BundesratStenographisches Protokoll835. Sitzung / Seite 19

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Im Fortschrittsbericht der EU-Kommission ist von „großer Sorge mit Blick auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ... und der Rechtsstaatlichkeit“ die Rede. Es werden Mängel in der Korruptionsbekämpfung, der Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten kritisiert und natürlich die Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit. – Ausgerechnet jetzt sind die Kapitel Justiz, Grundrechte, Freiheit und Sicherheit in den Verhandlungen eröffnet worden, wo man sich fragt, ob die nicht schon von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.

Aber die Türkei verstößt auch gegen bereits geschlossene Verträge mit der EU. – Ende 2013 wurde ein Rücknahmeübereinkommen betreffend illegale Immigranten, die über die Türkei in die EU kommen, abgeschlossen, aber leider hält sich die Türkei nicht daran. Und im Gegenzug verhandelt die EU mit Ankara über Visafreiheit mit dem Ziel, in drei Jahren zu einem Abkommen zu gelangen.

Das fasse ich eigentlich als gefährliche Drohung auf, denn laut türkischen Medien­berichten gibt es zahlreiche Türken, die IS-Ausbildungslager in Syrien besucht haben und mittlerweile wieder in die Türkei zurückgekehrt sind. Das alles sind Personen, die nirgendwo registriert und erfasst sind und die dann ohne ein Visum in die Europäische Union einreisen könnten. Was das für die Sicherheit in Europa bedeuten würde, brauche ich, wie ich glaube, nicht näher zu erläutern.

Herr Kommissar, es ist mir nicht ganz klar, wie Ihr Motto „quality before speed“ in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Heißt es: Zeit gewinnen und darauf hoffen, dass ohnehin Zypern die Verhandlungen blockieren wird!? – denn die Kanonen­boot­politik der Türkei vor der zypriotischen Küste, weil sie dort Erdgasvorkommen aus­beuten will, hat ja den Unwillen Zyperns erregt.

Qualität in der Politik heißt für uns auch, klare Positionen zu beziehen und sich nicht nur hinter schönen Worten zu verschanzen, Herr Kommissar. Das fordern wir in diesem Zusammenhang dringend ein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.18.24

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Kommissar! Sehr geehrter Herr Professor Schambeck! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen zu Hause! Eine der überzeugendsten und wirkvollsten Antworten auf die historische Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre gab der damalige US-Präsident Roosevelt, der sinngemäß sagte:

Wir müssen Perspektiven für die Zukunft schaffen! Wir müssen Depression und Angst bekämpfen! Die größtmögliche Zahl soll darin einen Vorteil haben!

Die Botschaften kamen an und zeigten auch Wirkung. – 80 Jahre später und in einem Europa, das ganz anderen Traditionen verpflichtet ist und in dem das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, nicht allgemein verbreitet ist, scheint dieses Rezept entweder allzu simpel oder viel zu kompliziert, um ihm Realisierbarkeit einzuräumen. Und dennoch wird sich Europa mit Vernunft auf die Vorteile eines „New Deal“ besinnen müssen, um nicht in ein paar Jahrzehnten all seine Vorteile verspielt zu haben. Dazu gehören keineswegs nur ökonomische Vorteile.

Die geschätzte Kollegin Blatnik hat es schon erwähnt: Wir sind eine Wirtschaftsunion, aber das ist zu wenig. Wir müssen auch zu einer Sozialunion werden. Hier müssen wir sehr viele Akzente und noch weitere Schritte setzen, damit dieses Projekt, dieses Friedensprojekt Europa auch viel mehr bei den Menschen ankommt, als das jetzt der Fall ist.

 


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