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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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845. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 25. September 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

845. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 25. September 2015

Dauer der Sitzung

Freitag, 25. September 2015: 13.03 – 17.04 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (27. StVO-Novelle)

4. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 28

5. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parla­men­tarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ (214/A-BR/2015)

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Inhalt

Bundesrat

Erklärung des Präsidenten Gottfried Kneifel anlässlich des 70. Jahrestages der ersten Länderkonferenz    ................................................................................................................................. 6

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung der österreichischen Mitglieder in den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Arti­kel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                            9

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur


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Aufnahme von Verhandlungen über ein Archivabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Israel durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................................... 18

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Albanien über soziale Sicherheit durch den Herrn Bundes­präsidenten ............................................................................................... 21

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über die Vereinbarung über die Durchführung von Artikel 13 und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit durch den Herrn Bundes­präsidenten                            24

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ................................................................................................. 27

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 214/A-BR/2015 der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ................................................................................................  28, 28

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 28

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 29

Verlangen der Bundesrätin Monika Mühlwerth auf Erteilung eines Ordnungs­rufes                       73

Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 4 GO-BR – Ablehnung           77, 78

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................... 78

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 79

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidenten Mag. Harald Himmer ....................................................................... 86

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .................................. 87

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 6

Ordnungsruf ................................................................................................................... 85

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 27


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 3

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 27

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 8

4. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemein­samen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948 ................................................ 85

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden (1295/A und 792 d.B. sowie 9450/BR d.B. und 9453/BR d.B.) ................................................................................... 29

Berichterstatter: Josef Saller ......................................................................................... 30

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (1296/A und 793 d.B. sowie 9451/BR d.B.)                   29

Berichterstatter: Josef Saller ......................................................................................... 30

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 30

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 33

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 35

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 37

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 41

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 43

Werner Herbert ......................................................................................................  46, 73

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 48

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 50

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ...............................................................  54, 77

Mag. Harald Himmer ............................................................................................... ..... 57

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 59

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 63

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 66

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 67

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 69

Mario Lindner .......................................................................................................... ..... 71

Gerhard Schödinger ............................................................................................... ..... 72

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 73

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................ ..... 77

Antrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden Einspruch zu erheben – Ablehnung              42, 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 4

vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (namentliche Abstimmung)      ............................................................................................................................... 78

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ....................................... 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 80

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (27. StVO-No­velle) (775 d.B. und 786 d.B. sowie 9452/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 80

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................... 80

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 81

Armin Forstner ........................................................................................................ ..... 81

Christoph Längle .................................................................................................... ..... 83

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 83

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ..... 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 85

5. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parla­men­tarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ (214/A-BR/2015) ........................................ 86

Annahme des Antrages 214/A-BR/2015 ........................................................................ 86

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ (214/A-BR/2015)

Anfrage der Bundesräte

Edgar Mayer, Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend betriebliches Eingliederungs­management (3087/J-BR/2015)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ärztliche Versorgung Justizanstalt Leoben (2855/AB-BR/2015 zu 3079/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung (2856/AB-BR/2015 zu 3080/J-BR/2015)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sparmaßnahmen beim Bundesheer in Tirol und Vorarlberg (2857/AB-BR/2015 zu 3078/J-BR/2015)


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der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienststellenstrukturanpassung (2858/AB-BR/2015 zu 3083/J-BR/2015)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfahren gegen Kurt Gartlehner und Verbin­dungen zu Microsoft (2859/AB-BR/2015 zu 3084/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung Eingetragener PartnerInnenschaf­ten nach österreichischem Recht in den Staaten, die das Eheverbot für gleichge­schlechtliche Paare abgeschafft haben (2860/AB-BR/2015 zu 3085/J-BR/2015)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung Eingetragener PartnerInnen­schaf­ten nach österreichischem Recht in den Staaten, die das Eheverbot für gleich­geschlechtliche Paare abgeschafft haben (2861/AB-BR/2015 zu 3086/J-BR/2015)


 


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 6

13.02.57 Beginn der Sitzung: 13.03 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich eröffne die 845. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 844. Sitzung des Bundesrates vom 23. Juli 2015 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als ge­nehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Wolfgang Beer, Ing. Bernhard Ebner, Hubert Koller, Dr. Andreas Köll, Sonja Zwazl und Peter Samt.

13.04.16 Erklärung des Präsidenten anlässlich des 70. Jahrestages der ersten Länderkonferenz

 


13.04.17

Präsident Gottfried Kneifel: Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren! Vor genau 70 Jahren fand im ehemaligen Niederösterreichischen Landhaus die erste Länderkonferenz nach Ende des Zweiten Weltkrieges statt. Historiker sind sich heute einig, dass diese Tage vom 24. bis zum 26. September 1945 zur staatlichen Organisationsform Österreichs in der jetzigen Ausprägung geführt haben.

Ich halte es für die Länderkammer dieses Parlaments für wichtig, in einer Sitzung des Bundesrates, die punktgenau an diesem 70. Gedenktag stattfindet, an dieses Ereignis auch zu erinnern; dies umso mehr, da es von verschiedenen Seiten immer öfter mehr oder weniger starke Kritik an den Bundesländern, am Föderalismus oder überhaupt am bundesstaatlichen Organisationsprinzip Österreichs gibt. Diese Kritik gipfelte kürzlich im Vorwurf, die Länder als Bedrohung für die Regierbarkeit der Republik Österreich zu bezeichnen. Deshalb ist es notwendig, neuerlich darauf hinzuweisen, dass es der Föderalismus ist, der Bürgernähe garantiert. Denn die Lösung anstehender Probleme für das Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger in ihrer unmittelbaren Nähe ist meistens die beste Problemlösung.

Das Subsidiaritätsprinzip muss daher die Richtschnur allen staatlichen Handelns sein. Bürgernähe und Subsidiarität ermöglichen eine bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Verwaltung, aber auch an der Gesetzgebung. Dies trifft seit Inkraft­treten des Lissabon-Vertrages besonders auch für den Bundesrat zu, der vor allem in Form des EU-Ausschusses von allen europäischen Kammern und gesetzgebenden Körperschaften im Spitzenfeld der Aktivitäten von Feststellungen, Bewertungen und oft auch der Kritik bei der Behandlung von Gesetzesvorhaben, der Richtlinien et cetera der Europäischen Union, Hervorragendes geleistet hat.

Gerade die zusätzliche europäische Gesetzgebung bedarf noch mehr als nationale Gesetze oder Ländergesetze der Interpretation, der Erklärung, der Deutung und der Orientierung für die Bürgerinnen und Bürger. Dabei erinnere ich auch daran, dass wir bereits im Juni, mehrere Monate vor dem Nationalrat, das Rederecht für die öster­reichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments im Bundesrat eingeführt haben, um der Bevölkerung unserer Regionen die europäische Gesetzgebung mit den Anliegen und Wünschen besser verstehen und vermitteln zu können.

An dieser Stelle danke ich allen Mitgliedern des Bundesrates – jedem einzelnen Mit­glied –, das sich dieser wichtigen Übersetzungsaufgabe unterzieht und die Bürgerinnen und Bürger auch beim europäischen Gedanken und bei der europäischen Idee – nicht nur bei der Gesetzgebung – mitnimmt, begleitet und entsprechend informiert.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 7

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Länder sind keine Reformver­wei­gerer. Alle großen Reformwerke der jüngeren Zeit, wie etwa die Gesundheits­re­form, der Stabilitätspakt oder die Polizeireform, um nur einige zu nennen, sind unter Mit­wirkung der Länder auf den Weg gebracht worden. Das bundesstaatliche Organisa­tionsprinzip Österreichs im Sinne der Gründerväter der Republik hat sich in diesen Jahren bewährt. Die Länder sind auch in der Lage, ihre Aufgaben kostenminimal zu erfüllen und sorgsam mit dem Steuergeld umzugehen.

Die Länderkonferenz vor genau 70 Jahren ist der Beweis, dass die Länder bereit sind, Verantwortung für das Staatsganze zu übernehmen. Damals erklärten sich die Bun­desländer aus den Besatzungszonen der Westalliierten bereit, Vertreter in die Staatsregierung von Dr. Renner zu entsenden, was schließlich auch die Westalliierten dazu brachte, die Regierung Renner anzuerkennen. Man muss wissen, dass damals durchwegs auch eine Teilung Österreichs in Diskussion stand, dass die westlichen Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg zwar Grüße nach Wien gerichtet haben, sich aber zu dieser Zeit noch nicht entsprechend dem Staatsganzen angegliedert haben. Dies geschah deshalb, da die Staatsregierung von Renner damals als Mario­nette der Kommunisten bezeichnet wurde.

Mit dieser Einigung vor 70 Jahren wurde die Einheit der Republik gewahrt, was in den fünf Monaten vorher eben noch keine Selbstverständlichkeit darstellte. So wie damals sind die Länder auch heute bereit, künftig ihre Beiträge für das Staatsganze zu leisten. Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist aber dennoch immer wieder zu überprüfen und nachzujustieren.

Ziel muss es dabei sein, die Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern zu stärken, die politischen Verantwortlichkeiten noch deutlicher zuzuordnen sowie eine zweckmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung aller Gebietskörperschaften – damit schließe ich auch die Gemeinden mit ein – sicherzustellen.

Die Entflechtung der Zustimmungsrechte zwischen Bund und Ländern wäre hier konkret zu nennen. Bund und Länder haben dabei auf Augenhöhe und mit Augenmaß miteinander umzugehen. Alle Teile müssen immer wissen, dass es ein großes Ganzes gibt und dass sie für das Funktionieren des Ganzen Verantwortung tragen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf mit den Worten des derzeitigen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, schließen, der feststellte, der Föderalismus sei nie Selbstzweck, sondern diene insbesondere einer Politik der Bürgernähe. Aufgabe sei es nun, auch den Födera­lismus weiterzuentwickeln und den aktuellen, modernen Erfordernissen unseres Zeit entsprechend anzupassen. Wir müssen dabei beherzigen, dass die föderale Ordnung keine Maschine ist, sondern aus Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen, Solidarität und gegenseitigen Zugeständnissen wächst.

Reformen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind eine dauerhafte Aufgabe, da sie dem lebendigen Miteinander zugeordnet sein müssen. Dieses Miteinander haben die Teilnehmer der Länderkonferenz vor genau 70 Jahren bewiesen. Es soll auch für uns Auftrag und Motivation sein und eine Richtlinie für die Lösung der heutigen und der zukünftigen Probleme in Europa, in Österreich und in unseren Bundesländern. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

13.12


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 8

13.12.00Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Gottfried Kneifel: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2855/AB bis 2861/AB und des

Schreibens des Bundeskanzlers gemäß § 23c Abs. 5 des Bundes-Verfassungs­ge­setzes betreffend Nominierungsvorschlag der österreichischen Sozialpartnerverbände als österreichische Mitglieder des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie

der Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend

Aufnahme von Verhandlungen über ein Archivabkommen zwischen der Republik Öster­reich und dem Staat Israel und

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über soziale Sicherheit sowie

Aufnahme von Verhandlungen über die Vereinbarung über die Durchführung von Art. 13 und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweize­rischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüber­schreitende polizeiliche Zusammenarbeit

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 4)

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Schreiben des Bundeskanzlers gemäß § 23c Abs. 5 B-VG:


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Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:


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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weiters eingelangt sind Schreiben des Minister­rats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter vom 20. bis 28. September in den USA bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin mit dessen Vertretung und

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz vom 24. September bis 3. Oktober 2015 in New York bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitter­lehner am 24. und 25. September mit dessen Vertretung.

*****

Eingelangt und den genannten Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen wurden nachfolgende Berichte:

Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2014 und

Verkehrstelematikberichte 2013, 2014 und 2015,

beide zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie, bezie­hungsweise

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirt­schaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglich­keits­prüfung in Österreich (6. UVP-Bericht),

zugewiesen dem Umweltausschuss, beziehungsweise

Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2013-2014),

zugewiesen dem Gleichbehandlungsausschuss, sowie

Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016 und

Grüner Bericht 2015,

beide zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, sowie

Petition betreffend „Fairer Umgang mit Vereinen bei der Besteuerung von Vereins­festen“, überreicht von Bundesrat Ferdinand Tiefnig,

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorbereitungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Gottfried Kneifel: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 28

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zwei­drittel­mehrheit angenommen.

13.16.27 Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selbständige Antrag 214/A-BR/2015 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ eingebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorbereitung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 214/A-BR/2015 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorbereitung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bun­desräte Kneifel, Posch-Gruska, Mühlwerth, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag, den Antrag ohne Vorbereitung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag ergänzen und als 5. Tagesord­nungspunkt in Verhandlung nehmen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 sowie den Antrag 214/A-BR/2015 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

 


13.18.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte namens meiner Fraktion unserem Befremden darüber Ausdruck verleihen, dass wir innerhalb von zwei Tagen diese Sondersitzung abhalten müssen, obwohl wir am 8. Oktober eine reguläre Sitzung gehabt hätten. Alle diese Tagesordnungspunkte, wobei der zum Asylrecht der wichtigste und der eigent­liche Anlass ist, dass wir heute diese Sondersitzung haben, hätten wir auch am 8. Oktober behandeln können. Wenn das aus irgendwelchen Gründen nicht gegangen wäre, hätte man viel früher eine Sondersitzung einschieben können. Normalerweise ist ja gerade von Ihrer Partei immer das Argument gekommen, wir haben zu wenig Zeit für


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 29

die Vorbereitung. Sie muten uns jetzt zu, innerhalb von zwei Tagen eine ent­sprechende Vorbereitung zu treffen und diese Sitzung abzuhalten. Dagegen legen wir Protest ein. (Bundesrätin Kurz: Uns ist das wurscht!)

13.19


Präsident Gottfried Kneifel: Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.19.41

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns befremdet eigentlich diese Vorgangsweise, weil es einfach nicht den Gepflogen­heiten des Bundesrates entspricht. Hier gab es bisher immer größte und beste Zusammenarbeit. Jetzt vom Nationalrat etwas zu kopieren, wo die Tagesordnung auch nicht genehmigt wurde, halten wir also nicht den Gepflogenheiten des Bundesrates entsprechend.

Ich möchte jetzt noch zwei Sätze zur Rechtskraft dieses Gesetzes sagen: Es wurde vereinbart, dieses Gesetz per 1. Oktober in Rechtskraft treten zu lassen. Deshalb ist schon aufgrund formaler Erfordernisse der Termin am 8. Oktober nicht möglich.

Der Nationalrat hat diesbezüglich eine Sondersitzung abgehalten, deshalb hat der Bundesrat hier auch eine Sondersitzung abzuhalten, um die Tagesordnungspunkte vom 8. Oktober gemeinsam zu verbinden. Es war genügend Zeit, Frau Kollegin Mühlwerth, sich mit der Tagesordnung auseinanderzusetzen, um sich jetzt nicht auf diese Zweitagefrist des Nationalrates zu berufen. Für uns ist dieser Termin rechtzeitig gesetzt, und meine Fraktion wird der Tagesordnung selbstverständlich die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.21


Präsident Gottfried Kneifel: Gibt es sonst noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Aufgrund des mir zugekommenen Vorschlags beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 unter einem durch­zuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

13.21.241. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutz­bedürftigen Fremden (1295/A und 792 d.B. sowie 9450/BR d.B. und 9453/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (1296/A und 793 d.B. sowie 9451/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 30

Berichterstatter zu diesen beiden Punkten ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um die Berichte.

 


13.21.48

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach der heutigen Beratung mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme zum zweiten Bericht: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach der heutigen Beratung mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


13.23.32

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus und die, die vielleicht heute am Computer zuschauen! Vorab noch ein Bemerkung, Herr Kollege Mayer: Der Nationalrat hat dazu keine Sondersitzung abgehalten, es ist in seiner regulären Sitzung beschlossen worden.

Ich habe dem Herrn Präsidenten bei seinen Worten zu 70 Jahren Länderkonferenz sehr aufmerksam gelauscht und auch seinen Worten, wie wichtig die Arbeit der Länder ist, wie sich die Länder ihrer Verantwortung im Dienst des Staates Österreich stellen, und wie wichtig die Bürger sind, die sich für den Staat einsetzen und mit dem Staat das Beste machen. Spätestens dann habe ich mich gefragt, warum da heute ein Gesetz beschlossen werden muss, das genau über diese tollen Länder und Gemein­den, deren Arbeit so gelobt wird, einfach drüberfährt.

Ich sage Ihnen, warum: Eine völlig überforderte Regierung, bestehend aus Rot und Schwarz, hat in ihrer Hilflosigkeit ein Verfassungsgesetz beschlossen, das ein Durch­griffsrecht auf die Gemeinden vorsieht, das wir ja ablehnen, da es noch dazu geschieht, ohne die Bürger in irgendeiner Form zu befragen, die Bürger, die so wichtig für Sie sind. Aber sie sind nur dann wichtig, wenn Sie das erachten, aber nicht, wenn die Bürger, die direkt Betroffene sind, gefragt werden könnten und unserer Meinung nach auch sollten. (Bundesrat Mayer: Jetzt warte ich einmal auf deine Vorschläge!)


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Wir haben schon genügend Vorschläge gemacht, Herr Kollege Mayer, aber ich kann mir schon vorstellen, dass Sie sie nicht kennen, weil normalerweise lest ihr die ja nicht einmal, nicht nur die von der FPÖ, sondern von allen Oppositionsparteien. Das ist nichts für euch. Was immer von einer Oppositionspartei kommt, ist schon einmal falsch, weil es von der falschen Partei kommt. Ob das jetzt die Grünen sind, die Freiheitlichen, im Nationalrat die NEOS, das Team Stronach, das ist für Sie einerlei, es geschieht ohne Ansehen der Person. (Bundesrat Dönmez: Die Grünen sind dafür! – Bundesminister Ostermayer: Die NEOS auch, die haben dafür gestimmt!) Also woher wollen Sie die Vorschläge alle kennen, die Sie ja offensichtlich nicht gelesen haben?

In einer nach unserer Meinung völlig falsch verstandenen Humanität haben Sie die Schleusen geöffnet und haben gesagt, alles darf bei uns herein, ohne Ansehen der Person, ohne dass man weiß, woher die wirklich kommen und was wirklich ihr Ziel ist.

Es wird niemand registriert und Gott sei Dank – das war Ihr Glück – hat Deutschland hier als allererstes die Schleusen geöffnet und hat gesagt, alle können kommen. Das war Ihnen ja sehr recht, denn da haben Sie sie nur noch nach Deutschland weit­erreichen müssen. Sie haben überhaupt keine Ahnung, wer da ist, warum er da ist, zu welchem Zweck er hierhergekommen ist.

Von den Zeitungen in ihrer Gefühlsduselei und in ihrer gelenkten Haltung, die ja eine völlige Vereinheitlichung ist, dass man schon meinen möchte, wir haben da so wie in der ehemaligen DDR Staatsmedien, die alle nur das Gleiche schreiben dürfen, werden wir ständig mit Fotos bombardiert, auf denen die armen Kinder drauf sind. Da ist natürlich das Mitleid noch viel stärker, aber wenn man sich die Bilder anschaut, die dann im Fernsehen gebracht werden, sieht man, dass da vornehmlich junge Männer unterwegs sind, wenige Frauen und auch wenige Kinder. Und das lassen Sie herein, obwohl die wenigsten davon die sind, die nach der Genfer Konvention Anrecht auf Asyl haben.

Da sie aber auch nicht registriert worden sind, wissen Sie ja gar nicht, wer jetzt wirklich Anspruch auf Asyl hätte, und wer als Wirtschaftsflüchtling hierherkommt. Das Recht auf Asyl ist die eine Seite, das haben wir auch nie bestritten, das bestreiten wir auch heute nicht. Aber dass jeder, der nach Europa kommen will, vor allem nach Österreich auch kommen kann und darf, das lehnen wir ab! Und das sagen wir Ihnen heute nicht zum ersten Mal. (Beifall bei der FPÖ.)

Statt dass Sie hier Recht und Ordnung aufrechterhalten, hat dieser staatsnahe Betrieb ÖBB diese ganzen Zuwanderer nach Deutschland weiterverfrachtet. Das ist ja eigent­lich Schlepperei und ist verboten und wird im Fremdenpolizeigesetz jetzt auch völlig zu Recht mit höheren Strafen belegt. Was ist das anderes, bitte? Sagen Sie mir, was das anderes ist, wenn ich hergehe und sage, die können alle kommen, wir setzen sie in den Zug und reichen sie nach Deutschland weiter! Normalerweise, wäre das eine Privat­person, würden Sie sagen, das ist Schlepperei.

Ihre Aufgabe wäre, dafür zu sorgen, die innere und äußere Sicherheit der Bürger zu garantieren. Und genau das tun Sie nicht mehr. Sie garantieren weder nach außen diese Sicherheit und mit dem, was sich da jetzt abspielt, wo die Polizisten abgezogen werden, das Bundesheer assistieren muss, ist auch die innere Sicherheit des Landes nicht mehr gesichert. Wo sind denn die Polizisten, die eingreifen, wenn irgendwo ein Verbrechen begangen wird? Die sind alle irgendwo an der Grenze, um die Flüchtlinge, aber nicht zu registrieren, wie es sich gehört, sondern sie zu begleiten und zu betreuen.

Und noch einmal: Die wenigsten sind die, die jetzt wirklich Schutz vor Verfolgung brauchen, sondern die wollen ein besseres Leben in Europa haben, vornehmlich in


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 32

Deutschland und in den skandinavischen Ländern. Da Deutschland jetzt auch seine Grenzen schon zugemacht hat, wird das auch in Österreich stattfinden.

Jetzt kann man das dem Einzelnen ja nicht verdenken, dass er das möchte. Ich verstehe schon, dass man aus dem Elend seines Heimatlandes, in dem Krieg herrscht oder die Verwaltung und die Versorgung nicht mehr funktioniert, gehen möchte. Es ist aber auch unser Recht, zu sagen, ihr könnt nicht alle zu uns kommen, nur weil ihr das wollt.

Was die Syrer anlangt, da wird ja auch viel Schindluder getrieben. Aus dem Bereich des Balkans wissen wir oder haben wir gehört, dass 50 Prozent der syrischen Pässe gefälscht sind. Viele haben gar keine Papiere, wissen aber dank der Vernetzung: Wir brauchen nur zu sagen, wir sind Syrer, und schon sagt jeder: Na ja, arme Syrer, die nehmen wir jetzt auf. Viele kommen aber ganz woanders her. Auch Leute, die geholfen haben, stellten schon fest, dass sie eine ganz andere Sprache sprechen und keines­falls Syrer sein können. Die Wirtschaft jubelt natürlich, denn diejenigen, die da kommen, sind ja dann ihre modernen Arbeitssklaven, die um viel weniger Geld arbei­ten als die Österreicher.

Die Arbeitsmarktöffnung, die Sie jetzt noch verneinen, wird kommen, das schwöre ich Ihnen! Sie werden die Ersten sein, die sagen: Das müssen wir jetzt machen, wir müssen sie auch arbeiten lassen! – Und es werden die billigen Arbeitskräfte sein. Es ist nämlich nicht wahr, dass nur die Hochqualifizierten kommen, wie immer behauptet wird, das ist ein ganz kleiner Teil. Die meisten Afghanen haben maximal einen Pflicht­schul­abschluss, wobei wir aber nicht wissen, was in Afghanistan ein Pflichtschul­abschluss ist – ob das jetzt der Abschluss einer Koranschule oder irgendetwas Gleich­wertiges zu einem Schulabschluss in Österreich ist.

Bei den Syrern haben 75 Prozent nur einen Pflichtschulabschluss, der Rest sind Händler und Handwerker, und ein ganz kleiner Teil ist das, was Sie sich erwarten – dass da jetzt die Ärzte und die IT-Techniker kommen. Ich frage Sie bei 400 000 Ar­beitslosen, wie Sie diese Personen alle in den Arbeitsmarkt integrieren wollen? Wie soll das gehen? Die eigenen Leute haben keine Arbeit, und die neuen kommen dazu, nach dem Motto, das machen wir schon irgendwie. – Sie machen ja immer alles irgend­wie, ohne dass Sie wissen, was am Ende herauskommt.

Aber das ist ja bei uns nichts Neues, und dafür ist Ihnen die Bevölkerung auch ent­sprechend „dankbar“, indem sie Ihnen von Wahl zu Wahl einen Denkzettel erteilt und das durchaus zu Recht. (Bundesrat Mayer: Reine Behauptungen!) – Nein, das sind keine Behauptungen! Dass Sie die Wahlen verlieren, das sind Behauptungen? – Das lässt sich jetzt aber wirklich beweisen, oder? (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ja, eben! (Ruf bei der SPÖ: Alles Behauptungen!)

Jetzt, da die Bevölkerung in den Gemeinden durchaus Angst davor hat, welcher An­sturm an Flüchtlingen auf sie zukommt, gehen Sie her und sagen: Na ja, aber eh nur 1,5 Prozent, das wird ja wohl den Gemeinden zumutbar sein! – Sie lassen in dem Gesetz natürlich ein Hintertürl offen, damit Sie diese 1,5 Prozent auch aufstocken können, und sagen: Das muss jetzt sein, jeder muss es nehmen.

Das ist so, wie sich die Europäische Union – die ja genauso überfordert ist – auf eine Verteilung der Flüchtlingsquoten geeinigt hat. Wie das funktioniert, schaue ich mir an, wenn die Mehrheit der Flüchtlinge, die unsere Grenzen stürmen – die Bilder im Fern­sehen hat man ja gesehen, wo sie die Polizisten einfach auf die Seite geschoben haben und einfach durchgestürmt sind (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) – und jetzt aufgeteilt werden sollen, in Wirklichkeit genau zwei, drei Wunschländer haben, in die sie wollen.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 33

Da Sie ja nicht wissen, wer aller da ist, werden die sich verteilen, so wie sie es wollen – und dann können Sie sich Ihre Quote aufzeichnen. Bei den Gemeinden werden Sie auch aufstocken müssen, und die Bevölkerung wird Ihnen bei den nächsten Wahlen den Denkzettel dafür erteilen. Das verspreche ich Ihnen! (Beifall bei der FPÖ.)

13.33


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

 


13.33.53

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrat tritt heute zusam­men, um das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden mit der notwendigen verfassungsrechtlichen Zwei­drittelmehrheit zu beschließen. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, damit dieses Bundesverfassungsgesetz mit 1. Oktober dieses Jahres in Kraft treten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden stellt eine Reaktion auf die steigende Anzahl von Asylanträgen in Österreich dar, die seit Beginn des Jahres festgestellt werden musste. Mit raschen Schritten kommen auf Österreich herbstliche und winterliche Bedingungen zu. Ziel dieser gesetzlichen Maßnahme ist es insbesondere, für AsylwerberInnen winterfeste Quartiere zu schaffen, und zwar in einer Art und Weise, die eine gerechte und solidarische Verteilung auf alle 2 100 öster­reichischen Gemeinden garantieren soll.

Welcher Weg wird dabei gewählt? Es ist ein eigenverantwortlicher Weg für die öster­reichischen Bundesländer, die politischen Bezirke und die österreichischen Gemein­den. Jede Gebietskörperschaft hat es in der eigenen Hand, dafür zu sorgen, dass das sogenannte Durchgriffsrecht des Bundes für sie nicht schlagend wird.

Grundsätzlich regelt das Bundesverfassungsgesetz, dass alle Gemeinden einen Richt­wert, der gesetzlich mit 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung – also jener Bürgerinnen und Bürger, die ihren Hauptwohnsitz in der Gemeinde haben – festgelegt ist, erfüllen müssen. Die Gemeinden haben somit die Verpflichtung, Plätze in dieser Anzahl für die Unterbringung von schutzbedürftigen Fremden zur Verfügung zu stellen. Bei einer durchschnittlichen österreichischen Gemeinde von 3 000 Einwohnern sind das 45 Un­ter­bringungsplätze. Das wird doch wohl in so einer Gemeinde möglich sein!

Positiv herauszustreichen ist, dass Gemeinden zur Erfüllung dieser Aufgabe Koope­rationen eingehen können. Damit wird es für Gemeinden auch in schwierigen Situa­tio­nen möglich, diese neue Aufgabe gemeinsam mit anderen Gemeinden zu erfüllen. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn in einer Gemeinde hohe Unter­bringungskapazitäten zur Verfügung stehen, und diese Gemeinde für andere Ge­meinden desselben politischen Bezirks – im Austausch mit anderen Aufgaben – die Verpflichtung miterfüllt.

Was steht hinter dem geheimnisumwitterten Durchgriffsrecht? Das neu geschaffene Durchgriffsrecht des Bundes ermöglicht der Bundesministerin für Inneres, die  „Nutzung und den Umbau von bestehenden Bauwerken oder die Aufstellung beweglicher Wohneinheiten auf Grundstücken, die im Eigentum des Bundes oder diesem zur Verfügung stehen, ohne vorheriges Verfahren“ anzuordnen, um not­wendige Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Mit dem ministeriellen Bescheid werden die nach bundes- und landesrechtlichen Vor­schriften notwendigen Bewilligungen, Genehmigungen oder Anzeigen ersetzt, wodurch


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 34

der Bund nunmehr rasch Unterbringungsmöglichkeiten schaffen kann, wenn diese nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden.

Nun stellt sich aber die Frage, welche Gemeinden Ziel einer solchen Anordnung sein werden. Dafür sind drei Kriterien ausschlaggebend.

Erstens: Sollte ein Bundesland die Quote nach der Grundversorgungsvereinbarung er­füllen, ist damit für jede Gemeinde dieses Bundeslandes die Verpflichtung erfüllt. Zweitens: Sollte ein politischer Bezirk die Quote von 1,5 Prozent erfüllen, sind damit die Verpflichtungen aller Gemeinden dieses Bezirks erfüllt. Drittens: Sollte die Ge­meinde ihre Quote von 1,5 Prozent erfüllen, hat sie damit auch ihre Verpflichtung erfüllt.

In diesen drei Fällen sind die Verpflichtungen einer Gemeinde erfüllt, ob über das Bundesland, über den Bezirk oder über die eigene Leistung.

Das Durchgriffsrecht des Bundes kann und soll daher nur Ultima Ratio sein. Grund­sätzlich geht dieses Bundesverfassungsgesetz von der Selbsterfüllung der Pflichten durch die Bundesländer, die Bezirke und die Gemeinden aus. Sollte es dennoch zu einer diesbezüglichen Anordnung kommen, ist die Quartiergröße jedenfalls mit 450 Per­sonen beschränkt, um ein zweites Traiskirchen zu verhindern und um die Bevölkerung nicht zu überfordern.

Ich möchte noch zwei positive Faktoren dieser Vorlage herausstreichen.

Zunächst werden mit diesem Bundesverfassungsgesetz endlich auch Standards für die Unterbringung definiert, nämlich das Vorliegen eines angemessenen Wohnraumes und Schlafplatzes sowie ausreichende Sanitäranlagen. Darüber hinaus darf die Unter­bringung weder gesundheits- noch umweltgefährdend sein. Die Einhaltung dieser Bedingungen wird von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft geprüft, die auch dem Bundesministerium für Inneres Auflagen erteilen kann, um die Sicherheit und Ge­sundheit der Untergebrachten zu gewährleisten.

Schließlich werden die Kostenhöchstsätze für die Unterbringung in Privatquartieren stufenweise erhöht. Mit 1. Jänner 2016 betragen diese mindestens 21 €, wodurch hoffentlich mehr Quartiere von Privaten angeboten werden.

Ich bin der festen Überzeugung, dass dies ein gelungenes, ausgereiftes Paket ist und dass damit die menschenwürdige Unterbringung von AsylwerberInnen umgesetzt werden kann. Nehmen wir diese gemeinsame Anstrengung im Sinne der Humanität und im Sinne der Solidarität auf. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Frau Mühlwerth, nur noch eine Anmerkung zu Ihrer Rede. Ich habe Kinder und Frauen gesehen – Sie wollen eben nur andere sehen. Das sind die Fakten. Ich habe mehrheitlich Kinder und Frauen gesehen, und wenn man sie gesehen hat, dann weiß man, was diese Menschen erlitten haben. Ich glaube, das ist zu berücksichtigen, und da haben wir auch unsere Solidarität zu zeigen.

Ich möchte die Gelegenheit auch dazu nutzen, um allen Hilfsorganisationen – lassen Sie mich dabei den Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs und die Volkshilfe heraus­heben –, aber auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die rasch und unbürokratisch ihre Hilfe anbieten, sowie allen Spenderinnen und Spendern meinen persönlichen Dank und den Dank der sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte auszu­sprechen. – Herzlichen Dank für die Menschlichkeit! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 35

13.42


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Zelina. Ich erteile es ihm.

 


13.42.48

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Herr Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Unsere Regierung hat die Kontrolle über die Einwanderung verloren. Wir haben keine wirkungsvollen Instrumente zur Begrenzung von Masseneinwanderung.

Die Managementaufgabe, die sich uns europaweit stellt, ist nicht, wie verteilen wir 160 000 Asylwerber in einer fairen Weise auf alle europäischen Länder, sondern wie verhindern wir unkontrollierte Masseneinwanderung nach Europa. Aus den Syrien-Flücht­lingslagern in der Türkei und Jordanien rollen laut Frontex gerade weitere 500 000 Flüchtlinge auf uns zu, die nach Europa auswandern wollen. Entspannung ist nicht absehbar. (Ruf bei der SPÖ: Rollen tun die nicht!) 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Auch wenn wir es wollten, können wir diese Flüchtlingsmassen unmöglich in Europa aufnehmen. Fixe Quotenverteilungen ohne maximale Obergrenzen sind keine Problemlösung.

Wir verteilen eine Million und dann steht schon die nächste Million vor der Tür – das nimmt kein Ende. Wir müssen die Masseneinwanderung stoppen, das ist unsere politische Aufgabe! Die Auswirkungen der Masseneinwanderung – auf dem Arbeits­markt: steigende Arbeitslosigkeit, auf dem Wohnungsmarkt: steigende Mieten, auf unser Schulsystem: von Ausländern dominierte Schulklassen, auf unser Sozialsystem: Unfinanzierbarkeit und auf unsere Sicherheit: steigende Kriminalität und Einbrüche – sind nicht absehbar.

Auch der Familiennachzug der Asylanten ist bei Masseneinwanderung nicht mehr finanzierbar. (Bundesrat Schreuder: Asylwerber! Asylanten gibt es nicht!)

Unser Mindestsicherungssystem ist für inländische Bedürftige entworfen worden, die auch jahrelang in unser Sozialsystem eingezahlt haben. Wir können und dürfen nicht alle Asylwerber dieser Welt in unser Sozialsystem einwandern lassen. Österreich ist nicht das Sozialamt der ganzen Welt. Österreich muss sich prioritär um die Beseitigung der eigenen Armut kümmern – 15 Prozent der Österreicher leben selbst in Armut, wir haben genug Obdachlose und Leute, die sich das Heizen und die Mieten nicht mehr leisten können. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Außereuropäische Flüchtlingsprobleme muss man außerhalb der Grenzen Europas lösen. Wir können nicht alle Nahost- und Afrikaflüchtlinge in Österreich und Europa aufnehmen. Um die Syrer müssen sich die muslimischen Nachbarländer von Syrien kümmern und nicht Österreich. Auch die reichen Golfstaaten, zum Beispiel Saudi-Arabien, sollen sich vielmehr um die Not ihrer Glaubensbrüder kümmern. Da passiert viel zu wenig. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir vom Team Stronach fordern UNO-Schutzzonen vor Ort in den Krisenländern und die Errichtung von Flüchtlingsdörfern und Flüchtlingscamps in den unmittelbaren Nachbarstaaten der Krisenländer. Wir müssen internationale Hilfsgelder direkt in die Krisengebiete zum Ausbau, zur Verbesserung der Bedingungen in den Flücht­lingslagern schicken.

Die Nachbarstaaten Syriens, die Türkei, der Libanon und Jordanien, gehören von der Weltgemeinschaft mit ausreichenden Finanzhilfen zur Finanzierung der Flüchtlings­lager unterstützt. Die Situation in den Flüchtlingslagern muss massiv verbessert werden. Die Menschen dort brauchen eine Zukunftsperspektive, sie brauchen Schulen und Ausbildung für ihre Kinder, sie brauchen die Perspektive, in absehbarer Zeit wieder in ihre Heimatgemeinden zurückkehren zu können. Nur wenn das Leben in den Flüchtlingscamps erträglich wird, wird die Völkerwanderung nach Europa abebben.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 36

Direkt vor Ort Unterstützung zu leisten, kostet 90 Prozent weniger, als die Flüchtlinge bei uns in Österreich zu versorgen. Auch die USA und die reichen Golfstaaten müssen zur Mitfinanzierung der Flüchtlingscamps in die Verantwortung genommen werden.

Die Bekämpfung der Fluchtursachen muss oberste Priorität haben. Die Kriege in Nahost und Afrika produzieren Millionen von Kriegsflüchtlingen und unkontrollierte Flüchtlingsströme nach Europa. Wenn man will, dass die Menschen nicht mehr fliehen, muss man die Kriege beenden. Krieg und Gewalt führen immer zu Flucht und Vertreibung. Der Krieg in Syrien muss beendet werden!

Die Bekämpfung der Fluchtursachen ist eine globale Aufgabe und sollte Zentralthema und Hauptkompetenz der Vereinten Nationen, der UNO, sein. Die Lösung des Syrien­konflikts geht nicht im amerikanischen Alleingang, sondern nur gemeinsam mit Russland und den einflussreichen muslimischen Golfstaaten, Saudi-Arabien und Iran. Eine internationale Zusammenarbeit der USA mit Russland im Syrienkonflikt würde viel zur Deeskalation beitragen. Europa muss international viel mehr Druck machen, seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellen und auf eine Friedenslösung drängen.

Zu viele Fremde im eigenen Land plus Wirtschaftsflaute plus 500 000 Arbeitslose plus Rekordverschuldung plus Rekordbesteuerung der Bürger – das ist eine Mischung, aus der auch in Österreich Revolutionen entstehen können. Von Unzufriedenheit bis zum Fremdenhass und weiter zu gewalttätigen Ausschreitungen ist es nicht weit. Unsere Regierung unterschätzt den Ernst der Lage. Masseneinwanderung gefährdet die Stabilität unserer Bürger, Masseneinwanderung destabilisiert und spaltet Europa, Mas­seneinwanderung destabilisiert auch Österreich, Masseneinwanderung muss gestoppt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen die europäischen Außengrenzen ordentlich absichern, um nur diejenigen hereinzulassen, die tatsächlich Asylanspruch haben. Wir müssen die Asylverfahren deutlich beschleunigen und die Rückführung von Wirtschaftsflüchtlingen ohne Asyl­schutz­anspruch konsequent durchführen. Der ausufernde Familiennachzug ist solange auszusetzen, bis die gegenwärtige Einwanderungswelle abgeebbt ist.

Der Anspruch von Asylanten auf dauerhaften Asylaufenthalt und auf Sozialleistungen muss beschränkt werden können. (Bundesrat Schreuder: Asylanten gibt es nicht!)

Wir sind gegen grenzenlose Asylquoten ohne jährliche Höchstzahlen. Die Zahl der jährlichen Bewilligungen für den Asylaufenthalt muss begrenzt werden. Es ist das elementarste Recht eines Staates, darüber zu entscheiden, wen es in seine Gemein­schaft aufnimmt und wen nicht.

Wir sind auch gegen Zwangszuteilungen von Asylanten auf unsere österreichischen Gemeinden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Bürger jeder Gemeinde sollen selbst entscheiden dürfen, ob sie Asylanten aufnehmen wollen und wenn ja, wie viele. Das wäre auch eine gute Möglichkeit, die direkte Demokratie in Österreich zu stärken und die Bürger bei wichtigen Themen, die sie unmittelbar betreffen, mitentscheiden zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Drüberfahren der Regierung gegen den Willen unserer Bürger lehnen wir ab. Härtere Strafen gegen Schlepper, das unterstützen wir. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 37

13.51


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Mag. Fürlinger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.51.36

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Zuallererst debattieren wir heute über ein Verfassungsgesetz, das verdeutlicht, dass auch bei uns organisatorische Regeln – in einer Situation, in der nicht nur die einzelnen Bundesländer, sondern Österreich als Ganzes, aber auch die internationale Gemeinschaft gefordert sind – innerstaatlich geklärt werden müssen.

Es geht im Wesentlichen um eine relativ simple Sache, nämlich darum, dass der Bund Gebäude, die ihm auch gehören, selbst nutzen darf. Darum haben sich Bund und Länder auf ein Gesetz geeinigt, das dem Bund ermöglicht, seine eigenen Gebäude in den Bundesländern zu nutzen, um in Notsituationen Flüchtlinge unterzubringen.

Ich gestehe offen, dass ich es bis zur gegenständlichen Flüchtlingskrise als eine Selbstverständlichkeit angesehen habe, dass der Bund Gebäude nutzen darf, die ihm selbst gehören. Ich war einigermaßen verwundert und habe das Thema zum ersten Mal fokussiert, als in meiner Heimatstadt Linz der Bürgermeister gemeint hat, für die Flüchtlingsunterbringung könne ein Postgebäude oder eine Kaserne nicht zur Verfügung stehen, weil dies nicht mit der Flächenwidmung in Einklang zu bringen sei.

Die Frage, warum man beispielsweise Soldaten in einer Kaserne unterbringen kann, aber keine Flüchtlinge, hat mich beschäftigt, eine befriedigende Antwort darauf habe ich bis heute nicht gefunden. Stattdessen wurden bei uns Flüchtlinge in eher frag­würdiger Art und Weise in Turnsälen von Schulen untergebracht – eine eigentlich seltsame Vorgangsweise. Genau diese Vorfälle führen dazu, dass man sich irgend­wann einmal Gedanken machen muss, ob der Eigentümer nicht doch seine Gebäude nutzen darf. Es geht auch darum, dass die Aufgaben innerhalb Österreichs gerecht verteilt werden. Das und nichts anderes soll in diesem Gesetz stehen, das übrigens auch noch eine Befristung mit 31. Dezember 2018 hat.

All das ist im Vorfeld in konsensualer Art und Weise von der Regierung, Teilen der Opposition und den Bundesländern erarbeitet worden. Es hat eine gemeinsame Diskussion stattgefunden, und es ist gemeinsam ein Gesetz auf allen diesen Ebenen beschlossen und gutgeheißen worden.

Die Zustimmung der Bundesländer und der Länderkammer zu diesem Gesetz zeigt auch – wie es der Präsident heute schon erwähnt hat –, dass bei einem ordentlichen, gepflegten Dialog unter den Partnern in diesem Bundesstaat und der Länder mit dem Bund durchaus Möglichkeiten bestehen, Kompetenzen neu zu verteilen. Auch dies ist, wie wir wissen, eine Notwendigkeit – die Entflechtung der Kompetenzen, die Abschaf­fung von Querschnittsmaterien, die uns im Endeffekt mehr kosten, als sie einbringen. Diese Themen sind zum gegebenen Zeitpunkt zu diskutieren, ich beende damit diesen Exkurs: Das sind zukünftige Notwendigkeiten.

Wenn man sich das Gesetz durchliest, ist mir als gelerntem Juristen unklar, warum dazu keine konstruktive Gemeinsamkeit aller Parteien im Parlament zu erzielen war. Dieses Verfassungsgesetz sieht neben den eingangs erwähnten Regelungen vor, dass eine Gemeinde Flüchtlinge, sofern sie hilfs- und schutzbedürftig sind, mit einem Richtwert von 1,5 Prozent der eigenen Bevölkerung aufzunehmen hat – und dies auch nur dann, wenn festgelegte Quoten in den übergeordneten Gebietskörperschaften nicht erfüllt werden.

Deshalb und nicht zuletzt auch wegen der zeitlichen Begrenzung verstehe ich die künstliche Aufregung nicht. Ich habe die Nationalratsdebatte verfolgt. Das war ja ein nahezu hysterisches Stakkato, das da von einigen im Nationalrat heruntergeklopft worden ist, inklusive Äußerungen, die die Politik an sich diskreditieren – und da muss


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 38

man aufpassen, wenn Abgeordnete und Klubobleute von auch hier im Bundesrat vertretenen Parteien mit ihren Äußerungen die gesamte Politik hinunterziehen.

Das Niveau dieser Auseinandersetzung – sage ich auch dazu – hat mich als Beob­achter negativ überrascht. Ich hoffe, dass die heutige Debatte in diesem Hause, wie üblich, würdevoller über die Bühne geht. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren, abseits dieser überschaubar geführten Debatten stehen wir vor einer großen Herausforderung. Wir dürfen auch nicht übersehen, dass es bei einigen Mitbürgern eine Reserviertheit gegenüber Flüchtlingen gibt. Dieses Thema ist eines, das stark emotionalisiert und in zwei Seiten fällt: die eine lehnt Flüchtlinge komplett ab, die andere träumt von grenzenlosen Gesellschaften, in die alle hinein können. Beide Philosophien, beide Denkrichtungen sind abseits der Realität, keine der beiden Denkweisen ist realisierbar.

Als Politiker müssen wir einerseits darlegen, dass wir – als Gesellschaft –selbst­verständlich verpflichtet sind, zu helfen, wenn jemand in Not ist. Andererseits dürfen wir unsere Gesellschaft aber auch nicht überfordern.

Wir müssen in dieser Situation kühlen Kopf bewahren. Der oberösterreichische Lan­des­hauptmann hat als Haltung ausgegeben, die Probleme  „mit Anstand und Haus­verstand“ zu lösen.

Der Anstand, meine Damen und Herren, gebietet jedem, jemanden, der vor der Tür liegt, verhungert, verdurstet, ertrinkt, erfriert, nicht vor dieser Tür liegenzulassen. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass wir ihm die Tür zuschlagen und sagen: Verhungere oder verdurste! Ich gehe davon aus, dass jeder in diesem Haus genug Empathie und Mitgefühl hat, um solche Dinge zu verhindern.

In diesem Zusammenhang kann man auch einem erklecklichen Teil der Österreiche­rin­nen und Österreicher, die in den letzten Tagen, Stunden, aber auch Wochen groß­teils ehrenamtlich Hilfe geleistet haben, um die Menschen, die in diesem Flücht­lingsstrom mitgeschwommen sind, entsprechend zu versorgen, nur Hochachtung zollen. Ich glaube, dass dies eine Notwendigkeit war.

Ungeachtet dessen gebietet die Situation festzustellen, dass wir nicht jeden Flüchtling, der zu uns kommt, aufnehmen können. Bei den Zahlen des Innenministeriums zum Monat September dürfen wir festhalten, dass die Bilder des Flüchtlingsstroms eine deutlich höhere Symbolik produzieren, als sie an Inhalten liefern. Wenn 85 000 Men­schen durch Österreich gereist sind, von denen 3 400 geblieben sind, dann sugge­rieren die täglichen Bilder des ORF zu Beginn der Nachrichtensendungen ein wesentlich höheres Ausmaß an Asylsuchenden, als tatsächlich in Österreich verbleibt. Österreich ist daher in erster Linie offenbar ein Transitland und keines, das die Mehrheit der Flüchtlinge aufnimmt.

Im Sinne der europäischen Solidarität halte ich auch fest, dass es für niemanden eine Lösung ist, wenn Ungarn, Slowenien und Kroatien die Leute in Züge und Busse verfrachten und nach Österreich führen und Österreich die Leute wieder in Züge und Busse verfrachtet und nach Deutschland bringt. Das löst das Problem nicht!

Die deutsche Bundeskanzlerin hat nach dem EU-Sondergipfel richtigerweise festge­halten, dass das Problem primär eine globale Dimension hat, die meiner Meinung nach auch deutlich über die Grenzen der Europäischen Union hinausgeht.

Selbstverständlich haben viele Menschen in den Lagern in und um Syrien darauf gewartet, dass dieser Bürgerkrieg zu Ende geht. Wenn nach drei Jahren Bürgerkrieg anstelle eines Endes dieses Krieges eine Gruppe verrückter Mörder, die sich auf Gott berufen – und ich bin mir sicher: einen solchen Gott, auf den sie sich berufen, gibt es


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 39

nicht –, die Situation verschlimmern und eskalieren, so ist nachvollziehbar, meine Damen und Herren, dass sich der eine oder andere auf den Weg macht, um sein Glück am anderen Ende der Erde zu suchen.

Es ist daher vonseiten internationaler Organisationen selbstverständlich, alles zu tun, damit ein Verbleiben der Menschen in der Region möglich ist, dass sie dort Schutz finden. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass die Schutzzonen, die dort errichtet werden, morgen fertig sein werden. Logischerweise bedürfen diese Schutz­zonen des Einsatzes von Militär, vor allem auch von Bodentruppen. Das muss man klar sagen: Die Sicherheit, die wir uns damit erkaufen, wird einen Preis haben, den andere für uns bezahlen werden, weil wir neutral sind. Dazu hat sich aber bis jetzt noch niemand durchgerungen.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag dieser Woche sind entsprechende Be­schlüsse der Europäischen Union gefasst worden: die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union und insbesondere Hilfe für Italien und Griechenland wurden endlich in die Wege geleitet. Es war dies ein überfälliger Akt.

Selbstverständlich bedarf es zur Lösung dieser Situation Aufnahmelager und Asylprü­fungszentren an der Außengrenze der EU. Es ist nur klar und logisch, dass wir nicht die Menschen der gesamten Arabischen Halbinsel oder des afrikanischen Kontinents in Europa aufnehmen können. Es würde dies Europa in vielerlei Hinsicht – in mate­rieller wie kultureller, in wirtschaftlicher wie sicherheitstechnischer – völlig überfordern.

Paul Collier, Ökonom an der Oxford University, hat in einem Interview mit der deut­schen Wochenzeitschrift „Die Zeit“ gemeint, dass die Debatte, wie wir sie jetzt führen, eine emotionale, ja lächerliche und polarisierende Debatte ist, weil sie nur in der Frage gipfelt: Ist Einwanderung gut oder schlecht? Die Frage müsse vielmehr lauten: Wieviel Migration ist für uns alle am besten?

Collier hält fest, dass die ökonomischen Folgen der Einwanderung zu vernachlässigen sein werden. Viel entscheidender seien die sozialen Folgen.

Erwiesen ist aus seiner Sicht, dass ein gewisses Maß an kultureller Verschiedenheit einer Gesellschaft guttut. Es nützt ihr, denn die neuen Migranten bringen Innovation und Abwechslung. Aber das gilt nur bis zu einem gewissen Maß. Ein Übermaß an zu ungleichen Gesellschaften kann auch negative soziale Folgen haben. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Gesellschaft homogen bleibt und es zu keiner Radikalisie­rung in die eine oder andere Richtung kommt.

Daher ist zunächst einmal klar, dass für Flüchtlinge, die im Rahmen des Asylrechts in Österreich verbleiben, auch zeitliche Begrenzungen und zahlenmäßige Höchstfestle­gun­gen durchaus an der Tagesordnung sind. Richtigerweise startet die Regierung mehrere Initiativen zur Veränderung des Asylrechts in dieser Situation.

Wir sind alle von der Hoffnung getragen, dass der Bürgerkrieg in Syrien in der nächsten Zeit zu Ende gebracht werden kann. Es muss daher unser Ziel sein, junge Leute, die in den nächsten zwei bis drei Jahren hier sind, auszubilden, damit sie mit Know-how in ihre Heimatstädte zurückkehren und diese wieder aufbauen können. Ich halte überhaupt vom Transfer von Wissen und Bildung wesentlich mehr als von Geld, bei dem man nicht weiß, wo es landet.

Klar muss auch sein, dass die Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union nicht dazu dient, um Asyl dort zu bekommen, wo man es selber will. Es ist undenkbar, dass Schweden, Deutschland und Österreich die alleinige Last tragen. Weil dort die Dia­sporagemeinden bereits vorhanden sind, ziehen natürlich auch die anderen dorthin. Nicht nur die Sozialsysteme sind dafür entscheidend.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 40

Man muss klarstellen, dass es übergeordnete Interessen gibt und dass die Staaten der Europäischen Union in dieser Situation ihre ordnungspolitischen Grundsätze behaup­ten müssen, ohne die die Rechtsstaaten nicht voll existieren können. Hier ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Recht für alle gilt, insbesondere auch für jene, die neu europäischen Boden betreten. Dies gilt insbesondere für geordnete Registrierung der Neuankömmlinge, Identitätsfeststellung und viele andere Dinge, das gesamte Verfah­ren.

Die Regierung, aber auch Teile der Opposition ziehen in dieser Situation an einem Strang, und ich denke, dass es Zeit ist, hier einen nationalen Schulterschluss zu machen, damit diese Situation bewältigt wird.

Ich weiß, es ist verlockend, dass man in Vorwahlzeiten das Thema auch für andere Dinge nutzt, dass man ein bisschen mit Emotionen spielt und da oder dort auch Ängste hervorruft, um sich als Alternative darzustellen und kurzfristig Stimmen zu gewinnen. Selbstverständlich ist das in der Demokratie eine legitime Option, allerdings sage ich auch dazu: Es kommt der Tag danach, an dem dann wieder Lösungen gefragt sind, und das wird dann deutlich schwieriger als vorher aus der Opposition heraus. (Zwi­schenbemerkung von Präsident Kneifel.) – Ich weiß, ich werde mich bemühen und beeilen.

Wenn irgendjemand behauptet, dass Österreich in der Lage wäre, das Problem alleine zu lösen, dann täuscht er entweder sich oder den Wähler. Wenn er es nicht besser weiß, täuscht er sich; wenn er es besser weiß, täuscht er den Wähler. Der Gedanke, dass man Österreich mit Grenzen, Militär und Zaun schützen kann, ist unsinnig, weil wir aus unserer Geschichte wissen: Stacheldrähte haben noch nie jemanden an der Flucht gehindert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nicht die, die bis vor 25 Jahren hinter Stacheldraht in unmenschlichen Regimen eingesperrt waren, und sie werden auch andere Flüchtlingsströme nicht aufhalten, es sei denn, Sie sprechen sich für einen Schießbefehl aus; aber diese Bilder möchte ich nicht sehen, dass österreichische Soldaten auf hereindrängende Flüchtlinge schießen müssen, um sie aufzuhalten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zum Thema Stacheldrähte: Stacheldrähte, Herr Kollege, sind ein Anachronismus im 21. Jahrhundert. Auch Ihnen als EU-Gegner sage ich: Die EU hat zwei Grundwerte. Das eine ist die Reisefreiheit, das andere ist die gemeinsame Währung. Wer diese bekämpft, bekämpft die Freiheit. Und wer Freiheit bekämpft, möchte sich auf den Weg zur Diktatur machen. Das müssen Sie aber dann Ihren Wählern auch sagen, damit sie wissen, woran sie sind.

Tatsache ist aber, dass wir Lösungen brauchen. Diese Lösungen sind internationale Aufgabe. Schlepperei ist ein Verbrechen, darüber müssen wir nicht diskutieren. Dass das heute verschärft wird, ist ein richtiger Ansatz. Allerdings sollten diese Verbrecher am Tatort, nämlich dort, wo sie beginnen zu schleppen, bestraft werden.

Präsident Kneifel: Bitte, zum Schluss zu kommen!

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (fortsetzend): Es bleibt der Aufruf an alle – gekürzt –: Es ist unsere Aufgabe als Politik, den ordnungspolitischen Rahmen auch in dieser Krisensituation zu wahren. Wir müssen feststellen, dass die Regeln für alle gelten. Und wir müssen klarstellen, dass Österreich hinter der Hilfe für Bedürftige steht, aber zu klein ist, um globale Probleme zu lösen.

Wir wollen Teil einer großen Lösung sein, wir wollen Teil einer menschlichen Lösung sein, keinesfalls aber können wir solche Dimensionen alleine schultern. Ein Weg der Vernunft, des Anstandes und Hausverstandes muss gemeinsam gegangen werden,


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und das wird unser Land dann auch meistern. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.04


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.

 


14.05.01

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Als das erste Mal die Idee dieses Durch­griffsrechtes aufgekommen ist, habe ich mir gedacht: Da wird aber einmal der Bundesrat die Gelegenheit haben, ein starkes Zeichen zu setzen. Diese Hoffnung ist mittlerweile auf null gesunken. Ich bin Realist genug, um zu wissen, dass das Gesetz hier heute durchgewunken wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.)

Es hat ja schon gut begonnen. Man hat es ja nicht wie eigentlich für Verfassungs­gesetze üblich als Regierungsantrag eingebracht, sondern es war ein Initiativantrag, und damit hat man gleich vorsorglich den Konsultationsmechanismus der Bundes­länder ausgehebelt und die Begutachtungsphase faktisch ebenfalls ausgehebelt.

Das zeigt eigentlich ein großes Maß an Feigheit und Perfidie der Bundesregierung. Sie schickt ihre Klubobleute vor, damit diese Panik hier in Verfassungsrang gehoben werden kann. Das Ganze wird dann noch in einer völlig unausgegorenen Form ge­macht, denn diese ominösen 1,5 Prozent, von denen hier immer die Rede ist, sind eine pauschale Prozentualität.

Da haben wir leider Gottes ein mathematisches Problem. Wir haben keine fixen Zahlen und Obergrenzen, sondern einen Prozentsatz einer sich ständig, ja täglich verändern­den Zahl. Und das kann nicht funktionieren. Das zeigt das Beispiel Steiermark sehr gut, noch die freiwillige Quote betreffend. Vor einigen Monaten hat es großen Jubel gegeben: Hurra, wir Steirer haben die Quote erfüllt. Wenige Wochen später war unsere Quote auf einmal nicht mehr erfüllt, und wir liegen auch derzeit bei ungefähr 94 Prozent. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Meine Heimatstadt wird wahrscheinlich – wenn man den Pressemeldungen Glauben schenken darf, die vorgestern kolportiert worden sind – eines der ersten Opfer dieser Regelung sein. (Bundesrat Schennach: Opfer!) Die ehemalige bauMax-Filiale in Leoben wird dem Bund als Quartier angeboten, nämlich zur Vermietung für mehrere Hundert zur Unterbringung. Nachdem wir im September diese Quote in der Steiermark nicht erfüllt haben, wird es im Oktober durchaus legitim sein, diese Einsiedlung zu machen.

Herr Kollege Fürlinger hat zwar herausgekehrt, dass er Jurist ist, er hat aber dabei nur von im Eigentum des Bundes stehenden Gebäuden gesprochen und hat geflissent­lich – ich glaube, dass er das als Jurist weiß – nicht gesagt, dass es um solche Liegenschaften geht, die im Verfügungsrecht des Bundes liegen. Das heißt, der Bund kann auch etwas anmieten, wie es im konkreten Fall, den ich vorher geschildert habe, geplant ist, es geht also nicht nur um das Eigentum. (Bundesrat Mayer: Hat er auch gesagt!)

Auch diese sogenannte Obergrenze von 450 pro Grundstück ist sehr problematisch. Jeder weiß, dass es Gebäude gibt, die auch auf mehreren Grundstücken und Liegen­schaften verteilt sind. Und wenn es zwei sind, haben wir schon neu 900. (Bundesrat Todt: Kollege, das ist per Gemeinde definiert! Gesetz lesen!) – Das ist nicht falsch, das ist leider so.

Wenn Herr Fürlinger sagt, es handelt sich eigentlich nur um eine Kleinigkeit, dann muss ich schon sagen, wenn es für einen Juristen, einen Rechtsanwalt, eine Kleinig-


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keit ist, dass die Raumordnung, die Nachbarschaftsrechte per Verfassungsrang ausgehebelt werden, dann kann ich nur hoffen, dass diese Meinung nicht Platz greift bei allen Juristen in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Was sagen die Länder zu dieser unseligen Gesetzgebung? Leises Murren war zu hören, und im Übrigen erschöpft man sich in einer Art Autosuggestion. Auch unser Landeshauptmann Schützenhöfer hat das gemacht: „Haben Sie keine Angst (…). Wir werden das schaffen“ – so in Anlehnung an Merkel. Aber das hat mit realer Sachpolitik leider nichts mehr zu tun.

Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass dieses Durchgriffsrecht des Bundes vonseiten der Länder vielleicht gar nicht so unerwünscht ist. So können die Länder nämlich das Spiel betreiben, das sie schon öfter gemacht haben, nämlich ihre Hände in Unschuld waschen und sagen: Das war der böse Bund, der hat uns jetzt ein paar Hundert Asylanten vor die Nase gesetzt! (Bundesrat Schreuder: Asylwerber!) Nur haben sich die Länder und die Länderkammer mit diesem Gesetz mitschuldig gemacht, und das werden die Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen.

Ich war immer ein Verfechter und ein Verteidiger des österreichischen Föderalismus, aber nach dem heutigen Tag werde ich mir ein ganz schönes Stück schwerer tun, muss ich sagen. Da helfen die schönen Worte des Herrn Präsidenten, die er einleitend gefunden hat, leider gar nichts.

Ich überlege schon, was ich jenen sage – und darauf wird man oft angesprochen –, die sagen: Wozu brauchen wir eigentlich neun Bundesländer, neun gesetzgebende Körper­schaften in Österreich? Was ich ihnen jetzt antworten werde, weiß ich noch nicht. Soll ich ihnen sagen, Fischerei und Jagdrecht sind gewichtige Kompetenzen, die unbedingt bei den Ländern bleiben müssen? Oder soll ich sagen, der Streit um die Lehrer ist bedeutsam?

Aber ich muss ihnen sagen, wenn es um die Bewältigung von Krisen geht, sind die Länder offensichtlich nicht in der Lage, diese zu lösen, dann brauchen sie den Bund dazu, damit er die Drecksarbeit für sie erledigt. Aus diesen Gründen werden wir dieser Notstandsgesetzgebung nicht zustimmen. (Bundesrat Stadler: Na geh!)

Wenn Kollege Fürlinger vorher vom Weg zur Diktatur gesprochen hat, dann muss ich sagen: Die Geschichte lehrt uns, dass gerade Notstandsgesetzgebungen in vielen Ländern das waren, was den Weg zur Diktatur geebnet hat.

Kollege Lindner sitzt hier, hat in der Sitzung des Steirischen Landtages gemeint, er wird sich heute zu Wort melden – ich habe ihn auf der Rednerliste leider nicht ge­funden, aber vielleicht ergreift er noch die Gelegenheit –, und nach dieser Debatte im Landtag hat er gemeint, jetzt weiß er, was er zu tun hat, weil die Landesregierung gegen unseren Einspruch gestimmt hat. (Bundesrat Lindner: Der Landtag! – Bundes­rat Schennach: So genau nimmt er’s nicht!)

Eines hat er dabei grundlegend verkannt: Wir sind hier als Bundesräte nicht von der Landesregierung entsandt, sondern wir sind hier, um die Interessen der Bevölkerung unserer Bundesländer und nicht einer irregeleiteten Landesregierung zu vertreten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus den genannten Gründen bringe ich folgenden Antrag ein:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bun­des­verfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutz­bedürftigen Fremden wird gemäß Art. 42 Bundes-Verfassungsgesetz mit folgender Begründung Einspruch erhoben:


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Der gegenständliche Beschluss ist weder sachlich geeignet, das Problem der unkon­tro­llierten Migrantenströme zu lösen, noch entspricht er elementaren Grundsätzen der Verfassung, indem sowohl das bundesstaatliche als auch das rechtsstaatliche Prinzip durch Eingriffe in Gemeindekompetenzen und Nachbarrechte verletzt wird.

*****

Lassen Sie mich zum Abschluss, zumal nach mir ein Gutmensch das Wort ergreifen wird (Bundesrat Schreuder: Gutmensch … Schlechtmensch!), ein Zitat bringen. Es soll zum Denken, vielleicht zum Nachdenken anregen, ob wir hier wirklich mit unserer Blauäugigkeit, vor allem mit unserer grünen Blauäugigkeit (allgemeine Heiterkeit) am rechten Weg sind.

Der amerikanische Militärstratege Thomas P. M. Barnett schreibt in seinem Buch „Blueprint for Action“: Das Endziel ist die Gleichschaltung aller Länder der Erde. Sie soll durch die Vermischung der Rassen herbeigeführt werden, mit dem Ziel einer hellbraunen Rasse in Europa. Hierfür sollen in Europa jährlich 1,5 Millionen Ein­wanderer aus der Dritten Welt aufgenommen werden. Das Ergebnis ist eine Bevölke­rung mit einem durchschnittlichen IQ von 90, zu dumm, um zu begreifen, aber intelli­gent genug, um zu arbeiten. (Bundesrat Tiefnig: Ordnungsruf!)

Das ist ein Zitat aus diesem Buch. (Der Redner hält ein Buch in die Höhe.) Der gute Mann gehört unter anderem mit George Friedman zu den wesentlichen Thinktanks der Vereinigten Staaten. Er hat auch schon Donald Rumsfeld 2002, glaube ich, ent­sprechend beraten. (Bundesrat Mayer: Aber nicht unsere Regierung!) Das nur zum Nachdenken über die Gründe, warum vielleicht gerade jetzt im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ukraine-Krise eine dermaßen große Völkerwanderung über uns hereinbricht. (Beifall bei der FPÖ.)

14.16


Präsident Gottfried Kneifel: Der von den Bundesräten Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beige­gebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Bundesrat Schreuder zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


14.17.07

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte natürlich jetzt vieles zur vorhergehenden Rede sagen, aber ich halte es, ehrlich gesagt, für Zeitver­schwendung, denn wenn jemand endet mit ein bisschen Verschwörungstheorie, einer Prise Antiamerikanismus und ein bisschen Zitieren von irgendwelchen obskuren Texten, ist mir das irgendwie zu blöd, sage ich ganz offen.

Eine Sache sage ich jetzt aber doch ganz deutlich in Richtung Freiheitliche Partei: Ihr beruft euch so gerne darauf, dass Ihr im Interesse der Bevölkerung argumentiert. Das würde ich zum Beispiel nie behaupten. Ich weiß, dass die Grünen nicht die Mehrheit in dieser Republik haben, so wie im Übrigen keine Partei in dieser Republik die Mehrheit hat; weil es in einer Demokratie üblich ist, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Man tauscht diese miteinander aus, dann gibt es Wahlen oder Abstimmungen oder auch Diskussionen, wie man überhaupt zu einer Meinung kommt.

Wir wissen alle, dass sich in den nächsten Tagen und Wochen die Freiheitlichen im Siegestaumel befinden werden. Wir wissen auch alle, warum das so ist. Ich möchte


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das jetzt hier auch nicht stärker betonen. Allerdings möchte ich euch schon sagen: Es gibt immer noch 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreich, die euch für total unwählbar halten. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich bin sehr gerne ein Teil von diesen 70 Prozent; das ist sicher nur eine ungefähre Zahl, das ist mir schon bewusst. Eines ist mir aber schon aufgefallen: Als Flüchtlinge, Schutz suchende Menschen, Frauen, Männer – junge Männer, aber auch alte Män­ner –, Großeltern, Kinder, Jugendliche auf der Autobahn in Ungarn wanderten, gab es zwei verschiedene Reaktionen. Die eine Reaktion war: Wir haben einen Notfall, es ist ein humanitärer Notstand, wir müssen helfen.

Ich kritisiere die Innenministerin gerne, aber in dem Augenblick hat sie gehandelt, in dem Augenblick hat der Bundeskanzler gehandelt, das Rote Kreuz hat gehandelt, die Volkshilfe hat gehandelt, die Caritas hat gehandelt, die Diakonie hat gehandelt, der Samariterbund hat gehandelt, viele, viele Grüne haben auf den Bahnhöfen gehandelt, es haben Freiwillige gehandelt, es hat später die Polizei gehandelt, es hat das Bundesheer gehandelt. Nur eine Gruppe hat nicht gehandelt, sondern nur geraunzt und gelabert, und das waren die Freiheitlichen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Das ist auch der Grund, warum wir jetzt hier sitzen und nicht erst nächste oder übernächste Woche: weil es um Menschen geht, die in Zelten leben, in Hangars leben, wo es keine Heizung gibt, wo sich die Kinder jetzt schon erkälten. Startet nur die Wetter-App und schaut euch die Wetterprognose für die nächsten Tage an: Tiefst­tempe­raturen in der Früh: 7 Grad – jetzt, heute und morgen. Und die sind jetzt in Zelten und Fabrikshallen!

Ich bin froh, in einem Land zu leben, wo die politischen Verantwortungsträger und die verantwortungsvollen Menschen bereit sind, eine Sitzung vorzuverlegen, weil es einfach notwendig ist. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Es ist sehr vieles genannt worden, zum Beispiel gefälschte Pässe. Wisst ihr nicht, was in Syrien los ist? Beispielsweise in Aleppo gibt es keine funktionierenden staatlichen Strukturen mehr. Viele in diesen Flüchtlingscamps, auch in der Türkei, besitzen überhaupt keinen Pass mehr. Es gibt keine Stelle mehr, die irgendwo irgendeinen Pass verlängern würde. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) – Ich weiß, dass es nicht gut ist, dass sie fälschen, aber sie tun das vor lauter Verzweiflung.

Auch wenn ein Algerier oder eine Ägypterin mit einem gefälschten Pass kommt – meinetwegen, das mag es geben –, so hat trotzdem jede Person, und das ist Genfer Flüchtlingskonvention, das Recht auf eine faires Asylverfahren, wie immer es ausgeht. (Bundesrat Krusche: Und deshalb fälschen Algerier syrische Pässe!) Wenn man das nicht will, dann ist man gegen die Genfer Flüchtlingskonvention – dann seid so ehrlich und sagt, dass ihr gegen die Genfer Flüchtlingskonvention seid! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es gibt keine Flüchtlinge à la carte – so wie es auch kein „Asyl à la carte“ gibt, wie sich die ÖVP ausdrückt. Dieses Schild hat mich übrigens gewundert, denn es gab auch einmal eine Zeit, als die ÖVP schutzbedürftigen Christen Schutz geben wollte (Bundesrat Himmer: Vorrangig!), aber nicht schutzbedürftigen Muslimen. Das ist aber zum Glück jetzt auch schon vorbei, es gibt auch einen neuen Parteichef.

Man kann sich die Flüchtlinge nicht aussuchen. Menschen, die Schutz suchen und um Hilfe rufen, muss man in erster Linie laut Genfer Flüchtlingskonvention helfen und ein faires Asylverfahren garantieren, darum geht es. Und wenn man sie dann da hat, dann muss man sie unterbringen, menschenwürdig, mit medizinischer Versorgung. Und im Winter – wir sind in einem kalten Land – gehört geheizt. Wenn man das nicht will, dann


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will man, dass Kinder erfrieren. Das ist das, was die Freiheitliche Partei will. Eine Mehrheit hier in diesem Haus will das nicht.

Was wir heute auch beschließen, nämlich die 1,5 Prozent in den Gemeinden: Ich verstehe, dass die Freiheitliche Partei ein Problem damit hat, denn: Wo gibt es am wenigsten Fremdenhass, wo gibt es am wenigsten Rassismus? Wo gibt es übrigens auch die geringste Homophobie, den geringsten Antisemitismus und so weiter und so weiter? – Dort, wo die Leute sich kennenlernen, aufeinander zugehen und sich gegenseitig verstehen.

Das gilt natürlich für Menschen, die nach Österreich kommen, genauso wie für die Österreicherinnen und Österreicher. Wenn wir miteinander reden, wenn wir uns unter­einander verstehen, wenn wir unsere Schicksale und so weiter austauschen, dann wird die Freiheitliche Partei wesentlich weniger Stimmen in diesem Land haben, davon bin ich überzeugt. (Bundesrat Krusche: Man sieht in Paris, wie gut das funktioniert!) – Ja, ich weiß, ihr hättet es gerne so wie in Ungarn. (Bundesrat Herbert: Die machen’s wenigstens EU-konform!) – Lobt Ungarn, lobt Ungarn!

Die Essensausgabe in Röszke, die ich auf Bildern gesehen habe, hat mich an die Robbenfütterung im Schönbrunner Zoo erinnert. (Bundesrat Jenewein: Das sind Märchen, was du erzählst! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, dieses YouTube-Video, das von Frau Ehrenhauser dort vor Ort gemacht wurde, weil sie in Röszke geholfen hat, ist natürlich in euren Augen ein Märchen. Wenn ihr natürlich vorhandene Bilder als Märchen abkanzeln wollt, dann kann ich euch auch nicht helfen.

Wisst ihr, was die größte Errungenschaft von Europa ist? – Die größte Errungenschaft von Europa war der Fall der Berliner Mauer, das Durchschneiden des Eisernen Vor­hangs, dass man gesagt hat, wir leben ohne Grenzen gemeinsam in einem gemein­samen Europa.

Wenn eine Kraft – egal, ob sie Orbán heißt; wobei ich euch auch einmal fragen will, warum die Fidesz überhaupt noch Mitglied der Europäischen Volkspartei ist, das solltet ihr mir vielleicht auch einmal beantworten – neue Eiserne Vorhänge aufbaut, wenn das Aufbauen von neuen Eisernen Vorhängen und Stacheldraht – und diese hohen Zäune mit Stacheldraht oben, das ist ein Eiserner Vorhang (Zwischenrufe bei der FPÖ) – die Zukunft Europas ist, dann werde ich Widerstand leisten, solange ich lebe. Das kann ich euch versprechen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Die größte Perfidie ist, finde ich, dass einerseits gesagt wird, wir müssen gegen Schlepper vorgehen, und dann behauptet wird, wir müssen neue Grenzen und noch höhere Grenzzäune bauen. – Wer mehr Grenzen baut, wer mehr schließt, wer höhere Eiserne Vorhänge rund um sich macht, wer mehr abschließt, verursacht und fördert das Schleppergeschäft, verursacht Tote. Diese Politik ist verantwortlich für 71 Tote in einem Kühllaster auf der A 4. (Bundesrat Krusche: Bei uns ist die Schlepperei mittlerweile ...!) – Die Schlepperei ist die Folge von der Grenzen-dicht-Politik. (Bundesrätin Mühlwerth: ... das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist so, das wird euch jeder sagen. Okay, dann mache ich Sie auch mitver­antwortlich, Frau Mühlwerth, denn ihr seid für die Grenzen-dicht-Politik, und es ist doch immer schon so gewesen, dass eine Grenzen-dicht-Politik das verursacht. Das weiß jeder Experte, das weiß jeder Wissenschaftler, das ist völlig klar.

Man kann sagen, was man will – und wir werden noch über die Außenpolitik sprechen, und vor allem mein Kollege Dönmez wird auch noch auf die Region eingehen –, aber wenn wir vor Ort nicht handeln, wenn Not herrscht, wenn in Flüchtlingslagern Kinder nicht mehr in die Schule gehen können, werden irgendwann einmal die Mütter fragen: Was passiert mit der Zukunft meiner Kinder?


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In den Flüchtlingslagern im Libanon, in der Türkei und in Jordanien gibt es nicht mehr genug Ausbildung. Da wird sonst eine ganze Generation an Kindern ohne Zukunft aufwachsen – no na net machen sie sich auf den Weg, wohin sollen sie denn sonst gehen?

Und eines möchte ich auch einmal sagen: Ich bin gerne in einem Europa, wo die Menschen gerne hinkommen, weil sie das Gefühl haben, dass hier Menschenrechte, Sicherheit und soziale Standards gewährleistet sind. Und dass diese in Saudi-Arabien nicht gewährleistet sind, das spricht übrigens gegen die Islamismus-Theorie, die immer wieder geäußert wird, und das spricht auch für unsere Menschenrechte. (Vize­präsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Das soll uns eigentlich mit Stolz erfüllen. Wir sollen das Ganze viel mehr als Chance sehen. Ich glaube nicht, dass Europa jetzt gerade zugrunde geht. Ich glaube, dass Europas Werte jetzt um vieles erweitert werden, nämlich um die Menschenrechte und um die Menschenwürde. Das muss auf Platz eins stehen, wenn es um europäische Werte geht. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.27


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Herbert zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.28.05

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Kollege Krusche die doch einigermaßen interessanten, sagen wir einmal, Wissenslücken in der Raumordnung von Kollegen Fürlinger gefüllt hat, darf ich noch kurz zu Kollegen Schreuder kommen, weil da einiges richtigzustellen ist.

Die FPÖ ist nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Jeder, der auf Basis dieser Genfer Flüchtlingskonvention Recht auf Asyl hat, soll Asyl und Unterstützung bekom­men. Wogegen wir uns aber verwahren, ist dieser Tsunami an Wirtschaftsflüchtlingen, der derzeit unser Land überschwemmt und der nicht nur die Gesellschaft sozial über­fordert, sondern auch finanziell die Möglichkeiten des Bundes – sowieso –, aber auch der Länder und Gemeinden auf eine harte Probe stellt.

Gerade Sie als Vertreter der Regionen wissen, dass viele der Gemeinden derzeit mit einer sehr negativen Finanzspitze zu kämpfen haben und dass ihnen mit diesem Durch­griffsrecht, über das wir hier diskutieren, eine weitere große finanzielle Belastung aufgebürdet wird, weil nämlich weitere Kosten auf die Gemeinden zukommen, die ihnen nicht rückvergütet werden. (Bundesrat Stadler: Beispiele!) – Keine Kommunal­abgaben, Wasser, Kanal zum Beispiel. Aber ich denke, das ist Ihnen nicht unbekannt.

Ich denke, auch die soziale Stimmung in den Gemeinden ist Ihnen nicht unbekannt. Die ist völlig losgelöst von dieser heutigen Debatte und den Schönwetter-Reden, die ich hier bisher von den Kollegen der SPÖ, der ÖVP aber auch der Grünen vernommen habe, und spiegelt ein völlig anderes Bild in den Gemeinden wider als das, was hier gezeigt wird.

Ich darf Sie schon daran erinnern, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Sie sind nicht vom Bund in diesen Bundesrat entsandt worden, sondern von Ihren Landtagen. Sie sind Vertreter der Regionen, der Gemeinden, aber auch der Gemeindebürger, die Sie hier zu vertreten haben. Es ist Ihnen natürlich unbenommen, Ihr Wirken hier im Bun­desrat in den Dienst einer Partei – natürlich –, aber auch in den Dienst des Bundes zu stellen, und damit eigentlich der Aufgabenstellung, für die Sie hier herbestellt wurden, nicht nachzukommen, nämlich auch die vom Präsidenten in seiner einleitenden Rede


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angesprochene Würdigung des föderalen Charakters und der Begegnung auf Augenhöhe zwischen Bund und Ländern bei der Ausgewogenheit der Wahrung der Interessen. Für das treten Sie hier nicht ein, wenn Sie diesem Bundesverfas­sungs­gesetz zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf noch ein paar Zahlen bringen. Sie können gerne in der „Presse“, einer Tages­zeitung, die völlig unverdächtig ist, als eine Parteizeitung von uns angesehen zu wer­den, nachschauen. Diese hat am 11. September in einem Artikel von Josef Urschitz – das ist der Redakteur für die Außenpolitik in dieser Zeitung – einen Vergleich zwischen Österreich und Deutschland angestellt, in dem es um die Kosten, die aufgrund dieser Flüchtlingsbewegungen, dieser Flüchtlingsunterbringung entstehen, aber auch die Kosten, die mit der Versorgung zusammenhängen, geht. In diesem Artikel wird auch in die Schweiz geblickt. Die Schweiz hat eine ähnliche Struktur der Zuwanderer, wenn auch in verhältnismäßig geringerem Ausmaß – das gebe ich schon zu –, aber in der Relation ist sie ziemlich gleich, schreibt Urschitz. Eine Recherche der Flüchtlinge und der sozialen, sage ich einmal, Eingliederung dieser Flüchtlinge hat ergeben, dass der Anteil jener, die nach einem abgeschlossenen Asylverfahren in die bedarfsorientierte Mindestsicherung fallen, enorm ist. Bei Afghanen beträgt der Anteil 83,3 Prozent, bei Somaliern 81,3 Prozent, bei Eritreern 85,8 Prozent und bei Syrern – die qualifizierten Arbeitskräfte, wie wir im ORF immer hören! – 84 Prozent.

Das bedeutet, dass hier auch eine Kostenlawine auf die Republik zukommt, die Sie hier als Vertreter der Länder, der Kommunen, der Regionen mitverantworten, wenn Sie diesem Gesetz hier zustimmen.

Die Problematik, die sich hier stellt, ist nicht nur, dass Sie hier die Zustimmung geben, dass man hier den Flüchtlingen nach einem abgeschlossenen Asylverfahren den direkten Weg in die bedarfsorientierte Mindestsicherung ebnet, sondern auch, dass Sie negieren, dass nur ein geringer Teil dieser Zuwanderer tatsächlich qualifizierte Arbeits­kräfte sind und der Großteil in der sozialen Hängematte übrig bleibt.

Das heißt, wir sind nicht nur dabei, unsere Bevölkerung mit den ganzen Problemen, die sich durch diesen rasanten Zuwanderungsanstieg in den Gemeinden, in den Regionen ergeben, sozial zu überfordern – ich brauche Ihnen wohl kaum Beispiele aus Ihren Regionen, aus Ihren Gemeinden nennen, in denen es diese Konflikte gibt –, sondern wir sind auch drauf und dran, die Republik, aber auch die Länder und die Gemeinden – Stichwort negative Finanzspitze – finanziell zu überfordern.

Ich darf Sie daher noch einmal eindringlich ersuchen, Ihr Stimmverhalten, dass Sie hier schon im Vorfeld kundgetan haben, nämlich die Zustimmung zu diesem Bundesverfas­sungsgesetz, zu überdenken. (Zwischenruf des Bundesrates Lindinger.) Ich möchte nicht in Ihrer Lage sein, wenn Sie gefragt werden, warum Sie als Bundesrat Ihrer Region gegen die Interessen Ihrer Region gestimmt haben, warum Sie dafür gestimmt haben, dass die Gemeinden Ihrer Region zusätzlich finanziell belastet werden und dass dort dann ein soziales Chaos mit einer überbordenden Aufnahme von Flücht­lingen besteht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist Ihr Problem, mit dem werden Sie sich auseinandersetzen müssen (Bundesrat Novak: Bring einmal einen Lösungsansatz!), wir glücklicherweise nicht, weil unsere Position hier eine klare ist. Ich denke aber, noch einmal, ein Appell kann nicht schaden.

Daher noch einmal der Appell an Sie: Überdenken Sie Ihre Position! Die Bevölkerung, Ihre Wähler, aber auch Ihre Bürgermeister und Ihre Gemeindevorstände werden es Ihnen danken, denn die Meinung der Bürgermeister – auch Ihrer Fraktionen – ist da völlig losgelöst von der Meinung, die die Bundesparteien ausgeben. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)


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Also Kollege Mayer, ich darf einen kleinen Ausflug in die kommunale Politik machen. (Bundesrat Mayer: Aber nicht lange! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich war am Dienstag bei einer Veranstaltung über die Neueinteilung von Fahrplänen und Gebühren in Bezug auf den öffentlichen Verkehr. Bei uns heißt es VOR, Verkehrs­verbund Ost-Region. Diese Veranstaltung hat zirka zwei Stunden gedauert und fand in der BH statt. Dort waren etliche Bürgermeister, Gemeindevertreter aus fast allen Gemeinden in der Region. Vor und nach dieser Besprechung gab es nur ein Thema: die Flüchtlingsproblematik. Es waren Vertreter von der ÖVP dort, aber von der SPÖ war niemand da. (Bundesrat Stadler: Wichtig ist, dass du dort warst! Auf dich haben sie nur gewartet!)

Die SPÖ hat sicherheitshalber gar keinen Bürgermeister und keinen Vizebürgermeister geschickt, denn die treten momentan gar nicht in Erscheinung, weil sie so in Deckung vor ihren eigenen Wählern sind. Viele haben dort gesagt, dass das, was hier abgeht, nicht in ihrem Sinne ist. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Die haben das völlig differenziert gesehen. – So viel zum Thema regionale Entwicklung. Das müsstest du eigentlich wissen, Kollege Mayer.

Aber ich setze dessen ungeachtet jetzt fort. Sie werden Ihre Entscheidung fällen; Sie werden Ihre Stimme hier abgeben, und ich bin leider davon überzeugt, dass Sie nicht zum Wohle der Länder, nicht zum Wohle Ihrer Landtage, die Sie entsendet haben, nicht zum Wohle der Regionen, aus denen Sie kommen, nicht zum Wohle Ihrer Gemeinden sein wird, sondern leider nur zum Wohle Ihrer Bundesparteien. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.)

Noch ein kurzer Abschluss, weil es mir wesentlich am Herzen liegt: Ich möchte mich in meiner Rede abschließend noch bei allen Angehörigen der Polizei und auch des Bundesheers bedanken. Die haben hier wirklich mit großem persönlichen zeitlichen Einsatz versucht, dieses Chaos in der Zuwanderungspolitik, das hier von der Bundes­regierung – zuerst untätigerweise, dann unfähigerweise – herbeigeführt wurde, einiger­maßen zu bewältigen.

Viele Überstunden sind da angefallen, viele soziale Probleme sind aufgetaucht, wenn Angehörige des Bundesheers oder der Polizei mehr als 30 Stunden lang im Dienst sind. Diese haben vielleicht auch eine Familie, vielleicht auch soziale Interessen, die zu erfüllen sind, vielleicht sogar nur einen Hund, der ab und zu auf die Gasse muss. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Stadler: Stell dir vor, es wäre ein Diensthund!) Das alles haben sie zum Wohle der Republik zurückgestellt; und dafür gebührt den Bediensteten des Bundesheers und der Polizei unser aller Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina. – Bundesrat Stadler: Du bist ein Dackel! – Bundesrat Lindinger: Jetzt weiß ich, warum der Salzburger Kollege ausgetreten ist!)

14.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte.

 


14.38.29

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste bei uns im Haus! Ich durfte vor zwei Tagen, am vergangenen Mittwoch, einen Kindergarten in der Donaustadt besuchen, und was ich dort erlebt habe, erfüllt mich mit Hoffnung.

Ich durfte eine Kindergartengruppe besuchen, in die vor drei Wochen ein Flüchtlings­kind – es ist fünf Jahre alt – aus Syrien aufgenommen wurde. Auf den ersten Blick konnte ich nicht erkennen, welches dieser Kinder das Flüchtlingskind war. Die Pädagogin musste es mir heimlich deuten, welches Kind die kleine Aylin ist. Sie spielte


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gerade mit zwei anderen Mädchen auf einem Teppich. Ich habe die Pädagogin gefragt, wie sich denn auch die Beziehung zur Familie von der kleinen Aylin gestaltet, und sie hat mir erzählt, dass es abseits von sprachlichen Schwierigkeiten gelungen ist, bei einem Elternabend, der in der vergangenen Woche stattgefunden hat, die Eltern von Aylin und die Eltern der anderen Kinder zusammenzubringen. Sie hat von einer über­wäl­tigenden Bereitschaft aller Familien erzählt, diese neue Familie zu begleiten und in diese Gemeinschaft aufzunehmen.

Ich denke mir, das, was hier in einem Kindergarten passiert, ist beispielhaft. Einige von uns hier im Raum könnten sich eine Scheibe davon abschneiden, weil hier nämlich Herausforderungen einfach gelöst werden, anstatt sie ständig zu problematisieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

Das, was ich hier im Kleinen in einem Kindergarten erleben durfte, bestätigt sich bereits den ganzen Sommer durch meine Erfahrung. Bei allen Aktivitäten, an denen ich diesen Sommer teilnehmen durfte, ob das in Traiskirchen war, ob das in Erdberg war, ob das am Westbahnhof war, überall dort, wo ÖsterreicherInnen und Flüchtlinge direkt in Kontakt miteinander kommen – Marco Schreuder hat das ganz richtig vorhin schon gesagt –, entsteht Begegnung, entsteht Kontakt und entstehen Beziehungen. Dann geht es plötzlich um eine Mensch-zu-Mensch-Situation, und dann sind plötzlich nebulose Vorurteile, Ängste und Barrieren weg, weil sie plötzlich keinen Sinn mehr ergeben.

Das, was bei den Kindern innerhalb von Sekunden gelingt, gelingt dann bei uns Erwachsenen mit etwas Verzögerung, aber es gelingt, es entsteht ein Kontakt und es wird ein Mensch gesehen. Wir wissen das wirklich schon sehr lange; dort, wo sich die Bevölkerung durchmischt, und dort, wo diese Begegnung stattfindet, sind die Beden­ken um einiges weniger als dort, wo man nie in einen Kontakt mit anderen gekommen ist.

Warum erzähle ich das? – Weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Aufnahme der Flüchtlinge, die derzeit nach Österreich kommen, nur dann gelingen kann, und zwar nachhaltig gelingen kann, wenn es die Möglichkeit gibt, dass sich diese Men­schen persönlich begegnen. Überall, in ganz Österreich, gibt es Vereine, NGOs, soziale Netzwerke, die das Potenzial haben, diesen neuen Familien, unseren neuen MitbewohnerInnen, in den Gemeinden bei diesem Zurechtfinden – im Kindergarten würde man sagen: bei der Eingewöhnung – zur Seite zu stehen und sie dabei zu begleiten.

Der Staat und die Regierung sind gefordert, diese Menschen, die neu zu uns kommen, gerecht zu verteilen und gemeinsam zu schauen, dass es menschenwürdige Unter­künfte gibt. Dafür beschließen wir heute hoffentlich dieses Gesetz.

Alles andere wird sich – davon bin ich überzeugt – vor Ort ergeben, und die Menschen werden vor Ort zusammenhalten und das alles bewältigen können. Natürlich sind alle Ebenen unseres Staates aufgefordert, dann bei den zusätzlichen Themen – wie Schul­plätze finden et cetera – zusammenzuhelfen. In dieser überschaubaren Größenord­nung, wie es in diesem Gesetz vorgeschlagen wird, wird es den Gemeinden aber gelingen.

Dass dieses Gesetz heute hoffentlich kommen wird, ist höchst an der Zeit. Wir warten schon viel zu lange, und viel zu viele Nächte haben Flüchtlinge – es waren Hunderte Kinder und Familien, derzeit sind es 1 700 – in Zelten übernachten müssen. Wir alle merken, dass es draußen kalt wird. Es wird verdammt kalt; und wen das kalt lässt, dass Menschen jetzt in Zelten schlafen müssen, dem möchte ich keine politische Verantwortung zutrauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)


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Auf die Hunderten obdachlosen Flüchtlinge vor den Toren des Lagers in Traiskirchen werde ich jetzt gar nicht eingehen. Das Lager in Traiskirchen – und dafür schäme ich mich als Bürgerin dieser Republik – muss endlich entlastet werden. Es gibt absolut keine Rechtfertigung dafür, was dort seit vielen Monaten vor sich geht. Diese un­zähligen Menschenrechtsverletzungen sind absolut inakzeptabel.

Aber: Es gibt so viele Gemeinden in Österreich, die mit bestem Beispiel bereits voran­gegangen sind und die zeigen, wie selbstverständlich man Flüchtlinge – und der Richtwert sind derzeit 1,5 Prozent der Bevölkerung – aufnehmen kann. Ich bin heute als Wienerin wirklich stolz, sagen zu können, dass die Stadt Wien diese Herausforde­rung mit einer Souveränität bewältigt, die beispielhaft ist für viele andere Städte und Gemeinden. Hier wird einfach getan, was zu tun ist, ohne Angst zu machen, ohne ein Problem größer zu machen, als es ist, und das finde ich großartig.

Wir gehen in Wien jetzt schon dazu über, das Potenzial der neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger und die Chance dieser Situation zu sehen; es wird nämlich geschaut, mit welchen Bildungsabschlüssen, mit welchen Bildungsniveaus diese Menschen kommen und wie wir sie am besten in unser Bildungssystem, in unser Arbeitssystem integrieren und davon auch profitieren können.

Ich verstehe also das vorliegende Gesetz als einen letzten Hebel, als eine Möglichkeit, um auch die Länder und die Gemeinden, die bisher nicht solidarisch waren, in die Pflicht zu nehmen. Hier wurde eine Artikel-15a-Vereinbarung, die es gibt, einfach nicht eingehalten, und wir brauchen jetzt diese Möglichkeit, um hier eine gerechte Verteilung vorzunehmen. Wir fordern schon seit Monaten, dass dasselbe auch innerhalb der EU durch die einzelnen Mitgliedstaaten gerecht gelöst wird; schön langsam kommt auch das in die Gänge. Für die EU ist das tatsächlich eine Riesenherausforderung – wir merken das –, fast schon eine Zerreißprobe. Auch hier stellt sich die Frage, ob man dieses Thema mit Gewalt, Abgrenzung und Abschottung lösen will – wie es auch einige hier vorschlagen –, oder eben einfach mit Anstand und Menschlichkeit.

Jetzt ist der Punkt gekommen, an dem wir in Österreich mit guten und fair aufgeteilten Quoten als Beispiel vorangehen können. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

14.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dörfler. – Bitte.

 


14.46.27

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Kanzleramtsminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war heute eine Stunde am ehemaligen Südbahnhof, dem heutigen Hauptbahnhof in Wien; ich bin betroffen, bestürzt, aber auch besorgt.

Wenn ich mir heute so manche Wortmeldung anhöre, möchte ich auch die Stimmung und die Wortmeldungen der Spitzenpolitiker in Österreich und Europa zur aktuellen Situation festhalten. Die Meinung des Herrn Vizekanzler zu Asyl à la carte ist aus­reichend bekannt und wurde heute schon diskutiert. Der Herr Vizekanzler Mitterlehner sagte am 12. September in den „Salzburger Nachrichten“:

„Die Solidarität der Bevölkerung gegenüber Notleidenden ist mittlerweile ausgereizt und überstrapaziert.“

Der SPÖ-Bürgermeister von Liebenfels in Kärnten und auch langjährige Landtags­abgeord­nete Klaus Köchl sagt:


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 51

Die Menschen haben Angst, es geht wirklich die Angst um; wir brauchen raschest eine Asylantenhöchstgrenze für Österreich. – Zitatende.

Das ist aus der „Kronen Zeitung“ vom 19. August. Ich kann immer auch dazusagen, wo es publiziert wurde, wenn es für das Protokoll notwendig ist.

Gabriel Obernosterer, langjähriger Abgeordneter der ÖVP und besonders gläubiger Christ, sagte in der Kärntner Ausgabe der „Kronen Zeitung“ vom 22. August:

Stopp, es reicht! Uns droht eine Revolution. Österreich dürfe nicht länger für Asylanten ein Schlaraffenland darstellen. Das müsse enden. – Zitatende.

Das sagt ein Christ der ÖVP in Kärnten zur „Kronen Zeitung“. (Zwischenruf des Bundesrates Weber. – Bundesrätin Kurz: Genau! Sonntagschrist!)

Vizekanzler Sigmar Gabriel der SPD – für die, die es nicht wissen – sagte der „Bild“-Zeitung, und das hat auch die „Kronen Zeitung“ in Österreich publiziert:

„Wir können nicht allen Menschen eine Heimat sein (…) Wenn es so weiter geht, ist Europa in Gefahr.“ 

Das ist immerhin der Vizekanzler Deutschlands. Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, sagte in der „Kronen Zeitung“ am 10. September:

Die EU ist in keinem guten Zustand im Zusammenhang mit dieser Frage. – Zitatende.

Am 7. September zitiert die „Kronen Zeitung“ einen Abgeordneter der CSU in Bayern, der meint, „das Eis ist viel dünner, als wir alle glauben“.

So geht es weiter bis zum ehemaligen Innenminister Karl Schlögl:

So kann es nicht weitergehen. – Zitatende.

Der betroffene SPÖ-Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, sagt laut der „Kleinen Zeitung“:

In der Asylfrage stehen wir vor einem Kollaps des politischen Systems. – Zitatende.

Hochinteressant ist auch, was Karl Blecha, einer der prominentesten SPÖler der jüngeren Parteigeschichte, in der Kärntner Ausgabe der „Kronen Zeitung“ am 16. Juli sagt:

Das ist alles erst der Anfang einer langen Entwicklung. Millionen Flüchtlinge drängen nach Europa und sorgen für große Sorgen, auch bei der älteren Generation. – Zitat­ende.

Peter Stauber von der Kärntner SPÖ sagt zu diesem heute zu beschließenden Gesetz:

Das neue Gesetz ist äußerst bedenklich. – Zitatende.

Heute ist von Vizekanzler Mitterlehner zu lesen:

Und so Unrecht hat Viktor Orbán ja gar nicht. – Zitatende. (Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.)

Wenn ich mir diese Aussagen der Spitzenpolitiker unserer Republik und auch aus Europa als Basis der Diskussion hernehme, dann möchte ich das hier einmal hinter­fragen. Ich bin weder Gutmensch noch Schlechtmensch, ich bin aufrechter Öster­reicher und Europäer. Ich bin auch sehr viel in Bosnien und Herzegowina, und ich kenne auch die Probleme, die dort entstehen, wo sich drei Ethnien und drei Religionen treffen – alleine durch das Zusammenprallen der muslimischen Bevölkerung und der Politik. Ich war auch in Srebrenica.  Dort hat mich übrigens schockiert, dass die Spitze Österreichs bei der 20-Jahre-Gedenkfeier mit 50 000 trauernden Menschen und vielen Regierungs- und Staatschefs – speziell aus Südosteuropa – nicht vertreten war. Das


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 52

heißt, da sieht man, wenn man dort einmal tiefergreifend diskutiert, wo die Probleme liegen.

Ja, wenn Menschen am Südbahnhof sind, dann habe ich die Sorgen Integration, Sprache, Bildung, Kultur, Religion, Menschrechte. Marco! Wenn wir von Menschen­rechten reden, reden wir wohl hoffentlich auch von Frauenrechten; und wie die im Islam großteils ausschauen, ist uns ausreichend bekannt. Das heißt, es muss wohl klar sein, dass Integration auch bedeutet, dass wir von Rechten sprechen, die für alle zu gelten haben, dass es nicht sein kann, dass wir einen Radikalimport nach Europa durchführen und dann vielleicht hoffen, dass sich irgendwer integriert und erkennt, dass Staat und Religion zu trennen sind, dass Frauen zu 100 Prozent die gleichen Rechte haben wie Männer und nicht missachtet werden dürfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Was hat das mit Asylrecht zu tun?!)

Marco! Ich habe dir auch nicht hineingeredet, ich habe dir gerne zugehört; übrigens: Wenn ihr 10 Prozent der Wählerstimmen habt und wir 30, dann haben wir dreimal so viele wie die Grünen – das ist eine ganz einfach Rechnung. Und wenn dreimal so viele Wähler in Oberösterreich und in Wien sagen würden, dass die Freiheitlichen mehr recht haben als die Grünen, dann vertreten wir von der FPÖ das Interesse der Menschen wesentlich intensiver als ihr Grünen.

Jetzt komme ich aber zur wichtigsten Sozialleistung, die es gibt, das ist für mich eine Arbeit mit einem Einkommen zum Auskommen. Jetzt schauen wir uns einmal die Zahlen in Österreich an. Im März gab es in Wien ein Plus von 23 Prozent an Arbeits­losigkeit – die traurige Goldmedaille. Zweiter ist Oberösterreich mit 12,4 Prozent. Die Zunahme der Ausländer ohne Arbeit liegt bei 22,2 Prozent. Im Juni gibt es in Öster­reich einen Zuwachs an Arbeitslosigkeit um 7,7 Prozent. Wien erreicht mit 22,7 Prozent leider wieder Platz eins, Oberösterreich mit 11,5 Prozent Platz zwei; und mit 25,8 Pro­zent haben die Zuwanderer beziehungsweise die Ausländer den höchsten Zuwachs am Arbeitsmarkt, was die Sorgen anbelangt. Im Juli gibt es ein Plus von 7,2 Prozent, wieder führt Wien mit 18,9 Prozent, in Oberösterreich steigt die Arbeitslosigkeit weiter um 11,4 Prozent und es gibt 17 Prozent Zuwachs bei der Ausländerarbeitslosigkeit. So geht es weiter bis zum August.

Es gibt auch die Problematik der arbeitslosen Asylberechtigten: Wir hatten 2009 5 658 Asyl­berechtigte ohne Arbeit. Wir haben 2015 15 982 Asylberechtigte ohne Arbeit – ich vergleiche jeweils den Stand im August; das ist eine dramatische Zunahme von 10 324 Personen oder 182 Prozent.

Was will mich mit diesen Zahlen sagen? – Ich will Folgendes sagen: Wenn wir Inte­gration schaffen wollen in Europa und in Österreich, dann müssen wir diesen Men­schen auch eine Arbeit geben können. Jetzt komme ich aber zur Naivität mancher, die da so tun, als ob alles so einfach zu regeln wäre. Solidarität heißt für mich zu teilen. Teilen kann ich dann, wenn ich etwas zu teilen habe. Wenn die „Familie Europa“ 50 Millionen Menschen hat, die ihre Wohnungen nicht mehr heizen können, wie eine aktuelle internationale Studie beweist, dann müssen wir wohl einmal schauen, dass wir für die, die hier sind, egal ob hier geborene oder zugewanderte Europäer, alle Woh­nun­gen beheizen können, dass alle eine Arbeit haben, weil wir eine Rekordarbeits­losigkeit haben. Es ist bedrückend zu wissen, wie es in Italien, Spanien, Portugal – von Griechenland will ich gar nicht reden – ausschaut. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Das heißt, dass es da um eine Grundhaltung geht. Wir waren acht Kinder zu Hause, und wenn mein Vater immer die Nachbarskinder ernährt hätte und wir nichts gehabt hätten, dann wäre es irgendwann problematisch geworden. (Bundesrat Mayer: Das ist zu vereinfacht ausgedrückt – wirklich!) Wenn alle etwas haben, weil wir etwas zum


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Teilen haben, ist das christlich. Ich habe aber die Sorge, dass wir hier eine sozusagen falsch verstandene Großzügigkeit leben. Ich mache mir um jeden Menschen, den ich heute am Südbahnhof getroffen habe, Sorgen, ich darf aber auch festhalten – ich hätte auch Fotos hier –, dass es in etwa 80 Prozent junge Männer sind. Es ist bedrückend, Frauen mit Kindern zu sehen, wenn die Mutter mit dem Kind irgendwo am Boden schläft. Das ist bedrückend, denen ist zu helfen, da sind wir uns einig, aber wir müssen einen Korb zum Verteilen haben.

Diese Solidarität, die Europa für sich selbst nicht erbringen und leisten kann – und auch Österreich mit seiner Rekordarbeitslosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht –, ist ein Import von Problemen, die wir uns heute schaffen und morgen nicht lösen können. Das heißt, es muss ein geordneter Zuzug die Grundlage einer vernünftigen Politik sein.

Herr Minister! Immerhin sind je nach Bundesland die Bürgermeisterparteien eher und großteils die SPÖ und die ÖVP; das heißt, die Bundesregierung muss eigentlich die eigenen Bürgermeister per Gesetz zur Ordnung rufen, weil sie den Verpflichtungen nicht nachkommen. Manche können es nicht, weil die Infrastruktur und Angebote in den Gemeinden nicht passen.

Wir haben in Kärnten zum Beispiel den Bezirk Völkermarkt, der weit übererfüllt – ich glaube, dort ist man schon fast bei 200 Prozent. Warum? – Weil dieser Bezirk Völker­markt viele Tourismusbetriebe hat, die am normalen touristischen Markt nicht mehr agieren können und daher seit der Jugoslawienkrise eine Tradition in der Flüchtlings­begleitung und Flüchtlingsversorgung haben.

Der Bezirk Spittal mit den Gemeinden Bad Kleinkirchheim, Heiligenblut, Mallnitz, Renn­weg am Katschberg ist eine andere Region, die einen Tourismus hat, der besser funktioniert, und liegt weit unter der Quote. Das heißt, es sind in einem Bundesland zwei Bezirke, wobei der eine übererfüllt und der andere nicht erfüllt. Wenn ich daran denke, dass in Ossiach eine Bundeseinrichtung geschaffen werden soll, dort aber vorher die Polizei geschlossen wurde, dann frage ich mich schon, welche Infrastruktur man denn überhaupt braucht, um im größeren Ausmaß Flüchtlinge betreuen zu kön­nen.

Ein Dach über dem Kopf ist gut, und geheizt soll es auch sein, aber ich habe da so meine Sorgen; und das ist das, was die Menschen bewegt und verunsichert. Ich weiß, dass es in der SPÖ und auch in der ÖVP auch Einzelmeinungen gibt, die ich in manchen Bereichen auch teile. Insgeheim ist das, was einige Spitzenpolitiker in den von mir eingangs vorgebrachten Zitaten sagen, sehr wohl auch die Sorge, die wir gemeinsam haben. Wir sollten weder in Gut- noch in Schlechtmenschen oder in mehr oder weniger Solidarität teilen, sondern wir haben eine Verantwortung.

Eines noch: Die Amerikaner machen die Kriege, und Europa hat die Probleme. Wo begann es denn überhaupt? – Erforschen wir noch einmal die geopolitische Ge­schichte der jüngsten Jahre. In Afghanistan, da haben die Amerikaner die Mudscha­heddin bewaffnet – nicht um den Afghanen die Freiheit und Demokratie zu bringen, sondern um den Kommunismus, die Russen zu vertreiben. Was wurde dort geboren? – Al Kaida. Na ja, der Herr bin Laden hat dann einmal heftigst und furchtbar in New York gewütet, und dann ist der Herr Bush gekommen und hat gesagt, dass er jetzt den Irak dem Erdboden gleichmachen wird. – Und so geht es weiter.

Jetzt erwähne ich den Efgani, den ich sehr schätze, der ein vorbildliches Modell sozusagen einer bestens gelungenen Integration ist (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen), der auch kritisch ist und nicht immer nur einseitig tickt. Das darf ich wirklich einmal sagen. (Bundesrat Schreuder: Ein integrierter Gmundner! – Zwischenruf des Bundes­rates Dönmez.) Wurscht! Aber du weißt schon, was ich meine: den Stammbaum. Aber


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wenn sich jetzt wieder die Türken gegen die Kurden und der Irak gegen die Türken richten, wie soll denn dann der Frieden zustande kommen?

Ich frage mich überhaupt, wofür wir diesen Diskutierverein UNO noch haben. Früher war die UNO auch mit österreichischer Beteiligung so etwas wie ein Weltsicherheits­polizist; heute ist die UNO ein Diskutierverein, der es nicht schafft, Brandherde dieser Welt zu löschen. Das ist die Aufgabe, die es gibt. Wir werden das Problem nur an der Wurzel packen können. Solidarität ist etwas Wichtiges – und ich glaube, da sind wir uns alle einig –, nur wenn Solidarität dazu führt, dass wir den Menschen keine Arbeit mehr geben können, dass in Europa 50 Millionen Menschen ihre Wohnung nicht heizen können, dann ist die Sorge und Angst vieler Menschen verständlich und berechtigt.

Wir haben eine gemeinsame Herausforderung. Nur mit diesem Gesetz, das der Gemeindebundpräsident Mödlhammer für die ÖVP und der Gemeindebundpräsident meines Bundeslandes Peter Stauber  für die SPÖ kritisiert, kann ich halt wirklich nichts anfangen.

Dann gibt es noch den Spezialfall Niederösterreich mit Traiskirchen. (Bundesrat Schreuder: Ende der Redezeit!) Da bin ich voll auf der Seite des Bürgermeisters, der seit geraumer Zeit darauf hinweist, dass in Niederösterreich die Quotenaufteilung nicht funktioniert. Der Herr Pröll lässt sich vom Bund Traiskirchen zahlen und macht dann mit der Frau Mikl-Leitner Politik, die nicht korrekt ist.

Die anderen Bundesländer müssen die 40:60-Quote der Finanzierung erfüllen. Der Herr Pröll sagt, dass er Traiskirchen hat und nichts in seine Gemeinden aufnimmt – die Grünen haben es schon einmal artikuliert –, und damit erspart er sich in der nieder­österreichischen Landeskasse viele Millionen Euro. Wenn allein Traiskirchen von An­fang an anders bewertet worden wäre – nämlich eine faire Bewertung der zu betreu­enden Menschen –, dann hätte der Herr Erwin ohne Bundesbetreuungs­einrichtungen schon längst Farbe bekennen müssen. Das ist für mich – so scheint es ab und zu – ein durchschaubares politisches Spiel. Vielleicht machen wir schon ein bisschen Bun­despräsidentschaftswahlkampf – so quasi der strenge Erwin. (Zwischen­ruf des Bun­des­rates Tiefnig.)

Das, was da passiert, ist nicht korrekt, nämlich dass der Bund zahlt, Niederösterreich angeblich die Quote erfüllt und der Herr Bürgermeister sich zu Recht aufregt. Ich zitiere noch einmal den Bürgermeister Andreas Babler:

In der Asylfrage stehen wir vor einem Kollaps des politischen Systems. – Zitatende.

Und der wird es wohl wissen, wenn er Bürgermeister von Traiskirchen ist. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

14.59


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich Herrn Minister Ostermayer das Wort erteile, möchte ich daran erinnern, dass wir eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten vereinbart haben. – Bitte, Herr Minister.

 


14.59.44

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Lieber Gerhard Dörfler – ich hoffe, ich darf das auch hier sagen –, ich danke dir, dass du Argumente gebracht hast, über die man diskutieren kann. Das ist aus meiner Sicht ein durchaus positiver Ansatz. Du hast einige Punkte erwähnt, doch: Die Kritik von Peter Stauber ist bereits ein bisschen her, die Kritik vom Gemeindebundpräsidenten Mödlhammer ist ebenfalls schon ein bisschen her. Ich war auch im Hearing des


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Verfassungsausschusses  – der übrigens hier, in diesem Raum, stattgefunden hat, wie mir gerade einfällt –, und wir haben dort die Dinge gründlich diskutiert.

Die Sorge, die Präsident Mödlhammer hatte, war, dass das Wort hat – also: die Gemeinde hat 1,5 Prozent zu erfüllen – zur Entstehung von Amtsmissbrauch führen könnte, wenn das nicht erfüllt ist. Wir haben klargestellt, dass diese Sorge nicht besteht. Auch davor hat es bereits die Bestimmung gegeben, dass Gemeinden sich auch einigen können, miteinander diese Quote zu erfüllen. Ich glaube daher: Diese Kritikpunkte sind Kritikpunkte der Vergangenheit.

Dies zeigt auch, dass der Prozess der Gesetzwerdung eigentlich ein sehr sauberer war. Es ist ein Entwurf gemacht worden, der Entwurf ist diskutiert worden, es hat ein Hearing gegeben, auch die Experten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzler­amtes standen zur Verfügung. Insofern finde ich es ehrlich gesagt empörend – aber das müssen Sie letztendlich beurteilen –, wenn dann gesagt wird, dass ein Initiativ­antrag eine Perfidie ist. (Bundesrätin Kurz: So ist es!)

Der Initiativantrag ist eine Form der Gesetzwerdung in der österreichischen Bundes­verfassung. Die Abgeordneten des Nationalrates haben diesen Weg gewählt, haben einen Initiativantrag eingebracht, da ist auch intensiv mitgearbeitet worden. Es haben übrigens zwei weitere Fraktionen mitgestimmt und eine dieser Fraktionen, nämlich die Grünen, intensiv mitgearbeitet. Dass die Regierung immer Dinge macht, ohne die Opposition einzubinden, ist demnach schlicht und einfach falsch, denn dann könnten wir überhaupt nie Verfassungsbestimmungen beschließen und schon gar nicht Ge­setze, die einstimmig beschlossen werden. Übrigens ist gestern ein Entschließungs­antrag, auf den ich noch zurückkommen werde, ebenfalls einstimmig beschlossen worden.

Ich finde es auch erfreulich – und ich hoffe, das ist jetzt keine Fehlinterpretation von dir –, dass wir insofern konform gehen, als die Menschenrechtskonvention, die Genfer Flüchtlingskonvention und deren Zusatzprotokolle sowie die Grundrechtecharta der Europäischen Union derart hohe Güter sind, dass sie außer Streit stehen. Wenn dies außer Streit steht, dann gibt es schlicht und einfach die Verpflichtung, Menschen, die politisch verfolgt werden, rassistisch verfolgt werden oder die aufgrund kriegerischer Situationen flüchten müssen, zu helfen. (Bundesrat Krusche: Das haben wir nie bezweifelt! – Bundesrat Dörfler: Das habe ich nie infrage gestellt!) – Nein, das habe ich ja auch nicht gemeint, ich habe gesagt: Danke, ich hoffe es ist keine Fehlinter­pretation, dass wird da d’accord gehen. (Bundesrat Krusche: Das hat aber niemand von uns gemacht!)

Wenn aber gesprochen wird von einem Tsunami an Wirtschaftsflüchtlingen (Bundesrat Herbert: Ja, genau!), dann würde mich erstens interessieren: Woher wissen Sie das? In einem Land wie Österreich, in einer rechtsstaatlichen Demokratie entscheiden über diese Frage das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das Bundesverwaltungs­gericht und die Höchstgerichte (Bundesrätin Mühlwerth: Aber wir haben ja niemanden registriert …!), und unter bestimmten Umständen geht es auch noch um das Euro­päische Gericht für Menschenrechte.

Sie haben behauptet, dass es ein Tsunami an Wirtschaftsflüchtlingen ist, Sie haben, so glaube ich, sogar behauptet, dass es 80 Prozent sind, dass Syrer nicht Syrer sind. – Ich stelle mir nun schlicht und einfach die Frage: Woher wollen Sie das wissen? (Bundesrätin Kurz: Ja!) Sie können es nicht wissen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie können es nicht wissen (Bundesrätin Kurz: Genau!), und wenn Sie es nicht wissen können, ist es ein Vorurteil (Bundesrätin Kurz: Genau!), und dieses Vorurteil dient ausschließlich dazu, Menschen gegeneinander aufzuhetzen (Bundesrätin Kurz: Ge-


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nau!), Ängste und weitere Vorurteile zu schüren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Krusche: Das Vorurteil …!)

Herr Krusche, ich werde mir das Protokoll genau anschauen, mich interessiert das wirklich im Detail. Zwar musste ich in diesem Moment gerade ein SMS schreiben und habe es daher nicht ganz genau und wörtlich wahrgenommen, aber wenn das stimmt (Bundesrat Schennach: Stimmt!), was ich glaube, gehört zu haben, dass Sie nämlich zwischen Hautfarbe und Intelligenz einen Konnex hergestellt haben, dann nennt man das Rassismus! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Ich habe gesagt, ich werde es mir genau im Protokoll anschauen (Bundesrätin Mühlwerth: Er hat ein Zitat gebracht!), und dann werde ich daraus für mich die Schlüsse ziehen (Bundesrat Krusche: Ich habe Thomas Barnett zitiert!), ob ein Bundesrat hier in diesem Haus rassistische Äußerungen gemacht hat.

Frau Kollegin Mühlwerth, Enttäuschung hängt ja immer mit Erwartungshaltung zusam­men. Bestimmte Dinge habe ich erwartet, aber dass Sie protestieren, dass der Bundesrat arbeitet (Bundesrätin Mühlwerth: Die Art und Weise …!), dass ein Gesetz rechtzeitig zustande kommt, während Tausende Menschen in den letzten Wochen ihre Freizeit verwendet haben, um eine große Herausforderung zu bewältigen – und das teile ich, was du, Gerhard, gesagt hast, nämlich dass wir uns in Europa einer großen Herausforderung gegenüber sehen –, dass Sie sich in dieser Phase darüber beklagen, dass der Bundesrat arbeitet, das finde ich ehrlich gesagt mehr als erstaunlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Die Art und Weise, nicht dass er arbeitet, sondern die Art und Weise!)

Zum Gesetz selber ist ohnehin im Wesentlichen alles gesagt worden. Es ist auch im Hearing sehr intensiv diskutiert worden, es ist noch ein Abänderungsantrag einge­bracht worden, über den bestimmte Vorschläge, die gemacht wurden, ebenfalls noch berücksichtigt wurden. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei allen bedan­ken, die diesbezüglich so extrem konstruktiv mitgewirkt haben, aus den Regierungs­fraktionen, aus den Ministerien, aus dem Bundeskanzleramt, aus der grünen Frak­tion. – Dafür vielen herzlichen Dank!

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu nutzen, all den Menschen zu danken, die in den letzten Wochen so viel Energie darauf verwendet haben, diese Heraus­forderung zu bewältigen, sodass es in diesem Land – trotz der großen Zahl an Personen, die gekommen sind, die zum Teil durchgereist sind – zu keinen mensch­lichen, humanitären Missständen und zu keinen Panikreaktionen gekommen ist. Ganz besonders möchte ich neben den freiwilligen Helferinnen und Helfern die Hilfsorgani­sationen erwähnen – also die Rettung, das Rote Kreuz, den Arbeiter-Samariter-Bund, Caritas, Diakonie, Volkshilfe und alle anderen –, aber auch die Polizistinnen und Poli­zisten, die Soldatinnen, die Soldaten, die bei zum Teil riesigen Herausforderungen an der Grenze im Burgenland unter dem Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil, der das dort auch extrem souverän gemacht hat, diese Arbeit geleistet haben.

Ich war in Nickelsdorf, ich habe mir das angeschaut. Ich war genau an dem Abend dort, als die größte Zahl an Personen gekommen ist. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, wie dort die Polizei, die freiwilligen Helfer, die Hilfsorganisationen zu­sammengearbeitet haben, um menschliche Katastrophen zu vermeiden. Zu danken ist den Menschen, die mit Herz und Vernunft vorgegangen sind und das bisher bewäl­tigt haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Unzweifelhaft ist, dass wir auch im Bereich der Europäischen Union vor großen Her­aus­­forderungen stehen, trotzdem muss man sagen: Die letzten Tage haben gezeigt, dass Schritte gesetzt werden, sowohl beim Innenministerrat, wo der Beschluss der


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Aufteilung nach einer Quote erfolgt ist, als auch dann beim Rat der Regierungschefs. Herausheben möchte ich das Thema Hotspot, die Frage der Unterstützung vor Ort. Es wurde eben gestern einstimmig beschlossen, dass auch Österreich unterstützen wird, dass in den Lagern in der Region unterstützt wird, damit die Menschen dort nicht aufgrund von Hunger davonlaufen müssen. Auch wenn die Schwierigkeiten in den nächsten Wochen nicht aufhören werden, stimmt mich das zuversichtlich, dass wir das schaffen werden.

 Wenn wir der Meinung sind, dass innerhalb der Europäischen Union eine gleich­mäßige Verteilung richtig ist, dann bin ich überzeugt – und das nicht erst jetzt –, dass auch eine gleichmäßigere Verteilung im Lande sinnvoll ist. Daher gibt es auch diese Gemeindequote und diese Bezirksquote, die mit diesem Gesetz festgelegt werden sollen. Zudem danke ich allen, die unterstützen, dass die Regelung für eine verschärfte Bekämpfung der Schlepper ebenfalls beschlossen wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.10


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Himmer zu Wort. – Bitte, Herr Vizepräsident.

 


15.10.38

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Hohes Haus! Neben unter­schiedlichen Positionen, die heute schon vielfach zu hören gewesen sind, ist es ja doch so, dass es einige Positionen gibt, die wohl außer Streit stehen. Wenn ich die Debatte richtig verfolgt habe, dann sind wir uns darin einig, so meine ich, dass die Genfer Konvention gültig ist und dass wir uns zu den Menschenrechten bekennen. Ich glaube, dass niemand außer Streit stellt, dass gegen Schlepper stärker vorgegangen werden muss. Ich habe eigentlich noch nirgendwo entdeckt, dass wir – quer über alle Fraktionen – in dieser Frage keinen Konsens hätten.

Gleichzeitig hat auch niemand gesagt, dass es nicht so ist, dass wir langfristig die Ursachen bekämpfen müssen, die zu diesen großen Migrationsströmen führen. Auch diesbezüglich müsste, so glaube ich, eigentlich eine Einigkeit erreichbar sein, zumin­dest in dem Sinn, dass man die Problemerkenntnis hat, dass Europa – die ganze Welt, aber natürlich wir Europäer – gemeinsam handeln muss, um auch vor Ort der Konflikte Herr zu werden, die da entstanden sind.

Wenn ich dann in der Thematik weitergehe, komme ich zu einem Punkt, bei dem ich mir nicht mehr ganz so sicher bin, ob wir alle die gleiche Meinung haben, aber wo wir schon noch Einigkeit erreichen könnten, nämlich dass wir die EU-Außengrenzen zu sichern haben. Es muss ja wohl klar sein, dass wir Europäer dafür sorgen müssen, dass man, wenn andere Menschen die Europäische Union betreten, diese ordentlich registriert und dass es ein ordentliches Aufnahmeverfahren gibt.

Ich denke, dass für uns alle hier ersichtlich geworden ist, dass das durchaus eine Prob­lematik ist, dass die souveränen Staaten im Rahmen der europäischen Integration, die stattgefunden hat, natürlich auf der einen Seite Souveränität abgegeben haben, aber dass es auf der anderen Seite da und dort Mängel gibt, wo dann eine andere Sou­veränität wahrgenommen wird. Das ist auf jeden Fall beim Schutz der EU-Außen­grenzen sichtbar geworden, weil natürlich das ganze System – egal, ob es jetzt Dublin oder Schengen betrifft, und dass wir innerhalb Europas keine Grenzen haben wollen – darauf basiert, dass unsere Außengrenzen sicher sein müssen.

Ich möchte an dieser Stelle auch sehr pragmatisch sein und sagen: Ich glaube, dass wir ergebnisoffen diskutieren sollten, wie wir langfristig Grenzsicherheit zustande brin-


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gen. Ich verstehe alle Kolleginnen und Kollegen – aus meiner eigenen Fraktion, aber eigentlich quer durch –, die besonders emotional werden bei dem Gedanken, dass Zäune gebaut werden, da wir natürlich speziell an die Zäune an unseren Ostgrenzen denken und in Erinnerung haben, wie Alois Mock mit dem ungarischen Außenminister diesen Zaun durchschnitten hat. Gleichzeitig, glaube ich, muss man aber auch … (Bundesminister Ostermayer: Gyula Horn!) – Bitte? (Bundesminister Ostermayer: Der hieß Gyula Horn!) – Ja, Gyula Horn, das weiß ich schon! (Bundesminister Oster­mayer: Ich wollte nur den Namen …!) – Das ist super, dass du den Namen weißt, aber ich glaube, du wärst in diesem Fall nicht der Einzige gewesen.

Auf jeden Fall ist es so, dass das bei uns starke symbolische Bilder sind. Gleichzeitig möchte ich aber sagen, dass der Zaun im Kommunismus natürlich auch dazu da war, dass die Leute von innen nicht hinaus können. Wenn es aber jetzt darum geht, die Außengrenzen der EU zu schützen, würde ich mich persönlich nicht so festlegen, wie man das dann letztendlich physisch macht, dass ein normaler Grenzübertritt einfach an einer Grenze stattfinden soll. Irgendwo wird man versuchen müssen, dass die Menschen einfach zu Punkten kommen, wo entsprechende Verfahren geordnet abge­wickelt werden.

Das Nächste, was wir auch sehr ausführlich diskutiert haben – und das ist ja auch Gegenstand des heutigen Gesetzes –, ist die innerösterreichische Verteilung. Da gehen die Emotionen schon um einiges höher. Es ist ja auch verständlich, dass die Freiheitlichen den Föderalismus in diesem Zusammenhang besonders entdecken. Aber ich kann mich schon auch daran erinnern, wie es bei euch ist, wenn unter­geordnete Einheiten eine andere Meinung haben, beispielsweise bei eurer Salzburger Landesgruppe, da hat man diese Frage zwischen kleinerer Einheit und Zentralismus ganz anders gesehen. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Da hat es sogar solche Zitate gegeben. Schnell hat das etwa so gesagt: Wenn man gesehen hätte, wie sich euer Obmann aufgeregt hätte, dann würde ihn nicht einmal sein eigener Kanarienvogel wählen.  Ich weiß nicht, ob euer Obmann einen Vogel hat – ich meine, einen Kanarienvogel! (Heiterkeit des Bundesrates Mayer) –, ich will nur zum Ausdruck bringen, dass es offensichtlich immer mit der Situation zusammenhängt, wie stark man zentralistische Elemente, zumindest in Teilen, für gerechtfertigt hält, wenn es darum geht, das Ganze zusammenzuhalten.

Der nächste Punkt, bei dem ich eigentlich schon wieder glaube, dass wir uns relativ einig sind: Es ist klar, dass wir Europäer eine faire Verteilung auf die 28 EU-Mitglied­staaten brauchen. Gleichzeitig sage ich natürlich, was bei dieser Debatte schon auch ein Stück weit schwierig ist, ist, dass es nicht komplett überraschend ist, dass unter­schiedliche Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Auffassung haben, wie hier vorge­gangen werden soll. Natürlich hat die Vorgangsweise der Frau Bundeskanzlerin Merkel, die man sicherlich auch als mutig bezeichnen kann, sehr viele Menschen ermutigt, sich zusätzlich in Bewegung zu setzen. Daher haben natürlich jene Länder – die ich überhaupt nicht verteidigen möchte, die unsolidarisch sind und die keine Flücht­linge aufnehmen wollen – in dem Punkt, dass sie nicht diejenigen waren, die diese besondere Ermunterung ausgelöst haben, meiner Auffassung nach auch nicht ganz unrecht.

Damit komme ich eigentlich zu dem Punkt, von dem ich glaube, dass er in Zukunft der entscheidende sein wird. Es ist nun einmal so, dass man in einer Demokratie irgendwo um eine gemeinsame Position wird ringen müssen. Ich glaube, dass es gerade für uns Österreicherinnen und Österreicher sehr entscheidend sein wird, dass wir einen nationalen Konsens erreichen, wie wir in dieser wichtigen Frage in den nächsten Jahren vorgehen wollen. Wenn ich mir da so die Extrempositionen anschaue, Marco Schreuder auf der einen Seite und Werner Herbert auf der anderen Seite, da sage ich


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einmal: Das wird nichts mehr mit den beiden, dass da eine gemeinsame Position entsteht.

In der Politik geht es aber dann doch darum, handlungsfähig zu sein. Und in dieser Handlungsfähigkeit, in einer vernünftigen politischen Mitte muss wohl der Ansatz liegen.

Dazu gehört meiner Meinung nach auch, dass man Wahrheiten ansprechen wird müssen. Niemandem, der christliches, ein humanistisches Weltbild hat, kann es gleich­gültig sein, wenn Menschen ertrinken, wenn Menschen auf der Flucht sind, wenn Menschen vor dem Krieg davonlaufen. Das ist absolut legitim. Gleichzeitig müssen wir aber auch ein Verständnis für unsere Bürgerinnen und Bürger haben, die Sorge haben, wo diese Migrationsströme in ihrer Quantität, die sie nicht abschätzen können, hinführen werden. Darauf erwarten sie von der Politik Antworten, und es ist schwierig, diese Antworten zu geben, aber dafür sind Politiker gewählt: den Menschen eine Orientierung zu geben, wo das hinführen kann! Das ist genau die Diskussion, in der wir uns derzeit befinden, und das ist genau der Punkt, an dem wir Politikerinnen und Politiker Verantwortung tragen.

Es wird Sie ja nicht besonders überraschen, dass ich tendenziell der Position meiner eigenen Fraktion am nächsten stehe, doch sage ich ganz bewusst vor zwei anste­henden Wahlen in Oberösterreich und in Wien: Gerade in solch unsicheren Zeiten geht es darum, dass man dauerhafte Lösungen findet, mit denen man den Menschen Perspektiven für die nächste Jahre und Jahrzehnte geben kann. Dafür braucht man Vernunft, dafür braucht man Weitblick (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein) und dafür muss man die politische Mitte stärken. Daher finde ich es sehr wichtig, dass die Österreichische Volkspartei bei den nächsten Landtagswahlen gestärkt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.21


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


15.22.17

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär Mahrer! Sehr geehrter Herr Minister Ostermayer! Geschätztes Präsi­dium! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meiner Meinung nach kratzt die Politik gegenwärtig an der Oberfläche herum. Ein Ende dieses Flüchtlingsstromes ist nicht in Sicht, da die verantwortlichen Eliten noch immer nicht erkannt haben, dass die Lösung der gegenwärtigen Probleme auf Entwicklung, Sicher­heit und Kooperation beruht und nicht auf dem Wettbewerb, wer denn die wenigste Verantwortung übernimmt.

Die Verantwortung an die Landesgrenzen des angrenzenden Staates weiterzureichen, wie im Falle mancher Nachbarstaaten von Österreich, zeugt von einer globalen euro­päischen und nationalen Kurzsichtigkeit. Wir können versuchen, Mauern zu errichten, um unseren Reichtum zu verteidigen, aber diese Mauern werden dem Andrang von Abermillionen auf Dauer nicht standhalten. Selbst die längste Mauer der Welt in der Menschheitsgeschichte, die Chinesische Mauer, wurde um viel Geld errichtet und hat das damalige Kaiserreich an die Grenzen der Finanzierbarkeit gebracht. Die Abkapse­lung und Isolierung führten das chinesische Kaiserreich in die Isolation und stellten die herrschenden Eliten vor immense Herausforderungen. Letztendlich wurde die Schutz­mauer zum Grab des eigenen Kaiserreiches.

Die besorgten Rufe nach neuen und schärferen Gesetzen werden die Probleme erst recht nicht lösen. Denn diese Rufe werden in den Kriegs- und Armutsgebieten Afrikas


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 60

und des Nahen und Mittleren Ostens ungehört verhallen. Die Verzweifelten in Syrien, im Irak, in Afghanistan, in Eritrea und Somalia und anderswo haben ganz andere Sorgen, als unsere Asylgesetze zu lesen und ihre Destination nach Anerkennungs­quoten auszuwählen. Noch weniger interessiert es sie, ob das Taschengeld gekürzt oder durch Gutscheine ersetzt wird. Klar ist – und das scheint Position der gesamten Europäischen Union zu sein –, dass Signale ausgesendet werden sollen, welche die Zielländer wie Schweden, Deutschland, aber auch Österreich nicht so attraktiv erschei­nen lassen.

All das ist den Krisen- und Armutsflüchtlingen keinen Gedanken wert, denn sie haben nur ein Ziel: Sie wollen ihr Leben retten – Taschengeld hin, Gutscheine her. Sie wis­sen, dass viele von ihnen umkommen werden wie bereits Tausende vor ihnen. Sie wissen auch, dass die Glücklichen, die es tatsächlich bis an unsere Grenzen geschafft haben, nicht mit offenen Armen aufgenommen werden, sondern dass ein beschwer­licher Weg mit viel Bürokratie und Unsicherheit auf sie wartet und dass Demütigungen und Anfeindungen ihre Wegbegleiter sein werden.

Wenn sie sich dennoch auf den Weg machen, dann ist ihr Beweggrund nicht Aben­teuer­lust oder der Traum von einem bequemen Leben in einem fernen, unbekannten Land, sondern die verzweifelte Lage in ihrer Heimat. Wer verlässt schon leichten Herzens seine Familie, seine Freunde, seine Bekannten, sein vertrautes Dorf, seine Stadt? Wer geht schon gerne in ein Land, dessen Sprache er nicht spricht, dessen Kultur er nicht kennt (Bundesrätin Mühlwerth: Auch nicht, wenn man jahrelang Deutsch lernt!) und von dem er weiß, dass es ihn nicht haben will?

All jenen, die über Neuankömmlinge die Nase rümpfen und den ganzen Haufen post­wendend zurückschicken wollen, sei angeraten, sich in einer ruhigen Stunde zu überlegen, was sich in unserem Land verändern müsste, damit sie sich selber – sie selbst und ihre Familie – zu einer hoch riskanten Reise ins Ungewisse entschließen. Es zeugt auch von wenig Nachdenklichkeit, all die Menschen, die in Erstaufnahme­einrichtungen, in Kasernen, in Turnhallen und desolaten Wohnhäusern untergebracht sind, als Wirtschaftsflüchtlinge und Asylbetrüger zu beschimpfen. Ihr Ziel ist im Regel­fall nicht die vielbeschworene soziale Hängematte, sondern das nackte Überleben.

Ich habe in meiner langjährigen Tätigkeit als Flüchtlingsbetreuer die Schicksale vieler Asylwerber kennengelernt. Weitaus die meisten wurden nicht als asylberechtigt anerkannt, weil sie nicht politisch verfolgt worden waren. Entscheidend ist jedoch, dass nach meiner sicheren Erinnerung nahezu alle Asylwerber einen überaus triftigen Grund für das Verlassen ihrer Heimat hatten. Das sollte all jenen zu denken geben, denen das Wort Asylbetrüger so leicht über die Lippen geht.

Warum nennt man eigentlich Asylsuchende Betrüger? Kein Bauwerber, dessen Bau­antrag abgelehnt wird, ist in unserem Sprachgebrauch ein Baubetrüger. Ebenso wenig ist ein Unternehmer, dessen Subventionsantrag abgelehnt wird, ein Subventionsbe­trüger. Nur die erfolglosen Asylantragsteller sollen Betrüger sein? – Das ist hetzerisch.

Also belassen wir es doch gleich beim Begriff Asylant. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche. – Bundesrat Jenewein: Herr Kollege …! – Bundesrat Schreuder: Hören Sie zu!) Doch aufgepasst! Selbst das an sich wertfreie Wort Asylant hat durch die Art und Weise, wie es von Stimmungsmachern in den letzten Jahren benutzt worden ist, eine Abwertung erfahren. Es erinnert im heutigen Sprachgebrauch an Simulant, an Que­rulant, an Demonstrant und Intrigant. Der Asylant ist somit auch sprachlich unver­sehens zu etwas Negativem geworden. (Bundesrat Jenewein: Demonstrant ist was Negatives? Ein Demonstrant ist doch nichts Negatives! Das ist schon sehr …!) Besin­nung tut not, und dies beginnt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insbe­sondere von der Freiheitlichen Partei, mit dem Gebrauch der Sprache.


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Es ist an der Zeit, ein realistisches Bild von der gegenwärtigen Lage zu gewinnen, ohne gleich in Hysterie zu verfallen. Wir müssen begreifen, dass wir am Beginn einer Entwicklung stehen, die das Potenzial zu einem Jahrhundertproblem hat – vergleichbar mit Klimawandel, Umweltzerstörung und Weltbevölkerungsexplosion.

Untrügliches Indiz für die Größe eines Problems ist, dass die Politik dieses nur mit Fingerspitzen anfasst. Es besteht eine große Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen. Man spricht von massenhaftem Asylmissbrauch statt vom Beginn einer Völker­wanderung. Die Politik begnügt sich im Wesentlichen mit der Organisation von Flüchtlingsunterkünften. An den Kern des Übels will sie sich nicht heranwagen, weil andernfalls zentrale Inhalte der bisherigen Politik in Frage gestellt und verändert werden müssten. Die Verantwortungsträger befassen sich lieber mit Zweit- und Dritt­rangigem, da dort schneller Erfolge zu erzielen sind. Das Missverhältnis wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welch unerhörte Kraftanstrengungen für das ver­gleichs­weise kleine Griechenlandproblem gemacht wurden.

Das für unsere Zukunft viel wichtigere Flüchtlingsproblem wurde nie seiner Bedeutung entsprechend behandelt. Die Diskussionen blieben und bleiben an der Oberfläche: Unterbringung, Taschengeld, Grenzschließung, Abschiebung – all das haben wir ohne­hin jetzt schon in den vorangegangenen Redebeiträgen gehört. Wenn man dieses Problem in seiner ganzen Tragweite anpacken will, sind Weitsicht, Mut, Ehrlichkeit und Entschlusskraft vonnöten, und da sehe ich – egal, welche Fraktion, egal, welcher ideologische Background – den Befund einer Fehlanzeige.

Völkerwanderungen gibt es seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Die gegenwärtige Form der Migration hat jedoch Besonderheiten. Erstens gab es noch nie gleichzeitig so viel Bedrohliches für so viele Menschen.

Zweitens hatten die Bedrohten noch nie so viel Kenntnis über die ungerechte Vertei­lung der Güter auf dieser Erde: bittere Armut auf der einen Seite und überbordender Reichtum auf der anderen Seite.

Drittens war es noch nie so einfach, von einem Erdteil in den anderen zu gelangen. Kommt all das zusammen, dann sind Massenwanderungen die logische Folge.

So einfach diese Analyse ist, so schwierig ist die Ursachenbekämpfung. Klar ist nur, dass es strategisch ohne Wert ist, sich an den unerfreulichen Symptomen der Flücht­lingsströme abzuarbeiten, ohne gleichzeitig den Versuch einer Ursachenbeseitigung zu unternehmen. Bei der Suche nach den Fluchtursachen fällt sofort auf, dass die mit Abstand meisten Flüchtlinge aus jenen Ländern kommen, die die letzten 20 Jahre – und manche der Vorredner haben es schon angesprochen – Schauplätze von Kriegen waren, wie zum Beispiel das ehemalige Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Syrien, Äthiopien, Somalia und so weiter. Kennzeichnend für all diese Kriege waren die ge­nann­ten Militärinterventionen durch die USA und ihre Bündnispartner, die völkerrechts­widrig waren. Das legt die Annahme nahe, dass diese Kriege die Hauptursache für die großen Fluchtbewegungen der Gegenwart darstellen.

Diese Kriege bedeuten Tod, Verarmung, Verelendung, Anarchie und Zerfall von Gesellschaften sowie religiös motivierte Massaker und Massenflucht. Nie gelang es uns, stabile Demokratien einzuführen oder gar Menschenrechte zu sichern. Ganz im Gegenteil! Zu oft wurden und werden totalitäre Regime als Verbündete des Westens hofiert und gestärkt. Wer also Massenflucht eingrenzen will, muss in einem ersten Schritt militärische Abenteuer unterbinden und Militärbündnisse wie die NATO auf reine Verteidigungsaufgaben zurückführen. Das Gesagte gilt auch für schwelende Konflikt­herde wie im Iran, in Ägypten oder der Ukraine. Wenn auch von dort Flüchtlingsströme einsetzen würden, dann wäre das allein schon wegen des Bevölkerungsreichtums dieser Länder eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 62

Und die Leidtragenden der Interventionskriege sind neben den gepeinigten und entwurzelten Menschen, den Flüchtlingen, insbesondere die Länder, die an der Peri­pherie der Fluchtstaaten liegen. Das sind ohnehin vor allem auch problembehaftete Staaten, die mit den Kriegen und mit dieser massiven Umweltzerstörung und einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die Armut und Elend auch forciert, hinzukommen.

Die USA – gut gesichert durch zwei Ozeane – bleiben von den Fluchtauswirkungen verschont. Ausbaden müssen ihre Kriege andere, auch die Bündnispartner. Diese Bündnispartner sind auch die Hauptexporteure von Waffensystemen, deren Regie­rungen erteilen die Ausfuhrgenehmigungen. Welche Verstrickungen da zwischen Po­litik, Rüstungsfirmen und der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen zutage kommen, dokumentiert das SIPRI, das Stockholm International Peace Research Institute, in seinen umfassenden Berichten. Der österreichische Beitrag muss deshalb primär darin bestehen, jede politische und militärische Unterstützung für Interventionskriege rigoros abzulehnen und eigene Waffenlieferungen in Krisenregionen, auch über Umwege, einzustellen.

Eine der Hauptursachen ist auch der religiös motivierte Fanatismus und Extremismus. Auch da hat sich die Bundesregierung in den letzten Wochen, Monaten und Jahren auf sehr dünnes Eis begeben. Es wurden jahrelang die Proponenten eines politischen Islams unterstützt, und das sind jene, die den Nährboden für Fundamentalismus und Extremismus aufbereiten.

Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir auch dem einen Riegel vorschieben und nicht von Saudi-Arabien finanzierte Einrichtungen in Österreich, mit Unterstützung der Bundes­regierung, Fuß fassen lassen. Dazu muss es eine ganz klare Haltung geben: dass das in Europa und in Österreich nicht gewünscht ist. Das muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden.

Wir haben in Österreich die Möglichkeit, die säkular aufgeklärten Stimmen in der musli­mi­schen Welt zu unterstützen, diesen den Rücken zu stärken und auch Diskussionen und Fragestellungen in Gang zu setzen, da wir in Österreich und in Europa die Freiheit der Lehre, die Freiheit der Wissenschaft haben, die in den Herkunftsländern, in den muslimischen Ländern de facto nicht möglich sind. Dadurch können wir Diskussions­prozesse in Gang setzen und so den religiösen Extremisten und Fundamentalisten den Nährboden entziehen.

Mein letzter Input: Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel für eine länger­fristige Lösung der gegenwärtigen Probleme in einer säkularen Ethik liegt, welche auf einer globalen Verantwortung basiert. Wir müssen es schaffen, Brücken zwischen den Kulturen, den Religionen und den Ethnien zu bauen. Statt Religionsunterricht gehört Ethikunterricht implementiert, damit das Gemeinsame wie Liebe, Mitgefühl und Res­pekt in die Erziehung Eingang findet.

Eine säkulare Ethik schärft den Verstand und ist nicht die Summe von Ver- und Geboten, sondern die Anleitung zu innerer Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Der Frieden in der Welt beginnt immer mit dem inneren Frieden. Dazu können die Religio­nen und eine säkulare Ethik einen riesengroßen Beitrag leisten. Daher ist es wichtig, dass dem in der Bildung viel mehr Raum gegeben wird. Frieden kann nur gewährleistet werden, wenn die Menschen frei sind und die Menschen auch zu essen haben. Egoismus und blinder Nationalismus haben noch nie zu einem besseren Leben geführt. Die Geschichte ist der beste Beweis dafür.

Natürlich müssen wir den leidtragenden Ländern unsere Unterstützung zuteilwerden lassen. Österreich hat jetzt die Mittel für das World Food Programme erhöht, das ist begrüßenswert. Dafür möchte ich der Bundesregierung danken.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 63

Wir werden natürlich der vorliegenden Gesetzesmaterie unsere Zustimmung erteilen. All jenen, die immer Stimmung dahin gehend machen, dass das der angebliche Unter­gang des Abendlandes ist, kann ich nur eines sagen: Nach dem Krieg war Österreich in Schutt und Asche gelegt. Unsere Großeltern haben dieses Land gemeinsam wieder aufgebaut. Dann war der Ungarn-Aufstand, es war der Jugoslawien-Krieg und es war in Albanien Krieg. Wir haben Hunderttausende Menschen in unserem Land aufge­nommen und integriert, und diese haben dazu beigetragen, dass Österreich heute dort steht, wo es steht. All diese Weltuntergangsszenarien, die Sie hier genannt haben, sind meines Erachtens fehl am Platz, ebenso eine naive Haltung, mit der man suggeriert, alles kann hereinkommen.

Die Vernunft und der goldene Mittelweg sind das Maß aller Dinge, und daher ist es wichtig, dass wir in einen Dialog treten.

Wenn ich mir die Diskussion, die gestern im Nationalrat stattgefunden hat, anschaue, dann, muss ich sagen, bin ich froh, dass wir nicht auf dieses Niveau herabgesunken sind, denn das war wirklich letztklassig, das muss man auch so benennen, und da sind wir kein gutes Vorbild für die Bevölkerung.

Mein Dank gilt auch allen NGOs, der Exekutive und dem Bundesheer, den Menschen aus der Zivilbevölkerung, die da mitgeholfen haben, aber es ist auch an der Zeit, über diese Notprogramme hinauszudenken, denn eines ist klar: Das, was sich jetzt abspielt, ist erst der Anfang. (Bundesrat Jenewein: Ja!) Das zu dieser Thematik.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ihr wisst, am Sonntag sind Wahlen in Ober­öster­reich. Ich hoffe, dass wir einander im Oktober wiedersehen werden, wenn nicht, dann möchte ich mich für die bisherige gute Zusammenarbeit herzlich bedanken. Ich habe in dieser Kammer viele Freundschaften geschlossen, sehr nette Menschen kennen­gelernt, auch fraktionsübergreifend, wir haben unterschiedliche Zugänge, das liegt in der Natur der Sache, aber letztendlich hat es immer wieder gewisse Gemein­samkeiten gegeben.

Ich werde diese Kammer in guter Erinnerung behalten und hoffe, dass wir einander auch in Zukunft wieder sehen werden, und wenn nicht, dann freue ich mich, wenn wir auch so in Kontakt bleiben.

Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute und noch eine spannende Diskussion. Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

15.39.12

 


Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es scheint so, als wäre ich der erste Bürgermeister, aber vielleicht nicht der letzte Bürgermeister, der hier am Rednerpult steht, und im Grunde genommen sind eigentlich wir es, die schlussendlich diese Gesetze umsetzen müssen, vor Ort, zu Hause.

Lieber Kollege Herbert! Wir haben einen Lösungsansatz, aber von dir, muss ich ehrlich sagen, habe ich keinen Lösungsansatz gehört. Du hast alles kritisiert, was zu kritisie­ren war, aber ich habe keinen Lösungsansatz gehört. (Bundesrat Herbert: Der Lösungsansatz ist, dieses Gesetz nicht zu beschließen!) – Ich bin auch ein födera­listischer Teil, ich bin ein Bürgermeister, und es gibt BürgermeisterInnen, die alle – dieses Mal und in der zukünftigen Zeit – das umzusetzen haben. Ich sehe dieses Gesetz als Chance.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 64

Jetzt nehme ich nur meine Gemeinde her: Wenn ich in der Lage bin, diese Asyl­suchenden unterzubringen, und dazu werde ich in der Lage sein, dann habe ich ein Problem gelöst, und ich habe kein Problem, das immer ansteht (Bundesrat Herbert: Schön!), und dass ich davon abhängig bin, dass mir die Frau Bundesministerin oder das Innenministerium den Ort vollklopft. Also das wäre bei uns eine Katastrophe, mit 800 Einwohnern und 2 500 Gästen in Spitzenzeiten. (Bundesrat Herbert: Aber ab jetzt kann sie es!) Aber wir werden das schaffen, davon bin ich felsenfest überzeugt. (Beifall der Bundesräte Todt und Mayer.)

Unser Klubobmann Schieder hat gesagt – ich glaube, ich habe es gelesen, oder er hat es im Nationalrat gesagt –: In der letzten Zeit, als dieses Gesetz in der Vorbereitung war, sind sieben Bundesländer dazu gekommen, dass sie diese Quote erfüllen; und wenn die Quote von den Bundesländern erfüllt wird, dann wird es bei uns, innerhalb der Gemeinde, kein Problem geben. Ich weiß das selbst auch.

Herr Staatssekretär Mahrer ist weg. (Staatssekretär Mahrer, der sich von der Regie­rungsbank weg, schräg hinter das Präsidium gesetzt hat, gibt dem Redner durch Zuruf und Winken zu erkennen, dass er anwesend ist.) – Ach da! Wir sind ja im Bezirk Spittal zu Hause. Wir erfüllen die Quote nur zu 30 Prozent, das passt sicher nicht. Aber Kärnten erfüllt die Quote insgesamt.

Das heißt, dass wir als Bürgermeister – und es sitzt noch ein Bürgermeister aus Kärnten da (in Richtung des Bundesrates Poglitsch blickend) – diese Quote selbst lösen werden. Ich denke, dass es auch deshalb notwendig ist, um eine gerechte und solidarische Verteilung für die Zukunft zu leisten.

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber, ich glaube, über die Bürgermeister hat keiner in diesem Saal in den letzten zwei Stunden gesprochen. Der Bundesminister, das ist der Einzige, der festgestellt hat, dass ja der Gemeindebund eigentlich immer versucht hat, diese Kriminalisierung von den Bürgermeistern wegzukriegen. Schlussendlich ist das in einem Abänderungsantrag dann bei dieser Sitzung passiert. Danke, dass das so ist. Ich glaube, damit haben doch einige Bürgermeister Probleme gehabt.

Wenn ich richtig informiert worden bin – und das habe ich heute auch nicht gehört, oder habe ich es überhört? –, dann wurden für die Schlepperbanden zumindest die Größenordnungen geändert; eine Verurteilung zu sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft kann es auch bei drei Personen schon geben, und nicht wie bisher bei einer höheren Anzahl.

Es gibt natürlich auch Dinge, die ich jetzt einmal aus meinem föderalistischen Bereich heraus und für das Land Kärnten betrachten muss: Wobei ich feststelle, dass wir seitens der Bundesregierung, also wir, so wie wir hier in diesem Parlament sind, zunehmend berücksichtigen müssen, dass mit dieser Flüchtlingssituation die Länder in eine finanzielle Situation kommen, die, zum Beispiel von den Maastricht-Kriterien her, noch nicht gelöst ist.

Klar ist, das kostet Geld. Aber wenn wir in Kärnten vom Bundesfinanzierungs-Rahmen­vertrag abhängig sind und daher unter einem besonderen Druck stehen, und dann zusätzliche Kosten, die man natürlich für die notwendigen Maßnahmen ausgibt, dazugezählt werden, dann entsteht der Eindruck bei den Menschen draußen, wenn man spart – und das ist bei uns einmal aus bekannten Gründen in Kärnten so, dass wir einem hohen Spardruck ausgesetzt sind –: Ja, eigentlich sparen sie nur deshalb, damit sie den Flüchtlingen das Geld geben können. Das ist leider Gottes falsch. Und so entsteht insofern eine gefährliche Spirale, dass die teilweise Arbeitslosigkeit und der Notstand auf dieses Flüchtlingsthema abgewälzt wird. Das sollten wir versuchen, zu verhindern.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 65

Was mir persönlich auch noch aufgefallen ist in der letzten Zeit – und das ist ja bei Ihnen nichts anderes –: dass wir in Europa schon einiges verschlafen haben. Ich habe mir das speziell herausgenommen: Wir haben immerhin 500 Millionen Menschen und Bürger, die irgendwann einmal vor zwei, drei Monaten festgestellt haben: Ja, passiert denn da auf dieser Ebene überhaupt nichts? Wenn ich an die Griechenland-Krise denke, da haben wir im Grunde genommen in Permanenz getagt. Ich denke da an die Frau Bundesministerin und den Herrn Justizminister, die irgendwann versucht haben, das ein bisschen ins Spiel zu bringen, zu sagen: Jetzt werden wir die EU verklagen, damit diese Zahlen eingehalten werden. Dann hat die Kommissionssprecherin festge­stellt, dass man dafür momentan definitiv keine Zeit hätte, weil man bis Ende des Jahres einen Vorschlag ausarbeiten würde, und im Jahr 2016 soll es dann zu einer Systemänderung kommen.

Also das alles hat uns überrollt, keine Frage. Und deswegen muss ich auch wirklich sagen: Danke an unseren Bundeskanzler Werner Faymann, der mit der Bundes­kanzlerin Merkel jetzt das Ganze forciert und beschleunigt hat; und es ist ja wohl einiges passiert in den letzten Tagen.

Es ist keine Frage, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Aber wenn die EU jetzt rund eine Milliarde Euro für diesen Bereich bereitstellt, für die Türkei, Jordanien und den Libanon, wo die größte Zahl an Flüchtlingen derzeit untergebracht ist, und dass in Zukunft auch Hotspots eingerichtet werden, um die Leute dort zu registrieren, dann muss man denen, die versuchen, das zu umgehen und in die Länder hereinkommen, schon sagen: Freunde, da gibt es unter Umständen ein Problem, dass sie dann wirklich nicht mehr die Möglichkeit haben, bei uns zu bleiben.

Ja, okay, als Bürgermeister ist man das wahrscheinlich gewohnt, in Zeiten wie diesen. Ich habe mir am Sonntag das angeschaut, was Herr Vilimsky von sich gegeben hat: dass er den Herrn Orbán insofern unterstützt, den Zaun noch höher zu bauen bezie­hungsweise dass er Angst vor einer Islamisierung hat. – In Kärnten, glaube ich, haben wir momentan 3 361 Flüchtlinge. Ich hoffe nur nicht, dass er daran denkt, dass wir in Österreich einen Schießbefehl herausgeben, denn das wäre ja dann das Schlimmste, was schlussendlich noch passieren kann.

Wir von der SPÖ stellen uns gegen diese Polarisierung, wir stellen uns gegen den Deckmantel der Anonymität, diese Internetforen, diese Hass-Postings – das wurde heute auch noch nicht angesprochen; wenn man sich das anschaut, das ist ja im Grunde genommen wirklich eine Katastrophe, es werden auch schon viele Leute verfolgt, was das anbelangt – und dass die Zäune höher gebaut werden. Also Hu­manität gegen Gruppenegoismus. Das muss ich jetzt an dieser Stelle sagen: Sie von der FPÖ wissen sehr genau, dass das Aufhetzen der Menschen, wenn sie Angst haben, sehr gut funktioniert, und moralisch wird da von eurer Seite auf niemanden Rücksicht genommen.

Unser Bundeskanzler Werner Faymann hat einmal festgestellt: Es gibt zwei Möglich­keiten (Zwischenruf des Bundesrates Krusche): Entweder hetzen wir die Leute gegen­seitig auf, dann haben wir einen Wahlerfolg, weil wir Schuldige vorführen – oder wir verfolgen jenen Weg, und den haben wir eingeschlagen, diesen bedauernswerten Menschen zu helfen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns für den zweiten Weg entschieden und wir können uns noch im Spiegel anschauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.48


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 66

15.49.10

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Ostermayer! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs schon erwähnen, Herr Kollege Krusche, dass wir hier im hohen Maße Föderalisten sind. Und wir Vorarlberger haben zu dem auch einen ganz besonderen Zugang.

Wenn ich jetzt jedoch die Dramatik verfolge, mit der ihr diesen Eingriff in den Föde­ralismus beschreibt, dann muss ich schon sagen, dass das eher traumatisch ist, Herr Kollege Krusche, und das muss man schon fast ärztlich behandeln lassen. Also in diesem Zustand würde ich es nicht länger wagen, hier Politik zu machen. Das ist schon eine schwierige Materie, ganz eine schwierige Materie. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Ich gebe euch recht, wenn ihr sagt: Europa ... (Bundesrätin Mühlwerth: Der Herr Mayer spielt sich hier jetzt zum Arzt auf? ...selbstkritisch sein ...!) Nein, nein, das sind nur kleine Tipps für traumatisierte Menschen. (Bundesrätin Mühlwerth:  ... nicht mit zweierlei Maß messen!) Kleine Tipps für traumatisierte Menschen, die wir jetzt zu Tausenden und x-Zehntausenden quer durch Europa pilgern sehen. Flüchtlinge, Not und Elend, das sehen wir momentan. Und genau dort sind traumatisierte Menschen und nicht wenn jemand glaubt, er hat dem Föderalismus Abbruch getan, Frau Kollegin Mühlwerth (Bundesrätin Mühlwerth: ... Kollegen Krusche zu unterstellen ...!), da ist ein großer Unterschied, glaube ich.

Es ist auch anzuerkennen, wenn man sagt: Europa ist gefordert, Europa ist überfor­dert. Das gestehe ich euch gerne zu. Wir sind auch in Österreich mit diesem Problem sehr gefordert, auch manchmal überfordert. Die Regierung probiert aber wirklich, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten hier Lösungen anzubieten, und des­halb braucht es auch Lösungen innerhalb unseres Landes Österreich, wodurch wir Möglichkeiten haben, auf Grundstücke, auf Liegenschaften, die dem Bund gehören, die der Bund anmietet, auch zurückgreifen zu können.

Das ist die Intention dieses Gesetzes, unbedingt, und das kann man nur 1 : 1 unter­schreiben, denn die Zielvorstellung ist einfach die gleichmäßige Verteilung von Asyl­wer­bern in Österreich und eine adäquate, sagen wir, menschenwürdige Unterbrin­gung.

Warum machen wir das? – Weil eben einige Länder ihre Quote, zu der sie sich verpflichtet haben, nicht erfüllen. Erfüllen die Bundesländer ihre Verpflichtung – das wurde heute auch schon öfters angesprochen –, dann droht den Gemeinden auch keine Zwangszuteilung. Klingt für viele logisch, aber, so wie immer, für euch Frei­heitliche nicht.

Ich brauche jetzt auch nicht im Detail auf das Gesetz einzugehen, das wurde oft und von einigen schon gemacht. Einige Bedenken wurden im Nationalrat mit einem Entschließungsantrag, wie der Minister schon erwähnt hat, auch geändert, wie zum Beispiel die Informationspflicht eine Woche vorher, was ganz wichtig ist, Quartierbereit­stellung nur für AslywerberInnen und anerkannte Flüchtlinge, die von der Grundversor­gungs­vereinbarung mit den Ländern erfasst sind. Das ist auch wichtig.

Politik sollte bei allen unterschiedlichen Zugängen immer noch einen gewissen Wahr­heitsgehalt haben. Sagen Sie den Menschen einfach die Wahrheit! Sagt die Wahrheit!, haben wir schon oft von euch gehört.

Ich habe auch ein paar Zeitungsartikel gesammelt. Das habe ich vom Kollegen Dörfler gelernt. Der ist ein eifriger Zeitungsartikelsammler, und er zitiert auch immer daraus; zum Beispiel von der Sozialen Heimatpartei FPÖ (einen Zeitungsausschnitt in die Höhe haltend): „Aus LIEBE zu WIEN“ – ein wunderschönes Inserat – „tauschen wir


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Häupl gegen HC Strache“; „Wien wählt: Stopp der Zuwanderung und Schutz auf Zeit statt Türen auf für alle“. – Headline. (Bundesrätin Mühlwerth: Na und, was ist das Problem? – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Und dann in einem Interview des Herrn Kollegen Strache, denn er möchte ja Bürgermeister werden: Tauschen wir Häupl gegen Strache. – Bürgermeister; und wenn er Bürgermeister ist, dann macht er das alles, der Herr Kollege Strache. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind jetzt schon Vor­schusslorbeeren!)

Weiters, weil ich weiter gesammelt habe, nach dem Vorbild des Kollegen Dörfler (einen Zeitungsausschnitt in die Höhe haltend): „Ich bin bereit“ – Strache ist bereit – aus der Zeitung „Kurier“, worin er von den Redakteuren gefragt wird: „Durch Österreich zieht gerade ein Flüchtlingsstrom. Was wollen Sie als Bürgermeister tun?“ – „Als Bürger­meister kannst du hier nicht viel tun.“ – Wunderbar. Also das widerspricht sich dann schon in großem Maße, Frau Kollegin Mühlwerth. Da muss man nicht darüber disku­tieren. Also Heimatpartei sollte auch Wahrheitspartei sein (Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth); Wahrheitspartei in vollem Umfang und dann haben wir eine wunderbare Freude miteinander. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Dann kann ich vielleicht hier noch erwähnen: Wenn freiheitliche Asylpolitik, Zuwande­rungspolitik schon weiß, wie man das löst oder das Nonplusultra für sich in Anspruch nimmt, dann könnte man jetzt, um es in eurem Jargon zu sagen oder eurer Argumen­tation zu folgen, weil ihr immer eine Lösung anzubieten habt: Warum sagt ihr diese Lösung, die wirklich für jeden etwas bringt, nicht eurem Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz, der sich dann wahrscheinlich in Ungarn, in Burgenland an die Grenze hinstellen und sagen würde: Stopp, ich weiß die Lösung! – Und stopp, er weiß keine Lösung, weil die Menschen neben ihm vorbeigehen und ihn nicht einmal realisie­ren. Das ist die große Problematik, und das ist freiheitliche Zuwanderungspolitik. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Also unter dem Strich zusammengefasst: Null Kompetenz, null Lösungsvorschläge (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), freiheitliche Flüchtlingspolitik, null Komma null, und damit möchte ich es auch belassen (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen), denn nur mit Polemik und nur mit dicken Sagern von eurer Seite immer alle zu verunsichern, das ist nicht die Politik, die wir wollen. Ihr werdet eines Tages nicht nur an euren Worten gemessen, sondern auch an euren Taten. Und das ist ein alter Spruch, der auch gelten möge. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das lassen Sie unsere Sorge sein!)

Was wir in den letzten Jahren von euch an Taten gesehen haben, möchten wir in diesem Umfang nicht noch einmal hinnehmen. Ich nehme hier bewusst nicht den Namen „Kärnten“ in den Mund. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

15.55


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


15.55.25

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Als Tiroler Bundesrätin möchte ich noch kurz die Tiroler Sichtweise auf das Durchgriffsrecht näher erläutern.

Das Durchgriffsrecht, das wir heute beschließen, wird aus Tiroler Sicht als sehr gut empfunden, als immens wichtiges politisches Bekenntnis zur Bedeutung der aktuellen Situation. Es ist ein wichtiges Zeichen für Solidarität. Es kann nicht sein – und es ist auch heute schon sehr oft angesprochen worden –, dass sich manche Gemeinden


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 68

komplett gegen die Aufnahme von Flüchtlingen versperren, obwohl es leer stehende, oft bestens geeignete Gebäude gibt, und auf der anderen Seite Menschen als Notlö­sung in wirklich prekären Verhältnissen untergebracht sind.

Tirol sieht es als sehr wichtig an, dass alle an einem Strang ziehen und bestmögliche solidarische Lösungen gesucht und erzielt werden. Es erhöht einerseits den Druck auf die Gemeinden und die BürgermeisterInnen, die sich bisher gegen die Flüchtlings­unterbringungen in ihren Gemeinden gestellt haben – die Tatsache, dass Anfang nächsten Jahres Gemeinderatswahlen in Tirol stattfinden, spielt hier natürlich auch noch als entscheidender Faktor mit herein –, andererseits nimmt es aber auch extrem den Druck von jenen BürgermeisterInnen, die gerne ihren Beitrag in ihrer Gemeinde leisten würden, aber dem Druck mancher Teile der Öffentlichkeit oder auch in den eigenen Reihen gegenüberstehen und dem vielleicht nicht standhalten können. Alles in allem ein großes Danke aus Tirol und natürlich unsere Zustimmung zu TOP 1.

TOP 2 werden wir nicht zustimmen, und ich möchte das erklären: Natürlich sind wir gegen Schlepperei. Natürlich sind wir dagegen, dass die Not von Menschen ausge­nutzt wird, dass Menschen auf der Flucht ausgebeutet werden, aber wir sind insbe­sondere in zwei Punkten der Novelle nicht der gleichen Meinung.

In dieser Novelle soll die gerichtliche Strafbarkeit der Schlepperei verschärft werden: Es soll nämlich die Schwelle für die Qualifikation nach der Zahl der geschleppten Personen von zehn auf drei herabgesetzt werden, sodass bei Schlepperei von weniger als zehn Personen leichter die Untersuchungshaft verhängt werden kann. Zurzeit sind in Österreich rund 800 Schlepper in Untersuchungshaft. Auch dafür sind wir, das ist natürlich gut so, aber, was wir befürchten ist, dass die Senkung der Schwelle auf drei Personen nicht dazu führt, dass weniger geschleppt wird, sondern dass einfach anders geschleppt wird.

Wir befürchten, dass auch kleinere Gruppen nun wirklich lebensgefährdend versteckt werden, wie es eben schon in einigen Fällen war: zum Beispiel gerade bei diesem furchtbaren tragischen Fall der 71 verstorbenen Flüchtlinge auf der A4; dass Gruppen lebensgefährdend versteckt werden, irgendwo nach unten versteckt werden, die Luftzufuhr nicht gesichert ist und so weiter und dass es jetzt auch bei kleineren Gruppen verstärkt gemacht wird. Wir befürchten, dass ein negativer Lenkungseffekt entsteht, indem Schlepper statt auf kleinere Gruppen gleich auf Massentransporte setzen, weil es jetzt eh egal ist.

Wirklich wirksame Mittel der Schlepperbekämpfung sehen wir in Resettlement-Pro­grammen und in sicheren Korridoren für Fluchtsuchende, um legal nach Österreich und nach Europa zu kommen, um nicht schon übers Mittelmeer in Schlepperbooten fahren zu müssen, durch Klingenzäune gehen zu müssen, durch den halben Kontinent gehen zu müssen und dann noch mit Schlepper-LKWs weiter.

Der zweite große Punkt, warum wir gegen diese Novelle sind, ist die Definition von Schlepperei. In der vorliegenden Novelle des Fremdenpolizeigesetzes ist Schlepperei als bezahlt eingestuft. Das ist aber nicht in der Höhe definiert und betrifft daher auch Bagatellbeträge und sehr kleine Leistungen.

Wir haben dazu auch im Nationalrat einen Abänderungsantrag eingebracht, der leider nicht durchgegangen ist, um in die qualifizierten Tatbestände das Wort „ausbeuterisch“ miteinzufügen. Gemeint sind damit wucherisch hohe Geldbeträge oder auch sexuelle oder andere ausbeuterische Dienstleistungen der geschleppten Personen. Dadurch sollen auch höhere Strafen als derzeit möglich sein, auch wenn es nur eine Person ist, die geschleppt wird, aber das eben ausbeuterisch.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 69

In der hier vorliegenden Novelle sehen wir den Tatbestand zu wenig abgegrenzt. Wir sehen hier auch NGOs und Privatpersonen betroffen, denen vielleicht ein bisschen Benzingeld gegeben wird, oder auch Taxifahrer und andere Beförderungsunter­neh­men.

Für den Schutz von Leben und Gesundheit der Flüchtlinge finden wir also nicht, dass diese Novelle die richtigen Mittel liefert, sondern befürchten wir sogar negative Auswirkungen durch diese Novelle. Daher kommt hier unsere Ablehnung.

Zu TOP 1 aber, wie gesagt, eine große Zustimmung der grünen Fraktion. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

16.00


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


16.00.13

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Es ist ein gutes Gesetz. Wir leben in spannenden, herausfordernden Zeiten, die auch manchmal eine spezielle Maßnahme notwendig machen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Aber ich möchte ein bisschen auf das, was heute hier gesagt wurde, eingehen. Es sind zwei Sätze gefallen: Alle Menschen wollen in Europa eine Heimat. Und: Alle Asylwerber dieser Welt können wir nicht aufnehmen. – Es sind derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele gab es seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht. Es sind 500 000 Menschen nach Europa gekommen, das ist weniger als 10 Prozent. Weniger als 10 Prozent der Menschen, die derzeit auf der Flucht sind, kommen in einen reichen, sicheren Kontinent.

Wenn man sagt, welche großen Herausforderungen Europa hat, dann sollte man einmal anschauen, wo denn die eigentlichen Flüchtlingsströme sind. Da gibt es unter den Top Ten kein einziges europäisches Land: Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien, Jordanien, Kenia, Tschad, Uganda und China. Wenn man sagt, ganz Deutschland ist derzeit das größte Flüchtlingsheim – was bei einer internen EU-Quote noch zu wenig ist –, dann wäre es an elfter Stelle.

Wenn wir die größten Flüchtlingscamps anschauen, so befinden sich allein zwei der größten in Kenia, wovon eines 600 000 Menschen beheimatet. Wenn ein politischer Repräsentant einer anderen Partei, der NEOS, fordert, Österreich soll sofort die UNO zu einer Sondersitzung einberufen, weil in Europa 500 000 Flüchtlinge angekommen sind, so kann man nur sagen: Guten Morgen! Die UNO hat derzeit ganz andere Sorgen, denn das größte Flüchtlingslager der Welt, Dadaab, wird derzeit geschlos­sen – dort sind 650 000 Menschen –, weil es so nicht geführt werden kann.

Wenn jemand sagt, die Menschen aus Syrien sind ohnedies in Flüchtlingscamps angekommen, die sicher sind, so muss ich sagen: Sorry, keine Ahnung! Ich kenne – und ich habe verschiedene Fact Finding Missions geleitet – diese Flüchtlingscamps aus Eigenem, und ich kann nur sagen, dass die UNO nicht einmal das Personal hat. Die innere Ordnung übernehmen Gruppen von Flüchtlingen selbst. Traumatisierte Men­schen und Menschen, die aus Not, aus der Flucht auf ein kleines Stück Land zusammengepfercht werden, entwickeln ihre eigenen Dynamiken. Wenn Europa 500 000 Menschen hat: Warum sind aus der Türkei über 300 000 Menschen nach Syrien geflüchtet? – Das ist die nächste Frage.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 70

Da kommen wir nämlich zu etwas anderem, nämlich dazu, dass ein Redner vorhin gesagt hat: Was machen denn die Glaubensbrüder? Ah, Glaubensbrüder? – Aleviten und Alawiten sind keine Glaubensbrüder; die Moschee ist Feindesland, Sie werden niemals einen Aleviten in die Moschee bringen. Und genau dort haben wir jetzt das Problem. Wir haben bis zu acht Millionen Internally Displaced Persons, IDP, also Flücht­linge innerhalb Syriens, geschützt von kurdischen, armenischen, chaldäischen Verbänden, die von verschiedensten Seiten unter Druck stehen. Das sind keine Glaubensbrüder. Die Armenier, die über den Libanon flüchten, kommen leider in ein weiteres Konfliktgebiet, nämlich nach Nagorny Karabach, zu Zehntausenden, was auch nicht gerade hilfreich ist.

Wenn wir aber zum Beispiel das größte syrische Flüchtlingslager in Jordanien herneh­men, Al Zaatari, so hat ein anderer Repräsentant dieses Hauses wie eine Marionette im Fernsehen gefordert: Ja, Jordanien wäre noch bereit, eine Million aufzunehmen, und wir haben nichts zu tun. – 1917 hat der sogenannte Balfour-Bericht klar und eindeutig gesagt, wie viel Wasser es in dieser Region gibt. Es gibt kein Wasser in Jordanien, es gibt kein Wasser in Israel; das einzige Wasser der Region gibt es in Syrien, und dort herrscht bekanntlich Krieg. Wenn sie in diesem Lager sind, bekommen die Menschen weniger als 50 Prozent dessen, was notwendig ist, was die WHO sagt. Wenn Sie das Wasser sehen, dann würden Sie es nicht trinken. Was ist die Folge? – Kindersterblichkeit. Wer will ein solches Lager nicht verlassen?!

Glaubensbrüder: In einem Lager mit 200 000 Menschen gibt es medizinische Versor­gung. Da steht ein Spital, das alles kann. Wer betreibt es? – Marokko. Die UNO wäre dazu gar nicht mehr in der Lage.

Wenn wir heute sehen, auf wie viele Flüchtlinge pro tausend Einwohner wir kommen, so haben wir in dem Land, das hier am großzügigsten ist, in Schweden, acht Flücht­linge pro tausend Einwohner. Wir haben in Ungarn vier, wir haben in Malta drei, wir haben in der Schweiz 2,7, in Österreich zwei, in Deutschland 2,1. Wir haben im Libanon über 220 Personen pro tausend Einwohner. Der Libanon ist so groß wie Ober­österreich, er hat 4,5 Millionen Einwohner und zwei Millionen Flüchtlinge. Da könnte man sagen: Rien ne va plus!, nichts geht mehr.

Das heißt, es ist klar, dass sich etwas in Bewegung setzt, es ist klar, dass sich etwas in Bewegung setzen muss. Das ist eine moderne Flüchtlingsbewegung, diese größte. In einer Zeit des 21. Jahrhunderts gibt es auch Formen der Kommunikation, und deshalb sind Diskussionen, warum Flüchtlinge Handys haben, so notwendig wie ein Kropf.

Es sind zwei interessante Aussagen gefallen. Staatlich organisierte Schlepperei hat man hier der österreichischen Regierung aus der zweiten Reihe vorgeworfen. Herr Krusche schaut schon ganz betroffen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Nichts anderes (Bundesrat Jenewein: Ist das die Abschiedsrede?) hat die österreichische Regierung, haben die österreichischen Sicherheitskräfte und haben die NGOs gemacht, als eine menschenwürdige Durchreise von Menschen, die schon seit Monaten auf der Flucht sind, zu gewährleisten. Und was für eine Bemerkung bekommen sie dafür umge­schoben? – Als soziale Invasionskolporteure wurden von der FPÖ jene Menschen bezeichnet, die Mitglieder von NGOs sind, und die Tausenden von freiwilligen Helfern, von denen viele ihre Arbeit an den Nagel gehängt haben.

Ich finde es gut, dass Deutschland so großzügig ist. Immerhin hat Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs 14 Millionen Flüchtlinge und zwölf Millionen intern Vertrie­bene gehabt. Dass dieses Deutschland, das einmal so viel Leid über Europa


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 71

gebracht hat, heute ein Anker für Frieden und Sicherheit ist, ist etwas sehr Beacht­liches.

Nun kommen wir zu den Zahlen in Österreich. Wenn wir immer von Horrorzahlen sagen: Alle, die einen Flüchtlingsantrag in Österreich gestellt haben, passen genau in ein Gebäude – 55 000 sind es, großzügig aufgerundet –, nämlich in das Praterstadion. Wenn die erfolgreiche österreichischen Fußball-Nationalmannschaft spielt, ist genau diese Anzahl von Menschen drinnen – und wie schnell kann dieses Gebäude gefüllt, und wie schnell kann dieses Gebäude auch geleert werden! Also: Alle Flüchtlinge Österreichs haben derzeit im Praterstadion Platz.

Wenn wir bei der Erstrednerin auch von der Bildung gehört haben – es haben im September folgende Schulkinder von Flüchtlingen begonnen: In Wien 350 Kinder von Flüchtlingsfamilien; im schönen, reichen Vorarlberg 84; in der Steiermark 100 – damit kommen wir ja fast auf die 1,5 Prozent, die das Gesetz heute vorschlägt –; oder in Oberösterreich 313.

Wenn wir gehört haben, dass ja das Bildungsniveau der syrischen Flüchtlinge nicht so hoch ist, dann haben wir eher umgekehrt das Problem: 81 Prozent der Frauen Syriens und 92 Prozent der Männer sind alphabetisiert, und bei den 15- bis 24-Jährigen sind es sogar knapp 95 Prozent. Wenn wir den Sekundär-Analphabetismus in unserem Land anschauen, weiß ich nicht, ob wir an diese Zahlen herankommen.

Das heißt – wie Daniela Gruber-Pruner auch gesagt hat –, wenn man nicht Rassismus einfach schürt, sondern wenn man nach den Möglichkeiten des Zusammenlebens sucht und wenn man bedenkt, was denn für alle österreichischen Gemeinden 1,5 Pro­zent bedeutet: Das bedeutet ein Zusammenleben, das bedeutet eine gegenseitige Achtung. Wir sehen es aus vielen, vielen Beispielen: Wir hatten 200 000 Flüchtlinge in der Zeit des Wiederaufbaus aus Ungarn, wir hatten 90 000 aus Bosnien. Wir haben jetzt 55 000 – mit viel gutem Willen ist das für ein Land wie Österreich und ist das für einen Kontinent wie Europa leistbar, sollte es leistbar sein!

Das ist eine Frage der Menschenrechte, und die gilt es durchzusetzen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Lindner. – Bitte.

 


16.11.58

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Krusche, da bin ich! (Bundesrat Krusche: Ja, das freut mich! – Weitere Zwischenrufe.) Ich habe einmal geschaut, was von dir kommt, und dann, habe ich mir gedacht, melde ich mich zu Wort.

Aber ganz auskennen tue ich mich nicht bei dir beziehungsweise bei deinen Kollegen vom steirischen FPÖ-Bundesratsteam. Ich war auf keiner Landesregierungssitzung. (Bundesrat Krusche: Landtagssitzung!) – Nein, nein, du hast „Landesregierung“ gesagt. Ich war auf keiner Landesregierungssitzung, aber ich war am 7. September im Landtag, und da ist Folgendes passiert: Ihr habt diesen Antrag eingebracht, den gleichen, glaube ich, den ihr heute auch einbringen werdet; sie sind alle sehr ähnlich. Auf alle Fälle hat die FPÖ Steiermark eingebracht, dass wir gegen dieses heutige Gesetz sind, und euer Antrag ist mit allen Stimmen der anderen Landtagsparteien abgelehnt worden.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 72

Das heißt im Umkehrschluss für mich – und das ist das, was du gesagt hast –, ja, ich freue mich, weil ich jetzt weiß, was ich heute tue: dass ich diesem Gesetz zustimme! Der Unterschied zwischen uns zwei ist nämlich der: Ich stimme im Sinne des Landes Steiermark, und du stimmst im Sinne deiner Fraktion. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lasst mich folgendes Zitat bringen: „Es gibt Men­schen, die denken, dass Helfen einen Verlust für einen selbst darstellt. Es gibt Men­schen, die denken, dass Zusammenhalt einen selbst nur schwächt. Es gibt Menschen, die uns glauben machen wollen, dass wir das Falsche tun. Es gibt Menschen, die unser Feuer löschen wollen. Diesen Menschen höre ich nicht zu.“ – Dieses Zitat ist von niemand Geringerem als der Gewinnerin des Eurovision Song Contests 2014, Conchita Wurst! Ich glaube, das bringt es auf den Punkt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kollege Krusche! Es geht um Solidarität, es geht um Menschlichkeit, und es geht um Hilfsbereitschaft. Darum stimme ich diesem Gesetz zu. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schödinger. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung SPÖ –: Darum wart ihr bei den Wahlen in der Steiermark erfolgreich, nicht? – Weitere Zwischenrufe.)

 


16.14.22

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich werde mich kurz halten, aber ich muss schon auf das replizieren, was Kollege Herbert über die Bürgermeister des Bezirkes Bruck an der Leitha gesagt hat. Nach dem Kollegen Novak bin ich der zweite Bürgermeister, und ich werde das ziemlich emotionslos sagen, weil es einfach zeigt, wie die FPÖ lügt und wie sie das so verdreht, dass sie es nach ihrer Meinung besser zu kommunizieren hat.

Die Bürgermeister des Bezirkes Bruck an der Leitha – egal, welcher Parteifarbe – haben sich zusammengesetzt und haben untereinander ausgemacht, dass sie diese Situation so nicht hinnehmen und nach allen ihren Möglichkeiten helfen wollen. Wir haben das gemacht, und in unserem Bezirk kommt jetzt Ortschaft für Ortschaft eine Aufnahme von Flüchtlingen, je nach Bevölkerung unterschiedlich, aber jeder nach seinem Maß.

Wir sind mittlerweile, wie es jetzt ausschaut, auf ein System und auf eine Kommuni­kation mit dem Bürger gekommen, wo wir das relativ gut hinüberbringen, nämlich mit dem, dass wir uns, wenn es so weit ist, dass wir in einer Gemeinde Flüchtlinge aufnehmen können, mit dem Bürger auseinandersetzen und eine Bürgerversammlung einberufen. Das Ergebnis dieser Bürgerversammlungen ist ausnahmslos Hilfsbereit-schaft, Hilfsbereitschaft und noch einmal Hilfsbereitschaft.

Die einzigen Probleme, die wir im Bezirk haben: ein massiver Protest gegen unsere Flüchtlingspolitik aus dem Nachbarland Slowakei. Da haben wir wieder das System, wo sich der Kreis schließt, dass all jene Leute – und egal, welcher Nationalität – mit Flüchtlingen und Ausländern ein Problem haben, die selbst in ihrem Land und ihrer Nähe keines haben.

Deswegen glaube ich, dass wir so, wie es sich bei uns im Bezirk darstellt, uns auch entsprechend in der Früh alle, wie wir sind, in den Spiegel schauen können. Und ich glaube, dass ich mit diesen Ausführungen, ohne jetzt lange reden zu müssen, bewie­sen habe, wie hier seitens der FPÖ gelogen wird, gelogen wird und noch einmal gelo­gen wird.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 73

Das Einzige, was ich dazusage, ist: Es wäre nicht fair von einem Bürgermeister, wenn er diese Situation schönreden würde, sondern es gibt für uns alle und bei uns allen große Sorge über die Situation. Das hindert uns aber nicht daran, diesen armen Menschen zu helfen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.16


*****

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zur Geschäftsordnung: Frau Kollegin Mühlwerth. – Bitte.

 


16.16.55

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Normalerweise gibt es in diesem Haus für das Wort „Lüge“ einen Ordnungsruf; den vermisse ich. Kollege Schödinger hat am Anfang gesagt: Es zeigt sich, „wie die FPÖ lügt“. Und das Wort „gelogen“ hat er noch ein paar Mal in den Mund genommen, ohne dass eine Reaktion kam. (Bundesrat Schödinger: Und wenn es nicht stimmt?)

Du hast gesagt: Da sieht man, „wie die FPÖ lügt“. – So, man kann sagen, das stimmt nicht, und das war nicht so. Aber jeder andere bekommt sonst für das Wort „Lüge“ einen Ordnungsruf. Den verlange ich jetzt auch für den Herrn Kollegen.

16.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Kollegin, ich werde mir das Protokoll kommen lassen und dann entscheiden.

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


16.17.38

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich habe ich mir gedacht, nach der Stellungnahme meiner Klubobfrau erspare ich mir den Weg zum Podium. Aber – Herr Präsident, die Nachschau in Ehren – ich glaube, alle haben hier vernommen, dass der Kollege Schödinger mehrfach die FPÖ als Lügner bezichtigt hat. Mehrfach! – Er nickt sogar jetzt noch zustimmend.

Das weise ich auf das Entschiedenste zurück! Kollege Schödinger, wenn sich die Bür­germeister im Bezirk Bruck an der Leitha zusammensetzen, um Gutes tun zu wollen, dann ist das eine Geschichte. Aber du warst letzten Dienstag nicht bei der Ver­an­staltung dabei, wo ich war, daher kannst du nicht wissen, was dort gesprochen wurde.

Aufgrund eines selbsternannten Gerechtigkeitszugangs, den du hier offensichtlich für dich selbst in Anspruch nimmst, darauf zu schließen, dass andere Bundesräte dieses Hauses hier generell die Unwahrheit sagen, finde ich schlichtweg anmaßend und beleidigend. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Jenewein. – Bitte. (Unruhe bei der SPÖ.)

 


16.19.10

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Na, wenn da drüben schon gepfiffen und laut ausgeatmet wird, dann werden das ein paar harte Minuten für euch werden!


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 74

Ich werde mich jetzt nicht daran beteiligen, ob Ordnungsruf oder nicht; ich glaube, wir haben das alle gehört, und ich habe vollstes Vertrauen in den Präsidenten, dass er die richtige Entscheidung treffen wird, sobald er das Stenographische Protokoll gelesen hat.

Ich möchte hier trotzdem die Möglichkeit in Anspruch nehmen, zusammenfassend etwas beizutragen. Es ist ja von den Vorrednern sehr viel gesagt worden, sehr viel auch zur FPÖ. Da stellt sich schon die Frage: Was würdet ihr eigentlich tun, wenn es uns nicht gäbe? – Es gibt ja kaum einen Redebeitrag, in dem nicht auf die FPÖ eingegangen wurde. Im Endeffekt, wenn ich das zusammenfassend so sagen darf, indem gesagt wird: Ihr gewinnt ja nur die Wahlen, wenn ihr die Leute anlügt. – Das haben wir soeben gehört. Ich sage Ihnen eines: Es ist ein Problem, dass offenbar manche Leute, manche Redner, die sich heute hier zu Wort gemeldet haben, ein bisschen mit der Selbstreflexion nicht so umgehen, wie es eigentlich notwendig wäre.

Kollege Edgar Mayer – ich mache das jetzt nicht irgendwie gewichtet, sondern so, wie ich es mir aufgeschrieben habe – hat davon geredet: Ja, wo sind denn die freiheitlichen Lösungen? Welche Lösungen habt denn ihr? – Ins selbe Horn hat Herr Kollege Himmer gestoßen, der jetzt hinter mir sitzt und den ich nun nicht als Präsidenten, sondern als Bundesrat anspreche, weil er gesagt hat: Aber es wird mittelfristig nichts anderes übrigbleiben, als dass wir die EU-Außengrenzen sichern.

Ja, nichts anderes macht Ungarn: Es schützt die EU-Außengrenzen. Wir können jetzt darüber diskutieren, ob die Verhältnismäßigkeit gegeben ist oder nicht – meiner Meinung nach ist sie gegeben –, indem man bei der EU-Außengrenze einen Zaun errichtet. Es ist ja nicht das einzige Land der Welt, das sich damit zu schützen versucht. Ich erinnere an das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika: Die haben einen Zaun Richtung Mexiko. Ich erinnere an den Staat Israel, der ebenfalls einen Zaun aufgebaut hat. Jetzt kann man sagen: Das sind ja alles keine Länder, die die Menschenrechte achten. Das kann man alles sagen, darüber kann man diskutieren. Meiner Meinung nach sollte man insofern schon ein bisschen die Kirche im Dorf lassen, als ja das, was in den letzten Wochen, man kann fast sagen Monaten, insbesondere aber in den letzten Wochen verstärkt passiert ist, mit Gesichtspunkten der normaler Migration nichts mehr zu tun hat.

Wenn ich dann den Kollegen Dönmez höre, hat mich heute deine Rede eher nachdenklich gestimmt, aber vielleicht nicht so, wie du es dir vorgestellt hast, denn ich bin von dir hier am Rednerpult eigentlich etwas ganz anderes gewohnt, nämlich klare Worte und keine Vorlesung. Entschuldige, wenn ich dir das so sagen muss! Ich sage es dir allerdings als jemand, der dich persönlich schätzt und in den letzten fünf Jahren hier auch schätzen gelernt hat. Aber sich hierher zu stellen und zu sagen, das Wort „Asylant“ darf man nicht mehr sagen, weil das so negativ konnotiert ist, genauso wie „Demonstrant“ – sei mir nicht böse, da kann ich auch sagen, „Maturant“ ist irgendwie negativ konnotiert. So etwas ist ja Irrwitz, dass man hier jetzt schon mit sprach-polizeilichen Maßnahmen sagt: Dies darf man nicht sagen, und das darf man auch nicht sagen!

Ich werde dir etwas sagen: Meiner Meinung nach ist das, was wir erleben, zu einem Gutteil eine Geschäftemacherei. Und was wir ebenfalls erleben: Das sind, wenn du so möchtest, auch Asylforderer. Mir braucht das doch kein Mensch zu erklären! Diese Menschen – wir haben es gerade vorhin gehört – waren jetzt Tausende von Kilometern auf der Flucht; das sind sie, das stelle ich ja gar nicht in Frage. Die Frage ist nur: Wovor flüchten sie?


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 75

Wovor flüchten die Menschen, die in Calais einen Eisenbahntunnel stürmen wollen und Richtung England gehen wollen? Wollen die nicht in Frankreich bleiben? – Ja, Frankreich ist ein Entwicklungsland, in Frankreich kann man nicht leben, da gibt es keine Menschenrechte, Frankreich ist ja so furchtbar! Darum müssen diese Leute jetzt flüchten: durch den Tunnel Richtung Großbritannien. Das ist schon etwas, da muss man auch einmal die Augen aufmachen! Da muss man schon auch in sich gehen.

Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, dass diese Debatte, wie sie läuft, auch nicht immer so läuft, wie ich mir das persönlich vorstelle, und zwar genau deswegen, weil eben die Differenzierung fehlt. Das hat verschiedenste Gründe. Einer der Gründe ist sicherlich auch darin zu suchen, dass wir derzeit in einer Wahlkampfphase sind. Ich möchte jetzt nicht Michael Häupl zitieren oder unterstützen, so wie das der Kollege gemacht hat, als er die Inserate gezeigt hat – nein, war ein Spaß –, aber Michael Häupl hat zumindest einmal einen ganz richtigen Satz gesagt, indem er gesagt hat: In Wahlkämpfen – jetzt sinngemäß interpoliert, mir fällt der genaue Wortlaut nicht ein – bleibt der Verstand manchmal auf der Straße. – Das ist schon richtig, und das ist auch ein Problem.

Aber ich sage auch: Genau so, wie man uns hier in den letzten Stunden vorgeworfen hat, dass wir die Hetzer sind, dass wir fremdenfeindlich sind und dass wir so böse sind, passiert genau dasselbe auf der anderen Seite. Der Herr Bundesminister stellt sich her und sagt zur Frau Klubvorsitzenden Mühlwerth: Wie können Sie behaupten, dass das Wirtschaftsflüchtlinge sind? – Na, ganz einfach: Wenn einer sagt, er möchte nicht in Frankreich bleiben, sondern er will nach Großbritannien, weil er an Leib und Leben verfolgt ist, dann hat er einen Grund! Und der Grund ist sicherlich darin begründet, dass er sich in England, in Großbritannien ein besseres Leben vorstellt als in Frank­reich. Das kann mir sonst keiner erklären: Warum will er nicht in Frankreich bleiben? Warum muss er nach Großbritannien?

Ein weiterer Punkt, der hier auch angesprochen worden ist, ist mir insofern wichtig, als das ja auch wieder gekommen ist: Da hat der Kollege Schennach in seiner altruis­tischen Show, die er wieder abgeliefert hat, erklärt, die Syrer sind ja alle so gebildet. – Im August dieses Jahres hat das AMS 17 897 subsidiär Schutzberechtigte betreut. Davon waren 5 007 Personen aus Syrien, und davon waren 4 221 Afghanen. Von den Syrern haben zwei Drittel eine Pflichtschulausbildung, und nur 7 Prozent sind diese angeblich gut ausgebildeten Akademiker, die in Österreich vom AMS betreut waren. Bei den Afghanen ist es noch viel schlimmer: 90 Prozent haben da eine Pflichtschul­ausbildung, und nur 90 Personen von diesen 4 221 Afghanen konnten sich selbst als Akademiker bezeichnen.

Dann stelle ich mir noch die Frage: Woher wollen wir denn überhaupt wissen, wie der Ausbildungsgrad der Leute ist, die zu uns kommen? – Sie werden ja nicht registriert, wir lassen sie ja durchfahren! Sie werden nicht einmal angeschaut. Wir schauen sie nicht an: Sind sie gesund? – Wir schauen nicht an, was für eine Ausbildung sie haben. Wir schauen nicht an, wo sie herkommen.

Wir schauen uns nicht einmal an, ob sie überhaupt eine Berechtigung haben! Der Kollege Schreuder sagt: Ja, das mit den Pässen wissen wir eh, das ist ein Problem. Viele haben keine Papiere und besorgen sich halt Papiere, dass sie in die Europäische Union kommen. – Da sage ich: Ja, menschlich verständlich. Unabhängig davon: Auch in Syrien weiß jeder, dass es nicht zulässig ist, mit einem gefälschten Pass herumzu­reisen; und jemand, der so etwas macht, der muss nicht nur damit rechnen, dass er sich selbst und seinen Status gefährdet, sondern der muss auch damit rechnen, dass das auf alle anderen abfärbt.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 76

Wenn der Frontex-Chef Fabrice Leggeri sagt, es gibt einen schwunghaften Handel mit gefälschten Pässen, dann sind das bei Gott keine Einzelfälle, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern dann kommt das öfter vor. Das Problem ist nur: In Öster­reich hört und sieht man davon nicht viel. Der Mitteldeutsche Rundfunk hat es gebracht, der deutsche „Spiegel“ hat es gebracht. Österreichische Zeitungen? – Da sagt man dann: Na ja, das ist nur in der „Kronen Zeitung“ gestanden. Die „Kronen Zeitung“ ist ja dann für viele keine seriöse Quelle.

Faktum ist: Das gibt es. Faktum ist: Wir wissen nicht, wie viele dieser Syrer, die heute in Österreich sagen, sie sind Syrer, sie wollen Asyl, tatsächlich Syrer sind. Das wissen wir nicht. Daher darf man sich durch die Blauäugigkeit, die in dieser Debatte teilweise vorherrscht, bitte nicht dazu führen lassen, dass man jetzt alles in Bausch und Bogen als gut empfindet.

Nächster Punkt: die sogenannten Hotspots. Da hat man gesagt: Ja, die EU reagiert jetzt, wir richten jetzt Hotspots ein. Die Frau Bundesinnenministerin Mikl-Leitner hat im August – oder im Juli, glaube ich, hat sie damit begonnen – gesagt: Ja, wir brauchen das – damals hat es noch nicht Hotspots“ geheißen, damals haben sie es noch Auffanglager genannt – an den EU-Außengrenzen, wo eben die Leute herkommen können, wo einmal geschaut wird, ob sie überhaupt ein Anrecht haben, ob sie über­haupt eine Chance haben, dass sie nach Europa kommen.

Selbst das ist nicht neu! Im Jahr 2004 hat der damalige deutsche Innenminister Schily – der zuerst bei den Grünen und dann bei der SPD war, er hat eine ähnliche Karriere hingelegt wie der Kollege dort drüben, Herr Schennach – gefordert, man sollte doch auf dem afrikanischen Kontinent Auffanglager errichten, um zu schauen – natürlich das Ganze von UNHCR überwacht –, ob die Leute, die nach Europa wollen, überhaupt die Möglichkeit haben, legal nach Europa zu kommen, ob es da überhaupt einen Asylgrund gibt. Das ist, bitte schön, elf Jahre her. Seit elf Jahren kennen wir das Problem, seit elf Jahren wird diskutiert. Jetzt brennt der Hut, und jetzt stampft man irgendeine Lösung aus dem Boden!

Damit bin ich jetzt wieder bei meinem lieben Kollegen Edgar Mayer, der ja immer Lösungen von uns einfordert, und daher möchte ich jetzt auch einmal eine Gegenfrage an ihn richten, und zwar folgende. Ihr behauptet, die SPÖ und die ÖVP haben jetzt dieses Flüchtlingsproblem so gut wie möglich abgewickelt, die Freiheitlichen können ja nur schimpfen, die haben keine Lösungen parat. Dann frage ich mich schon, wie es dazu kommt: Da gibt es ein offizielles Ratsdokument, „Migration: EU-Maßnahmen und aktueller Stand“, vom 9. September 2015. Da steht im Kapitel G:

„Migration und das Überschreiten der Außengrenzen durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen sollte nicht per se als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet werden.“

Gibt es dazu eine Stellungnahme der Republik Österreich? Gibt es eine Stellungnahme von der Frau Bundesinnenministerin dazu? Oder gar vom Bundeskanzler? – Nein, gibt es nicht. Nur die Bundesrepublik Deutschland hat eine Stellungnahme abgegeben. Die Bundesrepublik Deutschland hat dazu gesagt: Deutschland prüft, ob die Formulierung im Kapitel G darauf abzielt, die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, vorübergehende Grenzkontrollen vorzusehen, einzuschränken gemäß Art. 23. Dies könne man selbstverständlich nicht akzeptieren.

Die Republik Österreich – wo wir vorhin gehört haben, dass der Bundesrat Himmer meint, man muss die Außengrenzen sichern – gibt dazu keine Stellungnahme ab! Das heißt: Wer schweigt, stimmt zu. Das heißt: Von unserer Seite ist das absolut in Ord-


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nung, dass wir uns jetzt auch noch die letzte Möglichkeit wegschneiden lassen, weil der Rat der Meinung ist, dass eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen, die die Grenze überschreitet, nicht mehr dazu führen kann, dass man die Grenzen schließt. – Na bravo, gut gemacht!

Da sage ich Ihnen jetzt, Herr Kollege, als Lösungsvorschlag: Hier hätte man sofort reagieren müssen! Das könnte man jetzt noch tun, und ich warte darauf. Der Herr Bundesminister hätte heute die Möglichkeit, hier etwas darauf zu sagen; ich bin gespannt, ob er es tut! (Bundesrat Todt: Er hat es schon gesagt!) Ich bin gespannt, ob er es tut oder ob da wieder die typischen Floskeln kommen. Aber ich möchte hier, dass sich die Republik selbstverständlich dazu bekennt und sagt: Ja, wir haben die Mög­lichkeit, Grenzkontrollen einzuführen, ja, das wollen wir! – Der Rat möchte uns diese Möglichkeiten nehmen.

Ich sage ganz ehrlich, wenn man sich schon die Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Kanzlerin laufend als Vorbild nimmt, dann sollte man sie sich vielleicht auch einmal dort zum Vorbild nehmen, wo sie einmal etwas Gescheites macht, nämlich in dieser Frage. Das hat nämlich die Republik Österreich mit ihren Repräsentanten offenbar verschlafen, und das ist keine Art und Weise, wie man in Zeiten wie diesen, wo der Hut an allen Ecken und Enden brennt, wirklich mit solchen Fragen umgeht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

16.30


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen? – Bitte, Herr Bundes­minister.

 


16.30.33

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Ein Satz dazu: Wir haben vor ungefähr zehn Tagen die Grenzkon­trollver­ordnung beschlossen und ich glaube, vor zwei Stunden ungefähr, ist sie verlängert worden. – Danke. (Bundesrat Jenewein: Der Rat will es abschaffen – und ihr sagt nichts dazu! – Weitere Zwischenrufe.)

16.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


16.31.00

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer|: Wir sind der Rat. Vielleicht sollten Sie sich, nur als kleine Empfehlung, bis zur nächsten Sitzung mit der Funktionsweise der Europäischen Union auseinandersetzen. Es ist nicht die Europäische Union, sondern im Rat sind alle Mitgliedstaaten vertreten. Es ist nicht der Rat irgendeine dritte, unbeteiligte Größe, wie Sie immer gerne zu kommunizieren versuchen, sondern wir sind der Rat. Wir alle als Mitgliedstaaten sind dort gemeinschaftlich vertreten, treffen die Beschlüsse dort auch gemeinschaftlich. – Danke. (Bundesrat Jenewein: Guten Morgen!)

16.32

16.32.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer geheimen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015


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betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden Einspruch zu erheben. Ich lasse darüber abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung über den vorliegenden Einspruchsantrag des Bundesrates zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt nun getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden.

Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zur Erteilung der Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National-rates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – für den Fall der Zustimmung – und „Nein“ – keine Zustimmung. Ich bitte um deutliche Wortmel­dungen.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 79

Ich ersuche nun die Schriftführung um den Aufruf der Bundesrätinnen und Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Junker geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Stimmabgabe ist damit beendet. Ich unter­breche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Die Sitzung wird um 16.37 Uhr unter­brochen und um 16.39 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, bei 51 abgegebenen Stimmen 42 „Ja“-, 9 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrätinnen und Bundesräte:

Blatnik, Bock, Brunner;

Dönmez;

Ebner Adelheid;

Fetik, Forstner, Fürlinger;

Gödl, Grimling, Gruber-Pruner;

Hackl, Hammerl, Himmer;

Jachs, Junker;

Kneifel, Köck;

Ledl-Rossmann, Lindinger, Lindner;

Mayer;

Novak;

Oberlehner;

Pfister, Poglitsch, Posch-Gruska, Preineder, Pum;

Reich, Reiter;


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 80

Saller, Schennach, Schödinger, Schreuder, Schreyer, Stadler, Stöckl;

Tiefnig, Todt;

Weber, Winkler.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesrätinnen und Bundesräte:

Dörfler;

Herbert Werner;

Jenewein;

Krusche;

Längle;

Meißl, Mühlwerth;

Pisec;

Schmittner.

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Damit ist der Antrag einhellig angenommen.

16.39.303. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (27. StVO-Novelle) (775 d.B. und 786 d.B. sowie 9452/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Ich bitte um den Bericht.

 


16.40.54

Berichterstatter Günther Novak: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, 27. StVO-Novelle. Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; der Inhalt ist bekannt.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 25. September 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke sehr herzlich für die Berichterstattung. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 



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16.42.03

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir zu einem Punkt, bei dem es wahrscheinlich wieder ein bisschen ruhiger abgeht. Es geht um eine Novelle der Straßenverkehrsordnung. Der Großteil der Änderungen der uns heute vorliegenden Novelle hat zum Ziel, Erschwernisse für Menschen mit Behinderung, insbesondere von Sehbehinderungen, zu beseitigen. Situationen, die Menschen ohne Behinderung nicht einmal auffallen, verursachen für Menschen mit Beeinträchtigungen oft sehr große Probleme. Mit dieser Novellierung der Straßenverkehrsordnung können einige dieser Probleme beseitigt werden.

Die erste enorme Verbesserung betrifft Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Wir kennen die Situation, dass vorwiegend in den Städten die Fachärzte, Ge­sundheitszentren, Therapieeinrichtungen oft zentral in Fußgängerzonen angesiedelt sind. Es ist für gehbehinderte Menschen oft eine echte Herausforderung, dorthin zu kommen. Um eben diesen gehbehinderten Menschen den Zugang zu den Ärzten, zu den Einrichtungen zu erleichtern, dürfen in Zukunft Besitzer eines §-29-Ausweises in die Fußgängerzone zufahren und dort auch parken – aber natürlich nur dann, wenn sie solche Einrichtungen beziehungsweise einen Arzt aufsuchen.

Auch für über 300 000 Menschen mit Sehbehinderungen in Österreich wird es zwei wichtige Verbesserungen geben. Erstens wird das Halten und Parken auf Leitlinien, die für Menschen mit Sehbehinderung eine ganz wichtige Hilfestellung sind, explizit verboten. Dieses Verbot umfasst natürlich auch, dass keine Fahrräder auf den ent­sprechenden Markierungen abgestellt werden dürfen. Das ist ein Problem, das ja in letzter Zeit immer wieder vorgekommen ist. Das wird abgeschafft, wird verboten.

Zweitens – gleichfalls eine wichtige Sache, die uns wahrscheinlich, wie ich es eingangs gesagt habe, gar nicht so auffällt oder behindert –: In Kopfhöhe angebrachte Verkehrs­zeichen auf Gehsteigen können für Menschen mit Sehbehinderung oft zu einer Gefahr werden. Daher ist zu begrüßen, dass neu angebrachte oder ausgewechselte Verkehrs­zeichen künftig in mindestens 2,2 Meter Höhe angebracht werden müssen.

Das sind für mich zwei wichtige Punkte. Es sind in dieser Novelle noch ein paar andere Punkte enthalten. Neben diesen sehr wichtigen Verbesserungen für Menschen mit Beeinträchtigung bringt die Novelle der Straßenverkehrsordnung auch eine Erleichte­rung bezüglich eines Werbeverbotes in Industriegebieten, bei Sportstätten oder an Flughäfen. Da ist in Zukunft auch die Rechtssicherheit gegeben.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Novelle kann ein ganzes Paket an Verbesserungen für Menschen mit Beeinträchtigung umgesetzt werden. Ich sage allen Danke, die mitgewirkt haben, diese Novelle zu erstellen. Ich denke, dass mit dieser Novellierung der Straßenverkehrsordnung der Alltag von über 300 000 Menschen mit Beeinträchtigung um einiges erleichtert wird.

Ich bitte um Zustimmung und Unterstützung. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nachholen darf ich noch, dass ich zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt Herrn Bundesminister Stöger sehr herzlich bei uns begrüßen darf. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Forstner zu Wort. – Bitte.

 


16.46.08

Bundesrat Armin Forstner (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Änderung der StVO, hier wiederum speziell der § 24, Halte- und Parkverbote, in Verbindung mit


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§ 29b StVO, Menschen mit Behinderung, stellen in Zukunft eine klare Verbesserung für Menschen mit einer Behinderung dar. Wie es Kollege Stadler vorhin schon erwähnt hat, erlauben es die Bestimmungen Inhabern eines Behindertenausweises im Bereich eines Parkverbotes zu parken beziehungsweise im Bereich eines Halte- und Park­verbotes für die Zeit des Ein- und Aussteigens zu halten. Ein wichtiger Punkt ist auch die Erlaubnis zum Halten und Parken in Fußgängerzonen.

Mit den neuen Bestimmungen wird nun einerseits klargestellt, dass Inhaber von solchen Ausweisen nicht nur während der Ladezeit in der Fußgängerzone parken, sondern während dieser Zeit auch die Fußgängerzone befahren dürfen. Andererseits sind in vielen Fußgängerzonen Ärzte und Therapiezentren ansässig. Dadurch wird den Inhabern solcher Ausweise die Erreichung dieser notwendigen Einrichtung wesentlich erleichtert.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch für Menschen mit Sehbehinderung in Österreich wird es zwei wichtige Verbesserungen geben. Das Halten und Parken auf Leitlinien soll zukünftig verboten werden und so Menschen mit Sehbehinderung aus­drücklich schützen. Dieses Verbot umfasst natürlich auch, dass Mopeds und Motor­räder oder – wie es Kollege Stadler schon erwähnt hat – Fahrräder auf den ent­sprechenden Markierungen nicht abgestellt werden dürfen. Das ist ein Problem, das man vor allem in den Städten oft beobachten kann.

Eine weitere wichtige Änderung ist auch in § 48 StVO, Anbringung der Verkehrs­zeichen, gelungen. In Kopfhöhe angebrachte Verkehrszeichen auf Gehsteigen können für Menschen mit einer Sehbehinderung eine Gefahr darstellen. Deshalb ist es zu begrüßen, dass in Zukunft die Verkehrszeichen in einer Höhe von mindestens 2,2 Me­ter angebracht werden müssen.

Durch diese neuen Regelungen wird es für Menschen mit Behinderung, vor allem für jene mit einer Sehbehinderung, leichter, sich in der Öffentlichkeit ungefährdet zu bewegen.

Was mich natürlich als Bürgermeister sehr freut, ist, dass es auch für die Gemeinden eine Verwaltungsvereinfachung geben wird, nämlich, dass die Verkehrszeichen in Zukunft nicht wie bisher alle zwei Jahre, sondern nur mehr alle fünf Jahre überprüft werden müssen.

Weiters wurde – das wurde auch schon erwähnt – in § 84 eine rechtliche Klarstellung bezüglich der Anbringung von Werbung am Straßenrand vorgenommen. Neben den Verbesserungen für Menschen mit Behinderung bringt die StVO-Novelle auch eine Erleichterung für die heimische Wirtschaft. Das Verbot, in Industriegebieten, bei Sportstätten oder Ähnlichem zu werben, entfällt, aber natürlich nur unter Berück­sichtigung der Verkehrssicherheit sowie der Raum- und Bauordnung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Novelle gibt es grundsätzlich gewaltige Verbesserungen für Menschen mit Behinderun­gen sowie für Gemeinden und Veranstaltungen, die im Bereich des Ortsgebietes beziehungsweise rund um das Ortsgebiet umgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Längle zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 83

16.49.27

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es geht um die Änderung der Straßen­verkehrsordnung. Auch wir Freiheitliche sehen das sehr positiv und werden hier auch gerne unsere Zustimmung geben.

Worum geht es? – Es geht um eine große Verbesserung für Menschen – für Menschen mit Behinderung und im Speziellen für Menschen mit Sehbehinderung. Ich schließe mich den Worten meiner Vorredner, dem Kollegen Stadler und dem Kollegen Forstner, an. Ich möchte nicht alles wiederholen, aber dennoch explizit hervorheben, dass wir damit die leichtere Erreichbarkeit von Therapieeinrichtungen beziehungsweise ärzt­lichen Einrichtungen erzielen. Ich denke, dass dies in Fußgängerzonen, beispielsweise in den großen Fußgängerzonen in Bregenz, Innsbruck und Salzburg, sehr wichtig ist.

Was erreichen wir noch mit dieser Änderung? Wir schaffen es, rechtliche Lücken zu schließen. Es kommt zu einer Verbesserung der Parkmöglichkeiten für Inhaber des Ausweises nach § 29b, zu einem expliziten Halte- und Parkverbot vor Leiteinrichtungen und zur bereits zuvor erwähnten Verbesserung bei der Anbringung von Verkehrs­zeichen.

Ich möchte die große Bedeutung dieser Gesetzesänderung besonders unterstreichen. Wenn man sich die Zahlen der betroffenen Menschen nämlich anschaut, erkennt man die Erheblichkeit und Wichtigkeit: Wir sprechen immerhin österreichweit von rund 300 000 sehbehinderten Menschen und zirka 44 500 Inhabern eines Ausweises nach § 29b.

Wir haben im Ausschuss darüber debattiert und sind zur Auffassung gelangt, dass Schutz, Hilfe und Sicherheit gerade für Menschen, die besondere Bedürfnisse haben, ganz klar im Vordergrund stehen. Schutz, Hilfe und Sicherheit sind Grundparameter von uns Freiheitlichen, und es freut mich, dass wir schon im Ausschuss breiten Konsens hatten, und ich denke, dass wir auch hier eine Einstimmigkeit erzielen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

16.52.02

 


Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Vielen Dank für die vorliegende Novelle der Straßenverkehrsordnung!

Wir Grüne sehen viele der vorgenommenen Änderungen sehr positiv und werden der Novelle daher sehr gerne zustimmen. Vor allem im Bereich der Inklusion erachten wir die Verbesserungen als sehr, sehr positiv. Meine VorrednerInnen sind bereits darauf eingegangen – ich möchte hier auch nichts mehr wiederholen.

Es werden Möglichkeiten geschaffen, in Fußgängerzonen einzufahren, es gilt verstärkt, Lenkeinrichtungen für Sehbehinderte frei zu halten, damit diese auch wirklich benützt werden können und nicht zugeparkt oder verstellt werden. Es wird auch ein großes Anliegen der Sehbehindertenverbände endlich umgesetzt, und zwar die Anbringung von Verkehrsschildern erst ab 2,20 Meter Höhe.

Genau da liegt schon einer unserer ersten Kritikpunkte. Diese Regelung betrifft nur neue Verkehrsschilder, also solche, die nach dem Inkrafttreten dieser Novelle aufge-


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 84

stellt werden, nicht aber schon bestehende. Dadurch greift diese Neuregelung jetzt kaum, in vollem Umfang wahrscheinlich erst in 20 oder noch mehr Jahren. Natürlich sehen wir das auch realistisch. Es brauchen nicht alle Bauhof-MitarbeiterInnen sofort zum Ummontieren der Schilder losgeschickt zu werden, aber in einer Übergangsfrist von etwa drei Jahren wäre das doch sicher machbar.

Ein weiterer Punkt, den ich erwähnen möchte, mit dem wir auch nicht ganz überein­stimmen, ist die Abschaffung der Berichtspflicht der Länder betreffend Unfallhäu­fungs­stellen nach § 96 Abs. 1b. Das sehen wir sehr kritisch. Die in den Erläuterungen angeführte Begründung für den Entfall der Berichte der Länder ist für uns auch nicht ganz nachvollziehbar. Wie kann ein Berichtssystem über ganz andere Straßen ein bloßer Formalismus und überholt sein, nur weil bei den sehr kleinen Teilnetzen der Autobahnen und Schnellstraßen mittlerweile andere Regelungen gelten? Das Einzige, das hier wirklich zählen darf, ist der Beitrag zur Verkehrssicherheit – und dass weniger Information über Unfallhäufungsstellen die Verkehrssicherheit verbessert, ist wohl sehr unwahrscheinlich.

Da wir gerade von Unfallhäufung sprechen: Die Ausdehnung der Werbemöglichkeiten an Straßen sehen wir ebenfalls sehr kritisch – wegen der Gefahr der Unfallhäufungen durch die Ablenkungen und weil wir einen Wildwuchs an Werbeflächen befürchten. Es zerschneidet einfach die Landschaft, und unser schönes Land wird dadurch nicht gerade verschönert. Aber wie gesagt: Die positiven Inhalte dieser Novelle überwiegen, daher von den Grünen sehr gerne eine Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

16.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


16.54.56

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mobilität ist ja ein Ausdruck von persönlicher Freiheit, und manche Menschen, nämlich Menschen mit Behinderungen, sind in ihrer Mobilität mehr beeinträchtigt als andere. Es ist die Aufgabe der Politik, darauf zu achten, dass Menschen, die es an sich schon schwerer haben, im öffentlichen Raum bevorzugt werden. Mit dieser Novelle zur Straßenver­kehrs­ordnung leisten wir dazu einen entscheidenden Beitrag.

Im zweiten große Schritt, den wir machen, geht es darum, manche bürokratischen Vorgaben zu verändern. Frau Abgeordnete Schreyer, es geht darum, dass Bundes­straßen in die Zuständigkeit der Länder fallen und der Bund nur mehr für Autobahnen und Schnellstraßen zuständig ist.

Die Information, wo eine Unfallhäufungsstelle ist, hat für den Straßenerhalter eine ganz entscheidende Bedeutung. Er muss wissen, wie eine Unfallstelle zu verändern ist, was zu tun ist. Dort ist diese Information notwendig, weil nur der Straßenerhalter die Kompetenz hat, Maßnahmen zu setzen. Das ist aus meiner Sicht wichtig und gut.

Wir haben mit dieser Novelle auch deutlich gemacht, dass die Verantwortung, wie wir mit Werbeflächen umgehen, bei der Bezirksverwaltungsbehörde liegt. Die Bezirksver­waltungsbehörde hat mehrere Überlegungen, wie zum Beispiel den Ortsbildschutz, zu berücksichtigen. Wir denken, dass das Sinn macht. – Ich teile da durchaus die Kritik: Wir wollen nicht überall Werbeflächen haben, ganz im Gegenteil. Aber die Bezirks­verwaltungsbehörde kennt die örtlichen Gegebenheiten, und es ist gut, dass man in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten die Entscheidungen trifft. Wir sagen nur: Es


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braucht formal kein Ortsgebiet zu sein, vielmehr muss aus einem Mix aus Gesichts­punkten eine vernünftige Entscheidung getroffen werden, und das kann die Bezirksver­waltungsbehörde auch gerne tun.

In diesem Sinne danke ich für Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.57

16.57.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.58.10 *****

Es liegt mir in der Zwischenzeit das vorläufige Stenographische Protokoll vor, aus dem hervorgeht, dass Bundesrat Schödinger Folgendes sagt: „wie die FPÖ lügt und wie sie das so verdreht“, und an einer anderen Stelle: „wie hier seitens der FPÖ gelogen wird, gelogen wird und noch einmal gelogen wird“. – Ich glaube, das ist eindeutig.

Ich erteile Herrn Bundesrat Schödinger dafür einen Ordnungsruf.

*****

16.58.424. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Aufgrund des Ausscheidens von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates sind fünf Mitglieder und vier Ersatzmitglieder neu zu wählen, wobei zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder von der ÖVP, zwei Mitglieder und ein Ersatzmitglied von der SPÖ und ein Mitglied sowie ein Ersatzmitglied von der FPÖ für die entsprechende Wahl vorzuschlagen sind.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Der entsprechende Wahlvorschlag der ÖVP-Fraktion liegt mir vor. Dieser lautet auf:

Mitglieder: Gregor Hammerl (Steiermark), Edgar Mayer (Vorarlberg); Ersatzmitglie­der: Dr. Magnus Brunner (Vorarlberg), Armin Forstner (Steiermark).

Der entsprechende Wahlvorschlag der SPÖ-Fraktion liegt mir vor. Dieser lautet auf:


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 86

Mitglieder: Peter Heger (Burgenland), Mario Lindner (Steiermark); Ersatzmitglied: Inge Posch-Gruska (Burgenland).

Der entsprechende Wahlvorschlag der FPÖ-Fraktion liegt mir ebenfalls vor. Dieser lautet auf:

Mitglied: Christoph Längle (Vorarlberg); Ersatzmitglied: Gerd Krusche (Steiermark).

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diese Wahlvor­schläge unter einem vornehmen und durch Handzeichen abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest.

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit gewählt.

17.00.285. Punkt

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ (214/A-BR/2015)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nunmehr aufgrund der ergänzten Tagesordnung zum 5. Punkt.

Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag 214/A-BR/2015 der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kollegin­nen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Abhal­tung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 214/A-BR/2015 verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.01.10Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesord­nungs­punkte 1 und 2 über die Beschlüsse des Nationalrats vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden und ein Bundesgesetz, mit dem das Fremden-


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polizeigesetz 2005 geändert wird, zu verlesen, damit dieser entsprechende Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussfassung ermöglicht werden.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls:

 „TO-Punkt 1: Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutz­bedürftigen Fremden. (1295/A und 792 d.B. sowie 9450/BR d.B. und 9453/BR d.B.)

TO-Punkt 2: Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird. (1296/A und 793 d.B. sowie 9451/8BR d.B.)

Die Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen bringen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 23. September 2015 betreffend ein Bun­des­verfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutz­bedürftigen Fremden mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ein. (Beilage 1/1) Dazu wird geheime Abstimmung beantragt.

Es liegt ein schriftliches Verlangen von 5 Mitgliedern des Bundesrates auf namentliche Abstimmung vor (Beilage I/1)

Abstimmungen:

Der Antrag auf geheime Abstimmung wird abgelehnt.

Der Antrag auf Erhebung des Einspruchs mit der beigegebenen Begründung (Bei­lage 1/1) wird abgelehnt.

Der Antrag der Berichterstattung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen. Der Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen, wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates in namentlicher Abstimmung bei 51 abgegebenen Stimmen mit 42 Ja-Stimmen und 9 Nein-Stimmen mit Stimmenmehrheit angenommen (und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit).

Sitzungsunterbrechung zur Stimmenauszählung von 16.37 Uhr bis 16.39 Uhr.

Zu TO-Punkt 2: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird ange­nommen (mit Stimmeneinhelligkeit).“

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Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder gegen den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.


BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 88

17.03.59Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt eine Anfrage, 3087/J-BR, einge­bracht wurde.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates erfolgt auf schriftlichem Wege. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 29. Oktober 2015, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen wie immer jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet hat, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 27. Oktober 2015, ab 11 Uhr vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.04.29Schluss der Sitzung: 17.04 Uhr

 

 

 

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