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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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848. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 3. Dezember 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

848. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 3. Dezember 2015: 9.03 – 14.13 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das Bundeshaf­tungsobergrenzengesetz, das Unternehmensserviceportalgesetz, das Wettbewerbsge­setz, das Freiwilligengesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz und das Sucht­mittelgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bun­deszuschusses an das Bundesland Salzburg aus Anlass der 200-jährigen Zugehörig­keit zu Österreich erlassen wird (Budgetbegleitgesetz 2016)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird

5. Punkt: Wahl von Ausschüssen

6. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .................................................................................................................. 6

Angelobung der Bundesräte Renate Anderl, Wolfgang Beer, Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Elisabeth Grimling, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Hans-Jörg Jene­wein, Monika Mühlwerth, Mag. Reinhard Pisec, BA, Ing. Bernhard Rösch, Stefan Schennach und Reinhard Todt ......................... 12


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Antrag der Bundesräte Mag. Nicole Schreyer, Dr. Heidelinde Reiter, David Stögmüller und Mag. Dr. Eva Dziedzic gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion – Annahme ...........................................................  33, 33

Antrag des Bundesrates Christoph Längle, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 205/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Corne­lia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Militärmusik in je­dem Bundesland gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 16. Dezember 2015 zu setzen – Ablehnung .................................................................................................  33, 91

Antrag des Bundesrates Christoph Längle, gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR über diesen Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen – Ablehnung ......................................................................  33, 34

Antrag des Bundesrates Christoph Längle, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 216/A(E)-BR/2015 der Bundesräte Chris­toph Längle, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er­halt der Kompanien bei den Bataillonen gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 16. Dezember 2015 zu setzen – Ablehnung ...........................................................  33, 91

Antrag des Bundesrates Christoph Längle, gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR über diesen Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen – Ablehnung ......................................................................  33, 34

1. Punkt: Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in ............................................................. 35

Aktuelle Stunde (38.)

Thema: „ELGA – Start der Elektronischen Gesundheitsakte“ .............................. 12

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ............................................................................................................... 12

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 14

Gerd Krusche ............................................................................................................... 16

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 17

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ...............................................  19, 28

Mario Lindner ................................................................................................................ 22

Gregor Hammerl ........................................................................................................... 24

Arnd Meißl ..................................................................................................................... 25

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 27

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ......................................................  31, 32

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 33

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 29

5. Punkt: Wahl von Ausschüssen .................................................................................. 89

6. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemein­samen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948                                                             90


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Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das Bundeshaftungs­obergrenzengesetz, das Unternehmensserviceportalgesetz, das Wettbewerbsge­setz, das Freiwilligengesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Ar­beitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsge­setz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Ge­sundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Bundes-
land Salzburg aus Anlass der 200-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich erlassen
wird (Budgetbegleitgesetz 2016) (821 d.B. und 882 d.B. sowie 9486/BR d.B. und 9487/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 35

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 36

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (883 d.B. sowie 9488/BR d.B.) .................... 35

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 36

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (846 d.B. und 884 d.B. sowie 9489/BR d.B.) ........................................ 36

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 36

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 36

Edgar Mayer .................................................................................................................. 41

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 44

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 45

Christoph Längle (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 48

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 49

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 51

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 53

Mag. Michael Lindner ................................................................................................... 56

David Stögmüller .......................................................................................................... 58

Martin Preineder ........................................................................................................... 59

Rosa Ecker .................................................................................................................... 60

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ...................................................................... 63

Peter Heger ................................................................................................................... 65

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 67

Sonja Zwazl ............................................................................................................  69, 85

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................... 72

Ingrid Winkler ............................................................................................................... 74

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 76

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 77

Rene Pfister .................................................................................................................. 80

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 82


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Günther Novak ............................................................................................................. 87

Christoph Längle .......................................................................................................... 88

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der notwendigen budgetären und perso­nellen Ausstattung des Rechnungshofes – Ablehnung     56, 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 89

Eingebracht wurden

Anfrage der Bundesräte

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „Transfer-Zelte“ für Menschen auf der Flucht (3099/J-BR/2015)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Asylantenquartier „Haus Semmering“ (2863/AB-BR/2015 zu 3088/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernichtung von Lebensmitteln (2864/AB-BR/2015 zu 3089/J-BR/2015)


 


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09.03.30Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich eröffne die 848. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 847. Sitzung des Bundesrates vom 19. November 2015 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

09.03.47Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundes­rates.

Hinsichtlich des Wortlauts dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:


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09.04.14Angelobung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend, ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesen der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.04.54

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Ge­setze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

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Über Namensaufruf durch den Schriftführer leisten die Bundesräte Renate Anderl (SPÖ, Wien), Wolfgang Beer (SPÖ, Wien), Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien), Eli­sabeth Grimling (SPÖ, Wien), Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien), Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien), Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien), Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien), Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien), Stefan Schennach (SPÖ, Wien) und Reinhard Todt (SPÖ, Wien) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich begrüße die neuen und wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Die neuen und die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates werden von ihren Kolleginnen und Kol­legen beglückwünscht.)

09.08.57Aktuelle Stunde

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:

„ELGA – Start der Elektronischen Gesundheitsakte“

Dazu darf ich die Frau Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser herz­lich in der Länderkammer willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen bezie­hungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnah­me der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Da­nach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend je eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer 5-mi­nütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bun­desministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm und mache da­rauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 


9.10.20

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich freue mich, Sabine, dass du bei uns bist, dass du deine


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Krankheit so gut überstanden hast und dass du heute eines der wichtigsten Projekte der Gesundheitspolitik hier mit uns diskutierst. (Allgemeiner Beifall.)

Viel wurde über das Projekt der Elektronischen Gesundheitsakte gesprochen und dis­kutiert, bevor es überhaupt gestartet ist. Ich erinnere mich an ein Projekt, das von vie­len Seiten – sei es von Interessenvertretern oder von sogenannten Datenschützern – ähn­lich diskutiert, um nicht zu sagen, angefeindet wurde, es war das Projekt der e-card. Zehn Jahre später können wir alle es uns nicht mehr vorstellen, beim Arbeitgeber ei­nen Krankenschein abholen zu müssen, bevor man zum Arzt geht. Die e-card ist ein wichtiger Teil unseres Lebens geworden, ein Symbol des möglichst barrierefreien und niederschwelligen Zugangs zu einem der besten Gesundheitssysteme der Welt.

Nun ein paar Kernpunkte zu ELGA: Die Elektronische Gesundheitsakte, ELGA, stellt eine elektronische Vernetzung der wichtigsten Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten, die verteilt im Gesundheitswesen entstehen, her. Konkret wird den berech­tigten Gesundheitsdienstanbietern – zum Beispiel Ärzten, Apotheken, Spitälern und Pfle­geeinrichtungen – der orts- und zeitunabhängige Zugang zu den ELGA-Gesundheits­daten ermöglicht. Die mittels ELGA erfassten Daten sind Spitalsentlassungsbriefe, La­borbefunde, Radiologiebefunde und Medikationsdaten. ELGA wird neu befüllt, sprich, ältere Befunde werden nicht nachgetragen.

ELGA wird, so wie heute die e-card, in zehn Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Heu­te kann man sich nicht mehr vorstellen, für einen Arztbesuch zuerst zum Arbeitgeber zu gehen. In zehn Jahren soll unvorstellbar sein, dass man einen Laborbefund abholen oder sich die einzunehmenden Medikamente merken muss.

Ein persönliches Erlebnis von mir – um einen Vorgeschmack auf ELGA zu geben –, als ich vor drei Wochen zwei Spitäler für unterschiedliche Untersuchungen besuchen muss­te: Ich war zuerst im Wilhelminenspital, dort ist mir Blut abgenommen worden, dann war ich im Krankenhaus Hietzing, dort wollte man mir ebenfalls Blut abnehmen. Da die Krankenhäuser des Krankenanstaltenverbundes untereinander vernetzt sind, habe ich mir diese zweite Blutabnahme erspart. Das zeigt, dass ELGA eigentlich ein Projekt ist, das dem Patienten in Zukunft nützen und einige Untersuchungen ersparen wird.

Zur zeitlichen Umsetzung von ELGA: Ab 9. Dezember, also in einigen wenigen Tagen, beginnt die schrittweise Ausrollung in die Krankenanstalten. ELGA startet zuerst in Wien in fünf Abteilungen im Krankenhaus Hietzing und in den Krankenanstalten in der Steiermark mit 9. Dezember 2015. Der weitere Anschluss erfolgt schrittweise. Die e-Medikation startet im Frühjahr 2016 in der Pilotregion Deutschlandsberg in der Steier­mark. Mitte 2017 erfolgt die österreichweite Ausrollung auf die niedergelassenen Ärz­tinnen und Ärzte. Somit wird die volle Funktionsfähigkeit des Systems also ab Mit­te 2017 gegeben sein.

Durch ELGA ergeben sich folgende Vorteile: höhere Medikamentensicherheit durch e-Medikation – durch die Verknüpfung der Informationen mehrerer GDA sollte Mehrfach­verschreibungen und Wechselwirkungen vorgebaut werden –, keine Wegzeiten für Pa­tientinnen und Patienten durch lästige Befundabholung, höhere Transparenz der eige­nen Gesundheitsdaten für Patientinnen und Patienten, umfassende Informationen durch die in der ELGA festgehaltene wichtige Krankengeschichte und schnelle Lesbarkeit und bessere Verständlichkeit für Gesundheitsdienstanbieter durch einheitliche Gestaltung von Befunden.

ELGA wird einen bedeutenden Beitrag im Gesundheitssystem leisten, denn mit ELGA können wir uns nicht nur lästiges Befundabholen sowie Hin- und Hertragen ersparen, sondern ELGA hilft, Doppelverschreibungen und gefährliche Wechselwirkungen von Me­dikamenten sowie Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden. Gerade in Notfallsituationen ist das schnelle Auffinden von Befunden und der Medikationsliste von besonderer, viel-


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leicht sogar lebenswichtiger Bedeutung. Insbesondere für ältere Menschen ist ELGA eine enorme Erleichterung, denn ältere Menschen nehmen durchschnittlich acht ver­schiedene Medikamente täglich ein. Arztbesuche sind besondere Herausforderungen, und die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Medikamente vergessen werden, ist leider enorm hoch. Dabei wird ELGA Abhilfe schaffen. Gerade für die Demenzpatientinnen und -patienten, deren Zahl leider zunimmt, wird ELGA eine große Stütze im Lebensall­tag werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Erwartungen an ELGA sind, dass sie sich gut in das österreichische Gesundheitssystem integriert, dieses besser vernetzt und in zehn Jahren genauso fixer, nicht wieder wegdenkbarer Teil der Gesundheitslandschaft sein wird wie heute die e-card.

Liebe Frau Bundesministerin! Ich möchte dir und den derzeit sicherlich besonders hart arbeitenden Menschen im Hintergrund für die Umsetzung von ELGA das Beste wün­schen. Vielen Dank für den unermüdlichen Einsatz für das österreichische Gesund­heitssystem, es ist das beste der Welt und soll erhalten bleiben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

9.18


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tief­nig. – Bitte.

 


9.18.21

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich heiße Sie auch vonseiten unserer Fraktion wieder herzlich willkommen bei uns im Bundesrat. Ich habe auf Facebook Ihren gesamten Weg mit­verfolgt und ich muss sagen, es war ein steiniger Weg. Wir sind wirklich froh, dass Sie wieder in unserer Mitte sind. (Allgemeiner Beifall.)

ELGA ist sicherlich ein Instrument, das in der Bevölkerung kaum bekannt ist, aber sehr viel diskutiert wird. Die Entstehung von ELGA geht auf das Jahr 2006 zurück, als die ARGE ELGA gegründet wurde. 2008 wurde ELGA beschlossen, 2009 in der Gesund­heitsreform verankert und 2013 dann auch hier im Plenum gesetzlich beschlossen.

Mein Kollege Todt hat es schon gesagt, die Ziele von ELGA sind, dass die Vernetzung unter den verschiedenen Gesundheitsdienstanbietern besser funktioniert. Ich habe ge­nauso ein Beispiel, wie Sie, Kollege Todt, es gebracht haben, denn die Datenweiter­gabe funktioniert zurzeit teilweise nicht einmal unter den Ordensspitälern. Wenn sich heute zum Beispiel jemand einen Arm gebrochen hat, dann ein Operationsfehler ent­standen ist und er in ein anderes Ordensspital geht, dann wird das dort festgestellt, aber er muss die gleichen Untersuchungen noch einmal durchlaufen, welche er schon vorher im Krankenhaus durchlaufen hat.

Mit dieser Möglichkeit ist entsprechende Transparenz gegeben, und man muss nicht wieder von vorne beginnen. Das Gleiche gilt bei Krebsuntersuchungen. Sie wissen, wie oft dieselben Untersuchungen in verschiedenen Krankenhäusern oder verschiedenen Institutionen gemacht werden.

Daher ist es für mich insbesondere im Hinblick auf Patientensicherheit und Transpa­renz ein ganz wichtiger Schritt, dass dieses Gesetz jetzt umgesetzt wird.

Ein weiterer Punkt bei ELGA ist natürlich der Datenschutz. Es wird immer kritisiert, dass die Daten veröffentlicht werden. Es haben aber nur bestimmte Organisationen Zu­griff darauf, nämlich die Apothekerkammer, die Ärzte und die Spitäler. Aber der Daten­schutz ist sicherlich ein wichtiger Punkt und auch der Grund dafür, dass ELGA verspä­tet in Angriff genommen wurde.

In der Diskussion hat man oft die Situation in den USA vor Augen, wo große Unterneh­men, Betriebsärzte Interesse daran haben, auf die Daten zuzugreifen, um herauszu-


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finden, welche Krankheiten die Menschen haben beziehungsweise wie die Menschen im Unternehmen länger gesund bleiben können. In den USA wird das in vielen Unter­nehmen gemacht. Die Menschen werden gebeten, ihre Daten freiwillig freizugeben, und vielleicht auch durch finanzielle Unterstützungen angehalten, noch mehr freizuge­ben. Manchmal werden ihnen diese Daten so herausgelockt, und in Wirklichkeit hat das Unternehmen Zugriff auf die Gesundheitsdaten.

Das ist bei ELGA nicht möglich. Kein Betriebsarzt kann auf ELGA zugreifen, sondern nur der Arzt des Vertrauens. Das war für uns auch ein wichtiger Punkt, um das Gesetz so zu akzeptieren, wie es jetzt vorliegt.

Ein weiteres Thema ist natürlich die e-Medikation. Der ELGA-Nutzer kann die zeitliche Befristung der e-Medikation, die Offenlegung der Daten selbst bestimmen. Es ist nicht unbedingt so, dass diese Daten für längere Zeiten offengelegt sind, sondern der Pa­tient hat selbst die Möglichkeit, die e-Medikation zu öffnen.

Im Zusammenhang mit ELGA sind die Datensicherheit und insbesondere auch die übergreifende Zusammenwirkung zwischen verschiedenen Gesetzen und Richtlinien ein Thema. Die EU-Datenschutzrichtlinien, das Ärztegesetz, das Krankenanstaltenge­setz, das Apothekengesetz, das ABGB, das Patientenverfügungs-Gesetz und das Ge­sundheitstelematikgesetz werden bei ELGA angewendet, um die Sicherheit dieses Ins­trumentes zu schützen und zu gewährleisten.

Einige Ziele sind von mir schon genannt worden. Ein weiteres Ziel liegt sicherlich auch im Bereich der Rezepterstellung. Wir alle wissen, dass die Rezepte der Ärzte manch­mal sehr schwer lesbar sind. In Zukunft ist die Leserlichkeit der Verordnungen sicher­lich gewährleistet, und jede Apotheke kann die Rezepte so lesen, wie sie niederge­schrieben worden sind.

Sehr geehrte Frau Minister! Ich bin überzeugt davon, dass ELGA eine zukunftswei­sende Strategie und ein zukunftsweisendes Instrument ist. Wir sind in Europa die Ein­zigen, die diesen Schritt gewagt haben. Wir haben im Bundesrat letzte Woche die Digi­tale Agenda besprochen. Wie gesagt, wir wollen auch im Bereich digitaler Instrumente Vorreiter sein. ELGA ist ein entsprechendes Projekt im Gesundheitswesen. Wir wollen auch in der Wirtschaft Vorreiter sein.

Daher sage ich ein herzliches Dankeschön an alle Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter, an alle, die daran mitgewirkt haben, dass ELGA jetzt diesen Stand hat und dass die­ses Projekt 2017 bei den praktischen Ärzten, bei den Hausärzten auch wirklich umge­setzt werden kann. Das wird sicherlich noch gewisse Zeit dauern.

Für uns Patienten bietet das aber Sicherheit, insbesondere für ältere Menschen, wie auch mein Kollege Todt schon gesagt hat. Ältere Menschen haben ja teilweise wirklich Probleme mit den Medikamenten und mit der Gesundheitsdatenweitergabe. Daher ist es für uns ein wichtiger Punkt, dass ELGA so umgesetzt wird, wie wir uns das wün­schen und wie es zurzeit niedergeschrieben ist.

Es gibt zwei wichtige Punkte im Gesundheitswesen: Der eine ist, dass wir immer gut aufeinander zugehen. Eine Studie zeigt: Küssen ist das zweitwichtigste Gesundheits­instrument. (Bundesrat Mayer: Mit wem? – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Jetzt komme ich zum Wichtigsten. Das Wichtigste habe ich gerade von euch gefordert: Das ist das Lachen. Lachen ist wirklich mehrmals täglich notwendig. Ich wünsche uns allen, dass wir lange gesund bleiben und noch oft über unsere Witze lachen können.

Frau Minister! In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön dafür, dass Sie zu uns ge­kommen sind, und es freut mich, dass Sie wieder gesundet sind! – Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

9.24



BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 16

Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Krusche zu Wort ge­meldet. – Ich erteile es ihm. (Bundesrat Mayer: Ich lache mich tot!)

 


9.25.13

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin, auch ich freue mich, Sie gesund und munter hier begrüßen zu dürfen! Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute in der Nacht von einem Kongress aus Dort­mund zurückgekommen. Als ich am Dienstag zu Mittag ebendort das Thema der Ak­tuellen Stunde erfahren habe, habe ich mir gedacht: Na bravo! Jetzt kann ich meine alte Rede ausgraben, die ich vor fast exakt drei Jahren gehalten habe. – Genau so ak­tuell ist nämlich dieses Thema der heutigen Aktuellen Stunde.

Ich frage Sie: Was ist daran bitte politisch aktuell? (Zwischenruf des Bundesrates Todt.) Wir haben das vor drei Jahren beschlossen. Seither wird um zig Millionen Euro an der Umsetzung gearbeitet, und jetzt soll es in kleinen Schritten eingeführt werden. Deshalb muss ich bedauerlicherweise feststellen, dass diese Aktuelle Stunde ein bisschen zu einem Marketinggag für ELGA verkommt – das haben auch meine Vorredner schon ein bisschen gezeigt. Man weiß ja, dass es auch schon diverse Inserate und Werbemaß­nahmen gibt, und dabei soll der Bundesrat offensichtlich auch eine dankbare Rolle spielen.

Ich frage mich: Was hat sich seit 2012 geändert? – Unsere Bedenken konnten bis heu­te natürlich nicht ausgeräumt werden. Das ist auch ganz klar, denn es gibt noch keine Erfahrungen mit ELGA. Es wäre also wahrscheinlich angebrachter gewesen, über die Erfahrungen mit ELGA zu einem späteren Zeitpunkt zu diskutieren.

Unsere Bedenken galten auch damals bereits der Sicherheit, die Datensicherheit ist das wesentliche Argument. Von der ELGA-Homepage kann man ein Dokument herun­terladen, das die Software-Architektur der ELGA beschreibt. Wenn man EDV-Experte ist, kann man sich da vertiefen und sich das auf 325 Seiten in zahlreichen Diagrammen und Tabellen anschauen. Otto Normalverbraucher wird mit diesem Papier natürlich nichts anfangen können.

Es ist nach wie vor so, dass die vielgelobte Sicherheit bis dato aus unserer Sicht kei­neswegs gewährleistet ist, denn je komplexer eine Softwarearchitektur ist, desto höher ist auch das Gefahrenpotenzial für Angriffe von außen. Wir haben bereits damals kri­tisiert, dass es sehr wohl Interessengruppen gibt, die an den Gesundheitsdaten der Bür­ger massiv interessiert sind, ob das Versicherungen sind, Großkonzerne, die Pharma­industrie et cetera.

Die Möglichkeit von Phishing-Attacken und Gefahren von außen besteht ja auch bei allen anderen so sicheren Systemen, die wir täglich nützen, wie elektronischem Bank­ing und so weiter. Auch dort haben wir diese Probleme.

Es heißt, dass bestimmte Ärztegruppen keinen Zugang haben – Schulärzte, Betriebs­ärzte und so weiter. Ich frage mich: Welcher Betriebsarzt oder Schularzt hat denn nicht auch eine Praxis nebenher? Da kommt es also auch schon zu einer Vermischung der Interessen.

Einer der Kritikpunkte, vor allem vonseiten der Ärztekammer, war die Überbürokratisie­rung durch dieses System. Herr Kollege Todt, dein Beispiel mit den Blutuntersuchun­gen ist zwar gut und schön, allerdings ist der Arzt nicht in der Lage, mit dem System gezielt nach Daten zu suchen, sondern muss sich im Prinzip durch einen Haufen von PDF-Files wühlen, damit er dann vielleicht das findet, was er sucht.

Außerdem sehe ich auch eine potenzielle Gefahr in dem System, dass die Zweitmei­nung verloren geht. Was ein Arzt einmal gesagt hat und in einem Entlassungsbrief dokumentiert ist, das pickt dann. Es besteht die Gefahr, dass sich der nächste Arzt das


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dann gar nicht mehr im Detail anschaut, weil er sagt: Der hat schon einen Befund! (Bundesrat Todt: Das gilt aber für den Papierbefund genauso!) – Ja, das gilt auch für den Papierbefund, nur ist die Gefahr bei solch elektronischen, faktisch automatisierten Akten in dieser Hinsicht natürlich wesentlich größer.

Es wäre vielleicht interessant gewesen – aber wir haben keine Fragestunde –, zu er­fahren, wie hoch die aktuellen Kosten jetzt wirklich sind. Bleibt es bei den 130 Millio­nen €, oder wird es vielleicht doch ein bisschen mehr?

Es ist ja immer etwas zu befürchten. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass das Ge­sundheitsministerium manchmal mit der EDV ein bisschen auf Kriegsfuß steht. Wir haben die Pannen bei der e-card noch in guter Erinnerung. Jetzt, nach Jahren, kommt man drauf, dass es vielleicht doch nicht so blöd wäre, ein Foto draufzugeben, was wir immer schon gefordert haben.

Es gäbe im Gesundheitswesen wesentlich aktuellere Themen zu diskutieren. Ich darf an das Problem der flächendeckenden Gesundheitsversorgung erinnern, gerade im ländlichen Raum. Ich kenne solche leidvollen Beispiele. Ich sage nur: Eisenerz, diese ganze Region ist unterversorgt. Da kommt es dann zu solchen Pannen, dass ein Pa­tient stirbt, weil kein Notarzt nach Eisenerz fährt. Die Leitzentrale hat die Weisung: Es kommt kein Notarzt nach Eisenerz, denn dort gibt es ja eine Ambulanz. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist nur nicht bis zur Leitzentrale des Roten Kreuzes durchgedrungen, dass die Ambulanz nicht mehr 24 Stunden geöffnet hat. (Ruf bei der SPÖ: Man kann aber 24 Stunden hinfahren!)

Es gibt ständig Diskussionen über Krankenhausschließungen und Ärztemangel oder die Zweiklassenmedizin mit den Wartelisten. Das ist gerade jetzt am Beispiel der Ra­diologen wieder in den Medien präsent gewesen. Das alles sind aktuelle Themen.

Uns alle interessiert natürlich brennend, wie das sogenannte PHC-Gesetz in Zukunft aussehen wird. Es ist mir übrigens unverständlich, warum man für die Primärversor­gungszentren eine englische Abkürzung verwenden muss. Das ist sicherlich nicht im Sinne der älteren Patienten, sondern dient wahrscheinlich eher der Verwirrung, dass man Primary Health Care statt Primärversorgung sagen muss.

Ein Punkt, der uns nach wie vor stört, ist diese Opt-out-Regelung bei ELGA. Wir haben immer dafür plädiert, dass es, wenn schon, eine Opt-in-Regelung geben soll. Die bis­herigen Erfahrungen zeigen ja bereits, wie kompliziert es gerade für ältere Menschen, die vielleicht keinen Internetzugang haben, ist, sich von diesem System abzumelden, wenn sie nicht davon überzeugt sind.

Wir sind gespannt, was die praktische Umsetzung von ELGA tatsächlich bringen wird und welche Probleme auftauchen werden. Wahrscheinlich können wir in zwei, drei Jah­ren darüber sprechen, heute ist es sicherlich zu früh. (Beifall bei der FPÖ.)

9.34


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

 


9.34.19

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Frau Minis­ter, willkommen in diesem Kreis! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte voraus­schicken, dass ich mich mit der Medizin und diesem ganzen Komplex sehr verbunden fühle, da ich in der medizinischen Grundlagenforschung gearbeitet habe. In den letzten Jahren habe ich – weniger erfreulich, aber die Praxis – durch Krankheitsfälle in der Fa­milie dieses System auch von der anderen Seite her intensiv erlebt.

Frau Minister! Aus diesen Erlebnissen heraus bitte ich Sie, für eine rasche Einführung dieses Systems zu sorgen. Was der digitale Wandel mit uns und der Gesellschaft macht,


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kann, meine ich, keiner von uns wirklich abschätzen. Das ist Work in progress, ebenso wie die ELGA-Einführung Work in progress ist. Es liegt nicht zuletzt an uns, das ent­sprechend zu gestalten, zu begleiten und zu verbessern, wenn es notwendig ist. Wenn wir aber nicht versuchen, diese Erfahrungen zu sammeln, werden wir in zwei, drei Jahren wieder über nichts reden können.

Ich hoffe, dass am Ende dieses Work in progress etwas steht, das auch das leistet, was man berechtigterweise davon verlangen kann und muss, nämlich zuvorderst den leichten und bequemen Zugriff für die Menschen zu diesem System, zu ihren Daten. Zum Beispiel gehören Dinge wie der Impfpass dringend hinein. Wer von Ihnen weiß heute noch, wann er die letzte Tetanus-Spritze bekommen hat? Das ist aber vielleicht notwendig. Wer weiß beim nächsten Urlaubsantritt nach Indonesien, welche Impfungen er das letzte Mal bekommen hat? Ich denke, so etwas gehört unbedingt hinein, inklu­sive Röntgenpass und Ähnliches.

Vergegenwärtigen wir uns doch, wie mühsam es derzeit ist, wenn man in eine Klinik aufgenommen wird! Bis zu vier Mal liefert man da seine Daten ab, ohne sich genau erinnern zu können. In den meisten Fällen ist diese Anamnese lückenhaft und mangel­haft aufgrund der angespannten Situation und weil das eben einfach so ist. Wie müh­sam ist es erst, wenn man das als Angehöriger für Kinder oder für betagte Eltern ma­chen muss. Wie unzuverlässig ist das, was man da erfährt, für die Ärzte und für das Personal, die dann mit diesen Daten arbeiten sollen!

Die Reserviertheit, nennen wir es so, der Ärzte ist verständlich. Natürlich blicken ihnen mit Hilfe dieses Systems viele andere über die Schulter. Auch damit könnte und müss­te aber schlicht und einfach zum Wohle der Patienten konstruktiv umgegangen wer­den. Letztendlich bleibt dem Arzt dann mehr Zeit, sich dem Patienten mit guten und verlässlichen Unterlagen in der Hand in seiner aktuellen Notlage und im Gespräch zu widmen.

Frau Minister! Da Sie schon hier sind, möchte ich in diesem Zusammenhang unbedingt ein Anliegen deponieren: Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, das Arzt-Pa­tienten-Gespräch, diese meiner Meinung nach wichtigste Komponente des Heilens, aufzuwerten und auch entsprechend zu bezahlen. Ich denke, da hat unser Gesund­heitssystem eine wesentliche Lücke, einen wesentlichen Fehler.

Zum Thema Sicherheit, das uns natürlich auch sehr am Herzen liegt. Das System hun­dertprozentig zu sichern wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Es wird Pannen ge­ben. Überlegen wir uns aber einmal die Konsequenzen von Sicherheitspannen! Zum Beispiel: Der Arbeitgeber hackt die Daten. Das wird ein mühsames Unterfangen sein, da sind wir uns sicher.

Ehrlich gesagt: Die meisten unserer gesundheitlichen Probleme tragen wir relativ offen vor uns her – Übergewicht, das Alter, das Rauchen, ja selbst den Alkoholismus. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Das hinterlässt ge­sundheitliche Spuren. Das sind Informationen, die für den Arbeitgeber wichtig sind. Es ist schwierig bis unmöglich, das vor dem Arbeitgeber zu verbergen.

Erinnern wir uns an den Absturz der Germanwings und den Aufschrei, warum keiner den Piloten vom Fliegen abgehalten hat!

Um Diskriminierungen in diesem Feld zu verhindern und zu vermindern, braucht es schlicht und einfach eine andere gesellschaftliche Einstellung zu Begriffen wie Leis­tung, Beeinträchtigungen und so weiter.

Bedenken wir auf der anderen Seite, in welch unglaublichem Ausmaß Menschen sich in sozialen Medien gerade im medizinischen Bereich ausziehen oder auch aufgrund reiner Vermutungen in diesem Bereich gemobbt werden! Da sieht man, dass wir ver-


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mutlich an ganz anderer Stelle große Probleme haben, die es auch noch zu lösen oder zumindest zu verbessern gilt.

Die Daten, die durch ELGA gewonnen werden, können natürlich genutzt werden, ja sollen auch genutzt werden, denn sie werden es auch gestatten, wesentlich bessere gesundheitspolitische Entscheidungen zu fällen. Sie sind für die Wissenschaft von gro­ßem Wert. Und natürlich braucht es weitere demokratische Kontrollen der Verwendung und des Einsatzes dieser Daten. Vermutlich wird es auch da und dort Whistleblower brauchen, um auf Missbrauch aufmerksam zu machen.

Aber es sollte uns gelingen, auch uns Politikern, auch Ihnen, Frau Ministerin, das Sys­tem für die Menschen wertvoll zu machen, zu einem System zu machen, in das die Menschen auch Vertrauen fassen können. Deshalb ist diese Debatte auch wichtig, denn ELGA sollte für die Menschen wichtig werden – so wie die e-card –, sie sollte leicht handhabbar werden und sollte es viel einfacher machen und mehr Vertrauen in das Gesundheitssystem erwirken. Das sollte unser Ziel sein, und dass wir das errei­chen, das wünsche ich Ihnen, Frau Minister, das wünsche ich uns. Ich kann Ihnen aber versichern, wir werden ein aufmerksames Auge darauf haben, dass das in entspre­chender Weise auch weiterentwickelt wird.

Wir alle sollten uns wünschen, dass es zu einem guten Start kommt und dass uns die­ses Werkzeug in entsprechender Weise zur Verfügung steht. Darauf hoffe ich. Wie ge­sagt, wir werden diesbezüglich aufmerksam bleiben. Wir hoffen, dass nicht aufgrund einer Katastrophe in zwei, drei Jahren hier wieder eine Aktuelle Stunde notwendig sein wird, sondern vielleicht zur Verbesserung des Systems. Ich wünsche dem System al­les, alles Gute. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

9.42


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Gesundheit zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


9.42.33

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Bundesrätinnen! Liebe Bundesräte! Es ist an mir, mich bei euch, bei Ihnen dafür zu entschuldigen, dass ich Sie dieses Jahr ziemlich sträflich vernachlässigt habe, und mich gleichzeitig dafür zu bedanken, dass Sie mir das auch gestattet haben. Ich habe, glaube ich, zwei Sitzungen „geschwänzt“ – unter Anführungszeichen – und mich vertre­ten lassen. Deswegen freue ich mich heute umso mehr, dass ich wieder bei Ihnen sein kann. In diesem Sinne auch wirklich vielen herzlichen Dank für die netten Worte und vielen herzlichen Dank dafür, dass Sie mich das vergangene Jahr dispensiert haben. (Allgemeiner Beifall.)

ELGA ist wirklich ein guter Grund, eine Aktuelle Stunde abzuhalten, auch wenn Sie glau­ben, dass die Diskussion von vor drei Jahren auch schon gereicht hätte und wir uns erst in ein paar Jahren wieder dazu treffen sollten.

Wir starten jetzt mit etwas, was zehn Jahre gebraucht hat, bis wir es so weit gebracht haben. Ich spreche von zehn Jahren mit einem etwas weinenden Auge, denn es ist lang, Sie haben völlig recht, aber auch mit der Sicherheit, dass wir versucht haben, vor allem die Sicherheitsbedenken, die ja von vielen Menschen gekommen sind, auch wirk­lich auszuräumen, das heißt, zu versuchen, ein System zu konstruieren, das die größt­mögliche Sicherheit, die wir heute haben können, bietet.

Wir haben gestern vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der auch maß­geblich an der Datensicherheit mitgearbeitet hat, gehört, dass man natürlich versucht hat, sogenannte White-Hat-Hacker zu beschäftigen. Das heißt, man hat Menschen, die absolute Computerfreaks, Techniker und Sonstiges sind, beauftragt, zu versuchen, in


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das System von ELGA einzudringen. – Und es ist nicht gelungen! Wir haben ein exter­nes Institut damit beauftragt, dieses System wirklich gut zu durchleuchten, da, wie ge­sagt, die Sicherheit für mich und auch für diejenigen, die an diesem Projekt mitgear­beitet haben, immer die größte Priorität hatte.

Die Geschichte von ELGA hat ja mittlerweile vier MinisterInnen – unter Anführungs­zeichen – „verbraucht“: Maria Rauch-Kallat hat – Sie (in Richtung Bundesrat Tiefnig) haben es, glaube ich, gesagt – die Geschichte 2006 begonnen, ihr folgten Andrea Kdols­ky, dann Minister Stöger, unter dem das Gesetz dann beschlossen wurde – wo wir dann auch schon diskutiert haben –, und jetzt ich, die ich sozusagen das Glück habe, die Arbeit der anderen und auch die Arbeit der ELGA GmbH zu ernten und sagen zu können, wir gehen mit ELGA online.

Es ist sehr oft die Frage aufgetaucht, wie das missbräuchlich verwendet werden kann. Ich möchte das auch hier ganz klar sagen: In ELGA kann ein Arzt, eine Ärztin oder wer auch immer dazu berechtigt ist, nur hinein, wenn Sie Ihre e-card mit dazustecken. Und um auf dieses Betriebsarztbeispiel einzugehen: Wenn ein Betriebsarzt nebenbei eine Ordination hat und Sie nicht in dieser Ordination selbst Ihre e-card hineinstecken und ihn dazu berechtigen, in Ihre Daten hineinzuschauen, dann kann er das nicht.

Das heißt, es braucht die Karte des Arztes, der Apotheke, des Spitals, wer auch immer ein Gesundheitsdienstanbieter ist, und es braucht Ihre e-card. Kommen Sie ins Spital, wird im Prinzip bei der Anmeldung bereits geklärt, ob Sie Teilnehmer von ELGA sind oder nicht, wenn Sie Ihre Karte stecken müssen. Genau dasselbe gilt beim Arzt, bei der Ärztin.

Natürlich ist Missbrauch nie auszuschließen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Druck ausgeübt wird, die Karte zu stecken, aber dafür, glaube ich, haben wir ja Gott sei Dank auch viele ArbeitnehmerInnenvertreter, bei denen man sich da und dort dann auch Rat und vor allem Stütze holen kann, damit genau das nicht passiert.

Ich weiß nicht, ob irgendjemand von Ihnen sich das ELGA-Portal schon angesehen hat, denn es gibt ja die Testphasen. Ihre Befunde sind sehr klar aufgegliedert, chrono­logisch abrufbar. Und wenn Sie wollen, dass ein Befund von Ihnen dort nicht drinnen steht, dann können Sie ihn sperren. Damit Sie zu Hause jederzeit auf Ihre Daten zu­greifen können, brauchen Sie eine Bürgerkarte oder eine Handysignatur. Das heißt, mit dem gleichen System, das viele Menschen schon haben, weil sie das elektronische Fi­nanzsystem benutzen, kann man auch in ELGA einsteigen. Und wenn Sie nicht möch­ten, dass ein Befund drinnen ist, können Sie diesen Befund sperren, Sie können ihn auch löschen. Sie sind somit erstmalig wirklich Herr/Herrin Ihrer Daten.

Auf keinen Fall ist das angedacht, was Sie (in Richtung Bundesrätin Reiter) gegen En­de Ihrer Rede gesagt haben, dass man diese Daten wissenschaftlich verwenden kann. Man kann alle medizinischen Daten verwenden, die müssen jedoch pseudonymisiert sein, anonymisiert sein, wie auch immer, mit Ihrem Einverständnis. ELGA ist jedoch da­für nicht konzipiert. ELGA ist mehr oder weniger Ihr elektronisches Postkastl oder Ihre elektronische Schreibtischlade, wo Sie Ihre Befunde aufheben können.

Aber es stimmt, die Zahl der Mehrfachbefunde wird sich wahrscheinlich verringern, da es einfacher ist, wenn man nachschauen kann, ob ein bestimmter Blutbefund bereits gemacht wurde. Dann muss man ihn nicht noch einmal machen, sondern man kann kontrollieren, ob er sich verändert hat oder man Sorge haben müsste, dass er sich ver­ändert – wenn nein, dann nehmen wir den aus dem Netz.

Was wird ELGA enthalten? – Es werden darin Entlassungsbriefe, Röntgenbefunde und Laborbefunde zu finden sein. Und weil sich die Ärztinnen und Ärzte ja sehr große Sor­gen gemacht haben, dass sie bei den Entlassungsbriefen einen ganzen Wust an elek­tronischen Daten durchsuchen müssen: Erstens einmal enthält ELGA heute keine Da-


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ten, weder von mir noch von Ihnen, sie ist leer. Wenn sie am 9. Dezember in Betrieb geht und Sie nicht am 9. Dezember kurz nach Mitternacht oder um 8 Uhr in der Früh in einem Spital sind und dort wieder entlassen werden, ist ELGA auch leer. Das heißt, Ih­re persönliche Elektronische Gesundheitsakte füllt sich ab dem 9. Dezember mit jedem Besuch bei einem Arzt, in einem Spital, wo ein Entlassungsbrief, eine Röntgenuntersu­chung oder ein Blutbefund gemacht wird.

So viel zu den Bedenken der Ärztinnen und Ärzte, dass mit einem Klick – ELGA geht online – das 80-jährige Leben des Großvaters mehr oder weniger elektronisch abge­bildet ist und einem jetzt nichts anderes übrig bleibt, als bei seinem ersten Besuch 80 Jahre seines Lebens durchzuschauen. Das ist es nicht, denn man sieht nur die neu­en Befunde.

Zudem wird jeder von Ihnen, der schon einmal in einem Spital einen Entlassungsbrief bekommen hat, wissen, dass diese überall ein bisschen anders aussehen. Es sind nicht nur die Briefköpfe unterschiedlich, sondern auch die Struktur ist unterschiedlich – einmal kommt zuerst die Anamnese, dann kommt zuerst der Befund, dann stehen die Röntgenbefunde hinten und so weiter. Das ist mit ELGA jetzt vorbei, da es ein ein­heitliches Formular gibt, in das Ärztinnen und Ärzte die Arztbriefe genauso wie die Röntgenbefunde hineindiktieren. Und es bedeutet für den Spitalsarzt keinen zusätzli­chen Mehraufwand beim Verfassen des Arztbriefes. Er schreibt seinen Arztbrief, und das Dokument wird automatisch in ELGA abgespeichert; das heißt auch kein zusätzli­cher Aufwand.

Wir gehen, wie wir schon gehört haben, in der Steiermark in Vollbetrieb und starten in Wien. Landesrat Drexler hat gestern gemeinsam mit mir ein sehr langes Presse-Hinter­grundgespräch abgehalten. Ich bin sehr froh, dass die Steiermark und Wien da mitge­macht haben. Die Steiermark ist sehr ambitioniert und startet wirklich nahezu flächen­deckend mit allen Spitälern, auch mit den Ordensspitälern. Daher wirklich auch ein gro­ßes Dankeschön in die Steiermark. Wien startet ein bisschen langsamer, mit einem Krankenhaus, wird aber Ende des Monats dann auch in den Vollbetrieb gehen. Und auch, wenn Wien ein bisschen langsamer ist: Wir sind trotzdem froh, dass wir die Si­cherheit so haben, wie wir sie haben, und lieber starte ich schrittweise, als dass ich mit einem großen Ding hineinstarte und dann möglicherweise in eine Falle tappe.

Sie haben gesagt, wir haben keine Fragestunde, dennoch werde ich Ihnen (in Richtung Bundesrat Krusche) gerne Ihre Frage beantworten, sehr geehrter Herr Bundesrat, wie es mit den Kosten ausschaut: Die Kosten sind völlig im Rahmen, wir sind für die sechs Jahre in den budgetierten zweimal 30 Millionen €, das heißt 60 Millionen €. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Kosten steigen werden, und auch die Verzögerung hat uns im Prinzip keine weiteren Kosten gebracht.

Gerne beantworte ich auch, was Sie (in Richtung Bundesrätin Reiter) zum ärztlichen Ge­spräch beziehungsweise Sie (in Richtung Bundesrat Krusche) die ländliche Versor­gung betreffend gefragt haben: Wir sind derzeit gerade beim Versuch, die Primärver­sorgung, wie sie heißt – vielleicht finden wir noch einen anderen Namen, was mir ge­nauso wie Ihnen lieber wäre; Primary Health Care Center halte ich für nicht klug, egal, ob es ein Netzwerk oder ein Haus ist, da ich mir genauso wie Sie denke, dass das kaum jemand verstehen wird, das ist schon mit Primärversorgung relativ schwierig –, also die hausärztliche Versorgung mit etwas Zusätzlichem aufzuwerten. Ich glaube, da werden wir noch einen Namen dafür finden, und genauso muss es dann auch sein.

Dieses System der Finanzierung der Ärztinnen und Ärzte draußen auf dem Land, die nämlich mit vielen kleinen Leistungen, wie 2,20 € für die Blutabnahme oder 10 € für ein EKG – ich kenne die Tarife gar nicht, das ist jetzt wirklich frei herumfabuliert, aber es sind geringe Beträge –, das Auslangen finden müssen, bedeutet, dass das ärztliche Ge­spräch möglicherweise deutlich in den Hintergrund tritt. Deshalb ist auch angedacht, in


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diesen Primärversorgungszentren – nennen wir sie jetzt einmal so – eine neue Form der Finanzierung auszuprobieren, um zu versuchen, es einerseits für die Patienten bes­ser zu machen, damit möglicherweise mehr Zeit für Gespräche da ist und man nicht schauen muss, dass man einzelne Leistungen macht, und es andererseits für Ärztin­nen und Ärzte attraktiver zu gestalten.

Es ist für viele Menschen nicht mehr attraktiv, auf dem Land zu leben, auch nicht für Ärztinnen und Ärzte. Ich sage immer, die Romantik, die man aus den alten Filmen kennt, in denen der Doktor, der gleich neben dem Wirtshaus ordiniert, der Pfarrer und der Lehrer zu Mittag beim Tisch sitzen und schnapsen oder ein Glaserl Wein trinken, will niemand mehr, keiner der Beteiligten, und das gibt es auch nicht mehr. Deshalb muss man Strukturen schaffen, um Menschen auch wieder nach draußen zu bringen und zu versuchen, den ländlichen Raum abzudecken.

ELGA soll Zeit schaffen, ELGA soll Sicherheit schaffen, Zeit für die PatientInnen, Zeit für den Arzt, weil dieser sich möglicherweise die lückenhafte Anamnese erspart. Ich selbst weiß auch nicht mehr, wann und in welchem Alter man mir die Mandeln he­rausgenommen hat oder wann ich mir meine Schulter operieren habe lassen. Das ist auch immer so ein „so ungefähr wird es schon sein“.

Wir sind sicher, dass wir da Datensicherheit haben, wir hoffen, dass wir damit Zeiter­sparnis haben, und wir hoffen, dass wir für die Patientinnen und Patienten einen Vorteil bringen.

Und gerne setze ich mich in zwei Jahren – oder wann auch immer – wieder her und dis­kutiere mit Ihnen über den großen Fortschritt, den ELGA sicher bringen wird. – Ich dan­ke vielmals. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

9.52


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke der Frau Bundesministerin für diese Stellung­nahme und auch für Ihre Bereitschaft, im Rahmen einer Aktuellen Stunde konkrete An­fragen von Bundesräten zu beantworten. Herzlichen Dank.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindner. – Bitte.

 


9.53.34

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Hochge­schätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Sabine, ich freue mich unheimlich, dass du wieder hier bist. Ich freue mich, dass du in den letzten Monaten solche Stärke und solchen Willen gehabt hast, diese schwere Krankheit zu überstehen. Ich bewundere wirklich, wie öffentlich du das gemacht hast. Und ganz per­sönlich muss ich auch eines sagen: Deine neue Frisur gefällt mir unglaublich gut! (Hei­terkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt muss ich mich bei dir entschuldigen. Du hast mich im Juni oder Juli angerufen und mir gratuliert, dass ich in den Bundesrat komme. Und dann hast du gesagt: Bub, du weißt aber eh eines, deine erste Rede im Bundesrat hältst du dann, wenn ich da bin! – Ich muss mich entschuldigen, es ist nicht die erste, es ist schon die dritte Rede, aber ich hoffe, du verzeihst mir das.

Ich komme nun zu ELGA, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Krusche, bei Ei­senerz und diesen Vorfällen in Eisenerz bin ich hundertprozentig bei dir: Das darf in ei­nem Staat wie Österreich nicht passieren. Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Da sind beim Österreichischen Roten Kreuz interne Fehler passiert, das muss man ganz ehrlich sagen.


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Auch was die Ambulanz betrifft, bin ich bei dir. Die KAGes hat in der Steiermark meiner Meinung nach einen Fehler gemacht, indem sie gesagt hat, sie sperrt das Kranken­haus oder die Ambulanz in Eisenerz für 16 Stunden zu, lässt sie nur mehr 8 Stunden geöffnet, ohne sich anzuschauen, wie alles andere funktioniert. Und das ist, glaube ich, der Fehler.

Ich habe auch in unserem Bezirk Liezen, wo es drei Krankenhäuser gibt, schon ge­sagt – und dazu stehe ich –, dass ich im Bezirk kein Krankenhaus brauche, wo zwar „Krankenhaus“ draufsteht, aber schon lange kein Krankenhaus mehr drinnen ist. Das ist, glaube ich, auch ganz wichtig. Nur darf man auch nicht alles zusperren, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie das andere ausschauen kann.

Kollege Krusche, nur zur Information: Bei einem Notfall kann man das LKH Eisenerz 24 Stunden lang anfahren. Darüber sollte man, glaube ich, die Öffentlichkeit auch infor­mieren. Wenn wir wirklich einen Notfall in unserer Region haben, dann kann man das Krankenhaus anfahren und wird dort auch erstversorgt.

Ich bleibe bei dir und komme jetzt zu dem, was ich in meiner letzten Rede in Richtung FPÖ auch gesagt habe: Wenn ihr nicht gegen irgendetwas sein könnt, dann geht es euch irgendwie nicht gut. Kollege Krusche, dass es Inserate und Werbekampagnen im Zusammenhang mit ELGA gibt, ist in meinen Augen ganz, ganz wichtig, da ich glaube, dass die Aufklärung der Menschen, der Patientinnen und Patienten immer wichtig und auf keinen Fall ein Marketinggag ist. Informationskampagnen – und ich bitte dich, dass du das auch weiterträgst – müssen wir im Sinne der Patientinnen und Patienten ma­chen.

Die Frage zu den Kosten hat, glaube ich, unsere Gesundheitsministerin schon ganz gut beantwortet.

Ich komme zum Bundesland Steiermark und darf Herrn Gesundheitslandesrat Chris­topher Drexler aus einem Bericht der „Kronen Zeitung“ vom 30.11.2015 zitieren:

„ELGA eröffnet neue Möglichkeiten in der Qualität in unserem Gesundheitswesen. Ne­ben der zielgerichteten Unterstützung der Ärzte stärkt ELGA vor allem die Rechte der Patienten, die Diagnose- und Behandlungsverläufe werden transparenter. Ich denke, wir sind gut vorbereitet, und ich freue mich, dass hier die Steiermark eine Vorreiterrolle übernehmen kann. Ich hoffe, dass wir in der Pilotphase alle Befürchtungen zerstreuen können.“ – Zitatende.

Wie bereits berichtet, startet ELGA am 9. Dezember in der Steiermark. Und um ein bisschen konkreter zu werden: 35 Krankenhäuser und Pflegezentren, sprich alle Lan­deskrankenhäuser und Pflegezentren, etliche Ordensspitäler, aber auch das Neurologi­sche Therapiezentrum Kapfenberg und die Grazer Albert Schweitzer Klinik sind beim Start der Elektronischen Gesundheitsakte in der Steiermark ab 9. Dezember 2015 da­bei. Und wie auch bereits erwähnt, ist der Bezirk Deutschlandsberg Pilotregion für die e-Medikation im Frühjahr 2016.

Ich glaube, wir alle in diesem Haus sind uns einig, was die Frage des Datenschutzes be­trifft, und der Datenschutz ist immer die zentralste und wichtigste Entscheidung. Da das Online-Banking schon angesprochen worden ist: Natürlich gibt es da Gauner und Gaunerinnen, die immer probieren, Menschen mit irgendwelchen Phishing-E-Mails oder was auch immer abzuzocken. Aber im Großen und Ganzen muss man sagen, dass das Online-Banking funktioniert. Ich denke an FinanzOnline, die ArbeitnehmerInnenver­anlagung beziehungsweise den Steuerausgleich, das funktioniert mittlerweile wirklich sehr gut. Aber, wie gesagt, gegen Betrügerinnen und Betrüger kann man halt leider nichts machen.

Die Rechtsgrundlage, was den Datenschutz betrifft, ist das Gesundheitstelematikge­setz, das am 1. Jänner 2013 in Kraft getreten ist. Und für ELGA gilt das Datenschutz-


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gesetz aus dem Jahr 2000. Dieses gestattet unter bestimmten Bedingungen die Ver­wendung von elektronischen Gesundheitsdaten zum Zweck der „Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsversorgung oder -behandlung oder für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten“.

Und nur wer ein berechtigter Gesundheitsdienstanbieter gemäß diesem Gesundheits­telematikgesetz ist, darf auf ELGA-Gesundheitsdaten zugreifen. Überdies gilt die ärztli­che Schweigepflicht selbstverständlich auch bei ELGA. Jeder Zugriff auf die ELGA-Daten wird protokolliert und ist im ELGA-Portal für BürgerInnen ersichtlich.

Und um den BürgerInnen die Vertretung ihrer Rechte zu erleichtern, wird auch eine ELGA-Ombudsstelle regional und in allen Bundesländern eingerichtet.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Frau Bundesministerin, abschließend: Ich glaube, bei ELGA und für unsere Frau Bundesministerin stehen die Menschen und die Patien­tinnen und Patienten immer im Mittelpunkt. Und im Vordergrund bei ELGA stehen na­türlich die Benutzerfreundlichkeit und die Datensicherheit.

Den Menschen, den Patientinnen und Patienten in Österreich und dem österreichi­schen Gesundheitssystem wünsche ich alles Gute. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

9.59


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ham­merl. Ich erteile es ihm.

 


10.00.14

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren! Daten, die die Gesundheit be­treffen, sind sehr sensibel. Das hat heute auch die Frau Minister aufgezeigt. Zu Recht herrscht bei den Menschen bestimmte Skepsis, wenn es um die Weitergabe solcher Daten geht, betreffen sie doch die Gesundheit und den Wesenskern des Menschen und bestehen doch auf diesem Gebiet viele Missbrauchsmöglichkeiten.

Dieser Skepsis sah sich auch ELGA gegenüber. Zu diesem unguten Gefühl trägt schon der Name ELGA – Elektronische Gesundheitsakte – bei. Mit dem Begriff „Akte“ verbin­det man die Vorstellung, dass ein zentraler Akt mit allen Gesundheitsdaten angelegt wird und jeder darauf Zugriff hat.

Meine Damen und Herren! Der Name ist irreführend. Es gibt bei ELGA keine zentralen Akten, sondern die Gesundheitsdaten bleiben dort gespeichert, wo sie erhoben und geschaffen worden sind – in den Arztpraxen, in den Laborstudien und in ähnlichen Ein­richtungen.

Diese Daten können durch ELGA verknüpft werden, und ELGA öffnet den Zugang zu diesen Daten. Aber nur Berechtigten ist für die Zeit dieser Berechtigung, die sehr klar definiert ist, eine Einsichtnahme möglich. Ärzte und Ärztinnen, das ist heute schon er­wähnt worden, und andere Gesundheitsdienstanbieter können ELGA-Daten zudem nur dann einsehen, wenn ein Patient oder eine Patientin bei ihnen in Behandlung oder in Betreuung ist. Dazu ist ein Behandlungsnachweis erforderlich. Zur Aufklärung: Die Zugriffsberechtigung erlischt 28 Tage nach Beginn der Behandlungsaufnahme. Apo­theken haben nur zwei Stunden Zugriff auf die Daten, und zwar nur auf Medikamenten­daten.

Zudem können Patienten die Daten, die über ELGA zugänglich gemacht werden, zu jeder Zeit einsehen, abrufen und den Zugriff sperren – heute ist schon vieles irrig dahin gehend gesagt worden, dass das nicht stimmen soll. Zum Beispiel kann der Zugriff für bestimmte Ärzte gesperrt werden. Außerdem ist ein Zugriff zu den Daten mit strengen Zugriffsbestimmungen gesichert. Damit sind gewisse Gruppen von Ärzten vom Zugriff


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ausgeschlossen. Das ist ein wichtiger Punkt. Ärztinnen und Ärzte des chef- und kon­trollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger, Ärzte, die die Grundlagen von Versicherungsverhältnissen und daraus folgende Ansprüche zu bewerten haben, Ärz­te, die die Eignung zum Militärdienst feststellen können und sollten, und Schulärzte ha­ben keinen Einblick. In Bereichen, in denen Interessenkonflikte entstehen können, ist also der Zugriff, meine Damen und Herren, lieber Kollege Krusche, nicht möglich!

Wegen der hohen Sensibilität ist es notwendig, das ist richtig, dass laufend an der Da­tensicherheit gearbeitet wird, damit kein Missbrauch stattfindet, etwa durch Hacken oder Manipulationen, denn mit ELGA sind für Patienten und Patientinnen große Vortei­le verbunden.

Meine Damen und Herren! Verglichen mit allen übrigen EU-Ländern leben wir in Öster­reich in einem gelobten Land, was den Sozialbereich betrifft. Wir sind eines der weni­gen Länder, in denen die Gesundenuntersuchung nichts kostet, Frau Minister. Leider ist es so – durch die Erfahrung des Hilfswerks Steiermark, der mobilen Hauskranken­pflege kommen wir drauf –, dass die Frauen und Männer einfach nicht zur Gesunden­untersuchung gehen. Auch das ist ein Punkt, bei dem es mit ELGA gemeinsam mög­lich ist, frühzeitig von Krankheiten zu erfahren.

Meine Damen und Herren! Unsicherheiten darüber, welche Mengen von Medikamen­ten genommen werden sollen, können damit beispielsweise ausgeschaltet werden, et­wa auch Fragen in Bezug auf den Zeitpunkt, wann eine Untersuchung stattfindet.

Auf einen Punkt möchte ich noch besonders hinweisen: Zugegeben, die meisten von uns gehen nicht gerne zum Arzt, sie gehen vielleicht auch nicht während der gesamten Zeit, in der Aufklärung über ELGA stattfindet. Wir in der Politik haben eine Verantwor­tung – auch im Bereich ELGA –, das den Menschen draußen positiv zu erklären, damit auch im Gesundheitsbereich diesbezüglich etwas weitergeht.

Es wurde schon gesagt: Die Steiermark hat damit begonnen. Es ist so weit: Die Stei­ermark schlägt die Elektronische Gesundheitsakte auf. 35 Krankenhäuser und Pflege­zentren sind beim Start der Elektronischen Gesundheitsakte dabei. Es wurde schon erwähnt, was Herr Landesrat Drexler gesagt hat: „ELGA eröffnet neue Möglichkeiten in der Qualität in unserem Gesundheitswesen.“

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass die Steiermark – wie auch Wien – in die­sem Bereich Vorreiter ist. Wir sind, denke ich, gut vorbereitet, und ich freue mich, dass die Steiermark da eine Vorreiterrolle einnimmt. Ich hoffe, dass wir in dieser Pilotphase alle Befürchtungen in Österreich zerstreuen können. – Damit ist viel gesagt.

Frau Minister! Ihnen ein großes Danke für Ihren Einsatz, keine Frage. Ich bin sicher, dass Sie für die Österreicher und Österreicherinnen im Bereich Aufklärung über ELGA in den nächsten Monaten noch viel machen werden. Ich glaube, dass das, lieber Kol­lege Krusche, sehr gut angenommen werden wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

10.05


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Meißl. Ich erteile es ihm.

 


10.05.33

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin Oberhauser! Hohes Haus! Erlauben Sie mir vorweg auch eine persönli­che Bemerkung. Wir beide (in Richtung Bundesministerin Oberhauser) kennen einan­der zwar noch nicht, aber ich freue mich wirklich aufrichtig, dass Sie heute hier so ge­sund, frisch und vital sitzen, und zolle Ihnen für Ihren Weg, den Sie gegangen sind, höchsten Respekt. Alles Gute für Sie auch in der Zukunft! (Allgemeiner Beifall. – Bun­desministerin Oberhauser: Danke vielmals!)


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Zum Thema ELGA ist mittlerweile so viel gesagt worden, dass ich nun schon verstärkt den Eindruck bekommen habe – was Kollege Krusche vorher schon gesagt hat –: Es ist ein bisschen wie eine Werbeveranstaltung für eine Ausrollung eines Projektes, das eigentlich schon fast sein zehnjähriges Jubiläum feiern könnte oder sollte. (Bundesrat Mayer: Aber im Prinzip ist das eh gut!) – Danke, lieber Edgar. Es freut mich, dass ich dich immer da vor mir sitzen habe.

Es gibt natürlich ein paar Dinge, die sich nicht ausräumen lassen. Das Problemfeld bei ELGA ist die Datensicherheit, und die Nagelprobe wird dann kommen, wenn wirklich Tausende Nutzer auf dieses System zugreifen. Dann wird man tatsächlich sehen, ob die Daten, die da gespeichert sind, und die Daten, auf die dann viele Menschen Zugriff haben, nicht doch Wege finden, die sie nicht finden sollten.

Wir haben auch ein Beispiel, das vielleicht nicht direkt etwas mit ELGA zu tun hat, aber es hat ein Staatsunternehmen gegeben, in dem ein Personalchef versucht hat, Diagno­seblätter von Mitarbeitern zu sammeln. Genau da muss man aufpassen. Das darf bei ELGA nicht passieren. Das muss man einfach hintanhalten.

Ein weiteres Problem ist sicher das Einholen einer medizinischen Zweitmeinung. Für ältere Menschen ist es schwierig, diese Opt-out-Regelung oder diese teilweise Opt-out-Regelung wahrzunehmen, um sicherzustellen, dass ein zweiter Arzt unvoreingenom­men eine Diagnose stellen kann. Ich selbst bin auch Betroffener. Ich habe Psoriasis mit allen Begleiterkrankungen, Sie werden das kennen, und da kann es durchaus zu fal­schen Schlüssen kommen, wenn der Arzt diese Dinge da drinnen liest, und das soll nicht sein. Ältere Menschen können damit wahrscheinlich schwer umgehen oder haben es schwer, sich abzumelden.

Wenn die Steiermark jetzt so lobend als das Paradebeispiel für die Umsetzung von ELGA erwähnt wird, dann muss man Folgendes sagen: Punkt eins: Die Kosten für die Ausrollung belaufen sich meines Wissens auf 4,6 Millionen €, zusätzlich zu den 130 Mil­lionen €.

Der zweite Punkt ist: Immer dann, wenn ich den Namen Drexler höre, ist das für mich so etwas wie eine gefährliche Drohung für unser Gesundheitssystem, denn eines ist schon klar: Herr Kollege Drexler schließt ein Krankenhaus nach dem anderen. Die me­dizinische … (Bundesrat Hammerl: Stimmt ja nicht!) – Lass mich ausreden! Die medi­zinische Versorgung auf dem Land wird immer schlechter. Wir haben Krankenhäuser in der Steiermark – Kollege Lindner hat es ja fast schon angesprochen, lieber Kollege –, LKH Mürzzuschlag, LKH Mariazell, LKH Eisenerz, LKH Hörgas-Enzenbach, da steht „Krankenhaus“ drauf, da ist aber kein Krankenhaus mehr drinnen.

Wenn du behauptest, man kann mit einem Notfall das LKH Eisenerz anfahren, dann möchte ich wissen, was das für ein Notfall ist. Ist das Zehennagel-Abschneiden oder was? – Die Intensivstationen in diesen Krankenhäusern gibt es nämlich nicht mehr. Ich erkläre dir das jetzt am Beispiel des Krankenhauses Mürzzuschlag: Da wurde die Anästhesie geschlossen. Dann hat man keine OPs mehr machen können. Dann hat man die Chirurgie geschlossen. Mittlerweile hat man die Medizinische Abteilung ge­schlossen und, und, und. So ist es weitergegangen. Im Krankenhaus Mariazell ordinie­ren überhaupt nur mehr pensionierte Ärzte – Gott sei Dank, muss man sagen, dass wir sie noch haben und dort finden, damit wir wenigstens ein bisschen eine Versorgung haben.

Unser Gesundheitssystem krankt an vielen Ecken und Enden, und da ist ELGA eigent­lich so ein Punkt, bei dem man sagen könnte: Das nehmen wir jetzt, um positives Mar­keting zu betreiben.

Das Notarztsystem, von dem ich gerade gesprochen habe, hat zum Beispiel auch bei uns im ländlichen Raum, aus dem ich komme, das Problem, dass meistens nur ein


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Notarzt Dienst macht, und vielerorts können die Notarztdienste gar nicht flächende­ckend besetzt werden. Ich sage das auch mit meinem Wissen aus dem Bereich des Roten Kreuzes.

Es gibt zum Beispiel im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag zwei Notarztdienste. Ein Notarzt fährt von Bruck nach Mariazell, der ist dabei wahrscheinlich drei bis vier Stunden un­terwegs, und dort ist es schon passiert, dass er einen zweiten Patienten liegen lassen musste oder erst verspätet einliefern konnte. (Bundesrat Hammerl: ELGA!) Das heißt, diese Sache ist eigentlich viel gefährlicher. (Bundesrat Hammerl: Wir sprechen von ELGA!) – Ja, wir reden von ELGA, weil es ein Problem ist, dass wir da einfach nur Da­ten sammeln und Daten weitergeben.

Es geht um viel grundsätzlichere Dinge. Es geht um die Schließung von ärztlichen Ein­richtungen, von Krankenhäusern. Wir haben auf dem Land einen Ärztemangel. Wir können kaum mehr Landarztstellen nachbesetzen. Das Ärztearbeitszeitmodell ist ein Problem, die Arbeitsbedingungen für Ärzte sind so schlecht, dass sie nach der Ausbil­dung abwandern. Das kostet unser System zusätzliche Gelder. Immer mehr Ärzte ha­ben keinen Kassenvertrag, sondern sind Wahlärzte. Das belastet das System zusätz­lich, und vor allem belastet es die Patienten.

Es gibt so viele Dinge zu sagen und so viele Baustellen in unserem Gesundheitssys­tem. Ich hoffe wirklich, dass diese in allernächster Zukunft angegangen werden.

Einen ganz wesentlichen Punkt möchte ich auch noch erwähnen: Es sind Bund, Län­der, Gemeinden, Versicherungen und Private, die dieses System finanziell speisen. Da muss man jetzt wirklich einmal schauen, dass das in einen Topf kommt und von einem Topf aus gesteuert bleibt und vielleicht noch mit nur ein, zwei Kontrolleinrichtungen ver­sehen wird, damit da nichts passiert.

Wir meinen auf jeden Fall: ELGA hin oder her, elektronisches System hin oder her – wie weit das gut sein wird und wer recht hat, wird die Zukunft zeigen. Aber das Wich­tigste muss sein, dass der Patient wieder in den Mittelpunkt des Interesses rückt, nicht mehr und nicht weniger, und genau darauf haben unserer Meinung nach die Menschen ein Recht. (Beifall bei der FPÖ.)

10.11


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Mag. Dr. Dziedzic. Ich erteile es ihr.

 


10.12.04

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es passt gut, dass das heute meine erste Rede ist, weil auch mich das Thema schon länger beschäftigt, auch wenn ich jünger bin.

Ich habe vor zehn Jahren angefangen, bei den Grünen zu arbeiten, und war parlamen­tarische Mitarbeiterin, als bis 2012 18 Monate lang die Debatte um die Einführung ge­führt worden ist. Die Grünen haben sich immer eher skeptisch geäußert, und die Frage nach Datenschutz, nach der Einbindung von Ärzten, Ärztinnen, Experten, Expertinnen sowie auch der PatientInnen selbst und nach dem Nutzen für genau diese steht auch heute noch im Raum.

Auch wenn Kollegin Reiter schon gesagt hat, dass wir nach so langer Zeit endlich an­fangen sollten, das auch umzusetzen und uns Schritt für Schritt anzuschauen, was verbesserungswürdig wäre, was man schnell verbessern kann, weil vieles erst aus der Praxis ersichtlich wird, so bleiben diese Kritikpunkte nach wie vor. Gerade Datenschutz ist ein Riesenthema. Der Fortschritt bringt bekanntlich nicht nur positive Seiten, son­dern auch sehr viele Risiken.


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Für mich ist es sehr schwer vorstellbar, dass eine zentralisierte Datenbank nicht genau diese Gefahren ans Licht bringt und dass wir uns nicht in den nächsten Jahren auch genau damit weiterhin beschäftigen werden. Insofern ersuche ich vor allem Sie, Frau Bundesministerin Oberhauser, darauf zu schauen, aber auch uns im Bundesrat, als Kontrollgremium sozusagen, weiterhin Anregungen – auch wenn wir das heute hier ab­handeln – einzubringen und uns anzuschauen, was die nächsten Jahre bringen und welche Notwendigkeiten sich daraus ergeben werden.

Da zu ELGA von Zeitplänen bis hin zur Umsetzung schon vieles gesagt worden ist und das heute meine erste Rede ist, erlaube ich mir, einen anderen Aspekt vorzubringen, vor allem, da Sie (in Richtung Bundesministerin Oberhauser) hier anwesend sind, die­ser betrifft nämlich die Gendermedizin. Es klingt für viele sehr sperrig, wir wissen aber, dass es gerade in der Medizin noch immer so ist, dass die meisten Medikamente an Männern getestet werden, dass Frauen unterschiedliche Krankheitsbilder haben, dass sich die Analysen gravierend unterscheiden und wir uns das nach wie vor einfach viel zu wenig aufmerksam anschauen. Insofern wäre es ein Anliegen – wenn man schon eine Gesundheitsakte umsetzen möchte und das schrittweise und punktuell erfolgt –, auch die Gendermedizin in Zukunft mitzunehmen und den Fokus stärker darauf zu le­gen.

Mein Vorgänger, Marco Schreuder, hat in seiner letzten Sitzung eine Krawatte umge­bunden, und ich erlaube mir als Randbemerkung in meinem ersten Redebeitrag, Ihnen eine Buchempfehlung abzugeben, auch hinsichtlich dessen, dass ich Frauenpolitik nicht nur in der Gesundheit als wichtig erachte, sondern als eine gesamtpolitische gesell­schaftliche Aufgabe sehe. Da bald Weihnachten ist, habe ich Ihnen eine Buchempfeh­lung mitgebracht, das Buch nennt sich „Das Ende der Krawattenpflicht“, und ich hoffe, dass wir hier in diesem Gremium, in dieser zweiten Kammer in Zukunft vielleicht ver­mehrt dieses Altherren-Image ablegen werden und uns nicht nur, was die Digitalisie­rung anlangt, sondern auch gesamtgesellschaftlich ein wenig modernisieren werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Krusche – eine Fliege tragend –: Es gehören mehr Fliegen getragen! – Allgemeine Heiterkeit.)

10.15


Präsident Gottfried Kneifel: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin für Gesundheit zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


10.16.11

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Abschließend noch zum Redebeitrag der grü­nen Kollegin und der Gefahr der zentralisierten Daten – Bundesrat Hammerl hat es ge­sagt –: Diese sind nicht zentralisiert, sondern sie bleiben genau dort, wo sie erhoben sind. Das heißt, diese sind bei Ihrem Arzt, in dem Krankenhaus, in dem Labor, in dem Röntgeninstitut – nichts wird zusammengeführt. Wir machen Portale auf, aber nicht zen­tral, sondern das sind viele verschiedene Daten. Das ist das eine.

Das Zweite: Ja, die Grünen waren skeptisch. Auch bei der Beschlussfassung haben die Grünen, soweit ich weiß, damals beim Gesundheitstelematikgesetz dagegen ge­stimmt, nur Kurt Grünewald als Mediziner hat gesagt, er traue dem und wisse auch, was die Vorteile dessen sind, und hat damals mitgestimmt. Ich hoffe, wir können die Skepsis in nächster Zeit kleiner machen, als sie ist.

Ich möchte auch noch einmal zur Frage der Zugriffe kommen. Ich glaube, es ist nichts so genau protokolliert wie der Zugriff auf ELGA-Daten. Sie haben ganz genau aufge­listet, wer zugegriffen hat, kein Mensch weiß dagegen, wer in der Arztpraxis auf Ihren Befund zugreift. Wir alle kennen das im Spital: Da wird am Schalter gewartet, und dann


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liegen die Daten, die Akten dort, und man kann hineinschauen. ELGA hat eine völlig kla­re Zugriffsberechtigung, und es wird auch protokolliert.

Auch zu dieser ominösen Geschichte mit der Zweitmeinung, die nicht mehr möglich sein sollte: Eine Zweitmeinung ist jederzeit möglich wie auch bei einem Papierbefund. Wenn Sie einen anderen Arzt oder eine andere Ärztin aufsuchen, dann kann er oder sie genauso noch einmal einen Befund erheben, wenn er oder sie glaubt, dass es nötig ist. Und wenn Sie eine Zweitmeinung wollen, dann wird das der Arzt oder die Ärztin machen. Die Zweitmeinung ist aufgrund von ELGA auf keinen Fall ausgeschlossen.

Mir bleibt auch nur mehr, Ihnen Danke zu sagen, auch den Verantwortlichen in den un­terschiedlichsten Institutionen – Bund, Ländern, Sozialversicherung, ELGA GmbH, mei­nem Haus –, die seit vielen Jahren an der Umsetzung von ELGA arbeiten. Herzlichen Dank auch von meiner Seite.

Ich gehe sehr optimistisch in die ganze Geschichte und hoffe, dass wir weiterhin über die Erfolgsgeschichte ELGA diskutieren und die Erfolge sehen werden.

Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage. Wir werden einander heuer nicht mehr sehen, und ich hoffe, dass wir einander gesund und munter im neuen Jahr wiedersehen. Das Motto für das neue Jahr habe ich schon: Ich erspare mir den Doktor, indem Küssen und Lachen im Prinzip die Medizin für 2016 sind. In diesem Sinne hoffe ich, diese reicht für uns alle. – Danke vielmals. (Allgemeiner Beifall.)

10.18


Präsident Gottfried Kneifel: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.18.55Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Gottfried Kneifel: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteil­ten Anfragebeantwortungen 2863/AB-BR und 2864/AB-BR sowie hinsichtlich

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen, sowie

jener Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger am 2. und 3. Dezember 2015 in den Niederlanden bei gleichzeitiger Beauftragung des Bun­desministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug mit dessen Vertretung und den Aufenthalt des Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter am 3. De­zember 2015 in Brüssel

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 4)

*****

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2014 (III-199/NR und III-162/NR sowie 885/NR der Beilagen)


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Beschluss des Nationalrates vom 26. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesfinanzrahmengesetze 2015 bis 2018 und 2016 bis 2019 sowie das Bundesfinanzgesetz 2015 geändert werden (819/NR und 890/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 26. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2016 (Bundesfinanzge-
setz 2016 – BFG 2016) samt Anlagen (820/NR und 891/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


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*****


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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz vom 2. bis 4. Dezember 2015 in Ser­bien bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Finanzen Dr. Johann Ge­org Schelling mit dessen Vertretung.

10.20.27Antrag gemäß § 49 iVm § 14 Abs. 2 GO-BR

 


Präsident Gottfried Kneifel: Es liegt mir ein Antrag der BundesrätInnen Mag. Nicole Schreyer, Dr. Heidelinde Reiter, David Stögmüller und Mag. Dr. Ewa Dziedzic gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde sogleich über diesen Antrag abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der genannten Bundes­rätInnen, sich gemäß § 14 Abs. 2 GO-BR zu einer Fraktion zusammenzuschließen, ih­re Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Den Mitgliedern der Bundesratsfraktion der Grünen ist somit weiterhin der Fraktions­status zuerkannt. Ich gratuliere dazu herzlich. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

*****

Eingelangt sind der Außen- und Europapolitische Bericht 2014 der Bundesregierung (III-568-BR/2015 d.B.) – dieser wird zur Vorberatung dem Ausschuss für auswärtige An­gelegenheiten zugewiesen – sowie die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2014 (III-569-BR/2015 d.B.), welche zur Vorberatung dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen werden.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatung abgeschlossen und zu den gegenständlichen Be­schlüssen schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl einer Vize­präsidentin/eines Vizepräsidenten, die Wahl von Ausschüssen und die Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Natio­nalrates und des Bundesrates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Kollege Längle.

10.22.40Fristsetzungsanträge

 


10.22.43

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg)| (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich beantrage gemäß § 45 Abs. 3, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 205/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Jenewein und Kollegen be­treffend Erhalt der Militärmusik in jedem Bundesland und den Antrag 216/A(E)-BR/2015 der Bundesräte Längle, Brunner und Kollegen betreffend die Erhaltung der Kompanien bei den Bataillonen eine Frist bis zum 16.12.2015 zu setzen.

Ebenso beantrage ich gleichzeitig gemäß § 49 Abs. 3 die Durchführung einer Debatte darüber.


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 34

Es handelt sich hierbei um zwei Anträge, die die Strukturreform des Bundesheers be­treffen. Wie bekannt sein dürfte, hat der Nationalrat vor Kurzem auch eine Evaluierung dieses desaströsen Sparpakets für das Bundesheer angesichts der aktuellen Bedro­hungslage einstimmig beschlossen.

Die beiden Anträge im Bundesrat wurden aber, obwohl der Antrag bezüglich Bataillone von ÖVP-Kollegen mit unterschrieben wurde, im Ausschuss dann vertagt. Ich muss schon sagen, dass hier leider Gottes die Chance vertan wurde, sofort, also rechtzeitig, eine Forderung für die Korrektur dieses Sparpakets einzubringen. Ich frage mich auch, welchen Sinn es hat, zuerst einen Antrag zu unterschreiben und dann postwendend kurz darauf im Ausschuss auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

Abschließend darf ich hier noch anmerken, dass es schon ein Jammer ist, dass die Verantwortlichen Anträge in den Ausschüssen über ein Jahr lang liegen lassen. Das ist sicherlich kein Vorbild für dieses Gremium! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.24


*****

Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört.

Ich habe vor Eingang in die Tagesordnung bekannt zu geben, dass Kollege Längle und weitere KollegInnen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsord­nung eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für Landesverteidigung zur Bericht­erstattung über den Entschließungsantrag 205/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Michalke und KollegInnen betreffend Erhalt der Militärmusik in jedem Bundesland eine Frist bis 16. Dezember 2015 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da weiters die Durchführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hierüber sogleich abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag ist somit abgelehnt.

Wir haben über einen weiteren Fristsetzungsantrag zu entscheiden, den ich Ihnen eben­falls vorlesen werde, das heißt, dass wir ihn behandeln werden.

Kollege Längle und andere haben einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht, wonach dem Ausschuss für Landesverteidigung zur Be­richterstattung über den Entschließungsantrag 216/A(E)-BR/2015 der Bundesräte Läng­le, Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Kompanien bei den Batail­lonen eine Frist bis 16. Dezember 2015 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da auch bei diesem Antrag die Durchführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hierüber sogleich ab­stimmen.

Ich ersuche somit jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchfüh­rung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag ist somit abgelehnt.


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Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 4 der heutigen Tages­ordnung unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

*****

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.28.041. Punkt

Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies die Wahl eines Vizepräsidenten.

Es liegt mir der Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Mag. Ernst Gödl für den Rest des zweiten Halbjahres 2015 zum Vizepräsidenten des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

10.29.00

 


Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke sehr für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gratulieren dazu herzlich.

10.29.302. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das Bundeshaftungsobergrenzen­gesetz, das Unternehmensserviceportalgesetz, das Wettbewerbsgesetz, das Frei­willigengesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Gesundheits- und Ernährungssicherheits­gesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz und das Sucht­mittelgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Gewährung ei­nes Bundeszuschusses an das Bundesland Salzburg aus Anlass der 200-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich erlassen wird (Budgetbegleitgesetz 2016) (821 d.B. und 882 d.B. sowie 9486/BR d.B. und 9487/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (883 d.B. sowie 9488/BR d.B.)


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4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (846 d.B. und 884 d.B. sowie 9489/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 bis 4.

Berichterstatter zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um die Be­richte.

 


10.29.48

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­deshaushaltsgesetz 2013, das Bundeshaftungsobergrenzengesetz, das Unternehmens­serviceportalgesetz, das Wettbewerbsgesetz, das Freiwilligengesetz, das Familienlas­tenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Ge­sundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbrau­cherschutzgesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Bundesland Salzburg aus An­lass der 200-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich erlassen wird.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2015 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Der nächste Punkt ist der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rech­nungshofgesetz 1948 geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2015 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Der 4. Punkt betrifft den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begrün­dung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie genehmigt wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor. (Vizepräsidentin Posch-Gruska über­nimmt den Vorsitz.)

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2015 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke recht herzlich für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.32.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie bei uns im Saal zu


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Gast sind oder die Sie vielleicht zu Hause am Computer zusehen! Gestatten Sie mir ein paar Eingangsbemerkungen.

Erstens: Herr Kollege Gödl! Herzliche Gratulation namens meiner Fraktion zur Wahl zum Vizepräsidenten und auf gute Zusammenarbeit!

Zweitens finde ich es etwas befremdlich, dass die Regierungsparteien die große Nei­gung haben, Anträge der Opposition in den Ausschüssen in der Hoffnung liegen zu las­sen, dass irgendeiner ausscheidet und sich der Antrag damit von selbst erledigt hat. Dass darüber nicht einmal eine Debatte abgeführt wird, halte ich auch für demokratie­politisch bedenklich. Diese Kammer, das Parlament, der Nationalrat, der Bundesrat sind ja Gremien, in welchen wir diskutieren und uns politisch, durchaus auch von einer un­terschiedlichen Ausgangslage ausgehend, auseinandersetzen wollen.

Im Hinblick darauf halte ich es für wirklich unmöglich, dass man die Anträge immer lie­gen lässt, bis sie einen Hautgout bekommen, wie man es normalerweise bei teurem Rindfleisch haben möchte. Im Hinblick darauf könnten Sie an Ihrer Arbeitsweise wirk­lich einmal ordentlich arbeiten! (Beifall bei der FPÖ.)

Noch etwas möchte ich anmerken: Herr Minister! Ich freue mich, dass wenigstens Sie da sind, aber ich finde es schon schade, dass der Herr Finanzminister es nicht der Mü­he wert findet, bei der Diskussion der Budgetbegleitgesetze auch hier im Bundesrat anwesend zu sein. Wir haben ja nicht nur einen Minister, der für alles zuständig ist, und gerade für den Finanzminister wäre es auch bei den Budgetbegleitgesetzen durchaus von Interesse, hier in der Länderkammer zu sitzen. Daher möchte ich dem Befremden meiner Fraktion in diesem Punkt Ausdruck verleihen. (Beifall bei der FPÖ.)

Leider ist zu den Budgetbegleitgesetzen auch nicht wahnsinnig viel Positives zu sagen. Das ist nicht das erste Mal, dass wir das bei einem Budget oder bei Budgetbegleitge­setzen so sehen, denn die Budgetbegleitgesetze hängen natürlich ursächlich mit dem Budget zusammen. Selten findet da vor allem ein Oppositionspolitiker etwas Positives und wenn, dann nur wenig.

Wie schaut es denn aus? – Das Wachstum war insgesamt, wie auch in den vergangenen Jahren, geringer als im EU-Durchschnitt und auch im OECD-Durchschnitt. Die Arbeits­losenquote ist so hoch wie noch nie in der Zweiten Republik, Tendenz steigend.

Die Gesamtverschuldung ist gestiegen. 2014 ist sie schon auf 277 Milliarden angestie­gen, da hatten wir aber noch ein Einnahmenplus. Heuer sind es fast 290 Milliarden, das heißt, jeder Bürger in diesem Land trägt eine Schuldenlast von 39 000 €. Und auch wenn wir nur 1,5 Prozent Kreditzinsen bezahlen, worauf die Regierung immer stolz ist, weil das ja tatsächlich ein niedriger Faktor ist, ändert das nichts daran, dass wir einen Zinsendienst von 7,8 Milliarden € haben, die wir zahlen müssen, und das sind auch et­wa 1 000 € pro Kopf.

Nicht nur die Opposition, sondern auch die Experten sehen die selbst gesteckten Ziele der Regierung durchaus nicht nur positiv. So sagt Simon Loretz vom Institut für Höhere Studien: „Es wird für Schelling schwierig, das Budget 2016 einzuhalten. Der Finanzmi­nister wird sich anstrengen müssen, um eine Punktlandung hinzubekommen.“

Auch der Chef des Fiskalrats, Bernhard Felderer, hat Zweifel daran geäußert, ob das strukturelle Defizit 2016 in dieser Form halten wird. Außerdem glaubt Felderer nicht da­ran, dass das Herausnehmen der Flüchtlingsquote vor der EU-Kommission halten wird, und ist nicht sehr optimistisch, was das Wirtschaftswachstum Österreichs anbelangt. – Jetzt kann man natürlich sagen, dass sich alle Chefs des Instituts für Höhere Studien – und welche Experten es auch immer gibt – auch immer wieder geirrt haben. Das ist schon richtig. Wir hatten schon oft aus dieser Ecke Wachstumsprognosen, die dann im Laufe eines Jahres immer weiter reduziert werden mussten. Es sind also natürlich


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auch diese Aussagen mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, aber es schaut trotz­dem insgesamt nicht gut aus.

Das große Problem, das wir seit Jahrzehnten haben, ist einfach, dass wir viel zu viel aus­geben und im Gegenzug dazu viel zu wenig einnehmen. Das ist nicht nur damit erklär­bar, dass man sagt: Wir wollen den Sozialstaat, so wie er ist, beibehalten. – Ja, das wollen wir alle! Wir wollen einen Sozialstaat haben. Wir wollen die Ärmsten nicht durch die Maschen fallen lassen, diesbezüglich sind wir uns ja alle einig. Selten einig sind wir uns aber über den Weg, der dorthin führt und wie er dorthin führen soll.

Es werden zwar seit Jahrzehnten Reformen angekündigt, aber diese werden leider nie umgesetzt. Der Rechnungshof schreibt sich seit Jahrzehnten quasi die Tinte aus der Feder und macht entsprechende Vorschläge, aber nichts davon wird umgesetzt. Das ist schade!

Ich kann mich erinnern, dass der ehemalige Landeshauptmann der Steiermark Voves, als er hier war, gesagt hat – und da hat er recht gehabt! –, dass die Krise für einen Teil unserer Budgetprobleme verantwortlich ist, aber nur zu 20 Prozent, und dass 80 Pro­zent hausgemacht sind. Es kommen also doch auch aus den eigenen Reihen einige zu dieser Erkenntnis, dass wir auch selber etwas tun müssen.

Ich habe hier an dieser Stelle auch schon öfters gesagt, dass wir einen Förderungs­dschungel haben, der 16 bis 18 Milliarden € beträgt. Die diesbezüglichen Schätzungen sind ein wenig unterschiedlich. Aber das ist egal. Ich bin mir sicher, dass man das Gan­ze, selbst wenn wir „nur“ – unter Anführungszeichen – von 16 Milliarden ausgehen und wenn wir sagen, dass wir natürlich nicht jede Förderung streichen wollen, auf die Hälfte reduzieren kann, ohne dass das Licht in dieser Republik ausgeht.

Ich frage wieder einmal mehr: Was ist mit der Transparenzdatenbank? Diese wurde 2009 beschlossen. Die ÖVP war so stolz, dass diese Transparenzdatenbank beschlos­sen wurde, und der Ansatz, dass wir schauen wollen, wer welche Förderung aus wel­chem Topf bekommt, war auch richtig. Der Bereich sollte durchforstet werden, damit es da nicht Drei- und Vierfachförderungen gibt. Diese Transparenzdatenbank ist jedoch nie mit Leben erfüllt worden, nie! Bis heute ist sie totes Recht, das interessiert Sie über­haupt nicht mehr. Da wäre aber viel zu holen, damit könnten Sie auch einen Teil der Steuertarifreform finanzieren. Aber in sechs Jahren ist genau nichts geschehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt haben Sie sich zwar ein hehres Ziel gesetzt, nämlich die Unternehmen zu entlas­ten, und da wäre ich ja ganz bei Ihnen, aber das geschieht natürlich wieder zulasten Dritter. Und wer zahlt in dieser Republik regelmäßig drauf? – Das sind die Familien. Und jetzt sagen Sie mir bitte nicht, es wird im kommenden Jahr die Familienbeihilfe oh­nehin wieder erhöht! Wir haben das letztes Mal schon besprochen, dass die Beträge wirklich so klein sind, dass das für die Familien kaum zum Tragen kommt.

Wir sind uns auch in einem Punkt einig, zumindest habe ich das den Reden im Natio­nalrat entnommen, dass der Familienlastenausgleichsfonds, um den es ja geht, Re­formbedarf hat. Und ich habe nicht gehört, dass irgendeine Partei in diesem Haus sich verschwiegen und gesagt hätte, nein, den müssen wir nicht reformieren, sondern ja, wir wollen ihn reformieren. Dann gehen wir es doch bitte an! Aber dass eine Entlastung wieder auf dem Rücken der Familien ausgetragen wird, geht, bitte, gar nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Das stimmt nicht!) Natürlich stimmt es, selbstverständ­lich stimmt das.

Dann die Registrierkassenpflicht, wo Sie alle Unternehmen einmal unter Generalver­dacht der Steuerhinterziehung stellen. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Zwazl.) – Doch, das stimmt schon. Ich finde das wirklich unmöglich. In Österreich sind vor allem die Unternehmer jene, die ein hohes Maß an Steuerehrlichkeit haben. Schauen Sie


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 39

sich doch lieber jene an, die ihre Firmengeflechte haben, wo sie dann steuerschonend in anderen Ländern möglichst wenig Steuern zahlen! Vielleicht setzen wir dort an!

Ich kann mich erinnern, 2013 wollte Spindelegger die Wirtschaft entfesseln, übrigens eine Wirtschaft, von der Wirtschaftskammerpräsident Leitl gesagt hat, sie sei abgesan­delt. Und ich zitiere Leitl, nicht die FPÖ.

Aber wo ist denn die Entfesselung der Wirtschaft geblieben? Wir haben doch viel zu we­nige Unternehmen! Wo wollen Sie denn die Arbeitsplätze hernehmen? Und das Klima in Österreich ist nicht unbedingt unternehmerfreundlich. Über den Unternehmern schwebt immer so wie ein Damoklesschwert, vor allem eher aus der linken Reichshälfte, dass sie immer noch ausbeuterische Kapitalisten sind. Allerdings werden 80 Prozent aller Ar­beitsplätze von kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung gestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat kaum jemand den Wunsch, sich selbständig zu machen: zu viel Bürokratie, zu viele Abgaben und zu hohe Arbeitskosten. Man hat zwar bei dieser Tarifstufenreform im Rahmen der Steuerreform gesagt, ja, das ist uns schon bewusst, dass die Arbeits­kosten zu hoch sind. Aber wann geht man das an? – Erst 2017. Jetzt müssen wir ein­mal Zuckerl verteilen, und 2017 gehen wir das dann an.

Diese Steuerreform, bleiben wir einmal bei diesem Terminus technicus, ist ja gut, und natürlich wird den Leuten am Beginn einmal mehr im Börsel bleiben. Aber die kalte Progression, und um die geht es, wird alles wieder auffressen, und letzten Endes zah­len sich das die Leute selber. Das kann ja nicht im Sinne des Erfinders sein. Wir wollen ja, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben, dass ihnen mehr Netto vom Brutto bleibt. Da sind wir uns, glaube ich, grundsätzlich einig. Aber auch dabei gibt es un­terschiedliche Auffassungen, wie der Weg dorthin sein soll.

Jetzt haben wir bis zum Jahresende wahrscheinlich 500 000 Arbeitslose. Und dazu kommt diese dramatische Pleite von Zielpunkt. Man muss sich das einmal vorstellen, vor Weihnachten erfährst du, dass du keinen Arbeitsplatz hast, und es werden die we­nigsten von anderen Handelsunternehmen übernommen werden. (Bundesrat Mayer: Die Regierung kann nichts dafür!) Nein, die Regierung kann nichts dafür. Aber wofür die Regierung schon etwas kann, ist, dass sie – sie ist ja sonst bei einer Anlassge­setzgebung auch immer sehr flott unterwegs – noch keine Maßnahmen gesetzt hat, obwohl man das schon tun hätte können. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Zwazl.) Man hätte sagen können, die Leute sollen das Geld bekommen, die Republik schießt das Geld vor und holt sich das vom Insolvenzentgeltsicherungsfonds wieder zurück.

Sagen Sie das den Leuten von Zielpunkt, dass das purer Populismus ist, wenn man die Regierung auffordert, hier Herz zu zeigen und zu sagen: Finanziert doch die aus­stehenden Löhne und das Weihnachtsgeld den Menschen vor, damit diese unter dem Weihnachtsbaum auch etwas zu essen haben und vielleicht ein kleines Packerl für ihre Kinder! Sagen Sie das den fast 3 000 Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben! Ich finde das wirklich unerhört. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu kommt natürlich noch diese „Flüchtlingskrise“ – unter Anführungszeichen –, die ja durchaus absehbar war, wo aber auch keiner etwas gemacht und jeder gehofft hat, sie möge an uns vorbeigehen. Abgesehen davon, dass die Grenzen nach außen ungenü­gend gesichert sind und weder die EU noch Österreich, noch Deutschland wirklich in vollem Umfang wissen, wer hier hergekommen ist, und vor allem auch nicht, warum, werden jene, die Asyl bekommen und dableiben werden, irgendwann auch arbeiten wollen und müssen, das ist ja völlig logisch. Wo wollen Sie die Arbeitsplätze herneh­men, wenn wir jetzt schon so eine Latte von Arbeitslosen haben, denen 33 000 offene Stellen gegenüberstehen? Wo werden die Wohnungen herkommen? Wo wird das Bud-


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 40

get herkommen für die Jugendlichen, die noch in die Schule gehen müssen? Es ist ja jetzt schon so, dass Ministerin Heinisch-Hosek 360 Millionen € fehlen und sie die Miete für die Schulen schuldig bleiben musste. Und da wird sie mehr zusätzliche Lehrer brau­chen, sonst wird es ja nicht funktionieren.

Und es wird auch im AMS Schulungsmaßnahmen geben müssen, denn dieses Mär­chen der Hochqualifizierten hat sich sowieso schon als solches herausgestellt. Tatsa­che ist, dass die wenigsten hochqualifiziert sind und die meisten gering bis gar nicht qualifiziert sind, wenn sie überhaupt lesen und schreiben können.

Aber wir schaffen ohnehin alles. Und jeder, der da mahnend seine Stimme erhebt, wird gleich einmal als Hetzer verunglimpft. Es geht aber darum, diese Dinge geordnet zu ma­chen.

Und dann kommt jetzt noch der Deal mit der Türkei dazu (Zwischenrufe bei den Grü­nen), wo ich schon sage, ja, es ist klar, wir müssen natürlich schauen, dass die Flücht­linge gar nicht kommen müssen, dass sie möglichst in ihrem weit gestreckten Heimat­raum bleiben können. Es ist für mich unverständlich, dass man den Flüchtlingslagern das Geld abgedreht oder zu wenig gegeben hat. Da hätte man ja Geld in die Hand neh­men können, damit die Flüchtlinge dort ordentlich versorgt sind.

Aber plötzlich wird der Türkei gesagt, wir zahlen euch 3 Milliarden und geben euch Vi­safreiheit und ihr haltet uns, bitte, die Flüchtlinge vom Hals, denn so steht es ja unaus­gesprochen zwischen den Zeilen, und es interessiert uns nicht mehr die Menschen­rechtslage in der Türkei, die jetzt auch nicht vom Feinsten ist. Zum Beispiel hat Erdo­gan auf Demonstranten schießen lassen. Wir interessieren uns plötzlich nicht mehr für die Kurdenfrage, denn das ist jetzt auch nicht mehr das Thema Nummer eins, Haupt­sache, wir können diesen Deal machen, und wir sagen auch nichts, wenn es sonst Menschenrechtsverletzungen gibt und die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Journa­listen, die nicht das schreiben, was Herr Sultan Erdogan haben möchte, werden ein­fach eingesperrt. Das nehmen wir jetzt alles billigend in Kauf, Hauptsache, wir sind dieses Problem los. Das, sage ich Ihnen, finde ich persönlich unappetitlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben sich auch in den Budgetbegleitgesetzen verordnet, dass jetzt ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr kommen soll. Das wäre ja, wenn man es einmal so liest, durchaus eine spannende Sache und durchaus etwas, das man befürworten könn­te. Allerdings sage ich Ihnen, es hat das erste schon nicht wirklich funktioniert. Und auch damals haben sämtliche KindergartenpädagogInnen schon im Vorfeld darauf hin­gewiesen, dass es so sein wird, wie es auch vielfach gekommen ist. Sie haben eine Gruppe von Kindern, die kein Wort Deutsch können, die sind alle in einer Gruppe, die werden daher auch nicht wirklich Deutsch lernen, was zum einen auch damit zusam­menhängt, vor allem in Wien, dass die Gruppen viel zu groß sind. Wir haben viel zu große Gruppen, viel zu wenige Betreuer, wo auch etwas getan werden könnte. Aber es ist hier die Länderkammer, ich bin eine Vertreterin Wiens, und daher darf ich das hier auch anbringen.

Das zweite Kindergartenjahr kann nur funktionieren, wenn wir ausreichend Personal haben und wenn diese Kinder auch mit österreichischen Kindern zusammenkommen, die deutsch sprechen. Ich lerne die Sprache am besten, wenn ich mit anderen kommu­niziere.

Somit gibt es bei diesen Budgetbegleitgesetzen und beim Budget insgesamt, auch wenn das Budget nicht Gegenstand des Bundesrates ist, das weiß ich schon, so wahnsinnig viele Baustellen, die nicht angegangen werden. Daher können wir diesen Budgetbe­gleitgesetzen nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.49



BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 41

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich möchte daran erinnern, dass wir eine frei­willige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten vereinbart haben. Ich bitte, wenn es mög­lich ist, sich auch daran zu halten. Danke sehr.

Als nächster Redner gelangt Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.49.35

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Schon aufgrund der nicht mit dem Budgetbegleitgesetz in Zusam­menhang stehenden Äußerungen von Frau Mühlwerth müsste ich zusätzlich 15 Minu­ten bekommen, denn da ist so viel Nonsens gesagt worden, dass das fast nicht unwi­dersprochen bleiben sollte. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenruf von Bun­desrätin Mühlwerth.) – Das ist nicht unsere Politik. Unsere Politik ist, was das anbe­langt, auf jeden Fall besser als eure Einwände, das muss ich ganz deutlich hier beto­nen.

Wenn wir zu den Anträgen kommen, die ihr da eingebracht habt, wo wir über Fristset­zungsanträge debattieren hätten sollten, dann, muss ich sagen, wundert es mich schon, dass ihr uns erstens einmal einen falschen Antrag vom Kollegen Schmittner herlegt, denn es ging ja um das Jägerbataillon 23 in Vorarlberg, wobei wir natürlich auch gegen dessen Auflösung sind, weil wir es in Vorarlberg brauchen. Bringt wenigstens die richti­gen Anträge her und nicht die vom Kollegen Schmittner, den ihr irgendwann einmal aus der Partei ausgeschlossen habt, Frau Kollegin Mühlwerth! Also das ist ja dann wirklich obsolet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Auch wir sind für den Entschließungsantrag des Nationalrates, wo es um pro Bundes­heer geht. Das war aber heute kein Punkt der Debatte. Dem Kollegen Längle geht es in Wirklichkeit nicht um die Sache, sondern nur um Populismus, damit er in Vorarlberg unseren ÖVPlern irgendwann etwas umhängen kann, was natürlich überhaupt nicht den Tatsachen entspricht, Herr Kollege Längle! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das muss man in dieser Deutlichkeit schon auch sagen: nicht nur hier gescheit Öl ins Feuer gie­ßen, sondern einfach auch Sachpolitik machen! Das ist viel entscheidender und bes­ser. Wir haben gesagt, wir verhandeln über diese Themen noch, Herr Kollege Längle. Dann soll man aber auch bei den Tatsachen bleiben und nicht das Ganze auf dem Altar des Populismus opfern. So schaut es aus, Frau Kollegin Mühlwerth! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich komme zu dem, dass man gesagt hat, wir verhandeln ein Budgetbegleitgesetz und es ist der Herr Finanzminister nicht da. – Zuständig ist nun einmal das Bundeskanzler­amt, und deshalb ist auch Herr Bundesminister Ostermayer hier. Er ist auch für die Budgetbegleitgesetze zuständig, liebe Frau Kollegin Mühlwerth. Das sind Fakten, und dabei bleibt es. Es kann der Herr Finanzminister zusätzlich im Saal sein, aber es muss nicht sein. Das nur für Sie: Lernen Sie Parlament, Frau Kollegin Mühlwerth! Lernen Sie Parlament! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre wirklich absolut schlechte Aussage, was Zielpunkt anbelangt, und uns da Vorwürfe zu machen, das ist aber sowas von daneben! Die Regierung kann erstens nichts dafür, das ist freie Marktwirtschaft. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) So wie es ge­schehen ist, das goutieren wir in keiner Weise. Wir verurteilen die Vorgangsweise der Eigentümer der Zielpunkt GmbH.

Wir sind bei den Menschen, die vor Weihnachten arbeitslos geworden sind, die Regie­rung arbeitet daran, das Sozialministerium arbeitet daran, das Wirtschaftsministerium, der Insolvenzfonds arbeitet daran, dass die Leute im Dezember noch zu ihrem Geld kommen. Man hat Verhandlungen mit den Banken geführt, auch seitens der Gewerk­schaft. Da gibt es Zusagen, zumindest das Dezember- und Novembergehalt zu ge­währleisten. Was sollen wir Ihrer Meinung nach noch mehr tun? Was sollen wir tun,


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 42

Frau Kollegin Mühlwerth? Sagen Sie es hier, und hören Sie auf mit diesen populisti­schen Aussagen, wir wären schuld an dieser Zielpunkt-Pleite! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Frau Kollegin, die Zielpunkt-Aussage war letztklassig! Und das unterstreiche ich jetzt noch einmal. Das weisen wir in aller Deutlichkeit zurück!

Wir befassen uns, wie gesagt, mit dem Budgetbegleitgesetz. – Ja, es waren eh nur drei Minuten an Replik, ich bewundere mich da selber. (Heiterkeit.) – Es sind sozusagen be­gleitende Materien für das Budget. Ich möchte einige Punkte erwähnen und damit jetzt auch sachlich werden: neben der Einführung eines freiwilligen Integrationsjahres für anerkannte Flüchtlinge – ja, wir haben wieder das Flüchtlingsthema – Änderung bei frei­willigem Auslandsdienst, Umschichtung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik, dann die Abgabe zur Marktüberwachung bei Arzneimitteln, andere Vereinfachungen im Haus­haltsrecht, benutzerfreundliche Gestaltung des Unternehmerserviceportals, ein einmali­ger Bundeszuschuss für die Salzburger, 4 Millionen € aus Anlass des 200-jährigen Ju­biläums, glaube ich, gut angelegt, Frau Kollegin. (Bundesrätin Reiter: Wunderbar!) Wun­derbar.

Weiters fließt auch das Ergebnis des Arbeitsmarktgipfels vom 30.10.2015 mit ein, wo es um Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds geht. Kollege Pum wird sich damit noch auseinandersetzen und Ihnen auch beweisen, Frau Kollegin Mühl­werth, dass das, was hier über den Familienlastenausgleichsfonds gesagt wurde, nicht stimmt. Unsere Partei beziehungsweise auch die Regierung hat hier ganz klare Vor­gaben gemacht, um Familien weiter zu fördern. Und die Familienförderungen werden in keiner Weise gekürzt, das muss man hier in aller Deutlichkeit noch einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Zum Budget, Frau Kollegin Mühlwerth, sei schon angemerkt, dass es gelungen ist, auch notwendige Reformen auf den Weg zu bringen, und es sei auch gestattet, an dieser Stelle die Steuerreform zu erwähnen, die wichtige Wachstums- und Konjunkturimpulse bringt. Ja, ich weiß schon, die Freiheitlichen sind immer auf der Suche nach dem Haar in der Suppe, mit Argumenten, die an den Haaren herbeigezogen sind. Deshalb wird es auch nie eine Suppe ohne Haare bei euch geben, das ist mir schon bewusst, aber das ist nicht lösbar.

Auch investieren wir mit diesem Budget zusätzlich in Forschung, Bildung und Infra­struktur, was Breitband anbelangt. Ich verweise zum Beispiel auf den Schwerpunkt des Bundesrates „Digitaler Wandel und Politik“. Und wir investieren natürlich auch in Si­cherheit. Selbstverständlich brauchen wir mehr Geld für die Sicherheit, das ist gut an­gelegt, und das wird man intensivieren müssen. Wir brauchen auch mehr Geld für Flücht­linge hier im Inland und natürlich auch im Ausland. Wenn Sie sagen, wir kaufen uns um 3 Milliarden € einen Sultan Erdogan, dann ist das einfach in die Luft gesprochen, Frau Kollegin Mühlwerth. Wir wissen schon, wie man das Flüchtlingsproblem lösen muss, wie man europaweit Maßnahmen setzen muss. Wir werden es nicht alleine lösen, aber wir sollen Teil dieser Diskussion sein.

Jede Gesetzesmaterie, die hier zur Diskussion steht, verquickt ihr irgendwie mit einer Asyldebatte. Das ist doch wirklich letztklassig, Frau Mühlwerth. Hören Sie einmal auf, bei jeder Materie über die Asyl- und Flüchtlingsthematik zu diskutieren! Das hat doch keinen Wert.

Zurück zur Steuerreform, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese bringt eine Entlastung von mehr als 5 Milliarden €. Davon werden etwa 6 Millionen – ich wiederhole: 6 Millio­nen! – Österreicher und Österreicherinnen profitieren. Dadurch wird es auch zu einer Kaufkraftsteigerung kommen, weil genau jene Einkommensschicht im Niedriglohnbe­reich jeden Euro, den sie sozusagen durch diese Steuerreform dazubekommt, wieder


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 43

investieren, also eins zu eins ausgeben wird. Das bringt zusehends mehr Kaufkraft, das bringt mehr Investitionen, das stärkt auch unsere Wirtschaft.

Beispiel 2 500 € Bruttoeinkommen: Durch die Steuerreform gibt es hier eine durch­schnittliche zusätzliche Steuererleichterung von etwa 1 000 € beginnend ab 1. Jänner 2016. Und das ist auch ein wichtiger Impuls in Richtung Familien, wie ich schon er­wähnt habe.

Wir brauchen jedes Zehntelprozent an Wirtschaftswachstum, Frau Kollegin Mühlwerth. Die Rechenbeispiele dazu sind bekannt. Und wir sollten endlich aufhören, diese groß­artige Reform, und es ist eine großartige Reform, insgesamt schlechtzureden.

Das WIFO hat für das laufende Jahr, weil es auch angesprochen wurde, in etwa 0,7 Pro­zent Wirtschaftswachstum prognostiziert, im nächsten Jahr soll es dann das Doppelte sein, nämlich 1,4 Prozent. Ich weiß schon, das ist jetzt noch nicht die Welt oder ein be­sonders großer Wert, aber es ist eine wesentliche Steigerung, eine Verdoppelung des Wirtschaftswachstums. Die Wirtschaftskurve steigt nach oben, und ich denke, wir wer­den auch wieder mehr Möglichkeiten für den Staat haben, sich entsprechend zu ent­wickeln.

Es ist einfach eine seriöse Darstellung von Möglichkeiten, wie man das Ganze machen kann, auch durch Betrugsbekämpfung. Und hier sage ich schon ganz klar, dieser Ge­neralverdacht, der hier ausgesprochen wird oder uns umgehängt werden soll, dass wir alle Unternehmer als Betrüger sehen, das ist wirklich ein Nonsens. Aber es soll jeder Steuer zahlen. Es ist so, wie der Finanzminister gesagt hat, wenn jeder Steuer zahlt, zahlen alle weniger Steuer. Das heißt noch lange nicht, dass wir alle Unternehmer des Steuerbetruges verdächtigen. Das ist mit diesem Satz nicht zu verbinden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Nein, Frau Kollegin Mühlwerth, das ist nicht nur ein Top­fen, das ist ein Volltopfen, und Volltopfen ist die Steigerungsstufe. (Beifall und Heiter­keit bei ÖVP und SPÖ.)

Wir machen Investitionen in die Konjunktur, wir machen Verwaltungseinsparungen. Die­ses Steuerreformkonzept ist zielgerichtet und kommt wirklich zur richtigen Zeit. Und wir senken auch die Schuldenquote um ein Prozent. Wir sind in der letzten Zeit auf einen relativ hohen Wert gekommen, nämlich auf 85 Prozent. Wir senken das auf 84 Prozent, es ist ein Beginn, und wir werden weiter daran arbeiten.

Und jetzt noch ganz kurz zum Arbeitsmarktgipfel, der Ende Oktober war. Hier gibt es zusätzliche Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik im Ausmaß von 350 Millionen € ab dem Jahr 2017, für 2016 sind es 300 Millionen € mehr, und das bringt auch zusätzliche Ar­beitsplätze. Auch das Bonus-Malus-System haben wir jetzt umgesetzt. Daran wird zu arbeiten sein. Es wird auch daran zu arbeiten sein, mehr altersgerechte Arbeitsplätze zu schaffen. Bei den KMU sehe ich das in hohem Maße schon entwickelt. Auch in der Industrie sollten wir daran denken, das zu schaffen. Das ist auch ein besonderes Sig­nal in Richtung Wirtschaft, dass wir sagen, wir senken die Lohnnebenkosten um mehr als 1 Milliarde €. Das mag für den Einzelnen wenig ausmachen, aber insgesamt ist 1 Milliarde € doch sehr viel Geld. Das ist nicht unbedingt ein Sackgeld, und man kann es auch nicht einfach nur so herunterreden. Das bringt Arbeitsplätze und sichert auch den Standort – ein ganz wichtiger Punkt.

Ja, insgesamt ein gutes Budget mit sehr guten Begleitgesetzen. Das weist in die Zu­kunft unseres Landes und bringt auch für viele Menschen eine große Entlastung. Mei­ne Fraktion wird diesen Begleitgesetzen sehr gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.00


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 44

11.01.02

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen für die Unterstützung bedanken, die Salzburg im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes er­fährt für die Landesausstellung anlässlich der 200-jährigen Zugehörigkeit von Salzburg zu Österreich, also seit 1816 nach dem Wiener Kongress. Wenn man mit Salzburgern darüber spricht, dass es 2016 etwas zu feiern gibt – 1816, 200 Jahre –, dann fragen die meisten: Was feiern wir da? – Das ist die normale Reaktion. Ich hoffe, dass dies im Rahmen dieser Ausstellung entsprechend erklärt wird.

Wenn man in Salzburg vom „Anschluss“ spricht, dann meint man nämlich 1816, als Salzburg endgültig sozusagen seine Unabhängigkeit verloren hat und zu Österreich ge­kommen ist. Es ist Salzburg ja in der Folge, nach den Franzosenkriegen, auch sehr schlecht gegangen. Die Bevölkerungszahl hatte sich halbiert, und Schubert schreibt we­nige Jahre nach diesem Anschluss in einem Brief aus Salzburg: Wunderschön, Salz­burg. Lauter Ruinen. Es wächst das Gras auf allen Plätzen und in allen Straßen. – Das war die Situation.

Eines der schwierigsten Dinge bei dieser Ausstellung ist, auch die entsprechenden Stü­cke sozusagen wieder nach Salzburg zu bekommen – Stücke, die die Franzosen mit­genommen haben, die sie zwar restituiert haben, aber nach München und nicht nach Salzburg, und Stücke, die die Habsburger dann aus Salzburg nach Wien transferiert haben. Das alles ist mit sehr hohen Kosten und Schwierigkeiten verbunden. Aber ich hoffe, es wird gelingen, und ich hoffe, es wird eine erfolgreiche Ausstellung. Ich möchte die Kollegen und Kolleginnen wirklich einladen, dafür nach Salzburg zu kommen, sich auch bei mir zu melden. Ich führe Sie gerne durch diese Ausstellung und trage damit vielleicht zu größerem gegenseitigem Verständnis bei.

Zum Budgetbegleitgesetz oder zum Rest davon möchte ich ganz persönlich sagen, für mich war das oder ist das irgendwo einer der Tiefpunkte meiner Arbeit im Bundesrat. Im Bereich Budget fehlen uns die Kompetenzen. Die vorliegenden Gesetzesmaterien müssen aber durch den Bundesrat. Aber eine auch nur einigermaßen seriöse Debatte darüber im Ausschuss war eigentlich nicht möglich. Ich schätze die Arbeit im Aus­schuss. In kurzer Zeit ist es dort immer wieder möglich, für mich auf jeden Fall, durch das Vorhandensein von Experten und durch diese Debatten doch den Horizont sehr ef­fizient zu erweitern. Diesmal waren keine Auskunftspersonen da – was auch verständ­lich ist, weil das aufgrund der großen Breite der Materie wahrscheinlich das Fassungs­vermögen des Ausschusslokals gesprengt hätte –, außer zum FLAF, einem Thema, das sehr umstritten war, wie auch schon im Nationalrat, gerade auch von unserer Seite.

Ich fühle mich bis zu einem gewissen Grad hier als Abstimmungsmaschine missbraucht. Kollegen aus den Regierungsfraktionen wird es da vielleicht noch etwas schlechter er­gehen als mir. Aber – und das ist mir eigentlich wesentlich wichtiger – für einen er­folgreichen Budgetvollzug und auch für unserer Meinung nach noch wichtige Refor­men, um den Finanzen wirklich ein gesundes Fundament zu geben, braucht es eine ef­fiziente Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern – eine sehr viel effizientere Zu­sammenarbeit, als sie derzeit im Flüchtlingsbereich oder im Schulbereich und so weiter stattfindet.

Denn was erhofft sich zum Beispiel der Finanzminister? – Einsparungen in der Verwal­tung im Ausmaß von 500 Millionen €. Aber nur mit konsequentem Nicht-Nachbesetzen wird das nicht gelingen – oder zumindest nur zum großen Schaden der Verwaltung ge­lingen. Dafür braucht es tiefgreifende strukturelle Reformen. Ich möchte das nur ganz kurz anhand des Beispiels des FLAF darstellen.

Die Senkung der Lohnnebenkosten ist richtig und wichtig. Aber so, wie sie jetzt vor­liegt, mit der Senkung der Dienstgeberbeiträge für den FLAF, ist das viel zu wenig. Da-


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 45

für bräuchte es eben eine tiefgreifende Änderung des Steuersystems, von der Arbeit weg hin zu Ressourcenbesteuerung, hin zu Vermögensbesteuerung. Das haben wir x-mal vorgerechnet oder versucht, in Modellen einzubringen, und es wird auch von Ex­perten bestätigt. Aber auf der anderen Seite wird mit diesem Tropfen auf den heißen Stein, den diese Lohnnebenkostensenkung darstellt, der FLAF doch sehr geschwächt und ausgeräumt, ohne dass es dafür eine entsprechende Gegenfinanzierung gibt.

Was macht der FLAF? – Aus dem FLAF kommen Leistungen, die eigentlich im Sozial­bereich angesiedelt sind, kommt über Schülerfreifahrten eine Querfinanzierung des öf­fentlichen Verkehrs in vielen Bereichen, kommt die Schulbücherfinanzierung, also et­was, was in den Bildungsbereich gehört. Das heißt, es wurde in guter und ehrenwerter Absicht ein Topf geschaffen, der sich einerseits nicht nur aus einer einzigen Quelle speist, sondern aus dem heraus andererseits auch verschiedenste Leistungen bezahlt werden.

Obwohl es im Gesamten gesehen eigentlich ein verhältnismäßig kleiner Bereich ist, kommt es hier zu einer Vielzahl von Transfers, die alle verwaltet werden müssen, die alle kon­trolliert werden müssen. Sehr viele ähnliche Konstruktionen gibt es im Gesundheits­bereich, im Bildungsbereich; bei der Kinderbetreuung wird so etwas gerade auf- und ausgebaut. Ich glaube gelesen zu haben, dass es über 50 000 solcher Transferzahlun­gen gibt. Familieneinkommen bestehen mittlerweile bis zu einem Drittel aus solchen Transfers und, wenn wir uns an die Daten aus dem Grünen Bericht vom letzten Mal er­innern, bäuerliche Einkommen bis zu 70 Prozent.

Wenn man darin nicht ein dringend notwendiges Beschäftigungsprogramm sieht, son­dern, so wie ich, die Notwendigkeit sieht, das System steuerbar, transparenter und da­mit letztendlich gerechter zu machen, dann braucht es hier Reformen. Es werden zag­hafte, nur sehr zaghafte Schritte in diese Richtung gemacht. Ich bin der Überzeugung, dass das wesentlich besser ginge und dass gerade der Bundesrat als Schnittstelle zwi­schen Bund und Ländern hier eine sehr viel aktivere Rolle spielen müsste und auch könnte, nicht zuletzt auch im Rahmen eines neuen Finanzausgleichs.

Teilen von TOP 1 würden wir gerne zustimmen, wie zum Beispiel dem Freiwilligenge­setz – Kollegen von mir werden darauf noch näher eingehen –, bei anderen fehlt die Gegenfinanzierung oder auch schlicht die Information, sodass wir insgesamt diesen Be­stimmungen nicht zustimmen können.

Zu TOP 3: Da gab es ja im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes noch Abänderungen, sodass die Information des Parlaments nun in zeitgerechter und ausreichender Weise si­chergestellt worden ist. Dieser Punkt findet unsere Zustimmung.

Und zu TOP 4 wird meine Kollegin Schreyer noch genauer Stellung nehmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

11.09


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Lindinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.09.43

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich)|: Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte mich als Ausschussvorsitzender, als Obmann des Finanzausschusses gleich einmal bei jenen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern und Auskunftspersonen bedanken, die anwesend waren. Es hätten ja, wenn man alle Gesetze betrachtet, 17 Personen anwesend sein sollen, aber ich glaube, dass 17 Personen schon eine hohe Anzahl sind, wo man hinterfragen muss, ob die Anwe­senheit von allen auch wirklich notwendig ist. Der Nationalrat, der Budgetausschuss hat zu diesem Gesetz, zum Budgetbegleitgesetz, aber eine Lösung gefunden, nämlich


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dass der Leiter des Budgetdienstes des Parlaments als Auskunftsperson zur Verfü­gung gestanden ist, und vielleicht kann das auch bei uns in Zukunft so sein. Ich werde diesbezüglich fragen und darum bitten, dies möglich zu machen, denn es ist wirklich nicht gut, wenn wir Bundesrätinnen und Bundesräte im Ausschuss keine Auskunftsper­sonen zur Verfügung haben und uns dann in die Materie in so kurzer Zeit einlesen müssen. Das ist sehr, sehr schwierig, und es ist auch kaum möglich, Details zu hin­terfragen. Danke auch an jene, die dafür Verständnis gehabt haben, denn es war nicht einfach bei dieser Ausschusssitzung.

Geschätzte Damen und Herren! In vier Wochen ist Neujahr, in vier Wochen ist der Jahreswechsel, und das neue Jahr wird mit vielen Raketen eingeschossen werden, wofür wahrscheinlich wieder viel Geld aufgewendet werden wird – aber es wird ein besseres Jahr für die Geldbörseln und für die Konten der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen: Die Steuerreform tritt in Kraft! Die Steuerreform kommt 6,4 Mil­lionen Menschen zugute und bringt eine Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler im Umfang von 5 Milliarden €.

Geschätzte Damen und Herren, das ist ein großer Schritt. Es ist die größte Steuer­reform der Nachkriegsgeschichte, die jemals eine Bundesregierung durchgeführt hat. 91 Prozent der Kleinstverdiener bekommen jedes Jahr mehr Geld und zahlen in Zu­kunft weniger Steuern. Und jene, die keine Steuern zahlen, bekommen – und das ist das Kuriose an dieser Steuerreform – eine Negativsteuer, und diese macht zirka 290 € mehr im Jahr aus. Das sind immerhin noch 2,5 Millionen Menschen, geschätzte Damen und Herren! Das sind jene Menschen, die bis 11 000 € Jahreseinkommen haben – und gerade sie sind es, die dieses Geld am dringendsten benötigen.

Aber auch jene, die über 11 000 € Jahresverdienst haben, werden durch die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent eine Steigerung ihres Nettoeinkom­mens verzeichnen, und die Familien werden durch die Verdoppelung des Kinderfreibe­trages auf 440 € entlastet.

Geschätzte Damen und Herren! Sie sehen, es gibt keinen Grund, schwarzzumalen und die Dinge so zu sehen, wie Frau Kollegin Mühlwerth sie sieht. Wir tun etwas für die Fa­milien, wir tun etwas für die Kleinstverdienerinnen und Kleinstverdiener, für Pensionis­tinnen und Pensionisten, Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer und auch für die Selb­ständigen. Es gibt sehr viele Selbständige, die in diese Grenzen hineinfallen. Wir wis­sen gar nicht, wie viele Ein-Personen-Unternehmen es gibt, deren Einkommen sich in­nerhalb dieser Grenzen bewegt und die nun mehr verdienen werden. Gerade sie ver­dienen es sich, dass sie auch im Rahmen dieser Steuerreform berücksichtigt werden, damit ihre Kaufkraft gestärkt wird und ihr Auskommen gesichert ist. Dadurch wird für viele Menschen 2016 ein gutes Jahr, und der Start ins neue Jahr 2016 ist für sie ein guter. Es soll nicht unbedingt mit Raketen eingeläutet werden, man kann es auch ein bisschen ruhiger machen, das ist auch angebrachter, weil 2016 im Zusammenhang mit der Umsetzung vieler Maßnahmen, die die Bundesregierung vorhat, auch ein schwieri­ges Jahr werden wird.

Aber wir behandeln ja heute das Budgetbegleitgesetz, und ich bin eingangs schon da­rauf eingegangen, dass dieses 17 Gesetze betrifft, die damit geändert werden. Ich weiß, dass das Bundeshaushaltsgesetz dazu ebenso zählt wie das Bundeshaftungsober­grenzengesetz, mit dem der Haftungsrahmen für außerbudgetäre Rechtsträger ange­passt wird. Das Unternehmensserviceportalgesetz regelt ein zentrales E-Government-, Internetserviceportal für Unternehmen und deren Transaktionen, wo sie sich auch 24 Stunden am Tag Informationen holen können. Mit dem Wettbewerbsgesetz wird es der Bundeswettbewerbsbehörde ermöglicht, Abteilungen einzurichten. Geändert wird auch eine Reihe von Sozialversicherungsgesetzen. Im Freiwilligengesetz erfolgt eine Ergänzung um die Möglichkeit, ein Freiwilliges Integrationsjahr zu absolvieren. Und mit


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dem Katastrophenfondsgesetz wird die Vorsorge für den Fall von Tierseuchen und deren Bekämpfung ermöglicht und finanziert; bis 2021 sind dafür bis zu 20 Millionen € notwendig. Im Suchtmittelgesetz werden Anpassungen an EU-Rechtsakte vorgenom­men. Und die Novelle zum Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz soll die Fi­nanzierung der Aufgaben der Agentur regeln, insbesondere die Überwachung des Arz­neimittelmarktes.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir hier auch das Arbeitslosenversicherungsge­setz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz regeln, dann ist das auch ein we­sentlicher Faktor und etwas, bei dem ich mir über manche Dinge Gedanken mache, auf die auch Frau Kollegin Mühlwerth schon eingegangen ist. Kollege Edgar Mayer war schon sehr erbost über die Aussagen im Zusammenhang mit Zielpunkt und, im An­schluss daran, vielleicht auch Schirnhofer, denn man könnte da schon den einen oder anderen Verdacht haben, dass das gesteuert ist. Wenn man sieht, dass ein paar Tage darauf schon die Immobilien gekauft werden, dann ist das wirklich bedenklich.

Wir machen uns um die Zukunft der 2 700 Zielpunkt-Mitarbeiter Sorgen. Diesbezüglich ist auch schon vorgesorgt worden. Es hat sich der Sozialminister eingebracht und schon geregelt, dass die Lehrlinge in anderen Bereichen weiterbeschäftigt werden. Es hat sich der Vizekanzler schon zu Wort gemeldet und hat auch, so wie der Sozialminister, die Sicherheit der Lehrlinge garantiert. Die Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer können an den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds herantreten und über diesen Finanzierungsmöglichkeiten suchen, und auch die Banken helfen mit. Und es ist auch schon die Meldung da, dass zu Weihnachten das Geld für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesichert ist.

Aber wir wissen noch nicht, wenn in der Folge auch Schirnhofer den Konkurs angemel­det hat, wer infolge des Konkurses von Schirnhofer noch Nachteile haben wird. Gibt es vielleicht auch betroffene Landwirte, die an Schirnhofer geliefert haben? Und, und, und. Hier machen uns also auch die Zulieferer im Lebensmittelbereich Sorgen. Es trifft ins­besondere viele Teilbeschäftigte, viele Lehrlinge, Alleinerzieherinnen und Alleinerzie­her. Das sind jene Menschen, die wir 2016 in der Steuerreform bevorzugen, und wir ma­chen uns wirklich Sorgen.

Die FPÖ gibt immer wieder bei allen Bereichen der Regierung die Schuld, erwähnt aber nie, wie viele Arbeitsplätze sie in Kärnten zuletzt mit der Hypo Alpe-Adria ver­nichtet hat und wie viele jetzt noch vernichtet werden müssen durch die HETA-Um­setzung, durch die Auflösung von verschiedenen Bereichen. Die FPÖ tut so, wie wenn das nie geschehen wäre – die Hypo hat es nie gegeben. (Zwischenruf des Bundesra­tes Dörfler.) Aber dort sind viele Arbeitsplätze vernichtet worden!

Schade, dass Frau Kollegin Mühlwerth jetzt nicht im Saal ist, aber dass hier immer das Thema Flüchtlinge erwähnt wird, das ist schon zuwider. Man soll beim Thema bleiben und nicht immer auf das Thema Flüchtlinge zu sprechen kommen. Mit allen Tagesord­nungspunkten, mit allen Gesetzesänderungen verbindet man immer das Thema Flücht­linge. Geschätzte Damen und Herren, als Kommunalpolitiker weiß ich auch Bescheid. Ich habe einmal einen freiheitlichen Kollegen im Gemeinderat ersucht, die Verantwor­tung für das Thema Integration zu übernehmen, denn man kann nicht immer nur reden, sondern man soll auch handeln. Er hat das abgelehnt. Man setzt sich lieber, wie in der „Muppets Show“, in die erste Reihe, macht „quak, quak, quak“, und wenn etwas schief­geht, dann gibt es immer Kritik. (Bundesrat Jenewein: Es geht eh nichts schief! Es ist eh alles super!) Nein, nein, nein! (Bundesrat Jenewein: Das hören wir seit 20 Jahren, dass alles klass ist!) Es können ja Fehler in der Abwicklung bei den NGOs passieren. Bei so vielen NGOs, die da mitwirken, bei so vielen Freiwilligen, die da mitwirken, kön­nen auch Fehler passieren. Es wird ja nicht abgestritten, dass Fehler passieren kön­nen, aber dann soll man auch mithelfen und nicht mitquaken.


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Geschätzte Damen und Herren! Die Bundesertragsanteile sind ein wesentlicher Faktor für das Wohlergehen der Gemeinden. Darüber hinaus gibt es in Zukunft auch die Fi­nanzausgleichsverhandlungen.

Geschätzter Herr Bundesminister, du weißt, wenn es den Gemeinden gut geht, dann geht es den Regionen gut. Wenn es den Gemeinden gut geht, dann wird in die Infra­struktur investiert, dann wird in die Wirtschaft investiert, und zwar in die regionale Wirtschaft. Ich hoffe doch, dass wir bei den bevorstehenden Finanzausgleichsverhand­lungen gut aussteigen, denn das ist für die Regionen und für jedes Bundesland sehr wichtig. Darum ersuche ich, denn dann haben wir es in Zukunft bei den Budgetver­handlungen wesentlich leichter. Wir brauchen uns keine Sorgen um die Zukunft des Landes und die Zukunft der Bundesländer zu machen, wenn es den Gemeinden gut geht.

Wir Sozialdemokraten werden diesem Budgetbegleitgesetz die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.21


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort er­teile, möchte ich die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaftsjugend aus der Stei­ermark recht herzlich bei uns im Saal begrüßen, unter ihnen befinden sich auch Ju­gendvertrauensrätinnen und Jugendvertrauensräte. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich nun Bundesrat Längle zu Wort gemel­det. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten soll, und sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichti­genden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschrän­ken. – Bitte.

 


11.22.02

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich darf gemäß § 48 der Geschäftsord­nung eine tatsächliche Berichtigung vorbringen, und zwar berichtige ich die Ausführun­gen des Herrn Kollegen Mayer.

Vorhin wurde die haltlose Behauptung aufgestellt, dass wir Freiheitliche den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Schmittner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung der Strucker-Kaserne erwähnt haben beziehungsweise diesen in Verhandlung gestellt ha­ben. – Das möchte ich jetzt hier eben berichtigen.

Das haben wir Freiheitliche selbstverständlich nicht getan! (Bundesrat Mayer: Ja wa­rum liegt er dann bei mir da?) – Das weiß ich nicht! (Bundesrat Mayer: Den habe ich von euch bekommen!) Das weiß ich nicht, woher Sie den Antrag haben. (Bundesrat Schennach: Das ist eine kuriose Situation!)

Ich darf hier festhalten, dass ich vor Eingang in die Tagesordnung gemäß § 45 Abs. 3 und gemäß § 49 Abs. 3 die Anträge 205/A(E) und 216/A(E) ordnungsgemäß einge­bracht habe. Ich darf diese beiden Anträge auch noch kurz zitieren.

Der Antrag 205/A(E) vom 9. Oktober 2014 stammt von den Bundesräten Michalke, Je­newein und Brückl, Kolleginnen und Kollegen und hat folgenden Betreff: Erhalt der Mili­tärmusik in jedem Bundesland.

Und der zweite von mir erwähnte Antrag ist der Antrag 216/A(E) der Bundesräte Chris­toph Längle, Magnus Brunner, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er­halt der Kompanien bei den Bataillonen.


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 49

Und, wie gesagt, dieser Antrag des Herrn Kollegen Schmittner – dieser Antrag liegt üb­rigens auch schon ein Jahr auf Halde – wurde von uns nicht erwähnt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Kurios!)

11.23


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Zelina zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.23.58

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Danke, Frau Präsi­dentin, für die Erteilung des Wortes! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Mitglie­der des Bundesrates! Der Herr Finanzminister legt uns für das Jahr 2016 ein Öster­reich-Budget mit 8 Milliarden Verlust vor. Was, glauben Sie, würde mit einem Finanz­chef eines Konzerns passieren, wenn er seinen Aktionären ein 8-Milliarden-Minus-Er­gebnis präsentieren würde? (Bundesrat Todt: Aber ein Budget ist kein Ergebnis, ein Budget ist ein Budget, Kollege! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundes­rat Schennach: Das war ja bei Stronach auch immer falsch! Diese ganze Stronach­politik scheint sich fortzusetzen!)

Die Regierung ist das Managementteam eines Staates, die Bürger sind seine Aktionä­re, und das Parlament mit seinen Abgeordneten ist der Aufsichtsrat. Aufgabe der Re­gierung ist es, für die Bürger des Staates Werte und Wohlstand zu schaffen, Aufgabe der Regierung ist es, seine Bürger reich zu machen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bun­desrat Schennach: Deshalb wollen Sie alles privatisieren!)

Ein Staat muss genauso effizient wie ein Unternehmen geführt werden und Werte und Gewinne erzielen. (Bundesrat Schennach: Nein, der Staat ist eben kein Unterneh­men!) Ein Staat soll in konjunkturell guten Zeiten Gewinne erwirtschaften und beiseite legen, damit er in konjunkturell schlechten Zeiten (Bundesrat Todt: So wie jetzt!) ge­nug finanzielle Reserven und genug Investitionsspielraum hat, um antizyklisch gegen­steuern zu können und konjunkturausgleichend wirken zu können.

Jeder Staat steht international im Standortwettbewerb mit anderen Staaten. Steuerlich attraktive Staaten ziehen Investoren an und schaffen Arbeitsplätze für ihre Bürger. Staa­ten mit unattraktiven steuerlichen und bürokratischen Rahmenbedingungen vertreiben Investoren und vernichten Arbeitsplätze. (Bundesrat Schennach: Und die Schweiz mit der Vermögenssteuer?!)

Eine Regierung, die auf Kosten der Bevölkerung Verluste produziert, schafft keine Wer­te, sondern vernichtet Werte. Unsere Regierung macht nicht unsere Bürger und damit ihre Aktionäre reich, unsere Regierung macht sich selber reich. (Heiterkeit des Bundes­rates Schennach. – Bundesrat Schennach: Wer hat das geschrieben?)

Das erste Team-Stronach-Gebot der Staatsführung lautet: Du sollst den Bürgern die­nen und nicht am Bürger verdienen. (Bundesrat Schennach: Ja, aber Stronach hat ganz gut am Staat verdient!)

Die Selbstverwaltung in den Ländern, Kammern und Bünden ist zur Selbstbedienung verkommen – siehe Luxuspensionen und Privilegien, die nicht und nicht beseitigt wer­den. Unser Land ist von Freunderlwirtschaft und Vetternwirtschaft geprägt. Von der Freun­derlwirtschaft und Intransparenz zur Korruption ist es nicht weit.

Unsere Regierung bereichert ihre Machtinstitutionen und aufgeblähten Verwaltungsap­parate anstatt ihre Bürger und auf Kosten ihrer Bürger. Einflussreiche reiche Lobbys werden noch reicher und unsere Bürger immer ärmer und immer häufiger arbeitslos. (Bundesrat Preineder: Von welchem Land sprechen Sie? – Bundesrat Schennach: Genau, die Vermögenden werden reicher!)


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 50

Unsere Gesamtverschuldung wird nicht abgebaut, sondern weiter aufgebaut. Wir be­wegen uns in Richtung 90 Prozent Staatsverschuldung gemessen am Bruttoinlands­produkt. Jedes Kind kommt mit 35 000 € Schulden auf die Welt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis auch in Österreich – wie in Griechenland – die Troika zur Staatssa­nierung einrücken wird (Bundesrätin Kurz: So ein Blödsinn!), weil unsere Regierung un­fähig und nicht willens ist, selbst zukunftsnotwendige Reformen umzusetzen.

Wir haben ein gewaltiges Budgetdefizit, und dieses lässt sich nur durch Reformen auf der Ausgabenseite des Staates schließen. Das Einschlagen eines harten Sanierungs­kurses und ein Zurückfahren unnotwendiger Staatsausgaben sind unabdingbar und nicht aufschiebbar.

Unser Staatshaushalt hat einen Staatsausgabenkonsolidierungsbedarf von 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, von 12 Milliarden € pro Jahr, um nachhaltig ausgeglichen zu sein. Wir müssen unseren fetten Verwaltungsapparat abspecken, Förderungen an Nichtbedürftige stoppen, Privilegien und Steuerausnahmen reduzieren, das Pensions­antrittsalter an die steigende Lebenserwartung koppeln, das Gesundheits- und Sozial­versicherungssystem vereinheitlichen und der Selbstbedienungsmentalität unserer Selbst­verwaltungskörperschaften ein Ende setzen.

Grundsätzlich ist es nicht schwierig, überall, in allen Bereichen 5 bis 10 Prozent an Kos­ten einzusparen. (Bundesrat Schennach: Aha?!) Man muss es nur wollen! Bei Unter­nehmenssanierungen geschieht das laufend, bei Staatssanierungen nur dann, wenn der Druck von außen zu groß wird, wenn durch Wahlen – Abwahl durch die Wähler – eine Entscheidung fällt oder wenn durch Kreditgewährungsstopp durch die Finanzmärkte der Druck von außen zu gewaltig wird.

Statt bei sich selbst zu sparen und unnotwendige Ausgaben zu reduzieren, geht un­sere Regierung jedoch immer den einfachsten Weg, nämlich jenen konstanter Steuer­erhöhungen, und belastet unsere Bürger und Unternehmer in leistungsfeindlicher Art im­mer mehr. (Bundesminister Ostermayer: Wir haben gerade eine Steuerreform ge­macht mit einer Steuersenkung von 5 Milliarden! – Bundesrat Schennach: Bei Ziel­punkt gerade, wo … dabei der Staat?)

Unsere Steuer- und Abgabenquote ist im internationalen Vergleich gewaltig hoch und sogar 5 Prozent höher als in Deutschland. (Bundesrat Schennach: Sagen Sie doch et­was zu Zielpunkt! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ja, gleich. – Wir haben unter allen In­dustrieländern weltweit die drittgrößte Abgabenbelastung auf Einkommen. Wir sind auf­grund unseres Rekordschuldenberges ein Hochsteuerland. Jede zusätzliche Steuerer­höhung schadet dem Standort Österreich, lässt weitere Firmen aus Österreich abwan­dern und erhöht unsere Arbeitslosenquote.

Das Ergebnis dieser Hochsteuerpolitik sehen wir in Österreich bereits jetzt: Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg – 500 000 Menschen sind ar­beitslos, Tendenz steigend –, und auch die Pleiten von Zielpunkt, bauMax, Niedermeyer et cetera sind das Ergebnis der verfehlten Wirtschaftspolitik unserer Regierung. (Bun­desrat Schennach: Lauter Private! – Bundesrätin Grimling – in Richtung Bundesrat Schennach –: Jetzt hast du deinen Zielpunkt! – Bundesrat Schennach: Das ist aben­teuerlich!)

In den internationalen Wettbewerbsrankings fällt Österreich kontinuierlich Jahr für Jahr zurück. Wenn ein Unternehmen fünf Leute in der Produktion anstellt und aufgrund von Auflagen zusätzliche fünf Leute in der Verwaltungsadministration beschäftigen muss, dann kann es in der Preiskalkulation aufgrund der zu hohen Verwaltungskosten nicht wettbewerbsfähig werden.

Der Staat Österreich ist verwaltungsmäßig aufgebläht. (Bundesrat Schennach: Zu vie­le Lehrer, zu viele Polizisten, zu viel Krankenhauspersonal!) Die Folgen sind zu hohe


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 51

Steuern und laufender Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen in der Verwal­tung schlanker werden! (Bundesrätin Grimling: In der Verwaltung müssen wir schlan­ker werden, so ist es!) Wir haben in Österreich zu viele Menschen, die uns verwalten und kontrollieren, und zu wenige Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen. (Bundesrä­tin Mühlwerth: Genau!)

Wir müssen unser aufgeblähtes Staatsverwaltungssystem auf die wichtigsten Staats­kernaufgaben zurückverschlanken, statt bei unseren Bürgern und Unternehmen zu­sätzliches Geld durch Steuererhöhungen einzutreiben. Österreich hat ein Verwaltungs­kostenausgabenproblem. Wollen wir Österreich wieder wettbewerbsfähig und den Stand­ort Österreich für Investoren attraktiv machen, brauchen wir eine kräftige Senkung der Verwaltungskosten des Staates.

Wenn wir all diese Reformen umsetzen würden, dann hätten wir statt eines 8-Milliar­den-Minus-Budgets ein 20-Milliarden-Plus-Budget, und dieses frei werdende Geld ge­hört dann sofort in Zukunftsinvestitionen bei Bildung, Forschung, Technologien, Inno­vationen und Infrastruktur investiert. (Bundesrat Schennach: Das brauchen wir, weil der Staat funktioniert dann nicht mehr! Der Staat ist dann irgendwo!)

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Budgetrisiken eingehen: Von Budgetwahr­heit kann keine Rede sein, viele Risiken sind im vorliegenden Budget nicht berücksich­tigt.

Die Höhe der geplanten Einnahmen aus der Registrierkassenpflicht sind genauso an­zuzweifeln wie Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer, die mit hoher Wahr­scheinlichkeit nicht realisiert werden kann. Die Einnahmen aus den Bankenabgaben werden sich auf Dauer nicht in dieser Höhe aufrechterhalten lassen.

Risiken aus steigenden Zinssätzen sind im Budget ebenfalls nicht berücksichtigt. Jeder Zinsanstieg um 1 Prozent kostet uns 3 Milliarden € an zusätzlichem Zinsaufwand. Wir ha­ben historisch gesehen das niedrigste Zinsniveau, das Zinserhöhungsrisiko ist also enorm.

Auch Risiken für weitere Bankenrettungen durch Probleme in der Ukraine, in Russland und Osteuropa wurden im Budget nicht berücksichtigt. Der Raiffeisen-Sektor kämpft mit gewaltigen Problemkrediten in Russland. (Bundesrat Schennach: Aber 2 Milliarden Gewinn aus der Ukraine!) Österreichische Banken haben ein extrem hohes Osteuropa-Exposure. (Bundesrat Schennach: Gewaltiges Finanzierungsproblem, aber 2 Milliarden Gewinn!)

Das Risiko, dass weitere Finanzspritzen für strudelnde Eurostaaten und ESM-Haftun­gen schlagend werden, ist auch nicht berücksichtigt. Und das Risiko eines erneuten Kon­junktureinbruches, einer Rezession samt geringeren Steuereinnahmen, höheren Arbeits­losenzahlen und Sozialkosten ist auch nirgendwo berücksichtigt.

Die tatsächlichen Kosten aufgrund der unverantwortlichen Zulassung von Flüchtlings­masseneinwanderungen ohne Obergrenzen sind ebenfalls ein unkalkulierbares Risiko, das in seiner ganzen Tragweite nicht im Budget berücksichtigt wurde.

Zusammenfassend kann ich nur raten, die notwendigen Reformen durchzuführen, die Schulden zurückzufahren und möglichst bald wieder Finanzstabilität herzustellen. – Vie­len Dank. (Bundesrat Schennach: Und die Ministerien zuzusperren, haben Sie verges­sen!)

11.34


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Pum zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.35.14

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Nicht zu-


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 52

letzt: Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf den Besucherbänken! Ich darf den Schwerpunkt dieser Rede betreffend das Budgetbegleitgesetz vor allem dem The­ma Familie widmen und sehr klar festhalten, dass die Familienpolitik großes Gewicht im Budget hat.

Lassen Sie mich im Anschluss an die Rede des Vertreters des Teams Stronach, des Herrn Bundesrates Zelina, Folgendes sagen: Es ist wahrscheinlich nicht einfach, hier diese Positionen, diese Wirtschaftspositionen, seines Chefs zu vertreten, der selbst ein großes Chaos in Niederösterreich hinterlassen hat. Wenn ich nur an die Pleiten und Pannen denke, an die Pläne, die dort wirtschaftspolitisch angezettelt und nicht umge­setzt wurden, dann, denke ich, ist es wahrscheinlich schon ein Widerspruch in sich, von staatspolitischer Wirtschaftsentwicklung zu reden und dem Staat Empfehlungen zu geben, wie Wirtschaftspolitik auszusehen hat – oftmals selbstredend. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich möchte aber mehr die Zukunftspolitik betreffend Familien – unsere Familien – klar ansprechen und dabei in den Mittelpunkt stellen, dass Familienpolitik Sicherheit für den Standort Österreich darstellt. Die Familien sind der Kern und vor allem der Grundstein unserer geordneten Gesellschaft.

Vielleicht sollten wir uns nicht scheuen, im Familienbereich öfter mehr Mittel zur Verfü­gung zu stellen und ein wenig über den Tellerrand zu schauen, wenn es darum geht, vor allem Leistungen finanzieller Natur für die Familien noch stärker anzubieten.

Es ist notwendig, dass wir immer wieder aufzeigen, dass die Leistungen schon jetzt stär­ker denn je erhöht wurden – das in Antwort auch auf die Diskussion der Freiheitlichen, auch auf Frau Kollegin Mühlwerth, die diesbezüglich ein anderes Bild gezeichnet hat. Die Leistungen für Familien wurden gestärkt! Ich darf das auch sehr klar in Zahlen dar­legen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Über 8 Milliarden € werden allein für Familien durch steuerliche Maßnahmen, Transfer­leistungen und Sachleistungen ausgegeben. Hier ein Vergleich: Im Jahr 2016 werden wir 20,1 Milliarden € für Pensionsleistungen ausgeben, die oftmals nicht in dieser Art und Weise diskutiert werden (Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Blödsinn!), bei denen aber der Trend sehr klar Jahr für Jahr nach oben zeigt. Diese werden hier oftmals nur unter dem Mantel der Notwendigkeit diskutiert.

Es muss sichergestellt werden, dass Familien mit Kindern in unserer Gesellschaft nicht schlechtergestellt werden. Es soll zu Anreizen kommen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Ich weiß, dass das oftmals zu Diskussionen führt, aber ich möch­te hier auch ausführen, dass die Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2016 um 1,9 Prozent er­höht wird und ab 1. Jänner 2018 nochmals um 1,9 Prozent angehoben wird – Geld, das in direkter Form zum Tragen kommt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Außerdem wird zur Finanzierung des Kinderbetreuungsgeldes zusätzlich eine Summe von 24 Millionen € zur Verfügung gestellt.

Ein angestrebtes Ziel ist die Steigerung der Geburtenrate, nicht zuletzt auch deswe­gen, um mit dieser Steigerung eine Sicherung unseres Staates zu bewirken. (Bundes­rat Schennach: Und wie steigern Sie die?)

Wir dürfen eines nicht vergessen: Seit 1980 ist die Lebenserwartung der Bürgerinnen und Bürger in Österreich um acht Jahre gestiegen. Oder anders gesagt: Jeder Neuge­borene, jedes neu geborene Kind hat heute eine Lebenserwartung von 100 Jahren und damit natürlich Anspruch auf Gesundheitsleistungen, soziale und wirtschaftliche Leis­tungen und auf einen Lebensstandard, der nicht schlechter sein soll als der, den wir heu­te genießen dürfen. – Und eines sei am Rande bemerkt: Wir haben einen sehr hohen Lebensstandard, den wir genießen dürfen.


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 53

Weiters sei angemerkt, dass der Fortbestand einer Gesellschaft, unserer Gesellschaft, auf sehr einfachen Naturgesetzen beruht. Bei all den Diskussionen, die wir führen, bei all den bunten Formen der gesellschaftlichen Daseinsberechtigung ist es letztendlich im­mer wieder eine sehr nüchterne, zukünftige, evolutionäre Betrachtung und Entwicklung, die wir feststellen dürfen und können.

Eines sei sehr klar gesagt: Es ist notwendig, Frauen, die auch immer wieder in einer Doppelrolle stehen und in vielen Facetten ein Bindeglied darstellen, sei es in Fragen der Kinderbetreuung, sei es in Fragen der derzeitigen sozialen Zusammenhalte, die im familiären Zusammenleben immer wieder zum Tragen kommen, Unterstützung zu ge­ben. Ich denke an die moderne Entwicklung der Scheidungen, der Patchwork-Familien, an Fragen, die sich vor allem Alleinerziehenden in unserer Gesellschaft stellen. Hier muss es zu klaren Entlastungen kommen und hier muss es eine Anrechnung vor allem für Frauen geben, sei es bei der Erziehung von Kindern, sei es bei anderen Formen der gesellschaftlichen Leistungen, die von ihnen getragen werden.

Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen wird gut angenommen. Wir sehen, dass über 105 Millionen € in den nächsten Jahren investiert werden. Dieses Geld wird vor al­lem über Gemeindeinvestitionsprogramme gut umgesetzt und über Gemeinden propa­giert und damit vor Ort, dort, wo die Notwendigkeit besteht, auch sehr, sehr gut an­genommen. Wir wissen, beste Betreuung unserer Kleinen und Kleinsten ist Grundstein dieses Entwicklungsbildes, dass vor allem Gleichberechtigung umgesetzt wird und dass Frauen in Beruf und Familie bestehen können.

Für steuerpflichtige Eltern gibt es zukünftig eine Erhöhung, wenn beide den Freibetrag geltend machen – derzeit sind es 132 €, in Zukunft können bis zu 300 € je Elternteil rück­vergütet werden. Diese Entwicklungen werden der Familienpolitik Rechnung tragen, und vor allem steuerliche Entlastungen der Unterhaltskosten für Familien werden zu­sätzlich das Ihre dazu beitragen.

Die Steuertarifreform, wie sie schon oftmals hier diskutiert wurde, ist ein weiterer Mei­lenstein für Familien, da durch die Senkung des Eingangssteuersatzes Entlastungen im unteren Einkommensbereich erfolgen und somit wiederum Geld für Familien lukrie­ren lassen. 1,6 Milliarden € werden in diesem Bereich prognostiziert. Ich glaube, das ist eine beachtliche Summe, und würde man es auf Familien umlegen, bedeutet das im­merhin pro Jahr eine Entlastung von 1 500 bis 1 600 € pro Haushalt, pro Familie. Das sind schon Summen, die mit Sicherheit beim Standard in der Region spürbar werden.

Das ist auch das Stichwort, dass wir bei aller Forderung nach mehr Geld für Familien nicht vergessen dürfen: Das ist Geld, das wieder in den Regionen investiert wird, und Geld, das für die Region Wertschöpfung und Arbeitsplätze bringt.

Abschließend sei gesagt, jeder in Familienpolitik investierte Euro ist ein bleibender Euro in der Wertschöpfungskette und damit ein Euro, der für Unternehmen, für die Regionen etwas bringt. Die größte Form der Unterstützung von Familien ist dahin gehend fest­stellbar, dass das den besten präventiven Jugendschutz für die Zukunft darstellt. Ich glaube, das ist die beste Entwicklung, die vor uns liegt: Jugend, die einen gesunden, einen guten Rahmen vorfindet. – In diesem Sinne können wir diesem Begleitgesetz nur zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.44


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Pisec. – Bitte schön.

 


11.44.41

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man den Reden von ÖVP und SPÖ zuhört, müsste man glauben, wir sind alle stinkreich, uns geht es bestens und wir müssen alle nichts


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 54

mehr arbeiten, weil der Wohlstand so groß ist. Dass es offensichtlich nicht so ist, zeigt sich am täglich persönlich verfügbaren Einkommen, das jeder Bürger, jede Bürgerin dieses Landes hat, das sie ausgeben können und mit dem sie sich Nahrungsmittel leis­ten können.

Da gerade Zielpunkt so oft genannt worden ist: Das ist doch ein gutes Beispiel dafür, wie diese Machtkonzentration vonstattengegangen ist und wie hoch die Preise in Ös­terreich geworden sind, einerseits durch die Kartellbildungen, durch die Oligopolbildun­gen, andererseits durch die riesige Belastungswelle, die wir in Österreich alle zu erlei­den haben. Ich spreche da alle Bürger an, das gesamte Spektrum der arbeitenden und leistenden Bevölkerung. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Wieso? Woran erkennt man das? – Bei theoretischen Kennziffern, lieber Edgar Mayer, ist es manchmal interessant zuzuhören. Wenn ich Prognosen vom WIFO höre, halte ich mir sowieso schon die Ohren zu, denn die stimmen nie, das sage ich ganz ehrlich. Es gibt jede Menge andere Wirtschaftsforschungsinstitute, denen man einmal einen Auftrag erteilen könnte, aber nicht immer diesem WIFO, von dem man genau das bekommt, was man hören möchte, und dazu noch gegen bezahltes Geld. Nein danke, das hat mit Wissenschaft einfach nichts zu tun. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich habe dir etwas mitgebracht, speziell für dich: Viel besser ist zum Beispiel aus der Praxis die Schweizerische UBS – du kommst ja aus dem Ländle und hast sicher einen Nahebezug zu deiner schönen Schweiz, unserer schönen Schweiz. (Weiterer Zwischen­ruf des Bundesrates Mayer.) Hier sieht man den Kaufkraftvergleich, und zum Beispiel – höre zu, ich lese dir vor! –: Für ein Kilo Brot muss ich in Wien 10 Minuten arbeiten, in Zürich 5 Minuten, in Rom 10 Minuten – wir haben also italienische Verhältnisse –, in Jo­hannesburg auch 10 Minuten, in London 6 Minuten und in Dublin auch nur 6 Minuten.

Dann frage ich mich, wieso bei uns alles so gut und so toll sein soll, wenn unsere ös­terreichischen Bürger und Bürgerinnen so lange arbeiten müssen, um sich ein Kilo Brot leisten zu können. Das ist die Krux bei der Sache: Die Belastungen sind so hoch. Wir sind die Melkkuh eines Staates, der auseinandergeht, auseinanderfällt.

Und es gibt einen zweiten interessanten Indikator, das ist diese berühmte Staatsquote. Der Herr Minister ist jetzt leider hinausgegangen, er hatte vor Kurzem den britischen Premierminister Cameron zu Gast und seinen Schatzkanzler. Das ist ja auch ein schö­nes Wort, „Schatzkanzler“, denn die wissen nämlich, dass man auf das Vermögen, das von der Bevölkerung kommt, aufpassen muss. Das ist also für die ein Schatz. Das ist ein interessantes Wort. Für uns sind das die Finanzen, denn das gibt man natürlich lieber aus. Das ist auch ein interessanter Unterschied zwischen britischem Denken und österreichischem Denken. Das sei nur am Rande erwähnt.

Er hat gesagt, er weiß und es ist sein festes Ziel, dass er die Staatsquote von 42 Pro­zent – das ist ohnehin schon 10 Prozentpunkte weniger, als wir in Österreich mit 52 Pro­zent haben – auf unter 35 Prozent absenken möchte, weil er den kausalen Zusammen­hang kennt.

Dieser kausale Zusammenhang, das ist vielleicht auch interessant, warum vorgestern beim Finanzausschuss keiner vom Finanzministerium anwesend war, denn sonst ha­ben sie sehr gute Experten, die ausgezeichnet sind, um dort einen Diskurs zu führen. Vorgestern war keiner da, und heute ist nicht einmal irgendein Minister von der Re­gierung da, weil die offensichtlich so ein schlechtes Gewissen haben, dass sie gar nicht hier in dieses Auditorium kommen wollen und es lieber gleich verlassen, bevor sie sich hier überhaupt eine kritische Rede anhören wollen.

Das Gewissen muss also schlecht sein, und das Gewissen ist begründet schlecht, denn wichtig ist der kausale Zusammenhang. Die Staatsschuldenquote in Österreich steigt. Maastricht ist offensichtlich wurscht, Brüsseler Gesetze brauchen wir hier in Österreich


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 55

ohnehin nicht wahrzunehmen, die Staatsschuldenquote beträgt an die 90 Prozent. (Zwi­schenrufe der Bundesräte Tiefnig und Mayer.)

Die Staatsquote – Beispiel Osborne – liegt in Österreich auch bei über 52 Prozent, bei­des Tendenz steigend.

Jetzt kommt der dritte Parameter, das ist das Wirtschaftswachstum. Dieses sinkt. Wenn die ersten Parameter parallel steigen, wird man nie ein Wirtschaftswachstum zustande bringen.

Diese drei Parameter, diese Tendenz ist das Entscheidende. Daher kann man noch so viel Rhetorik üben – ich höre allen von ÖVP und SPÖ gerne zu im Bundesrat –, noch so viele rhetorische Ausreden, Überlegungen, Interpretationen anstellen, diese Kausa­lität passt nicht. Daher ist das Hauptproblem – und deswegen glaube ich das, was das WIFO sagt, niemals –: Es wird in Österreich kein großartiges Wirtschaftswachstum mehr geben. Das ist einfach Faktum! Und das ist euer Hauptproblem. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen braucht ihr diese berühmte Verschuldung, das ist ja das Wichtigste. Wenn ich mir die Verschuldungsquote anschaue – was steht da unten: 0,5, 1,5, 2,8 Prozent; ich komme nicht drauf –, die ist bei 5,1 Milliarden; wenn ich mir das ausrechne, bin ich bei 7 Prozent. Das ist einfach der Nettofinanzierungsbedarf, das steht eh dort. Unten sind die Zahlen irgendwie anders herumjongliert worden. Die benötigt ihr dringend wie das Weihwasser. Warum? – Denn wenn ihr das nicht habt, dann habt ihr überhaupt kein Wirtschaftswachstum, dann seid ihr in der Rezession und dann springt euch die Staatsverschuldung rauf und ihr bekommt ein Mahnschreiben aus Brüssel. Das ist das Hauptproblem, mit dem wir in Österreich zu tun haben.

Das ist ein richtiger, schön zu sehender Kreislauf, ein ganz toller Kreislauf. Man muss Er­kenntnisgewinn generieren, dass man das einmal erfasst und den Bürgern auch er­zählt, warum diese Staatsverschuldung eine Notwendigkeit ist. Das ist ein Paradigma, eine Conditio sine qua non, sonst schaffen wir einfach kein Wirtschaftswachstum.

Seriöserweise, volkswirtschaftlich korrekterweise müsste man das herausrechnen, und dann wird es erst interessant, was da herauskommt. Dann lande ich wahrscheinlich bei minus 2 Prozent, minus 3 Prozent, und dann springt mir die Staatsschuldenquote viel­leicht einmal auf über 90 Prozent und dann kommt der Brief aus Brüssel: Na hoppala, bei euch stimmt etwas nicht! – Aber ihr wollt keinen Brief aus Brüssel haben. Deswe­gen lässt ihr die Staatsschuldenquote in die Höhe schießen. (Bundesrat Mayer: 85!)

Und Geld kostet nichts mehr, die Zinsen sind bei null, der Draghi subventioniert das fan­tastisch, Moral Hazard der Staatsschulden findet täglich statt. Das kann man herrlich punktuell verfolgen: Die Entwicklung dieser Wirtschaftskrise von 2007/08, die für die Unternehmer keine Krise mehr ist – wir haben alles überwunden, die Belastungen Ös­terreichs sind furchtbar hoch, okay, aber wir haben keine Krise mehr –, hat sich wei­terentwickelt zur Staatsschuldenkrise. (Bundesrat Mayer: Wie machen wir es? Sag jetzt: Wie?!)

Diese Moral-Hazard-Geschichte wurde den Banken zu Recht abgedreht. Die haben frem­des Geld verspekuliert, ausgegeben und so weiter, sind damit verantwortungslos um­gegangen. Die Entwicklung hat sich jetzt auf die Staaten verlagert. Draghi hat vor ei­nem Jahr gesagt, er finanziert alles. Das sieht man ganz toll hier, er finanziert alles. Es waren 3 Milliarden – was hat die Bundesregierung gemacht? –, hops, und springt auf 5 Milliarden. Es kostet ja nichts! Zinsen, Staatsanleihen sind sogar minusverzinst. Je­der gibt Geld, weil der Herr Draghi sagt, er kauft alle Staatsanleihen auf.

Das ist der springende Punkt, die Moral-Hazard-Bewegung von den Banken zu den Staa­ten – und das müsste man abdrehen! Wir von den Freiheitlichen fordern: keine Moral-Hazard-Politik dieser Bundesregierung, weil wir verantwortlich mit den Staatsfinanzen


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und vor allem mit den Geldern der Bürger umgehen wollen. Das ist uns ganz wichtig! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein ganz kurzer Streifzug noch nach Wien. Da wurde, glaube ich, die Kommunalpolitik von Kollegen Lindinger angesprochen. Also ich schätze deine umsichtige Führung im Ausschuss, du hast es vor zwei Tagen ganz toll gemeistert, vor leeren Publikumsplät­zen doch die Fragen irgendwie unterzubringen. Aber ich glaube, du bist aus Oberöster­reich. Ich darf dir aus Wien sagen, in Wien schaut es wirklich grauslich aus, um nicht zu sagen gruselig: Die Arbeitslosigkeit ist bei 16 Prozent, die Verschuldung hat sich in den letzten Jahren verdreifacht, und das Thema Bank Austria, wo man es geschafft hat, innerhalb von 15 Jahren drei Banken – die Z, die Länderbank und vor allem die tradi­tionsreiche, über 150 Jahre alte Creditanstalt – zu verscherbeln und letztlich den Bach runterzubringen, war eine Einmaligkeit. Damals, in den neunziger Jahren, hat man es nicht verstanden, das an die Schweizer zu verkaufen. Die hatten sich angeboten. Nein, man wollte es unbedingt der Bank Austria geben, weil diese die AVZ-Haftungen in Wien hatte.

Das ist ein Trauerspiel. Deswegen ist der Finanzmarkt – das ist aber ein anderes The­ma – in Österreich so schlecht, mehr schlecht als recht. Deswegen kommen auch kei­ne großen Konzerne zu uns, keine großen Firmen, keine großen Unternehmen, die wir aber benötigen, um die berühmte Arbeitslosigkeit runterzubringen, um Arbeitsplätze zu schaffen, die wieder Geld ins Budget bringen.

Das, was ihr hier aufstellt mit dem Budget, ist die Quadratur des Kreises, hat aber sei­ne Ursachen darin, dass ihr auf die Finanzen nicht aufpassen wollt. Da wir von der FPÖ Kontrolle als wichtig, als notwendig erachten, um dieses System transparent erschei­nen zu lassen, bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen – ich darf kurz vorlesen, es ist ein Satz –:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die den finanziellen Aufwand des Rechnungshofes so ausgleicht, dass dem Rech­­nungshof genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit der Rechnungs­hof in seinen Kernaufgaben keine Einbußen erleidet und es dem Rechnungshof mög­lich ist, alle Planstellen zu besetzen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.54


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Der von den Bundesräten Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung der notwendigen budgetären und personellen Ausstattung des Rechnungshofes ist genügend unterstützt und wird demnach mit in Verhandlung genommen.

Bevor ich dem Nächsten das Wort erteilen darf, darf ich bei uns im Bundesrat recht herzlich die stellvertretende Landeshauptfrau aus Tirol Ingrid Felipe begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Lindner. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.55.08

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Geschätzter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hau-


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se! Ich bin mit Sicherheit kürzer im Bundesrat als Kollege Pisec, aber mir ist zumindest schon aufgefallen, dass wir eigentlich nur die Kompetenz haben, hier die Budgetbegleit­gesetze zu diskutieren.

Im Rahmen dieser Gesetze möchte ich zu Beginn meiner Rede auf zwei Dinge hin­weisen:

2011 ist von der Europäischen Union das Jahr der Freiwilligen ausgerufen worden. Pa­rallel dazu hat man in Österreich mit dem Freiwilligengesetz 2012 begonnen, eine ge­setzliche Grundlage für das freiwillige Sozialjahr zu schaffen. Die aktuelle Anpassung des Freiwilligengesetzes stellt eine wichtige Grundlage dafür dar, den meiner Meinung nach gesellschaftlich so wichtigen Gedenkdienst, Friedensdienst und die Sozial- und Um­weltjahre langfristig abzusichern und dabei auch die Verwaltung der Freiwilligenarbeit zu vereinfachen.

In den letzten Jahren hat sich das freiwillige Engagement zu einer tragenden Säule des sozialen Zusammenhalts in Österreich entwickelt. Gut 46 Prozent der über 15-Jährigen in Österreich engagieren sich freiwillig, gut die Hälfte der Bevölkerung leistet also einen sinnstiftenden Beitrag zum sozialen Zusammenhalt in Österreich.

Eine Sonderform dieser Freiwilligkeit stellen die sogenannten Freiwilligendienste dar, auf der einen Seite im Inland mit dem freiwilligen Sozial- oder Umweltjahr und auf der anderen Seite auch im Ausland mit dem Gedenk- oder Friedensdienst.

Diese Freiwilligendienste ermöglichen es gerade jungen Menschen, praktische Erfah­rung, aber auch persönliche, soziale und interkulturelle Kompetenzen zu erwerben. Bis­her haben diese Freiwilligendienste auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und Fi­nanzansätzen beruht. Mit dieser gesetzlichen Änderung, die wir heute nicht beeinspru­chen, werden die Strukturen der Freiwilligendienste zusammengeführt.

Eine entscheidende Verbesserung, auf die ich besonders hinweisen möchte, ist, dass es für die Freiwilligen ab sofort möglich sein wird, Familienbeihilfe zu beziehen und so­zialrechtlich besser abgesichert zu sein.

Es werden auch gleiche Rahmenbedingungen für Männer und Frauen geschaffen, das freiwillige soziale Jahr, Umweltjahre, Gedenk- oder Friedensdienst zu leisten, da es künf­tig auch möglich sein wird, sich einen zehnmonatigen Freiwilligendienst auf den Zivil­dienst anrechnen zu lassen.

Auf einen zweiten Punkt möchte ich noch einmal besonders hinweisen, da wir es mit dem Freiwilligengesetz jetzt auch ermöglichen, dass Asylberechtigte und subsidiär Schutz­berechtigte ein freiwilliges Integrationsjahr absolvieren. Im vergangenen Jahr waren es rund 15 000 Asylberechtigte, die in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen oder in AMS-Bei­hilfen eingebunden waren, davon rund ein Drittel Jugendliche – Jugendliche, die am Be­ginn ihres Lebens stehen und sich eine Existenz aufbauen wollen.

Sowohl im heurigen Jahr als auch in den kommenden Jahren ist damit zu rechnen, dass mehr als 20 000 Asylberechtigte AMS-Beihilfen oder die bedarfsorientierte Min­destsicherung beziehen werden.

Wenn so viele, gerade von der FPÖ, fordern, dass sich Flüchtlinge möglichst rasch in­tegrieren sollen, dann gelingt das aus meiner Sicht nur mit einer rascheren Integration in den Arbeitsmarkt, damit sich diese ihre Existenz auch selbst sichern können. Das kann nur gehen, indem man Asylberechtigte gleichberechtigt teilhaben lässt und ihnen auch Zukunftsperspektiven und Chancen gibt. (Bundesrat Längle: Wie soll das funktio­nieren?)

Klar ist: Vorranging muss natürlich sein, diese Asylberechtigten rasch in den ersten Ar­beitsmarkt zu integrieren. Mit dem freiwilligen Integrationsjahr schaffen wir es aber, dass


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Asylberechtigte Erfahrungen bei der Mitarbeit in Organisationen sammeln und noch bes­ser in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Ich möchte noch auf zwei andere Punkte eingehen, die in der Diskussion bisher ge­kommen sind: Da gerade die FPÖ versucht, das Thema Flüchtlinge mit dem Thema Budget zu verknüpfen, möchte ich auf einige Studien hinweisen, die besagen, dass nichtösterreichische Staatsbürger zwar 10,7 Prozent der Beiträge in Pensions-, Kran­ken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber nur 6,2 Prozent der Leistun­gen beziehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Nichtösterreichische Staats­bürgerinnen und Staatsbürger sind Nettozahler in das österreichische Budget. Wir brau­chen Migration, Integration und AsylwerberInnen, um unser Sozialsystem auch weiter­hin aufrechtzuerhalten!

Um die FPÖ vielleicht ein bisschen an die letzten Jahre zu erinnern: Wir stehen noch immer vor den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie wissen ganz ge­nau, dass sich die Staatsschuldenquote vor der Wirtschaftskrise auf unter 60 Prozent des BIP entwickelt hat und die Staatsschulden natürlich aufgrund der Konsequenzen aus dieser Wirtschaftskrise explodiert sind.

Aber schauen wir uns die Staatsschuldenquoten der USA und von Japan an – wenn wir Vergleiche ziehen wollen, müssen wir das tun –: USA: 111 Prozent des BIP, Japan: 222 Prozent des BIP. Ich darf Ihnen auch sagen, dass die Wachstumsraten der USA bei 3,14 Prozent liegen. Jene von Japan liegen auch deutlich über dem österreichi­schen Wachstum. Das heißt, diese Staaten haben begriffen: Investieren und Geld in die Hand nehmen schafft Arbeitsplätze. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Dies­bezüglich werden wir europaweit noch gefordert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf auch darauf hinweisen, dass in Österreich genug Geld vorhanden ist. Eine Studie der Johannes Kepler Universität in Linz hat ergeben, dass es in Österreich ein geschätztes Privatvermögen von 1 249 Milliarden € gibt. 70 Prozent des Vermögens be­sitzen 10 Prozent der Bevölkerung, das reichste Prozent in Österreich besitzt 470 Mil­liarden € – geschätzt, denn wir wissen es ja nicht. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Daher lade ich die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ ein, hier nicht Buchhaltungs­politik zu machen, sondern eine gesamtwirtschaftliche Sichtweise einzubringen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich lade Sie herzlich dazu ein, Vorschläge zu erarbeiten, wie wir diesen Reichtum, den es in Österreich gibt, gerecht verteilen kön­nen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.01


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


12.01.31

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Gratulation zum neuen Amt – es ist super, da die erste Rede zu halten. Werte Kolleginnen und Kol­legen! Sehr geehrter Herr Minister! Das heute vorliegende Budgetbegleitgesetz geht in vielen Punkten in die richtige Richtung, das muss man schon sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Als Grüner glaube ich das jetzt.

Positiv erwähnen möchte ich die Änderung im Freiwilligengesetz, das hat Michael Lind­ner schon ganz gut erklärt. Ich glaube, das Freiwilligengesetz ist eine sehr gute Errun­genschaft, der wir Grünen absolut zustimmen können. Wir haben das lange gefordert.

Das, was mich aber ärgert und was ich unfassbar finde, ist die Änderung beziehungs­weise die Senkung der Dienstgeberbeiträge. Mit der Senkung der Dienstgeberbeiträge wird der Familienlastenausgleichsfonds sozusagen belastet werden. Die heutige Ent-


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scheidung würde in der Endstufe einen Einnahmenverlust von rund 1 Milliarde € für den FLAF bedeuten. Das heißt, 1 Milliarde € weniger für Familienbeihilfe, Kinderbetreu­ungsgeld, Kinderbeihilfen, Familienberatungsstellen, SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahr­ten und Schulbücher. All das ist im FLAF geregelt – also 1 Milliarde € weniger für die­sen Familienlastenausgleichsfonds, für diese Hilfen, durch die Armut in Österreich ver­hindert und vermindert werden soll.

Ja, wir sind für eine Entlastung des Faktors Arbeit, aber doch nicht auf Kosten des hochverschuldeten Familienlastenausgleichsfonds, und das ohne irgendeine Gegenfinan­zierung!

Für Familienministerin Karmasin bedeutet das weniger Gestaltungsspielraum bei den Fa­milienleistungen. Der Druck, Familienleistungen zu senken und zu kürzen, wird durch diesen Beschluss noch erheblich zunehmen. (Bundesrat Mayer: Nein, das stimmt ja nicht! Es wird nichts gekürzt!) – Na ja, aber der Druck, Familienleistungen zu kürzen, ist da. Es ist so. (Bundesrat Mayer: Nein, das tun wir nicht!) – Man tut es nicht, aber, lieber ÖVP-Klub, der ÖVP-Klub hat doch erst gesagt: 1 500 € Deckelung bei der Min­destsicherung. Das ist schon einmal der erste Schritt, wohin wir gehen wollen. Wir wol­len die Mindestsicherung mit 1 500 € deckeln. (Bundesrat Mayer: Was hat das mit der Familienförderung zu tun?) – Na ja, aber es gehört dazu. Und das sagen Sie als Fami­lienpartei, und vorher haben wir eine Ode an die Familien gehört.

Meiner Ansicht nach ist dieser Beschluss kurzsichtig, denn das kann nur zulasten der Familien gehen. Es wäre sinnvoller, die Dienstnehmerbeiträge erst ab 2017 zu senken, dann wäre Zeit genug, eine Gegenfinanzierung aufzustellen, etwa im Rahmen einer auf­kommensneutralen ökosozialen Steuerreform und durch eine längst notwendige Ge­samtreform des Familienlastenausgleichsfonds. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.04


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile es ihm.

 


12.05.00

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die Diskussion des Bud­getbegleitgesetzes steht auf der Tagesordnung, und natürlich darf man da auch etwas über das Budget sagen. Ich denke, in Summe bringt dieses Budget eine Entlastung vor allem für jene, die tagtäglich ganz normal ihre Arbeit leisten. Sie werden im nächsten Jahr im Durchschnitt 1 000 € mehr in der Geldbörse haben.

Meine Aufgabe als Vorsitzender des Agrarausschusses ist es, das Budget und dieses Budgetbegleitgesetz auch aus der Sicht der Landwirtschaft zu beurteilen. Es freut mich, dass einmal 50 Prozent jener, die im Nebenerwerb tätig sind, von den Maßnahmen ein­deutig profitieren werden.

Wir haben in Österreich – und darauf bin ich besonders stolz – eine sehr junge Land­wirtschaft, jünger als im restlichen Europa, obwohl immer weniger junge Menschen be­reit sind, einen bäuerlichen Betrieb zu übernehmen.

Im Zuge der Budgetdebatte ist es gelungen, doch sicherzustellen, dass landwirtschaftli­che Betriebe zum Ertragswert und nicht zum Verkehrswert, zum Vermögenswert über­geben werden, denn Besitz bedeutet ja noch nicht Einkommen. Eigentum bedeutet ja noch nicht, dass man reich ist, sondern Eigentum bringt auch Verantwortung mit sich. Eigentum soll, kann und darf erst dann steuerpflichtig werden, wenn es auch Gewinne abwirft, die dann steuerpflichtig sind. Ich denke, das ist gut, und es ist ein klarer Grund­satz in diesen Budgetgesetzen, dass Bestand und Eigentum nicht per se besteuert wer­den. Es ist gut, dass da keine neue Eigentumssteuer gekommen ist.


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Geschätzter Herr Kollege Pisec, es steht der Opposition zu, sich alles Mögliche zu wün­schen. Man kann 10 Minuten über das Budgetdefizit referieren, über die höhere und ge­stiegene Staatsverschuldung – Sie wissen, dass der Konkurs einer Landesbank auch Anteil an dieser höheren Staatsverschuldung hat. All das kann man erklären, da waren wir alle nicht dabei (Zwischenruf des Bundesrates Samt) –, aber es irritiert mich, wenn man eben das Budget und die steigende Staatsverschuldung beklagt und bejammert, dann aber einen Entschließungsantrag einbringt, der höhere Kosten verursacht (neuer­licher Zwischenruf des Bundesrates Samt), und zwar nicht, weil wir mehr Kontrolle brauchen, sondern vielleicht deshalb, weil man dort dann wieder eine Kontrolle hat, die auch Ihnen sehr angenehm sein kann. (Bundesrat Krusche: Weil es unbequem ist!)

Bleiben wir in der Argumentation doch auf einer Linie! (Bundesrat Pisec: Bleiben wir bei der Staatsquote! Die Staatsquote!) Wenn einem das Budget wichtig ist, dann kann man nicht wieder höhere Ausgaben fordern, sondern dann hätte ich gerne einen Vor­schlag, wo wir Geld einsparen können.

Mir als Agrarier hat es besonders wehgetan, dass du, Kollege Pisec, gesagt hast, dass wir zu lange für ein Kilo Brot arbeiten müssen. Schade, dass Kollege Dörfler nicht hier ist, denn er hat immer gesagt – und diesbezüglich sind wir uns manchmal in diesem Haus einig –, dass wir verantwortungsvoller mit Lebensmitteln und verantwortungsvol­ler mit Nahrungsmitteln umgehen sollten und dass gesunde, ehrliche regionale Nah­rungsmittel einen entsprechenden Preis haben dürfen. (Bundesrat Pisec: Du hast den Vergleich nicht verstanden! Du hast es nicht verstanden!) Für ein Kilo Brot 10 Minuten oder 6 Minuten arbeiten zu müssen, das finde ich noch nicht unanständig, das darf es kosten. Ich bin dagegen, den Brotpreis hinunterzulizitieren, und würde Sie bitten, auch hier eine ehrliche Diskussion zu führen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Pisec.) Ich bitte darum, in der Argumentation eine ehrliche Diskussion zu führen!

Was ist noch im Budgetbegleitgesetz enthalten, das ich konkret ansprechen möchte? – Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz wird auch geändert. Die Kon­trolle in diesem Bereich wird neu organisiert. Sie wird dadurch hoffentlich nur besser, aber nicht teurer werden, damit der Konsument bei importierten und in Verkehr ge­brachten Lebensmitteln besser geschützt werden kann. Das wollen wir alle.

Wir werden diesem Budgetbegleitgesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Todt.)

12.09


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ecker. – Bitte.

 


12.09.28

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich noch daran, was 1968 ge­gründet wurde? – Ich nehme an, die Kollegen von der ÖVP werden das wissen. – Nein, ich bin schockiert. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Der Familienlastenaus­gleichsfonds, von dem wir heute schon so viel gehört haben, wurde damals von der ÖVP gegründet.

Was war denn das Ziel des Familienlastenausgleichsfonds? – Er war dazu gedacht, die Lasten zu verteilen, nämlich von den Eltern, die Kinder zu versorgen haben, hin zu je­nen Personen, die nicht für Kinder sorgen müssen.

Jetzt werden aus diesem Familienlastenausgleichsfonds, das haben wir schon gehört, sehr viele Dinge bezahlt: neben der Kinderbeihilfe, was ursprünglich geplant war, die Schülerfreifahrt, Teile des Kindererziehungsgeldes, Pensionsbeiträge für Kindererzie­hungszeiten, Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und noch mehr.


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 61

Schauen wir einmal, welche Summen da im Jahr 2016 zusammenkommen: für das Kin­dererziehungsgeld 1,2 Milliarden €, für die Familienbeihilfe 3,4 Milliarden €, für Schüler­freifahrt und Gratisschulbücher insgesamt 585 Millionen €, für Wochengeld und Beiträ­ge für Kindererziehungszeiten 1,4 Milliarden €, und dazu kommen noch für den Bereich Elternbildung und -beratung 40 Millionen €. (Bundesrat Lindinger: Das sind Erinne­rungen an die Kreisky-Zeit!) – Na ja, dann können Sie sich noch daran erinnern. (Bun­desrat Lindinger: Ja, ich habe ja profitiert! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Bereits 2009 und 2010 sind die Dienstgeberbeiträge von 6 Prozent auf 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme gesenkt worden. (Bundesrat Lindinger: Sozialdemokratische Regie­rungen haben das geschaffen! Danke für die Erinnerung!) Das heißt, der Familienlas­tenausgleichsfonds ist schon damals zugunsten des Pensionssystems ausgehöhlt wor­den, und jetzt werden die Dienstgeberbeiträge weiter gesenkt auf 3,8 Prozent. Wir ha­ben gerade gehört, im Jahr 2016 fallen Kosten in der Höhe von 6,5 Milliarden € an, und von diesen 7 Milliarden €, die jetzt im Topf sind, sind es 15 Prozent weniger. (Bundes­rat Lindinger: Das Mühlviertel hat auch profitiert!) Ich nehme an, alle haben das Abc und das Rechnen bis 10 gelernt und wissen daher, dass wir damit nicht auskommen werden.

Ich gebe Bundesrätin Reiter recht: Die Senkung der Lohnnebenkosten ist wichtig, da­mit unsere heimischen Unternehmen entlastet werden, und – und, nicht aber! –, und die Familien müssen gestärkt werden, und zwar dringend! Mit diesen Gesetzesände­rungen werden aber die Unternehmen gegen die Familien ausgespielt. Ich bin der fes­ten Überzeugung – das sage ich hier auch als Mutter –: Das haben sich beide nicht ver­dient! Wir brauchen in unserem System und in unserer Republik beides, Unternehmen und Familien, und die beiden gegeneinander auszuspielen, das geht nicht!

Ich rufe in Erinnerung: Schon im Jahr 2011 wurde für Arbeit suchende Jugendliche die Familienbeihilfe gestrichen. Zwischen 18 und 21 Jahren gibt es keinen Anspruch mehr. Jugendliche, die noch in Ausbildung sind, ein Studium absolvieren, haben auch nur mehr Anspruch bis 24 Jahre, schaffen das Studium aber oft nicht in dieser Zeit.

Es gibt hier herinnen Parteien, denen Wahlzuckerl von anderen Parteien einfallen, aber auch mir fällt eines ein – zuerst, als ich es gehört habe, habe ich mich als Mutter darü­ber gefreut –: Der damalige Minister Pröll hat großartig medial verkündet: Ja, wir sind für die 13. Familienbeihilfe!, weil er doch so gut weiß, dass der Schulbeginn teuer ist. Aber was ist denn von dieser 13. Familienbeihilfe geblieben? – Dieses Wahlzuckerl hat einen solch schalen Nachgeschmack, dass mir dabei wirklich schlecht ist. Geblieben ist davon lediglich ein Schulstartgeld, das Schüler zwischen 6 und 15 Jahren bekom­men – es gibt keine Mehrkindzuschläge –, und von diesen 100 € kann man sich in Wirk­lichkeit nur noch um 96 € etwas kaufen, weil sie nicht mehr wert sind. Es gab keine An­passung!

Es gab auch keine Anpassung bei der Familienbeihilfe. Das heißt, auch wenn Sie die Familienbeihilfe in den nächsten Jahren um einige wenige Euro – ich weiß genau, wo­von ich rede, denn ich habe fünf Kinder zu Hause im Familienverband – erhöhen, wer­den die Familien nichts davon spüren, denn sie hat bis jetzt schon 30 Prozent an Wert verloren, da keine Anpassung stattgefunden hat.

Stellen Sie sich einmal vor, das würde man bei den Pensionen, bei den Löhnen oder bei den Gehältern machen! Das würden wir nicht durchstehen. (Bundesrat Köck: Lest ihr euch das Budget nicht durch …?)

Wir fordern seit Langem eine Indexanpassung für die Familienbeihilfe und für das Kin­dererziehungsgeld. (Bundesrat Köck: 90 Millionen mehr!) Diese Erhöhung ist bis jetzt auch abgelehnt worden, und zwar mit der Begründung, dass der Familienlastenaus­gleichsfonds nicht die entsprechenden Mittel zur Verfügung hat. (Bundesrat Köck: … Lest ihr euch das nicht durch?!)


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 62

Herr Minister Mitterlehner hat festgestellt, sobald die Mittel verfügbar sind, sprich, der FLAF entschuldet ist, gibt es eine Valorisierung dieses Geldes. Jetzt wissen aber wir al­le, dass mit dieser Minderdotierung des FLAF die Entschuldung nicht vor 2020 möglich ist. Das ist keine konstruktive Arbeit!

Abgesehen davon muss man sagen – das haben wir heute auch schon gehört –, be­trachtet man es sozial, wird genau bei jenen Menschen gespart, die Kinder haben und schon jetzt oft nicht wissen, wie sie über die Runden kommen.

Kollege Lindner hat uns gerade erklärt, wie reich doch unser Land ist – in vielen Be­reichen muss ich ihm da recht geben, es kommt immer auf die Verteilung an –, aber man kann auch sagen: reiches Land und arme Kinder. Der Familienbericht sagt uns, wir zählen zu den reichsten Ländern der Welt und haben 400 000 armutsgefährdete Kinder – und das bei uns in Österreich, also nicht in irgendeinem anderen Land. Das ist mehr als traurig.

Gerade wir Politiker – nicht „die Politiker“, sondern wir Politiker – sagen in allen mögli­chen Gremien und im Rahmen unserer tagtäglichen Arbeit: Die Kinder und die Jugend­lichen sind unsere Zukunft! – Na ja.

Unser Sozialsystem funktioniert auch auf diesem System der Zukunft, auf diesem Ge­nerationenvertrag, weil damals, als er gegründet wurde, die Überzeugung geherrscht hat: Kinder wird es immer geben, dieses System funktioniert sicher!

Wir sind der Meinung, dass man die Familien noch viel besser unterstützen muss, an­dernfalls wird es nicht mehr Kinder geben. Zur Erhöhung der Geburtenrate, die wir uns alle wünschen, braucht es eine andere Familienförderung, und zwar auch eine, deren Summe sich regelmäßig, jährlich erhöht, damit den Familien die Kaufkraft erhalten bleibt.

Laut Familienbericht ist das wichtigste Instrument, um die Kinderzahl zu erhöhen, die direkte Geldleistung. 55 Prozent der familienpolitischen Leistungen fließen direkt zu, die Kinderbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld stellen davon das größte Leistungs­volumen dar. Die Sachleistungen spielen bei dieser Entscheidung eine untergeordnete Rolle.

Ich weiß nicht, ob sich außer den Grünen – von diesen habe ich es zumindest vernom­men – noch jemand damit beschäftigt hat, was die Familienorganisationen zu dieser Än­derung sagen.

So sagt zum Beispiel der Oberösterreichische Familienbund: „Das war ein indirekter Griff in die Taschen der Familien“.

Der Katholische Familienverband Österreichs formuliert das schon direkter und sagt: „Das ist ein Skandal der Extraklasse“. Und: „Die Regierung will offenbar immer weniger ,Kohle‘ für die Familien abgeben!“

Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende sagt: „Massive Gefährdungen der Fa­milienleistungen“. Weiters: „Kürzung der FLAF-Einnahmen ist familienfeindlich und poli­tisch kurzsichtig“.

Alle Fraktionen hier herinnen haben diesen Brief, der von den im Familienpolitischen Beirat vertretenen Organisationen verfasst worden ist, in dem es ganz klar und deutlich heißt: „Hände weg vom FLAF“.

Es ist dringend notwendig, die Leistungen des FLAF zu reformieren und familienfremde Leistungen daraus nicht mehr zu finanzieren – das hat auch der Rechnungshof kriti­siert. Das kann man doch umsetzen! Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind im Ge­sundheitsbudget anzusiedeln, und der FLAF ist nicht dazu da, um die Krankenversi­cherung oder die Pensionskassen zu entlasten, sondern um, wie das dem Gründungs-


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gedanken entspricht, die Eltern zu entlasten. Das soll den Kindern zugutekommen. Da­her können wir diesen Griff in den Geldtopf des FLAF mit dem eigentlichen Ziel, das Budget zu entlasten, nicht mittragen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.17


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesminister Dr. Os­termayer das Wort erteilen. – Bitte sehr.

 


12.17.57

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zum Budgetbegleitgesetz zurückkommen. Über das Freiwilligenjahr und so weiter wurde ja schon einiges gesagt. Ein wesentlicher Teil des vorliegenden Budgetbegleitgesetzes ist natürlich die Umsetzung der Maßnahmen, die beim Arbeitsmarktgipfel festgelegt wur­den, also die budgetäre Stärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, insbesondere im Be­reich der schwierigeren Gruppen, also 50 plus, Langzeitbeschäftigungslose, für die zu­sätzliches Geld in die Hand genommen wird.

Der zweite wesentliche Punkt ist die Umsetzung des lange diskutierten Bonus-Malus-Systems. Beides sehr wichtige Punkte, auch für das kommende Jahr, für die Zukunft in unserem Land.

Der wesentlichste Punkt des ganzen Budgets und damit sozusagen auch aller Maß­nahmen, die rundherum getroffen wurden, ist aber logischerweise die Steuersenkung. Sie alle wissen: lange diskutiert, dann ist ein Ergebnis zustande gekommen mit einer Entlastung in der Höhe von ungefähr 5 Milliarden € für mehr als 6,4 Millionen Menschen in diesem Land. Das ist nicht nichts, sondern sehr viel. Daher freue ich mich auch, dass Frau Kollegin Mühlwerth gesagt hat, dass die Steuerreform gut ist.

Eine Anmerkung noch zu dem, was Sie gesagt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe gesagt, es bleibt den Menschen Geld in der Tasche!) – Ja, genau. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber nicht lange!) Es bleibt tatsächlich – und darin sind sich alle Wirt­schaftsforscher einig – den Leuten Geld in der Tasche.

Es sind sich auch alle Wirtschaftsforscher darin einig, dass die Art, wie die Steuerre­form konzipiert wurde, dazu führen wird, dass sie sich zum Teil selbst finanziert. Wir alle wissen, dass Menschen, die niedrigere Einkommen haben, einen Anteil des Gel­des, das sie mehr zur Verfügung haben, tatsächlich wieder investieren. Egal, ob es das Wifo ist oder, wie zuletzt in dieser Woche, die Österreichische Nationalbibliothek, die wiederum auf Basis von Daten der Europäischen Zentralbank agiert und zum … (Bun­desrätin Mühlwerth: Nationalbank! – Allgemeine Heiterkeit.) – Nationalbank, tatsäch­lich. Das passiert mir leider ab und zu, weil ich mit der Nationalbibliothek sehr oft zu tun habe. Ich danke für den Hinweis. Gemeint ist natürlich die Oesterreichische National­bank, die auch die Steuerreform als Grund dafür sieht, warum das Wirtschaftswachs­tum in den kommenden Quartalen ansteigen wird, also einen positiven Ausblick gege­ben hat.

Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zum Thema „Zielpunkt“ machen, da Sie das auch erwähnt haben. Wenn man sich kurz orientiert, was ist dort passiert? – Es hat Anfang November ein Schreiben der Geschäftsführung an die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter – in großer Zahl Mitarbeiterinnen, ein ordentlicher Teil davon teilzeitbeschäf­tigt, wie es im Handel sehr oft ist – gegeben, in dem mitgeteilt wurde, dass die Aussicht eine positive ist.

Parallel dazu hat es zwischen Zentralbetriebsrat, BetriebsrätInnen und der Geschäfts­leitung Verhandlungen über einen Sozialplan gegeben, um eben gemeinsam mit der Belegschaftsvertretung eine positive Weiterentwicklung des Unternehmens zu gewähr­leisten.


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Der letzte dieser Termine – so sagten es mir die BetriebsrätInnen, die am Dienstag um 7.45 Uhr in der Früh beim Bundeskanzler waren, im Beisein des Sozialministers – war für Mittwoch vorige Woche angesetzt. Dieser Termin ist dann kurzfristig abgesagt wor­den, und am Nachmittag ist dann, für alle völlig überraschend, mitgeteilt worden, dass In­solvenz angemeldet wird, und zwar, ganz im Unterschied zu den sonstigen Vorgangs­weisen, ohne Information der zuständigen Stellen, ohne Information des Sozialminis­ters, der es auch aus den Medien erfahren hat.

Daraufhin hat Sozialminister Hundstorfer die Gespräche mit den Banken aufgenommen, da es darum ging, sicherzustellen, dass die Menschen Geld abheben können. Wenn ih­nen schon ihr Unternehmen, in dem sie oft viele Jahre gearbeitet haben, das Gehalt nicht zahlt, sollten sie wenigstens die Möglichkeit haben, dieses bei den Banken abzuheben. Denn der Insolvenz-Entgelt-Fonds erfordert natürlich, dass die Menschen unterschrei­ben, dass sie den Anspruch haben, dann bekommen sie den Anspruch. Das organisie­ren die Betriebsräte in wunderbarer Art und Weise, indem sie sofort – beziehungsweise geht das erst ab dem Moment, zu dem Konkurs angemeldet wurde.

Das ist übrigens erst am Montag erfolgt, und zwar dann schon auf einen gewissen Druck hin, dass endlich diese Schritte gesetzt werden, damit man die dramatische Verunsi­cherung der Menschen dort wenigstens irgendwie dämpfen kann. Dass man den Ärger der Menschen auf ihr Unternehmen oder auf ihre Unternehmensleitung, muss man sa­gen, nicht dämpfen kann, wird man bei dieser Vorgangsweise verstehen.

Die Betriebsräte haben am Montag sofort mit Betriebsversammlungen begonnen, um alle Unterschriften zu bekommen. Es geht immerhin um mehr als 2 700 Menschen bei Zielpunkt und noch ungefähr 180 in der Logistik.

Der Bundeskanzler hat die BetriebsrätInnen und so weiter gefragt, ob alles gut läuft, ob wir irgendwie unterstützen können. Und diese haben gesagt, nein, es ist optimal, wie es läuft. Auch der Sozialminister hat sich sofort eingeschaltet, hat sofort mit den Ban­ken Kontakt aufgenommen; man hat geschaut, ob man die Lieferanten dazu bekommt, dass sie bis Ende Dezember liefern, damit man den Betrieb so lange weiterführen kann.

Wenn man – ich sage es jetzt vorsichtig, ich bin ja nicht immun – da manche Dinge sehr seltsam finden muss im Ablauf, und wenn man davon ausgehen muss, dass da noch Arbeit auf die Gerichte zukommt, dass die Masseverwalter die Frage stellen: Wie geht das, dass man zuerst einen Brief schreibt, alles ist gut, und dann kauft man Lie­genschaften raus aus dem Unternehmen?, all die Dinge, die in den Zeitungen gestan­den sind, dann kann man viele Zweifel daran hegen, ob da alles korrekt abgelaufen ist. Beurteilt muss es am Schluss ohnehin durch die Justiz werden, und das ist auch gut so in einem Rechtsstaat.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir, der Sozialminister, der Bundeskanzler – der Bundes­kanzler hat so rasch wie möglich, nämlich sogar noch bevor der Konkurs, die Insolvenz beantragt wurde, mit den Menschen Kontakt aufgenommen, um den Menschen zu hel­fen –, wir tun alles, um die Menschen zu unterstützen, um mit den Instrumenten, die wir haben, mit dem Insolvenz-Entgelt-Fonds entsprechende Unterstützung zu gewähren.

Die BetriebsrätInnen haben befunden, dass das alles sehr gut abläuft. Wir sind so ver­blieben, dass sie, wenn es irgendwo Probleme gibt, sich jederzeit wieder melden kön­nen, denn, da sind wir uns einig, die Verkäuferinnen, Verkäufer, alle sonstigen Beschäf­tigten, die dort gearbeitet haben, sind zu unterstützen.

Was sie nicht wollen, ist, dass gespendet wird, denn sie sagen, sie wollen bezahlt wer­den für die Leistung, die sie erbringen, und nicht Almosenempfänger sein. Sie wollen bezahlt werden für das, was sie geleistet haben und natürlich gestützt (Bundesrätin Mühlwerth: Das, was ihnen zusteht!) – für das, was ihnen zusteht. Für diesen Zweck, für diesen Fall gibt es natürlich auch den Insolvenz-Entgelt-Fonds, und das ist gut so.


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Abschließend möchte ich mich noch beim Herrn Finanzminister, bei allen, die das Bud­get verhandelt haben, dafür bedanken, dass das diesmal in einer ganz ruhigen, unauf­geregten Form stattgefunden hat. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten von FPÖ und Grünen.)

12.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Heger zu Wort. Ich erteile es ihm.

 


12.27.26

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wir haben jetzt schon ei­niges über ganz wichtige Eckpfeiler des Budgets und über Änderungen des Budgetbe­gleitgesetzes 2016 gehört.

Dazu gibt es naturgemäß viele unterschiedliche Positionen und Ansätze. Ich möchte diese Ausführungen und Gedanken nicht wiederholen, sondern nur ergänzen. Trotz­dem sind dazu aber noch einige Fakten unbedingt zu erwähnen.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2016 werden insgesamt 17 Gesetze novelliert. So wer­den zukünftig anerkannte Flüchtlinge ein freiwilliges Integrationsjahr absolvieren kön­nen, und ein Bonus-Malus-System soll Unternehmer dazu bringen, mehr ältere Arbeit­nehmerInnen zu beschäftigen. Zudem wird der Bundesrechnungsabschluss künftig be­reits am 30. Juni, nicht wie bisher zum 30. September, vorliegen.

Wenn ein Budget erstellt wird und seine Begleitgesetze beziehungsweise deren Aus­wirkungen durchforstet oder neu beziehungsweise umformuliert werden, dann werden nicht nur die Ausgaben geplant, sondern auch die Einnahmen.

Eines ist uns allen klar: Ausgaben sind meist sehr schnell gefunden. Man weiß eigent­lich immer, was man unbedingt braucht, was man sich leisten will beziehungsweise was man sich wünscht. Daher macht man sich bei der Budgeterstellung nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern und den Gemeinden gezwungenermaßen auf die Suche nach neuen Einnahmequellen. Dass man da kreativ und erfinderisch geworden ist, zeigt sich für mich aus burgenländischer Sicht an zwei Beispielen – beide haben mit dem Frei­willigengesetz beziehungsweise dem Vereinsgesetz und natürlich auch mit dem Ein­kommensteuergesetz zu tun.

In ganz Österreich sind die Vereine enorm unter Druck geraten. Gerade im Burgenland ist auf sie eine wahre Anzeigenflut hereingebrochen. Bei uns werden mittlerweile viele Vereinsfeste abgesagt, viele Vereinsfunktionäre sind von Strafen und Nachzahlungen bedroht. Auslöser dafür ist vor allem das Bündnis Der Gastronomie Austria.

Hier geht es aber um mehr. Gerade als Bürgermeister und Mandatar, der viel im Bezirk und im ganzen Burgenland unterwegs ist, weiß ich, dass diese Anzeigen unsere Ver­eine und damit unser Dorfleben gefährden. Was aber sind hier die Ursachen? – Die Rechtslage ist undurchsichtig, für viele Vereine nicht praktikabel. Viele Juristen sagen, diese Fülle an Vorschriften ist kaum mehr durchschaubar. Wie soll sich da ein kleiner Vereinsobmann auskennen?

Eines ist aber auch klar: Wer den Vereinen schadet, schadet der Gesellschaft, und das vor allem im ländlichen Raum.

Dazu ein paar Zahlen, um die burgenländische Position zu verdeutlichen: Rund 100 000 BurgenländerInnen sind ehrenamtlich engagiert. Insgesamt sind knapp 5 000 Vereine registriert. Viele Angebote – auch das wurde heute schon gesagt – im Sozial-, Sicherheits- und Jugendbereich wären ohne Vereine nicht möglich. Wir können aber auch wirtschaftlich auf unsere Vereine nicht verzichten. Laut Freiwilligenbericht


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des Sozialministeriums leisten 3,3 Millionen Freiwillige in Österreich 15,5 Millionen Ar­beitsstunden pro Woche mit einem Wert von 134,2 Millionen €.

Auf das Burgenland umgelegt bedeutet das: Fast 100 000 Freiwillige leisten mehr als 420 000 Wochenstunden mit einem Wert von über 3,6 Millionen €. Im Jahr sind das im­merhin 200 Millionen €. Das ist der volkswirtschaftliche Wert des Einsatzes unserer Ver­einsfunktionäre.

Ohne Vereinsleben würde vieles in unserem Land fehlen, oder es müsste der Steuer­zahler einspringen. Deshalb dürfen Vereine nicht mit gewinnorientierten Betrieben gleich­gestellt werden. Die Funktionäre und Mitglieder samt deren Familienangehörigen arbei­ten unentgeltlich in ihrer Freizeit und für die Allgemeinheit. (Zwischenruf des Bundesra­tes Tiefnig.) Sie sind nicht auf privaten Profit und Gewinn aus. Dieser wesentliche Un­terschied wird leider vom Finanzministerium ignoriert.

Die Durchführung von Festen ist oft die einzige Möglichkeit, mit der Vereine ihre Akti­vitäten finanzieren. Wer das behindert, schneidet den Vereinen die Luft zum Leben ab. Das schadet auch der Wirtschaft, den Zulieferbetrieben, dem Tourismus, den Gemein­den und nicht zuletzt der Gastronomie. Die Konkurrenz zwischen Vereinen und Wirten ist aus meiner Sicht ein Märchen. In Wahrheit brauchen die Wirte die Vereine, und die Vereine brauchen die Wirte.

Was die Registrierkassenpflicht für Vereine betrifft, bin ich mit Ihnen einer Meinung, Frau Kollegin Mühlwerth, denn die Vereine werden durch diese Registrierkassenpflicht zu­sätzlich gefordert. Dazu ein Beispiel eines Landesligafußballklubs meiner Heimatge­meinde, der, so nebenbei gesagt, nicht nur vorbildlich von ehrenamtlichen Funktionä­ren geführt wird, sondern auch alle steuer- und sozialrechtlichen Prüfungen bravourös bestanden hat. Dieser soll in Zukunft bei jeder Kantine beziehungsweise Ausschank eine Registrierkasse aufstellen. Nicht nur, dass das bei insgesamt vier Kantinen eine aus meiner Sicht unverhältnismäßige finanzielle Belastung für den Verein darstellt, auch der Umgang mit diesen Registrierkassen ist nicht für jeden freiwilligen Helfer so einfach; denn diese Ausschank wird bei uns durch ehrenamtliche HelferInnen, die den Fußballverein unterstützen möchten, erledigt. Und seien wir ehrlich: Auf das Getränk zu warten oder sich gesondert bei einer Zahlkasse anzustellen, das funktioniert auf ei­nem Fußballplatz, wo an der Kantine eigentlich alles schnell gehen muss, überhaupt nicht. (Beifall des Bundesrates Dörfler.)

Mir ist bewusst, dass ein Budget Einnahmen und Ausgaben benötigt. Mir ist auch klar, dass alles, auch die längst überfällige Steuerreform, eine Gegenfinanzierung benötigt. Aber ich ersuche Sie, Herr Minister, dass Sie sich dafür einsetzen, dass die gemeinnüt­zigen Vereine in Österreich von diesen riesigen Belastungen befreit werden. (Bundes­rat Mayer: Aber wir haben’s nicht erfunden! Wir waren’s nicht!) – Das habe ich nicht gesagt.

Welche Folgen die aktuelle Anzeigenwelle in den Ländern und Gemeinden hat, werden wir mit Sicherheit im nächsten Jahr in vollem Ausmaß sehen, wenn es plötzlich keine Veranstaltungen zu Martini, zu Leopoldi, im Advent, zu Ostern oder im Sommer gibt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Tiefnig.) Wenn auch der Tourismus diese Auswirkungen spürt, werden die ersten Zulieferer zusperren. Daher ist es wichtig, dass Sie, Herr Mi­nister, den Vereinen einen Rettungsring zuwerfen, indem die Gesetzeslage verbessert wird.

Wir beschäftigen uns im Burgenland schon seit Monaten innerhalb der Initiative „Unse­re Vereine schützen“ sehr intensiv mit Lösungen, da wir konkrete Lösungen vorschla­gen wollen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Einige Ansatzpunkte dazu darf ich aufzeigen:

Erstens: Ehrenamtliche Vereine dürfen nicht wie wirtschaftliche Betriebe behandelt werden.


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Zweitens: Der Status der Gemeinnützigkeit muss klarer und fairer definiert werden, denn die derzeitige Definition stammt aus dem Jahr 1962. In diesem Bereich besteht höchs­te Rechtsunsicherheit. Wir wollen daher, dass die Gemeinnützigkeit rechtssicher gere­gelt und großzügiger gefasst wird; denn was der Gemeinschaft nützt, ist gemeinnützig. Vereine, denen die Gemeinnützigkeit zuerkannt ist, sollen statt an bisher drei Tagen an fünf Tagen Veranstaltungen machen dürfen. Sie sehen also, dass unser Verständnis von Politik ein anderes ist: Nicht nur fordern, sondern auch Lösungsmöglichkeiten auf­zeigen.

Herr Minister, ich ersuche Sie daher nochmals eindringlich, dass Sie sich dafür einset­zen, dass die gemeinnützigen Vereine in Österreich von diesen riesigen Belastungen befreit werden. So werden beispielsweise auch landwirtschaftliche Betriebe pauscha­liert. Das sollte auch bei Vereinen möglich sein.

In der Hoffnung, dass Sie dem Ersuchen des Burgenlandes positiv gegenüberstehen, werde ich dem vorliegenden Antrag trotz einiger Bedenken die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.37


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schrey­er zu Wort. – Bitte.

 


12.37.20

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Auf Wie­dersehen, Herr Minister! (Bundesminister Ostermayer – den Sitzungssaal verlassend –: Die Frau Staatssekretärin kommt gleich! Ich muss in den Verfassungsausschuss!) – Dan­ke schön. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause am Computer! Ich spreche zum Tagesordnungspunkt 4, dem Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch das BMVIT genehmigt wird.

Wir werden dem Tagesordnungspunkt 4 hier heute nicht zustimmen, und zwar aus meh­reren Gründen. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft die haushaltsrechtliche Ermäch­tigung zur Begründung der Vorbelastungen, die durch die Schieneninvestitionen in Ös­terreich bis 2021 entstehen, und der Rückzahlungen, die sich dadurch für den Zeitraum bis 2070 ergeben.

Die Investitionen, um die es dabei geht, basieren auf dem ÖBB-Rahmenplan 2016–2021. Wir reden – und es ist sehr schade, dass im Moment weder der Minister noch die Staatssekretärin da ist – von knapp über 42 Milliarden €, die wir hier freigeben, und da haben wir natürlich einige Kritikpunkte.

Ein Rahmenplan ist nämlich gar nicht gemacht worden, und zwar der Rahmenplan 2015–2020. Dieser ist in einer gesetzeswidrigen Vorgangsweise weder beschlossen noch vorgelegt worden. Im Mai 2014 haben wir hier im Bundesrat den Rahmenplan 2014–2019 beschlossen.

Die Zuschussverträge mit den Bundesbahnen werden regelmäßig erst im Nachhinein, teilweise sogar lange im Nachhinein, abgeschlossen. Da wird jedes Controlling und so weiter ad absurdum geführt. Dabei hat sich diesbezüglich schon sehr viel getan. Es hat in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte in Richtung Transparenz der Rahmenpläne und in Richtung ihrer langfristigen Finanzierung gegeben. Aber es herrscht immer noch Geheimnistuerei in vier wichtigen Bereichen.

Der Rahmenplan, den das Parlament hier vorgelegt bekommt, ist auch nur ein schma­ler Auszug dessen, was das BMVIT und das Finanzministerium von den ÖBB vorgelegt bekommen. Es fehlen Unterlagen und Aussagen zur Prioritätenreihung der Projekte im Rahmenplan und auch dazu, wie diese Reihung zustande gekommen ist. All das ist geheim und wird immer noch geheim gehalten. Das habe ich auch schon 2014 am Rah-


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menplan kritisiert, es ist aber nicht verbessert worden. Die langfristigen Folgen dieser heutigen Großinvestitionen – und wir reden hier von den Folgen bis 2070, also für die nächsten 55 Jahre – werden weder im Gesetz noch im Rahmenplan detailliert offenge­legt.

Es wird auch keine jahresweise Gesamtdarstellung bis 2070 vorgelegt. Die Übersicht lässt aber die langfristigen finanziellen Auswirkungen dieser Megaprojekte schon er­kennen. Es werden jährlich Milliardenbeträge für die bis 2021 getätigten Investitionen abzustottern sein, also für Investitionen, die sich dann, im Jahr 2070, teilweise bereits dem Ende ihrer Lebensdauer nähern. Dabei reden wir aber nur über die Investitionen bis 2021. Der Bau der Großtunnels, also Brenner-Basistunnel, Koralm- und Semme­ringtunnel, soll weit in die 2020er-Jahre reichen.

Ein weiterer Punkt: Die ÖBB sollen derzeit 25 Prozent, künftig 20 Prozent für die Finan­zierung der Investitionen selbst aufstellen. Woher die ÖBB diese ansehnlichen dreistel­ligen Millionensummen pro Jahr nehmen sollen und wie sie diese auch jemals verdie­nen sollen, wird völlig offengelassen.

Ganz toll finde ich persönlich auch, dass es laut Vorblatt keine geschlechtsspezifischen Auswirkungen gibt, obwohl laut der WFA, der wirkungsorientierten Folgenabschätzung, die Gelder zu 95 Prozent Männern zugutekommen. Männer verdienen in dieser Bran­che auch noch um ein Drittel mehr als Frauen. (Bundesrat Krusche: Aber Tunnelpatin ist immer eine Frau! – Heiterkeit bei der FPÖ.) Generell ist Gender Budgeting in die­sem Gesetz kaum umgesetzt.

Es ist sehr schade, dass immer noch kein Regierungsmitglied da ist, denn jetzt komme ich eigentlich zum Hauptpunkt. Wenn Großprojekte umgesetzt werden, wenn so viel Geld – Milliardenbeträge – in Großprojekte investiert wird, dann muss die Nutzung die­ser Großprojekte auf alle Fälle sichergestellt werden.

Zum Beispiel beim Brenner-Basistunnel: 10 Milliarden € werden die Baukosten für den Tunnel nach aktuellen Hochrechnungen bis zur Fertigstellung oder bis zur Inbetrieb­nahme im Jahr 2026 ausmachen. Das wäre noch schön und gut, wenn es dann wirk­lich zu einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene kommt und diese immens großen Bauvorhaben auch wirklich genutzt werden … (Bundesrat Dörfler: Wenn man es nicht baut, kommt es zu keiner Verlagerung! Das ist ganz logisch, Frau Kollegin von den Grünen!) – Nein! (Bundesrat Dörfler: Gott sei Dank gibt es diese Investitionen! Denken Sie an den Arbeitsmarkt …!) – Nein, nein, Herr Kollege Dörfler! Ich komme da gleich zu meinem großen Punkt: Da hat uns nämlich die Realität gestern überholt. Der Verkehrsminister – der leider auch nicht da ist – hat gestern eine Verordnung heraus­gegeben, wonach die Brennermaut um 25 Prozent gesenkt wird.

Das ist ein total falsches Signal zur falschen Zeit! Es ist geradezu eine Einladung an alle Frächter, ihre Lkw-Flotten über Tirol umzudisponieren. Solche Pläne sind total kon­traproduktiv in Bezug auf das EU-weite Vorhaben, den Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Der Brenner wird dadurch noch günstiger. Der Brenner ist jetzt schon der günstigste Alpenpass, und durch diese Reduzierung der Brenner­maut um 25 Prozent wird noch mehr Schwerverkehr über den Brenner und durch das Inntal, das jetzt schon ein Luftsanierungsgebiet ist, umgeleitet. Wir haben drei Punkte, wie man sie … (Bundesrat Dörfler: Wer ist denn dort Verkehrsreferent, in Tirol? – Hei­terkeit bei der ÖVP.) – Die Verkehrsreferentin von Tirol sitzt gerade da, und es freut mich ganz besonders, dass sie heute da ist! (Bundesrat Dörfler: … soll aufstehen! – Wei­tere Zwischenrufe.)

Wir haben drei große Punkte, die in Tirol umgesetzt werden können: Das sind die EU-Richtlinien, an denen viel gearbeitet werden muss, das sind die gesetzlichen Vorga­ben, die im Verkehrsbereich vom Bund kommen, und was wir dazu brauchen, ist ganz


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viel Mut, um gegen diese Vorgaben anzukämpfen, weil Österreich und Tirol nicht vor der internationalen Frächterlobby in die Knie gehen dürfen. (Staatssekretärin Steßl nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Frau Staatssekretärin, grüß Gott! (Staatssekretärin Steßl: Hallo!) Der Herr Verkehrs­minister ist, wie gesagt, leider nicht da. Aber gerade Herrn Minister Stöger als ehema­ligem Gesundheitsminister muss die Gesundheit der Bevölkerung mehr wert sein! Er darf nicht noch mehr Luftschadstoffe und Lärm zulassen, sondern muss vor der EU mu­tig für die Gesundheit der Bevölkerung eintreten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen.)

12.44


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­rätin Zwazl. Ich erteile es ihr.

 


12.44.11

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Recht herzlich will­kommen, Frau Staatssekretärin! Wir haben uns schon sehr stiefmütterlich behandelt ge­fühlt (Staatssekretärin Steßl: Ich bin schon hierhergerast!), weil niemand da war. Das passt ganz einfach auch in das Bild, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen … (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, der Herr Minister Ostermayer ist nicht niemand!) – Na ja, aber wir haben dazwischen eine Leerphase gehabt, und irgendwie passt das schon hinein, denn – das hat unsere Kollegin Reiter schon gesagt, und das muss ich sagen –: Das war das erste Mal im Finanzausschuss, dass wir überhaupt keine Auskünfte be­kommen haben. Da fühlt man sich in seiner Funktion und in seiner Bedeutung als Bun­desrätin schon ein bisschen diskriminiert. Das möchte ich schon dazusagen.

Auf der anderen Seite, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, haben wir heu­te sehr viel diskutiert, aber das Budgetbegleitgesetz hat an und für sich nichts mit dem Budgetpfad zu tun, nichts mit der Budgetrede des Herrn Finanzministers … (Bundesrat Jenewein: Na, nichts? – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Doch! Es hat nichts mit den Registrierkassen oder mit anderen Themen der Steuerreform zu tun. Aber als ich jetzt zugehört habe, habe ich mir gedacht: Gerade als Vertreterin der Wirtschaft muss ich etwas dazu sagen.

Erstens einmal: Die Lohnnebenkostensenkung ist für uns in der Wirtschaft und auch für die Sicherung des Wettbewerbsstandortes etwas ganz Wesentliches. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich muss auch dazusagen – ich habe mir das ausgerechnet –: Wenn wir die Lohnne­benkostensenkung haben und man es sich dann durchschnittlich anschaut, schlägt die­se ungefähr mit 186, 192 € im Jahr zu Buche.

Wir haben auch über den FLAF gesprochen und darüber, dass man mit dem FLAF dann nicht mehr in der Lage ist, die Aufwendungen zu tätigen, für die er geschaffen wurde. Das stimmt auch nicht, weil … (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt schon!) – Nein, das stimmt nicht, weil … (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Hört jetzt ein bisschen zu! Wir reden ganz einfach davon, dass man mit dem FLAF nicht mehr in der Lage sein wird – ich habe aufmerksam zugehört –, die Ausgaben für das, wofür er vorgese­hen ist, zu tätigen. Das stimmt nicht, sondern man hat in den FLAF hineingegriffen und hat Sachen gezahlt, für die der FLAF eigentlich gar nicht zuständig ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Deshalb haben wir ganz einfach dieses Loch zu stopfen, und wir brau­chen länger, um die Entschuldung durchzuführen. Aber die Kosten für die Ausgaben für die Familien und die Kosten, für die der FLAF da ist, sind damit gedeckt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es geht mir schon darum, dass man den Leuten keine Angst macht und sagt: Es ist kein Geld für die Familien da. Man muss schon die Kirche im Dorf lassen, und man


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sollte immer wieder aufpassen, wer wo hineingreift und ob ihm das auch zusteht, dass er sich da etwas herausnimmt.

Das andere ist natürlich der Insolvenz-Entgelt-Fonds. Da finde ich es wirklich super, wenn man darüber spricht, und dass die Leute von Zielpunkt so lange auf ihr Geld war­ten müssen: Da habe ich als Wirtschaftstreibende absolut kein Verständnis, warum. Das sind Arbeitgeberbeiträge, und wir haben da sozusagen eine Solidarhaftung, zu der je­der steht. Wir zahlen 0,45 Prozent, seit 1. Jänner 2015 sind es 0,45 Prozent, und wir zah­len insgesamt 500 Millionen € pro Jahr in den Topf ein. Geld ist da.

Ehrlich gesagt habe ich null Verständnis dafür, dass die Leute so lange warten müs­sen. Was die Leute an Geld bekommen, ist ja ausgerechnet, denn ein so großer Kon­zern hat Steuerberater. Wenn man schon nicht weiß, was genau herauskommt, dann kann man es zumindest akontieren, damit die Leute wirklich ihr Geld bekommen. Da muss ich mich schon fragen: Warum dauert das so lange? (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte aber in der offiziellen und öffentlichen Darstellung schon auch erwähnt ha­ben, dass dieser Fehler, den ein Konzern vielleicht gemacht hat – ich habe keine Ah­nung –, schon aus den Geldern der Unternehmen gedeckt wird, dass wir dafür aufkom­men und dass es nicht Steuergelder sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, genau!) Das ist mir wichtig.

Uns ist auch wichtig, dass die Leute rasch ihr Geld bekommen, vor allem jetzt, kurz vor Weihnachten. Da muss man schon sehr gefühlskalt sein, um sich nicht vorstellen zu kön­nen, was das für die Leute bedeutet. Aber ich hoffe, dass dieser Fall vielleicht dazu beiträgt, dass wir etwas schneller reagieren und uns auch überlegen, warum das so lan­ge dauert. Das weiß ich nicht, aber ich kenne es aus eigener Erfahrung, dass man die Bürokratie, all die Gesetze oder Verordnungen oder Anleitungen, oft nicht nachvollzie­hen kann, wenn man wirklich an der Basis ist und eine Erdverbundenheit hat.

Es ist heute auch schon einiges über die Absicherung von Freiwilligendiensten gesagt worden. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Wir sind natürlich alle dafür, und ich denke auch, dass die finanzielle Absicherung von Auslandsfreiwilligendiensten etwas ganz Wichtiges ist. Aber da ist es mir auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass man gerade auch im Inland ein Dankeschön an die Betriebe, an die Arbeitgeberinnen und Arbeitge­ber zu geben hat, weil schon sehr viel Flexibilität verlangt wird und vieles organisiert werden muss, was man oft nicht bedenkt. Da wäre es auch schön, wenn man danke schön sagte.

Da ich schon bei den Freiwilligen bin, muss ich noch einen Sidestep zurück machen und über die Registrierkasse reden, obwohl ich das nicht wollte, denn ich habe gesagt: Das ist gar nicht drinnen. Aber es ist heute schon so oft angesprochen worden. Kollege Heger hat ja eine Lanze für die Vereine gebrochen und gesagt: Die Fülle von Festen kann er dann nicht machen. Da sage ich als Vertreterin der Wirtschaft: Ich bin gar nicht daran interessiert, dass die Vereine eine Fülle von Festen machen und das an unseren Wirten vorbei organisieren.

Noch einmal: Die Registrierkassen waren nicht unsere Idee. Frau Staatssekretärin, da waren Sie vehement dahinter, dass wir sie bekommen. Es kann aber nicht so sein, dass es nicht gleiches Recht für alle in unserem Bundesstaat gibt. Ich bin dafür, ich bin für die Vereine, aber wenn man sich ihre Feste, ihre Sportkantinen et cetera anschaut, dann sind diese besser ausgeführt, als unsere Wirte sich ihre Kücheneinrichtung leis­ten können. Das verstehe ich nicht. Das soll man ganz einfach gemeinsam mit den Wir­ten machen, weil dieses Geld, das da an der Wirtschaft vorbeigeht, auch den Wirt­schaftsstandort schädigt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es geht nicht nur um die Zulieferer, sondern es geht ganz einfach auch darum, dass unsere Wirte leben können. Ich kann nur eines sagen: Wenn Sie ein Gasthaus hätten,


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dann würden Sie anders denken. Auf der einen Seite schwelgen wir in Zuwendung und sagen: Mein Gott, nein, der muss 400 € zahlen! (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Auf der anderen Seite überlegt ihr euch überhaupt nicht, dass man ihnen die Existenz­grundlage wegnimmt, denn wenn du Freitag, Samstag und Sonntag ein Fest hast, und das das ganze Jahr hindurch, dann frage ich mich: Womit soll er sein Geschäft ma­chen? – Ja, dann stellt euch hin und sagt ihm das! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt komme ich wieder zurück zum Freiwilligen Integrationsjahr für Asylberechtigte; da werdet ihr euch auch gleich wieder aufregen. Grundsätzlich legen schon die Erläute­rungen zum Gesetz fest, dass die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt vorrangig bleibt. Ich halte von dieser Idee sehr viel, weil Asylberechtigte durch das Freiwillige In­tegrationsjahr zusätzliche Erfahrungen und Fertigkeiten erwerben und die Mitarbeit in einer Organisation lernen. Das ist ein neuer Weg, der da eingeschlagen wird und der durchaus imstande ist, die Integration von Asylberechtigten zu beschleunigen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen aber schon immer wieder daran denken, dass diese Menschen, die in der letzten Zeit zu uns gekommen sind, aufgrund ihrer Fluchterfahrungen oftmals traumatisiert sind und sich nur langsam in unserem Sys­tem zurechtfinden. Dass man da behutsam vorgeht, das macht schon Sinn. Aber es ist genauso legitim, nach dieser Integrationsphase keine weiteren Zugeständnisse zu ma­chen. Wir dürfen nicht kompromissbereit sein, wenn es um das Erlernen der deutschen Sprache geht, wir dürfen nicht kompromissbereit sein, wenn es um die Integration in un­seren Kulturraum geht.

Mit jedem Kompromiss, den wir in diese Richtung machen, verlieren wir das Vertrauen der Bevölkerung. Gerade als Entscheidungsträger in der Politik müssen wir uns das über­legen und das bedenken. Mit bloßer Sozialromantik lassen sich Herausforderungen ganz einfach nicht lösen. Ich denke, dass Sozialromantik schon heute keinen Platz mehr fin­den darf, sei es in der Asylfrage, sei es in der Frage der Pensionen, sei es bei der Min­destsicherung. Da muss man aufpassen.

Aber positiv zu bewerten ist, dass die Förderung von Arbeitslosen im Alter von über 50 Jahren verlängert und etwas flexibler gestaltet wird. Gerade bei den Langzeitarbeits­losen haben wir Handlungsbedarf. Die AMS-Meldung vom 1. Dezember sagt, dass mitt­lerweile rund ein Drittel aller Arbeitslosen zur Gruppe der Langzeitarbeitslosen zählt, und das ist schon sehr besorgniserregend. Daher denke ich, dass Maßnahmen wie das Kom­bilohn-Modell, aber auch die gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte wirklich zu begrü­ßen sind. Wir von der Wirtschaft werden uns im Gegenzug bemühen, noch stärker al­tersgerechte Arbeitsformen zu gestalten.

Aber gegen eines wehre ich mich wirklich: Es heißt immer, die Wirtschaft ist dafür ver­antwortlich, dass es so viele Langzeitarbeitslose gibt. Das stimmt nicht. Schauen wir es uns an: Die Zahl der Beschäftigten hat in einem Fünfjahreszeitraum um 6 Prozent zu­genommen, und die Zahl der Arbeitnehmer mit einem Lebensalter von 45 bis 64 Jah­ren ist im gleichen Zeitraum um 20 Prozent gestiegen. Heute muss man davon ausge­hen, dass sich der Anteil der Älteren weiter erhöhen wird. Während zur Jahrtausend­wende noch die Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen am stärksten besetzt war, wird bis 2030 die Gruppe der 60- bis 70-Jährigen das größte Bevölkerungssegment ausma­chen.

Obwohl die Lampe schon leuchtet, sage ich das auch noch: Nicht sehr glücklich bin ich über die Streichung von Ersatzleistungen des Bundes an SV-Träger in zwei Fällen. Das eine sind die freiwilligen Rettungsdienste, Feuerwehr und Rotes Kreuz. Sie müs­sen für die Unfallversicherung ihrer Mitglieder einen geringen Beitrag leisten, nämlich 1,16 € pro Mitglied und Jahr, und diese Beträge sind bis jetzt vom Bund verdoppelt wor­den. Mit dem vorliegenden Gesetz entfällt der Bundesbeitrag. Der Ausfall ist von der


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AUVA zu tragen, und er beträgt 865 000 €. Da müssen wir – die AUVA wird auch von den Unternehmern finanziert – uns überlegen, wie wir über die Runden kommen.

Die zweite Streichung einer Ersatzleistung betrifft den Bundesbeitrag an den Hauptver­band für die Jugendlichenuntersuchung. Da geht es um 1,1 Millionen €, die künftig von den Krankenversicherungsträgern selbst zu tragen sind. Angesichts der budgetären Si­tuation der Träger sollten selbst so geringe Mehrbelastungen nicht erfolgen, auch wenn es sich um unsystematische Kostenersätze handelt. Ich glaube, dass es spannend und eine interessante Aufgabe der Verwaltungsreform wäre, alle sogenannten unsystemati­schen Kostenersätze zu durchleuchten, denn ich denke, da gibt es mehr zu streichen als die zwei, und es gibt vielleicht einige, die wir leichter mittragen können.

Trotz aller Bemerkungen, die ich jetzt gemacht habe – es gehört dazu, es hat nicht alles nur Sonnenseiten –, sind wir von der Wirtschaft es gewohnt, Verantwortung zu tragen und mitzugestalten, und wir tragen auch dieses Gesetz mit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.57


Präsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Je­newein. – Bitte.

 


12.57.23

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Frau Staatssekretärin! Herr Vorsitzender! Ich bin nach der Rede von Frau Kollegin Zwazl etwas entwaffnet; das muss ich ehrlich zugeben. Sie haben Dinge vorwegge­nommen, die ich heute noch nicht gehört habe und die ich eigentlich jetzt erzählen wollte. Nun geht mir, ehrlich gesagt, ein bisschen der Stoff aus – aber keine Sorge: Mir fällt in der Sekunde neuer Stoff ein!

Nein, Spaß beiseite: Ich möchte prinzipiell etwas zum Zustandekommen der Budgetbe­gleitgesetze sagen, und zwar – da glaube ich mich durchaus im Einvernehmen mit na­hezu allen Fraktionen hier im Saale – halte ich als Vertreter der Länderkammer diese Sammelgesetze für höchst problematisch. Das möchte ich einmal prinzipiell sagen.

Kollege Lindinger hat heute in seinem Redebeitrag gesagt, wir hätten im Ausschuss 17 Auskunftspersonen benötigt, um alle Gesetzentwürfe überhaupt mit dem fachlichen Rückgrat diskutieren zu können. Selbstverständlich ist das ein Problem, und selbstver­ständlich ist es ein Problem, wenn ich einen Wust an Gesetzentwürfen bekomme. Ich habe gerade versucht, es nachzuvollziehen. Ich glaube, vor ein paar Jahren haben wir 62 Budgetbegleitgesetze gehabt. Es braucht mir kein Mensch zu erklären, dass er in dieser kurzen Zeitspanne seinem Mandat dermaßen weit nachkommt, dass er sich mit 62 Gesetzentwürfen befassen kann. Heuer sind es ohnehin weniger.

Ich halte das für problematisch, und ich halte noch etwas für problematisch, das möch­te ich hier auch sagen. Ich halte es für problematisch, dass wir über diese Budgetbe­gleitgesetzentwürfe en bloc abstimmen, dass es keine getrennte Abstimmung über die Gesetzentwürfe gibt. Das ist ein Problem, auch für die Länderkammer und für das Selbst­verständnis der Länderkammer, denn wenn ich mich selbst ernst nehme, dann muss ich selbstverständlich auch meine Arbeit ernst nehmen, und dann, wenn ich meine Ar­beit ernst nehme, muss ich auch die Möglichkeit haben, die entsprechende Vorberei­tungszeit und die entsprechenden Instrumente in die Hand zu bekommen, weil Folgen­des auch klar ist: Wir haben als Bundesräte natürlich nicht die Möglichkeit, auf externe Mitarbeiter zuzugreifen, die uns bei der Ausdeutschung dieser Gesetzesmaterie zu Hil­fe kommen.

Herr Kollege Edgar Mayer hat vor ein paar Sitzungen – ob zu Recht oder zu Unrecht, darüber will ich jetzt gar nicht werten – gegenüber einem Redner meiner Fraktion ge­meint: Das ist hier jetzt keine rechtliche Abhandlung. – Wenn man sich allerdings diese


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Budgetbegleitgesetze anschaut, wird man draufkommen: Ohne juristisches Rüstzeug wird es nicht gehen! Das ist schon ein Problem, und das möchte ich hier auch dring­lichst diskutiert und angesprochen haben. (Bundesrat Kneifel: Ich gebe dir recht …!)

Das war jetzt kein Angriff, sondern eine Feststellung. Das ist eigentlich mein Ersuchen an alle Fraktionen hier im Haus, zumindest einmal einen neuen Modus anzudenken, weil ich denke und davon überzeugt bin, dass niemand mit dem Ablauf, wie er derzeit vonstattengeht, zufrieden ist. – Das war einmal das Erste.

Das Zweite ist – und auch da hat mir Frau Kollegin Zwazl schon etwas vorweggenom­men, da bleiben wir gleich beim Thema –: Ich halte es auch für problematisch, wenn wir hier Gesetzestexte verhandeln und keine Vertreter der Regierung vor Ort sind. Jetzt ist auch das verständlich, weil ich auch weiß, dass die Frau Staatssekretärin und der Herr Minister andere Dinge zu tun haben, wichtige Dinge zu tun haben. Das ist mir al­les klar, und das ist auch bitte schön kein Angriff (in Richtung Staatssekretärin Steßl), weder auf Sie als Person noch auf den Herrn Kanzleramtsminister.

Der Punkt ist ganz einfach der: Wir beschließen hier nicht ganz unwesentliche Geset­ze, wir haben aber im Ausschuss nicht die Auskunftspersonen, im Plenum nicht die Mi­nister oder entsprechenden Staatssekretäre sitzen; und dann bekommen wir heute vom Herrn Bundesratspräsidenten einen Zeitungsartikel aus der oberösterreichischen „Kronen Zeitung“ ausgeschickt – Gratulation übrigens, das ist ein sehr guter Artikel –, der darauf Bezug nimmt, dass der Bundesrat sich quasi selbst neu erfindet und zum Thinktank des Parlaments werden soll. Das ist eine tadellose Geschichte, absolut in Ordnung. Der Artikel in der „Presse“ war leider nicht so freundlich wie der in der „Kro­nen Zeitung“. Nur: Wenn wir uns diese Tagesordnung so, wie sie heute vorliegt, selbst geben, dann führen wir uns damit leider selbst ein bisschen ad absurdum – und das muss ebenfalls angesprochen sein.

Nicht zuletzt möchte ich anregen – und ich streue da durchaus auch Asche auf mein eigenes Haupt, aber Weihnachten steht vor der Tür, und da kann man durchaus auch einmal jovialer sein –, auch ein bisschen mehr zu sich selbst zu finden und ein biss­chen Selbstkritik zu üben. Ich halte es prinzipiell für notwendig, dass wir Parlamentarier im Allgemeinen am Niveau – auch in der politischen Verhandlung – in diesem Haus ar­beiten. Da nehme ich keine Fraktion aus, da nehme ich auch mich selbst nicht aus.

Es sind heute, im Zuge dieser Diskussion über die Begleitgesetze, mehrmals Dinge passiert, worüber ich mir denke, dass das nicht in Ordnung ist. Ich habe nichts gegen eine harte Debatte, eine harte Debatte ist auch in Ordnung – und ich stehe sicherlich auch nicht im Verdacht, dass ich dem Team Stronach sonderlich nahestehe –, nur, wenn der Kollege vom Team Stronach hier spricht und permanent mit Zwischenrufen traktiert wird, sodass eine normale Diskussionsführung sowie eine normale Debatte gar nicht mehr möglich sind und er Probleme hat, seine Sätze überhaupt auszuführen, dann halte ich das nicht für gut.

Ich halte das System und das Prinzip des Zwischenrufs für richtig und schätze es per­sönlich durchaus auch, wenn ich Zwischenrufe bekomme, weil das auch inspirierend ist. Gerade Kollege Edgar Mayer ist ja ein Meister des Zwischenrufs. (Bundesrat May­er: Danke!) Da sitzt er mit verschränkten Armen, und dann wartet man nur drauf, bis sich die Lippen bewegen, dann kommt irgendetwas geistig Hochwertiges heraus, und man kann dann versuchen, ebenfalls geistig hochwertig zu antworten. (Allgemeine Heiterkeit. – Ruf bei der FPÖ: Da bin ich mir nicht so sicher! – Bundesrat Mayer: Deine Zwischenrufe sind auch nicht unterentwickelt!) Das ist richtig, ich bemühe mich auch. Ich versuche immer, meinen großen Vorbildern nachzueifern. (Allgemeine Heiterkeit.)

Aber es ist einfach schon ein Problem. Ich möchte als 15. Redner jetzt nicht noch ein­mal auf die Problematik eingehen, denn das, was ich mir nämlich inhaltlich vorbereitet hätte, haben Sie (in Richtung Bundesrätin Zwazl) ganz am Schluss gesagt – und da-


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rum war ich so entwaffnet –; das war der Beitrag zu den Freiwilligenorganisationen. Wir sollten uns – und am Ende des Jahres ist durchaus die Zeit dafür – auch einmal bei den Freiwilligenorganisationen bedanken. Ich halte es bei einem Gegenwert von rund 800 000 € mit Verlaub für ein bisschen kleinlich, zu sagen, dass wir das jetzt auch noch wegnehmen.

Das alleine wäre für mich schon ein Grund, dass man sagt – jetzt bitte nicht böse sein –, dass man nicht so kleinlich sein muss, vor allem dann, wenn man bedenkt, welchen Mehr­wert diese Freiwilligenorganisationen gerade im ländlichen Bereich bringen, gerade dort, wo wir vom Roten Kreuz, vom Arbeiter-Samariter-Bund, vom Grünen Kreuz, den Frei­willigen Feuerwehren et cetera – ich weiß nicht: Habe ich noch auf jemanden verges­sen? – ganz massiv profitieren. Dann zu sagen, dass es die Versicherungsbeiträge, diese Unterstützung vom Bund jetzt aber nicht mehr gibt und die die jetzt selbst be­rappen müssen, das halte ich für kleinlich. Das alleine ist ein Punkt, worüber ich sage – seien Sie nicht böse –: Das ist eigentlich wirklich ein Armutszeugnis, wenn wir jetzt um solche Beträge wirklich zu streiten beginnen und dort ansetzen, wovon wir eigentlich alle profitieren.

Wie weit ist es dann mit dem allgemeinen Budget eigentlich her, dass ich dort mit dem Einschneiden anfangen muss? Das muss mir einmal jemand erklären. Ich denke, gera­de in der Länderkammer wird man auch da auf wenig Gegenliebe stoßen, denn nicht umsonst sind hier überdurchschnittlich viele Bürgermeister, Gemeinderäte et cetera ver­treten, die in ihren Gemeinden von der freiwilligen Arbeit ganz massiv profitieren. Das darf man nicht beschneiden, das soll man nicht beschneiden. Jetzt habe ich eigentlich nur eine Zusammenfassung der Ausführungen von Frau Zwazl gemacht, aber ich möch­te trotz allem die Chance nutzen – das Lamperl leuchtet auch schon –, am Ende des Jahres, trotz aller Problematiken, die es immer wieder gibt, für die Zusammenarbeit zu danken.

Auch wenn ich die Rede meiner Klubvorsitzenden heute leider aufgrund eines anderen Termins versäumt habe, habe ich, nachdem ich zurückgekommen bin, innerhalb von fünf Minuten gewusst, was sie gesagt hat, weil alle nachfolgenden Redner nur auf die Worte der Frau Mühlwerth eingegangen sind. Ich kann mir dann denken: So schlecht kann sie nicht gewesen sein!, vor allem dann, wenn wir hören: Das war ein Topfen, was sie gesagt hat. (Bundesrat Mayer: Volltopfen!)

Da drüben haben wir gehört, das war Quaquaqua. Ich bin schon gespannt darauf, wie lange es dauert, wenn wir das nächste Mal sagen, dass vielleicht irgendein Vorschlag ein Holler war, bis wir wieder aufgefordert werden, uns ein bisschen zu mäßigen und mit den Verbalinjurien vielleicht ein bisschen zurückzufahren. Auch das ist mein Appell, nicht immer päpstlicher zu sein als der Papst und dann, wenn man schon bei den an­deren das hohe Niveau einfordert, auch bei sich selbst zu schauen. Da nehme ich mich gar nicht heraus – überhaupt nicht. Ich gelobe auch für das nächste Jahr durchaus Bes­serung und danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bun­desrat Samt: Das wird sich sicher wieder ändern!)

13.06


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Winkler. Ich erteile es ihr.

 


13.06.51

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Frau Staatssekretärin! Hohes Prä­sidium! Ich bin die 16. Rednerin, und ich bin jetzt richtig böse auf den Kollegen Jene­wein, weil ich mich darauf vorbereitet und mir gedacht habe, ich werde zu allem Nein sagen können. (Allgemeine Heiterkeit.) Keine einzige Chance hat er mir geboten. Das nehme ich dir ein bisschen übel, aber mit einem lachenden Herzen. Was hat man als 16. Rednerin wirklich Neues zu sagen? Ein paar Dinge möchte ich aber doch anmer-


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ken, weil ich glaube, dass alleine diese große Anzahl an Rednerinnen und Rednern zeigt, wie wichtig dieser Tagesordnungspunkt ist, für wie bedeutend wir ihn auch ein­schätzen und welch großen Einfluss er auch auf die Gestaltung für das nächste Jahr haben wird.

Ich habe da jetzt ein bisschen geblättert, um zu schauen, ob es wirklich noch Punkte fachlicher Natur gibt, die nicht gesagt wurden – und ich habe gesehen, es ist sehr, sehr viel gesagt worden. Eines ist, denke ich, nicht erwähnt worden, und das möchte ich er­wähnen – auch wenn es nicht das Budgetbegleitgesetz betrifft, sondern das Gesamtbud­get. Ich finde es trotzdem erwähnenswert und möchte es auch unbedingt sagen, dass 52 Prozent des Gesamtbudgets auf für mich enorm wichtige Bereiche fallen, nämlich Arbeitsmarkt, Soziales, Gesundheit und Familienpolitik. Das sind meine Kernthemen. Des­halb sage ich: Vielen Dank dafür, dass es so ist, wie es ist!

Ich denke, wir alle in diesem Saal sind uns auch in dieser Aussage einig: Das nächste Jahr wird eine große Herausforderung bringen, und diese große Herausforderung heißt Arbeitsplätze. Ich denke, auch hier sollte man erwähnen, dass ob der großen Aufga­benstellung, die uns da ins Haus steht, die kein Einziger von uns und von der Regie­rung unterschätzt, trotzdem eine – und das meine ich jetzt wirklich nicht höhnisch, auch wenn es so verstanden werden könnte – enorme Beschäftigung besteht.

Wir haben einen sehr, sehr hohen Beschäftigungsstand, natürlich auch ausgehend von einer hohen Arbeitslosigkeit. Warum ist das so? – Es gibt eine andere Art, wie der Ar­beitsmarkt heute gelebt wird, es arbeiten nämlich viel mehr Frauen und erwerbstätige, ältere ArbeitnehmerInnen sind länger im Arbeitsprozess. Das ist natürlich auch spür­bar. Aber das ist nicht die Antwort auf die Fragen, die sich zur Arbeitslosigkeit stellen werden. Deswegen wird das, so denke ich, 2016 das Thema sein. Ich meine, dass ich viele Kolleginnen und Kollegen habe, die das auch so sehen.

Aber da ich schon keine fachliche Möglichkeit habe, hier etwas wirklich Neues zu sa­gen, lassen Sie mich wenigstens auf ein paar Statements oder Aussagen meiner Kolle­gen eingehen. Wenn Frau Dr. Reiter sagt, wir sind die Vertreter der Länderkammer und wir wollen vor allem diesen Fokus sehr stark beleuchten, dann gebe ich ihr recht: Heidelinde, das ist so. Wir werden im nächsten Jahr bei den Finanzausgleichsverhand­lungen – dort geht es immerhin um die unglaubliche Summe von 80 Milliarden € – ein sehr waches Auge darauf haben, wie das über die Bühne geht. Es soll aber nicht nur dieser Geldfluss besprochen werden, sondern eine grundsätzliche Reform geben. Die eingeforderte Transparenz wird da ein Thema sein.

Ich schaue meinen niederösterreichischen Kollegen Zelina an und muss ihm sagen: Du weißt, dass wir das eine oder andere Mal vielleicht Themenkreise fanden, bei denen wir uns einigen konnten, aber heute hat es mir mein sozialdemokratisches Herz fast zerrissen, als du gesprochen hast. Wenn ein Politiker nicht versteht, dass ein Staat nicht so wie ein Unternehmen zu führen ist, dann tut es mir leid. Das ist eine andere Aufgabenstellung! Das heißt nicht – bei Gott nicht –, dass wir nicht sorgsam mit den uns übergebenen Finanzmitteln umzugehen haben – das meine ich nicht –, aber von einem Firmenchef, einem Aufsichtsrat und dem obersten Ziel der Werteschaffung zu reden ist für mich als Sozialdemokratin nicht der Grund, warum ich in die Politik ge­gangen bin.

Ich sehe mich – und ich glaube, viele in diesem Raum sehen sich so – als Ausgleich zwischen Menschen, die es leichter haben, und Menschen, die es schwerer haben, zwischen der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Förderung jener, die sie ermögli­chen. Ich schaue jetzt Sonja an, die unser Rückgrat der Wirtschaft vertritt, nämlich nicht die Konzerne, sondern die Klein- und Mittelbetriebe. Die sind das Rückgrat der Wirtschaft, und nicht die Konzerne mit den Aufsichtsräten und ihren ganzen Gremien.


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Hätten wir die Klein- und Mittelbetriebe nicht, würde es schön ausschauen in Öster­reich.

Wenn du dann weiters irgendwelche Dinge darüber sagst, wie man sorgsam mit den Mitteln umgehen muss, dann muss ich dich schon daran erinnern, wie euer Partei­gründer über Kärnten, die Eröffnung des Werkes und die positiven Aussichten, wie vie­le Menschen dort beschäftigt sein werden, gesprochen hat. Weißt du, wie viele trotz wirklich guter Ertragslage dort jetzt beschäftigt sind? – 80 Menschen! Jetzt würde ich mich nicht hierher stellen und sagen, Schaffer von Arbeitsplätzen zu sein. Da sehe ich eher die Klein- und Mittelunternehmungen als Schaffer von Arbeitsplätzen, und nicht den Konzern, der mit Robotern und 80 Mitarbeitern – die froh sein werden, dass sie dort ihre Arbeit haben, und das schätze ich nicht gering – arbeitet; aber der ist nicht der Ausschlaggebenden, um in Österreich Arbeitsplätze zu schaffen.

Es fällt mir jetzt schwer, weil Kollege Jenewein heute so nett und verbindlich gespro­chen hat, aber ich muss zum Herrn Kollegen Pisec trotzdem etwas sagen. (Bundesrat Schennach: Das ist nicht so schwer! – Ruf bei der SPÖ: Da fiele mir gleich etwas ein!) – Kollege Jenewein hat mir ein bisschen die Emotion genommen, das nehme ich ihm übel.

Ich finde es wirklich schade, dass man immer alles schlechtredet. Es gibt den Ideal­zustand nicht, und wenn wir uns nicht weiterentwickeln wollen, nur weil wir warten wol­len, bis der Idealzustand kommt, dann finde ich mich hier nicht wieder. Ich möchte an einer Entwicklung des Staates Österreich mitwirken, der sich im Kontext der kom­pletten Entwicklung unserer Gesellschaft auch anders entwickeln muss. Immer zu sa­gen, alles ist schlecht, das ist schlecht, das geht nicht und das hätte noch viel besser sein können, ist nicht der richtige Zugang. Etwas kann immer noch ein wenig besser gehen, aber jeder Entwicklungsschritt ist zu begrüßen, und das hier zu beschließende Gesetz ist ein Entwicklungsschritt, der zu begrüßen ist.

Was habe ich mir noch aufgeschrieben? – Einkommen: Kollegin Ecker hat gesagt, die Familie ist eines unserer wichtigsten Dinge, die wir haben. Das unterschreibe ich blind, ungesehen. Ich glaube, dass eine Steuerreform, die vor allem Einkommensschwachen zugutekommen wird, die Familie fördern wird, auch wenn du es nicht glaubst. (Bundes­rätin Ecker: Die werden beim nächsten Lohnsteuerausgleich aus allen Wolken fallen, weil sie sehen, dass sie nichts mehr zurückkriegen!) – Ja, das werden wir dann En­de 2016 oder Anfang 2017 besprechen; dann werden wir sehen, wer von uns beiden recht gehabt hat. Eines möchte ich dir noch sagen, nämlich dass vor allem Bevölke­rungsschichten mit einem schlechten Bildungsstand armutsgefährdet sind. Deswegen sind wir auch da am richtigen Weg, weil wir auch in der Bildung auf die Zukunft set­zen – und auch das wird diesen Familien zugutekommen.

Da das Lamperl schon leuchtet, werde ich aufhören. Ich denke doch, dass wir hier – auch wenn wir nicht den Idealzustand haben, den sich jeder wünscht – ein Gesetz zu beschließen haben, das unserer Zustimmung wirklich würdig ist und auch bedarf. Des­wegen wird meine Fraktion diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.16


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic. – Ich bitte sehr. Habe ich den Namen richtig ausgesprochen?

 


13.17.12

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Ja, Sie haben es richtig ausge­sprochen. Ich möchte als vorletzte Rednerin noch auf etwas eingehen, und zwar auf ei­ne langjährige Forderung der Grünen, die jetzt umgesetzt wird und die erstaunlicher­weise alle als einen Erfolg betrachten. Sie wissen, die Auslandsdienste, wie zum Bei-


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spiel der Gedenkdienst, waren vorher beim BMI angesiedelt und nur Männer, die wehr­pflichtig waren und sich für einen Auslandsdienst gemeldet haben, wurden zugelassen. Das hat sich jetzt geändert. Dieses Ansinnen geht auf einen Entschließungsantrag der Grünen zurück, der im Zuge der Zivildienstgesetz-Novelle 2013 einstimmig im Natio­nalrat beschlossen wurde.

Positiv dabei ist auf jeden Fall, dass es jetzt einen Ausbildungscharakter erhält und auch dass durch die Verschiebung in das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht nur das Budget, die Finanzierung transparenter wird, sondern auch Evaluierungen in den Sozialberichten vorgesehen sind, was ich persönlich für sehr wichtig halte. Weiters wird es möglich sein, dass die Familienbeihilfe weiterhin gewährt werden kann, was auf jeden Fall auch den Menschen zugutekommt, die für diesen freiwilligen Dienst ins Aus­land gehen.

Das, was trotz aller Freude über die Umsetzung fehlt, sind nach wie vor die Richtlinien der Vergabe, die Zusicherung der Basissubvention, aber auch die Antwort auf die Fra­ge, wie das in Zukunft sozialrechtlich gelöst werden wird, beispielsweise wenn es um die Weiterversicherung geht. Insofern ist diese Evaluierung, glaube ich, etwas sehr Wichtiges, weil man da in Zukunft die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen auch ein­fach nachlesen können wird und sich anhand dessen überlegen kann, welche Verbes­serungsmaßnahmen notwendig wären.

Alles in allem freut es uns also sehr. Die finanziellen Rahmenbedingungen werden wir immer wieder ins Gedächtnis rufen, genauso wie die Kriterien für die Vergabe. Wir wür­den uns wünschen, dass die Evaluierung beziehungsweise die Ergebnisse der Eva­luierung per Ausschussfeststellung dokumentiert werden. Ansonsten kann ich Sie ger­ne daran erinnern, dass am 5. Dezember nicht nur Krampustag ist, sondern auch Tag des Ehrenamtes – wie passend. Als eine von denen – weil das heute schon einmal gefallen ist –, die die deutsche Sprache gut erlernt hat, kann ich Sie auch auf eine ak­tuelle Studie verweisen, wonach sich über 50 Prozent der Migranten und Migrantinnen ehrenamtlich in Österreich beteiligen, also ehrenamtlich aktiv sind. Ich glaube, dass das für beide Seiten eine sehr wichtige integrative Funktion hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

13.19


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster und vorläufig Letzter zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Rösch. – Ich erteile es Ihnen.

 


13.20.11

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrtes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Budgetbegleitgesetz haben wir jetzt von sehr vielen gehört, dass sie sehr zufrieden sind, die anderen wollen es unterstützen – gerade dass wir nicht gehört haben, es ist der Weisheit letzter Schluss. Einer der glühendsten Verfechter war gleich am Anfang Edgar Mayer, der polternd All­gemeinplätze zur Verteidigung dieses Budgetbegleitgesetzes ohne erkennbare sachli­che Argumente von sich gegeben hat, dafür hat er aber Kollegen mit Hohn und Beleidi­gungen kritisiert. Also muss ich ganz ehrlich sagen, wenn das sachlich abgelaufen wä­re, wenn das korrekt gewesen wäre, wären wir vielleicht einer Meinung gewesen. Aber Klubobfrau Monika Mühlwerth ganz einfach so anzugehen, das ist, glaube ich, kein guter Stil. Aber es ist Ihr Stil, darüber werde ich nicht befinden können. (Bundesrätin Zwazl: Hast du aber gerade! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Aber es ist ganz einfach so, dass man eher sachlich reden soll. Wir haben auch einen Livestream. Die Österreicherinnen und Österreicher, die da zuschauen, sollen auch wissen, warum man gegen irgendetwas ist, warum man das Budgetbegleitgesetz so gut gefunden hat oder wo es Kritik gibt. Es wird von der Regierung ganz einfach er-


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wartet, dass sie ordentliche Lösungen für Probleme bietet. Dafür wird eine Regierung auch gewählt. Dafür tritt eine Regierung an, und wenn dann Allgemeinplätze in einem Begleitgesetz drinnen sind, dann muss man sich auch gefallen lassen, dass es Kritik gibt.

Und wenn man das dann so flapsig abtut, dass Mitarbeiter von Zielpunkt – aber nicht nur Zielpunkt, der jetzt mit 2 500 Betroffenen am größten aufschlägt, sondern auch Schirn­hofer, AGO heute mit 1 000, Texhages und viele, viele nur in einer Woche – das Pro­blem haben, dass ihnen kurz vor Weihnachten – aber auch, wenn nicht Weihnachten ist – die Banken kein Geld mehr geben, sobald die wissen, dass sie in einer insolven­ten Firma sind, dann ist das nicht in Ordnung. Die Mitarbeiter wissen nicht, wie sie ihre Mieten zahlen sollen, wie sie die Heizung zahlen sollen, wie sie ihren Kindern für die Schule das eine oder andere mitgeben sollen. Da muss es doch logische, schlüssige Möglichkeiten geben, wo man sagt, das machen wir so und so, da werden wir ganz einfach … (Bundesrätin Zwazl: Ja, gibt es eh! Die Abwicklung macht die Arbeiterkam­mer!)

Ja, aber wann bekommt man das? Es ist meistens so, dass man nach drei, vier Mo­naten Geld bekommt. Wir können darüber reden: Wenn ich Arbeiterkammer höre, kön­nen wir über die Sozialpartner reden, überhaupt kein Problem. Wir haben dort den ISA. Der ISA ist an und für sich eine sehr angesehene Institution, eine Tochtergesellschaft von ÖGB und Arbeiterkammer, die hilft, mit den Rücklagen der Arbeiterkammer als Si­cherheit mit 350 Millionen € Einnahmen – da kann man den Banken schon eine ge­wisse Sicherheit geben – das Ganze zu überbrücken, bis das Insolvenzentgelt kommt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Das sind ja 500 …!) – Ich würde Ihrem Zwi­schenruf gerne folgen können, weil das nämlich wirklich so einfach lösbar ist. (Bundes­rätin Zwazl: Das Geld ist ja da!)

Ja, das Geld ist da. Man muss es auch lockermachen können, und über diesen Verein würde es am leichtesten gehen. Es muss nur ein politischer Wille da sein. (Bundesrätin Kurz: Das ist ja Blödsinn!)

Ich unterstelle jetzt Rot und Schwarz, dass der politische Wille ganz einfach nicht da ist, sonst würden wir es ja machen. Es hindert uns ja keiner, das durchzusetzen.

Dann werden wir in der nächsten Woche eine Lösung präsentiert bekommen. Es wür­de mich wirklich freuen für alle … (Bundesrätin Zwazl: Insolvenzfonds sind ja da, der ist ja gefüllt! Dann zahlen Sie ihn aus!)

Aber die Praxis ist so, dass man oft Monate darauf wartet. Ich habe Ihnen jetzt viele Betriebe genannt. Nicht nur die Betroffenen von Zielpunkt, auch die anderen Betrof­fenen haben ein Problem, wenn sie kein Geld bekommen. Können Sie garantieren, dass das so schnell abgehandelt werden kann für einige Tausend? (Bundesrätin Mühl­werth: Lass dich nicht drausbringen von der Frau Zwazl!)

Wir wollen ganz einfach, dass die Lösungen für die Betroffenen rasch umgesetzt wer­den. Dieses Begleitgesetz ist ja auch keine Lösung für 1,3 Millionen Arbeitslose im Jahr, die zumindest einen Tag im Jahr arbeitslos sind, die sich auch schon viele Ge­danken machen müssen über unsere wirtschaftliche Lage und darüber, wie sie denn einmal zu Pensionen kommen werden. Vielen wird geraten, vorzusorgen, dieses und jenes zu machen. Die können das alles nicht. Früher hat meistens ein Mann gearbeitet, ein Haus bauen können, vielleicht ein altes Auto gehabt. (Bundesrat Beer: Na geh, da hat doch nicht jeder ein Haus bauen können, das ist doch eine Illusion!)

Ja, früher war das so, dass meistens, sage ich, der Mann gearbeitet hat. (Bundesrat Beer: Was ist denn das für eine Romantik?!) Aber oft ist es sich dafür ausgegangen. Heute ist ja die Wahrheit so, dass Mann und Frau miteinander das nicht mehr schaffen,


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nicht einmal darüber nachdenken können, ob sie auf Urlaub fahren, sondern ein gro­ßes Problem haben, ihre Konsumschulden zu decken.

Ich sehe auch keine Lösung für die steigende Arbeitslosigkeit. Sozialminister Hundstor­fer hat uns 2014 oder 2013 schon gesagt, 2015 wird alles besser werden. Heute wis­sen wir, wir werden noch bis 2018 warten müssen, wenn wir unsere Strategie nicht än­dern. Die Strategie ist doch so, dass wir zwar wissen, dass wir den einen oder anderen Zuwanderer brauchen würden, wir uns aber auch immer selbst täuschen, indem wir die Türen aufmachen und sagen, da kommen jetzt alle, die wir brauchen, das sind lauter Akademiker. Nur: Das sind nicht lauter Akademiker. Wir wissen durch die ganzen NGOs schon, wer wohin geht. Das ist das große Problem, dass die Gebildeten woanders nach Europa gehen und schon wissen, wo man am besten aufgehoben ist, wo es die besten Sozialstandards gibt, wo man am besten überleben kann.

Ich verstehe diese Leute, die da zu uns kommen – alle. Ich verstehe diese Leute alle, denn wenn mich heute jemand fragen würde, ob ich ein Jahr lang irgendwo hingehe, dann würde ich, obwohl ich keinen Krieg erleben muss, auch sagen, ja, das machen wir, wenn ich irgendwo Geld angeboten bekomme. Die flüchten tatsächlich, aber oft aus wirtschaftlichen Gründen, und die kommen alle schon aus sicheren Drittstaaten. Da muss man ganz ehrlich sagen … (Bundesrätin Kurz: Haben Sie heute die Situation in Griechenland gesehen in der Zeitung? Haben Sie das gesehen?) – Ja, aber da wer­den wir die Situation vor Ort lösen müssen, weil vor Ort die Hilfe oft 1 €, 2 €, 3 € kostet und die gleiche Hilfe bei uns in Österreich mit unserem Sozialsystem ganz einfach viel mehr kostet. Machen wir uns doch nichts vor, wenn ich da schon von den Ehrenamt­lichen höre und von den NGOs und, und, und: Das ist doch in Wirklichkeit schon eine Milliardenindustrie!

Ja, die sind auch alle beschäftigt. Stimmt. Wir müssen schauen, dass wir Menschen in Beschäftigung halten. Aber es ist auch die Arbeit wichtig, die produktive Arbeit, dass das irgendwie ganz einfach finanziert wird.

Zum Beispiel dann auch unsere Österreicher, die wollen wirklich eine Antwort! Die Ju­gendlichen, die von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind, die wollen von uns eine Ant­wort! – Die finde ich hier nicht. Die Arbeitslosen über 50 wollen eine Antwort! – Finde ich hier nicht. Ein Drittel der Arbeitslosen ist mehr als ein Jahr lang arbeitslos! – Finde ich hier nicht. Ja, es gibt ab und zu irgendwo wieder ein bisschen Geld, wo wir schon wissen, das wird hinten und vorne nicht reichen, wenn ich mir die große Institution in Wien anschaue, den waff, wo wir jetzt die ganzen Deutschförderkurse machen und, und, und. Es wird aber in der Wirtschaft nicht so ankommen, wie man das ganz einfach gerne hätte. Es ist einfach blauäugig, immer davon zu reden, dass wir das rundherum ausdehnen müssen. Das kostet immer mehr Geld, und irgendwer muss ja dann so pro­duktiv sein und das Ganze auch verdienen. Es ist einfach unfair auch denen gegen­über, die auf dem Arbeitsmarkt verdrängt werden.

Wir sehen ganz einfach, dass die Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt stattfindet, ob­wohl die Arbeitslosigkeit vom Zuzug ganz einfach auch überproportional ist.

Und das kann man nicht wegleugnen. Das sind die statistischen Zahlen. Und da wollen die Österreicherinnen und Österreicher ganz einfach ordentliche Antworten. Das biss­chen Geld ist doch nur eine Alibimaßnahme!

Ich sehe das zum Beispiel beim AMS, wenn wir 300 Mitarbeiter aufstocken und auf dem Arbeitslosenmarkt in Wirklichkeit fast eine Verdreifachung in den letzten Jahren gehabt haben; 250 000 Mindestsicherungsbezieher, die jetzt noch dazukommen; eine Rot-Weiß-Rot-Card, die von den Mitarbeitern ausgegeben wird. Die Mitarbeiter dort tun mir wirklich leid, die können in ein, zwei, drei Minuten kein Beratungsgespräch mehr durchführen. Das ist nur mehr Alibi, das ist kein Service! Das ist nur mehr eine Ar-


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beitslosenverwaltung, das ist eine Kapitulation! Und hier würde ich mir von Gesetzen wünschen, dass das irgendwo seinen Niederschlag findet, und nicht, dass wir uns ganz einfach von Periode zu Periode weiterwurschteln. (Beifall bei der FPÖ.)

13.30


Präsident Gottfried Kneifel (den Vorsitz übernehmend): Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Rene Pfister. Ich erteile es ihm.

 


13.31.03

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Das Thema betrifft nicht nur die Budgetbegleitgesetze, sondern es wird ja dann immer zu einem Rundumschlag oder zu einer Abrechnung genutzt, und zwar bei Dingen, die man selber nicht einmal ansatzweise selber lösen kann, ge­schweige denn bei denen man irgendwelche Antworten hat, außer billigem Populis­mus. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Auch Sie, Frau Mühlwerth, haben schon in der Früh – es hat mich schon schwer gehalten dort auf dem Platz – da einen wirkli­chen Humbug von sich gegeben, weil es einfach billiger Populismus ist, den Sie da an den Tag legen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Bundesrat Rösch: Wären Gesetze populär, hätten die Österreicher kein Problem da­mit!)

Und wer Kolleginnen und Kollegen von Zielpunkt kennt, wer mit ihnen und den Be­triebsrätinnen und Betriebsräten spricht, wird genau nicht das von sich geben, was Sie da machen, das finde ich wirklich schäbig. Das finde ich schäbig, wenn man sich da herstellt und sagt, es funktioniert gar nichts, es passiert nichts. (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth. – Bundesrat Rösch: Jetzt die Lösung!) Ich erinnere an die Dis­kussionen, die da geführt wurden, wo Sie die Situation beinhart ausnutzen, dies auf dem Rücken von über 3 000 Beschäftigten. Sie stellen sich da einfach her und sagen: Es funktioniert nichts, es passiert gar nichts, und die Regierungsparteien sind alle schuld. (Bundesrat Rösch: Sie tun nichts!) Ihre Lösungen sind nur, sich hier herzustellen und zu sagen, es funktioniert nichts. Die Lösungen machen wir, die Lösungen machen der Sozialminister, die Bundesregierung, der Finanzminister, und alle arbeiten dafür. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die Arbeiterkammer, der Gewerkschaftsbund, der Sozialminister, der Finanzminister ar­beiten, arbeiten rund um die Uhr dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen ihr Geld noch vor Weihnachten bekommen, Punkt 1; Punkt 2, dass es Sozialpläne gibt; Punkt 3, dass die Lehrlinge dort ihre Lehrlingsausbildung fertigmachen können. Das geschieht alles. Schreiben Sie das bitte auch! (Beifall bei der SPÖ.)

Schreiben Sie bitte, dass das geschieht, und jammern Sie nicht, dass nichts hinhaut! (Bundesrat Herbert: Kollege Pfister, wenn man nichts zusammenbringt, ist das keine Lösung!) Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten tagtäglich. Es gibt KollegInnen, die heute im Geschäft stehen, die diese Diskussionen führen müssen. Diese KollegInnen können genau gar nichts dafür. Die Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die Personalver­treter stehen hinter der Belegschaft und stehen hinter den Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmern (Bundesrat Herbert: Wer weiß das außer dem Minister noch? – Bun­desrat Beer: Zum Beispiel die Bediensteten!), genauso wie es die Regierung auch macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch Frau Kollegin Zwazl hat das schon angeführt: Mit sechs Banken wurden Verein­barungen getroffen, dass die Überziehungszinsen gestundet und nicht verrechnet wer­den. Es sind viele Dinge geschehen, die die Kolleginnen und Kollegen von Zielpunkt betreffen. Ich finde es wirklich sehr, sehr traurig und sehr, sehr schade, dass Sie sich da herstellen und 20 Tage vor Weihnachten, in einer Zeit, die nicht sehr einfach ist im ganzen Handelsbereich, genau auf den Kolleginnen und Kollegen herumhacken.


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Wir können sehr gerne darüber diskutieren, was in den letzten Jahren im Handelsbe­reich passiert ist und wie viele Pleiten es dort auch gegeben hat. Wir können diskutie­ren, wie schnelllebig das Ganze ist. (Bundesrat Rösch: Die wollen Hilfe haben!) Wir diskutieren aber eines nie: dass zwischen 2008 und 2009 eine Finanzkrise nicht nur Europa, sondern die ganze Welt getroffen hat, und wir diskutieren auch nicht darüber, was zwischen 2000 und 2006 oder 2007 – und das ist heute schon kurz angesprochen worden, das wird aber dann von jeder Fraktion immer relativ schnell weggewischt – an Arbeitsplatzverlusten, an Imageschaden alleine mit dem Finanzplatz Österreich – ich schaue den Herrn Kollegen Dörfler an – allein in Kärnten passiert ist. Über diese Dinge wird hier nicht diskutiert, sondern das wird dann totgeschwiegen oder vom Tisch ge­wischt. (Bundesrat Samt: … Untersuchungsausschuss jetzt beschäftigt! – Bundesrat Je­newein: Das sind Kollegen von Ihnen!) Und genau diese Dinge werden dann nicht an­gesprochen, es wird von Ihnen nicht klargestellt, was da passiert ist.

Und wenn ich heute auch nicht zu den Budgetbegleitgesetzen rede, also da auch eine kleine Themenverfehlung vorliegt, möchte ich Ihnen nur sagen: Sie behaupten, die 1, 2, 3 € seien kein Problem. Aber der UNHCR sagt in seinen Veröffentlichungen, sie ha­ben nicht mehr die Möglichkeit, die Leute in diesen Camps, Auffanglagern, Flüchtlings­zonen, wie immer man das auch nennen möchte, zu verpflegen, weil das Geld interna­tional fehlt. Die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen sind Essen, Trinken und das Überleben. Und wenn es diese Möglichkeiten nicht gibt, haben die Kolleginnen und Kollegen, die Damen und Herren dort keine anderen Möglichkeiten als einen Weg in Angriff zu nehmen, um die Chance zu bekommen, ein besseres Leben zu haben.

Sie stellen sich da her und versuchen, wirklich alles in einen Topf zu schmeißen und jemandem Untätigkeit vorzuwerfen, obwohl Sie selber einfach nichts, sondern nur bil­lige Polemik machen. Und ich sage Ihnen wirklich auch: Die Kolleginnen und Kollegen nicht nur von Zielpunkt, sondern im ganzen Handel, das sind überwiegend Frauen, die nicht einmal Vollzeitjobs haben, sondern das sind Teilzeitjobs, geringfügig Beschäftig­te, die gar keine Möglichkeit haben, das sind Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher, das sind junge Frauen, die einfach keine Möglichkeit haben. (Bundesrat Herbert: Dann tut was für die Mitarbeiter!)

Wenn Sie sich dann hier herstellen und nur eine Aussendung oder eine Worthülse nach der anderen von sich geben und sagen, es geschieht nichts, dann, lieber Herr Kollege Rösch, kann ich Ihnen da leider nicht beipflichten und auch nicht den VorrednerInnen, die zu diesem Thema gesprochen haben. Die Interessenvertretungen gemeinsam mit der Wirtschaftskammer, ob das die Arbeiterkammer oder die Sozialpartner sind, setzen sich tagtäglich dafür ein und setzen sich auch zur Stunde dafür ein, dass dort Pläne verhandelt werden, dass es Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung für die Kolleginnen im Einzelhandel, im Zielpunkt-Konzern oder in anderen Unternehmungen gibt. Genau das geschieht. Das geschieht aber nicht, indem man sich hinstellt und zuerst Presse­aussendungen schreibt und dann nichts macht, sondern wir machen es anders: Wir gehen zuerst hin, regeln das, helfen den Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Und wenn es die Ergebnisse gibt, dann werden wir sie auch kommunizieren. Und diese Ergeb­nisse sind auch kommuniziert. Der Herr Sozialminister, der Herr Finanzminister und alle Kolleginnen und Kollegen in der Regierung arbeiten mit Hochdruck daran, dass den Kolleginnen und Kollegen bei Zielpunkt geholfen wird. (Bundesrat Rösch: Die wol­len eine Garantie haben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, mit den Budgetbegleitgesetzen, die dann zu diesem Thema auch ausufern, geht es darum, dass wir hier in der Länderkammer gemeinsam beweisen, dass die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewahrt werden und dass die Bundesregierung wirklich alles dafür tut, dass den Kolle­gInnen nicht nur im Zielpunkt-Konzern, sondern in allen betroffenen Unternehmungen, die damit Probleme bekommen, geholfen wird. Und das ist die Aufgabe, die die Bun-


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desregierung wahrnimmt, die der Sozialminister wahrnimmt, die alle Regierungsmitglie­der tagtäglich wahrnehmen. Und ich glaube auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das, was den Österreicherinnen und Österreichern hilft. Und das ist vor allem auch das, was den Kolleginnen und Kollegen bei Zielpunkt und anderen Unternehmungen hilft. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

13.39


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Dörfler.

 


13.39.24

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Prä­sidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich schon angesprochen werde, dann werde ich einen sehr ernsthaften Beitrag zur Situation liefern.

Das Thema Zielpunkt zieht sich wie ein roter Faden durch die heutige Diskussion. Wir müssen aber etwas weiter ausholen. Wir werden massiv verändert und haben alle ge­meinsam, da nehme ich niemanden aus, in Wahrheit keine Idee, wie wir diese Krisen­situation meistern können.

Schlecker, bauMax, Zielpunkt, Konsum, kleine Handelsbetriebe, Tante-Emma-Läden, klei­ne Modegeschäfte: Ganze Straßenzüge werden in vielen Orten und Städten Öster­reichs leergefegt. Schirnhofer, Bäckereien zu Hunderten, Fleischhauereien zu Hunder­ten, Niedermeyer, LIBRO, DiTech, Feininger, Cosmos – das sind nicht alle, welche in Insolvenzen schlittern beziehungsweise zusperren oder bestenfalls von anderen über­nommen werden.

Was ist das Problem? Es geht darum, dass wir nicht daran vorbeireden, weder sozusa­gen populistisch vereinfachen noch regierend zudecken. Das ist in Wirklichkeit unser heutiges Problem. Wo liegt das Dilemma der 50 000 Arbeitslosen im Handel? Jede und jeder dieser Frauen und Männer ist für mich jedenfalls eine persönliche Herausforde­rung. Da sollten wir nicht populistische Spielbälle hin‑ und herspielen und sagen, der eine ist mehr schuld und der andere weniger, sondern wir sollten dem Problem in die Augen schauen.

Faktum ist, dass Österreich im europäischen Vergleich viel zu viele Handelsflächen hat. Was heißt das? – Zielpunkt wird nicht das letzte Drama in Österreich sein, das heißt, wir werden im internationalen Marktbereinigungsprozess eine weitere Bereini­gung an Handelsflächen haben. Das ist die Wahrheit, und da haben wir alle keine Ant­worten. Das heißt, wir müssen überlegen, was wir schon hinter uns haben und was auf uns zukommt. Wir wissen, dass wir auch im Baumarktbereich viel zu viele Flächen ha­ben, wir wissen, dass wir overbankt sind, wir wissen, dass der Internethandel, Amazon und Co, uns das Geld aus der Tasche zieht, Arbeitsplätze in Österreich vernichtet und hier keine oder kaum Steuern zahlt.

Die Kleinen (in Richtung Bundesrätin Zwazl) – Sonja, da gebe ich dir zu hundert Pro­zent recht – sind die Leistungsträger der Nation, die kleinen Hackler und die kleinen und mittleren Gewerbebetriebe. Hier gilt es, auch politisch Antworten zu finden. Wie können wir mit vorausschauender Politik auf das Problem zugehen, ohne es schönzu­reden, aber auch nicht populistisch schlechtzureden?

Schauen wir uns doch die Bankenlandschaft an! Über die Hypo können wir gerne reden, ich habe sie nicht notverstaatlicht, das haben schon Herr Pröll und seine Spieß­gesellen gemacht. Wir können gerne über die Banken in Österreich reden. Es gibt kei­ne Länderbank mehr, die BAWAG gehört einem amerikanischen Hedgefonds, und die gloriose CA gibt es ja auch nicht mehr. Und dann gibt es die Problematik bei der Bank Austria, dort müssen Tausende Menschen eine Betriebsversammlung machen. Sie wis­sen nicht, ob sie in zwei Jahren noch Arbeit haben, Herr Kollege aus der Steiermark.


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Das ist keine politische Einfärbung, da gibt es kein Rot, Schwarz, Blau, das ist das Pro­blem Österreichs, das mir Sorgen macht und uns Sorgen machen muss. Darüber ha­ben wir uns zu unterhalten! Es hilft niemandem, wenn wir daran vorbeireden und so tun, als wenn wir diese Probleme nicht hätten.

Schauen wir uns die Bierwirtschaft in Österreich an, ich komme ja nicht nur aus der Ban­kenlandschaft, sondern auch aus der Bierwirtschaft: Zipfer, Kaiser, Schwechater, Pun­tigamer, Gösser, Reininghaus, Villacher, Schleppe – das trifft mein Kärntner Herz ganz besonders. Wem gehören sie? – Dem holländischen Heineken-Konzern. Die wollen in Österreich nicht investieren, die wollen optimieren. Wissen Sie, was optimieren heißt? – In Kärnten werden die Vertriebsapparate der Brauunion mit dem Vertriebsapparat der Villacher Brauerei, bei der ich einmal Geschäftsführer war, und der Schleppe Brauerei zusammengelegt. Das heißt, Kärnten wird wieder 150 bis 200 Arbeitsplätze verlieren, weil der Eigentümer ein Cash-Eigentümer ist, der kein Herz für Österreich hat, für die Steiermark nicht, für Puntigam, für Reininghaus und für Gösser nicht. (Bundesrat Pi­sec: Das ist zu teuer!) Dem ist Leoben so etwas von egal!

Die haben auch die Brauerei Laško in Slowenien gekauft, die haben auch Karlovacko in Kroatien gekauft. Wissen Sie, was deren Strategie ist? – In Kärnten, in der Steier­mark, in Slowenien und in Kroatien soll aus diesem ganzen Sammelsurium der Brau­ereien, die sie gekauft haben, ein Braustandort entwickelt werden. Das heißt, es kann uns passieren, dass Gösser in Laško gebraut wird, dass Villacher in Laško gebraut wird, und wir picken nur noch die Etiketten drauf.

Das sind die Probleme, die sich uns stellen! Das kleine Österreich ist da wehrlos. Ich bitte wirklich alle politisch Verantwortlichen – da werde ich innerlich ganz aufgewühlt –, reden wir doch nicht am Problem vorbei! Und da frage ich mich schon, wo denn eine Kartellgesetzgebung in Österreich ist, die verhindert hat, dass die Brauereien fusioniert werden. Wo ist eine Kartellgesetzgebung, die verhindert hat, dass der eine den ande­ren aufkauft und im Grunde die Arbeitsplätze wegradiert? Das Marketing wird zusam­mengelegt, die Lohnbuchhaltung wird zusammengelegt, der Vertrieb wird zusammen­gelegt. Und es wird wie immer optimiert. – Optimierung ist eine Bedrohung für die Men­schen und Arbeitsplätze!

Es ist wirklich beschämend, wie wir uns heute vom ersten Redebeitrag bis zum letzten sozusagen einen Zielpunkt-Spaß leisten. Davon sind fast 3 000 Menschen betroffen, die nicht wissen, wie es weitergeht. Ich stand vor dieser Situation in Kärnten, 2013 bei GriffnerHaus. Ich weiß, was es heißt, wenn du um 6.30 Uhr in der Früh vor Hunderten Menschen stehst und dann Leute zu dir kommen und sagen: Herr Landeshauptmann, ich würde mit dir gerne persönlich reden. Der eine hat zwei ledige Kinder und sagt, für ihn ist es das Wichtigste, die Alimente pünktlich zu zahlen. Der Zweite hat Hausraten zu zahlen und kann es nicht, denn die hatten schon zwei Monatslöhne und das Weih­nachtsgeld nicht bekommen. Der Dritte hat das Problem, dass er eine Autoreparatur zu zahlen hat. Das sind Schicksale, die für uns ja in Wirklichkeit gar nicht vorstellbar sind, und da ist es unfair und inkorrekt, dass wir hier eine Zielpunkt-Show abführen.

Beim Insolvenzausgleichsfonds und bei dieser Abwicklung brauchen wir nicht zwischen wer zahlt und wer abwickelt hin- und herspielen. Das ist typisch Sozialpartnerschaft: Der eine gibt das Geld, und der andere wickelt schleppend ab. Faktum ist, dass wir da­mals dort aus dem Topf „Hilfe für besondere Lebenslagen“ allen Mitarbeitern 2 000 bis 3 000 € umgehend vorausbezahlt und das dann aus dem Insolvenzausgleichsfonds zu­rückgefordert haben.

Es ist ja in Wirklichkeit beschämend, dass am Sonntag in der „Kronen Zeitung“ zwei Mitarbeiterinnen von Zielpunkt dem Herrn Bundeskanzler sozusagen vorwerfen, wo er denn ist. In diesem Moment hast du bei den Menschen zu sein. Das ist, glaube ich, ein bisschen die Reibung, die ich heute auch gespürt habe. Wir wissen, wir können den Men-


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schen nicht morgen wieder einen neuen Arbeitsplatz geben, aber sie haben ein Recht darauf, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will diese Sorgen von morgen auch heute in der Politik ernst genommen haben. Wis­sen Sie, wie man in Österreich vorgeht? Das AMS macht – mit viel Geld wahrschein­lich – die Kampagne Mitarbeiter „50+“. – Super! Wissen Sie, was die österreichische Post macht? Bericht, 13. November: Die staatliche Post bringt ihren über 50-Jährigen besondere Briefe. Die Post lockt mit der Verdreifachung der Abfertigung und legt als freiwillige Abfertigung je nach Alter und Dauer der Firmenzugehörigkeit noch einige Mo­nate drauf.

Das heißt, ein Unternehmen, das noch immer den Eigentümer Republik Österreich mit Sperrminorität hat, gibt den Leuten sozusagen den „Köderfisch“ Geld, damit sie sich von der Post absondern, entfernen, oder wie immer man das nennt, und gleichzeitig wirbt das AMS mit viel Geld für die Generation „50+“.

Leute, das versteht keiner! Herr Kollege von der Gewerkschaft, da höre ich euch nicht. Ihr tut alles schönreden und verschweigen. Ich hätte mir erwartet, Herr Pfister, dass, wenn die Post ihre Leute kündigen will und mit Geld in die freie Wildbahn des Marktes hinauslockt, wo es keine Arbeit gibt, die Gewerkschaft irgendwann einmal ihren Mund aufmacht. Da höre ich von euch allen nichts! Hier ein bisschen Schmäh führen ist zu wenig. Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen der Republik Österreich zu Menschen, die über 50 sind, sagt: Schleich dich, du bekommst eine erhöhte Abfertigung, auf Wie­dersehen! Und gleichzeitig macht das AMS eine scheinheilige PR-Aktion. Das ist nicht Politik, die den Menschen hilft! Das muss uns allen klar sein, das ist wirklich bedauer­lich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss schon auch zu Kärnten etwas sagen. Herr Kollege Lindinger, den ich persön­lich zutiefst schätze, er ist ein äußerst sympathischer Mann, hat ja auch so einen Un­tergriff zu Hypo, HETA und Kärnten gemacht. Vergleichen wir die Arbeitsmarktzahlen in Österreich – ich habe mir stichprobenmäßig einige Monate des heurigen Jahres he­rausgenommen –: März: Wien: plus 23 Prozent, Kärnten: plus 3,8 Prozent und im Bun­desland des Herrn Lindinger: plus 12,4 Prozent. August: Wien: 19,7 Prozent plus, Kärn­ten 5,9 Prozent plus, glorios, sein Oberösterreich: 11,7 Prozent plus. September: Wien: 17,1 Prozent plus, Kärnten: 4,4 Prozent plus und Oberösterreich: 10,2 Prozent plus.

Was will ich damit sagen? – Es gibt auch andere Erbschaften, nicht nur die Hypo und HETA. Ich habe im Gegensatz zu meinem Nachfolger Peter Kaiser keine Haftung be­schlossen, das ist ausreichend bekannt. Ich werde ihm aber keinen Vorwurf machen, denn damals – auch Peter Ambrozy hat das gesagt – waren Haftungen ja kein Pro­blem. Auch Wien hatte 120 Milliarden € Haftung für die Bank Austria.

Aber wir haben Infineon in Kärnten unter einer freiheitlichen Regierung groß gemacht. Wir haben den Lakeside Park in Kärnten installiert, das ist ein Forschungs- und Ent­wicklungspark, wo 1 000 junge Frauen und Männer arbeiten. Das ist ein ausschließ­lich freiheitliches Projekt. (Bundesrätin Kurz: Geh, bitte! Was ist denn jetzt eigentlich das Thema?) Wir haben das Bosch Mahle Turboladerwerk in der zweisprachigen Re­gion aus Deutschland nach Kärnten geholt, bei dem jetzt die zweite Ausbaustufe voll angelaufen ist. Frau Kollegin Blatnik, so fair muss man einfach sein, um das auch an­zuerkennen. Da sind im Vergleich zu Oberösterreich und Wien die heutigen Arbeits­marktzahlen in Kärnten doch spürbar besser, weil diese Projekte irrsinnig gut aufgehen und weitere Ausbaustufen folgen.

Um Infineon beneidet uns jeder, da hat es eine rot-blaue Koalition zwischen Manzen­reiter und Haider beziehungsweise Dörfler gegeben. Es hat auch in Südkärnten, wo die Volksgruppe ist, große Projekte gegeben, denn es war mir wichtig, auch dort Arbeit zu schaffen. Das ist mit Zahlen beweisbar.


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Eines noch: Herr Kollege Schennach hat auch bei Zielpunkt – ich weiß nicht – so ge­lächelt. Sie haben sich anscheinend noch nie mit Menschen, die es wirklich betrifft, wenn sie keine Arbeit haben, ernsthaft auseinandergesetzt. (Bundesrat Schennach: Vorsicht! Sie wissen nicht, was Sie reden!) Das war bedauerlich, das muss ich Ihnen ganz offen sagen. Aber, Herr Kollege Schennach, die rot-grüne Schuldenrakete in Wien ist ja wohl wirklich erstaunlich. 2008 hatte die Stadt Wien 1,46 Milliarden € Schulden, 2016 5,8 Milliarden €. (Bundesrat Todt: Darf ich Sie an Kärnten erinnern! Das haben Sie mit verursacht!) – Ja, Sie erinnern mich an Kärnten und ich Sie an Wien! Das müssen Sie jetzt aushalten. (Bundesrat Todt: Ich erinnere nur an Kärnten! Das haben Sie mit verursacht! Sie!) – Ich nicht, Herr Kollege, das können Sie nachvollziehen.

Aber, Herr Kollege, Ihre Stadtregierung hat es geschafft, von 2008 bis 2016 die Schul­den um 297 Prozent zu erhöhen, wenn wir die außerbudgetären Schulden – wir reden da gar nicht von Schweizer Franken – dazunehmen: Wiener Wohnen, Krankenanstal­ten Wien, Kanal – 3,3 Milliarden € Schulden; Wiener Holding – 422 Millionen €, Wiener Stadtwerke – 1,5 Milliarden €. Und die Schweizer Franken rolliert man, das ist so ein Finanzgeniestreich der Stadt Wien. Wenn ich das in Kärnten gemacht hätte, dann hätte man mir wahrscheinlich zu Recht schöne Geschichten erzählt. Das heißt, die Stadt Wien hat 11,5 Milliarden € Schulden.

Eines noch zu Verein und Wirt. (Bundesrätin Posch-Gruska: Eigentlich gibt es eine Re­dezeitbeschränkung von 10 Minuten!) Stirbt der Verein, stirbt auch der Wirt. Es muss Partnerschaften geben, aber, Frau Kollegin Zwazl, erklären Sie mir, wie der Wirt am Samstag oder am Sonntag, wenn er ein Geschäft hat, noch am Fußballplatz ausschen­ken soll. Das geht gar nicht! Das kann er nicht, das will er nicht. Der Wirt braucht den Verein und der Verein den Wirt.

Und zu den Grünen noch (in Richtung Bundesrätin Dziedzic): Frau Kollegin, Sie haben die ÖBB-Investitionen und die Rahmenpläne kritisiert. Ja wenn ich die Bahn nicht aus­baue und keinen Brenner Basistunnel baue, dann werde ich keine Verlagerung des Gü­terverkehrs zustande bringen. Das ist schon eine verkehrspolitische Verantwortung, und die ist in Tirol derzeit in grünen Händen. Ich habe in den letzten Wochen und Mo­naten nicht gehört, dass es eine Initiative in Grün gibt, dass man eine Quersubventio­nierung durch eine Erhöhung der Lkw-Maut am Brenner massiv und ernsthaft einfor­dert, so wie es die Schweizer tun.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte, zum Schlusssatz zu kommen!

 


Bundesrat Gerhard Dörfler (fortsetzend): Es geht um das Schicksal der Menschen, das sollten wir alle gemeinsam ernst nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.52


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


13.52.09

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Hans-Jörg Jenewein ist nicht da. Die Weihnachtsstimmung, die er hereingebracht hat, ist dem Krampus gewichen.

Aber ich muss schon auch etwas sagen: Ich freue mich ja, dass ihr das Herz für den Handel entdeckt. Aber es ist ja so, dass es heißt: „Geiz ist geil!“ Man muss halt ein­kaufen gehen, dann werden unsere Geschäfte ein Geschäft machen. Auf der anderen Seite haben wir als Politiker, als Bürgermeister schon auch die Möglichkeit, etwas zu tun. Wir haben in Niederösterreich ein Raumordnungsgesetz und wir sind sozusagen eine Insel, denn wir kämpfen vehement dagegen, dass auf der grünen Wiese weiterhin ausgebaut wird, dass dort große Betriebe hinkommen. Das ist nicht immer leicht, denn ich weiß es, als Vertreterin der Wirtschaft werde ich immer wieder angegriffen, weil es


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heißt: Wir brauchen dieses riesige Einkaufszentrum. Und da sollten wir uns schon über­legen, das wäre schon etwas, was dem Handel ganz besonders hilft.

Jetzt möchte ich noch einmal zu Zielpunkt kommen: Wir haben das Thema Zielpunkt nicht aufgebracht, Herr Kollege Dörfler, das Thema Zielpunkt hat Monika Mühlwerth auf­gebracht. Bei ihrem ersten Redebeitrag hat sie Zielpunkt angesprochen. Und jetzt möch­te ich noch einmal etwas sagen: Bitte hört auf, Angst zu schüren! Die Leute bekommen ihr Geld! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Kein Mensch in der Republik darf sich hier herstellen und sagen, es ist unsicher, dass sie das Geld bekommen. Noch einmal: Es gibt diesen Insolvenzsicherungsfonds. Ich habe heute schon einmal gesagt, dass alleine im Jahr 500 Millionen € hineingehen. Was wirklich lange dauert – und das habe ich auch angesprochen –, ist ganz einfach das Verfahren, und dafür habe ich null Verständnis. Aber zu sagen, die Leute bekom­men das Geld nicht und die … (Bundesrat Rösch: Genau darum geht es! Weil das Verfahren so lange dauert! Zuhören!) – Halt, wart ein bisschen! Reg dich nicht so auf, das ist ungesund! (Bundesrat Rösch: Aber da haben Sie ja genau das, wo das Pro­blem liegt!) – Entschuldigung! Ich habe sehr gut zugehört. Es ist bestritten worden, dass die Leute das Geld bekommen. Es hat geheißen, sie müssen zittern. Nein, sie müssen nicht zittern! Das Geld bekommen sie, und es gibt auch die Sozialpartnerschaft, die funktioniert bei uns im Land sehr gut.

Wenn Sie René Pfister zugehört hätten – aufpassen, dann wissen Sie es, und die Lü­cke ist nicht so groß! Der René Pfister hat das ganz genau beschrieben, und es gibt genug Verhandlungen, bei denen wir versuchen, das zu überbrücken.

Ich habe mir das jetzt rausgesucht, damit ich auf das hinkomme, was ich gemeint ha­be, nämlich das Verfahren. Das Verfahren ist so:

„Mit einem Antrag müssen alle Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzver­fahrens entstanden sind, als Insolvenzforderung bei der zuständigen Geschäftsstelle der IEF-Service GmbH sowie beim zuständigen Insolvenzgericht angemeldet werden. Dies kann durch den Beschäftigten selbst oder seinen Rechtsvertreter innerhalb von sechs Monaten ab der Insolvenzeröffnung des Arbeitgebers erfolgen.

Nach der Antragseinbringung werden im Zuge des Insolvenzverfahrens die Forderun­gen vom Insolvenzverwalter geprüft und entweder anerkannt oder bestritten.“

Also da frage ich, was da bestritten wird und warum das dann noch einmal kontrolliert werden muss. (Bundesrat Rösch: Genau das habe ich gesagt!) – Nein, das haben Sie überhaupt nicht gesagt, weil Sie in der Materie überhaupt nicht bewandert sind. – Aber reden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Rösch: Überheblichkeit ist ein schlech­ter Ratgeber!) – Sie können sich noch einmal melden. Jetzt rede ich!

Dann geht es weiter:

„Kommt es zur Anerkennung der Forderungen, prüft die IEF-Service GmbH ihrerseits, ob die Forderungen die Höchstgrenze überschreiten“ – die Höchstgrenze sind 9 800 € – „oder vom Insolvenz-Entgelt ausgeschlossen sind. Nach Abschluss dieser Prüfung er­lässt die IEF-Service GmbH den Bescheid über das Insolvenz-Entgelt.

Besteht der Anspruch zu Recht, wird ein Zuerkennungsbescheid erlassen und es folgt die Überweisung des Insolvenz-Entgelts aus den Mitteln des IEF.“

Das ist ein langes Verfahren. Die Sozialpartner bemühen sich hier und helfen auch, da­mit die Banken die Mitarbeiter ihr Konto ohne Zinsen überziehen lassen. Das ist klar, aber das Insolvenzverfahren gehört abgekürzt. (Bundesrat Rösch: Sie haben gesagt, jetzt vor Weihnachten!) – Ich habe gesagt … (Anhaltende Zwischenrufe des Bundesra­tes Rösch.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte, am Wort ist die Rednerin!

 



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Bundesrätin Sonja Zwazl (fortsetzend): Es hat jeder das Gefühl, dass die Leute das Geld brauchen, dass wir alles tun und dass man hier etwas machen muss, damit die­ses Verfahren rascher abgeschlossen wird und es die Möglichkeit eines Akontierens gibt. Da sind jetzt Verhandlungen der Sozialpartner im Gange, und es gibt schon gute Verhandlungen mit den Banken.

Aber, damit Sie sich in Zukunft besser bei den Insolvenzverfahren auskennen und bes­ser Auskunft geben können, übergebe ich Ihnen meinen Zettel. – Danke schön. (Die Red­nerin übergibt Bundesrat Rösch ihr Manuskript. – Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.57


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

 


13.58.09

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei Sätze zu deinen Ausführungen, Herr Kol­lege Dörfler, sagen, weil das einfach nicht unwidersprochen bleiben sollte. Natürlich, viele Dinge, die du gesagt hast, sind richtig, keine Frage – in der Zeit ist auch viel pas­siert.

Zu dem, was du uns alles an dieser Stelle mitgeteilt hast, muss man sagen, dass die neue Regierung aufgrund des Schuldenstandes, der hinterlassen worden ist, bei einem Budget von 2,1 Milliarden € mit fast dem doppelten Schuldenstand und 11,2 Milliarden € Haftungen bei der HETA angetreten ist. Das verursacht natürlich für das Land Kärnten auch Probleme, was die Weiterentwicklung betrifft.

Wenn man das eine als positiv hinstellt, dann muss man jetzt auch betonen, dass Lan­deshauptmann Peter Kaiser und unsere Finanzreferentin Dr. Gaby Schaunig wirklich versuchen, das Beste für dieses Land zu machen. Es funktioniert sicher nicht, wenn das Land pleitegeht, sondern man hat sich da mit dem Finanzminister zusammenge­setzt und sich jetzt wirklich darauf geeinigt, dass man versucht, den Gläubigern 1,2 Mil­liarden € anzubieten.

Jetzt möchte ich bei dieser Gelegenheit noch etwas anmerken. Es geistert ja immer wieder herum, dass im Jahr 2004 auch die Sozialdemokraten bei der Möglichkeit mit­gestimmt haben, dass diese Kredite aufgenommen und diese Haftungen übernommen werden.

Das ist schon richtig! Das war ja auch bei den anderen Bundesländern so und das hät­te bis 2007 dann mehr oder weniger reduziert oder eingestellt werden sollen, was zwar in allen anderen Bundesländern geschehen ist, aber nicht in Kärnten. (Bundesrätin Blatnik: Genau so ist es!) Und dann, und da wirst du mir auch zustimmen (in Richtung Bundesrat Dörfler), hat es mehrere Rechnungsabschlüsse nicht gegeben, und dann haben wir auf einmal 24 Milliarden € Schulden gehabt – das war nicht in deiner Zeit als Landeshauptmann, das war beim Landeshauptmann Haider.

Wie ist nun die heutige Situation? Wie wir wissen, haben wir für 24 Milliarden € gehaf­tet, jetzt sind wir bei 11,2 Milliarden €. Wir hatten den Höchststand bei 24 Milliarden €. Das ist wahr! (Bundesrat Dörfler: … haben alle beschlossen!) – Ja, aber wir haben die­se Höhe nicht beschlossen! Gesagt wurde, dass diese Praxis 2007 vorbei ist, doch bis dahin waren es 24 Milliarden €! Das lag in der Regierungsverantwortung der Freiheitli­chen Partei in Kärnten!

Diese Situation, die wir derzeit in Kärnten haben, ist die schwierigste – das muss man wirklich sagen! –, die es jemals in Kärnten gab. Bei der nächsten Sitzung des Kärntner Landtages am 10. Dezember wird diese Entscheidung zu treffen sein, es wird darum gehen, die Möglichkeit zu finden, dass man den Gläubigern diese Größenordnung von 1,2 Milliarden € anbietet und dass zwei Drittel der Landtagsabgeordneten dem zustim­men, damit das dann abgewickelt werden kann. Das ist notwendig, weil Kärnten ein-


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 88

fach keine Möglichkeit mehr hat, am freien Markt Geld aufzunehmen. Kärnten hat, nach­dem wir abgewertet worden sind, keine Möglichkeit, irgendwo von einer Bank Kredite zu bekommen. Geld bekommen wir einfach nur im Einvernehmen mit der Bundesregie­rung – sprich: mit dem Finanzminister – über die Bundesfinanzierungsagentur. Gott sei Dank ist es noch so.

Natürlich muss eigenes Geld dafür bereitgestellt werden, natürlich hat man auch be­wertet. Schließlich ist ja nicht nur gesagt worden: Geben wir jetzt 800 Millionen € oder 700 Millionen €? Nein, es wurde bewertet, was frei verfügbar ist, und so ist man auf diese Summe von 1,2 Milliarden € gekommen. – Jetzt werden wir schauen, was dabei herauskommt.

Eines möchte ich jedoch bei dieser Gelegenheit schon noch einmal sagen: Dass es jetzt in Kärnten nicht so läuft oder eben nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten laufen kann, wurde schon in dieser Zeit von der freiheitlichen Regierung verursacht.

Ich stehe nicht an, das noch einmal zu sagen: Statt nach außen hin den Kärntnern jetzt, wenn dort und da eingespart werden muss, zu sagen: Das ist klar, das passiert, weil eine schlechte Regierung am Werk ist!, meine ich noch immer – das habe ich schon dreimal gesagt und ich sage es noch einmal –, ihr (in Richtung Freiheitliche) müsstet durch Kärnten ziehen und euch bei jedem Kärntner und bei jeder Kärntnerin dafür ent­schuldigen, was ihr im Lande Kärnten angestellt habt! (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

14.02


Präsident Gottfried Kneifel: Nächster Redner: Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


14.02.52

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Leider haben wir vorhin ge­hört, dass der Krampus hier eingezogen ist. Ich hoffe natürlich, dass er nicht dauerhaft bleibt. Es steht ja auch das Weihnachtsfest vor der Tür, und zu Weihnachten darf man sich etwas wünschen.

Im Rahmen des Tagesordnungspunktes 4 möchte ich mir in Bezug auf den Bereich der Schieneninfrastruktur etwas wünschen: Da wird ja so schön ausgeführt, dass die Weg­strecke zwischen Wien und Wels ausgebaut wird, die Südstrecke deutlich verbessert wird – insbesondere mit dem Semmering-Basistunnel, der Koralmbahn. Es ist auch schön, dass der Bahnhof in Graz umgebaut wird und dergleichen.

Man darf sich also, wie gesagt, zu Weihnachten etwas wünschen. Wünschen würde ich mir, dass auch andere Bereiche des Schienennetzes berücksichtigt werden, vor allem die Bereiche zwischen Vorarlberg und Tirol. Wie die meisten der Anwesenden wissen, fahren dort die Züge – im Vergleich zu Rest-Österreich – am langsamsten. Die Verbin­dung ist leider eingleisig statt mehrgleisig, weswegen man oft in Bahnhöfen warten muss, bis die Züge vorbeifahren. Ich wünsche mir, dass der Verkehrsminister diesen Bereich nicht vergisst und dort auch eine Verbesserung herbeiführt.

Vielleicht ist die Frau Staatssekretärin so nett, diesen Wunsch dem Herrn Verkehrsmi­nister weiterzuleiten. (Staatssekretärin Steßl bejaht dies.) – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.04


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 89

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. November 2015 betreffend ein Budgetbegleitgesetz 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. No­vember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Pisec, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Sicherstellung der notwendigen budgetären und personellen Ausstattung des Rechnungshofes vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. No­vember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastun­gen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.06.305. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Aufgrund der Ergebnisse der in den Bundesländern Steiermark, Burgenland, Oberös­terreich und Wien durchgeführten Landtagswahlen und dem damit verbundenen Frak­tionsstatus der Grünen ist die Wahl von Ausschüssen erforderlich geworden.

Es liegt mir der Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Reinhard Todt, Monika Mühl­werth, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, den Aus­schuss für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuss für BürgerInnenrechte und Pe­titionen, den EU-Ausschuss, den Ausschuss für Familie und Jugend, den Finanzaus­schuss, den Geschäftsordnungsausschuss, den Gesundheitsausschuss, den Gleichbe­handlungsausschuss, den Ausschuss für innere Angelegenheiten, den Ausschuss für In­novation, Technologie und Zukunft, den Justizausschuss, den Kinderrechteausschuss, den Landesverteidigungsausschuss, den Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirt­schaft, den Ausschuss für Sportangelegenheiten, den Umweltausschuss, den Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur, den Unvereinbarkeitsausschuss, den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus, den Ausschuss für Verkehr, den Wirtschaftsausschuss, den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung mit jeweils 14 Mitgliedern und 14 Er­satzmitgliedern – wobei jeweils 5 Mitglieder und 5 Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 Mit­glieder und 5 Ersatzmitglieder auf die SPÖ, 3 Mitglieder und 3 Ersatzmitglieder auf die FPÖ sowie 1 Mitglied und 1 Ersatzmitglied auf die Grünen entfallen – neu zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 90

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Die vorher genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich nam­haft zu machen, und diese gelten damit als gewählt.

14.08.446. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Im Ausschuss gemäß § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 stehen von den auf den Bundesrat entfallenden 13 Mitgliedern und 13 Ersatzmitgliedern jeweils 6 Mitglieder und 6 Ersatzmitglieder der ÖVP, 5 Mitglieder und 5 Ersatzmitglieder der SPÖ und 2 Mitglie­der und 2 Ersatzmitglieder der FPÖ zu.

Aufgrund des Ausscheidens von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates sind 2 Mitglieder und 5 Ersatzmitglieder neu zu wählen, wobei 1 Mitglied und 2 Ersatz­mitglieder von der ÖVP, 1 Mitglied und 2 Ersatzmitglieder von der SPÖ und 1 Ersatz­mitglied von der FPÖ für die entsprechende Wahl vorzuschlagen sind.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Der entsprechende Wahlvorschlag der ÖVP-Fraktion liegt mir vor. Dieser lautet auf:

Mitglied: Gottfried Kneifel (Oberösterreich); Ersatzmitglieder: Mag. Klaus Fürlinger (Oberösterreich), Marianne Hackl (Burgenland).

Der entsprechende Wahlvorschlag der SPÖ-Fraktion liegt mir ebenfalls vor. Dieser lau­tet auf:

Mitglied: Wolfgang Beer (Wien); Ersatzmitglieder: Mag. Michael Lindner (Oberöster­reich) und Stefan Schennach (Wien).

Der entsprechende Wahlvorschlag der FPÖ-Fraktion liegt mir vor. Dieser lautet auf:

Ersatzmitglied: Thomas Schererbauer (Oberösterreich).

Sofern kein Einwand erhoben wird, werde ich die Abstimmung über diese Wahlvor­schläge unter einem vornehmen und durch Handzeichen abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das wäre die Stimmenmehrheit. Die Grünen sind dagegen? (Bundesrätin Schreyer: Wir sind nicht in diesem Ausschuss! – Ruf bei der FPÖ: Ihr könnt mitwählen! – Ruf bei der SPÖ: Ihr könnt trotzdem wählen! – Die grünen Bundesräte geben das Handzeichen.) – Mit den Stimmen der Grünen ist die Stimmeneinhelligkeit bei diesem Antrag gegeben.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nur zur Abstimmung über den Antrag der Bun­desräte Längle, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsan-


BundesratStenographisches Protokoll848. Sitzung / Seite 91

trag 205/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Militärmusik in jedem Bundesland eine Frist bis 16. Dezember 2015 zu set­zen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Längle, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 216/A(E)-BR/2015 der Bundesrä­te Längle, Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Kompanien bei den Bataillonen eine Frist bis 16. Dezember zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

14.12.55Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt eine Anfrage, nämlich die Anfrage 3099/J-BR/2015, eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 17. Dezember 2015, 9 Uhr, in Aus­sicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen für diese Sitzung sind für Dienstag, den 15. Dezember 2015, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass unmittelbar nach Schluss der Sitzung im Sitzungs­saal des Bundesrates die Konstituierung der soeben gewählten Ausschüsse stattfinden wird.

Diese Sitzung ist geschlossen.

14.13.59Schluss der Sitzung: 14.13 Uhr

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