur eine technische Herausforderung, son­dern vor allem auch eine logistische Herausforderung, wo immer wieder auf den Daten­schutz Rücksicht genommen worden ist, wo wir auch ganz klar festgelegt haben, dass nur Personen auf die Daten zugreifen dürfen, die seitens des Gesetzes dazu ermächtigt sind beziehungsweise diese Daten auch seitens des Gesetzes letztendlich benötigen.

Ich darf hier ein Danke sagen: an den Bundesrat, an den Nationalrat, vor allem aber auch ein Danke für die gute Zusammenarbeit im Vorfeld zwischen den Ländern, den Gemeinden und dem Bundesministerium für Inneres. Es war zweifelsohne für uns alle eine ganz große Herausforderung. Wenn derartige Meilensteinprojekte auf den Weg gebracht werden, dann schafft das natürlich auch sehr viel an Irritation und Verun­siche­rung – nicht nur, dass da verschiedenste Systeme aufeinandergetroffen sind, sondern dass ein System für die Zukunft geschaffen worden ist, wo jetzt natürlich gerade auch die Anwender vor ganz großen Herausforderungen stehen. Aber auch das konnten wir mit sehr vielen Schulungen abfedern, mit den einzelnen Bundes­ländern, mit den Verantwortungsträgern, wo wir auch eine eigene Hotline eingerichtet haben, um Problemstellungen und Fragen sofort zu erörtern beziehungsweise auch zu erklären.

Ich glaube, gerade mit diesem Zentralen Personenstandsregister ist es uns gelungen, ein riesiges Verwaltungsprojekt ganz im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger umzu­setzen. Dafür auch ein herzliches Danke an den Bundesrat für die Zustimmung.

Betreffend die Sternenkinder – weil ich die Frau Gesundheitsministerin gerade sehe (in Richtung der soeben den Sitzungssaal betretenden Bundesministerin Oberhauser) – bin ich zuversichtlich, dass wir in einer engen Allianz und Zusammenarbeit von Ge­sund­heitsministerium und Innenressort eine gute Lösung finden werden, denn mir persönlich ist eine Lösung für die Väter, für die Mütter wichtig, damit sie ihre Zufriedenheit finden können und tatsächlich wissen, dass ihr Kind auch eingetragen werden kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter.)

14.30


Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Bevor ich zur Abstimmung komme, möchte ich noch einmal unsere Frau Bundes­ministerin Dr. Sabine Oberhauser recht herzlich in unserer Runde begrüßen. (Allge­meiner Beifall.)

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 100

14.31.296. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (268 d.B. und 300 d.B. sowie 9249/BR d.B.)

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Bitte um den Bericht.

 


14.31.50

Berichterstatter Dr. Andreas Köll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frauen Bundesministerinnen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, weshalb ich auf eine Verlesung verzichten darf.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Ana Blatnik: Danke für den Bericht.

Liebe Frau Bundesministerin (in Richtung der den Saal verlassenden Bundesministerin Mikl-Leitner), schön, dass Sie da waren, bis zum nächsten Mal.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


14.32.36

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Das Schlagwort, unter dem auch dieses Gesetz steht, über das schon öfters in diesem Raum diskutiert wurde, ist Ärztemangel. Ich darf hier kurz ein paar Zahlen zum Besten geben: Laut Statistik der Öster­reichi­schen Ärztekammer tauchten von den 1 413 Absolventinnen und Absolventen der medi­zinischen Universitäten im Studienjahr 2011/2012 508 überhaupt niemals in Österreich in einer Ärzteliste auf. Das heißt, sie haben nicht einmal die Ausbildung hier absolviert. Auf der anderen Seite aber kostete uns jeder dieser Absolventen, im Mittel der drei medizinischen Universitäten, zum damaligen Zeitpunkt rund 400 000 €.

Da wir hier im Bundesrat sind, noch ein paar Zahlen aus der Steiermark: In den letzten fünf Jahren sind 785 Ärztinnen und Ärzte, und zwar solche, die jünger als 55 Jahre waren – also weit entfernt vom Pensionsalter –, aus der Ärzteliste herausgefallen. Der Präsident der steirische Ärztekammer sagt: Nicht Ärztemangel ist das wahre Problem, es ist die Ärzteflucht!

Allein in Deutschland arbeiten bereits fast 3 000 österreichische Medizinerinnen und Mediziner. Und wenn man sich die Medienberichterstattung anschaut, dann sieht man, dass diese auch bereits in der Praxis einen gewissen Niederschlag findet. Da heißt es zum Beispiel: Notarztwagen musste ohne Notarzt fahren. Die Diskussion um die unbe­setzte Ambulanz in Mariazell ist sicherlich allen Steirern bekannt, auch, dass Dienste in Bad Aussee nicht besetzt werden können – ein akuter Ärztemangel in den Kranken­häusern, wurde da getitelt.

Frau Bundesminister, Sie haben heute schon einmal gesagt, ein Ziel von Ihnen sei es, dass die Ärzte mehr Zeit haben. Die Entwicklung, die sich hier abzeichnet, wird genau in die gegenteilige Richtung gehen. Dazu kommt: Wir haben das Problem bei den Praktikern, vor allem im ländlichen Raum. Es wird immer schwieriger, Landarztpraxen nachzubesetzen, und das verursacht natürlich einen Domino-Effekt in den Regionen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 101

Ist der Arzt weg, ist ein wesentliches Stück Infrastruktur verlorengegangen – gerade für junge Familien. Es kommt dann zu Abwanderung und zu all dem, was in weiterer Folge mit Schulschließungen et cetera schlussendlich zur Ausdünnung des ländlichen Raums führt.

Nun soll mit dem hier vorliegenden Gesetz dieser Entwicklung gegengesteuert werden: durch eine verbesserte Ausbildung, durch die Abschaffung beziehungsweise Reformie­rung des Turnusdienstes, und die Allgemeinmedizinerausbildung wird durch die neuen Lehrpraxen um ein halbes Jahr verlängert. Das ist etwas, was wir grundsätzlich gut­heißen, wie auch in diesem Gesetz sicherlich gute Ansätze hinsichtlich der Ausbildung enthalten sind. Aber es hat natürlich einen gravierenden Pferdefuß, nämlich jenen, dass sich dieses Gesetz nicht mit der Finanzierung auseinandersetzt, diese sozusagen offenbleibt und in den Hauptverband verschoben wird.

Wir wissen, wir haben einen Finanzminister, der sich für dieses Amt nicht zuletzt auch durch die Sanierung der Kassen qualifiziert hat. Ich habe Zweifel, ob der neue Präsi­dent des Hauptverbandes dann bereit ist, so viel Geld in die Hand zu nehmen, dass diese Zahlen wieder schlechter ausschauen werden, denn es darf nicht so sein, dass diese Jungärzte, die in den Lehrpraxen tätig sind, faktisch mit einem Apfel und einem Ei, wie es so schön heißt, abgespeist werden. Das hätte wiederum genau den gegen­teiligen Effekt, nämlich dass Praktiker, ja überhaupt Arzt zu werden, unattraktiver ge­macht wird.

Dazu kommt, dass die Ausbildung für die Praktiker dadurch verlängert wird, während die Ausbildung für die Fachärzte de facto etwas verkürzt wird, und obendrein besteht die Gefahr eines Flaschenhalses durch die neuen Turnusregelungen besonders bei den Ausbildungen zu den Praktikern.

Ein anderer Punkt, der uns in diesem Gesetz in diesem Zusammenhang auch noch stört, ist die Regelung, dass es für ausländische Ärzte einfacher wird, in Österreich zu arbeiten. Bisher war es so: EU- oder EWR-Staatsbürger oder über gesonderte Dritt­staaten­abkommen. Das soll nun fallen, und man hat hier ein bisschen den Eindruck, wir wollen die Flucht unserer Ärzte dadurch kompensieren, dass wir Ärzte – ich stelle das jetzt unter Anführungszeichen – „von irgendwoher“ nehmen.

Deswegen ist dieses Gesetz unserer Meinung nach nicht zu Ende gedacht, nämlich was seine reale Wirksamkeit betrifft und wegen der fehlenden Finanzierung. Und es ist ein Bruchstück, von dem man nicht weiß, ob es das Ziel wirklich erreichen oder vielleicht sogar kontraproduktiv wirken wird. Deshalb werden wir unsere Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht geben. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

14.39


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte. 

 


14.40.02

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Ärztegesetz, welches uns heute zur Novellierung vorliegt, ist, wie der gesamte medizinische Be­reich, ein permanenter Prozess und unterliegt einer ständigen Veränderung. Ich denke schon, dass mit dem heutigen Beschluss eine Modernisierung der Ausbildung unserer jungen Medizinerinnen und Mediziner stattfinden kann.

Die Ausbildung wird attraktiver und passt sich den umfangreichen Anforderungen des heutigen Standes der Wissenschaft an. Man darf nicht vergessen, es wird damit auch die bestmögliche medizinische Versorgung für unsere Patientinnen und Patienten gewährleistet. Die Novelle des Ärztegesetzes ist also ein modernes Ärzteausbildungs­gesetz.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 102

Österreichs Jungärztinnen und Jungärzte haben sich eine bessere Ausbildung ge­wünscht, wenn es nach einer Umfrage im Auftrag der Ärztekammer geht, in deren Rahmen 8 800 Turnusärzte in ganz Österreich befragt wurden. Es gibt also Turnus­ärzte. Sie hatten drei Jahre lang – also so lange, wie die Ausbildung zum Allgemein­mediziner dauert – die Möglichkeit, sich online an dieser Umfrage zu beteiligen. Die durchschnittliche Bewertung ergab eine Schulnote von 2,72, was eigentlich nur befriedigend sein kann.

Deutlich besser wurden hingegen die schon bestehenden Lehrpraxen, nämlich zwi­schen 1,2 und 1,8, bewertet. In Zukunft wird es – wie es mein Vorredner schon gesagt hat – eine verpflichtende Absolvierung einer neumonatigen Basisausbildung nach dem Medizinstudium in den klassischen Grundkompetenzen, und zwar in den Bereichen Innere Medizin, Chirurgie und Notfallmedizin, geben. Die 15 häufigsten Diagnosen wur­den in diese Basisausbildung aufgenommen, um unseren JungmedizinerInnen einen guten Grundstock für die Praxis mitzugeben. Erst nach dieser Basisausbildung müssen sich die JungmedizinerInnen entscheiden, ob eine allgemeinmedizinische oder eine fachärztliche Ausbildung angestrebt wird.

Entscheidet man sich für das Fachgebiet Allgemeinmedizin, ist am Ende der Ausbil­dung eine verpflichtende Lehrpraxis für die Dauer von sechs Monaten zu absolvieren. Diese Lehrpraxen geben den Jungärztinnen und Jungärzten die Möglichkeit, das erlernte Wissen praxisnahe umzusetzen, und geben einen besseren Einblick in das spätere Aufgabengebiet des niedergelassenen Bereichs.

Es wird damit versucht, junge MedizinerInnen in Österreich zu halten; alleine in Deutsch­land arbeiten 3 000 Ärzte aus Österreich, nicht nur als Turnusärzte, die wir, wie mein Vorredner schon gesagt hat, auch in Österreich dringend bräuchten.

Unsere Hausärzte genießen bei unserer Bevölkerung ganz unbestritten sehr hohes Ansehen. Sie spielen in der österreichischen Gesundheitsversorgung eine außeror­dent­lich wichtige Rolle. Es gibt aber gravierende Unterschiede, was die Zufriedenheit der Versorgung betrifft. Stellen in Wien 14 Prozent der Bevölkerung eine nicht aus­reichende Versorgung durch Hausärzte fest, so gilt dies schon für ein Viertel der Bevölkerung, die in Orten mit weniger als 5 000 Einwohnern leben.

Der Bundesrat hat ja selber vor einiger Zeit hier in diesem Saal eine Enquete abge­halten, die sich mit dem Ärztemangel auf dem Land beschäftigt hat. Durch diese Qualitätsverbesserung, gerade im Bereich der Allgemeinmedizin, denke ich schon, dass wir gute Chancen haben, dieser Landflucht entgegenzuwirken. Es liegt aber auch bei den praktischen Ärztinnen und Ärzten selber, dass sie dieses Gesetz mit Leben erfüllen und genügend Lehrpraxen anbieten, damit unsere Medizinstudentinnen und Medizinstudenten – es sind immerhin rund 1 400 Absolventen jährlich – einen guten Ausbildungsplatz bekommen und somit die Nachfolge von Landärzten sichern.

Um die Qualität in den Lehrpraxen zu gewährleisten, werden alle neuen, aber auch alle bereits bestehenden Lehrpraxen neu zertifiziert. Statistisch gesehen haben wir eine Überalterung der Landärzte, es kommt in den nächsten Jahren eine Pensionierungs­welle auf uns zu. Mit diesem Gesetz wird auch versucht, dieser schon heute vorzu­beugen.

Zugegeben, Herr Kollege Krusche, die Frage der Finanzierung der Lehrpraxen ist noch in Verhandlung. Man weiß ja derzeit auch nicht, wie viele Ärztinnen und Ärzte die Lehrpraxen absolvieren werden, wie viele angeboten werden, darum kennt man auch keine genauen Zahlen. Aber wie wir im Ausschuss von den Fachleuten hörten, ziehen hier alle Beteiligten an einem Strang. Da gehe ich schon davon aus, dass sie in die gleiche Richtung ziehen. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass es da auch bald zu einer Lösung kommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 103

Im Bereich Facharztausbildung erfolgt eine Teilung der Ausbildung in eine Son­derfachgrundausbildung und eine darauf aufbauende Sonderfachschwerpunkt­aus­bildung. Der medizinische Bereich entwickelt sich sehr, sehr rasch weiter. Es war also auch an der Zeit, die Ausbildung unserer Ärztinnen und Ärzte an den Stand der heutigen Wissenschaft anzupassen, damit diese nicht hinterherhinkt und nicht an Attraktivität verliert. Dies wäre weder zum Wohle unserer Jungärztinnen und Jungärzte noch zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger und schon gar nicht zum Wohle Österreichs.

Wir stimmen dieser Gesetzesänderung daher gerne zu. Dir, Frau Ministerin, und deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Dank für diese unserer Meinung nach dringend notwendige Reform. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

14.45


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. Ich erteile ihm dieses.

 


14.45.52

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der unter­schiedlichsten Interessen ist es geradezu eine Kunst, Ärzte, Bund, Länder, Kranken­kasse an einem Verhandlungstisch zu vereinen und ein vernünftiges Gesetz entstehen zu lassen.

Man muss voranstellen, wir haben in Österreich weltweit eine der besten Gesundheits-, Notfall- und Hubschrauberversorgungen. Viele Länder beneiden uns, andere träumen von den Voraussetzungen, die wir haben. Das gesamte Gesundheitssystem ist von höchster Qualität. Bei den verschiedenen Krankheiten, die auftreten, ob Krebserkran­kun­gen oder anderen Krankheiten, gibt es beste Behandlungsabläufe. Im Zentrum stehen natürlich die Patienten, diese brauchen die bestmögliche Versorgung. Daher brauchen wir eine Stärkung und Attraktivierung des Arztberufes.

Was wollen die künftigen Ärzte und Medizinstudenten? – Sie wollen ein Recht auf eine gute Ausbildung, sie wollen ein Recht auf gute Arbeitsbedingungen und natürlich auch entsprechende Bezahlung. Die Gesellschaft verändert sich. Auf der einen Seite werden die Leute gesund älter, auf der anderen Seite steigen auch die Zahlen jener, die Pflege brauchen, und die Zahl kranker Personen, die betreut werden müssen. Eng damit verbunden sind die Anforderungen an die Ärzte, die sich im Laufe der Jahre ja völlig wandeln.

Patienten brauchen Ärzte, die nicht selbst unter Stress stehen, die Ruhe vermitteln, die Zeit für sie haben – Zeit für eine Behandlung mit Qualität. Der Patient muss spüren, dass der Arzt auch Zeit für eine Zuwendung zum Patienten hat. Gerade Senioren wünschen sich, dass die Behandlungen möglichst hausnahe erfolgen, die Ärzte wünschen sich, dass sie attraktive Behandlungs- und Arbeitsbedingungen vorfinden. Dann entscheidet man sich natürlich verstärkt für den Allgemeinmediziner oder den Hausarzt. Das gilt genauso für die jungen Menschen.

Dem Ausbau des niedergelassenen Bereichs ist natürlich besonderes Augenmerk zu schenken. Dass entsprechende Rahmenbedingungen vorgefunden werden müssen, dass Unterstützung gegeben wird und dass es im ländlichen Raum schwierig ist, manche Stellen wieder zu besetzen, das ist allen bekannt und ist für viele Bürger­meister und Gemeindebewohner oft ein großes Problem.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 104

Dazu gehört auch die Sicherung der Hausapotheke, das ist ein eigenes Problem. Wenn ich daran denke, was Innergebirg bei uns die Leute für Strecken zurücklegen müssen, so ist das nicht gerade einfach.

Wichtig ist mir – das will ich auch ansprechen –, dass speziell die medizinische For­schung weiter vorangetrieben wird und dass wir für all diese Anforderungen auch in der Zukunft gewappnet sind.

Was gab es am Anfang für eine Skepsis bei der Einführung der e-card! Wer könnte sich heute vorstellen, dass es diese nicht gibt? Und was war das für ein Theater! Da sieht man, die Leute finden schon Zugänge, wenn sie vernünftig und richtig sind.

Gesundheitspolitik ist kein Prozess, der von heute auf morgen stattfindet, sondern das ist ein nicht enden wollender Prozess, ein Prozess von durchaus auch kleineren Schritten. – Gesundheitspolitik ist kein Wunschkonzert, wo in kürzester Zeit alles erfüllt wird, das ist nicht möglich. Ausbildung und Rahmenbedingungen werden sich noch oft verändern. Wir müssen daher alles dafür tun, die bestens ausgebildeten Ärzte bei uns zu behalten – wie bereits angesprochen – und nicht in die Nachbarländer abwandern zu lassen.

Ich schließe mit einem Dank an alle Ärztinnen und Ärzte, die tagaus, tagein für die Bevölkerung da sind und ausgezeichnete Arbeit leisten, und ans Ministerium, an Sie, Frau Minister Oberhauser, für die Entstehung dieses Gesetzes. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

14.51


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


14.51.12

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir werden dem Gesetz zustimmen. Ich versuche, mich hier in Geduld zu üben, schließlich wurde mit dem Gesetz ja auch erst 2014 das Universitätsgesetz 2012 umgesetzt. Gut Ding braucht Weile – es wurde hier schon angesprochen –, das Ganze ist ein Prozess und wird sicherlich auch noch weiter­gehen. Es gibt durchaus Kritikpunkte oder Punkte, wo es uns nicht weit genug oder auch nicht schnell genug gegangen ist, aber es wurden doch einige Verbesse­rungen erreicht.

Einer der Kritikpunkte oder wo zumindest der Verkauf der Bestimmung kein glücklicher war, ist die neunmonatige Basisausbildung für Studenten, damit diese, nach einem absolvierten Medizinstudium im Ausmaß von sechs Jahren, von zwölf Semestern, in die Lage versetzt werden, die 15 wichtigsten Krankheiten zu erkennen.

Als ich das gelesen habe, habe ich schon nach Luft geschnappt, und ich habe mich gefragt: Was machen die sechs Jahre lang in ihrem Studium, wenn sie anschließend eine Basisausbildung brauchen, um das wichtigste Handwerkszeug zu haben, nämlich die wichtigsten Krankheiten zu erkennen?

Nach Luft geschnappt habe ich wahrscheinlich auch deswegen, weil ich ziemlich ge­nau den Ausbildungsplan der Medizinischen Privatuniversität in Salzburg und die Entwicklung dieses Ausbildungsplanes kenne, wo es während des Studiums ständig die Einbindung in die Praxis gibt. Da gibt es von Anfang an immer wieder den Kontakt zum Patienten im Krankenbett, zur Diagnose, die auch extra in allen Fächern immer wieder durchgespielt wird, teilweise mit Schauspielern, um den Studenten eben die Anamnese nahezubringen. Sie werden auch ganz intensiv im Führen von Patienten­ge­sprächen ausgebildet, um diagnostisch firm zu sein.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 105

Ich denke, da könnte man vielleicht auch einiges lernen. Grundsätzlich ist so etwas leider notwendig, weil diese sehr praktischen Fähigkeiten, die man sich von einem Mediziner erwartet, in den sechs Jahren davor offensichtlich gar nicht vermittelt werden.

In vielen anderen europäischen Ländern erhalten die Absolventen unserer Medizin-Unis eine Approbation, also das Jus Practicandi, bei uns nicht zu diesem Zeitpunkt. Das ist sicher einer der Gründe dafür, warum es zu so manchen Abwanderungen kommt, und auch das sollte man hier in Erwägung ziehen.

Auch dass es nach wie vor keinen Facharzt für Allgemeinmedizin gibt, finden wir schade, obwohl eine Verlängerung dieser Ausbildung kommt. Gerade weil ja die Zukunft im Ausbau und in der Stärkung der Primärversorgung liegt und gerade dort der Allgemeinmediziner, der niedergelassene Mediziner, diese wichtige Torfunktion der Erstdiagnose und des Weiterverweises hat, ist es falsch, diese ganz zentrale Funktion des Allgemeinmediziners nicht damit zu stärken, dass es hier eben einen Facharzt für Allgemeinmedizin gibt. Das ist nicht der richtige Weg, und wir fänden es wün­schenswert, wenn die Entwicklung dorthin ginge, den Allgemeinmediziner, den nieder­gelassenen Mediziner, mit dem Facharzt auf eine Stufe zu stellen und einen Facharzt für Allgemeinmedizin zu schaffen.

Lehrpraxis ist gut, wichtig und richtig. Traurig ist, dass die Finanzierung nicht gesichert ist und dass man das nicht gleich in der Ausarbeitung des Gesetzes mit berücksichtigt hat, wie auch die wahnsinnig lange Übergangsfrist, bis wir von sechs Monaten Lehr­praxis auf tatsächlich ein Jahr Lehrpraxis kommen. – 13 Jahre wird das dauern, das sind zwei Generationen in der Medizinerausbildung! Das ist wirklich sehr lange, weil ja auch die zwölf Monate eher kurz sind.

Noch dazu ist auch die Entlohnung nicht gesichert, weil die Finanzierung nicht ge­sichert ist, und wenn dann im Gesetz steht, dass zusätzliche Nachtdienste daneben absolviert werden können, stellt sich schon die Frage, ob sich diejenigen, die diese Lehrpraxis machen, diese durch die zusätzlichen Nachtdienste finanzieren sollen.

Hier ist auch zu bedenken, dass das dann ein Vorteil für all jene ist, die in der Nähe eines Spitals oder eines Zentrums ihre Lehrpraxis machen und die Praxen am Land – sozusagen weit weg – übrig bleiben. Gerade dort ist natürlich der Mangel am größten und gerade dort wäre die Hoffnung, dass es durch die Absolvierung der Lehrpraxis auch zu einem zusätzlichen Anreiz kommt, dass die Mediziner dann dort bleiben oder einen entsprechenden Gusto bekommen, doch am Land zu praktizieren. Was diese Nachtdienstmöglichkeiten, die zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten betrifft, könnte das meiner Meinung nach nach hinten losgehen.

Ein anderer Punkt ist, dass es meiner Ansicht nach nach wie vor nicht gelingt, dass Ärzte und Ärztinnen mit Mitgliedern anderer Gesundheitsberufe auf Augenhöhe zusam­menarbeiten.

Es ist so, dass eben die Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheit und Krankenpflege schulen sollen, ihnen aber keine fachliche Weisungsbefugnis zukommt. Wir sind der Meinung, dass sie die in § 15 genannten Tätigkeiten auch eigenverant­wortlich anordnen und durchführen können sollten. Es wäre wichtig, hier Hierarchien abzubauen, auch in den Köpfen, und die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe mit den Ärzten zu stärken und zu verbessern, denn die Zukunft liegt eben in einer Stärkung der Primärversorgung, aber auch im Ausbau der interdisziplinären und der multiprofessionellen Zusammenarbeit.

Das steht auch so im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz. Unserer Meinung nach findet sich das in diesem Gesetz zu wenig wieder. Es ist sehr stark auf den derzeitigen Stand


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der ärztlichen Versorgung fokussiert, und, wie gesagt, die Zielsetzungen im Gesund­heits-Zielsteuerungsgesetz kommen hier zu wenig zum Ausdruck.

Wir hoffen, dass das ein Schritt in die Richtung ist, den drohenden Ärztemangel und die Abwanderung zumindest etwas zu bremsen, aber ich glaube nach wie vor, dass die Ausbildung im angrenzenden Deutschland – und wir sehen das ja gerade auch von Salzburg her – leider sehr attraktiv bleiben wird, attraktiver als die Ausbildung hier bei uns, auch nach Verwirklichung dieses Gesetzes. Wir hoffen, dass dieser Prozess weiter­geht, und ich hoffe, Frau Minister, dass Ihnen in diesem Bereich noch viel gelingen wird. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.59


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser. – Bitte.

 


15.00.02

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Intention dieses Gesetzes war, wie es viele gesagt haben, im Prinzip meinen Teil dazu zu leisten, dass es uns gelingt, Ärztinnen und Ärzte, die hier studieren, auch in Österreich zu behalten, das heißt, die Ausbildung zu attraktivieren und zu versuchen, zu verhindern, dass 508 Menschen, die promoviert haben, nicht in der Ärzteliste aufscheinen.

Ich möchte allerdings zu bedenken geben, dass es durchaus auch sein kann, dass sich diese Menschen, die nach der Promotion nicht auf die Ärzteliste kommen, möglicher­weise auch entscheiden, in der Pharmaindustrie oder sonst irgendwo in Österreich zu arbeiten, also das Medizinstudium dazu nützen, um in einem nichtmedizinischen Beruf zu arbeiten. Das sind allerdings Zahlen, die ich mit dem Wissenschaftsminister schon besprochen habe. Wir haben beschlossen, darauf auch ein Auge zu werfen, um festzustellen, ob diese jungen Menschen sozusagen versickern oder anderswo hin­gehen.

Ich möchte jetzt zu den Punkten kommen, die am meisten kritisiert, angesprochen oder angefragt worden sind. Das war zunächst die Finanzierung der Lehrpraxis. Die Finanzierung der Lehrpraxis steht deswegen nicht in diesem Gesetz, weil wir, wie die Kollegin Köberl schon gesagt hat, noch nicht wissen, wie viele Menschen genau diese Lehrpraxis in Anspruch nehmen müssen. Und es ist nicht so, dass der Hauptverband die Lehrpraxis wird bezahlen müssen, er braucht dafür kein Geld in die Hand zu neh­men.

Wir haben uns ein sehr gut funktionierendes Modell in Vorarlberg als Maßzahl ge­nommen. In Vorarlberg gibt es ein wunderbares Finanzierungsmodell für Lehrpraxen, bei dem der Bund, die Länder, die Sozialversicherung und indirekt auch die Ärztinnen und Ärzte in einen Topf einzahlen. Dort werden die jungen Kollegen und Kolleginnen nicht mit einem Hungerlohn abgespeist, wie es bisher oft der Fall war, sondern nach einem Kollektivvertrag entlohnt, der zwischen den beiden Kurien der Ärztekammer, und zwar der angestellten und der niedergelassenen Ärzte, abgeschlossen wird. Das ist ein sehr gut funktionierendes Modell. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wir arbeiten derzeit gerade am zweiten Teil dieses Gesetzes. Es ist die Verordnung dazu, wie genau diese Ausbildung strukturiert sein soll. Darin werden dann auch die Kostenschätzungen enthalten sein, wenn wir genau wissen, wer, wie lange in welchen Fächern arbeitet. Das heißt, an diesen Dingen arbeiten wir, wir haben sie nicht ver­gessen, sondern wir wollen genaue Zahlen liefern, nicht Zahlen, die wir im Prinzip dann auch nicht nachvollziehen können.


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Die Übergangsfristen, die auch andiskutiert wurden, sind deswegen so lang, weil wir natürlich auch nicht wissen, wie viele Kolleginnen und Kollegen wir überhaupt finden, die bereit sind, Lehrpraktikanten auszubilden. Sie wissen, dass wir derzeit Lehrprak­tikanten ausbilden. Der Gesetzgeber hat sich gemeinsam mit der Kammer aber vorge­nommen, auch anzuschauen, ob diejenigen, die jetzt ausbilden, wirklich zertifiziert und gut ausbilden. Das heißt, wir rezertifizieren die alten Lehrpraxen und hoffen, dass wir neue dazugewinnen. Und wir wollen uns nicht ehrgeizig eine kurze Übergangsfrist geben und damit dann junge KollegInnen hindern, den Beruf auszuüben, weil zum Beispiel nicht genug KollegInnen ausbilden wollen. Deswegen haben wir auch diese lange Übergangsfrist.

Frau Bundesrätin Dr. Reiter, Sie haben die Frage der Approbation in Deutschland ange­sprochen. Ich habe mich schon als Gesundheitspolitikerin immer sehr bewusst gegen die Approbation ausgesprochen, aus einem ganz einfachen Grund: Approbation heißt, dass Sie nach einem Jahr Ausbildung, wie Sie in Deutschland existiert, zwar eigenberechtigt sind, dies aber nur im Angestelltenbereich ausüben dürfen. Das bedeutet, mit diesem einen Jahr verwehrt man Ihnen mehr oder weniger den Zugang zum Kassenvertragssystem. Und ich garantiere Ihnen mit nahezu 100-prozentiger Gewissheit: Wenn das der Fall ist, werden ganz viele Frauen in diese einjährige Ausbildung hineingedrängt und könnten dann nicht weiterkommen. Denn es sind oft Frauen, die nicht auf die Facharztstellen kommen, die sowieso immer weniger werden. Wir halten die Frauen dann mehr oder weniger im Angestelltenbereich zurück und versperren ihnen den Weg hinaus.

Ich halte es für vernünftig – und daher haben wir uns auch dafür entschieden –, eine möglichst umfassende, gute Ausbildung zu machen, mit den neun Monaten als Basis, in denen die 15 Diagnosen – von denen Sie gesprochen haben – noch einmal wie­derholt werden. Sie vergleichen das mit der Privatuniversität Salzburg. Ich glaube, dass man zwischen einer sehr kleinen, gut bezahlenden Klientel an Studentinnen und Studenten und zwischen dem, was sich nun einmal im öffentlichen Bereich abspielt, auch durchaus differenzieren muss.

Ich möchte vielleicht etwas flapsig sagen, dass der Mensch keine Differentialdiagnose in einem Multiple Choice Test ist. Wir wissen von vielen Kollegen, die das Medizin­studium absolviert haben, dass dabei ganz viel im Rahmen von Multiple Choice Tests abgehandelt wird. Es ist aber ganz selten, dass einem ein Patient nur drei Möglich­keiten für eine Diagnose gibt, sondern man muss von selbst draufkommen. Das heißt, von dieser Grundausbildung kommt auch noch sehr viel bei der Frage des praktischen Jahres dazu.

Wenn wir erkennen sollten, dass das Studium mit dem Klinisch-Praktischen Jahr so gut ist, dass wir das nicht mehr brauchen, wird natürlich im Gesetz nachjustiert werden. Das ist überhaupt keine Frage. Keiner von uns hat Interesse daran, junge Menschen länger an irgendetwas zu binden, als sie das tun sollten. Das heißt, wir versuchen, den AllgemeinmedizinerInnen mit der Möglichkeit, auch vermehrt in die Lehrpraxis zu gehen, es ein bisschen schmackhaft zu machen, dass das Leben vielleicht auf dem Land draußen doch nicht so ist, wie man es sich vorstellt. Wir möchten ihnen vermitteln, dass es vielleicht doch ganz angenehm ist, wenn man seine Patienten kennt, wenn das Ganze überschaubar ist. Vielleicht gelingt es uns – und das habe ich ja schon in meiner Rede am Vormittag gesagt – im Rahmen der Primärversorgung zwei Kollegen, Kolleginnen mit zwei Verträgen dazu zu veranlassen, diese zu halbieren und sich zusammenzutun, vielleicht auch auf dem Land. Vielleicht zwei Frauen, die jeweils sagen, sie wollen keinen ganzen Vertrag, weil sie das nicht schaffen, es aber gemeinsam mit einer zweiten tun würden, oder mit einer diplomierten Gesundheits-


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und Krankenpflege. Vielleicht schaffen wir es da auch, zu attraktivieren und die jungen Kolleginnen und Kollegen im Land zu behalten.

Frau Bundesrätin, Sie haben auch etwas zu § 50 GuKG gesagt. Das ist das zweite Gesetz, das ich derzeit gerade sehr intensiv in der Mangel habe, denn wir versuchen gerade, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz neu zu strukturieren. Mein Ziel ist das – und wir werden sehen, ob es mir gelingt –, was Sie angesprochen haben, nämlich eine klare Abgrenzung zwischen den Berufsgruppen, wer was macht, wer wofür verantwortlich ist. Mein Ziel ist auch, dass es mir gelingt, das auch in diesem Gesetz festzuschreiben – nicht ganz so, wie Sie es gesagt haben –, aber auch in der Frage, wie wir es regeln können, dass sich die Zusammenarbeit am Bett auf gleicher Augenhöhe abspielt und dass klare Verantwortlichkeiten gegeben sind – jeder jeweils für das, was er gelernt hat.

An diesen Dingen arbeite ich gerade. Das ist der zweite Schritt, der in Bälde kommen wird, wo wir versuchen werden, auch das klar auf die Beine zu stellen. Sie haben gesehen, im Rahmen der Primärversorgung soll es so sein, dass mit dem Hausarzt/der Hausärztin gemeinsam diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen und hof­fent­lich auch Personen aus anderen Gesundheitsberufen arbeiten sollen. Das sollen sie in einem wirklich guten Miteinander tun, und die Augenhöhe wird dabei auch eine Rolle spielen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

15.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.07.10

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minis­ter für ein gesundes Österreich! Herr Bundesminister für ein lebenswertes Österreich! Geschätztes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Kreis schließt sich heute wieder im Bundesrat, denn im Jahre 2008 wurde an mich so quasi heran­getragen, dass Österreich zukünftig an Ärztemangel leiden werde. Als Ursache wurde angeführt, dass es in Deutschland den Numerus Clausus und in Österreich keine Studiengebühr gibt. Wir würden das Problem haben, dass die Deutschen den Zugang zu den österreichischen Universitäten suchen und dann wieder nach Deutschland zur praktischen Arbeit zurückgehen.

Teils ist das so gekommen. Im Jahr 2009 durfte ich dann mit meinem Freund und Bundesratskollegen Johannes Peinsteiner, Bürgermeister aus Sankt Wolfgang, mit dem Gemeindebund nach Kopenhagen und Malmö reisen, um mir dort diese Systeme mit der verpflichtenden Lehrpraxis anzuschauen. Österreich ist eines der letzten Länder Europas, das die verpflichtende Lehrpraxis mit dem heutigen Tag und mit der Unterschrift des Bundespräsidenten dann auch dementsprechend umsetzen wird.

2012 hatten wir im Bundesrat eine hervorragende Enquete mit unserem Kollegen Georg Keuschnigg. Hier wurden auch dementsprechende Informationen von den Sozialversicherungsträgern, vom Ärztekammerpräsidenten und auch aus praktischem Wissen, wie zum Beispiel von Dr. Rebhandl dementsprechend übermittelt. Somit konnten doch auch wieder Impulse gesetzt werden, um diese Schritte, die wir heute beschließen, so weit zu bringen.

Ich sage auch Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, die zäh geblieben sind und hier nicht lockergelassen haben. Frau Ministerin, ich habe Sie letzte Woche in der „Welldone Lounge“ gehört. Wenn Sie diese Ideen alle um­setzen, dann gratuliere ich Ihnen, dann werden sicherlich auch, wie Sie gesagt haben, bereits im Jahr 2015 schon das erste Mal die Studenten die Lehrpraxis in Anspruch


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nehmen können. Das wird wichtig sein, denn wir sehen, in Zukunft wird der Beruf Arzt immer weiblicher. Dementsprechend müssen wir auch die Ausbildung angleichen.

Auch das das zweite Gesetz, das wir heute noch beschließen, das Arbeitszeitgesetz, hat sicherlich einen starken Einfluss darauf, dass wir in Zukunft diese Ausbildung in die Richtung lenken, dass die Ärzte wieder in Österreich bleiben. Denn finanziell sind Länder wie England, Deutschland, aber auch die Schweiz – die wir immer vergessen – viel interessanter für die Ärzte, weil sie dort höhere Gehälter bekommen. Wir wissen aber auch, dass zum Beispiel die Steiermark jetzt ausgeschert ist und eine Zusatz­bezahlung dementsprechend integriert.

Wir wissen aber auch – wie Sie vorher schon gesagt haben –, dass es immer wichtiger sein wird, die übergreifende Zusammenarbeit zu leben: dass ein Arzt einen Arzt beschäftigen kann, dass vielleicht auch ein Landarzt oder ein dementsprechend praktizierender Arzt einmal in der Woche einen Facharzt beschäftigen kann, dass dieser hinauskommt in die ländlichen Gemeinden, sodass nicht stets die Patienten ins Krankenhaus oder zu den Fachärztezentren fahren müssen. Der Arzt soll als Manager gelten und dementsprechend die Krankenschwester oder den Physiotherapeuten in die Gruppe einbinden können. Ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg.

Das Wichtigste für einen Landarzt wird sein ein Drittel des Einkommens, hat mir ein Landarzt gesagt, kommt aus der Hausapotheke –, dass die Hausapotheke bei den Ärzten erhalten bleibt. Wir müssen diesbezüglich Regelungen finden; ich persönlich bin sehr daran interessiert und mit den entsprechenden Personen in Kontakt, damit hier Lösungen gefunden werden.

Es ist natürlich ein Unterschied, ob der Arzt am Land oder in der Stadt praktiziert. Auch im Pflegebereich gibt es das gleiche Problem, und deshalb wird es wichtig sein, dass Sie mit großer Unterstützung durch den Bundesrat die Möglichkeiten nützen, denn wir sind bereit, in die Richtung zu gehen, wo die Türen offen stehen.

Vom Kollegen Krusche habe ich vorhin gehört, dass Ärzte irgendwoher kommen, als hätten Sie gesagt, es kommen ausländische Ärzte nach Österreich. Ich hatte einen Zahnarzt, der kam von den Philippinen, damals aus dem Kriegsherd, jetzt habe ich einen türkischen Zahnarzt, aber ich habe noch alle Zähne. (Heiterkeit. – Bundesrat Kneifel: Sehr beruhigend!) Er hat mir nicht einen Zahn gezogen.

Fürchten wir uns also nicht vor den Ausländern, sondern gehen wir der Zukunft positiv entgegen und sehen wir die Türen, die offen stehen. Ich glaube, wir haben mit dem heutigen Gesetz wieder eine große Tür geöffnet. Herzliche Gratulation, Frau Minis­terin! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

15.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.12.097. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Montenegros


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zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen (227 d.B. und 311 d.B. sowie 9252/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Winkler. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


15.12.20

Berichterstatterin Ingrid Winkler: Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Montenegros zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf aus diesem Grund sogleich zur Antragstellung kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Ich darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter sehr herzlich bei uns begrüßen, der den beim Ecofin befindlichen Bundesminister Dr. Schelling vertritt. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.13.54

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt mit fast allen Staaten, mit denen Österreich wirtschaftlich verbunden ist, ein Doppelbesteuerungs­abkom­men, wie wir es zwischen der Regierung Montenegros und der Republik Öster­reich heute beschließen werden.

Doppelbesteuerungsabkommen sind völkerrechtliche Verträge, in denen es darum geht, Einkommen und Einkünfte nicht doppelt zu besteuern – das ist wichtig für die Sicherheit der Firmen, die in diesen Staaten investieren. Und damit werden auch Transparenz, Datenaustausch und Amtshilfe bei wirtschaftlichen Problemen gewähr­leistet.

Das Abkommen folgt in größtmöglichem Umfang den Regeln des OECD-Muster­abkommens, daneben finden auf Wunsch Montenegros einige Bestimmungen des Musterabkommens der Vereinten Nationen Eingang in das Abkommen.

Montenegro ist eine Republik an der südöstlichen Adriaküste in Südosteuropa. Nach­dem es fast 90 Jahre zu Jugoslawien gehörte – es war davor auch einmal Teil des Osmanischen Reiches –, wurde es am 3. Juni 2006 wieder unabhängig. Für den EU-Beitrittskandidaten ist dieses Abkommen auch als Unterstützung für die europäische Integration Montenegros zu sehen.

Mit zirka 630 000 Einwohnern und einer Fläche von 13 800 Quadratkilometern ist Montenegro einer der kleineren Staaten Europas. Der Export floriert und ist im letzten Jahr um 10 Prozent gestiegen, wobei der Import gleich geblieben ist. Österreich gehört mit einem Gesamtvolumen von zirka 300 Millionen € zu den drei größten Investoren in


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Montenegro. Gemäß den Daten der Wirtschaftskammer Österreich sind derzeit mehr als 30 österreichische Unternehmen in Montenegro vor allem in den Bereichen Bau, Versicherungen und Banken tätig.

Österreichische Firmen haben letztes Jahr auch den Auftrag erhalten, den Aufbau eines nationalen Behördenfunks voranzutreiben und im Internetbereich ein ent­sprechendes Netz aufzubauen.

Erfreulich ist auch, dass durch den Abschluss dieses Doppelbesteuerungsabkommens mit Mehreinnahmen unseres Staates von zirka 270 000 € pro Jahr zu rechnen ist.

Daher danke ich allen, die zum Abschluss dieses Vertragswerkes beigetragen haben. Wir werden aus den erwähnten Gründen selbstverständlich diesem Abkommen zustim­men. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Lampel. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.16.27

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Wir debattieren heute das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Montenegro. Österreich hat inzwischen mit den wichtigsten Staaten Verträge abge­schlos­sen, sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen. Das Abkommen mit Monte­negro wäre damit das 41. von 92 Doppelbesteuerungsabkommen, das hinsichtlich des Informationsaustausches dem OECD-Standard betreffend steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft entspricht.

Das Abkommen soll auch verhindern, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, die grenzüberschreitende Aktivitäten setzen, sowohl in Österreich als auch im Ausland – also doppelt – besteuert werden, und trägt damit wesentlich zur Steuergerechtigkeit bei.

Da der Staatenbund Montenegro und Serbien im Jahr 2006 aufgelöst wurde, schließt Montenegro jetzt eigene Verträge mit anderen Staaten in diesem Bereich ab. Mit der Schweiz hat es 2007 das Abkommen geschlossen, mit Deutschland 2011. Da derzeit keine Regelung zwischen Österreich und Montenegro zur Beseitigung der inter­nationalen Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen bestehen, wurde daher das heutige Abkommen debattiert beziehungsweise ausverhandelt.

Zahlen betreffend Montenegro sind schon genannt worden, ich möchte nur noch Fol­gendes hinzufügen: Die unter dieses Abkommen fallenden Steuern sind in Österreich die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Grundsteuer, die Abgabe land- und forst­wirtschaftlicher Betriebe und die Bodenwertabgabe. Auf montenegrinischer Seite sind das die Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer.

Für die Wirtschaft ist dieses Abkommen sehr wichtig. Die Wirtschaftsdaten sind von meinem Vorredner bereits genannt worden. Zum weiteren Ausbau der Wirtschafts­beziehungen und auch zur Herstellung dieses Informationsaustausches zwischen den beiden Staaten ist der Abschluss eines derartigen Abkommens, des Doppelbesteue­rungsabkommens mit Montenegro, besonders wichtig. Daher wird meine Partei diesem Abkommen auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.18



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.19.11

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir von der Frei­heitlichen Partei stimmen diesmal auch dem Doppelbesteuerungsabkommen zu, weil sich in der ökonomischen Weltentwicklung einiges geändert hat, vor allem geht es um Artikel 26 dieses OECD-Musterabkommens. Im Fall der Amtshilfe, wenn ich zitieren darf, hat das Kreditinstitut die Verpflichtung, Auskunft zu leisten. – Das ist gut so.

Und Finanzminister Schäuble aus Deutschland hat gesagt – ich darf zitieren –: Das Bankgeheimnis hat eigentlich ausgedient. – Das ist im Grundsatz richtig. Warum?

Wir brauchen nur daran zu denken, wie die zwei namhaften Banken in der Schweiz, UBS und Credit Suisse, von den Amerikanern praktisch vorgeführt worden sind, um Namen zu nennen, andernfalls sie mit hohen Pönalezahlungen konfrontiert und vom amerikanischen Finanzmarkt ausgeschlossen würden. Sie haben dem also Folge leisten müssen und sich mit Milliardenbeträgen verglichen. Solche Milliardenbeträge können sich österreichische Kreditinstitute mit ihrer schlechten Ertragskraft natürlich nicht leisten. Daher nützt das beste Gesetz nichts, wenn dann erst die Namen genannt werden müssen. Daher ist dieses Gesetz gut.

Aber es war dieses Bankgeheimnis für Österreich – und da muss man ein bisschen in die Historie zurückblicken – schon ein Standortvorteil, um Investoren ins Land zu bringen. Daher muss man sich in Österreich die Frage stellen – und darum geht es eigentlich – um die Qualität des österreichischen Standortes: Wie schaffe ich es, Investoren in dieses unser Land zu bekommen? Es geht darum, die komparativen Kostenvorteile – wie sie so schön in der Volkswirtschaftstheorie heißen – zu schaffen, zu kreieren und Investment anzulocken. Das zeigt sich dann natürlich in einem Wachstum.

Wenn ich jetzt Montenegro hernehme, so muss ich sagen: Es ist schon ein inter­essantes Land, es liegt am Meer, es ist sehr schön, zwar klein, aber es hat seine Vorteile. Wie schaut denn dort die Steuerleistung aus? Die Körperschaftsteuer ist 9 Prozent, die Einkommensteuer ist 9 Prozent, Steuerbefreiungen für Unternehmen sind für zehn Jahre möglich. Da ist es kein Wunder, dass österreichische Unternehmer, wie schon von meinem Vorredner, auch vom Kollegen Temmel erwähnt, in dieses Land kommen. Warum kommen sie? – Weil es dort attraktive Investmentmöglichkeiten, attraktive Rahmenbedingungen für unternehmerische Leistungen gibt, die wir in Österreich so nicht haben. Eine GmbH-Gründung zum Beispiel kostet in Montenegro 1 € und dauert drei Tage, und eine Aktiengesellschaft gründet man mit 10 €.

Wie schaut es in Österreich aus? – In Österreich muss ich eine Mindestkörper­schaft­steuer von 1 750 € leisten und einen Sozialversicherungsbeitrag von 2 270 € – bei null Einkommen. Also so fange ich einmal an, mit einem negativen Saldo von 5 000 bis 6 000 €; da sind aber die Gründungsformalitäten noch gar nicht enthalten. Ich brauche also locker 10 000 € in der Tasche, um in Österreich überhaupt einmal beginnen zu können. Darum geht es! Und da darf man sich nicht wundern, dass unser Wirtschaftswachstum hinterherhinkt.

Montenegro ist auch durch die geopolitische Lage in den letzten Wochen interessant geworden. Viele Firmen sind in das Land gekommen, daneben auch nach Serbien, um ihre Exporte nach Russland weiter leisten zu können. Auch das darf man nicht vergessen. Das hat auch sicherlich dazu beigetragen, dass österreichische Firmen nach Montenegro und vor allem nach Serbien gegangen sind oder dort Betriebsstätten gegründet haben.


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Wir haben heute schon ein paar Wirtschaftsthemen gehört, und da möchte ich kurz einhaken, warum in Österreich nichts weitergeht. Darum geht es ja. Wir haben ein Wirtschaftswachstum von null, wir haben eine dramatisch sinkende Sparquote, aber wir haben ein enormes Steueraufkommen. 2013 hatten wir ein Wachstum von 0,2 Prozent. Die Lohnsteuer und die Kassenbeiträge stiegen um 4,3 Prozent. 2012 hatten wir ein Wachstum von 0,9 Prozent. Die Lohnsteuer und die Kassenbeiträge stiegen um 4,6 Prozent. 2011 hatten wir beim Steueraufkommen eine Steigerung von mehr als 5,2 Prozent. Also in Summe etwa 14 Prozent in den letzten drei Jahren. Die Sparquote ist jedoch von 10 Prozent auf 6 Prozent gesunken.

Darum geht es, diese Zahlen muss man endlich einmal interpretieren: Das verfügbare Einkommen sinkt permanent, weil die Steuerleistungen von der Sparquote genommen werden. Das kann sich ja nicht ausgehen! Das heißt, für die gleiche Leistung, die ein Arbeitnehmer bei einem Unternehmen erbringt, bekommt er 2014 um zirka 10 Prozent weniger Gehalt als 2010. Das ist auch ein Gleichberechtigungsfaktor, nicht nur zwischen Mann und Frau, auch für die Arbeitnehmer.

Ich darf weiter statistische Kennzahlen anführen, jetzt die Unternehmen betreffend. Wie schaut das Körperschaftsteueraufkommen in Österreich aus? 2013: plus 9,2 Prozent, 2012: plus 4,5 Prozent. Wie schaut es mit den Investitionen aus? Ein Unternehmer will ja investieren, darum geht es ja letztlich. 2013: 0 Prozent Anlage­investitionen. Eine Vergleichszahl: 2012 schaffte man gerade noch 2 Prozent. Das heißt, die Körperschaftsteuer steigt, obwohl keine Investitionen stattfinden. Keine Inves­­titionen! Das heißt, die Unternehmer zahlen lieber 25 Prozent Steuer, bevor sie irgendetwas investieren. Das kann es ja nicht sein!

Lieber Kollege Kneifel, du hast heute von Vertrauen gesprochen. Das ist das Ver­trauen, das ist das Ergebnis: Es gibt kein Vertrauen! Das sind die Fakten. So schaut es aus in Österreich! Ich respektiere dich sehr und ich höre dir immer gerne zu, aber bitte keine rhetorischen Fiktionen, die der Realität nicht standhalten.

Wir von „FPÖ pro Mittelstand“, deren Vorsitzender ich hier in Wien bin, wollen gerade aus diesem Grund die Steuerfreiheit für den nicht entnommenen Gewinn, dass man dann in der Zeit, wenn die Rahmenbedingungen besser werden, natürlich auch die Weltkonjunktur, investieren kann, dass man dann das Geld zur Verfügung hat, anstatt vorher 25 Prozent abzuführen und hinterher kein Geld zu haben. Darunter leiden die österreichischen Unternehmen: Sie haben zu wenig Geld für Investitionen!

Die Ertragskraft gehört erhöht, die Ertragskraft aller Institutionen, auch der Banken. Auch wir Unternehmer benötigen die Banken. So ist es nicht, dass man die Banken als Finanzmarktinstitution immer an den Pranger stellen kann. Wir brauchen sie für die Kreditfinanzierung. Daher muss man die Ertragskraft der Banken genauso erhöhen, aber in erster Linie die Ertragskraft der Unternehmen.

Da wurde heute vom Finanzministerium der vollkommene Markt ins Spiel gebracht. Den vollkommenen Markt gibt es natürlich nicht, das ist Utopia, das ist ein statistisches Rechenmodell. Das verlangt auch keiner. Was wir wollen, ist, das Ganze ins Gleich­gewicht zu bringen. Die Wirtschaft muss sich selber wieder ins Gleichgewicht bringen. Dass sie nicht im Gleichgewicht ist, zeigt sich ja daran, was für eine Schief­lage wir hier haben. Da darf man sich überhaupt nicht wundern, wenn kein Wirtschaftswachstum zustande kommt.

Wenn hier vom Finanzministerium allen Ernstes ein Rechenbeispiel gebracht wird, mit dem Hinweis, das Budget 2014 basiere auf einer Wachstumsprognose von 1,4 Pro­zent, dann muss ich sagen: Ein jeder, der die Statistiken der letzten Jahre inter­pretieren kann, wird Ihnen sagen, dass es das nicht spielen wird. Dass das Wifo das macht, ist klar. Das Wifo kann man leicht instrumentalisieren. Da kann man sich


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praktisch die Prognosen, wenn ich das einmal überspitzt sagen darf, kaufen. Ich würde einmal komplett andere Wirtschaftsforschungsinstitute einsetzen, Wirtschaftsprofes­soren von den Universitäten, auch von außerhalb Österreichs, liefern Ihnen sicherlich bessere Daten als das Wifo.

Die doppelte Buchhaltung gilt ja bekanntlich seit 2013 auch für das Finanzministerium, und da muss ich sehr wohl die unternehmerische Vorsicht, die Risikovorsorge walten lassen und kann nicht von einer Höchstprognose ausgehend ein Budget erstellen!

Nein, das wollen wir nicht! Wir wollen reale Zahlen haben, und vor allem gehört die Qualität des Standortes Österreich dramatisch verbessert. Die Unternehmen wollen wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, mit denen die Ertragskraft erhöht werden kann. Das ist wichtig. Und der Vergleich mit Montenegro ist ein guter Vergleich, denn dort sieht es komplett anders aus. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rupprechter. – Bitte, Herr Minister.

 


15.27.57

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf ganz kurz zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro Stellung nehmen.

Es gibt ja, wie schon ausgeführt wurde, derzeit kein solches Abkommen. Allerdings ist aufgrund des sehr erfolgreichen Engagements von österreichischen Unternehmungen in Montenegro mit starken Wachstumszahlen ein solches Abkommen seit geraumer Zeit ein ganz besonderes Anliegen der österreichischen Wirtschaft.

Im Juli 2013 konnte schließlich Einigung über das Doppelbesteuerungsabkommen mit Montenegro erzielt werden. Die Unterzeichnung des Abkommens erfolgte durch Staatssekretärin Steßl am 16. Juni 2014.

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Montenegro folgt in größtmöglichem Umfang den Grundzügen, so wie das schon ausgeführt wurde, des Musterabkommens der OECD und enthält die in diesem Musterabkommen entsprechende Aufteilung der Besteuerungsrechte. Für bestimmte Einkünfte wie Dividenden, Zinsen, Lizenzeinkünfte ist auch ein Quellenbesteuerungsrecht vorgesehen, jedoch mit einem im Abkommen festgeschriebenen Quellensteuerhöchstsatz.

In Österreich und Montenegro wird die Doppelbesteuerung grundsätzlich nach der Anrechnungsmethode vermieden. Für aktive Unternehmenseinkünfte von österreichi­schen Unternehmen in Montenegro wurde hingegen die Anwendung der Befreiungs­methode unter Progressionsvorbehalt vereinbart.

Zusätzlich wird durch das Abkommen ein Informationsaustausch entsprechend dem neuen OECD-Standard der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft zwi­schen diesen beiden Staaten ermöglicht werden.

Das Abkommen tritt nach Einlangen der späteren Mitteilung über den Abschluss der jeweiligen innerstaatlichen Verfahren zur Inkraftsetzung in Kraft.

Wenn die parlamentarischen Verfahren in beiden Vertragsstaaten in diesem Jahr rechtzeitig abgeschlossen werden können – und davon ist auszugehen –, könnte das Abkommen bereits mit 1. Jänner 2015 anwendbar sein.

Der Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommens kann als wesentliche Rechtsvor­aus­setzung zum Aufbau beziehungsweise zur Vertiefung der wirtschaftlichen Bezie-


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hungen zwischen Österreich und Montenegro angesehen werden und entspricht daher auch den standortpolitischen Intentionen Österreichs.

Lassen Sie mich vielleicht abschließend noch ganz kurz eine Bemerkung zu meinem Vorredner machen, denn so ganz kann ich seiner negativen Beurteilung nicht zustim­men. Denn: Es gibt tatsächlich Bereiche in der österreichischen Wirtschaft, die sehr stark wachsen, und da kann ich auch aus meinem ureigenen Zuständigkeitsbereich als Umweltminister sprechen. Nämlich: Es gibt Bereiche wie zum Beispiel die Umwelt­wirtschaft, die Green Economy, die Green Jobs schafft und zweistellige Zuwachsraten hat. Wenn ich mir etwa den Umweltumsatz mit 36 Milliarden € anschaue, so bin ich zuversichtlich, dass wir bis Ende dieser Legislaturperiode tatsächlich die 40-Milliarden-€-Grenze überschreiten werden und auch bei den Green Jobs, von denen es derzeit 170 000 gibt, die 200 000er-Grenze überschreiten werden können.

Das zeigt: Gerade Investitionen in den Umweltschutz sind Investitionen in eine nach­haltige Wirtschaft, in nachhaltiges Wirtschaftswachstum. – Vielen Dank für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

15.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.31.44

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen! Auch wir werden dem Doppelbesteuerungs­abkom­men mit Montenegro zustimmen. Ich finde es auch positiv und wichtig, dass österreichische Firmen sich in diesem Raum engagieren und dort auch arbeiten. Dieses Doppelbesteuerungsabkommen entspricht weitgehend demjenigen, welches im Mai 2010 mit Serbien abgeschlossen wurde. Aber es gibt doch einige Differenzen, die erwähnenswert sind. Es fehlt im Gegensatz zum anderen hier ein Abschnitt zu Vermö­gensteuern. Die Prozentsätze, unter denen Dividendengewinne auch im anderen Staat besteuert werden dürfen, wurden gesenkt. Es fehlt ein Artikel zu selbständiger Arbeit. Es fehlt ein Artikel zu Hochschullehrern und Forschern. Es gibt einen neuen Artikel, der in einer Generalklausel die Begünstigungen durch das Abkommen für den Fall aufhebt, dass der Hauptzweck für die Person die Erlangung von Steuervorteilen ist.

Die Unterschiede, auch in den Fällen, wo nur konkrete Formulierungen nachgeschärft wurden, zeigen eines sehr deutlich: Doppelbesteuerungsabkommen müssten eigent­lich ständig angepasst werden, was aufgrund der Anzahl und der Konstruktion als Staatsverträge aber undurchführbar ist. Die Fülle von unterschiedlichen Regelungen führt dann dazu, dass die Verwaltung überteuert, ineffizient, schwierig wird. Das führt zu Mehrkosten in der Wirtschaft und auch zu einem Mehraufwand für Gerichte, weil der durch den Wildwuchs entstandene Freiraum nicht selten ausjudiziert wird, was eben auch an den nachgeschärften Formulierungen erkennbar ist. Ungewollt entstehen dann ständig neue Lücken.

Ein Beispiel dazu: Bei den taxativ aufgezählten Urheberrechten im Artikel 12 Dividen­den fehlt im serbischen Doppelbesteuerungsabkommen der Computer, was beim vorliegenden Doppelbesteuerungsabkommen nachgebessert wurde mit „oder anderer Mittel der Wiedergabe oder Übertragung oder Computersoftware“.

Was daraus folgt, ist, dass es dringend notwendig erscheint, einen Weg zu finden, die über 100 Doppelbesteuerungsabkommen durch multinationale Vereinbarungen auf EU-Ebene zu ersetzen und so auch zu konsolidieren. Also wir glauben, dass es in diese Richtung gehen muss, auch eben unter dem Titel Bürokratie­abbau/Er­leichte­rungen für die Wirtschaft, um hier die Zusammenarbeit mit diesen Ländern sicherzu-


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stellen, zu erleichtern und zu vereinfachen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.35.34 8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Zusammenarbeit für eine erleichterte Umsetzung von FATCA (262 d.B. sowie 9253/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um den Bericht.

 


15.36.00

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Zusam­menarbeit für eine erleichterte Umsetzung von FATCA.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 



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15.36.45

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Abkommen mit den USA geht es darum, einen Austausch von Steuerdaten vorzunehmen, um Steuersündern und Steuerflüchtlingen auf die Spur zu kommen. Das ist ja jetzt global gesehen ein richtiges Ziel. Es hat schließlich niemand von uns Verständnis für Steuersünder. Für die kleinen nicht und noch weniger für die großen. Aber wie das bei so hehren Zielen oft ist, vor allem wenn es sich um Abkom­men mit den USA handelt, ist es oft sehr einseitig ausgelegt. Und das ist auch hier so.

Wir sind nämlich in diesem Abkommen verpflichtet, an die USA Daten zu liefern. Umgekehrt ist das aber nicht der Fall. Warum? Weil wir dieses Modell 2 haben. Wir hatten ja die Wahl zwischen zwei Modellen. Modell 1 kam für uns nicht infrage, weil es aufgrund unserer Rechtslage, sprich des Bankgeheimnisses in Österreich, nicht möglich war, denn hier wäre ein automatischer Datenaustausch vorgenommen worden. Daher haben wir uns für dieses Modell 2 entschieden, wo wir die Daten an die amerikanischen Steuerbehörden liefern müssen.

Aber selbst wenn wir Modell 1 gewählt hätten, wäre es noch immer nicht so gewesen, dass ein automatischer Austausch aller Daten stattgefunden hätte, denn es ist auch in dem Vertragstext zu lesen, dass die USA nur in eingeschränktem Ausmaß verpflichtet sind, Daten an Österreich zu liefern.

Da sagen wir, das ist dann schon eine Art von Knebelungsvertrag, wenn einer alles hergeben muss, und der andere darf sich aussuchen, was er hergeben will und was nicht.

Ich finde es interessant, mit den USA so ein Abkommen zu schließen, die ja selber darauf gedrängt haben und jetzt sagen: Wer da nicht mitmacht, ist ein ganz böser Bube!, und selber ganz legale Steueroasen in ihrem eigenen Land haben: Delaware, Nevada. Ganz legal kann man dorthin Gelder verschieben, für die man keine Steuern zahlen möchte. Das ist so (Bundesrat Dörfler: Typisch amerikanisch!) Ich will nicht sagen, das ist verlogen, aber es ist schon diese Doppelbödigkeit, die wir gerade bei den US-Amerikanern oft sehen, und ich bin nicht der Amerika-Hasser schlechthin und sage, alles, was aus den USA kommt, ist schlecht. Sie haben durchaus auch gute Sachen, aber sie haben schon eine gewisse doppelbödige Moral.

Wer bei der Weitergabe von Steuerdaten nicht mitspielt, der wird einfach bestraft. Das ist auch eine Form von Knebelung, wenn ich sage: Wenn du da nicht mitmachst, dann bestrafe ich dich! Die, die nicht mitspielen wollen, werden nämlich automatisch mit einer 30-prozentigen Quellensteuer bestraft.

In Österreich hat man das – eine typisch österreichische Lösung – so gemacht, dass man das an die Finanzinstitute weitergereicht hat. Jetzt wissen Sie ja alle, dass unser Mitleid mit den Finanzinstituten sehr oft enden wollend ist. Aber in dem Fall, finde ich, macht man es sich schon ein bisschen leicht: Man gibt das den Finanzinstituten, und die müssen schauen, wie sie damit zurechtkommen. Die müssen nämlich die Men­schen ausfindig machen, dann müssen sie mit ihnen in Kontakt treten, dann müssen die ein Formular ausfüllen – und all das kostet Zeit und somit auch Geld.

Die Finanzinstitute selber rechnen mit Kosten von 100 Millionen € für diese Um­stellung, vor allem was die EDV anbelangt. Das bedeutet aber auch Kosten von 100 Millionen € für die kleineren Institute und nicht nur für die großen, die das vielleicht leichter tragen könnten.

Von der 30-prozentigen Quellensteuer, von der ich gesprochen habe, sind ja auch Kapital­erträge beziehungsweise auch Zinseinkommen oder Dividenden aus Wertpapie-


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ren aus den USA betroffen, also es geht nicht mehr nur darum, dass man Steuern hinterzogen hat. Und das sind Dinge, die wir immer sehr kritisch betrachten. Die Liste, was man alles wissen muss, ist ja sehr lang: Ist der Kunde ein US-Staatsbürger? – Da könnte man davon ausgehen, dass er in den USA auch steuerpflichtig ist. Ist er in den USA ansässig? Ist er in den USA geboren? Hat er eine aktuelle Wohnadresse oder eine aktuelle Telefonnummer in den USA? – Also das finde ich schon auch sehr interessant. Besteht ein Dauerauftrag auf ein US-Konto? Gibt es eine gültige Zeich­nungsberechtigung oder Vollmacht zugunsten eines Dritten?

All das sind Kriterien, die die US-Steuerbehörde ermittelt, um zu schauen, ob der seine Steuern auch gezahlt hat. Was heißt das aber in der Praxis? Wenn jetzt zum Beispiel jemand von uns einen Sohn oder eine Tochter hat, die gerade in den USA studiert, dort für eine gewisse Zeit lebt, und, weil wir ja nette Eltern sind, diesem Kind Monat für Monat einen gewissen Betrag auf ein US-Konto zahlt, dann ist er genauso davon betroffen wie jeder andere. Also da kann man nicht nur von Steuersündern oder Steuerflüchtlingen sprechen, die dann in Verdacht geraten, Steuern zu hinterziehen.

Darum glaube ich auch, dass das oft genug für die USA ein Vorwand ist. Man will hier an ein ganzes Datenpaket herankommen. Wir haben ja schon Erfahrungen mit SWIFT, wir haben Erfahrungen mit der NSA, wir wissen, dass die Amerikaner da sehr, sehr gierig sind, alle Daten zu bekommen, die sie kriegen können. Es gibt natürlich immer einen guten Vorwand. Auch unter dem Titel der Terrorbekämpfung sind ja viele Dinge auf den Weg gebracht worden.

Interessant ist aber – als kleine Randbemerkung –: Wenn man sich an den Fall zurückerinnert, wo man einen Terroristen aus einem Flugzeug rausgefischt hat, der ungehindert in das Flugzeug einsteigen konnte und auch eine Zeit lang ungehindert reisen konnte, obwohl er, ich weiß nicht, auf mindestens zehn Terroristenlisten stand, dann sieht man: So lückenlos dürfte das System dann doch auch wieder nicht sein.

Ich glaube aber auch gar nicht, dass es vordergründig darum geht, sondern ich glaube, dass dies nur als Vorwand dient, um im Hintergrund möglichst viele Daten zu bekom­men. Das heißt, den „gläsernen Menschen“ haben wir eigentlich schon, den haben wir auf jeden Fall. Und wir schließen ein Abkommen – Österreich ist ja immer Muster­schüler, und wir sind immer ganz brav. Um diese Daten weiterzugeben, braucht es ja das Einverständnis des Kunden. Noch ist es ja nicht so weit – wir befinden uns ja im Modell 2 –, dass das automatisch geschieht.

Wenn jetzt aber der Kunde verweigert und sagt, er möchte nicht, dass seine Daten weitergegeben werden, dann gilt er – und das halte ich für eine interessante Formulie­rung beziehungsweise für einen interessanten Ausdruck für solche Leute – als „wide­rspenstiger Kontoinhaber“. Daher werden seine Daten dann auch nicht nament­lich, sondern anonymisiert an die Steuerbehörde in den Vereinigten Staaten weitergereicht.

Damit ist die Sache gegessen, möchte man jetzt glauben. Der hat jetzt seine Daten nicht weitergegeben, Pech gehabt. – Dies ist jedoch nicht so, denn die Steuerbehörde stellt dann wiederum einen Gruppenantrag an unsere Steuerbehörde, und irgendwann einmal ist der dann dingfest gemacht – im übertragenen Sinn, nicht körperlich –, und sie bekommen natürlich die gewünschten Daten. Damit ist das Bankgeheimnis auf jeden Fall für US-Amerikaner gefallen, weil das ja auch für Unternehmen gilt, die von US-Gesellschaften kontrolliert werden, also Tochterunternehmen.

Es ist also jetzt Schluss mit dem Bankgeheimnis für US-Bürger, was aber 2017 für alle Ausländer kommen wird. Da hat ja Österreich am letzten EU-Gipfel – ich glaube, im März war das – auch zugestimmt. Nur so viel dazu, da uns ja immer erklärt wird, wie gut unser Bankgeheimnis ist und wie wichtig der Regierung das ist. – Uns ist es ja wirklich wichtig, aber die Regierung sagt nur, es ist ihr wichtig, stimmt jedoch trotzdem


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überall mit, wo das Bankgeheimnis geschwächt wird. Ab 2017 werden alle Ausländer ein ähnliches Verfahren haben.

Wir sagen, es ist ein Vorwand, dass man Steuerflüchtlinge sucht und Steuersünder dingfest machen möchte, weil es in allererster Linie darum geht, von allen möglichen Leuten alle möglichen Daten zu haben, also um den „gläsernen Menschen“. Wir haben das bei den Verhandlungen zu TTIP und CETA ja auch schon gemerkt. Da geht es ja längst nicht nur um diese Zollschranken, sondern um viel, viel mehr, nämlich um unsere Standards. Und wir glauben, dass hier mit durchaus erpresserischen Mitteln Daten abgefragt werden sollen, und das ist etwas, was wir grundsätzlich ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


15.46.37

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zu meiner Vorred­nerin: Immer dann, wenn wir von Datenaustausch und von Informationsübertragung sprechen, schwingt natürlich auch ein gewisses Unbehagen mit. Was mit den Daten geschieht und wer diese Daten erhält, ist oft nicht klar nachvollziehbar, was für manche genau der Grund dafür ist, warum sie Daten nicht weitergeben wollen.

Die Tatsache, dass die Frage nicht geklärt ist, wer diese Daten wie und wo behandelt, ist schlichtweg auch das Argument dafür, warum viele sagen, nein, wir sind gegen diese Maßnahmen. Es geht hier um ein Abkommen, das eine Verbesserung enthält, die wir alle mit Sicherheit unterstützen, nämlich Steuerpflichten und Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerflucht. Gerade dass es um US-Staatsbürger im Ausland geht, die auch zur Steuerleistung angehalten werden, ist mit Sicherheit ein Grund, dieses Abkommen zu unterstützen.

Ganz klar steht natürlich auch die Absicht im Mittelpunkt, dass dadurch nicht ein Mehr an Bürokratie entsteht, aber da sind natürlich auch die Banken mit in der Verant­wortung und in der Pflicht. Es ist ein Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit und Legalität und damit natürlich auch ein Schritt zu mehr Sicherheit. Diese Maßnahme soll letztlich auch Anstoß dafür sein, auf europäischer Ebene gerade die Umsetzung von Zielen im Bereich Finanzen, die wir uns setzen und die auch politisch sehr stark in Diskussion sind, zu beschleunigen.

Es zeigt natürlich, dass die Vereinigten Staaten einen sehr wirkungsvollen und auch gezielten Weg gehen, entsprechende Maßnahmen umsetzen und mit diesem Modell 2 letztlich auch sehr effizient Steuersünder und Steuerflüchtlinge erreichen.

Ich glaube, es ist aber auch Ziel – und das ist für uns ein wichtiges Thema –, Steuer­gerechtigkeit klar umzusetzen. Steuergerechtigkeit ist eine Notwendigkeit, um letztlich Budgetsicherheit zu haben, unser Budget nachhaltig zu sichern und nicht zuletzt auch eine Sanierung unseres Staatshaushaltes zu gewährleisten.

Steuerleistung muss dort ankommen, wo sie entsteht. – Das ist ein Schwerpunkt, der politisch gesetzt werden muss. Steuerleistung muss auch dort anfallen, wo der Kon­sum stattfindet. Das ist letztlich auch der Grund, warum gerade Großbetriebe ange­halten sind, nicht nur in jenen Ländern, in denen sie produzieren, sondern vielmehr auch in jenen Ländern, in denen der Konsum erfolgt, Steuerleistungen zu erbringen.

Fazit dieser ganzen Entscheidung kann nur sein, dass auf diese Art und Weise auch langfristig die Systemsicherheit gegeben und nicht zuletzt die Liquidität unseres Staa-


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 120

tes gesichert ist. FATCA zeichnet hier den richtigen Weg. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Füller.)

15.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


15.50.24

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht jetzt hier nicht darum, dass irgendjemand gegen Steuerbetrugsbekämpfung auftreten würde. Da gibt es ja allseits das Bekennt­nis, dass wir natürlich dafür sind, auch wenn es sich um amerikanische Staatsbürger handelt, die hier bei uns ihr Geld unterbringen oder hier investiert haben. Folgende Frage stellt sich für uns: Warum hat Österreich die Entscheidung für das Modell 2 getroffen und nicht für das Modell 1? Für das Modell 1 haben sich immerhin 39 von 44 Staaten entschieden, und Modell 1 wäre auch wenigstens einigermaßen reziprok. Es würde also auch Österreich gestatten, unsere Steuerflüchtigen zu verfolgen.

Außerdem wird es uns ja ohnehin nicht erspart werden, diesen Weg des Modells 1 zu gehen. Das heißt, es ist eigentlich nur eine kurze Frist, die uns für die Entscheidung für Modell 2 gewährt wird. Ist es wirklich der Grund, dass sich dann sämtliche wackeren Verteidiger unseres Bankgeheimnisses, das – wie Kollegin Mühlwerth ja ausgeführt hat – eigentlich ohnehin nicht mehr existiert, mit großen Schrammen geschlagen geben werden und sagen können, wir haben es versucht?

Aber inzwischen nimmt Österreich den Nachteil für die eigenen Finanzbehörden in Kauf, die Steuerflüchtlinge nicht verfolgen zu können. Das Bankgeheimnis ist ja nicht nur für US-Bürger aufgehoben, sondern für alle EU-Bürger, weil laut EU-Diskrimi­nierungsverbot kein Mitgliedstaat einem Nichtmitglied mehr Rechte einräumen darf. Das heißt also, diese Rechte, die wir der USA gewähren, gewähren wir damit natürlich automatisch auch den anderen EU-Staaten. Das heißt, EU- und USA-Finanzbehörden dürfen die Kontodaten von Österreichern abfragen und können sie auch dingfest machen – wenn auch nicht so einfach –, wenn sie den Verdacht haben, dass diese als Strohmänner für eigene Steuerpflichtige tätig sind, aber das österreichische Finanzamt darf das nicht.

Wir glauben, dass Österreich sich mit dieser Regelung schwächer macht, als es ist. Das gilt eigentlich auch für die EU insgesamt gegenüber Amerika. Ich glaube, es wäre durchaus möglich, hier selbstbewusster und klarer mit den USA zu kooperieren und den USA auch in vielen dieser Bereiche entgegenzutreten.

Die Anwendung von FATCA in Österreich kann im Extremfall dazu führen, dass alle EU- und USA-Finanzbehörden Kontodaten von Österreichern abfragen dürfen, wenn sie den Verdacht haben, dass diese als Strohmänner für die eigenen Steuerpflichtigen tätig sind – einzig das österreichische Finanzamt darf das nicht. Und das kann es wirklich nicht sein! Deshalb werden wir diesem Abkommen mit dem Modell 2 auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

15.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. – Bitte.

 


15.53.58

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Foreign Account Tax Compliance Act, FATCA, ist die gesetzliche Grundlage in den USA, um Abkommen im Kampf gegen Steuerbetrug bei internationalen Sachverhalten


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festzulegen. Diesen haben die USA bereits dazu genutzt, mit einer Vielzahl von Staaten, wie der Schweiz oder Deutschland, solche Abkommen abzuschließen.

Das Abkommen mit den USA über die Zusammenarbeit für eine erleichterte Um­setzung von FATCA wurde am 29. April 2014 in Österreich unterzeichnet. Das Abkom­men folgt dem sogenannten Modell 2, welches auch in den FATCA-Abkommen mit der Schweiz, mit Japan, Chile oder auch Bermuda umgesetzt worden ist.

Nach dem Modell 2-Abkommen ist – wie auch schon vorhin gesagt –, anders als beim Modell 1-Abkommen, kein automatischer Informationsaustausch vorgesehen, sondern erfolgt auf Ersuchen des US Internal Revenue Service, IRS. Die Wahl dieses Modells erfolgte seinerzeit unter Berücksichtigung der österreichischen Rechtslage in Bezug auf den Schutz des Bankgeheimnisses. Klarstellend wird hier angemerkt, dass die Wahl des Modells 2 für Österreich keinerlei Präjudiz für eine allfällige zukünftige Zusammenarbeit mit den USA im Wege des automatischen Informationsaustausches darstellt. Dies würde aber nicht vor 2018 in Betracht kommen.

Das Ersuchen nach dem Abkommen erfolgt in Form einer sogenannten Gruppen­anfrage des IRS an die in Österreich zuständige Behörde, wobei die Grundlage für eine solche Anfrage zusammengefasste Informationen bilden, die das IRS im Vorfeld von den österreichischen Finanzinstituten erhalten hat. Die österreichischen Banken sind nämlich verpflichtet, Sammeldaten in Bezug auf jene Kundinnen und Kunden, die der Offenlegung ihrer Kontodaten nicht zustimmen, an die US-Finanzverwaltung zu melden. In Beantwortung dieser Gruppenanfrage ergehen dann an die US-Finanzbe­hörde Auskünfte über jene Steuerpflichtigen, die der Offenlegung ihrer Kundendaten nicht zugestimmt haben.

Die gesetzliche Grundlage für die Gruppenanfragen bildet das Amtshilfe-Durchfüh­rungs­gesetz – ADG. Das ist dort ausdrücklich geregelt, und das ADG wurde zu diesem Zweck ja auch durch das Budgetbegleitgesetz 2014 entsprechend geändert. Der Inhalt des österreichischen zwischenstaatlichen Abkommens entspricht weitgehend auch dem schweizerischen Abkommen. Allerdings wird die Ermächtigung beziehungsweise Verpflichtung der Banken direkt auf der Ebene des Völkervertragsrechtes geregelt, sodass eine eigene Umsetzungsgesetzgebung nicht erforderlich erscheint.

Es darf insgesamt bei der Diskussion auch nicht übersehen werden, dass die Idee, die FATCA zugrunde liegt, von den G-20 und der OECD als Basis des neuen einheitlichen, globalen Amtshilfestandards gewählt wurde, welcher den verpflichtenden automati­schen Informationsaustausch im internationalen Bereich vorsieht. Dieser Standard wurde bekanntlich auch von der EU übernommen und wird ab 2015 auf der Basis der neuen Amtshilferichtlinien für alle EU-Mitgliedstaaten bindend sein. Der Datenaus­tausch in Form von Gruppenanfragen erfolgt nach den strikten Regeln des zwischen­staatlichen verwaltungsbehördlichen Informationsaustausches und unterliegt daher strengsten Geheimhaltungsbestimmungen sowohl auf der Ebene des nationalen als auch des internationalen Rechts. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es freut mich, dass wir hier in der Länder­kammer eine Landesrätin begrüßen dürfen, nämlich Frau Landesrätin Verena Dunst aus dem Burgenland. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


15.58.04

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe anwesende Damen und Herren! Die vorlie-


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gende Gesetzesvorlage basiert im Wesentlichen auf den strikten Vorgaben der amerikanischen Steuerbehörden vor dem Hintergrund der Rolle einer starken Wirt­schaftsmacht, die damit die Einhaltung steuerlicher Verpflichtungen sicherstellen will, damit auch in Amerika Steuerpflichtige, die sich im Ausland befinden, erfasst werden.

Der Aushandlungsspielraum für Österreich und auch die anderen betroffenen Länder war ziemlich eng bemessen. In Summe ist diese Regelung, die unter Einbeziehung der Betroffenen gestaltet worden ist, sehr komplex und auch für Fachleute ziemlich herausfordernd. So sind allein im Anhang 2 mit der Definition der umfassten und aus­genommenen Finanzinstitute viele Seiten gefüllt worden.

Ob sich auf Sicht die Wahl des Modells 2 für Österreich bewährt hat oder nicht doch mittelfristig ein möglicher Modellwechsel ins Auge gefasst werden sollte, vor allem aber die Umstellung auf einen automatischen Informationsaustausch möglich und sinnvoll ist, wird Gegenstand einer notwendigen Evaluierung sein. Aus meiner Sicht werden in der konkreten Umsetzung der gesetzlichen Regelung zahlreiche Fragen zu klären sein.

Ich verweise beispielhaft auf den Artikel IV zur Nachprüfung und Durchsetzung des Abkommens, in dem zwischen geringfügigen und gravierenden Verstößen unterschie­den wird, mit unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Kunden, aber auch für die Finanzinstitute.

Daher ist es aus meiner Sicht unbedingt sinnvoll, eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle einzurichten, die die Finanzinstitute bei der Interpretation und praktischen Umsetzung von Auflagen, aber auch bei Spezialfragen von Kunden unter­stützt.

Jedenfalls wird den österreichischen Finanzinstituten einmal mehr ein erheblicher Mehraufwand an Schulung der MitarbeiterInnen, an Aufklärung der Kunden und an sorgfältiger Abwicklung und Unterstützung von Prüfungshandlungen auferlegt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzinstitute werden damit zur verlängerten Hand ausländischer Steuerbehörden. Dies ist an sich problematisch, aber umso bedauerlicher, als – wie heute schon mehrfach angesprochen – es derzeit keine gegengleiche Verpflichtung amerikanischer Finanzinstitute zugunsten österreichischer Steuereinkünfte gibt oder auch keine Beteiligung der amerikanischen Steuerbehörde an den Kosten vorgesehen ist, die sie anderen Staaten damit auferlegt. Diesem Umstand muss jedenfalls zukünftig auf europäischer Ebene besondere Aufmerk­samkeit gewidmet werden mit dem Ziel, zu einer reziproken Vereinbarung zu kommen.

Meine SPÖ-Fraktionskollegen und ich werden diesem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.02.009. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Wirtschafts­partner­schaftsabkommen zwischen den CARIFORUM-Staaten einerseits und der


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Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (186 d.B. und 283 d.B. sowie 9245/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Interims-Wirt­schaftspartnerschaftsabkommen zwischen Côte d’Ivoire einerseits und der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (261 d.B. und 284 d.B. sowie 9246/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 9 und 10, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Bitte um die Berichte.

 


16.02.31

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Wirtschafts­partnerschaftsabkommen zwischen den CARIFORUM-Staaten einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte ebenfalls aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Natio­nal­rates vom 22. Oktober 2014 betreffend Interims-Wirtschaftspartnerschafts­abkom­men zwischen Côte d’Ivoire einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichte.

Ich darf zur Debatte über diese Tagesordnungspunkte sehr herzlich zum ersten Mal bei uns hier Herrn Staatssekretär Dr. Harald Mahrer begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.04.11

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Staats­sekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte Sie nicht lange aufhalten. Ich bin die einzige Rednerin zu diesen beiden Tagesordnungspunkten und ich verstehe schon, dass keiner dazu redet, denn wir haben ja eigentlich auch nichts zu sagen. Das heißt, unsere Zustimmung ist nicht erforderlich. Wir wurden und werden nur informiert, wofür ich mich bedanken möchte. Trotzdem möchte ich das nicht völlig für mich behalten beziehungsweise unkommentiert lassen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 124

Es handelt sich um zwei Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, einerseits eben zwi­schen den CARIFORUM-Staaten – also afrikanische, karibische und Staaten aus dem Pazifikraum – und der EU und andererseits der Elfenbeinküste mit der EU.

Diese Abkommen haben bereits eine lange Geschichte. CARIFORUM wurde bereits im Jahr 2008 vom Ständigen Vertreter Österreichs in Brüssel unterzeichnet. Die Verhand­lungen dazu haben im Jahr 2003 auf Basis des Cotonou-Abkommens aus dem Jahr 2000 begonnen. Das Cotonou-Abkommen wurde mit sechs AKP-Regionalgrup­pen verhandelt – also mit sehr viel mehr Staaten. Nur mit einer Gruppe konnte das vorliegende Abkommen finalisiert werden.

Für mich stellt sich die Frage: Warum? Was ist mit den anderen fünf Staatengruppen? Warum kommt es nicht zu einer entsprechenden Zusammenarbeit beziehungsweise zu einem solchen Abkommen? Werden die jetzt komplett abgekoppelt?! Von diesen anderen Staaten konnten eben nur mit Einzelstaaten WTO-konforme Interimsverträge abgeschlossen werden; so zum Beispiel mit der Elfenbeinküste, der vielleicht in Zukunft in einem Abkommen mit Westafrika aufgehen wird. Es kommt hinzu, dass diese Staaten dann oft doch einen Entwicklungssprung machen, ihre Meistbegüns­ti­gungsklausel gegenüber der EU verlieren und dann das wieder in andere Abkommen übergeführt werden muss.

Die Abkommen sind sehr umfangreich: Neben Warenhandel sind Dienstleistungen, Investitionen, Ursprungsregeln und so weiter betroffen.

Gegen diese Abkommen gab es im Jahr 2009 eine große Kampagne, die StopEPA-Kampagne. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als zahlreiche Entwicklungs­hilfeorganisationen und Menschenrechtsorganisationen wie FIAN, Germanwatch und so weiter kampagnisiert haben und die Abgeordneten der EU-Staaten versuchten, der Ratifizierung entgegenzuwirken. Das ist ihnen wahrscheinlich auch bis zu einem gewissen Grad gelungen, sonst hätte es nicht so lange gedauert.

In dieser Kampagne wurde insbesondere davor gewarnt, dass sich die betroffenen Länder nicht vor Dumpingexporten aus der EU werden schützen können, dass sozu­sagen die entwickelten EU-Staaten diese Länder einfach überrennen werden. Ich darf daran erinnern, dass es derzeit wirklich massive Bedenken gibt, dass wir uns nach Abschluss des TTIP nicht gegen Chlorhühner aus den USA werden wehren können. Um wie viel mehr sind dann solche Länder mit einem wenig oder kaum entwickelten Rechtssystem in der Lage, den Interessen großer Konzerne und ihrer Armada von Anwälten etwas entgegenzusetzen beziehungsweise ihre Waren mit entsprechenden Ursprungsregeln und allem, was hier gefordert und geregelt ist, zu exportieren?! – Jeder Landwirt und jeder mittelständische Betrieb bei uns kann ein Lied davon singen, wie schwierig es in vielen Fällen ist zu exportieren. Und das bei einer sehr gut ausgebauten Unterstützung, die es ja in Österreich für Betriebe, die exportieren, gibt – einer Unterstützung, die es in solchen Ländern natürlich nicht annähernd oder gar nicht gibt!

Das heißt, aus entwicklungspolitischer und menschenrechtlicher Sicht sind solche Abkommen daher höchst problematisch. Und die Frage, ob sie mit dem Ziel einer regionalen Integration in Einklang zu bringen sind, ist keineswegs beantwortet.

Aber es gibt mittlerweile fünf Jahre Erfahrung. Wir durften im Ausschuss erfahren, dass es bereits ein Monitoring gegeben hat. Die Ergebnisse sind aber noch nicht aus­gewertet und sollen in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. Ich hoffe wirklich, dass es sowohl den entwicklungspolitisch Engagierten als auch den Menschenrechts­organisationen gelingt, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, eventuell nachzu­bessern oder eben auch für die Staaten, für die es noch keine solchen Abkommen gibt,


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 125

entsprechend andere – wenn es notwendig sein sollte – zu verhandeln oder zu ter­minisieren.

Ich hoffe vor allem auch, dass diese Staaten im Fokus unserer Aufmerksamkeit bleiben, denn dieser ist dort meiner Meinung nach wichtiger als auf Kanada und den USA.

Für die Entwicklung dieser Länder ist es notwendig, zu verhindern, dass es zu einem noch größeren und stärkeren Auseinanderdriften der entwickelten und der nicht ent­wickel­ten Länder kommt. Es ist notwendig, dass es eine Zusammenarbeitsmöglichkeit auf Augenhöhe gibt, nicht Kolonisation, nicht Überrennen, um wirklich eine nachhaltige Entwicklung – Verzeihung, es gibt keinen besseren Ausdruck – zu erreichen.

Natürlich frage ich mich wie viele andere, die in der konkreten Entwicklungsarbeit tätig sind, auch, wieso es so viele, so komplizierte Regelungen braucht, so viele Juristen, um Fair Trade – was wir möchten und was das Ziel sein sollte – zu erreichen, was ja in Nischen und in begrenztem Maß auch erreicht wird. Verpufft hier nicht ungeheuer viel Energie, die eigentlich effizienter eingesetzt werden könnte? Es ist nur ein kleiner Trost, dass diese Energie nicht klimarelevant ist, und es scheint so zu sein, dass es offensichtlich viele Verhandlungen, viel Kontakt, viele Verträge braucht, um Vertrauen aufzubauen, um Kooperation zu ermöglichen, und dass leider nur Gewalt schnell und effektiv ist.

In diesem Sinne stimmen wir hier zu – auch wenn wir nicht gefragt sind –, eben auch in dem Sinne, dass diese Staaten und die Zusammenarbeit mit diesen Staaten im Fokus unserer Aufmerksamkeit wachsen und mehr werden, als es bis dato der Fall ist. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

16.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


16.11.48

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundes­rates! Es ist schon angesprochen worden, dass der Bundesrat bei diesen Abkommen gemäß Artikel 50 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zustimmen muss, da – wie im Ausschuss auch diskutiert – keine Angelegenheit des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt wird. Es ist an und für sich eher ein politisches Symbol – wie wir auch bereits im Nationalrat debattiert haben –, dass man diesen beiden Abkommen positiv zustimmt.

Der Punkt, auf den ich in diesem Zusammenhang noch einmal kurz hinweisen wollte, wurde jetzt ohnehin angesprochen, nämlich das Monitoring, das Reviewing von solchen Abkommen, die immer nur ex post einer kritischen Würdigung zu unterziehen sind. Das gilt natürlich auch für diese Abkommen, die ja ausverhandelt und sozusagen bereits in Umsetzung sind. Es wurde auch oftmals debattiert, warum das in den nationalen Parlamenten so lange dauert. Ich finde es besonders gut, dass die natio­nalen Parlamente damit überhaupt befasst werden. Das ist demokratiepolitisch ge­sehen eine wichtige Geschichte. Umso mehr ist es dann vielleicht notwendig, wenn die unterschiedlichen Reviews vorliegen, die Monitoring-Ergebnisse da sind – die ja auch transparent gemacht werden, was gut, wichtig und richtig ist –, dass man sich auch inhaltlich damit beschäftigt. Das war eine Frage, die sowohl im Wirtschaftsausschuss des Nationalrates als auch im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates behandelt wurde. Viel mehr kann man zur Umsetzung der Abkommen zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht sagen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 126

Ich möchte diese Gelegenheit auch kurz dazu nützen, mich vorzustellen. Ich konnte das ja aufgrund einer terminlichen Verhinderung heute Früh nicht machen. Geben Sie mir Gelegenheit, ein bisschen etwas zu meiner Person zu sagen, damit Sie auch wissen, wie sich die zukünftige Zusammenarbeit vielleicht gestalten kann. Sie wissen, dass ich den Herrn Vizekanzler in dem relativ großen Ressort Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft vertrete oder unterstütze. Für mich ist das eine sehr ehrenvolle, zukunftsorientierte Aufgabe, weil gerade die Verschmelzung – nämlich inhaltlich, nicht ressorttechnisch – dieser Aufgaben für unsere Volkswirtschaft sehr, sehr wichtig ist. Sie wissen ja alle, wir stehen vor großen gemeinsamen Herausforderungen.

Stichwort zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft, Industrie 4.0, das digitale Zusam­menwachsen aller Logisitik-, Telekommunikations-, Energienetze – das wird uns alle hier in Österreich und in Europa – ich war gestern wieder einen Tag in Brüssel, das sind dort die großen Topthemen – vor entscheidende Veränderungen stellen, weil bestehende Geschäftsmodelle in der Industrie – die bekommen das ganz besonders früh mit – auf den Prüfstand gestellt werden und sich viele große Betriebe fragen, ob das so mit den Modellen, die wir heute haben, auch noch weitergehen wird.

Das wird natürlich ein Land, das eine gute mittelständische Industrie hat, das viele Zulieferbetriebe hat, das stark im Export unterwegs ist – wir verdienen auf den inter­nationalen Weltmärkten mehr als 6 von 10 € unserer Bruttowertschöpfung, wie Ihnen ohnehin bestens bekannt ist; immer ein kleines Stückchen weniger in Europa, erfreu­licherweise immer ein kleines Stückchen mehr außerhalb von Europa –, das wird uns alle auf den Prüfstand stellen, und daher ist diese Doppelressortverantwortung Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft besonders gefragt, denn – dem wollen wir uns ja auch gemeinschaftlich stark widmen – der Erneuerung der Innovationskette kommt dann eine ganz besondere Bedeutung zu.

Das heißt für mich – und es ist, glaube ich, auch für Sie wichtig, dass Sie das wissen – ein breiteres Denken der Bildungsfrage als bisher, von der frühkindlichen Bildung bis in den tertiären, aber auch quartiären Sektor – Stichwort lebenslanges Lernen – hinein, um zu sehen, wo man überall die Neugierde, die Innovationslust fördern kann, um sie dann tatsächlich sowohl in der universitären Forschung als auch in der außer­uni­versitären Forschung und im Innovationsbereich unserer Wirtschaftsbetriebe zum Erblühen zu bringen. Am Ende des Tages ist nämlich in den kommenden Jahren für ein Land, das keine großen Bodenschätze hat – wir haben zwar eine wunderbare Natur, aber wir haben kein Öl, kein Gas, keine Goldvorkommen, und wenn doch, dann sind sie vielleicht ganz klein in den Hohen Tauern noch irgendwo vorhanden, werden uns jetzt aber budgettechnisch nicht „rausreißen“, um es auf Wienerisch zu sagen –, die Innovationskraft unserer Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen und unserer Betriebe der Schlüsselfaktor für den Erfolg auf den Weltmärkten, um weiterhin export­technisch erfolgreich sein zu können und Umsätze zu machen, die uns dann im Inland die Möglichkeiten bringen, die nachgelagerten Dienstleistungen und Produk­tions­fakto­ren zu versorgen.

Sie sehen also schon, wie wir unsere Schwerpunkte – auch meiner Arbeit – setzen werden: Wirtschaftsförderung, Unternehmensfinanzierung, Forschungsbereich stärken, die gesamte Innovationskette im Bildungsbereich ein bisschen breiter tragen, das ist es, worauf ich Wert legen möchte, für ein modernes, menschliches Österreich. Und ich bitte Sie, ein Stück des Weges mit mir, mit uns gemeinsam zu gehen, und freue mich in den kommenden Jahren auf eine ausgezeichnete Zusammenarbeit im Sinne des Wirtschaftsstandortes. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

16.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 127

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den CARIFORUM-Staaten einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2014 betreffend Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Côte d’I, zwischen der Elfenbeinküste einerseits (Heiterkeit) und der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

16.17.4911. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2013 (III-522-BR/2014 d.B. sowie 9247/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Temmel. Bitte um den Bericht.

 


16.17.59

Berichterstatter Walter Temmel: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Frau Landesrätin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2013 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme deshalb gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2013 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Poglitsch. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.18.44

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Landesrätin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich hätte nicht gedacht, dass das ohnehin gute Tourismusjahr 2012 in Bezug auf die Nächtigungszahlen noch einmal getoppt werden kann, aber wir werden eines Besseren belehrt: Die Tourismuswirtschaft hat es wieder geschafft, dieses Ergebnis zu toppen, nämlich um 1,2 Prozent bei den Nächtigungen und um 1,8 Prozent bei den Ankünften. Wir haben mittlerweile 132 Millionen Nächtigungen, und das ist keine Kleinigkeit, sondern das zeigt, dass unsere Betriebe, aber auch die Politik, also die zuständigen Stellen, gut gearbeitet haben.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 128

Für unsere Betriebe aber doch ein Wermutstropfen ist, dass wir gerade bei der Wert­schöpfung etwas hinterherhinken. Das heißt, wir haben es in den letzten Jahren zwar geschafft, die Anzahl der Nächtigungen zu steigern, aber bei der Wertschöpfung stag­nieren wir. Das ist für unsere Tourismuswirtschaft ein bisschen problematisch, weil wir wissen, dass wir in Zukunft nur mit einer absoluten Qualität am Markt werden bestehen können, und dafür bedarf es Investitionen.

Für Investitionen bedarf es Wertschöpfung und Gewinnen in den Betrieben, damit wir investieren können. Deswegen muss die Politik, aber auch die Wirtschaft alles daran­setzen, dass wir wieder zu entsprechender Wertschöpfung kommen – auch bei der Preispolitik, das sage ich als Touristiker ganz offen: Wir haben nichts zu verschenken und wir sollen auch nichts verschenken. Unsere Qualität muss auch einen Preis haben, sodass auch die Wertschöpfung entsprechend stimmt.

Ich bin der festen Überzeugung, dass gerade auch die Tourismuswerbung wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen wird müssen, um im Marketing unsere Qualität auch an den Markt draußen zu verkaufen. Was hilft die Qualität der Betriebe, wenn es der Gast draußen nicht weiß? Deswegen glaube ich, dass die Österreich Werbung sehr gut beraten ist, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Es ist ja auch angekündigt worden, dass es dafür mehr Geld geben wird.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt, nämlich dass wir in Zukunft die Nächtigungen bis auf 140 Millionen hinaufschrauben wollen. Ich glaube, das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber – und das zeigen auch die letzten Jahre – es ist erreichbar. Man kann es schaffen, denn wenn wir bedenken, dass sich weltweit die Ankünfte bei den Gästen bis 2030 fast verdoppeln werden, dann ist es möglich, dass wir von diesem Kuchen so viel abbekommen, dass wir die 140 Millionen Nächtigungen auch erreichen.

Aber wie kann uns hier die Politik helfen? – In erster Linie sind es die Betriebe, die das erwirtschaften, die die Nächtigungen erwirtschaften, die die Wertschöpfung erwirtschaf­ten, die die Arbeitsplätze sichern. Die Politik kann uns da nur eine Hilfestellung geben.

Eines, muss ich sagen, hat unser Herr Tourismusminister – so nenne ich ihn einmal –Mitterlehner sehr gut gemacht, nämlich dass er hergegangen ist und auch die Haftun­gen für die ÖHT um 250 Millionen € ausgeweitet hat, denn es ist etwas Wesentliches, dass uns die ÖHT Geld für die Qualitätssteigerung in den Betrieben zur Verfügung stellt. Das ist absolut richtig erkannt worden, und deswegen möchte ich an dieser Stelle dem Herrn Minister dafür auch einmal danken.

Aber es gibt auch weitere Maßnahmen, die unbedingt gesetzt werden müssen. Wir wissen, Tourismus zählt zum Dienstleistungssektor, und da sind die Lohnnebenkosten wirklich ein schlagendes Argument in der Preisgestaltung, und die müssen herunter. Die müssen absolut herunter, damit wir uns in der Preisgestaltung ein bisschen leichter tun. Die Sicherung der Unternehmensfinanzierung ist auch in diesem Programm drin­nen, was absolut wichtig ist, und wir sehen es auch, gerade bei den Einsaison­betrieben: Wir brauchen Haftungen, die für die Betriebe übernommen werden, damit sie in die Qualität der Betriebe investieren können. Ansonsten haben sie keine Chance, auf dem Markt zu bestehen.

Eine Vereinfachung der Förderungsabwicklung ist auch wichtig, denn es kann nicht sein, dass wir einen großen Teil unserer Zeit, die wir eigentlich mit dem Gast verbrin­gen sollen, für bürokratische Arbeit verwenden, damit wir die Förderung abwickeln können.

Eine Erleichterung der Visa-Abwicklung ist vorgesehen. Das ist gerade im Städtetouris­mus extrem wichtig. Und gerade dieser Städtetourismus boomt in den letzten Jahren.


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In Wien haben wir 3,4 Prozent mehr Nächtigungen, das ist keine Kleinigkeit. Das zeigt, dass hier richtig gearbeitet wird. Aber es muss auch bei den Visa-Abwicklungen schnel­ler gehen. Gerade Gäste aus dem fernen Ausland sind Kulturtouristen, sind Städtetouristen, die in die größeren Städte kommen, und das muss noch viel schneller und effizienter gehen, damit wir uns hier leichter tun.

Wobei ich ganz offen sage, es wird für uns in Zukunft auch die Mobilitätsfrage im Touris­mus eine Rolle spielen. Sie müssen sich vorstellen, 75 Prozent aller unserer Gäste kommen heute noch mit dem Kfz. Da ist wahnsinnig viel Potenzial drinnen, gerade im Schienenverkehr und im Flugzeugverkehr. Ich nehme hier nur etwa Klagenfurt als Beispiel: Kärnten Tourismus hat es bis heute nicht geschafft, den Klagenfurter Flughafen zu beleben, den Flugverkehr mit Angeboten zu vernetzen. Da ist viel Potenzial für uns Touristiker drinnen, aber auch für die Politik, um hier Hilfestellung zu geben, denn 75 Prozent mit dem Kfz Reisende, das wird in Zukunft relativ viel sein. Wenn man sich vorstellt, dass unsere Gäste aus dem nordeuro­pä­ischen Raum über die Autobahnen anreisen müssen, mit den vielen Mauten, da wird es wahrscheinlich eine Stagnation geben, und deswegen müssen wir die andere Mobilität auch entsprechend ausbauen.

Ein weiteres Thema, das für uns ganz wichtig ist und das in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt hat, ist das Thema Radtourismus. Da muss es weiterhin einen qualitativ hochwertigen Ausbau unserer Radwege geben, eine entsprechende Beschil­derung, und ich nenne als Best-Practice-Beispiele den Donau-Radweg, aber auch den Drau-Radweg. Da boomen die Betriebe. Familien werden wieder zu Radfahrern, und ich sage es Ihnen ganz offen, wer bei mir auf dem Campingplatz ankommt, der hat garantiert Räder für die gesamte Familie auf dem Dach. Angesichts dessen sollte man es nicht vernachlässigen, den Radtourismus weiter auszubauen.

Ein Thema für die Städte: Kulturtourismus. Österreich wird von den Gästen als Kulturland wahrgenommen. Hier ist viel Potenzial, weil Kulturtourismus nicht wetterab­hängig und nicht saisonabhängig ist. Egal, in welcher Saison, auch in der Vor- und Nachsaison, Kulturtourismus kann man immer als ordentliches Produkt auf dem Markt verkaufen. Dementsprechend muss der Kulturtourismus auch gefördert und mit unse­ren Betten in Verbindung gebracht werden.

Ganz wichtig, aber in den letzten Jahren vielleicht gerade bei uns auch vernachlässigt worden ist der Wandertourismus, aber nicht der Wandertourismus im herkömmlichen Sinn, sondern ich rede da eher von den Outdoor-Aktivitäten. Wir wissen ganz genau, dass es Familien wieder viel mehr ins Land hinauszieht. Outdoor-Tourismus ist im Kommen, das heißt zum Beispiel Klettern für Anfänger, Wandern mit Hund. In diese Nischenprodukte sollten wir als Betriebe viel mehr Energie investieren, und es wird auch das Marketing gefordert sein, das entsprechend zu vermarkten.

Wintertourismus – dazu brauche ich nicht viel zu sagen – ist hier in Österreich ein Erfolgsobjekt und hat in den letzten Jahren unglaubliche Steigerungsraten erlebt. Wir haben mittlerweile gleich viele Winternächtigungen wie Sommernächtigungen. Hier wurde perfekt gearbeitet. Die Betriebe sind ordentlich ausgestattet. Was wir nun noch weiterentwickeln müssen, ist die qualitative Ausweitung unserer Schigebiete und etwas, was mir ganz gut gefällt, was unser Herr Bundesminister Mitterlehner in die Wege geleitet hat, nämlich dass man den Jungen, den ganz Jungen in den Schulen das Schifahren wieder beibringt – denn nur wer Schifahren kann, wird auch Schiurlaub buchen.

Wenn unsere Kinder die Schulsportwochen nicht mehr haben und nicht mehr zum Schifahren ausgebildet werden, dann können sie auch den Urlaub in Österreich nicht


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genießen. Da hat Herr Bundesminister Mitterlehner daher eine Initiative gesetzt, die für uns ganz, ganz wichtig sein wird.

Weitere wichtige Themen für uns: Was endlich einmal absolut weg gehört, ist die Bürokratie. Die Bürokratie ist in den Tourismusbetrieben mittlerweile nicht mehr zu ertragen. Es gibt jetzt einen Fall bei uns am Faaker See, über den ich vielleicht kurz berichten darf, damit Sie sehen, wie sich das ausweiten kann.

Da gibt es einen Tourismusbetrieb, der wollte für 700 000 € eine See-Saunalandschaft bauen. Nach vier Jahren hat er aufgegeben, weil ihm die Bürokratie die Genehmigung einfach nicht gegeben hat. Und wissen Sie, warum? – Weil sich die Stadt Villach und die Gemeinde Finkenstein nicht einigen konnten, wer jetzt zuständig ist, weil genau durch die See-Sauna hindurch die Gemeindegrenze verlaufen ist. – So werden Inves­titionen verhindert! Das ist Bürokratie, und das gehört schnell wegrationalisiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gäbe jetzt noch sehr, sehr viel darüber zu diskutieren, aber eines sage ich Ihnen: Wo wir in Zukunft absolut aufpassen werden müssen, das ist beim Thema Raumordnung in den Gemeinden, denn es kann und darf nicht sein, dass im Tourismus die Zweitwohnsitze derart überhandnehmen, aus denen wir relativ wenig an Wertschöpfung erzielen und durch die die Touristiker zurückgedrängt werden. Da wird die Politik gefordert sein. Das betrifft uns hier weniger, aber gerade in den Gemeinden draußen wird das ein Thema der Zukunft werden, denn nur dort, wo Platz ist, wo touristische Kernzone ist, wird sich Tourismus auch weiter­entwickeln können.

Wenn wir die magische 200 000-Grenze für die Arbeitsplätze erreichen wollen – jetzt haben wir 195 000 Arbeitsplätze im Tourismus, und das ist keine Kleinigkeit –, dann müssen wir in Zukunft auch den Tourismus nach diesen Regeln gestalten.

Deswegen sage ich ein kräftiges Glückauf unserem Tourismus! – Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Winkler zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.28.04

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Liebe Frau Landesrat Verena Dunst, sehr schön, dass du da bist!

Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen den Dank für den Bericht aus­sprechen! Ich habe es schon im Ausschuss gesagt, der Bericht ist sehr gut gemacht, sehr interessant und zeigt uns sehr deutlich einige Dinge, die uns vielleicht zwar bewusst sind, die aber im Bericht wieder in den Vordergrund gerückt werden.

Der Tourismus ist, so denke ich, ein sehr bedeutender Wirtschaftsfaktor für Österreich, auch für mein Heimatland Niederösterreich. Er schafft viele Jobs, er beschleunigt viele Entwicklungen. Er beeinflusst sicherlich die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs, er beeinflusst Kommunikationssysteme, weil das ganz einfach im Tourismus von Bedeu­tung ist. Er hat eine nicht wegzudenkende Umwegrentabilität. Ich denke, wir haben sehr viele Betriebe, die tolle Dinge erzeugen, und wenn der Tourist bei uns dieses Angebot konsumieren will oder dieses Gut vorfindet, dann will er es vielleicht auch in seinem Heimatland wiederfinden, und daraus ergibt sich eventuell auch eine positive Beeinflussung der Exporttätigkeit.


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So vielfältig, wie dieser Bericht ist, so vielfältig ist natürlich auch der Tourismus. Er betrifft alle Bereiche: die Bereiche Arbeitsmarkt, Mobilität, Kultur. Auch den Film­standort Österreich sollte man nicht vergessen.

Dieser Bericht zeigt uns aber auch, dass wir nicht nur vor einer sehr schönen Aus­gangs­lage stehen, sondern auch vor Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Dieser Bericht ist so umfangreich, dass man sich nicht auf alles konzentrieren kann, aber einen Punkt möchte ich trotzdem vorher herausstreichen. So wünschenswert und schön es ist – da ich von der Wirtschaftsseite komme –, wenn ich in dem Bericht lesen darf, dass sich die Zahl der Touristen weltweit bis zum Jahr 2030 von einer Milliarde auf 1,8 Milliarden entwickeln wird, so darf ich auch eingestehen, dass es mir ein wenig Angst macht. Es muss uns allen bewusst sein, dass es auch eine umweltpolitische Herausforderung darstellt, wenn sich eine derartig große Menschenmenge von A nach B und wieder zurück bewegt.

Aber ich darf als Sozialdemokratin den Fokus auf einen Punkt legen, der mir sehr wichtig ist: Das ist natürlich die Beschäftigungspolitik und das ist der Dienstnehmer im Tourismus. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Obwohl mir bewusst ist, dass es ganz tolle Arbeitgeber gibt, und wir auch sehr dankbar sind, dass es eine Fülle an Jobmöglichkeiten in diesem Bereich gibt, glaube ich auch, man muss sagen, dass die Einkommenssituation und die Arbeitsbedingungen für die Menschen im Tourismus noch immer kritisch zu betrachten sind. Für mich ist es aber auch eine frauenpolitische Frage, denn immerhin sind zwei Drittel der Beschäftigten in diesem Bereich weiblich, und wir wissen, dass es für Frauen vielfältige Herausforde­rungen gibt, nämlich auf der einen Seite die Einkommenssituation, auf der anderen Seite aber auch noch immer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und wir alle – das traue ich mich zu sagen – wollen, dass diese Vereinbarkeit gegeben ist.

Meiner Meinung nach ist auch das Problem zu klären, dass ein ganz großer Prozent­satz der im Tourismus beschäftigten Personen 25-jährig oder sogar darunter ist und sich nur eine unterdurchschnittliche Anzahl von Personen über 45 in diesem Bereich wiederfindet. Es muss da Bedingungen geben, die es auch älteren Dienstnehmern ermöglichen, in dieser Branche weiterarbeiten zu können, sich auch weiter den Erwerb im Tourismus zu sichern.

Dass diese wichtige Branche dringend arbeitspolitische Unterstützung braucht, zeigt auch die Tatsache, dass die Arbeitslosenregisterquote 2013, so dem Bericht zu entneh­men, im Tourismus mit 16 Prozent weit über der gesamten nationalen Arbeits­losenquote von 7,6 Prozent lag. Durchschnittlich 13 Prozent aller Arbeitslosen im Jahr 2013 stammten aus der Tourismusbranche, und die Dauer der Arbeitslosigkeit belief sich auf 80 Tage. Ich habe selbst einmal die Freude gehabt, einige Jahre im Tourismus tätig zu sein, und weiß natürlich, dass sich ein Teil dieser arbeitslosen Tage durch eine Überbrückung von einer auf die andere Saison erklärt. Nichtsdestotrotz, am Ende eines Arbeitslebens waren es arbeitslose Tage, die einem fehlen werden.

Wer über Beschäftigte im Tourismus spricht, muss über ein Thema sprechen, das heute schon oft thematisiert worden ist und auf das wir gar nicht stolz genug sein können, nämlich die duale Ausbildung. Ich denke, das ist ein österreichisches Erfolgs­produkt, auf das sollten wir stolz sein, das sollen wir betonen. Und wir sollen auch hier wirklich Dank aussprechen, Dank an den, der einen Lehrling aufnimmt, denn ich weiß, dass das auch nicht immer ganz einfach ist – jemanden auszubilden bedarf auch Zeit.

Deswegen ist es schön, dass es so viele Lehrlinge in dieser Branche gibt. Ich glaube aber auch, dass es unbedingt notwendig ist, den Jugendlichen zu vermitteln, dass, wie in anderen Branchen auch, aber vor allem im Tourismus, „Karriere mit Lehre“ nicht nur


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ein Schlagwort ist. Es ist möglich, dass man sie machen kann und die Lehre ist in Österreich, vor allem jetzt, da wir auch die Berufsmatura oder die Berufsreifeprüfung haben, ein wirklich sehr zu empfehlender Weg. Mir hat dieser Slogan „Meister statt Master“ sehr gut gefallen, und ich glaube, ich habe ihn richtig verstanden. Das war keine Abwertung des Studiums, sondern das war eine Aufwertung der Lehre – ich glaube, das ist dringend notwendig.

Ich war bei einer Berufsschule in Niederösterreich, bei einer Erweiterung des Schul­gebäudes in Waldegg. Das ist eine wunderbare Berufsschule mit einer hervorragenden Ausbildung. Dort haben zwei junge Menschen moderiert, ich bin dann hingegangen und habe gesagt: Herzliche Gratulation, das ist nicht selbstverständlich, sich in diesem Alter hinzustellen und das so perfekt auf das Parkett zu legen! Dann hat diese junge Frau zu mir gesagt: Ich bitte Sie auch, etwas für uns zu tun, nämlich, wo immer Sie können, zu sagen, dass wir gut ausgebildet sind und dass wir als Lehrlinge durchwegs unseren Mann und unsere Frau stehen.

Auch wenn ich eine begeisterte Verteidigerin der Lehre bin – das mache ich mit ganz offenem Herzen, weil ich das wirklich so sehe –, darf nicht unerwähnt bleiben, dass zahlreiche Tourismusschulen in Österreich wirklich für ein ganz, ganz positives Feedback in der ganzen Welt sorgen. Wir haben eine vielfältige Bildungslandschaft und eine Bandbreite an vielen Ausbildungsmöglichkeiten. Mein Herz ist mir überge­gangen und die Zeit geht schon drauf, aber gestatten Sie mir noch, eingebettet zwischen zwei Kärntner Kollegen, ein wenig stolz auf mein Heimatland Niederöster­reich zu sein und auf die Schönheiten, die es zu bieten hat.

Niederösterreich hat im Jahr 2013 große Herausforderungen zu bewältigen gehabt, hat das aber trotz eines Rückgangs bravourös bewältigt. Ich glaube, mit all dem, was Niederösterreich zu bieten hat, nämlich eine wunderbare Landschaft, eine Kulinarik, die ihresgleichen sucht, Gastfreundlichkeit und ein Kulturangebot, werden alle Touris­mus­betriebe in Niederösterreich diese Herausforderungen annehmen, bewältigen, und wir werden am Ende des Tages wieder einmal stolz auf unser Heimatbundesland sein können.

Lassen Sie mich aber abschließend noch einmal sagen, es ist wirklich sehr lobenswert, einen so umfangreichen Bericht vorzufinden, und wir ersuchen das Team, auch künftig diese Qualität geliefert zu bekommen. Es hat uns sehr gefreut. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.37


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


16.37.51

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär – ein halber Kärntner, das möchte ich auch erwähnen! Liebe Frau Regierungskollegin, die uns schon verlassen hat! Danke für den Bericht! Es ist tatsächlich so, dass man sich über das Jahr 2013 freuen kann, dass wir eine grundsätzlich gute Bilanz haben. Aber ich glaube, Herr Staatssekretär Mahrer – wir haben es schon im Vorfeld mit­einander diskutiert –, dass man auch auf die Fragen und notwendigen Lösungen der Problempotenziale eingehen muss. Trotz guter Zwischenzeiten auf dem Rekordziel von 140 Millionen Nächtigungen werden wir natürlich in verschiedenen touristischen Bereichen entsprechende Maßnahmen setzen müssen.

Ich war gestern fasziniert: Ich bin am Theater in der Josefstadt vorbeigegangen, an dem ein Riesentransparent angebracht wurde, worauf zu lesen ist: „Kunst bringt Kohle. Wegen dem Erdäpfelsalat kommt die Welt nicht nach Wien.“ – Das ist zum Beispiel


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schon ein interessantes Stichwort, dass der Tourismus nicht mehr Betten anbietet, sondern am internationalen Markt eigentlich Geschichten zu verkaufen hat.

Wenn man die Zahlen – und das möchte ich doch tun – dann auch noch im Detail genauer analysiert, abgesehen von der Bruttorekordzahl, dann muss man festhalten: Wo sind die Problemfelder? – Was Sorge macht, ist der tatsächliche Aufwand pro Nacht, der erlöst wird. Wir haben im Jahr 2006 165 € Aufwand pro Tourist und Tag. Der ist auf 140,8 € gesunken, das ist in sieben Jahren ein Rückgang von 15 Prozent. Das ist natürlich dadurch begründet, dass der Tourismus in einem scharfen inter­nationalen, europäischen und globalen Wettbewerb steht.

Natürlich bringen die neuen Mechanismen des Verkaufens über elektronische Ver­kaufs­kanäle viele Vorteile, mehr Gäste, letztendlich aber auch einen scharfen Wettbewerb. Wenn man sich Wien anschaut: Mir sagen viele Hoteliers, dass das Bettenfüllen durchaus erfolgreich in Quantität stattfindet, dass sich aber jedenfalls die Kostendeckungsbeiträge nicht ganz unproblematisch entwickelten. Wir haben in sieben Jahren einen Rückgang von täglich 24 € oder 15 Prozent, auf der anderen Seite doch zum Teil stark steigende Kosten.

Frau Kollegin aus Niederösterreich, es wäre wünschenswert – und das wünschen wir uns wohl alle –, dass der Tourismus so viel verdient, dass er nicht nur in die Zukunft investieren kann, sondern auch die Löhne zahlen kann, die notwendig sind. – Also das ist mit Sicherheit ein Problemfeld.

Dann noch kurz zu den Detailentwicklungen: Wenn man sich die einzelnen Märkte anschaut, und ich tue das in etwa von 2010 weg, dann freut es mich, dass die Bayern, obwohl sie uns die Hypo zurückgegeben haben, trotzdem in all diesen Jahren verstärkt nach Österreich gekommen sind.

Man sieht aber auch, wo die Problemfelder liegen: Italien zum Beispiel hat in den letzten vier Jahren durchwegs Minuszahlen geschrieben. Russland war der große Erfolgsbringer mit 40 Prozent, 12 Prozent, 23 Prozent, 25 Prozent bis zum aktuellen Jahr 2013 mit 14 Prozent plus. Das heißt aber auch, dass es natürlich auch die Sorge gibt, dass die Probleme überschwappen, die es im Rahmen der militärischen und politischen Auseinandersetzung und den damit verbundenen Sanktionen gibt, wobei man sich fragen muss, wie klug diese überhaupt sind. Dazu gibt es ja durchaus auch in Regierungskreisen oder wenn ich an Wirtschaftskammerpräsident Leitl erinnern darf eine kritische Haltung.

Faktum ist, dass der russische Markt und auch jener aus der Ukraine bereits spürbar nachlässt und dass das nicht nur ein touristisches Problem ist, denn ich frage mich, was die ganzen Luxusanbieter in Wien im ersten Bezirk ohne die einkommensstarke Gästegruppe aus Russland machen werden.

Die Frage wird auch sein, wie Russland insgesamt auf diese Sanktionen reagieren wird. Gibt es einen nachhaltigen Beziehungsschaden im Bereich Wirtschaftsstandort zwischen Österreich und Russland oder auch zwischen dem Tourismus-Gastgeber Österreich und den russischen Gästen, oder wird es eine Wolke sein, die sich hof­fentlich einmal grundsätzlich nicht politisch und sicherheitspolitisch verdunkelt, sondern wo der Himmel aufklart und wo man sich wieder in Richtung einer vernünftigen Umgangsform entwickelt? Oder wird das womöglich ein langfristiges Problem wer­den? – Das wäre natürlich bitter.

Kurz zur Entwicklung in den Bundesländen und den Städten. Wenn man die Bundes­länderhauptstädte vergleicht, ist auch festzuhalten, dass der große Sieger Wien ist. Also der Erdäpfelsalat und die Kultur, würde ich meinen, und die Kulinarik und der Wiener Wein sind insgesamt ein Angebot, das im Vergleich der Bundesländer das


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erfolgreichste ist. Wien schreibt 2010 10,3 Prozent plus, 2011 5 Prozent, 2012 7,5 Pro­zent und im Jahr 2013 2,9 Prozent.

Es zeigt sich aber auch, dass Salzburg mit Kultur punktet: Auch Salzburg, wenn wir von der Landeshauptstadt sprechen, hat um 6,4, Prozent 4,6, 8,4 und 2,7 Prozent in den letzten vier Jahren zugelegt. Auch Graz und Bregenz konnten sich steigern, das heißt, die Kulturstädte Wien, Salzburg, Bregenz haben zugelegt – und auch Graz, würde ich durchaus meinen, ist eine Kulturstadt.

Da schaut es in anderen Regionen ein bisschen durchmischter aus: grundsätzlich positiv, aber ich sage – das gilt auch für mein Bundesland –, es gibt auch Negativ­zahlen.

Zum Bundesländervergleich: Auch da ist Wien der große Sieger. Auch die Steiermark konnte in den Jahren 2010 bis 2013 durchwegs zulegen; das gilt gleichfalls für Salz­burg.

Betreffend Kärnten, muss ich sagen, bin ich ein bisschen betrübt. Ich habe 2009 in der Koalition mit der ÖVP ganz bewusst den Tourismus an die ÖVP als Wirtschafts- und Tourismuspartei abgegeben. Es waren bis heute durchwegs Referenten der Öster­reichischen Volkspartei für den Tourismus in Kärnten zuständig. Die Zahlen sind unerfreulich; ich werde auch auf die Zahlen 2014 noch kurz eingehen.

Im internationalen Vergleich hat Österreich leider verloren. Das hat mit der Wertschöp­fung zu tun, aber auch im prozentuellen Anteil. Wir hatten 1995 8,12 Prozent Anteil am internationalen Tourismus, sind 2000 auf 5,39 Prozent abgestürzt, haben 2009, in der Krisenzeit I, wenn ich das so nennen darf, wieder auf 6,39 Prozent zugelegt und sind jetzt wieder bei 5,76 Prozent. Das heißt, im Wettbewerb des internationalen Tourismus ist es nun einmal so, dass wir es nicht ganz einfach haben.

Wer von Ihnen einmal die ITB in Berlin besucht hat, weiß natürlich, mit welchen Konkurrenten wir es zu tun haben. Es gibt dort 10 147 Aussteller aus 189 Ländern, und als Land Österreich kommt man sich irgendwie so vor: Man findet statt. Es ist für Österreich – weder vom monetären Aufwand her noch von der Größe als kleines Land – nicht ganz einfach, sich dort darzustellen, und wenn man sich mit Tausenden Anbietern zu messen hat, dann weiß man, dass der Markt sicher heiß umkämpft und nicht einfach ist.

Nun zu den Zahlen – ich möchte auch nichts verstecken – des heurigen Jahres: Ich gratuliere den Bundesländern, die zugelegt haben. Es ist so, dass in den Monaten Mai bis August die Ankunftsergebnisse folgendermaßen lauten: Tirol 2,9 Prozent plus; Wien hat wieder ein starkes Plus mit 5,4 Prozent; Salzburg 2,2 Prozent plus; Kärnten – leider, für uns – 2,8 Prozent Minus; die Steirer haben gut zugelegt mit 4,3 Prozent – ich gratuliere den Nachbarn! –; Vorarlberg plus 3,8 Prozent; Oberösterreich ist sehr stark mit plus 5,7 Prozent; Niederösterreich, Frau Kollegin, hat auch ein Plus mit 0,6 Prozent und das Burgenland eines mit 4,9 Prozent. Das heißt, da ist es tatsächlich so, dass die Entwicklung in Kärnten nicht erfreulich ist.

Ich darf vielleicht auch noch zum Thema „Schwerpunkte der Zukunft“ kommen. – (Zwischenruf des Bundesrates Poglitsch.) – Nein, nein, nicht hinpatzen, das sind Fakten, Herr Kollege! Schönreden tue ich nicht und schlechtreden ist auch nicht mein Stil. Ich zeige Fakten auf, Herr Kollege Poglitsch, das muss man aushalten.

Jetzt komme ich zum Thema Winter. Da schreibt die „Presse“ am 23. November 2013: „Die erkaltende Lust am Skifahren“ – und das ist auch ein Problem. In Österreich haben vor 20 Jahren noch 60 Prozent Skisport betrieben, letztes Jahr waren es 40 Pro­zent, das heißt, wir haben tatsächlich einen dramatischen Rückgang an Skifahrern. Das hat aus meiner Sicht zwei Gründe: Der erste ist die Leistbarkeit – das sagt auch


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diese Studie –, und der zweite ist, wir reden groß von der täglichen Turnstunde, die kommt aber nie.

Anstatt Werbegeld auszugeben, wäre es doch dringend notwendig, die verpflichtende Wintersportwoche wieder einzuführen. Das wäre aus gesundheitlichen, sportlichen und sportmedizinischen Gründen wichtig. Es ist auch wichtig, dass wir dafür Sorge tragen, dass wir auch in Zukunft Wintersportland Nummer eins sind.

Wir müssen da auch auf unsere Bevölkerungsbewegungen durch Zuwanderung schauen! Ein türkisches Mädchen (in Richtung des Bundesrates Dönmez), Efgani, wird unter Umständen von der Familie kaum motiviert werden, Skifahren zu lernen. Der Vater kann es nicht, die Mutter kann es nicht, der Bruder kann es nicht – das Mädchen kommt unter Umständen nie zum Wintersport! (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) Wenn es aber über den Schulsport verpflichtend ist, eine Wintersport­woche zu machen, wird sie vielleicht begeisterte Skifahrerin werden. Das Thema sollte man jedenfalls nicht zur Seite schieben.

Auch da, aktuell: „Skifahren muss wieder leistbar werden“ – viele können sich den Winter­urlaub überhaupt nicht mehr leisten.

Zu den weiteren Themen: Herr Staatssekretär, wo es wirklich brennt, sind für Gastronomie und Tourismus die Arbeitsbedingungen. Die „Wutwirtin“ aus Rauris, die Wutoma, hat ja zu Recht aufgezeigt, dass es wirklich nicht sein kann, dass man kriminalisiert wird, wenn man als Mutter der Tochter im Betrieb hilft, weil man vorne und hinten nicht zurechtkommt.

Das habe ich selbst mehrfach erlebt, beispielsweise in Kärnten. Ich komme zu einer Wirtin im Gasthof „Deutscher Peter“ am Loibl – Herr Staatssekretär, der wird Ihnen bekannt sein, sogar ein Kaiser hat dort einmal gewohnt –, und höre Folgendes: Der Sohn kommt von der Schule, er besucht die Tourismusschule, nach Hause, lässt sich in der Küche einen Kaffee herunter, in dem Moment kommt ein Kontrolleur und der Sohn wäre fast wegen Schwarzarbeit angezeigt worden.

Es muss klar sein – und das ist ein Aufruf auch an die ÖVP als Wirtschafts- und Tourismuspartei –, dass Eltern, Geschwister, die sozusagen ab und zu aushelfen, das können. Das sind der Opa, die Oma, der Bruder, die Schwester, die Tochter und der Sohn – das ist überhaupt nicht wirklich geregelt (Bundesrätin Zwazl: Oja!) –, die sich rechtfertigen müssen und sozusagen Probleme vor der Behörde haben, wenn sie im Betrieb mithelfen. Die Wutwirtin aus Rauris, Frau Kollegin, hat das eindeutig aufgezeigt. Das ist zu lösen!

Das Thema Mobilität hat mein Landsmann schon angesprochen. Ich glaube, wir müs­sen auch schauen, dass wir eine moderne Mobilität, das heißt für mich die elektrische Mobilität auf der Schiene, sprich Bahn, ermöglichen. Das Incoming und Outgoing mit der Eisenbahn ist sozusagen in Produkten zu entwickeln. Warum ist es nicht möglich, aus den deutschen Zentralräumen – ausgenommen die Streiktage jetzt – mit der Eisen­bahn in die Tourismusregionen Österreichs zu kommen? Schließlich war die Eisenbahn so etwas, wenn ich an Bad Gastein denke, wenn ich an den Wörthersee oder andere Regionen denke, wie der erste Tourismusmobilitätslieferant! Wir brauchen ein Comeback auch der Eisenbahn! Und es gibt einige Aktivitäten zum Thema E-Mobilität, diese sind natürlich noch auszubauen.

Es gibt ein Stadt-Land-Gefälle, das zeigen die Zahlen auch, Herr Staatssekretär. Erfreulicherweise funktionieren die Ballungsräume, wir haben aber tatsächlich Prob­lemstellungen wie die Nachfolgeregelung, Finanzierungsprobleme, Angebotsprob­leme oder dass die Orte immer mehr ausgedünnt sind. Ja, wenn ich halt keinen Kaufmann mehr dort habe, keinen Sporthändler mehr dort habe und verschiedene Angebote aus


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den ländlichen Räumen verschwinden, ist es natürlich für manche touristische Angebote schwer, wenn nur mehr der Wirt oder der Gastgeber übrig bleibt. Das heißt, wir müssen auch versuchen, Infrastrukturen im ländlichen Bereich nicht nur für die dauerhaft dort lebende Bevölkerung, sondern auch für den Tourismus anzubieten.

Das heißt zusammengefasst, es gibt gute Zahlen. Ich gratuliere den Betrieben, be­danke mich auch für diesen Bericht. Ich bin auch leidenschaftlicher Mitstreiter, wenn es darum geht, Herr Staatssekretär, das hoch gesteckte Ziel der 140 Millionen Näch­tigungen zu erreichen. Hoffen wir, dass die Konjunkturdaten international mitspielen, vor allem wenn wir Richtung Deutschland blicken, wo die Konjunkturentwicklung ja auch etwas flacher wird – und die Deutschen, die Sparmeister, sind bekannt, dass sie sich in Krisenzeiten relativ schnell bei den Urlaubs-, wie soll man sagen, -inan­spruchnahmen zurückziehen oder den Urlaub weniger euphorisch buchen. Mit anderen Worten: Hoffen wir, dass die Wirtschaft da auch mitmacht!

In diesem Sinne: Ein Glückauf dem Tourismus! Österreich ist das schönste Fitness­studio der Welt, das habe ich hier schon einmal gesagt. Es wird auch in Zukunft erfolgreich sein. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

16.50


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Reiter.

Bevor die Frau Bundesrätin zu sprechen beginnt, darf ich recht herzlich in unserer Mitte Herrn Bundesminister Dr. Ostermayer begrüßen. Herzlich willkommen! (Allge­meiner Beifall.)

Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.50.30

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Staats­sekretär! Herr Minister! Ich werde nicht die ganzen Zahlen wiederholen, sie stehen im Bericht, der ausgezeichnet gemacht ist, sehr übersichtlich ist und aus dem man sich wirklich viele Informationen holen kann. Es ist erfreulich, dass selbst bei diesem hohen Niveau, auf dem der Tourismus in Österreich stattfindet, immer noch mehr Gäste kommen. Die Einnahmen werden allerdings weniger, und das heißt, die realen Touris­mus-Umsätze stagnieren. Dadurch erhöht sich natürlich der Kosten- und der Gewinn­druck auf die Betriebe.

Klar ist, dass die Investitionskraft der Tourismuswirtschaft für die regionale Wirtschaft insgesamt sehr bedeutend ist. Von einer guten Wintersaison in einem relativ kleinen Tourismusort in Salzburg lebt dort auch der Bäcker, der Tischler, der Raumausstatter, der Baumeister und so weiter, also ein großer Teil der Regionalwirtschaft. – Sie wären aber sicher enttäuscht von mir, wenn ich nicht auch die negativen Entwicklungen hier anführen würde.

Es ist so, dass wir in manchen Bereichen schlicht und einfach die Kapazitätsgrenzen erreichen, das wurde ja auch in Wien vor Kurzem diskutiert. Ich kenne mich im Kulturtourismus einigermaßen aus mit vielen Jahren Erfahrung als Fremdenführerin und auch Arbeit in diesem Bereich, und es stellt sich natürlich die Frage: Noch mehr Touristen? Denn diese wollen alle die Highlights sehen.

Sie werden den Wien-Touristen nicht nach Floridsdorf und so weiter bringen (Zwi­schenruf des Bundesrates Dörfler), sondern in den 1. Bezirk, und in Salzburg will der Tourist die Getreidegasse und die Festung sehen, und da können Sie keinen zweiten Stock einziehen und das irgendwo noch einmal bauen. Da erreichen wir eben teilweise die Lage, dass der Tourist den Touristen stört, dass die Einheimischen diese Bereiche meiden. Man läuft Gefahr, eine Art eins zu eins gewachsenes Disneyland zu haben,


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und das wird den Tourismus nicht mehr weiterbringen. Da gibt es so etwas wie natürliche Kapazitätsgrenzen.

Ich muss sagen, es ist eigentlich auch schon die Streckung der Saisonen erfolgt, da ist schon viel passiert. Es gibt gerade im Kulturtourismus die absolut toten Zeiten nicht mehr. Selbst im November fahren zum Beispiel Kollegen von mir nicht mehr fort, weil sie auch in diesen Zeiten ihr Auskommen haben und weil es auch in diesen Zeiten Ankünfte gibt. Wir bewegen uns also hier auf Kapazitätsgrenzen zu und haben diese teilweise schon überschritten.

Wir erreichen auch Grenzen, was den Ausbau der Skigebiete betrifft, bei denen immer noch mehr Skigebiete miteinander verbunden werden, wo es eine Jagd nach noch mehr Pistenkilometern in dem Skigebiet gibt. Die Investitionen, die dort getätigt werden, sind horrend! In Beschneiungsanlagen, in neue Liftanlagen und in die Pisten­präparierungen wird investiert, und wenn man berechnet, dass man das mit Skikarten verdienen können soll, dann steigen einem Grausbirnen auf.

Das hat natürlich auch zur Folge, dass Preise für Skikarten und so weiter enorm steigen und dass das Skifahren für eine Familie, eine normale Familie mit zwei Kindern, nicht mehr möglich ist. Rechnen Sie sich aus, was nur die Skikarten für einen Tag kosten! Sie können diese riesigen Skigebiete auch nicht ausnützen, denn was wollen sie mit zwei Anfänger-Kindern in so einem Skigebiet mit 120 Pistenkilometern?

Andererseits brechen uns die kleinen Gebiete rund um Salzburg, rund um Innsbruck in den mittleren Höhenlagen weg. Dort können die Skilifte nicht überleben, außer sie werden von den großen Gebieten oder eben von der Wirtschaft subventioniert, aber von sich aus sind sie nicht mehr überlebensfähig, und da rede ich noch gar nicht von dem wirklich auch ökologischen Wahnsinn dieser riesigen Skigebiete, den man auch ganz deutlich ansprechen muss.

Hier gibt es auch einen demografischen Wandel, auf den man meiner Meinung nach noch viel zu wenig reagiert hat. Es ist einfach so, dass es insgesamt weniger junge Menschen gibt und auch weniger junge Menschen gibt, die sich dem Skifahren grundsätzlich zuwenden. Und es fehlen in manchen Orten, auch in Salzburg, Angebote für diese Menschen, zum Beispiel in Drei-Stern-Quartieren. Wir haben in Großarl 21 Vier-Stern-Hotelbetriebe, aber keine entsprechenden Betriebe im Drei-Stern-Be­reich als Angebote für das junge Publikum, das halt Ski fahren und fortgehen will und sich dann drei, vier Stunden aufs Ohr legen will – und aus. (Bundesrat Todt: Eine Jugendherberge gibt es schon!) Das Angebot fehlt auch in vielen Bereichen, und ich glaube, auf diese demographische Entwicklung hat man auch noch nicht entsprechend reagiert.

Ich glaube, dass sich gerade im Wandertourismus und so weiter viel getan hat, auch im Gesundheitstourismus, der sicher auch noch ausbaufähig ist. Gerade auch im Radtourismus und in diesen Bereichen ist es ebenfalls gelungen, die Saisonen zu strecken, den Sommertourismus wieder auszubauen, der früher schon viel mehr geschwächelt hat, wo hingegen er jetzt wieder im Kommen ist. Da ist viel geschehen, und das, denke ich, gilt es auch zu honorieren, eben auch mit ganz besonderen maßgeschneiderten Angeboten für ein bewegungsfreudiges, gesundheitsorientiertes Publikum.

Aber eine, und, wie ich glaube, die größte, Herausforderung für den Tourismus ist und bleibt die Personalsituation. Der Tourismus ist eben personalintensiv, und daran hängt auch die Qualität. Die Menschen wollen persönlich betreut werden, sie müssen persönlich betreut und angesprochen werden, und das ist personalintensiv. Damit steht und fällt, denke ich, das entsprechende Angebot. Der Mensch ist im Tourismus nicht ersetzbar.


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Der Tourismus beschäftigt überdurchschnittlich viele Frauen, MigrantInnen und junge Menschen, und die Jungen werden eben weniger. 478 Lehrstellensuchenden stehen 1 571 offene Lehrstellen gegenüber. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, das ist ein Problem.

Spitzenreiter war der Tourismus auch bei den Arbeitslosenzahlen. Es waren 16 Pro­zent arbeitslos gemeldete Personen in diesem Bereich, wenngleich sie schneller vermittelt werden konnten als in anderen Bereichen.

Auch die Stellenangebote gingen stärker zurück als in anderen Wirtschaftsfeldern, und 2013 erhielten um 14,4 Prozent mehr Menschen als 2012 arbeitsmarktpolitische Förde­rungen, Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen. Ich denke also, dass auch in diesem Bereich sehr viel passiert, aber ich glaube, dass das der kritischste Bereich ist, und dass es gilt, dort vermehrt hinzuschauen.

Die Menschen müssen in diesen Bereichen auch gut verdienen, die Arbeitsplätze müssen abgesichert sein, um dort auch nachhaltige Qualität zu erreichen. Das ist unbedingt notwendig, und ich glaube, das ist nach wie vor ein problematischer Bereich, auf den es gilt, sich besonders zu fokussieren, wenn es gelingen soll, den Tourismus in dieser Qualität und dieser Güte zu erhalten. Als Wirtschaftsfaktor, denke ich, ist er für Österreich unverzichtbar. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Stadler.)

16.59


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte.

 


17.00.01

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Harald Mahrer: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Herr Bun­desminister! Es sind schon viele Punkte angesprochen worden, ich fasse mich daher ein bisschen kürzer. Ich gebe das Lob sehr gerne an die Tourismus-Sektion des Hauses weiter – im Ausschuss ist das ja auch schon besprochen worden – für die hervorragende Bereitstellung dieses Berichtes.

Der Tourismus ist eine Erfolgsgeschichte in Österreich, das muss er auch weiterhin bleiben. Er ist ein ganz zentrales Standbein unserer Volkswirtschaft. Wir müssen daher sehr sorgsam mit den Rahmenbedingungen, in dem Fall auch den wirtschafts­politi­schen und tourismuspolitischen Rahmenbedingungen umgehen, die wir für den Tourismus einrichten. Die Bundesregierung tut einiges dafür, das wissen Sie, nicht nur aus unserem Koalitionsübereinkommen ableitend, sondern auch, was wir bei der letzten Regierungsklausur beschlossen haben.

Einige der Maßnahmen im Bereich Bürgernaher Staat/Bürokratieabbau-Paket betreffen natürlich auch den Tourismus. Auch Ideen der Aufgabenderegulierungskommission – deren erster Zwischenbericht seit September vorliegt –, die dem Bürokratieabbau dienen, betreffen natürlich den Tourismus. Eine ganze Reihe weiterer Vorhaben stehen aus. Nichtsdestoweniger wissen Sie ja – ich wiederhole die Zahl trotzdem noch einmal, denn es ist schön, in Zeiten wie diesen auch zu sagen, dass wir mit einer 1,2-pro­zen­tigen Steigerung der Nächtigungen auf 132,6 Millionen schon in die richtige Richtung der 140 Millionen gehen, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben.

Was man vielleicht auch noch einmal für all diejenigen unter Ihnen, die sich nicht jeden Tag mit dem Tourismus beschäftigen, hervorheben sollte: Es ist die Abhängigkeit von unseren ausländischen Gästen und damit den ausländischen Märkten und deren wirtschaftlichem Wohlbefinden ersichtlich. Nach wie vor ist unser wichtigster Partner die Bundesrepublik Deutschland. Wir haben da im Vorjahr einen Zuwachs von


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2,5 Prozent gehabt – bemerkenswert auch bei der wirtschaftlichen Gesamtent­wick­lung – auf 50,8 Millionen Nächtigungen. Das ist ein Ausmaß von 38 Prozent aller Nächtigungen und 52 Prozent aller Auslandsnächtigungen. Sie sehen also, dass unser Nachbarland im Westen und Nordwesten unser wichtigstes Tourismus-Partnerland ist. Natürlich, es ist schon angesprochen worden: Wenn es der deutschen Wirtschaft nicht so gut geht, geht es dem österreichischen Tourismus auch nicht so gut, das wissen wir aus der Vergangenheit. Also auch dort muss man das immer mit einem kritischen Auge betrachten.

Die Nächtigungen aus Österreich sind ganz leicht zurückgegangen, um 0,6 Prozent; die Nächtigungen aus den Niederlanden um minus 2,7 Prozent. Ganz im Gegenteil hat es auf den Plätzen vier und fünf dann wieder ein leichtes Plus gegeben, aus der Schweiz und aus Großbritannien. Das steigt seit Jahren. Die Gäste aus Großbritannien werden über die Jahre hinweg laufend mehr. Es ist sehr erfreulich, dass da unsere gesamten Internationalisierungsbestrebungen im Marketing greifen.

Es ist angesprochen worden, dass wir sehr unterschiedliche Entwicklungen in unter­schiedlichen Regionen im Sommer- und im Wintertourismus haben. Umso wichtiger ist, glaube ich, das, was der Tourismus in Summe macht, nämlich in Nischenbereichen auf Spezialisierungen zu setzen, also wenn es um den Gesundheitstourismus geht, den Wandertourismus, den Kulturtourismus abseits von den traditionellen Monaten, wie das bislang vorherrschend war. Ich glaube, das ist die richtige Resilienzstrategie für die österreichische Tourismuswirtschaft. Das heißt, weil der Tourismus bis zu einem gewissen Grad auch immer wetterabhängig ist, ein Angebot vorzuhalten, das im mitteleuropäischen oder gesamteuropäischen Vergleich nicht nur kostenmäßig attraktiv ist, sondern vor allem auch qualitätsattraktiv und bis zu einem gewissen Grad wetter­unabhängig ist. Ich glaube, da verfolgt der österreichische Tourismus die richtige Strategie.

Noch einen Punkt hinsichtlich der unterschiedlichen Entwicklung der Bundesländer, weil Kärnten angesprochen wurde: Es ist wetterabhängig, das muss man noch einmal ganz offen dazusagen. Wenn sie im Sommertourismus in manchen Bereichen einen Frühstart in der Saison haben, und das Wetter verändert sich dann südlich der Alpen, ist das vielleicht nicht ganz so lustig, wenn es nördlich der Alpen irgendwie stabil oder im Westen stabiler als im Osten ist. Das muss man einfach mit in Betracht ziehen, wenn man sich die Zeitreihen ansieht. Ich habe noch einmal die Seite 17 des Berich­tes, den Sie alle haben, wo die Nächtigungsentwicklung seit dem Jahr 2000 dargestellt ist. Wenn Sie zum Beispiel Kärnten und Tirol vergleichen – um nur ein Beispiel zu nennen –, sehen Sie, wie unterschiedlich das immer ist und wie es sich dann in den Zahlen intensiv darstellt. Im Jahr 2007 hat es in Kärnten ein Plus von 4 Prozent gegeben, in Tirol nur eines von 0,2 Prozent, und im Jahr 2013 in Kärnten ein Minus von 0,9 Prozent, in Tirol dafür ein Plus von 1,7 Prozent.

Sie werden, wenn Sie sich die Zahlen ein bisschen zu Gemüte führen und dann auch noch im Detail ansehen würden, wie die Wetterlagen sind, feststellen, dass die Ent­wicklungen zwar grosso modo österreichweit sehr ähnlich sind, aber natürlich wetter­abhängig in den unterschiedlichen Bundesländern, sowohl in der Sommer- wie auch in der Wintersaison, sehr unterschiedlich sind. Das liegt in der Natur der Dinge. Sehr viel spielt sich sozusagen im Freien ab. Das Buchungsverhalten wird immer kürzer – die Touristiker wissen das – auch aufgrund der Wettersituation. Die Planungsgeschichte für unsere Betriebe wird also immer schwieriger. Trotzdem machen sie das sehr gut.

Gestatten Sie mir, ganz kurz vielleicht auch mit einem Ausblick zu schließen, denn wir sind ja immerhin schon im November des Jahres 2014. Wie schaut eigentlich die Situation heuer aus? – Ich denke, das ist für alle von Ihnen ganz interessant.


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Die gedämpfte Reiselust der russischen Gäste ist angesprochen worden. Da gibt es ein weinendes und ein lachendes Auge. Das weinende Auge betrifft natürlich ein bisschen jetzt diese Spätsommersaison/Frühherbstsaison. Andererseits ist die Buchungs­lage für die Wintersaison eigentlich auch plus/minus im Bereich der Gäste aus Russland, jetzt pro futuro gesprochen, nicht so schlecht. Es machen sich natürlich die Bemühungen bezahlt: Aufstockung der Mittel um 2,5 Millionen € bei der „go-international“-Offensive, wo man auch schaut, dass man in anderen Märkten noch kurzfristig in die Werbung investiert, um natürlich schlauerweise sehr frühzeitig ein mögliches Minus in der Buchungslage dort durch ein Plus in der Buchungslage in anderen Märkten vorwegzunehmen.

Die Sommersaison war eigentlich sehr gut. Laut den vorläufigen Daten, die vorliegen, haben wir plus 2,3 Prozent bei den Ankünften zwischen Mai und September. Die Nächtigungen sind sehr leicht gestiegen, um 0,7 Prozent auf 60,1 Millionen. Also auch in diesem Sommer geht das eigentlich erfreulich weiter.

Für die Wintersaison – das habe ich schon angesprochen – besteht eigentlich Grund zu einer ganz ordentlichen Portion Optimismus. Es gibt eine von der Österreich Werbung neu angelegte Kampagne, die auch aufgrund der Buchungslage zu greifen scheint. Das ist „Ein Winter voller Lebensfreude“ für die Auslandsmärkte Deutschland, Niederlande, Italien, Ungarn und so weiter, wo nicht nur – das habe ich ganz am Anfang angesprochen – auf das Skifahren an sich und auf das nette Spazierengehen in einer Schneelandschaft hingewiesen wird, sondern eben auf Genuss, Lebensfreude, Kulinarik, Kulturprogramm und was man sonst noch alles im Winter in Österreich machen kann.

Zusammenfassend schaut es also auch für die Wintersaison von 2014 auf 2015 nicht so schlecht aus. Ich habe gerade vorhin gelesen: „Schneechaos am Brenner“ plus „50 Zentimeter Neuschnee am Brenner“, also wenn wir eine stabile Schneelage haben, schaut das einmal ganz gut aus. Wir huldigen sozusagen in dem Sinn dem Wettergott, hoffen auf eine sehr gute Wintersaison und damit auf einen sehr guten Abschluss des Tourismusjahres 2014. Wir hoffen natürlich, einen ähnlich guten Bericht im nächsten Jahr vorlegen zu können.

Vielen Dank noch einmal auch dem Team in der Sektion für die hervorragende Vor­bereitung dieses Berichtes, der sowohl im Nationalrat als auch von Ihnen dankens­werterweise gelobt wird! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

17.06


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Staatssekretär. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. Ich erteile es ihm.

 


17.07.11

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch einige Sätze dazu sagen. Ich werde keine Zahlen bringen, diese wurden bereits hinlänglich bekannt gegeben.

Damit der österreichische Tourismus sich weiterhin positiv entwickelt, ist es wichtig, auf der einen Seite die Hoffnungsmärkte – da sind natürlich die Österreich Werbung und so weiter gefragt – intensiv zu bearbeiten. Andererseits ist aber auch – und das wurde ja ebenfalls mehrmals erwähnt – das Thema Mobilität von besonderer Bedeutung. Da ist eine verstärkte Zusammenarbeit von Tourismusverantwortlichen, von Verkehrs­verantwortlichen und von umweltpolitisch Verantwortlichen unbedingt erforderlich, dass man den Tourismusstandort Österreich weiter attraktiviert und verbessert.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 141

Aber da ich aus dem östlichsten Bundesland, dem Burgenland, komme, möchte ich noch einige Sätze über die Tourismusdestination Burgenland, die ja auch in dem Bericht vorkommt, sagen. Ich werde mich sicherlich nicht auf die Skigebiete des Burgenlandes beziehen, obwohl wir zwei Skilifte haben, und auch nicht darauf, dass die Olympiasiegerin im Snowboard aus dem Burgenland kommt, die erste Olym­piasiegerin. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ. – Bundesminister Ostermayer: Rosalia und Geschriebenstein! – Heiterkeit.) Ja, wir haben zwei Skilifte, der Herr Minister wird es bestätigen!

Auch das Burgenland musste im vergangenen Jahr, nach neun positiven Jahren, leider einen leichten Rückgang bei den Ankünften und Nächtigungen verzeichnen. Aber man hat trotz dieser rückläufigen Zahl auch gesehen, dass es gerade im Bereich der 4- und 5-Sterne-Betriebe eine Steigerung um fast 43 000 Nächtigungen gegeben hat. Bereits mehr als 46 Prozent der Gesamt-Nächtigungen im Burgenland entfallen auf 4- und 5-Sterne-Betriebe meines Heimatlandes.

Das zeigt aber auch, dass gerade im Burgenland leistbare Qualität mit ausgewogenem Preis-Leistungs-Angebot bereitgestellt und von den Gästen auch gerne angenommen wird. Was im Burgenland als Urlaubsland außerdem besonders auffällt, ist natürlich, dass 78 Prozent aller Nächtigungen auf inländische Gäste entfallen.

Um auch im Burgenland wieder positive Zahlen bei den Ankünften und Nächtigungen bilanzieren zu können, wurde bereits die Basis geschaffen, auf der einen Seite durch ein neues Tourismusgesetz, das mit 1. Jänner 2015 in Kraft treten wird, wodurch die Strukturen verbessert werden und auch die Stärkung der Regionalverbände vorge­sehen ist. Aber andererseits wird auch für das Burgenland eine stärkere Präsenz auf internationalen Märkten erforderlich sein, damit noch mehr internationale Gäste in das schöne Burgenland kommen.

Zum Abschluss danke ich noch einmal ganz herzlich für den umfassenden Bericht, der, so wie 2012, auch 2013 erstens sehr positiv, sehr umfangreich und klar geschrieben ist. Meine Partei wird diesen Bericht gerne positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.10


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.11.2112. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (269 d.B. und 315 d.B. sowie 9250/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Ich verabschiede den Herrn Staatssekretär. Auf Wiedersehen!

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Reich. Ich bitte um den


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Bericht.

 


17.11.48

Berichterstatterin Elisabeth Reich: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unter­richt, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr.

 


17.12.32

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die österreichische Filmwirtschaft ist wie alle anderen Einrichtungen des österreichischen Kulturschaffens von Fördermaßnahmen abhängig. Wie in vielen europäischen Ländern kann ein Film auch in Österreich nur in wenigen Ausnahmefällen wirtschaftlich selbsttragend hergestellt werden.

Die wichtigste Förderinstitution auf Bundesebene ist das Österreichische Filminstitut, das den Kinofilm als kulturelles Produkt sowie das österreichische Filmwesen insge­samt fördert. Das hierfür maßgebliche Filmförderungsgesetz aus dem Jahr 1980 wurde seither wiederholt novelliert, und zwar in Hinblick auf die erforderliche Erhöhung von auszuschüttenden Beihilfen und auf organisatorische Umstrukturierungen.

Hier war auch das geltende EU-Recht zu berücksichtigen, das eine Anmeldepflicht an die Europäische Kommission verpflichtend vorsah, und zwar zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen. Seit Juli 2014 können die Mitglied­staaten jedoch selbst Beihilfemaßnahmen und höhere Beihilfebeträge gewähren, ohne diese vorher bei der Kommission zur Genehmigung anmelden zu müssen. Gefördert werden können nur Filme mit kulturellem Inhalt. Zur Vermeidung offensichtlicher Fehler bei der Einstufung eines Produkts als kulturell hat jeder Mitgliedstaat wirksame Ver­fahren festzulegen.

Durch die vorliegende Novellierung erfolgen nun erstens die gesetzliche Festlegung, dass nur Filme mit kulturellem Inhalt gefördert werden dürfen, zweitens die Schaffung der erforderlichen flankierenden Grundlagen für ein wirksames Auswahlverfahren, drittens eine Festlegung beziehungsweise Definition von sogenannten kleinen und schwierigen Filmen und die diesbezüglichen Beihilfenhöhen sowie viertens die erfor­derlichen redaktionellen Anpassungen.

Sohin handelt es sich bei der vorliegenden Novellierung um eine sinnvolle Neurege­lung im Interesse des österreichischen Filmschaffens. Meine Fraktion wird der vorlie­genden Novellierung ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.15


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. Ich erteile es ihm.

17.15.49


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 143

 


Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kollegin Elisabeth Grimling, es kann kein Zufall sein, dass wir das Filmförderungsgesetz nach dem Tourismusbericht und dem Bericht über die Freizeitwirtschaft diskutieren, denn beides hängt sehr eng zusammen. Der österreichische Film ist im In- und im Ausland eine gute Visitenkarte und eine ganz wertvolle Werbung für den Besuch unserer wunderschönen Landschaften und unserer sehens- und lebenswerten Städte. Der österreichische Film ist ein großartiger Bot­schafter für unser Land, und er ist auch künstlerisch ein Kulturprodukt, ein weltweites Qualitätsprodukt. Wir fahren da regelmäßig Preise ein, wir haben eine hohe inter­nationale Anerkennung. Und jetzt haben wir auch ein gutes Förderungsgesetz.

Wir haben vor dem Sommer gemeinsam das ORF-Gesetz novelliert, damit wir eine gut dotierte Filmförderung haben. Heute setzen wir diesen weiteren Schritt im Bereich der Filmförderung. Künftig können wir nicht nur mit der Gießkanne kleine Beträge geben. Wir können künftig, entsprechend der kulturellen Bedeutung, auch gute Förderungen geben und bis 50 Prozent, bis 80 Prozent, ja sogar über 80 Prozent hinaus fördern. Das ist wichtig als Starthilfe und auch als Unterstützung der österreichischen Filmszene, diese steht nämlich in einem harten Wettbewerb mit den Blockbustern aus Amerika, mit der europäischen Filmindustrie. Diese Fördermittel braucht es, damit auch der österreichische Film künftig einen guten Marktanteil hat.

Wir haben heute eine spannende Plenarsitzung, und ich vermisse den ORF. Lieber Herr Bundesminister, ich vermisse wirklich den ORF! Gestern habe ich mir zwei Stunden „Parlament live“ von zu Hause aus angeschaut. Das war, sage ich einmal, ein wichtiges Bildungs- und auch ein politisches Programm, das ganz wertvoll für die Zuseher war. Ich würde mir den ORF wünschen. Warum? – Jeder Österreicher verbringt täglich rund 168 Minuten vor dem Bildschirm. Mit „Parlament live“, mit „Bun­desrat live“ hätten wir nicht nur, sage ich einmal, für die kulturelle politische Debatte ein interessantes Programm, sondern würden wir auch einen wertvollen Beitrag zur politischen Bildung in Österreich leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Lieber Herr Bundesminister, vielleicht können wir hier einen Schritt in Richtung ORF machen, damit er auch im Bundesrat öfter live dabei ist.

Was wünsche ich mir noch? – Dass wir nicht nur dem Film Starthilfe, sondern auch den Festivals finanzielle Unterstützung geben. Die sind so wichtig, denn ein Film verkauft sich nicht von selbst! Für einen Film brauche ich interessiertes Publikum, für einen guten Film, für eine gute Filmszene brauche ich auch ein Ambiente, ein Film­bewusstsein, und das schaffen unsere Filmfestivals. Ich bin sehr froh darüber, dass es diese nicht nur in großen Städten gibt, sondern auch bei uns in den kleinen Gemeinden und in den kleinen Städten.

Der österreichische Film ist also auf einem guten Weg. Mit dem heutigen Film­förderungsgesetz erhält er einen weiteren Impuls. Daher werden ich und meine Fraktion dieser Novelle gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.19


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


17.19.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich dem ja nur anschließen, was meine Vorredner schon gesagt haben. Der österreichische Film ist tatsächlich auf einem guten Weg. Ich erinnere mich noch an Zeiten, als das nicht so war, als wir es kritisiert haben und unsere Informationen zum Teil auch aus der Film­wirtschaft hatten. Da war sogar das heimische Publikum nicht oder nur in geringem Ausmaße dazu zu bringen, sich einen österreichischen Film anzuschauen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 144

Das hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten tatsächlich geändert. Österreichi­sche Filme finden mittlerweile auch international Beachtung, und das ist ganz wesentlich, weil wir ja ein kleiner Markt sind. Wir sind nicht so groß wie der US-amerikanische Markt, dessen Produzenten es sich leisten können, Filme zu produ­zieren, bei denen die Massen die Kassen füllen.

Das ist also sehr erfreulich. Eines gebe ich allerdings schon mit: Die Rechnungs­hofkritik sollte man schon ernst nehmen. Die hat sich vor allem daran gestoßen, dass es so viele unterschiedliche Förderstellen gibt, und zwar nicht so sehr an der Tatsache, dass es diese unterschiedlichen Stellen gibt, sondern daran, dass sie sehr wenig miteinander kooperieren. Ich denke, das sollte man ernst nehmen. Da ist auch noch einiges zu tun, und ich hoffe, dass das geschehen wird.

Letzten Endes ist dieses Gesetz jedoch ein EU-Anpassungsgesetz in die richtige Richtung, und wir werden dem daher zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.21


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


17.21.13

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Gleich vorab, damit die Überraschung nicht zu groß wird: Es werden ohnehin alle zustimmen, es schaut so aus. Das ist auch gut so. Zum einen ist es, wie schon gesagt worden ist, eine Umsetzung einer EU-Richtlinie, und deswegen muss es ja auch umgesetzt werden.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei allen Filmschaffenden, und zwar nicht nur den österreichischen, sondern allen internationalen Filmschaffenden, die in Öster­reich oder mit Österreich Filme machen, so grandiose Projekte machen, bedanken, weil sie zur kulturellen Vielfalt hier in diesem Land auf ganz tolle Art und Weise beitra­gen und beigetragen haben.

Allerdings möchte ich schon noch ein paar kritische Anmerkungen zu diesem Gesetz loswerden. Zum Beispiel steht in diesem Gesetz, dass der österreichische Film seinen Beitrag zur Entfaltung der europäischen Kultur – wortwörtlich –„unter besonderer Berück­sichtigung der österreichischen Identität“ leisten soll.

Wir sind 61 Bundesräte und Bundesrätinnen, und wenn wir 61 uns fragen würden, was die österreichische Identität ist, würden wir wahrscheinlich 61 unterschiedliche Antworten bekommen. Jetzt steht in diesem Gesetz die österreichische Identität, von der allerdings in keinster Weise irgendwo definiert ist, was die eigentlich sein soll. Österreich ist ja doch recht vielfältig, nicht? Conchita Wurst ist genauso Österreich wie Andreas Gabalier, und das ist auch gut so. Was ist jedoch die österreichische Identität? Darüber könnten wir trefflich streiten, aber nunmehr steht das so in einem Gesetz. Das ist nicht ganz so ohne.

Ich habe mit dieser Formulierung „österreichische Identität“ schon irgendwo ein Prob­lem, denn was ist zum Beispiel, wenn ein österreichischer Regisseur einen Film über – ich weiß nicht – costa-ricanische Identität machen will? Es wäre trotzdem ein österreichischer Film, aber es ginge nicht primär um österreichische Identität, sondern um eine internationale Frage. In der Debatte, und das hat mich auch leicht irritiert, klang das manchmal ein bisschen so, als ob es nur den österreichischen Film gäbe und Österreich sozusagen ein hermetisch abgeriegelter Markt wäre mit einer Mauer drumherum, der österreichische Film also etwas rein Österreichisches und nichts


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 145

Internationales wäre. Allein die Filmproduktion oder die Filme funktionieren heute nicht mehr so.

Deswegen frage ich mich auch bezüglich der Identität: Was ist mit einem Michael-Haneke-Film, der in Paris spielt, mit französischen Schauspielern und Schauspiele­rinnen, der an französischen Schauplätzen spielt? Alles spielt in Frankreich. Deswegen habe ich einfach ein Problem mit dieser Formulierung. Ich halte sie auch in gewisser Art und Weise für die Kreativität der Filmschaffenden sehr einschränkend, weil die Förderrichtlinien damit verknüpft werden. Und da sollte man meiner Meinung nach aufpassen.

In der alten Fassung dieses Gesetzes war die Voraussetzung für Förderungswerber noch eine EWR-Staatsbürgerschaft, jetzt ist es die österreichische Staatsbürgerschaft. Dazu denke ich mir: Ein französischer oder spanischer Regisseur oder eine Regis-seurin, die in Österreich einen Film machen mit österreichischen Schauspielerinnen und Schauspielern, dessen Produzenten jedoch zum Beispiel in Spanien ansässig sind – so etwas kann vorkommen, so etwas gibt es –, bekommen die dann nichts? Das habe ich nicht verstanden, und das halte ich, wie gesagt, für etwas problematisch, und ich bin mir, ehrlich gesagt, auch nicht sicher, ob das dem EU-Recht entspricht. Bei Ausschreibungen muss europaweit ausgeschrieben werden. Da weiß ich nicht, ob das bei diesen Förderungen dann so halten wird. Nichtsdestotrotz werden wir dem zustim­men, weil jede Fördermaßnahme richtig ist.

Ich möchte allerdings auch noch einen Appell in Richtung ORF äußern: Der ORF ist einer der wichtigsten Partner für die Filmförderung in Österreich. Allerdings verändert sich der Konsum von – ich sage jetzt bewusst nicht „Film“ – audiovisuellen Kunstwer­ken sehr stark. Das hat mit der Digitalisierung zu tun, das hat sehr viel damit zu tun, wie unsere Sehgewohnheiten sich ändern.

Das Fernsehen selbst ist ja auch betroffen. Man unterscheidet ja schon zwischen Fernsehen, wann ich will, und linearem Fernsehen. Ich selbst bin Abonnent eines „Ich schau, wann ich will“-Angebots für Serien. Die Serien, die wir heutzutage bekommen, bei „Netflix“ oder anderen ähnlichen Plattformen, sind von einer künstlerischen Qualität, die unfassbar gut ist. Serien sind ja – das sagen selbst viele Filmschaffende – ein Genre, das erst jetzt entdeckt wird, obwohl es die schon so viele Jahre gibt. Der ORF hat in diesem Bereich meiner Meinung nach die internationalen Standards eindeutig noch nicht ganz erreicht, und ich fände es sehr schön, wenn er da auch mithalten könnte. Dänemark hat das zum Beispiel mit international erfolgreichen, spannenden Serien vorgezeigt dank hervorragenden Drehbuchautoren und -autorin­nen. Die Drehbuchautoren und -autorinnen werden immer unterschätzt. Ein Hoch den Drehbuchautoren und -autorinnen! Da sehe ich einfach noch Handlungsbedarf.

Es wird besser, das glaube ich schon. Allerdings sollten wir bei jeder Filmförde­rungs­maßnahme, die wir setzen, auch darüber nachdenken, wohin die Entwicklung des Konsums von audiovisueller Kunst in Zukunft führt. Das ist natürlich auch eine große Herausforderung für unsere Kinos, weil immer mehr zu Hause geschaut wird, denn jeder hat schon quasi fast ein Kino zu Hause mit Dolby Digital und ich weiß nicht was, mit großen HD-Bildschirmen. Das wird sicherlich eine ganz, ganz große Heraus­forderung für uns alle werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.27


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 146

17.27.32

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg: Ich freue mich, wenn Sie alle zustimmen, weil das ein extrem wichtiges Gesetz für die öster­reichische Filmkultur ist. Es stimmt schon, wir sind in den letzten Jahren sehr erfolgreich geworden, international auch sehr beachtet worden, aber auch in den heimischen Kinos und bei den österreichischen Filmfestivals. Es ist auch überhaupt nicht vorgesehen oder irgendwie der Plan gewesen, dass nicht auch Festivals unterstützt werden sollen. Die wurden in der Vergangenheit unterstützt und die werden auch in Zukunft unterstützt, weil sie ein wichtiger Transmitter sind für das, was gefördert wird. Wir fördern im Jahr ungefähr 30, 35 Spielfilme in Österreich über das Österreichische Filminstitut. Die müssen auch bekannt gemacht werden. Das geschieht über die Festivals, natürlich auch in den Kinos. Daher unterstützen wir auch Programmkinos, die Digitalisierung von Kinos, weil die sozusagen wichtige Vertriebs-orte sind.

Der österreichische Film ist erfolgreich – ich sage bewusst noch einmal: der öster­reichi­sche Film –, und er würde in Zukunft nicht so erfolgreich sein, wenn dieses Gesetz nicht beschlossen werden würde.

Ich muss Herrn Bundesrat Schreuder allerdings widersprechen: Wir müssen es nicht umsetzen. Würden wir die EU-Richtlinie nicht umsetzen, dann würde es in Zukunft diese Förderung nicht mehr geben. Damit es diese Förderung in Zukunft also auch weiter gibt, müssen wir das Gesetz entsprechend anpassen. In Wirklichkeit dient diese Anpassung auch dazu, dass die Struktur der österreichischen Filmförderung weiter fortgeführt werden kann.

Zur Frage einer Einschränkung: Sie müssen keine Sorge haben, dass jetzt irgendeine Zensurstelle eingerichtet wird, die vielleicht sogar eine Behörde ist, die beurteilt, ob österreichische Identität gegeben ist. Wir haben Beiräte mit Fachleuten beim Öster­reichischen Filminstitut und, wenn es um den innovativen Film geht, im Ministerium, in der Kunstsektion, die das beurteilen. Ich bin überzeugt davon, dass es da in Zukunft keine Änderung geben wird.

Worin Sie natürlich hundertprozentig recht haben, ist: Österreichischer Film heißt in den meisten Fällen Koproduktion mit anderen Filmförderungseinrichtungen, entweder mit solchen der österreichischen Bundesländer oder auch international, mit Deutsch­land oder oft auch mit mehreren Ländern gemeinsam. Sie haben Michael Haneke erwähnt. Da war auch Geld der französischen Filmförderung drinnen. Man könnte „Amour Fou“ von Jessica Hausner nennen, den Eröffnungsfilm bei der heurigen Vien­nale, einen Film, der auch beim Filmfestival in Cannes lief. Der war kofinanziert von der Luxemburger Filmförderung. Es war übrigens der einzige Film, der in Cannes gelaufen ist, bei dem Regierungsmitglieder aus drei verschiedenen Staaten anwesend waren; es waren meine deutsche Kollegin, meine Luxemburger Kollegin und ich dort.

Der österreichische Film ist so erfolgreich, dass er bei allen großen internationalen Festivals vertreten ist. Wir waren in Berlin bei der Berlinale vertreten mit „Macondo“, wir waren in Cannes vertreten mit „Amour Fou“, wir waren in Venedig vertreten mit dem Film von Ulrich Seidl „Im Keller“ und mit dem Film von Veronika Franz „Ich seh, ich seh“. Wir haben den österreichischen Film, der übrigens auch von anderen Ländern kofinanziert wurde, „Das finstere Tal“, den wir für den Oscar nominiert haben. Da gibt es ja noch ein größeres Auswahlprocedere. Und wir waren auch in der Vergangenheit, in den letzten Jahren extrem erfolgreich. Michael Haneke wurde genannt, Ulrich Seidl kann man anführen. Götz Spielmann schaffte es mit „Revanche“ unter die letzten fünf des Auslandsfilms und so weiter. Ich könnte jetzt noch eine ganze Reihe anführen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 147

Dass es nicht immer so war, stimmt. Das hat natürlich damit zu tun, dass wir die Film­förderung deutlich verbessert haben. – Ich spreche jetzt immer von der Kinofilm­för­derung. Das, was Sie, Herr Bundesrat Schreuder, angesprochen haben, die Fern­seh­serien, ist ein anderes Thema. Das läuft über die Fernsehfilmförderung; das ist sozusagen eine andere Schiene.

Dass es dazwischen in Österreich – man könnte fast sagen, über Jahrzehnte – ein Loch gegeben hat, hat natürlich auch damit zu tun, dass sehr erfolgreiche Menschen des Filmwesens in der Nazizeit emigrieren mussten. Billy Wilder ist in Amerika erfolgreich geworden. Eric Pleskow ist in Amerika erfolgreich geworden. Otto Premin­ger, dort sich Otto Preminger (der Redner spricht den Namen englisch aus) nennend, ist in Amerika erfolgreich geworden und auch etliche andere, wie Erich Korngold zum Beispiel, die alle flüchten mussten vor den Nazis. Dadurch ist dann natürlich eine große Lücke entstanden. Ein Teil konnte wieder zurückgeholt werden, bei einem anderen wieder Sympathie erweckt werden für dieses Land, wo das eben noch möglich gewesen ist. Eric Pleskow beispielsweise ist Ehrenpräsident der Viennale.

Es ist wichtig, dass dieses Gesetz beschlossen wird. Es ist Teil von mehreren Gesetzen, die wir im heurigen Jahr schon beschlossen haben. Die Änderung des ORF-Gesetzes wurde auch schon erwähnt, mit der wir den ORF verpflichtet haben, dass er nicht nur 4 Millionen, sondern 8 Millionen € über das Film/Fernsehabkommen kofinan­zierend zur Verfügung stellt. Wir haben damals sehr genau geprüft, ob wir das tun dürfen, weil es ja die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit des ORF gibt. Wir sind der Meinung gewesen, da der ORF diese starke Stellung hat und eine Kofinanzierung auch aus förderungsrechtlichen Gründen notwendig ist, dass wir das tun dürfen. Es ist glücklicherweise auch beschlossen worden und in Kraft getreten.

Falls der Appell von Herrn Bundesrat Jachs an mich war, dass ich beim ORF vor­sprechen soll oder mit dem ORF sprechen soll, dass auch die Bundesratssitzungen übertragen werden, muss ich ihn auf diese verfassungsrechtliche Unabhängigkeit hinweisen. Ich habe das hier auch schon mehrfach getan. Sie können natürlich appel­lieren. Ich in meiner Funktion als Regierungsmitglied werde mich hüten, das zu tun. Ich bitte diesbezüglich um Verständnis. (Bundesrat Mayer: Inoffiziell!) – Herr Bundesrat Mayer, ich habe Sie gehört!

Eine Anmerkung noch zum Thema Rechnungshof und mehrere Filmförderungsstellen: Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob es Sinn macht, dass die Bundesländer ebenfalls Filmförderungsstellen haben und das Österreichische Filminstitut über das Budget vom Bund 20 Millionen € zur Verfügung gestellt bekommt, um Filmförderung zu betreiben. Nach der Praxis, soweit ich sie kenne, macht es Sinn. Wenn man mit den Produzenten, mit den Regisseuren, Regisseurinnen, mit der Filmwirtschaft spricht, hat es natürlich Sinn, dass sozusagen versucht wird, auch von den Ländern Geld zu bekommen, weil es natürlich den Topf vergrößert und die Produktionskosten, die bei Filmen üblicherweise nicht so gering sind, das erfordern.

Ein Film in Österreich, „Macondo“ etwa, hat, glaube ich, 1,5 Millionen € gekostet. Das ist extrem wenig, wenn man sich anschaut, was in Hollywood in Filme investiert wird. Dort sind die Summen extrem viel höher. Es gibt also sozusagen dieses System. Man geht dann manchmal auch über die österreichischen Grenzen hinaus, also nach Deutschland, nach Luxemburg, das habe ich schon erwähnt, nach Südtirol, bei einem Film, den ich auch schon erwähnt habe. – Wenn man also mit Menschen aus der Filmwirtschaft, mit Regisseuren, mit Produzenten redet, so finden die das System nicht schlecht.

Wenn Sie das beschließen, davon bin ich felsenfest überzeugt, leisten Sie einen wesentlichen Beitrag dafür, dass österreichischer Film oder Film mit österreichischem


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Bezug – über die Regisseure, über die Inhalte, über die Thematik, über die Stimmung in diesem Land und so weiter – auch weiterhin ein extrem erfolgreiches Kulturgut hier im Lande und auch international sein und bleiben wird.

Wenn man sich anschaut, was sozusagen die „Kulturexporte“ – unter Anführungs­zeichen – sind, so ist der größte natürlich immer das „Neujahrskonzert“ mit weit über 50 Millionen Zusehern weltweit. An zweiter Stelle kommt wohl schon der österreichi­sche Film. Das ist also ein Aushängeschild – das ist auch schon gesagt worden –, das weiterhin unterstützt gehört. Dass das nicht immer die schönen Tourismusbilder sind, wie man kurz zwischen den Zeilen herauslesen hätte können, sondern mitunter auch eine sehr kritische Auseinandersetzung mit unserem Land, mit den Menschen hier in unserem Land, das finde ich wichtig und gut.

Deshalb ist es auch wichtig, dass es die Trennung gibt zwischen dem Budgetbeschluss einerseits, dem Beschluss der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Abwicklung über entsprechende Beiräte, die mit Fachleuten besetzt sind, andererseits. – Ich danke Ihnen schon jetzt sehr herzlich für Ihren zustimmenden Beschluss. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

 


17.38.22

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Nur ganz kurz: Das habe ich ja extra gesagt, dass die Kritik des Rechnungshofs nicht – zumin­dest habe ich sie so verstanden – der Tatsache an sich gilt, dass es mehrere Förder­stellen gibt – da gebe ich Ihnen schon recht, es macht durchaus Sinn, wenn das Bund, Länder, Gemeinden machen –, sondern die Kritik war eher, dass die nicht miteinander kooperieren und dass die Darstellungen dann sehr unterschiedlich sind.

Ich denke, auch wenn es verschiedene Förderstellen gibt – wir sind ein kleines Land –, schadet es nicht, wenn die mehr miteinander kooperieren. Nur darum ging es! Es war keine Kritik daran, dass es verschiedene Förderstellen gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

17.39


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Gibt es dazu noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.39.3013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern geändert wird (672/A und 316 d.B. sowie 9251/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. Ich bitte um den


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Bericht.

 


17.39.55

Berichterstatter Rene Pfister: Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur. Der gegenständliche Bericht liegt euch in schriftlicher Form vor, ich komme somit gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.40.28

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern normiert den Verlag, den Import und den Handel mit deutschsprachigen Büchern. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 2000 und ist an die EU-rechtlichen Bestimmungen angepasst. Der Schutz des Buches als Kulturgut fördert die Vielfalt im Buchhandel und auch ein breiteres Spektrum an Verlagen. Von diesem Umfeld profitieren wiederum die Autorinnen und Autoren.

Im Jahre 2000 war der Internethandel mit Büchern noch nicht so bedeutend, der Anteil von Büchern, die online verkauft wurden, war sehr gering. E-Books wurden seit damals als zukünftige Ergänzung zum gedruckten Buch angesehen, blieben aber ein wirt­schaftlicher Nischenmarkt. Die in den letzten Jahren eingesetzte Verbreitung durch das Angebot entsprechender Lesegeräte hat die Situation nun grundlegend verändert.

Die vorliegende Novelle definiert den Begriff E-Book und soll jede Form der verlags­typischen Angebote von Buchinhalten erfassen. Im Hinblick auf die Grundfreiheiten der EU sind E-Books als Ware zu qualifizieren. Dementsprechend unterliegen sie densel­ben unionsrechtlichen Grundsätzen wie gebundene Bücher und sind somit in das bestehende Gesetz betreffend die Buchpreisbindung einzubetten.

Damit wird auch die Grundlage dafür gelegt, dass erstens Verlage einen Anreiz haben, auch mit E-Books zu einer breiten Palette an Neuerscheinungen und verfügbaren Buchinhalten beizutragen, zweitens Autorinnen und Autoren von ihren Werken leben können, drittens Buchhändlerinnen und Buchhändler einen zusätzlichen wachsenden Markt bedienen können – sie sichern damit die Qualität des österreichischen Buch­handels – und viertens, nicht zuletzt, Konsumentinnen und Konsumenten auf faire und transparente Preise vertrauen können.

Meine Fraktion wird der vorliegenden Novellierung ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.43


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brunner. – Bitte.

 


17.43.22

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Beschluss zur Modernisierung der Buchpreisbindung – und eigentlich handelt es sich ja um eine Modernisierung in Form dieser Ausweitung auf den Onlinehandel und auf die E-Books – beweist aus meiner Sicht die heimische Politik einen großen Weitblick.


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Die Buchpreisbindung ist ja, Gott sei Dank, in Österreich über die Parteigrenzen hinweg auch in der Vergangenheit immer schon sehr sachlich behandelt worden. Hier ist Ihnen und auch Ihren Vorgängerinnen und Vorgängern, Herr Minister, wirklich zu danken, auch für die sehr ergebnisorientierte Zusammenarbeit, die es vor allem in dieser Frage immer gegeben hat. Ich stamme selber aus einer Buchhändlerfamilie. Wir haben ein Familienunternehmen, das meine Schwester führt, und ich darf Ihnen sozusagen den Dank auch stellvertretend für die Branche mitgeben.

In Österreich – das hat meine Vorrednerin schon gesagt – ist der Buchpreis im Buch­preisbindungsgesetz geregelt. Dieses Gesetz schreibt Verlagen und auch Buchimpor­teuren vor, dass Bücher nicht unter einem Mindestpreis verkauft werden dürfen. Das heißt, ein gewisser Preis darf nicht unterschritten werden, und das wird nun ab Dezember auch für den grenzüberschreitenden Internethandel und für E-Books gelten.

Das mag auf den ersten Blick keine weltbewegende, große Sache sein, aber auf den zweiten Blick – und da muss ich auch in meiner Fraktion, Kollege Fürlinger, noch etwas Aufklärungsarbeit leisten, was ich hiermit gerne mache, nicht wegen des heutigen Beschlusses, sondern insgesamt –, weil die Buchpreisbindung auch eine enorme kulturpolitische Bedeutung hat. Das wird vielleicht ein wenig vergessen, daher möchte ich das in ein paar Sätzen beleuchten.

Die Buchpreisbindung sichert einerseits in Österreich eine sehr breite Vielfalt an künstlerischem Schaffen, an Buchhandlungen und an Verlagen, aber auch für den Konsumenten bedeutet das eine Vielfalt an Angeboten. Unser Land nimmt bei dieser Vielfalt an Angeboten, bei dieser Vielfalt an Publikationen weltweit eine Spitzenposition ein. Das liegt vielleicht nicht nur, aber auch an der Buchpreisbindung.

Diese Buchpreisbindung ist also ein sehr wichtiges kulturpolitisches Instrument, auch um die Vielfalt und die Qualität im Buchmarkt zu fördern und zu stützen. Übrigens gibt es in kaum einer anderen Branche so viel Wettbewerb wie im Buchmarkt. Das ist auch, glaube ich, interessant und wichtig zu erwähnen. Denn allein im deutschsprachigen Raum werden jedes Jahr über hunderttausend neue Titel publiziert, das ist doch eine gewaltige Anzahl. Und diese Konkurrenz über die Publikationen, über die Inhalte führt zu mehr Kreativität, führt auch zu mehr Innovation und auch zu einer Vielfalt. Ein reiner Preiswettbewerb würde aus meiner Sicht vor allem eher die Marktmacht von Diskon-tern mit der Tendenz in Richtung Monokultur stärken.

Interessant dabei ist auch, dass die Bücher in preisgebundenen Märkten – also Öster­reich, Deutschland, aber auch Frankreich  insgesamt gesehen billiger sind als in deregulierten Ländern wie Großbritannien. Es gibt Untersuchungen über die Preisent-wicklung in Ländern mit und ohne Buchpreisbindung, die das sehr deutlich zeigen.

Die Buchpreisbindung – wir haben beim vorigen Tagesordnungspunkt schon über Kulturförderung gesprochen – hat allen anderen Kulturfördermitteln eigentlich eines voraus: Es müssen keine Steuermittel verwendet werden, sie kostet den Staat keinen Euro. Möglich macht dieses Modell die Querfinanzierung, da Leserinnen und Leser – also hoffentlich wir alle – mit dem Buchkauf für dieses vielfältige Angebot sorgen, zu erschwinglichen Preisen, und das nicht nur für Massenprodukte, sondern im Fall des deutschsprachigen Raumes insbesondere für Qualitätsprodukte.

Verlage können von den Erträgen, die sie mit den Massenprodukten machen, dann auch risikoreichere Produktionen mitfinanzieren. Dadurch werden die Vielfalt und der literarische Reichtum, den es in Österreich und Deutschland gibt, stark gefördert. Und davon profitieren insbesondere die Autoren und die Verlage in Österreich.

Etwas geschmerzt hat am Dienstag, Herr Bundesminister, dass uns im Kulturaus-schuss keine Auskunftsperson zur Verfügung gestanden ist. Ich möchte das hier noch


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deponieren, obwohl ich sicher bin, dass das auf anderer Ebene auch schon ent­sprechend vermittelt worden ist. Es hätte doch die eine oder andere Frage gegeben, beispielsweise die Auswirkungen von TTIP auf die Buchpreisbindung. Aber das soll die Freude über den Beschluss natürlich nicht schmälern.

Wie zu Beginn gesagt: In Österreich ist die Politik der Buchpreisbindung, aber auch das Instrument der Buchpreisbindung an sich, Gott sei Dank, unbestritten. Es war mir aber ein Anliegen, die Bedeutung auch in der Länderkammer einmal dezidiert darzustellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.49


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


17.49.26

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Buch ist natürlich ein Jahrhundertthema. Es hat 500 Jahre Historiographie. Das Buch hat aber auch im 15., 16. Jahrhundert, als Gutenberg die beweglichen Lettern erfunden hat, einen Evolutionsprozess von 50, 60 Jahren gebraucht, bis es sich durchgesetzt hat. Man hat mit dem Buch auch damals nichts anfangen können. Zuvor entstanden in den Skriptorien die Rollen aus Pergament, und da stellte sich die Frage, wie man ein Buch liest, wie man blättert. Das war alles nicht so klar und hat 50 Jahre der Durchsetzung bedurft.

Das erinnert mich an den amerikanischen Kommunikationswissenschaftler Marshall McLuhan, der sich schon 1962 in seinem Buch „The Gutenberg Galaxy“ mit dem Ende des Buchzeitalters auseinandergesetzt hat und vor dem Ende dieser tradierten Schriftkultur vielleicht nicht gewarnt, diese aber infrage gestellt hat.

So gut das Internet bei der Recherche für die Wissenschaft ist, so ein Problem ist es für die Populärwissenschaft und natürlich für die Wissenschaftskultur. Man darf nämlich nicht vergessen, dass das Internet veränderbar ist. Das Internet ist als Quel­len­ausweis ein sehr fragwürdiges System. Es ist veränderbar, es ist nicht nachhaltig und es ist dadurch nicht überprüfbar. Die Wissenschaft hat dafür noch keine Lösung gefunden. Das Zeitalter der neuen Medienrevolution muss sich erst durchsetzen. Es ist zu früh, um dazu ein klares Statement abzugeben.

Keine Frage, die Buchpreisbindung ist eine gute Idee, sehr geehrter Herr Minister. Es ist sicherlich eine Idee, um dem Buch praktisch den Stellenwert zu geben, den es benötigt.

Bei der Marktmacht, wie der Herr Kollege Brunner gesagt hat, wäre ich vorsichtig. Die Marktmarkt von Internetkonzernen à la Amazon ist gewaltig und darf man nicht unterschätzen. Siehe das Online-Unternehmen Uber und was da jetzt in Deutschland passiert. Die setzen sich über Straf- und Pönalzahlungen einfach hinweg und betreiben weiter dieses freie Taxiunternehmen. Das ist ja praktisch auch ein geschützter Bereich, wo sie Liberalität einfordern und die Bindung – das ist auch in gewissem Sinne eine Preisbindung – angreifen. Es muss sich daher erst zeigen, wie sich das entwickelt.

Gut gefallen würde mir – und das sage ich als freier Marktwirtschaftler ganz ehrlich –, die Angebotsseite zu verbessern, den Verlagen ein besseres Standing zu geben, es den Verlagen und damit natürlich auch den Autoren zu ermöglichen, dass sie die Ertrags­kraft stärken, dass sie aus der Kostenstruktur die Bücher weiterhin anbieten können und natürlich auch das das E-Book als solches.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 152

Zusammengefasst: Es ist sicherlich ein gutes Gesetz, aber man muss erst der Entwick­lung harren, um zu sehen, ob das auch genügt, um das Buch, das Papier und die Schriftkultur zu erhalten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.52


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


17.52.49

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Kollege, ich bin Buchleser, und ich mag das Internet. Bücher können auch Nonsens beinhalten, so wie sie auch toll sein können. Und genauso ist es auch mit dem Internet. Und dass der Sprachschatz oder der Wortschatz oder die Ausdrucksweisen sich bei der jungen Generation ver­schlechtern würden, haben schon die alten Griechen von ihrer Jugend gemeint. Das ist also auch nichts Neues. Sprache verändert sich, weil sich auch Ausdrucksweisen und Wortschätze verändern, weil auch andere Wörter verwendet werden. Das ist so.

Ich glaube, das Internet ist genauso vielfältig, wie die Buchlandschaft vielfältig ist. Was wir in Wahrheit aber bräuchten, wäre eine Medienkompetenz, und zwar völlig unab­hängig davon, ob es um Bücher geht, ob es ums Internet geht, ums Fernsehen oder sonst etwas geht. So viel dazu.

Nun zum anderen: Selbstverständlich stimmen wir dem zu, denn wenn man das gedruckte Buch als schützenswertes Kulturgut definiert, dann meint man ja damit nicht das Medium an sich, also sozusagen das, was aus Holz ist, sondern – ich nenne es einmal so – die geschmiedeten Wörter, die sich darin befinden. Es geht ja nicht um das Medium an sich, sondern um den Inhalt. Durch welches Medium dieser Inhalt, diese Wörter transportiert werden – weil wir halt auch einmal die Schrift erfunden haben und so weiter –, wie das dann übertragen wird, ist ja sozusagen zweitrangig.

Jetzt gibt es diese E-Books. Manche finden sie praktisch, ich bin, obwohl ich ein Nerd bin, ja immer noch ein Papierbuch-Leser. Aber das ist ja völlig egal, das ist ja per­sönlicher Geschmack. Selbstverständlich muss die Buchpreisbindung auch für ein E-Book dementsprechend gelten. Die Vorzüge einer vielfältigen Verlags- und Buch­landschaft wurden ja schon erläutert. Das ist natürlich vollkommen richtig. Gespannt sind wir natürlich, ob dieses Gesetz auch dem Wettbewerbsrecht der Union entspricht. Da ist ja auch in den Erläuterungen zum Gesetz durchaus erwähnt, wobei da sehr zuversichtlich darauf hingewiesen wird, dass das wohl halten wird. Und das hoffen wir natürlich auch.

Einen Punkt möchte ich allerdings schon noch erwähnen: Die Franzosen haben bei den Verhandlungen zu TTIP völlig zu Recht gesagt, dass die audiovisuellen Medien herausgenommen werden müssen. Wir können nicht unsere andere Art und Weise von Kulturförderungen, von Filmförderungen durch TTIP abschaffen lassen. Dasselbe muss natürlich in Wahrheit für Bücher auch gelten. Deswegen ist es natürlich schon auch wichtig, dass Verlagswesen und Bücher nicht Bestandteil des TTIP-Abkommens sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

17.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Oster­mayer. – Bitte.

 


17.56.18

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Nachdem es so viele positive Wortmeldungen und so viel Zustimmung gegeben hat, freue ich mich natürlich, möchte aber auch ein paar Anmerkungen machen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 153

Wir haben in Österreich die höchste Dichte und Vielfalt an Buchhandlungen, noch, und wir wollen, dass das auch so weiter bleibt.

Zweitens, zu den Ausführungen von Bundesrat Mag. Pisec: Wir haben heuer die Verlagsförderung erhöht, weil wir wollen, dass auch die österreichischen Verlage – kleiner Markt, teilweise auf Nischen spezialisiert – weiterhin eine Zukunft haben.

Drittens: Wir wollen natürlich damit auch erreichen, dass die Autoren/Autorinnen in Zukunft auch weiterhin zum Teil sehr erfolgreich Bücher schreiben, denn nur dann wird das Kulturgut Buch weiter am Leben bleiben, nur dann gibt es Verlage, nur dann gibt es etwas, was in den Buchhandlungen verkauft wird.

Jetzt haben wir die Situation – ich werde dann noch kurz etwas zitieren –, in der internationale Unternehmen beginnen, das zu unterlaufen, indem zu Billigstpreisen im Internet E-Books angeboten werden, wo klar ist, wenn das die Zukunft ist, dass es nur mehr Autoren/Autorinnen geben wird, die mit Unterstützung von Mäzenen Bücher schreiben können, aber nicht mehr alleine vom Schreiben von Büchern leben können.

Das war die Ausgangssituation. Und wir haben überlegt, was wir dagegen tun können. Wir haben uns natürlich auch die europarechtlichen, wettbewerbsrechtlichen Aspekte angeschaut und sind zu dem Schluss gekommen: Die Ausweitung der Buchpreis­bindung auf E-Books kann eine Antwort sein. Ob es die dauerhafte Antwort ist, kann Ihnen jetzt niemand sagen. Immer, wenn man Avantgarde ist – und das sind wir in diesem Fall –, hat man natürlich auch eine gewisse Ungewissheit vor sich, wie es tatsächlich wirkt. (Präsidentin Blatnik übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich komme jetzt zum Zitat. Es gab am 9. Oktober des heurigen Jahres 2014 in der deutschen Zeitschrift „Cicero“ einen Artikel, der hieß: „Wie Amazon ein Kulturgut bedroht – Bücher in einer Flatrate, unbegrenzt, überall: Mit seiner neuen Online-Bibliothek greift Amazon Verleger, Buchhändler und Autoren an.“

Der Schluss dieses mehrseitigen Artikels lautet: „Österreich könnte die Lösung zu dem Dilemma gefunden haben. Der dortige Kulturminister Josef Ostermayer will die Buch­preisbindung auf den Online-Handel und E-Books ausweiten. ‚Im Sinne der Vielfalt ist es wichtig, Bücher zu schützen und ein Marktumfeld zu schaffen, das eine hohe Anzahl an Verlagen und Veröffentlichungen ermöglicht‘ () Wenn das Gesetz wie geplant noch vor Weihnachten in Kraft tritt, wäre Österreich ein Vorreiter in Europa. Dann könnte sich sicher auch der deutsche Gesetzgeber noch etwas abschauen.“

In diesem Sinne, wenn Sie das beschließen – und diesen Eindruck habe ich –, sind wir, sind Sie Vorreiter in Europa. Die Autoren, die Verlage, die Buchhandlungen wer­den es uns, werden es Ihnen danken. Ich auch. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.00


Präsidentin Ana Blatnik: Herr Bundesminister, danke, hvala.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 154

18.00.5514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fas­sung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925, geändert wird (264/A und 72 d.B. sowie 9254/BR d.B.)

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um den Bericht.

 


18.01.19

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des National­rates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung; ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Ana Blatnik: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


18.02.12

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist allgemein bekannt, dass wir mit dieser Reform der Bezirksgerichte von Anfang an nicht die große Freude gehabt haben.

Wir können in dieser Neuregelung der bezirksübergreifenden Zuständigkeit der Be­zirks­gerichte, so wie sie nun da liegt, auch nicht wirklich den großen Wurf erkennen. Es setzt sich das fort, was man uns im ländlichen Raum immer wieder mitteilt: Aus­dünnung des ländlichen Raumes, so nach dem Motto: Zuerst haben sie uns die Post weggenommen, dann nehmen sie uns die Gendarmarie weg, und jetzt nehmen sie uns die Bezirksgerichte weg. Diese Kritik hören wir immer wieder, und das ist ein inhaltlicher Punkt, der hier zum Tragen kommt.

Darüber hinaus ist es für mich nicht ganz nachvollziehbar, wie diese Standortbestim­mung der Bezirksgerichte tatsächlich stattgefunden hat. So richtig schlüssige Zahlen oder schlagende Argumente für die Darlegung, so wie sich nunmehr diese über­greifende Zuständigkeit darstellt, haben wir bis dato nicht entgegennehmen können. Deshalb werden wir mit unserer Kritik diesen bezirksgerichtlichen, sagen wir einmal, Neuregelungen gegenüber, samt den Standortbestimmungen, fortfahren und auch das gegenständliche Verfassungsgesetz ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.03


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Reich zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 155

18.04.05

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Änderung des Übergangs­gesetzes aus dem Jahr 1920 wird die verfassungsrechtliche Basis für die Zusammen­legung von Bezirksgerichten gelegt. Damit entfällt nun die Bestimmung, der zufolge sich die Grenzen der politischen Bezirke und der Gerichtsbezirke nicht überschneiden dürfen, die der Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen als nicht verfas­sungs­konform festgestellt hatte.

Die Regierungskoalition hatte bereits zu Jahresbeginn einen Versuch unternommen, das Überschneidungsverbot in der Verfassung aufzuheben. Leider hat es noch einige Zeit gedauert, bis es soweit war. Nun ist es soweit.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erlaubt mir einen kurzen Rückblick in die Geschichte, der mir geholfen hat, diese Materie besser zu verstehen!

Die heute bestehenden Gerichtsbezirke gehen grundsätzlich auf das Jahr 1850 zurück. Es wurden damals 70 Bezirksgerichte für die Bundesländer Oberösterreich und Salzburg festgelegt. Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Oberösterreich, in dem ich zu Hause bin, entstanden dadurch 47 dieser Gerichtsbezirke, die so definiert waren, dass die Bewohner und Bewohnerinnen sie in einer Tagesreise mit der Post­kutsche erreichen konnten.

Zur ersten Schließung von Bezirksgerichten kam es schon im Jahr 1923, bei der in Oberösterreich leider auch das Gericht meiner Heimatgemeinde Haslach dabei war. Mit der 2002 beschlossenen Bezirksgerichte-Verordnung wurde die Schließung von weiteren Bezirksgerichten in die Wege geleitet. 2011 startete die Diskussion über die zusätzliche Auflösung von Bezirksgerichten und die Zusammenlegung von Gerichts­bezir­ken. Laut Aussage des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz betrifft dies vor allem Bezirksgerichte, die sich nicht in den Bezirkshauptstädten befinden.

Mit 2013 trat die neue Bezirksgerichte-Verordnung in Kraft. In meinem Wahlkreis war davon das Bezirksgericht in Bad Leonfelden betroffen, wofür es großes Medien­interesse gab. Da kam es nun auch zu einer Überschneidung mit den politischen Bezirk, da die Gemeinden Vorderweißenbach und Oberneukirchen aus dem politischen Bezirk Urfahr-Umgebung dem Gerichtsbezirk Rohrbach zugeordnet wurden. Anderer­seits wurden aus dem Bezirk Rohrbach zwei Gemeinden dem Gerichtsbezirk Urfahr-Umgebung zugeordnet.

Werte Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir wieder bei diesem Übergangsgesetz gelandet, dass der Verfassungsgerichtshof nun als Hindernis für diese Zusammen­legungen sieht, wobei die in der Vergangenheit erfolgten Zusammenlegungen von Bezirksgerichten für ihn zum Teil unzulässig waren. Aber die historischen Grundlagen für dieses Gesetz sind nach Meinung vieler Experten und Expertinnen weggefallen, und im Sinne einer Strukturreform in Richtung eines effizienten und bürgernahen Staates und einer modernen Justiz ist dieses Übergangsgesetz überholt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, ihr stimmt mit mir überein, dass wir in unserer Zeit über Bezirks- und Landesgrenzen hinausdenken müssen, dass wir keine unausgelasteten Kleinstgerichte, sondern Einrichtungen mit mehreren und speziali­sierten Richterinnen und Richtern brauchen; dass es für die Menschen draußen auch nicht wichtig ist, ob ein Gerichtssprengel sich mit dem politischen Bezirk überschneidet, sondern die Erreichbarkeit für sie bedeutsam ist.

Und da diese Gesetzesänderung auch Sparpotenziale enthält, ist es ein Zeichen der Vernunft, das zu ändern. Ich werde mit meiner Fraktion gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.08



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 156

Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Kneifel zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


18.08.23

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Von der Postkutsche und der Historie dieses Überleitungsgesetzes hat meine Vorrednerin schon gesprochen, von der Erreichbarkeit, wie es damals war und wie es heute ist.

Die Logistik hat sich geändert. Der Stand der Technik hat sich geändert. E-Govern­ment ist eingezogen, und die Erreichbarkeit ist verbessert worden. Ich glaube es ist wichtig, dass der Staat immer wieder seine Strukturen überprüft und überlegt, ob er sich an den technologischen Fortschritt angepasst hat. Der technologische Fortschritt eilt meistens voraus, und wir hinken meistens hinten nach und sind dann gefordert, die entsprechenden Korrekturen und Verbesserungen anzubringen.

Ich habe mir dieses Gesetz angesehen. Dieses Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 hat sehr lange Bestand gehabt. 94 Jahre sind es, fast auf den Tag genau. Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass wir hier etwas ändern.

Ich möchte aber auch auf meinen Vorredner von der Freiheitlichen Partei eingehen, der gefragt hat: Wo liegt der Mehrwert? Ich glaube, wir sollen das hier auch ausdis­kutieren, da doch auch Länderinteressen, zumindest was die Bürgerinnen und Bürger betrifft, sehr stark betroffen sind. Wo liegt der Mehrwert, Herr Kollege? – Der Mehrwert liegt nicht nur in Einsparungspotenzialen, der Mehrwert liegt mindestens auch in einer Qualitätsverbesserung der Rechtsprechung.

Herr Bundesrat Brückl ist gerade nicht im Saal, aber er wird als Mitarbeiter eines Bezirksgerichts bestätigen können – und wird Ihnen das aus fraktioneller Nähe mit einer höheren Glaubwürdigkeit bestätigen können –, dass, wenn ein Richter in einem Jahr 100 Fälle zu entscheiden hat, die Qualität wahrscheinlich besser wird, als wenn er bei der Rechtsprechung nur über zwei oder drei Fälle zu entscheiden hat.

Ich glaube, dass damit auch ein Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet wird, dass damit auch die Rechtsprechung effizienter, besser geworden ist oder besser wird. Auch das soll der Mehrwert sein, neben der selbstverständlich zugestandenen Einsparung. Selbst­verständlich sind wir gefordert, mit dem sauer verdienten Geld der Steuerzahler sparsam umzugehen. Und wenn man mit einer kleineren Struktur genauso das Auskommen findet, dann muss man eben die Strukturen verkleinern, ohne dass der Bürger oder die Bürgerin irgendwelchen Schaden davonträgt.

Meiner Auffassung nach ist es – auch das sei hier genannt, weil ich es auch im Aus­schuss schon gesagt habe – kein Ruhmesblatt für die Legisten des Justizministeriums, dass sie über diese Verfassungsbestimmung gestolpert sind, das sage ich ganz offen, weil man gerade von diesen Leuten eigentlich die Garantie haben müsste, dass sie sich an die Verfassungsbestimmungen halten.

Daher ist die Frage erlaubt – von einer Kammer oder von denen, die auf die Verfas­sung angelobt sind –, wie das passiert ist. Ich glaube, dass das ein Kalkül war, denn sie haben es sicher gewusst; aber wo kein Kläger, da kein Richter. So gab es be­reits 1972 eine Reform in Kärnten, bei der es auch schon diese Überschneidungen gab, nur hat es damals niemand angefochten; und wo kein Kläger, da kein Richter. Daher, glaube ich, sollten wir schauen, ob da nicht ein Fehler im System ist. Man muss natürlich auch menschlich damit umgehen und sagen: Irren ist menschlich, das kann passieren.

Jetzt bin ich bei der Rolle der Freiheitlichen Partei bei dieser Reparatur des Gesetzes: Wenn Sie oder ein Vorredner von Ihnen sagt, dass wir mehr Vertrauen bei der


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Bevölkerung gewinnen sollen, dann stimme ich Ihnen völlig zu; nur werden wir nicht mehr Vertrauen gewinnen, wenn wir nicht gemeinsam Fehler, die zweifellos passiert sind und die auch einbekannt werden, gemeinsam reparieren. Sie entziehen sich aber dieser Aufgabe, für den Bürger entsprechende bessere Strukturen bereitzustellen und diese Dinge zu reparieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hätte mir eigentlich erwartet, dass Sie sagen: Okay, das ist passiert, wir reparieren das, das ist ein Gesetz, das nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, wo es andere Strukturen gibt, wo es andere Technologien gibt, wir müssen unsere staatliche Struktur anpassen. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Wenn ich Ihre Meinung auf andere Bereiche übertrage, dann müssten wir alle Straßen­meistereien, die wir vor 50 Jahren noch alle 20 Kilometer gehabt haben, weil es lauter Staubstraßen gegeben hat, auch erhalten (Zwischenruf des Bundesrates Herbert), weil damit natürlich die Nähe gegeben ist, die Leute dort den Straßenmeister haben und sich, wenn die Straße schlecht ist, dort beschweren können und so weiter. In der Zwischenzeit, Herr Kollege, das wird auch Ihnen nicht entgangen sein, haben wir in den meisten Fällen, zu 99,9 Prozent, Asphaltstraßen, und wir brauchen mit dem sauer verdienten Geld der Steuerzahler nicht mehr alle 20 Kilometer Straßenmeistereien aufrechtzuerhalten.

Also ich glaube, dass dieses Gesetz Sinn hat, dass dieses Gesetz Mehrwert bringt für die Bevölkerung, ohne dass jemand benachteiligt wird. Deshalb werden wir mit voller Überzeugung dieser Reform zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter.)

18.14


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


18.15.00

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen! Na ja, ein bisschen unangenehm ist die Sache schon, um nicht blamabel zu sagen, weil man da offensichtlich jahrzehntelang über eine Verfassungsbestimmung hinweggegangen ist, die eigentlich ganz klar und eindeutig ist, dass eben Gerichtssprengel die Grenzen politischer Sprengel nicht schneiden dürften.

Entgegen dieser eindeutigen Bestimmung wurde die neue Verordnung der Gerichts­spren­gel erlassen. Es hätte auch gut gehen können, aber, wie schon erwähnt, das hat ein bisschen etwas von einem „Schlaucherl“. Man hat sich jetzt also die Ohrfeigen beim Verfassungsgerichtshof abgeholt und die Verordnung wurde in Oberösterreich aufgehoben.

Aber den Bürgern ist es, glaube ich, schwer zu erklären, dass diese Strukturreform sozusagen an dieser Verfassungsbestimmung scheitern sollte. Die Bürger interes­sieren sich vielmehr dafür, wie es mit der Qualität des Bezirksgerichtes, mit der Erreich­barkeit und so weiter ausschaut. Deshalb muss sich für uns primär die Frage stellen, was für die Bürger und Bürgerinnen gut ist; und das ist eigentlich abgekoppelt von der Frage, ob sich da Bezirksgrenzen schneiden oder nicht.

Übrigens, ganz begreife ich den Widerstand nicht. Es war Herr Minister Böhmdorfer, der erstmals mit dem Thema Schließung der Bezirksgerichte durch die Lande gefahren ist. Ich kann mich noch daran erinnern, als er im Salzburger Landtag diese Frage aufs Tapet gebracht hat – in dem Bestreben, dadurch eben auch eine bessere Qualität zu erreichen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 158

Natürlich ist es auch eine Umstellung, und ich verstehe es ja, dass die Regionen um diese Infrastruktur kämpfen; denn man sieht, dass kleine Bezirksgerichte auf der anderen Seite einen großen Tourismus verursachen, von Anwälten und so weiter, die eben vor Ort nicht vorhanden sind und dann alle zureisen müssen. Das geht auf eine Zeit zurück, als man noch mit der Kutsche gefahren ist oder vielleicht sogar zu Fuß zum Bezirksgericht gehen musste.

Also wir finden es richtig, dass es hiemit zu einer Reparatur dieser Verfassungs­bestim­mung kommt. Für sachliche Argumente werden Sie bei uns Grünen immer offene Ohren finden – was hoffentlich auch umgekehrt der Fall ist –, wenn eben auch fair und offen mit uns verhandelt worden ist. Das hätte man hier sicher im Vorfeld tun sollen. Aber ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, das zu reparieren.

Wir werden dem unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

18.17


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


18.18.04

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Ich mache es ganz kurz. Frau Bundesrätin Reiter, dass nicht gesprochen worden wäre, das ist natürlich nicht zutreffend. Es hat, wie wir wissen, andere Gründe dafür gegeben, dass die Grünen einige Monate Zeit gebraucht haben, dem zuzustimmen.

Ich wollte aber eigentlich zu den Ausführungen des Herrn Bundesrates Herbert etwas sagen. Ich glaube, es ist für die Politik ganz wichtig, glaubwürdig zu bleiben. Ich kann mich an Budgetdiskussionen et cetera erinnern, bei denen ihr Parteiobmann im National­rat immer von der Verwaltungsreform redet. Wenn es dann aber um die Verwaltungsreform oder um einzelne Maßnahmen der Verwaltungsreform geht, gibt es eine Partei, die regelmäßig nicht zustimmt. Ob das der Beitrag zur Glaubwürdigkeit ist, soll jeder einzeln beurteilen.

Und der zweite Punkt ist: Ich finde, dass Ihre Kritik am von der FPÖ damals benannten früheren Justizminister Dr. Böhmdorfer gerade in diesem Punkt wirklich unzutreffend ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Reiter.)

18.19


Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 159

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

18.21.0015. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichts­hofes für das Jahr 2013 (III-529-BR/2014 d.B. sowie 9255/BR d.B.)

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um den Bericht.

 


18.21.16

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2013.

Die Berichte liegen Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwal­tungs­gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2013 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Ana Blatnik: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile ihm dieses.

 


18.22.04

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine Ehre, heute einige grundsätzliche Worte zu diesen beiden Tätigkeitsberichten unserer Höchst­gerichte im öffentlichen Bereich formulieren zu können.

Kurz gesagt: Die Tätigkeitsberichte vom VwGH und VfGH sind äußerst eindrucksvoll gelungen. Es zeigen die Statistiken die positive Weiterentwicklung dieser Gerichte auf. So konnte die Verfahrensdauer wieder verkürzt werden, und Rückstände konnten gleichzeitig abgebaut werden.

Meine Damen und Herren! Für mich als Sozialdemokraten ist es in unserem Rechts­staat prioritär, dass die Rechtsuchenden rasch zu ihrem Recht kommen. Jahrelange Verfahren schwächen den Rechtsstaat, schwächen die Rechtssicherheit und schwächen das Vertrauen in das Recht allgemein. Der Rechtsunterworfene hat nichts von abstrak­tem Recht, wenn ihm Entscheidungen auch in letzter Instanz nicht in der gebotenen Raschheit garantiert werden.

Dies gilt insbesondere für Menschen, die einer Verfolgung ausgesetzt sind und die warten müssen – früher teilweise jahrelang –, um Bescheid zu bekommen, ob ihnen in Österreich Asyl gewährt wird oder nicht. Gerade im Bereich der Asylrechtsange­legen­heiten ist die Verkürzung der Verfahrensdauer von der ersten bis zur letzten Instanz beeindruckend gelungen, und dies bei höchster Qualität der Entscheidungen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 160

Meine Damen und Herren! Genauso ist die Verfahrensdauer auch wichtig für Ent­scheidungen im Wirtschaftsbereich bei Investitionen am Standort Österreich. Da geht es Investoren vor allem darum, rasch die notwendigen Genehmigungen zu bekommen, wenn sie sich entscheiden, ob sie ihre Investitionen in Österreich tätigen oder in das benachbarte Ausland ausweichen.

Gerade in Zeiten, in denen Arbeitsplätze mehr und mehr gebraucht sind, ist es auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von hoher Wichtigkeit, dass diese Entschei­dungen rasch durch die Gerichte getroffen werden. Ich kann also sagen, dass ein funktionierender Rechtsstaat für alle Menschen in Österreich von Bedeutung ist, vom Unternehmer bis zum Arbeiter. Daher kann ich das Kompliment nur noch einmal wiederholen und mich bei den geschätzten Vizepräsidentinnen Frau Dr. Brigitte Bierlein und Frau Dr. Anna Sporrer – ich bitte, das auszurichten – persönlich für ihren Einsatz bedanken. Ich ersuche, diesen Dank an ihre Kolleginnen und Kollegen, aber natürlich auch an das nichtrichterliche Personal weiterzugeben.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass die Beratungen in dem zuständigen Ausschuss für Verfassung und Föderalismus vorbildlich waren und eine Reihe von schwierigen Fragen der Bundesrätinnen und Bundesräte mit hoher Souve­ränität von beiden Vizepräsidentinnen umfassend beantwortet wurde.

Geschätzte Damen und Herren! Für die Weiterentwicklung des österreichischen Rechts­staates sind das Jahr 2014 und das Jahr 2015 maßgebliche Zeitpunkte. Einerseits hat der Verfassungsgesetzgeber und damit auch der Bundesrat mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit neu, die mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten ist, den Stan­dard des Rechtsstaates deutlich erhöht. Seit Beginn dieses Jahres sind alle Rechts­angelegenheiten in zweiter Instanz grundsätzlich von unabhängigen Richterin­nen und Richtern zu entscheiden.

Andererseits wurden Landesverwaltungsgerichte in den neun Bundesländern geschaf­fen, wodurch erstmals in unserer Republik echte Gerichte in Länderkompetenz fallen. Noch heuer wird sich der Bundesrat mit der einfachgesetzlichen Umsetzung der Geset­zesbeschwerde zu befassen haben. Wie Sie alle wissen, haben wir schon im Jahr 2013 die verfassungsgesetzlichen Grundlagen hiefür beschlossen.

Das Inkrafttreten dieses Reformpakets ist mit 1. Jänner 2015 in Aussicht genommen. Die Gesetzesbeschwerde bringt für alle Parteien von Straf- und Zivilverfahren wie­derum einen erhöhten Rechtsschutz. Gleichzeitig mit der Einbringung eines Rechts­mittels können sich die Parteien auch an den Verfassungsgerichtshof wenden, um die Verfassungsmäßigkeit jener Norm zu überprüfen, die Grundlage für das Urteil ist, wenn sie dieses für verfassungswidrig erachten. Damit wird allerdings der Arbeitsanfall im Verfassungsgerichtshof wachsen, ich bin mir aber sicher, dass diese neue Aufgabe von den Richterinnen und Richtern souverän gelöst werden wird. Es geht dabei wieder um rasche Entscheidungen, damit die zugrundeliegenden Gerichtsverfahren nicht unnötig verzögert werden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass das Zusammenspiel zwischen den Höchstgerichten und dem Verfassungsgesetzgeber in Österreich beispielhaft funktioniert. Nochmals ein Kompliment an die Höchstgerichte für ihre kompetente Arbeit. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

18.28


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile ihm dieses.

 



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18.28.12

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich mich auch ganz herzlich für die Berichte und für die geleistete Arbeit beider Ge­richtshöfe auch im Sinne unseres Rechtsstaates bedanken. Leider sind die zwei Vize­präsidentinnen, die uns im Ausschuss wirklich sehr kompetent Rede und Antwort gestanden sind, heute nicht hier. Trotzdem auf diesem Weg herzlichen Dank!

Es wurden im Ausschuss sehr viele interessante Themen intensiv diskutiert. Eines der interessantesten Dinge aus föderalistischer beziehungsweise aus Ländersicht – das hat Kollege Todt schon angesprochen – ist sicher die Verwaltungsgerichts­barkeits­reform. Ich möchte nur noch ergänzend sagen: Das ist wirklich ein epochaler Schritt in der österreichischen Staatsorganisation insgesamt – eine Reform, die es in dieser Größenordnung seit den zwanziger Jahren in der Verwaltungsorganisation von Bund und Ländern nicht mehr gegeben hat! So wurden beispielsweise im Rahmen dieser Reform über 100 Sonderbehörden abgeschafft. Die damals oft gescholtene Bundes­regie­rung hat damit wirklich eine epochale Reform zuwege gebracht.

Jetzt kann dieses Projekt der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch langsam evaluiert wer­den, und es zeigt sich, dass der Übergang eigentlich gut funktioniert hat, insbeson­dere – das muss man gerade in dieser Kammer betonen – aufseiten der Landesver­waltungsgerichte. Beim Bundesverwaltungsgericht hat es am Anfang noch größere Probleme bei der Umstellung gegeben. Aber natürlich ist dort der Aufwand ein wesentlich größerer, das ist keine Frage.

Interessant in diesem Bericht des VwGH ist aus Ländersicht die Bemerkung, dass Dienstzuteilungen von Dienststellen der Bundesländer eigentlich kaum erfolgt sind. Das ist aus meiner Sicht extrem bedauerlich, denn es haben Juristen – und ich kenne auch aus meinem Bekanntenkreis einige – früher sehr wohl von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine bestimmte Zeit im Verwaltungs- oder im Verfassungs­gerichts­hof zu arbeiten, und das ist, glaube ich, für beiden Seiten, und zwar sowohl für diejenigen, die die Möglichkeit dazu haben, als auch für die Gerichtshöfe, aber natürlich dann in weiterer Folge auch für die Landesverwaltungen, doch sehr fruchtbar.

Das ist sehr schade. Das Problem ist halt auch, dass früher die Kosten vom Bund übernommen worden sind, mittlerweile nicht mehr vom Bund getragen werden, und dadurch die Länder und die Landesverwaltungen größere Schwierigkeiten haben, das zu ermöglichen, insbesondere deshalb, weil die Landesverwaltungen im legistischen Bereich relativ schlank aufgestellt sind und jede Person, jede Entsendung in der Verwaltung natürlich auch schmerzhafte Lücken hinterlässt. Da gibt es sicher von Länderseite großen Aufholbedarf. Ich habe mir erlaubt, das in meinem Heimatbun­desland beim Landesamtsdirektor zu deponieren und vorzuschlagen, ob da nicht in Zukunft mehr getan werden kann.

Beim Verfassungsgerichtshof fallen auch einige interessante Entscheidungen zu Lan­desmaterien, die ich in der Länderkammer erwähnen möchte, auf, etwa zum steiermär­kischen Mindestsicherungsgesetz, aber auch zur Bundesratswahl in Niederösterreich, und zwar ein sehr interessantes Erkenntnis, zumindest für die Niederösterreicher unter uns.

Die Einführung der Gesetzesbeschwerde wurde vom Kollegen Todt schon hinreichend erwähnt.

Auch von unserer Fraktion ein Dank für die geleistete Arbeit an die Damen und Herren vom Verfassungs- und vom Verwaltungsgerichtshof. Es ist eine beeindruckende Arbeit, die hier in diesen beiden Berichten zum Ausdruck kommt. Irgendwann werden viel­leicht auch die unterschiedlichen Ansichten beziehungsweise unterschiedlichen Zu-


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gänge in diesen beiden Berichten, was den Arbeitsanfall, insbesondere aufgrund der Sukzessivbeschwerde, betrifft, geklärt werden. Es ist, wenn man diese zwei Berichte vergleicht, eigentlich ganz interessant zu lesen, wie diese unterschiedlichen Zugänge begründet werden. Irgendwann wird vielleicht diese unterschiedliche Ansicht auch einmal geklärt werden.

Wir werden auf jeden Fall mit Interesse verfolgen, wie sich die Anfallszahlen beider Gerichtshöfe mittel- und langfristig in diesem Zusammenhang entwickeln werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.32


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. Ich erteile ihm dieses.

 


18.32.49

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsident! Hohes Prä­sidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich den Worten meiner Vorredner anschließen: Beide Berichte sind hervorragend ausgear­beitet, sind übersichtlich, sind informativ, und man hat hier auch die Möglichkeit genutzt, dass man sich auch in einer durchaus positiven Form präsentieren kann. Aber man hat auch die Möglichkeit genutzt, auf Dinge aufmerksam zu machen, Prob­lematiken aufzuzeigen, die es wert sind, dass man darüber spricht.

Bezüglich des Berichts des Verwaltungsgerichtshofes darf ich sagen: Erfolgreich wurde dort gearbeitet, weil man – no na! – einen Aktenrückstand abgearbeitet hat mit etwa 2 700 Akten, gleichzeitig aber auch den Großteil des Neuanfalls hat erledigen können. Und dazu kommt noch: Die Verfahrensdauer wurde von 16 auf acht Monate halbiert.

Was den Verfassungsgerichtshof betrifft: Auch da gilt, dass der Bericht ein ausge­zeichneter ist, dass man erfährt, wie hervorragend tatsächlich in diesem Gerichtshof gearbeitet wird. Aber ich darf auch hier etwas herausgreifen, nämlich Worte des Herrn Präsidenten Holzinger, der gemeint hat, dass die finanzielle Ausstattung in Zukunft in dieser Form vermutlich nicht ausreichen werde und eine ordentliche Rechtsprechung einfach auch gesicherte Mittel in der Zukunft bräuchte.

Jetzt ist es so, dass es ab dem kommenden Jahr, wie mein Vorredner, Kollege Todt es schon erwähnt hat, die Möglichkeit der Gesetzesbeschwerde geben wird, und das erfordert mehr Aufwand. Dieser Mehraufwand wird allerdings nicht, so wie vom Finanzministerium eingefordert, durch Einsparungen im Personal- oder im Sachauf­wand zu bewältigen sein. Das heißt, da muss man sich durchaus auch in der Zukunft Gedanken darüber machen, wie das finanzierbar sein wird beziehungsweise wie man es finanzieren will, und zwar auch deshalb, weil jetzt noch hinzukommt, dass die Zahl der Asylbeschwerden entgegen den Annahmen nicht rückläufig ist und auch in Zukunft vermutlich nicht sinken wird.

Was die Verfahrensdauer beim Verfassungsgerichtshof betrifft: Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt – ohne Hinzurechnung der Asylanträge – 7,5 Monate. Das ist – und das darf man lobend hervorheben – ein Spitzenwert.

Beide Berichte legen dar, dass wirklich effizient und hervorragend gearbeitet wird. Das ist auch spürbar und ist klar erkennbar an der Zahl der Verfahren, wo eine deutliche Reduzierung feststellbar ist.

Eines möchte ich ebenfalls noch hervorheben, und zwar die Zuteilungen, die mein Vorredner Magnus Brunner bereits erwähnt hat. Das ist eine Sache, die die Länder betrifft. In der Vergangenheit war es so, dass zumindest einige Bundesländer diese Zuteilungen in Anspruch genommen haben, nämlich dass die Landesregierungen ihre Mitarbeiter im jeweiligen Verfassungsdienst auch zu Ausbildungszwecken zugeteilt


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haben. Das wäre auch für die Zukunft, denke ich, durchaus erstrebenswert und lobenswert. Das müsste man in den Ländern wieder anregen. Ich gebe dir völlig recht, Magnus, das müsste wieder forciert werden.

Abschließend darf ich noch einmal den Dank meiner gesamten Fraktion für die Berichte, aber vor allem auch für die hervorragende Arbeit, die in diesen beiden Gerichtshöfen geleistet wird, aussprechen. Gute Arbeit im Verfassungsgerichtshof und gute Arbeit im Verwaltungsgerichtshof sorgen für Rechtssicherheit, und Rechts­sicher­heit ist ganz bestimmt auch ein ganz entscheidender Faktor für die Wirtschaft und damit für den Standort Österreich. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.36


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


18.36.43

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Diesem Lob, das meine Vorredner ausgesprochen haben, ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Die beiden Berichte sind sehr ein­drucksvoll, sehr klar. Sie sind dadurch, dass so viele Einzelfälle darin aufgelistet werden, auch sehr aussagekräftige Nachschlagewerke.

Eindrucksvoll war auch die Präsentation der Berichte im Ausschuss. Wir hatten auch die Möglichkeit, das dort entsprechend zu debattieren. Es kam dort das ganze Engagement, das in diesen beiden Gerichtshöfen besteht, klar zum Ausdruck. Die Situation, die wir dort vorfinden, ist, denke ich, sehr erfreulich und auch sehr beruhi­gend.

Erfreulich ist auch, dass die Menge der Aktenrückstände so stark zurückgeht. In ein bis zwei Jahren könnte das alles aufgearbeitet sein, wenn es so weiterläuft.

Es freut mich auch, dass die Reform der Verwaltungsgerichsbarkeit derartig begrüßt wird, aber es braucht natürlich da noch einen längeren Beobachtungszeitraum, um den Erfolg auch wirklich abschätzen zu können, der ja ganz wesentlich von den neuen Verwaltungsgerichten abhängt.

Für die Gesetzgeber, die die Normen beschließen, einigermaßen erschütternd fand ich, dass, wie aus dem Bericht hervorgeht, der Verfassungsgerichtshof 27 von 52 geprüften Gesetzesnormen zumindest teilweise aufgehoben hat, denn das sind immerhin mehr als 50 Prozent!

Ab 2015 wird es, wie auch schon erwähnt wurde, neu die sogenannte Gesetzes­beschwerde geben. Das sieht der Verfassungsgerichtshof als äußerst wichtigen Schritt zur weiteren Verbesserung des Rechtsschutzes in Österreich an und sichert zu, dass er der Behandlung von Parteienanträgen besonderes Augenmerk schenken wird, um jede unangemessene Verzögerung betroffener Gerichtsverfahren zu vermeiden. – Möge das gelingen!

Überraschend ist, denke ich, für alle Beteiligten, dass der erwartete Rückgang bei den Bescheidbeschwerden in Asylrechtssachen am Verfassungsgerichtshof nicht eingetre­ten ist, dass das nach wie vor noch immer ein großes Paket darstellt.

Erfreulich ist, dass offensichtlich großes Augenmerk auf die Aus- und Weiterbildung des wissenschaftlichen Personals am Verwaltungsgerichtshof, insbesondere im Asyl­bereich, gelegt wird und dass es da auch zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem UNHCR kommt. Wir finden es gut, dass hier in die Ausbildung entsprechend investiert wird und das in diesem Maße stattfindet.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 164

Noch etwas ist erfreulich: Im Verwaltungsgerichtshof gibt es inzwischen einen Frauenförderplan, und zwar seit 8. Juli 2014.

Man ist sich dort des Aufholbedarfs in Bezug auf Richterinnen bewusst, aber opti­mistisch, dass auch hier, was die Neubesetzungen betrifft, etwas weitergeht und sich das verbessert.

Der Verfassungsgerichtshof erfüllt das Frauenförderungsgebot in § 40 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz in allen Bereichen des Personalstandes, ja übererfüllt es sogar. Dort sind 65 von 95 Vollbeschäftigten und sechs von 13 Führungskräften Frauen. Auch das ist sehr erfreulich. Das zeigt sich vielleicht auch in dem Engagement, das dort herrscht, für die Arbeit und den Einsatz.

Erfreulich ist auch, dass sich der Verfassungsgerichtshof offensichtlich sehr kooperativ und intensiv mit der bald bestehenden Zuständigkeit bei Streitigkeiten im Zusam­menhang mit dem Untersuchungsausschuss beschäftigt, dass es hiezu auch nächste Woche wieder einen Bericht geben wird und dass man sich mit dieser Materie derzeit schon massiv auseinandersetzt und nicht passiv darauf wartet, was da auf den Gerichtshof zukommt.

Also wir danken für diesen sehr informativen Bericht und für die sehr engagierte Arbeit, die an beiden Gerichtshöfen geleistet wird. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bun­desräten von SPÖ und ÖVP.)

18.41


Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die gegenständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zu Punkt 16 gelangen, möchte ich hier im Bundesrat Herrn Bundesminister Hundstorfer recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

18.42.0816. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (608/A und 285 d.B. sowie 9248/BR d.B.)

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. Bitte um den Bericht.

 


18.42.25

Berichterstatter Rene Pfister: Werte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

Der gegenständliche Bericht liegt euch in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 165

Präsidentin Ana Blatnik: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte.

 


18.43.05

Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Werte Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die lang diskutierte Reduktion der Arbeitszeit für in Spitälern beschäftigte Ärztinnen und Ärzte wird nun umgesetzt. Das ab nächstem Jahr geltende Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz sehe ich als deut­liche Qualitätssteigerung im Gesundheitssystem.

Die derzeitige Situation mit den überlangen Diensten ist nicht tragbar, weder für die Patientinnen und Patienten noch für das ärztliche Personal. Durch die Verkürzung der Arbeitszeit wird es naturgemäß auch zu einer Qualitätsverbesserung der medizini­schen Versorgung kommen, denn ich denke, dass ein Mediziner nach 72 Stunden Arbeit sicher nicht mehr jenes Einfühlungsvermögen für die Patienten hat wie nach 20, 30 Arbeitsstunden. In Österreich arbeiten zurzeit Spitalsärzte bis zu 72 Stunden und mehr in der Woche. Durchgehende Dienste dauern oft 32 und an den Wochenenden sogar bis zu 49 Stunden – durchgehend!

Auch die Ärztekammer spricht von einem lebbaren Entwurf und meint, die Übergangs­fristen würden der Realität entsprechen. Ein sofortiges Inkrafttreten der neuen Rege­lung wäre unrealistisch.

Durch das neue Gesetz wird auch die Arbeit in den Krankenhäusern attraktiver. Viele Ärzte gehen jetzt ins Ausland, wo sie weniger Stunden leisten müssen. Nur eines steht auch fest: dass die Grundgehälter zu niedrig sind. Es kann nicht sein, dass Jungärzte nach dieser Ausbildung je nach Bundesland ein Einstiegsgehalt von 2 800 € brutto haben. Das ist natürlich das Argument derjenigen, die mit diesem Gesetz nicht zufrie­den sind, weil es zu Gehaltseinbußen kommen wird.

Wir sind nun gefordert, dass wir bis zum Auslaufen der Übergangszeit 2021 den Mehrbedarf abdecken und Ärzte ausbilden. Wäre das nicht der Fall, hätten wir ein Problem, aber allein in der Steiermark rechnet man mit bis zu 400 zusätzlichen Ärzte­stellen, was aus gewerkschaftlicher Sicht auch recht positiv zu bewerten ist.

Mit der geplanten Änderung wird der Beruf, die Berufung, Arzt, Ärztin zu werden, sicher attraktiver, und somit können ich und meine Fraktion dieses Gesetz nur begrüßen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.45


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Ebner. – Bitte.

 


18.45.36

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Mit dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz entsprechen wir in Österreich sowohl einer Forderung der Europäischen Union als auch einer langjährigen Forderung von Ärzten und auch Patienten.

Dieses Bundesgesetz wird zu Recht von allen Seiten ausdrücklich begrüßt. Es kann nicht sein, dass wir von unseren Ärzten höchste Professionalität verlangen – schließ­lich geht es um Menschenleben – und gleichzeitig unmenschliche Arbeitszeiten verlangen. Das kann nicht sein, und deswegen war es höchste Zeit, das zu korrigieren. Wir in Niederösterreich waren da wieder einmal Vorreiter. Wir haben bereits 2012


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einen eigenen Weg eingeschlagen. Zurzeit sind in Niederösterreich bereits zwei Drittel aller Ärzte in Zeitmodellen, die eine durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vorsehen. Nur mehr ein Drittel aller Ärzte arbeitet tatsächlich mehr als 48 Stunden, jedoch innerhalb der Betriebsvereinbarungen. Gleichzeitig wurden die Überstunden­zulagen ab der 36. Monatsüberstunde gekürzt, um den Ärzten Anreize zu bieten, die 48-Stunden-Woche einzuhalten.

Natürlich gibt es, und das darf man nicht leugnen, keinen Vorteil ohne Nachteil. Durch diese Arbeitszeitverkürzung wird es natürlich auch zu einem Problem kommen, was die Ärzte betrifft; mein Vorredner hat das ja bereits angesprochen. Klar ist, weniger Wochenarbeitsstunden bringen auch die Notwendigkeit von mehr Personal mit sich, das heißt, wir müssen auch mehr in die Ärzteausbildung investieren. Zurzeit ist es so, dass ein großer Teil der Ärzte nach Absolvierung ihres Studiums ins Ausland geht. Wir müssen schauen, dass wir diese Ärzte in Österreich halten können, indem wir einer Abwanderung entsprechend entgegenwirken.

Zwei Beispiele dafür, was wir in Niederösterreich da tun: Erstens, wir machen über die Landeskliniken-Holding eigene Vorbereitungskurse für Medizinaufnahmetests. Wir helfen jungen Menschen, indem wir Kurse organisieren und bis zu 50 Prozent der Kurskosten auch rückerstatten. Insgesamt haben das bereits 300 Studenten genutzt. Zweitens, es gibt eine eigene Ärzteausbildung an der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems. Damit haben wir 2013 gestartet und mit drei neuen Universitätskliniken in Krems, St. Pölten und Tulln bereits ein Ziel vereinbart, nämlich bis zu 75 Absolventen pro Jahr auszubilden.

Das heißt, auf der einen Seite haben wir unsere Aufgaben gut erfüllt, auf der anderen Seite haben wir aber noch viel zu tun. Das werden wir gemeinsam anpacken. Wir werden diesem Gesetz natürlich zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.48


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


18.48.40

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben es ja schon gehört, Ärzte dürfen in Zukunft nicht mehr 72 Stunden durch­gehend arbeiten. Otto Normalverbraucher fragt sich sowieso, wie so etwas überhaupt noch möglich ist, und die Patienten wird es freuen, denn es hat wahrscheinlich doch jeder ein mulmiges Gefühl, wenn er, wenn irgendetwas Akutes ist, von einem Arzt operiert wird, der schon über 60 Stunden lang im Dienst war.

Die Entstehung dieses Gesetzes ist typisch, möchte ich fast sagen, österreichisch: zuerst fast jahrelang Vogel-Strauß-Politik, kann man sagen – man hat die ent­sprechende EU-Richtlinie einfach einmal ignoriert und den Kopf in den Sand gesteckt –, und als dann die Klagsdrohung sozusagen vor der Tür stand und auf dem Tisch war, ist man aktiv geworden, natürlich unter Termindruck, und hat dieses Gesetz aus der Taufe gehoben. Wir haben uns heute ja schon einmal über ein anderes Gesund­heitsthema unterhalten, nämlich Ärzteflucht, Abwanderung von Ärzten und Ärzte­man­gel.

Mein Leobener Kollege hat vorhin gesagt, das werde zur Attraktivierung beitragen. – Ich sage jetzt einmal, das ist bedingt so, denn das Gesetz selbst trägt noch nicht dazu bei. Wir wissen ja, es hat auch schon Proteste gegeben, da sich durch den Wegfall von Nachtdiensten und so weiter die Einkommen der Ärzte verringern.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 167

Was ist also da die Lösung? – Zahlen dürfen es wieder einmal die Länder. Die Steiermark hat sich da erfreulicherweise als Vorreiter erwiesen und eine Lösung ver­ein­bart, die im Kern eine Steigerung der Gehälter zwischen 10 Prozent und 18 Prozent zum Inhalt hat, neben anderen begleitenden Maßnahmen. Das Ganze wird das Land Steiermark beziehungsweise die KAGes im nächsten Jahr aber voraussichtlich 28 Mil­lionen € kosten, und in den Folgejahren rechnet man mit jährlichen Kosten von 35 Millionen €.

Der Bedarf an zusätzlichen Ärzten – klar, weniger Arbeitszeit, da braucht man mehr Arbeitskräfte; das ist eine Milchmädchenrechnung – wird allein in der Steiermark bis 2021 auf 400 bis 500 geschätzt. Und das müssen wir auch erst einmal stemmen, denn nur dann wird es gelingen, wirklich Verbesserungen im Sinne der Patienten zu erreichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss: Hätte man also vielleicht etwas früher damit angefangen, diese Situation zu reparieren und diese EU-Richtlinie umzusetzen, dann wäre es vielleicht gelungen, dass wir jetzt mit allen Bundesländern oder österreichweit eine einheitliche Regelung hätten. So wird also noch herumgestoppelt werden müssen. Summa summarum ist es aber, wie gesagt, natürlich ein dringendes Erfordernis, diese irrsinnigen Arbeitszeiten zu reduzieren. Wir stimmen diesem Gesetz daher mit einem gewissen Bauchweh zu. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.52


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


18.52.47

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass die Kollegen von der FPÖ auch einmal einer EU-Richtlinie ihre Zustimmung erteilen, auch wenn es mit Bauchweh ist. Das finde ich super.

Ich habe eine Frage: Ist ein Kollege/eine Kollegin aus dem Logistik-/Transportbereich unter uns? (Präsidentin Blatnik bejaht.) – Ja, du unterrichtest. Wie viele Stunden dür­fen LKW-Fahrer fahren? (Präsidentin Blatnik: Acht Stunden!) – Acht Stunden. Nach acht Stunden müssen die LKW-Fahrer eine Pause einlegen, eine Ruhepause (Bun­desrätin Zwazl: Vier Stunden!) – nach vier Stunden, also noch weniger –, mit dem Argument, sie gefährden die Sicherheit im öffentlichen Verkehr, wenn sie übermüdet am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen.

Wie kann es dann sein, dass Ärzte bis zu 72 Stunden lang im Dienst sind? Haben sie nicht mit Menschen zu tun? – Dieses Gesetz ist also absolut begrüßenswert, ein Schritt in die richtige Richtung!

All diese Begleiterscheinungen, warum wir in Zukunft weniger Mediziner haben könn­ten, müsste man auf unterschiedlichen Ebenen diskutieren. Es gibt meines Erachtens einen Problempunkt. Ich habe Schulfreunde, Schulkollegen und ‑kolleginnen, die Ärzte sind, die studiert haben. Einer davon hat es im Vergleich zu seinen anderen Mitschü­lern relativ einfach, weil er die Praxis von seinem Vater übernehmen kann, der in Pension geht. Aber was ist mit all den anderen, die diese Möglichkeit nicht haben? – Sie müssen in Zeiten wie diesen sehr viel Geld in die Hand nehmen – und Sie wissen, wie es um die Liquidität unserer Banken zurzeit bestellt ist, sie vergeben nur unter sehr restriktiven Bedingungen Gelder. Somit wird es jungen Medizinern ziemlich erschwert, dass sie selbständig eine Praxis eröffnen, wenn sie nicht schon aus einer Ärztefamilie kommen. Also wir müssen in diesen Diskussionen sicher auch noch andere Ebenen betrachten.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 168

Wir werden diesem Arbeitszeitgesetz jetzt natürlich unsere Zustimmung erteilen, weil es ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist, obwohl selbst das, was jetzt noch als Arbeitszeit zugemutet wird, zu hinterfragen ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

18.55


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.

 


18.55.37

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Danke, Frau Prä­sidentin, für die Worterteilung! – Werter Herr Bundesminister! Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Spitalsärzte, inklusive Nachtdienste, betrug im Jahre 2006 59 Stunden, im Jahre 2013 54 Stunden. Das ist eine tendenzielle Verbesserung, aber noch kein Optimalzustand.

Wenn Ärzte zu sehr unter Druck stehen und nicht ausgeruht sind, dann darf man sich nicht wundern, dass es vereinzelt zu tragischen Ärztefehlern kommt. Maximal 48 Wochenstunden für Ärzte sind ein gutes Ziel bis 2021, wir brauchen ausgeruhte Ärzte im Sinne einer Qualitätsverbesserung für unsere Patienten. Auch das Team Stronach unterstützt daher die Änderungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes.

Da bleibt wie immer die Frage der Finanzierung. Das hatten wir heute schon einmal bei der Ärzteausbildung in den Lehrpraxen. Bei Nachtdiensten könnte man sparen, klei­nere Notfallteams als bisher reichen auch. Das System, niedrige Grundgehälter und Gehaltsaufwertungen durch viele Nachtdienste, gehört reformiert. Der Umstand, dass Spitalsärzte nur dann gut verdienen, wenn sie viele Nachtdienste machen, kann nicht der Zweck von Nachtdiensten sein.

Die Tagesdienste der Spitalsärzte gehören gegengleich zur Reduktion der Nacht­dienste erweitert. Wir haben tagsüber einen erhöhten Ärztebedarf. Ich habe auch kein Verständnis für Spitalsärzte mit einem 40-Stunden-Kassenvertrag, die ab 13.30 Uhr nicht mehr im Spital anwesend sind, da sie in ihrer Privatpraxis gleich neben dem Spital einen Nebenjob ausüben.

Im Übrigen können wir mehrere Hundert Millionen Euro für sinnvolle Gesundheits­finanzierungen freimachen, wenn wir in Österreich endlich ein einheitliches Gesund­heitssystem statt 22 verschiedener Sozialversicherungen etablieren. Klar ist, warum SPÖ und Gewerkschaften eine Zusammenlegung der Krankenkassen ablehnen. Eine Verwaltungsverschlankung durch Zusammenlegung der 22 Krankenkassen würde nämlich zur Massenarbeitslosigkeit bei Politfunktionären und Gewerkschaftsfunktio­nären führen. (Ironische Heiterkeit.) In der Niederösterreichischen Gebietskranken­kas­se wurde gerade wieder ein Politfunktionärsversorgungsposten geschaffen (Zwischen­rufe bei der SPÖ), die Position des Direktionssekretärs für den ehemaligen Landesge­schäftsführer der SPÖ Niederösterreich.

Die Krankenkassen mit ihren 8 000 Mitarbeitern, mit einem 15-Milliarden-€-Budget, gespeist aus den Krankenkassenbeiträgen der Bürger, mit ihren gewaltigen Im­mobilien, ja Palästen und 117 Dienstwägen stellen Imperien der Einzelgewerk­schaften dar (demonstrativer Beifall des Bundesrates Beer), die diese gegen jede Veränderung verteidigen. Mit den Zielen des Gesundheitswesens und den Bedürfnissen der Patien­ten hat das nichts mehr zu tun. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Das Resultat dieser Selbstbedienungsmentalität an den Krankenkassenbeiträgen der Bürger sind zu hohe Gesundheitskosten und zu hohe Krankenkassenbeiträge, die nicht beim Patienten ankommen, sondern in der fetten Verwaltung versickern. (Uh-Rufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 169

Es kann nicht sein, dass Krankenkassenbeitragszahler Politfunktionäre versorgen müssen! Die Idee der Selbstverwaltung der Krankenkassen wurde zu einer Selbst­erhaltung der Funktionäre verfälscht. Die Versorgung vieler Funktionäre ist den Sozialversicherungen wichtiger als günstige Krankenkassenbeiträge für die Bürger.

Wir brauchen Bürgerorientierung – und nicht Sozialversicherungsorientierung!

Das Team Stronach fordert (ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ – Zwischen­ruf des Bundesrates Himmer) die Zusammenlegung der 22 Krankenkassen zu einer einheitlichen österreichischen Gesundheitsversicherung mit bundeseinheitlichen Leis­tungen für alle Bürger, unabhängig von Wohnort und Beruf, mit gleichen Kranken­kassenbeiträgen und einheitlichen Behandlungstarifen für alle Ärzte. (Bundesrat Stadler: Ist das in Kanada auch so?)

Die Forderung von Wirtschaftskammerpräsident Leitl betreffend eine Reduktion der 22 Kassen auf 3 Kassen für Selbständige, Unselbständige und Beamte, die unter­stützen wir als ersten, sehr guten Schritt ebenfalls. (Bundesrätin Zwazl: Nah!)

Ein einheitliches österreichisches Gesundheitssystem macht die Änderung des Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetzes sofort finanzierbar. – Vielen Dank. (Beifall des Bun­des­rates Dörfler.)

19.00


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


19.01.07

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einmal grundsätzlich Danke sagen, und zwar für die Einstimmigkeit des Bundesrates und dafür, dass Sie dieser Gesetzesmaterie zustimmen. Ich möchte mir erlauben, ein paar Bemerkungen zu dieser Gesetzesmaterie und zu den Kosten zu machen.

Dieses Gesetz hätte in Wirklichkeit seit 2003 nationalrechtlich umgesetzt werden müs­sen. Wir haben es nicht gemacht. – Punkt! Keiner, auch Ihr Herr Haider in Kärnten nicht. Null. Wäre es in die Jahre gekommen, gab es Veränderungsprozesse? (Bun­desrat Dörfler:  Gesundheitsreferent in Kärnten?! Dein Parteikollege!) – Aber überhaupt nicht! Ich mache hier überhaupt keine parteipolitischen Schuldzuweisungen, und ich kann nur jeden ersuchen, sie auch nicht zu machen, denn jede Partei in jeder Landesregierung hat einen Teil dazu beigetragen. – Punkt, Ende.

Es haben dann ein paar Bundesländer begonnen, etwas zu machen. Niederösterreich hat unter anderem begonnen, etwas zu machen. Warum? – Weil wir dort eine sehr massive ärztliche Personalvertretung in der Landeskrankenanstalten-Holding haben, die sehr frühzeitig mit dem Land gemeinsam geschaut hat, wie man Dinge in Bewegung bringen kann. Wir haben zum Beispiel in Wien vor drei Jahren begonnen, die Wochenenddienste zu splitten. Es gibt in Wien zum Wochenende nur mehr 25- und nicht mehr diese berühmten 60-Stunden-Dienste. Jedes Land hat etwas gemacht.

Fakt ist: Die gesamte Situation ist immer Angelegenheit des jeweiligen Kranken­an­stalten­trägers, denn dieses Gesetz gilt genauso für private Krankenanstalten, für Sonderkrankenanstalten, für konfessionelle Häuser wie für alle. Demzufolge haben wir unterschiedliche Betroffenheiten. In Niederösterreich haben wir die geringste Betrof­fenheit, weil die halt schon frühzeitiger begonnen haben. In Oberösterreich haben wir eine hohe Betroffenheit, Salzburg hat eine Betroffenheit. Tirol zum Beispiel hat eine sehr eingeschränkte Betroffenheit, denn die meisten Tiroler Krankenhäuser sind umge­stellt. Die haben überhaupt kein Problem damit.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 170

In Vorarlberg schaut die Situation überhaupt anders aus, denn Vorarlberg musste zum Beispiel vor eineinhalb Jahren die ärztlichen Gehälter über Nacht anheben, da schlicht­weg die Schweiz etwas bezahlt, was Vorarlberg nicht zahlen kann. Die Ärzte verdienen dort jedenfalls um ein Drittel mehr. Das hat dazu geführt, dass in Vorarlberg die Ärztegehälter über Nacht um 1 000 € angehoben worden sind, um überhaupt Mann­schaft zu haben. Durch die Nähe zur Schweiz ergibt sich das.

Das erste Bundesland, das das jetzt generell durchgezogen hat, ist – Danke schön – die Steiermark. Wir sind in Verhandlungen mit Oberösterreich. Die werden etwas komplexer und schwieriger werden. Und wir sind in Verhandlungen mit Kärnten, die auch nicht ganz einfach sind. – Das einmal dazu.

Zum Gesetz selber – ich habe das im Plenum des Nationalrates schon gesagt, ich sage es auch hier –: Wir werden die gesamte Übergangsfrist nicht brauchen. So wie das derzeit ausschaut wird das quasi frühzeitiger umgesetzt sein, sodass wir diesen Kompromiss, der von der Ärztekammer mitgetragen wird, der auch von den Gewerk­schaften mitgetragen wird, wahrscheinlich gar nicht brauchen werden. Wir werden schon frühzeitiger dort sein, wo wir hingehören. – Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Ich glaube, es wird eine massive Qualitätsverbesserung sein, weil natürlich in diesen Arbeitszeiten auch sogenannte Ruhepausen drinnen sind. Aber wir wissen, 60 Stunden in einem Haus zu sein, auch wenn man dazwischen schlafen kann, ist nicht die Glückseligkeit. Das wissen wir alle. Das heißt, das ist auch ein weiteres Motiv für diese Gesetzeswerdung, und dafür ein Dankeschön.

Ich möchte nur noch zwei Dinge aufklären: Jemand, der im Spital beschäftigt ist, bekommt keinen Kassenvertrag, in ganz Österreich nicht. Jemand, der in einem öffentlichen Krankenhaus beschäftigt ist, bekommt keinen §-2-Vertrag. Es gibt nur aus der Vergangenheit zwei, drei Fachdisziplinen, wo es solche Verträge noch gibt. Das ist zum Beispiel die Radiologie, weil man dort einen immensen Investitionsbedarf hat. Eine radiologische Praxis kostet ja nicht 3 000 €, sondern da legt man ja zig-, zig-hunderttausende Euro hin. Und diese Ärzte haben in der Vergangenheit auch §-2-Verträge bekommen. Auch das ist aber Geschichte, das ist vorbei.

Das Einzige, was jemand haben kann, ist eine Privatpraxis mit einem Wahlarztvertrag oder eine komplette Privatpraxis, wenn er halt einen super Namen hat und Leute meinen, sie müssen zu dem gehen, denn das ist in dem und dem Fachgebiet der oder die – ist ja männlich/weiblich gesehen – Guru oder die „Gurin“. (Heiterkeit. – Zwischen­ruf bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Längle.)

Gut, alles kann man nicht gendern. Man soll es  (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Aber ich habe es zumindest zusammengebracht, euch ein bisschen munter zu machen. Ich hoffe, man verzeiht mir diesen Fauxpas.

Herr Bundesrat Zelina vom Team Stronach, ich weiß, es ist natürlich toll, immer zu fordern, alles zusammenzulegen. Ich darf Sie nur darum bitten, ein paar Argumenten zuzuhören. Von diesen 22 Sozialversicherungseinrichtungen sind ja sechs Betriebs­kran­ken­kassen. In diesen sechs Betriebskrankenkassen gibt es einen Umstand, den die anderen 16 nicht haben: Der Dienstgeber zahlt die Verwaltungskosten. Wenn wir die sechs auflassen, verteuern wir das System. Solange es diese sechs Dienstgeber gibt, die meinen, sie zahlen das: Bitte! Danke! Tu es!

Das Leistungsrecht ist das gleiche wie bei allen anderen, denn auch die haben §-2-Verträge. Und solange es zum Beispiel die voest gibt, die sagt: Ich leiste mir eine Betriebskrankenkassa in Donawitz/Leoben!, soll sie es sich leisten, denn die Verwaltungskosten werden von dort bezahlt. – Das ist Punkt eins.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 171

Punkt zwei: Wir haben eine Gesundheitsreform umgesetzt, die wir alle gefeiert haben, die aber einen massiven Hintergrund hat, nämlich die Regionalität. Und ich brauche automatisch Regionalstrukturen, um diese Gesundheitsreform umzusetzen, weil ich ja jetzt auf regionaler Ebene viele Dinge entscheiden muss.

Nehmen wir Oberösterreich: Ich muss dort entscheiden, ob es im Bezirk Vöcklabruck fünf praktische Ärzte, 30 praktische Ärzte, was weiß ich, so und so viele Fach­disziplinen gibt.

In Vorarlberg gibt es das Prinzip, dass für die Fachdisziplinen, die in einem Spital angeboten werden, in der gleichen Ortschaft keiner einen Vertrag bekommt, weil man sagt: Geh ins Spital! Das ist eine Entscheidung der Krankenkassa und des Landes Vorarlberg, die sich für diesen Weg entschieden haben. Demzufolge: Die Regionalität braucht Regionalstrukturen vor Ort.

Solange es auch innerhalb der Ärztekammer keinen einheitlichen Bundesvertrag gibt, sondern die Länderkammern auch eine gewisse Regionalität zugestanden bekommen, hilft mir das Zusammenlegen nichts. Ich kann zwar zusammenlegen, aber ich brauche trotzdem Regionalstrukturen. Das ist Punkt 2.

Das Dritte ist: Wir haben nachvollziehbar, nachweisbar die billigsten Verwaltungs­struk­turen, die Sie sich vorstellen können. Wir haben sie, diese sind schon x-Mal geprüft und x-Mal bestätigt worden. Es gibt nämlich auch Folgendes: Natürlich gibt es Funktionäre in diesem System, gar keine Frage. Aber schauen Sie sich einmal an, was die kriegen! Ich war zum Beispiel selber Präsident einer Krankenfürsorgeanstalt, der KFA Wien. Das ist eine kleine Einrichtung, hat 100 000 Mitglieder. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich habe diesen Präsidentenjob für einen warmen Händedruck gemacht, das war mein Dankeschön. Warum? – Weil wir in der KFA die Entscheidung getroffen hatten, dass all die, die ein politisches Mandat hatten, von der Krankenkassa null kriegen, null Komma null.

Ich war damals Landtagsabgeordneter im Gemeinderat in Wien, habe dort eine Gage bekommen – der Harry (in Richtung des Bundesrates Himmer) ist mit mir dort gehockt –, und demzufolge war die Entlohnung null Komma null. Also er war von einer anderen Partei. (Heiterkeit bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Das ist noch immer so!)

Man soll also immer ein bisschen hinterfragen, was da wirklich bezahlt wird, denn schauen Sie sich die Gage des Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversiche­rungsträger an! Seien Sie mir nicht böse: 4 000 €, das war es, ohne Pensionsbezug, zwölfmal im Jahr, und, und, und.

Ich würde wirklich bitten, sich einmal die Strukturen anzuschauen, und dann dis­kutieren wir darüber, was teuer ist und was nicht teuer ist. Die Bundesrepublik Deutsch­land leistet sich, glaube ich, 600 Krankenkassen, allein in Bayern haben wir 200. – Wir sind gleich groß wie Bayern. Ich würde wirklich bitten, einmal die Diskussion sehr sachlich zu führen. Ich weiß, es klingt natürlich populistisch, da tun wir zusam­menräumen und ein paar sogenannte Funktionäre verabschieden: Baba und fall net!

Das ist aber nicht das Thema, denn Sie reduzieren zum Beispiel überhaupt nicht die wirklich vor Ort gelegenen Kosten, denn Sie brauchen vor Ort Ambulatorien, Sie brauchen vor Ort gewisse Einrichtungen, die ganz einfach da sind und die auch die Qualität unseres Systems ausmachen. Darum bitte ich hier um eine wirkliche Versach­lichung der Diskussion!


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 172

Ich möchte mich abschließend noch einmal für den verbalen Fauxpas entschuldigen und Danke sagen – nein, man kann nicht alles gendern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Längle. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Dass wir uns nicht missverstehen: verbal gendern.

Ansonsten möchte ich für die Einstimmigkeit Danke sagen, denn es ist wirklich not­wendig, das endlich einmal über die Bühne zu bringen und zu schauen, dass wir da EU-konform werden – denn hätten wir es nicht zusammengebracht, das sage ich auch ganz offen, wäre das Strafverfahren sehr lustig gewesen, pro Monat 35 Millionen €. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

19.12


Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

19.13.0617. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Duale Ausbildung in Österreich: Gelungene Ausbildung, Vorbild für Europa und Chance für Frauen“ (206/A-BR/2014)

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun aufgrund der ergänzten Tagesordnung zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag 206/A-BR/2014 der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth und Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbstständigen Antrag 206/A-BR/2014 verweisen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 173

19.14.40Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Präsidentin Ana Blatnik: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesord­nungspunk­tes 16 über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird, zu verlesen, damit dieser entsprechende Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussausfertigung ermöglicht werden.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls:

„TO-Punkt 16: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (608/A und 285 d.B. sowie 9248/BR d.B.)

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag,

keinen Einspruch zu erheben,

wird angenommen (mit Stimmeneinhelligkeit).

Es liegt ein schriftliches Verlangen von 5 Mitgliedern des Bundesrates gemäß § 64 Abs. 2 GO-BR vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 16 zu verlesen (Beilage XVI/1).“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsord­nung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

19.16.30Einlauf und Zuweisung

 


Präsidentin Ana Blatnik: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 3032/J-BR/2014 bis 3037/J-BR/2014 eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 207/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Christian Füller, Dr. Magnus Brunner, Kolleginnen und Kollegen, der dem Justizausschuss zuge­wiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 4. Dezember 2014, 9 Uhr, in Aus­sicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 174

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 2. Dezember 2014, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend, lep vecer. – Danke. Hvala lepa. (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

19.17.48Schluss der Sitzung: 19.18 Uhr

 

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1017 Wien