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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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849. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 17. Dezember 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

849. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 17. Dezember 2015: 9.04 – 21.35 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Kör­per­schaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kommunalsteuergesetz 1993, die Bundes­ab­gabenordnung, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Transparenzdatenbank­gesetz 2012, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Alkoholsteuergesetz, das Artenhandelsgesetz 2009, das Arzneiwareneinfuhr­ge­setz 2010, das Außenwirtschaftsgesetz 2011, das Biersteuergesetz 1995, das Dünge­mittelgesetz 1994, das Erdölbevorratungsgesetz 2012, das EU-Finanzstrafzusammen­arbeitsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Forstliche Vermehrungsgutgesetz 2002, das Kriegsmaterialgesetz, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Pflanzenschutzge­setz 2011, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011, das Produktpiraterie­gesetz 2004, das Produktsicherheitsgesetz 2004, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Saatgutgesetz 1997, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Sicherheitskontrollge­setz 2013, das Sprengmittelgesetz 2010, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tier­seuchengesetz, das Vermarktungsnormengesetz, das Unternehmensgesetzbuch und das Umsatzsteuergesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2015 – AbgÄG 2015)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Kapital­markt­­gesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Bank­wesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Nationalbankgesetz 1984 und das Versiche­rungs­auf­sichtsgesetz 2016 geändert werden

4. Punkt: Änderung des Poststrukturgesetzes

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhe­ge­setz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015)


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 2

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenz­gesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversiche­rungs­gesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Sozialversicherungs-Ergän­zungs­gesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Mutterschutz­gesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Ent­schä­digung für Heeresschädigungen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungsge­setz 2015 – SRÄG 2015)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird

10. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundver­sorgungsvereinbarung

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundes­präsidentenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2015)

12. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafge­setzbuch und das Bewährungshilfegesetz geändert werden und mit dem ein Bundes­gesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Straf­gesetz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch erlassen wird (JGG-ÄndG 2015)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unterhaltsvorschußgesetz, das Firmenbuchgesetz, die Rechts­anwaltsordnung und das EIRAG geändert werden (Gerichtsgebühren-Novelle 2015 – GGN 2015)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohn­bauinvestitionsbank (WBIB-G) erlassen und das Bundesgesetz über Steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemein­nützig­keits­gesetz geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Regelung des Bundes-Stiftungs- und Fondswesens (Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz 2015 – BStFG 2015) erlassen und das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bundes­abgabenordnung, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien an nichtstaatliche Organisationen und das Gerichtsgebüh­rengesetz geändert werden (Gemeinnützigkeitsgesetz 2015 – GG 2015)

17. Punkt: Bundesgesetz über das Normenwesen (Normengesetz 2016 – NormG 2016)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz über die Sicherheit von unter Druck stehenden Geräten (Druckgerätegesetz)

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 3

walt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonen­ge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geän­dert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundes­vergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden

23. Punkt: Datenschutzbericht 2014

24. Punkt: Kulturbericht 2014

25. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitaler Wandel und Politik

26. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2016

27. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache des Präsidenten Gottfried Kneifel ............................................. 13

Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, dem Justizausschuss zur Bericht­erstattung über den Antrag 169/A-BR/2008 der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner betreffend Änderung des Ehegesetzes und des Strafgesetzbuches zur Verhinderung von Zwangsehen gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 11. Februar 2016 zu setzen – Ablehnung ................  41, 208

Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR über diesen Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen – Ablehnung ...............................................................  41, 42

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem von Bundesrätin Monika Mühlwerth gestellten Fristsetzungsantrag:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 41

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 41

26. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2016 ........................................................................................................... 206

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Aktuelle Stunde (39.)

Thema: „Finanzausgleichsverhandlungen: Chance für Bund und Länder“ ........ 16

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 17

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 19


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 4

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 22

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 24

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ....................................................  26, 38

Christian Poglitsch ................................................................................................. ..... 31

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 33

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 34

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 35

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 36

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 40

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 40

Wahlen in Institutionen

27. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates             ............................................................................................................................. 207

Ergebnis: Ersatzmitglied: Ing. Eduard Köck

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 40

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kommunalsteuergesetz 1993, die Bun­desabgabenordnung, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Trans­pa­renz­datenbankgesetz 2012, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Abfallwirt­schaftsgesetz 2002, das Alkoholsteuergesetz, das Artenhandelsgesetz 2009, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010, das Außenwirtschaftsgesetz 2011, das Biersteu­ergesetz 1995, das Düngemittelgesetz 1994, das Erdölbevorratungsgesetz 2012, das EU-Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Forst­liche Vermehrungsgutgesetz 2002, das Kriegsmaterialgesetz, das Mineralölsteu­ergesetz 1995, das Pflanzenschutzgesetz 2011, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011, das Produktpirateriegesetz 2004, das Produkt­sicherheitsgesetz 2004, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Saatgutgesetz 1997, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Sicherheitskontrollgesetz 2013, das Sprengmittelgesetz 2010, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tierseuchengesetz, das Vermarktungsnormengesetz, das Unternehmensgesetzbuch und das Umsatz­steuergesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2015 – AbgÄG 2015) (896 d.B. und 907 d.B. sowie 9494/BR d.B. und 9498/BR d.B.) ............ 42

Berichterstatter: Peter Heger ........................................................................................ 43

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 43

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 44

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 45

Mag. Reinhard Pisec, B


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 5

A ....................................................................................... ..... 46

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ..................................................... ..... 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 49

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Rechnungslegungs-Kontroll­gesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Kapitalmarkt­gesetz geändert werden (897 d.B. und 908 d.B. sowie 9499/BR d.B.)                        50

Berichterstatter: Peter Heger ........................................................................................ 50

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Bank­wesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Einlagensiche­rungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Nationalbankgesetz 1984 und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (898 d.B. und 909 d.B. sowie 9492/BR d.B. und 9500/BR d.B.) ................................................................................................................. 50

Berichterstatter: Peter Heger ........................................................................................ 50

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 51

Christian Poglitsch ................................................................................................. ..... 53

Martin Weber ........................................................................................................... ..... 54

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 55

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 57

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ..................................................... ..... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 59

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend Änderung des Poststrukturgesetzes (899 d.B. und 911 d.B. sowie 9493/BR d.B. und 9501/BR d.B.) .................................... 59

Berichterstatterin: Ingrid Winkler .................................................................................. 60

Redner/Rednerinnen:

Arnd Meißl ............................................................................................................... ..... 60

Peter Oberlehner .................................................................................................... ..... 62

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 62

Peter Heger .............................................................................................................. ..... 63

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 64

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (893 d.B. und 921 d.B. sowie 9502/BR d.B.) .......... 64

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ......................................................... 64

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 65

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 67


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 6

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 68

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 69

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 69

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 72

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Ange­stelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfer­ti­gungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeits­ruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015) (903 d.B. und 948 d.B. sowie 9513/BR d.B.) .......................... 72

Berichterstatter: Mario Lindner ..................................................................................... 72

Redner/Rednerinnen:

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 73

Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 74

Sandra Kern ............................................................................................................ ..... 76

Rosa Ecker .............................................................................................................. ..... 77

Renate Anderl ......................................................................................................... ..... 79

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 81

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzge­setz geändert werden (904 d.B. und 951 d.B. sowie 9514/BR d.B.) ................................................................................................................. 81

Berichterstatter: Mario Lindner ..................................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Rosa Ecker .............................................................................................................. ..... 82

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 83

Angela Stöckl .......................................................................................................... ..... 84

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 85

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 87

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 89

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Be­amten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozial­versiche­rungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Sozialversiche­rungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Mut­terschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Entschädigung für Heeresschädigungen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 – SRÄG 2015) (900 d.B., 347/A, 990/A(E) und 953 d.B. sowie 9515/BR d.B.) ................................................................................................................. 89

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 89


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 90

Mag. Michael Lindner ............................................................................................. ..... 92

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 94

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 96

Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 97

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 99

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 100

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 101

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (842 d.B. und 959 d.B. sowie 9516/BR d.B.) .... 101

Berichterstatterin: Renate Anderl ............................................................................... 101

Redner/Rednerinnen:

Christoph Längle .................................................................................................... ... 101

Hubert Koller ........................................................................................................... ... 103

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ... 104

David Stögmüller .................................................................................................... ... 106

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 106

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 107

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundver­sorgungsvereinbarung (892 d.B. und 917 d.B. sowie 9512/BR d.B.) ..... 107

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................. 107

Redner/Rednerinnen:

Arnd Meißl ............................................................................................................... ... 108

Gerhard Schödinger ............................................................................................... ... 111

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 113

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 115

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ..................................................... ... 116

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 117

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 120

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 121

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundesprä­siden­tenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2015) (1438/A und 943 d.B. sowie 9496/BR d.B. und 9518/BR d.B.) ....................................................................... 121

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................. 121

Redner/Rednerinnen:

Peter Samt ............................................................................................................... ... 121

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 123

Sandra Kern ............................................................................................................ ... 124


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 8

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 124

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ..................................................... ... 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 125

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öf­fentlicher Urkunden von der Beglaubigung (780 d.B. und 925 d.B. sowie 9517/BR d.B.) ............................................................................................................... 126

Berichterstatter: Gerhard Schödinger ....................................................................... 126

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ... 126

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ... 128

Christoph Längle .................................................................................................... ... 129

David Stögmüller .................................................................................................... ... 130

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 130

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bewährungshilfegesetz geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Straf­gesetz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch erlassen wird (JGG-ÄndG 2015) (852 d.B. und 929 d.B. sowie 9510/BR d.B.) ..................................................................................................... 131

Berichterstatter: Martin Weber .................................................................................... 131

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michael Raml .................................................................................................. ... 131

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 134

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 135

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 137

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ... 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 143

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbrin­gungsgesetz, das Unterhaltsvorschußgesetz, das Firmenbuchgesetz, die Rechts­anwaltsordnung und das EIRAG geändert werden (Gerichtsgebühren-No­vel­le 2015 – GGN 2015) (901 d.B. und 932 d.B. sowie 9511/BR d.B.) ............................ 143

Berichterstatter: Martin Weber .................................................................................... 143

Redner/Rednerinnen:

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 143

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ... 144

Mag. Michael Raml .................................................................................................. ... 145

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 145

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ... 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 148


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 9

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohn­bau­investitionsbank (WBIB-G) erlassen und das Bundesgesetz über Steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemein­nützigkeitsgesetz geändert werden (895 d.B., 1264/A(E) und 965 d.B. sowie 9504/BR d.B.)                       148

Berichterstatter: Christian Poglitsch .......................................................................... 148

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michael Raml ..................................................................................................... 148

Ing. Andreas Pum ....................................................................................................... 150

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ... 152

David Stögmüller .................................................................................................... ... 153

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................ ... 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 155

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Regelung des Bundes-Stiftungs- und Fondswesens (Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz 2015 – BStFG 2015) erlassen und das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Stiftungseingangs­steuergesetz, die Bundesabgabenordnung, das Transparenzdatenbank­ge­setz 2012, das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien an nicht­staatliche Organisationen und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gemeinnützigkeitsgesetz 2015 – GG 2015) (889 d.B. und 934 d.B. sowie 9490/BR d.B. und 9505/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 155

Berichterstatter: Christian Poglitsch .......................................................................... 156

Redner/Rednerinnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 156

Marianne Hackl ........................................................................................................ ... 158

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ... 159

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 160

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................ ... 161

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 162

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz über das Normenwesen (Normengesetz 2016 – NormG 2016) (894 d.B. und 935 d.B. sowie 9491/BR d.B. und 9506/BR d.B.) ............................................................................................................... 162

Berichterstatterin: Marianne Hackl .............................................................................. 162

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ... 162

Günther Novak ........................................................................................................ ... 163

Christoph Längle .................................................................................................... ... 164

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 165

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 166

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 10

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (888 d.B. und 936 d.B. sowie 9507/BR d.B.)                         166

Berichterstatter: Christian Poglitsch .......................................................................... 166

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (851 d.B. und 937 d.B. sowie 9508/BR d.B.) ..... 166

Berichterstatter: Christian Poglitsch .......................................................................... 166

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz über die Sicherheit von unter Druck stehenden Geräten (Druck­gerätegesetz) (850 d.B. und 938 d.B. sowie 9509/BR d.B.) ............................................................................................................... 166

Berichterstatter: Christian Poglitsch .......................................................................... 166

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 167

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ... 168

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 170

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 171

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................ ... 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 172

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrper­so­nen­gesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrper­sonen­gesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personal­vertre­tungs­gesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015) (902 d.B. und 940 d.B. sowie 9495/BR d.B. und 9519/BR d.B.) ................................................................................. 173

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................. 173

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 173

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 175

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 175

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 177

Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ........................................................................ ... 178

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 179

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesver-


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gabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (776 d.B. und 944 d.B. sowie 9497/BR d.B. und 9520/BR d.B.) ..................... 179

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ....................................................................... 179

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 179

Dr. Andreas Köll ......................................................................................................... 180

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 182

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 183

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 184

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 184

23. Punkt: Datenschutzbericht 2014 (III-556-BR/2015 d.B. sowie 9521/BR d.B.) ..... 184

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ....................................................................... 185

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 185

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 186

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 188

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 189

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 189

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-556-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 190

24. Punkt: Kulturbericht 2014 (III-558-BR/2015 d.B. sowie 9503/BR d.B.) ................ 190

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 190

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 190

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 192

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 194

David Stögmüller .................................................................................................... ... 196

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 196

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-558-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 198

25. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitaler Wandel und Politik (217/A(E)-BR/2015 sowie 9522/BR d.B.) ............................................................................................................... 199

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 199

Redner/Rednerinnen:

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 199

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 200

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 201

Mag. Nicole Schreyer ........................................................................................  202, 205

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 203

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 204

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 204


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 12

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend weiteren Prozess zur Umsetzung der Anliegen des Grünbuchs Digitaler Wandel und Politik – Ablehnung                202, 206

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht 9522/BR d.B. beigedruckte Entschließung betreffend Digitaler Wandel und Politik anzunehmen (E 248-BR/2015)      ............................................................................................................................. 205

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitaler Wandel und Politik (217/A(E)-BR/2015)

Anfragen der Bundesräte

Sonja Ledl-Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „ESF-Strategie Tirol 2020“ (3100/J-BR/2015)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Implementierung von LGBT-Rechten in den NAP Menschenrechte (3101/J-BR/2015)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Implementierung von LGBT-Rechten in den NAP Menschenrechte (3102/J-BR/2015)


 

 


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 13

09.03.48 Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich eröffne die 849. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 848. Sitzung des Bundesrates vom 3. Dezember 2015 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Mitglieder des Bundesrates Adelheid Ebner und Dr. Dietmar Schmittner.

*****

Es ist mir eine besondere Auszeichnung und eine Ehre, heute im Bundesrat den Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission, Herrn Dr. Jörg Wojahn, in unserer Runde begrüßen zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf diese Gelegenheit auch dazu nützen, um ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit mit der Länderkammer, auch mit dem EU-Ausschuss, zu sagen. Wir entwickeln uns ja immer mehr zu einer nationalen Europakammer. Auf diesem Weg danke ich für die gute Begleitung.

09.05.44Schlussansprache des Präsidenten

 


9.05.46

Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Eine Bilanz über eine sechs Monate dauernde Bundesratspräsidentschaft verleitet leicht zum Auf­zählen bekannter Zahlen, Daten und Fakten, die wir ja ohnedies gemeinsam in unserer Runde und in der Länderkammer beschlossen, organisiert und abgearbeitet haben. Etwa, dass wir das Thema „Digitaler Wandel und Politik“ zum Schwerpunkt gekürt haben oder dass wir die Enquete „Die Zukunft des baukulturellen Erbes“ veranstaltet oder bei einer Veranstaltung mehrere Bürgerinitiativen im Parlament präsentiert haben, die sich um die Verringerung der Hochwässer und den Bodenschutz in Zeiten des Klimawandels angenommen haben, oder dass der Bundesratspräsident die gute Nachbarschaft mit Besuchen in der Schweiz, in Italien bei der EXPO am Natio­nal­feiertag, in Tschechien, in Südtirol, in Dresden und in Berlin beim Deutschen Bun­des­ratspräsidenten oder beim Bundespräsidenten Joachim Gauck gepflegt hat, Schü­ler­gruppen geführt, die WorldSkills-Teilnehmer empfangen, ein großes Jugendparlament mit fünf oberösterreichischen Mittelschulen durchgeführt hat, beim Jugenddialog in Bregenz anwesend war, bei der Föderalismuskonferenz in Innsbruck, beim Regional­treffen im Bezirk Rohrbach oder bei Gemeindetagen in den Bundesländern dabei war und so weiter.

Das alles, meine sehr geschätzten Damen und Herren – und das möchte ich gleich an den Beginn dieser kurzen Bilanz stellen –, wäre nicht ohne ein tüchtiges Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Bundesratsdirektion möglich gewesen.

Ich bin fast 29 000 Kilometer mit Wolfgang Magyar durch Österreich gefahren – ein herzliches Dankeschön. Ein Dank auch an die Bundesratsdirektorin Dr. Susanne Bachmann, deren Stellvertreterin Frau Dr. Alsch-Harant und meine Assistentin Frau Monika Schweitzer-Wünsch, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Parlaments­direktion und in der Bundesratsdirektion, Frau Sabine Allersdorfer, Frau Regina Stifter, Thomas Raab und unseren Lehrling Frau Vanessa Kutics, die Veranstaltungsabteilung,


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 14

den EU- und Internationalen Dienst, die Abteilung für Information und Öffentlichkeit, den Pressedienst mit Frau Mag. Maria-Luise Janota, das Team der Parlaments­druckerei, und, und, und. Ein Dankeschön am Beginn der Bilanz muss gestattet sein. (Allgemeiner Beifall.)

Ja, meine sehr geschätzten Damen und Herren, unser Hauptthema war „Digitaler Wandel und Politik“. Wir haben dazu zu Beginn dieser Präsidentschaft im Einver­nehmen mit allen Fraktionen dieses Hauses einen strukturierten Prozess aufgestellt. Wir haben einen Beschluss in der Bundesratspräsidiale zu diesem Thema gefasst, eine gemeinsame Kick-off-Veranstaltung, bei der alle Fraktionsobleute am Podium vertreten waren, durchgeführt, eine Zwischenbilanz der Plattform „#besserentscheiden“ und, und, und. Wir haben dafür in den Bundesländern für hohe Beteiligung geworben, viele Betriebsbesuche bei Forschungseinrichtungen durchgeführt und ein Grünbuch erstellt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist das das erste Mal, dass in der österreichischen Parlamentsgeschichte zu einem Thema aufgerufen wurde, Ideen, Vorschläge, Ängste, Hoffnungen, Risiken et cetera bekanntzugeben und diese auch entsprechend zu dokumentieren.

Wir haben eine Enquete mit Experten, Managern und Politikern am 18. November hier in diesem Hause durchgeführt, Sie waren alle mit dabei. Wir haben dann dieses Grünbuch mit fast 1 000 Ideen an die Bundesregierung übergeben, und heute fassen wir einen Entschließungsantrag, womit wir offiziell diese Übergabe an die Bundes­regierung machen werden.

Das Ziel dabei war, die größte Veränderung der Gesellschaft mit mehr demokratischer Mitbestimmung zu verknüpfen. Deshalb müssen wir den digitalen Wandel mit neuen Angeboten zur politischen Partizipation, zur demokratischen Mitgestaltung einrichten. Ich meine damit konkret Petitionen, Bürgerbefragungen, Volksabstimmung, Einleitung verschiedener Beteiligungsprozesse, Einholung von Bürgerinnen- und Bürgermeinung vor der Erstellung eines Gesetzentwurfes. Steuertransparenz bei Onlineversandhandel ist eine Frage, die in diesem Prozess oft gestellt wurde. Alle diese Themen fließen in den von den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern gestalteten Ideenprozess ein.

Unsere österreichischen stationären Handelsbetriebe – wenn ich beim letzten Thema, Onlineversandhandel, stehenbleibe – sind Tag und Nacht dem Zugriff der Betriebs­prüfer, der Finanzpolizei, der Sozialversicherungsprüfer, dem Arbeitsinspektorat ausgesetzt. Wie schaut das bei den Betrieben im Onlineversandhandel aus, die irgend­wo auf den Kaimaninseln tätig sind? Kommen diese Steuermittel, die Österreiche­rinnen und Österreicher bezahlt haben, auch wieder an den Fiskus zurück? Das alles sind Fragen, die beispielsweise in diesem Prozess gestellt wurden, Fragen, die wir auch beantworten müssen.

Zugegeben, der Prozess digitaler Wandel im Bundesrat war ein Experiment, aber wir haben diesen Lauf durchgehalten und zu einem vorläufigen Ende geführt, da wir alle mit Respekt und Einigkeit vor dieser größten Herausforderung an die globale, an die europäische und klarerweise auch an die österreichische Politik zusammengearbeitet haben. Ich danke dafür den Fraktionen mit Reinhard Todt von der Sozialdemo­kra­tischen Partei, Edgar Mayer von der Volkspartei, Monika Mühlwerth von den Frei­heitlichen und Marco Schreuder – Frau Kollegin Schreyer hat sicher Verständnis dafür, dass ich hier noch Marco danke –, die alle diesen Prozess toll mitgetragen haben.

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn Sie die Tätigkeitsberichte des Bundesrates über die Präsidentschaften von Kärnten, Ana Blatnik, und Niederösterreich, Sonja Zwazl, aufmerksam gelesen haben, dann haben Sie gesehen, dass dort schon von den Fraktionsobleuten, von Reinhard Todt und in meinem Kommentar die Rede von einem


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 15

Zukunftsausschuss ist. Von uns beiden wird das, ohne dass wir uns gesondert abgesprochen haben, schon erwähnt. Ich glaube, das ist der richtige Weg, in dessen Richtung wir uns begeben sollen.

Neben der Begleitung und der Kontrolle der Bundesgesetzgebung soll sich der Bundesrat als gesetzgebende Körperschaft profilieren, die mutig auch Zukunftsthemen aufgreift und in den parlamentarischen Raum einbringt. Wir nehmen ja nicht in Anspruch, dass wir die Ersten sind, die dieses Thema aufgegriffen haben. Das haben schon viele Vereine, Organisationen, Industriellenvereinigung, Arbeiterkammer, Wirt­schaftskammer und andere Organisationen gemacht. Aber wir haben das erstmals im großen Format in den parlamentarischen Raum eingebracht, und das ist eine Leistung, glaube ich, die man erwähnen muss. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es geht um Beteiligung im Vorfeld, Einholung von Meinungen, Sorgen, Ängsten, aber auch Chancen, Hoffnungen und neuen Perspektiven. Es geht darum, gemeinsam mit den Bürgern Probleme anzu­packen, mit den Bürgern und Experten zu diskutieren und auch bei scheinbar schwie­rigen Themen quasi den Stier bei den Hörnern zu packen und nicht aus Angst vor dem, was da noch alles kommen könnte, wie ein Kaninchen – in der Hoffnung, nicht gefressen zu werden – vor der Schlange zu erstarren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb soll der neue Bundesrat meiner bescheidenen Vorstellung nach sein: Erstens Länderkammer, um den Gesetzgebungs­prozess des Bundes im Sinne der Länder zu begleiten. Zweitens soll er Europakammer Österreichs werden, um den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Kommission und der Europäischen Union entsprechend zu begleiten. Drittens soll er auch Zukunfts­kammer werden, und das mit enger Beteiligung mit der österreichischen Bevölkerung. Noch etwas möchte ich anschließen: Er soll auch eine kleine Deregulierungskammer sein.

Und das Beste dabei ist: Wir brauchen dazu weder eine Geschäftsordnungsreform noch eine Verfassungsreform. Wir arrondieren diese Kompetenzen einfach im Bundes­rat. Wir brauchen dazu nur eines: den gemeinsamen Willen, diese Funktionen im Dienste der Bürgerinnen und Bürger, die uns gewählt haben, zu erfüllen. Das wäre eine spannende Aufgabe.

Der neue Ausschuss des Bundesrates für Innovation, Forschung und Zukunft mit Stefan Schennach an der Spitze hat dabei eine wichtige Aufgabe. Als sein Stell­vertreter werde ich ihn dabei voll unterstützen. Die ersten Monate werden dabei ganz entscheidend sein, da in diesen Wochen das Erscheinungsbild des neuen Aus­schusses geprägt wird. Wir werden dabei Antworten geben müssen auf die Fragen: Was haben die sich mit diesem Ausschuss gedacht? Was soll daraus werden? Hat das Sinn und Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger? Diese Fragen gilt es zu beantworten.

Die Chancen stehen gut, dass dieser neue Ausschuss das Bild des neuen Bundes­rates ebenso positiv beeinflussen kann, wie es derzeit der EU-Ausschuss unter dem Vorsitz vom Bundesrat Mayer hervorragend macht. Ich nehme auch den Bundes­ratsausschuss für Verfassung, Demokratie und Föderalismus dazu, der die Rolle der Länderkammer für Deregulierung und Bürokratieabbau gleichsam nach dem Motto „Der Nationalrat gibt Gesetze, der Bundesrat nimmt Gesetze“ weiter ausbauen könnte. Bei der Gesetzgebung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist manchmal Neh­men seliger als Geben.

Sie sehen, dass wir an einer Weggabelung der Funktion der Zweiten Kammer unseres Parlaments stehen. Seit Hans Kelsen den Verfassungstext geschrieben hat, haben sich die Zeiten rasant verändert. Die Aufgaben für die Zweite Kammer sind nicht weni­ger geworden, ganz im Gegenteil, im Sinne von Checks and Balances, von Ausgleich


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und Kontrolle eher mehr. Und bedenken wir immer: 85 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Länder in der Europäischen Union leben in Staaten mit einem Zweikam­mersystem.

Für die Neuorientierung unserer Zweiten Kammer ist es höchste Zeit, dazu muss man kein Verfassungsexperte oder promovierter Staatsrechtler sein. Welche Wege, meine Damen und Herren, gilt es da zu beschreiten?

Der erste Weg würde heißen, wie bisher weiterzumachen und weiter nichts zu tun, die Verfassungsrealität aus 1920 demütig zur Kenntnis zu nehmen und sich weiter zu entschuldigen und zu rechtfertigen, wenn wir als Bundesräte bei einer Veranstaltung auftreten und dann 10 Minuten lang erklären, was das suspensive Veto ist, das Zitationsrecht des Bundesrates oder die sogenannte Subsidiaritätsprüfung.

Oder wir gehen den zweiten Weg, dessen Konturen und Leitlinien wir schon vorge­zeichnet haben. Erstens: Selbstbewusst den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, dass wir die Bundesgesetzgebung aus Ländersicht begleiten, uns dabei ständig um Deregulierung und Bürokratieabbau kümmern. Zweitens: Für unsere Bürgerinnen und Bürger die Entwürfe der Europäischen Kommission mit Experten zu prüfen und unsere Meinung dazu zu dokumentieren. Und drittens: Zukunftsthemen in demokratischer Beteiligung mit Bürgerinnen und Bürger weit vor einem Gesetzentwurf aufzugreifen. – So stelle ich mir den Bundesrat der Zukunft vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitglieder dieses Hauses! Eine halbjährige Funktionsperiode ist eine starke Heraus­forderung für einen Präsidenten, der sich nicht damit begnügt, nur Sitzungen zu leiten und Wortmeldungen zuzuteilen. Besonders wenn es sich um das zweite Halbjahr mit den Sommermonaten Juli und August handelt, muss eine halbjährige Funktions­dauer exakt vorbereitet und ähnlich einem Uhrwerk abgearbeitet werden.

Es war für mich die dritte und vor allem die spannendste Präsidentschaft. Ich habe mich redlich bemüht, bei allen Auftritten, Konferenzen, Äußerungen, Besuchen im In- und Ausland, das Vertrauen – das unser größtes Kapital ist – in die Politik im Allge­meinen und in den Bundesrat im Besonderen zu verbessern. Das geht nur mit Unter­stützung aller Fraktionen und jedes einzelnen Mitgliedes dieses Hauses. Das habe ich gespürt und deshalb auch viel Zuspruch und Kraft für diese Aufgabe erhalten. Herz­lichen Dank an alle, die mich dabei kompetent und auch freundschaftlich begleitet haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses seien dabei wieder ge­nannt.

Ich wünsche mir und uns, dass die gemeinsame Saat von Zukunftsthemen, Zukunfts­ausschuss, in Verbindung mit mehr Partizipation, mehr demokratischer Mitgestaltung, sowohl bei der Mitgestaltung nationaler Themen als auch von EU-Gesetzentwürfen, EU-Richtlinien und so weiter, wie ich sie skizziert und aufgezählt habe, aufgeht und die Ernte eingefahren werden kann.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, das alles geschieht zum Vorteil unserer Länder, der Republik und aller Menschen, die uns bei Wahlen ihr Vertrauen geschenkt haben.

Ich danke herzlich und wünsche auf diesem Weg alles Gute und uns allen viel Erfolg dabei. (Allgemeiner Beifall.)

9.22

09.22.12Aktuelle Stunde


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Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Finanzausgleichsverhandlungen: Chance für Bund und Länder“

mit dem Bundesminister für Finanzen Dr. Schelling, den ich bei uns im Bundesrat herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen/deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann erfolgt die Stellungnahme des Herrn Bundes­minis­ters, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend je eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


9.23.21

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch ein herzliches Grüß Gott an die Menschen vor den Bildschirmen zu Hause! Unser Thema „Finanz­ausgleich: Chance für Bund und Länder“ wäre an und für sich ein tagesfüllendes Pro­gramm, wir werden, so, wie in der Präsidiale vorgegeben, versuchen, es in der Zeit abzuarbeiten, um mit dem Minister auch in Diskussion zu kommen.

Ich glaube, es ist unbestritten, dass das Finanzausgleichsgesetz zu den wichtigsten Materien der Republik gehört. Mehr als 32 Milliarden € waren es im Vorjahr, das entspricht etwa dem Volumen von sechs Steuerreformen oder, kärntnerisch gemessen, etwa zwei Hypo-Alpe-Adria-Pleiten oder einem Zehntel des Bruttoinlandsprodukts.

Unser Finanzminister Hans Jörg Schelling hat es sich zur Aufgabe gemacht, das verwobene System zu reformieren. Dabei wird es wahrscheinlich bei den Ländern so gelten, dass es ein bisschen mehr sein darf, beim Finanzminister wahrscheinlich so, dass es etwas billiger werden soll. In der Realität ist es tatsächlich so, dass den Lan­despolitikern oder der Landespolitik in Steuerangelegenheiten bekanntlich keine beson­dere Rolle zukommt. Fast alle wichtigen Steuerkompetenzen liegen beim Bund, darunter auch das Einheben der meisten Steuern, ein paar seien erwähnt: Einkom­mensteuer, Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und so weiter, und so weiter. Alle diese Einnahmen landen erst einmal in den Kassen des Finanzministers. Im Prinzip funktioniert die Republik wie ein Alleinverdienerhaushalt: Einer bringt das Geld nach Hause und der andere, der Finanzminister, muss dann den Rest der Familie versorgen.

Etwa 32,5 Milliarden € hat der Bund im Vorjahr an die Länder und Gemeinden über­wiesen, nicht ganz 10 Milliarden € bekamen die Gemeinden, den guten Rest die Lan­desregierungen. Den größten Betrag aus dieser Zuteilung machen die soge­nannten Ertragsanteile aus, das ist jener Prozentsatz, mit dem der Bund die Länder und Gemeinden an seinen Steuereinnahmen beteiligt. Der Verteilungsschlüssel sieht der­zeit so aus: 67 Prozent erhält der Bund, die Länder bekommen 22 Prozent, die Gemeinden 11 Prozent. Die weitere Aufteilung richtet sich dann im Wesentlichen nach der Bevölkerungszahl.

Die Aufteilung erfolgt weiters so, dass große Länder und Gemeinden mehr Geld bekommen, kleine weniger. Das klingt simpel und logisch, ist aber natürlich viel, viel komplizierter. Aktuell gilt ein abgestufter Bevölkerungsschlüssel, der vorsieht, dass die Einwohnerzahl jeder Kommune mit einem bestimmten Wert multipliziert wird. Das Problem dabei ist, dass die Ertragsanteile längst nicht reichen, um den Föderalismus in Schwung zu halten. Deshalb gibt es noch weitere Transfers im Gesamtausmaß von 8 Milliarden €.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 18

Georg Kofler, Professor für Finanzrecht an der Uni Linz, hat einmal festgestellt, dass selbst Experten mitunter ratlos vor dem Paragraphendschungel des Finanzausgleichs sitzen, und gesagt: „Der Finanzausgleich wurde über die Jahrzehnte ständig reformiert, erweitert und nachjustiert. Jetzt ist er ein hochkomplexes System, in dem auch für Fachleute keine Transparenz mehr herrscht“.

Dazu kommt noch, dass sich parallel zum Finanzausgleich in den vergangenen Jahren eine wahre Flut an sogenannten Artikel 15a-Vereinbarungen entwickelt hat. Auf diese Art werden unter anderem die Mindestsicherung, die Kinderbetreuung, die Altenpflege, die sprachliche Frühförderung, die Kindergärten und die Flüchtlingsangelegenheiten geregelt.

Der Rechnungshof hat – wie sollte es anders sein – dieses System bereits ausführlich kritisiert. Artikel 15a-Vereinbarungen erhöhten die Zahl der Finanzierungsströme, gin­gen so zum Großteil zu Lasten des Bundes und seien insgesamt ein schwerfälliges Instrument. Nur etwas sei hier angemerkt und dem Rechnungshof auch ins Stamm­buch geschrieben: Finanzieren muss man neue Anforderungen und Herausforderun­gen auch. Die alte Devise hat schon auch seine Gültigkeit: Wer anschafft, soll auch zahlen!

Von den Kosten abgesehen hat das Geldverteilungssystem auch in sich strukturelle Fehler, denn sparsames Wirtschaften, wie zum Beispiel in Vorarlberg, wird nicht belohnt. Es gibt kaum oder keine Anreize für Kooperationen zwischen den Ländern, wie etwa bei der Spitalserhaltung oder bei der Spitalsfinanzierung. Wie schon gesagt: Das System ist intransparent, schwer kontrollierbar und nur für eine Handvoll Experten halbwegs durchschaubar.

Unser Finanzminister hat sich, was den Finanzausgleich anbelangt, einiges vorge­nommen. Der Finanzausgleich sollte sich mehr an den Aufgaben als an den Kopf­quoten orientieren. Es besteht auch durchaus Bereitschaft, über die Steuerautonomie der Länder zu verhandeln und dabei neue Kompetenzverteilungen zu schaffen. Der Finanzausgleich kann auch eine Chance sein, im Rahmen eines modernen Föderalismus alles auf ein neues, tragbares und transparentes System umzustellen.

Natürlich gibt es auch Wortmeldungen aus den Ländern. Der Großteil der Landes­hauptleute ist bereit, über mehr Verantwortung bei der Steuereinhebung zu reden. Die Zeit drängt, bis Mitte 2016 sollte der neue Finanzausgleich stehen. Das ist ambitioniert, Herr Minister, aber ein gesunder alemannischer Optimismus kann in diesem Zusam­menhang nie schaden. Das Wochenmagazin „profil“ hat dazu Folgendes festgestellt:

„Aber eine umfassende Neuordnung“ des Finanzausgleiches „in nur einem Jahr ist ungefähr so wahrscheinlich, wie ein Vulkanausbruch im Tullner Feld. Zu viele Einzel­interessen prallen beim Finanzausgleich aufeinander, zu viel juristischer Murks hat sich in den vergangenen Jahrzehnten angesammelt.“

Der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Josef Pühringer, hat dazu verlauten lassen, dass der bisherige Verteilungsschlüssel für die Milliarden aber bleiben müsse.

Kontraproduktiv sind dazu die Wortmeldungen der Opposition. Ich möchte hier aus der letzten ORF-Pressestunde den Kollegen Strolz zitieren, der sich ja gerne als pinker Alpen-Napoleon aufspielt und der die Landeshauptleute als „Fürsten der Finsternis“ bezeichnet hat. Ich zitiere:

„Dem ‚elenden Spendierföderalismus‘ müsse ein Ende gemacht werden … Die Länder sollten Steuerverantwortung übernehmen oder die Landtage ‚in dieser Form‘ abge­schafft werden. Den Landeshauptleuten warf Strolz vor, ‚Fürsten der Finsternis‘ zu


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sein, die sogar das Befüllen der Transparenzdatenbank verweigerten.“ Notfalls müsse man diese „zu Chefs des Vollzugs degradieren, ähnlich den Bezirkshauptleuten.“

Das zeigt neben dem ganzen Populismus, wie wenig Ahnung Kollege Strolz hat. Nur mit der Abschaffung von politischen Strukturen wie den Landtagen oder auch dem Bundesrat politisches Kleingeld zu verdienen und sich keine Gedanken über Verfas-sung und Föderalismus zu machen, ist mehr als bescheiden. Kollege Strolz sollte zumindest versuchen, einen Grundkurs in Verfassungsrecht und Staatsbürgerkunde zu besuchen, um wenigstens den Anforderungen eines Durchschnittsstaatsbürgers zu entsprechen.

Unser Finanzminister Hans Jörg Schelling hat indes sieben Arbeitsgruppen beauftragt, sich mit dem Thema Finanzausgleich zu befassen und entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Es geht dabei um Abgabenautonomie, Aufgabenkritik und Aufgabenorien­tierung und Transfers. Es geht auch um zwei ganz wichtige Punkte, nämlich Gesund­heitsfinanzierung und Pflege, sowie um Haftungsobergrenzen und interkommunale Zusammenarbeit.

Herr Finanzminister, ich meine, wir sind damit auf dem richtigen Weg. Und ich darf abschließend auf alemannisch sagen: Net lugg lo! Das heißt: Nicht lockerlassen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.31


Präsident Gottfried Kneifel: Herr Bundesrat Lindinger gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


9.31.14

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Der Finanzausgleich ist ein riesengroßer Abwicklungs­mecha­nismus von Finanzmitteln, der manche Gemeinden und Städte zur Verzweiflung bringt.

Wie funktioniert eigentlich die Verteilung der Steuern und Abgaben unserer Bürge­rinnen und Bürger? Wie funktioniert das zwischen den Kommunen, den Ländern und dem Bund? Wer hat welche Aufgaben zu bewältigen? Mit welchen Mitteln werden die Kosten durch die Länder, die Gemeinden und den Bund gedeckt?

Die gemeinschaftlichen Bundesabgaben – heißt es so schön – werden in die Ertrags­anteile des Bundes, der Länder und der Gemeinden aufgeteilt und vom Bund an die Länder und von den Ländern an die Gemeinden gemäß dem abgestuften Bevölke­rungs­schlüssel aufgeteilt. Diesen abgestuften Bevölkerungsschlüssel gibt es schon seit 1920. Es wäre an Zeit, dass wir endlich Veränderungen herbeiführen, und es wäre gut, wenn wir bis 2020 die nötigen Reformschritte schaffen würden. Das ist höchst notwendig. Ich werde noch darauf eingehen, warum das derzeitige System nicht ganz gerecht und reformbedürftig ist.

In Österreich funktioniert das so: Es gibt ein Mischsystem bei der Einhebung und Verteilung von Steuern und Abgaben. Wir wissen, dass in diesem Mischsystem wiederum Trennsysteme bestehen. Die Kommunen heben ausschließlich für sich die Steuern ein, wie die Grundsteuer A und Grundsteuer B und die Kommunalsteuer von der Lohnsumme der Betriebe in der Gemeinde. Das veranlasst natürlich einige Gemeinden zum Verzicht. Wir kennen das, in dieser Kammer sitzen ja sehr viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Sie verzichten oder stimmen einer Reduzie­rung des Steuersatzes beziehungsweise der Bemessungsgrundlage zu. Das ist eine starke Benachteiligung der ärmeren, nicht so finanzstarken Gemeinden, der kleineren Gemeinden, die es sich nicht leisten können, auf ein paar Steuern zu verzichten. Einige


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machen das aber, und das ist sicher zum Nachteil der Gemeinden, die das nicht tun können.

Über das Verbundsystem werden die Mittel zentral eingehoben und, wie bereits einleitend erwähnt, über die Ertragsanteile verteilt. Dann gibt es noch das Zuweisungs­system. Das sind zweckfreie und zweckgebundene Zuweisungen, Transfers von oben nach unten und umgekehrt, zwischen den Ländern und Gemeinden.

Zusammenfassend sprechen wir vom primären Finanzausgleich, das umfasst also die Verteilung der Abgabenhoheit der Gebietskörperschaften und die Verteilung der Ertragshoheit auf die Gebietskörperschaften. Dies ist im Finanzausgleichsgesetz ge­nau geregelt. Jede Gebietskörperschaft will natürlich vom Steuerkuchen den größeren Anteil haben und die Aufgaben verteilen. Das heißt, wer die besseren Karten hat, wird bei den Verhandlungen besser aussteigen.

Zum sekundären Finanzausgleich: Das System der Transferzahlungen wird zwi­schen den Gebietskörperschaften genau geregelt, insbesondere die Landesumlage und die Bedarfszuweisungen. Bei den Bedarfszuweisungen gibt es schon wieder Unterschiede im Verteilungsmodus zwischen den Bundesländern. Es geht darum, wer für welche Investitionen Bedarfszuweisungen, die sogenannten BZ, bekommt. Die Abkürzung BZ ist das Erste, das ein Bürgermeister lernt. Er lernt das, und gleich bei Amtsantritt bekommt er von seinem Vorgänger Knieschoner. Wenn die schon zu stark benützt worden sind, muss er sich neue kaufen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Dann gibt es noch den tertiären Finanzausgleich. Er umfasst alle übrigen Transfers zwischen den öffentlichen Rechtsträgern nach den einschlägigen Bundes- und Landes­gesetzen, und zwar Transferleistungen wie Krankenanstaltenbeitrag, Sozialhilfeum­lage, Landesumlage. Bei der Landesumlage und beim Krankenanstaltenbeitrag gibt es auch schon wieder Unterschiede zwischen den Bundesländern. Das heißt, das System ist undurchsichtig und nicht vergleichbar. Man kann kein Benchmarking machen, wie man so schön sagt, man kann nichts vergleichen.

Dann gibt es noch jene Bereiche, in denen Geldmittel von den Ländern an die Ge­meinden fließen. Das ist zum Beispiel der Personalkostenzuschuss im Bereich der Kindergärten. Da gibt es, wie wir wissen, auch schon wieder Unterschiede zwischen Niederösterreich und den restlichen Bundesländern.

Geschätzte Damen und Herren! Sie sehen, dass alleine die unterschiedlichen Umlagesysteme in den Bundesländern ungerechte und extrem unterschiedliche Kosten pro Einwohner verursachen. Ich möchte Ihnen das anhand einer Berechnung aus dem Jahre 2013 näherbringen: Die Kosten pro Einwohner liegen in Oberösterreich bei 484 €, in Kärnten bei 443 € pro Einwohner und in Vorarlberg bei 467 €. Das ist ungefähr gleich. In Niederösterreich sind es aber nur 386 €, weil die Gemeinden keine Landesumlage bezahlen. In der Steiermark sind die Kosten auch niedrig, da dort die Gemeinden keine Krankenanstaltenbeiträge bezahlen. Bei der Betrachtung der Finanz­kraft der Gemeinden und Städte vor und nach Transfers sind also die mittleren Ge­meinden und die Städte die Verlierer. Das heißt, die kleinen Gemeinden sind die Gewinner. Die mittelgroßen Gemeinden, so ab 5 000 Einwohner, und die Städte sind die Verlierer.

Als Bürgermeister einer Gemeinde mit 6 000 Einwohnern weiß ich, dass da Reform­bedarf besteht, und ich meine, dass wir unverzüglich in die Reformdiskussion ein­steigen müssen und massive Änderungen herbeiführen müssen.

Man muss auch an der Entflechtung der Kompetenzen und der Aufgaben arbeiten. Viele Institute verwenden das Schlagwort „aufgabenorientierter Finanzausgleich“. Es


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gibt dazu Vorschläge vom Gemeindebund, vom Städtebund, vom Gemeindever­treter­verband und von verschiedenen Instituten. Es gibt etwa den Vorschlag, dass man die Mittel im Rahmen eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs in Töpfe aufteilen soll. Topf eins: Die Basisfinanzierung im Bereich der Daseinsvorsorge soll für alle einheitlich sein. Topf zwei: Da geht es um die Basisfinanzierung für die Bereiche Soziales, Schule und Kinderbetreuung, Migration, Infrastruktur. Es muss uns ein Anliegen sein, dass die Gemeinden im Schulbereich eine gute Finanzierung haben. Wir wissen, wie weit wir in Oberösterreich mit der Finanzierung von Schulsanierungen und Schulneubauten im Rückstand sind, dass uns bei vielen Schulen sozusagen die Dächer davonfliegen. Da besteht sehr viel Nachholbedarf.

Die Kosten der zentralörtlichen Funktion müssen abgedeckt werden. Jede Gemeinde übernimmt ja aufgrund der Größenordnung verschiedene Funktionen in der Region. Es gibt Gemeinden, die für die Region ein Hallenbad betreiben, andere haben für die Region eine große Musikschule, andere führen eine Stadthalle, Schulzentren, große Turnanlagen, Dreifachturnsäle und so weiter. Diese Kosten gehören gedeckt, sie können nicht pro Kopf abgerechnet werden. Das sind zentralörtliche Aufgaben, und die gehören auch abgedeckt.

Es gibt auch noch einen Vorschlag für einen vierten Topf, da geht es um Ressourcen­ausgleich für verschiedene Bereiche. Sie sehen also, geschätzte Damen und Herren, dass da sehr viel zu tun ist, in jedem dieser Bereiche ist sehr viel Raum für Verän­derungen.

Ich hoffe, dass die Gemeinden und ihre Vertretung Stärke beweisen und einen guten Weg finden, um das zu verändern. Nur gut finanzierte Gemeinden können auch dafür sorgen, dass das Geld, die Finanzkraft in den Regionen bleibt und wieder in den Regionen investiert wird.

Ich darf zum Abschluss noch darüber sprechen, wie die Einnahmenstruktur der Gemeinden insgesamt aussieht: Die Ertragsanteile, von denen wir gesprochen haben, entsprechen 33 Prozent der Einnahmen, das ist eine Steigerung von 3 Prozent. Die Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit entsprechen 29 Prozent. Die Gemeinde­ab­gaben – unsere Steuern, Grundsteuer A und B und die Kommunalsteuer – machen 18 Prozent aus. Die Transfereinnahmen, die einmal hinauf und einmal hinunter gehen, liegen bei 12 Prozent. Das heißt, bei den Einnahmen gibt es kleine Steigerungen.

Geschätzte Damen und Herren! Wir wissen, dass aber die Ausgaben in vielen Bereichen sehr stark ansteigen. Bis 2014 liegt der Anstieg im Bereich der sozialen Wohlfahrt bei 113 Prozent.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte zum Schlusssatz kommen!

 


Bundesrat Ewald Lindinger (fortsetzend): Bei Kunst und Kultur sind es 45 Prozent, bei Gesundheit 87 Prozent.

Frau Kollegin Zwazl, Sie sehen, dass die Wirtschaftsförderung fast nicht gestiegen ist. Sie sinkt, weil die Gemeinden kein Geld mehr haben, um die Wirtschaft in den Regionen zu fördern. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl. – Ruf bei der ÖVP: Wir investieren …!) Das ist das Traurige, dass kein Geld mehr da ist, um in die Wirtschaft zu investieren. Daher ist es wichtig, dass die Gemeinden bei den Finanzaus­gleichs­verhandlungen, bei einer Neupositionierung gut aussteigen, denn die Gemeinden brauchen mehr Geld.

Herr Bundesminister, ich wünsche mir für die Bürgerinnen und Bürger, dass die Gemeinden mit genügend Geld ausgestattet werden, um ihre Aufgaben bewältigen zu können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.44



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 22

Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm und ergänze, dass wir uns in der Präsidiale auf 10 Minuten Redezeit geeinigt haben.

 


9.44.19

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Vor 14 Tagen in der Aktuellen Stunde mit der Frau Gesundheits­minister habe ich die mangelnde Aktualität des Themas beklagt. Das kann man heute sicherlich nicht sagen, denn das ist ein brandaktuelles Thema.

Der Titel – „Finanzausgleichsverhandlungen: Chance für Bund und Länder“ – stört mich vielleicht ein bisschen.

Wo, frage ich mich, bleiben die Gemeinden? Die Gemeinden sind doch essenziell, sie sind vor allem die, die dem Bürger am nächsten sind. Sie spielen auch für die regionale Wirtschaft eine ganz wesentliche Rolle.

Und: Chancen wofür? Chancen für mehr Gerechtigkeit? Für mehr Transparenz? Für eine Föderalismusreform? Für eine Verwaltungsreform? Oder vielleicht gar für eine Staatsreform?

Mehr Gerechtigkeit ist sicherlich vonnöten. Wenn man sich anschaut, wie die Finanzmittel verteilt werden, dann sieht man zwischen den einzelnen Bundesländern sehr große und nicht wirklich erklärbare Unterschiede. 2014 sind pro Kopf durch­schnittlich 2 855 € verteilt worden. Man kann sagen, dass Wien gewissermaßen ein Sonderfall ist; mit 3 190 € steht Wien an der Spitze. Salzburg folgt mit 3 020 €. Die Steiermark liegt schon abgeschlagen mit 2 695 € pro Kopf, und an letzter Stelle steht das Burgenland mit 2 570 €.

Der Ruf war ja auch heute bereits wieder zu vernehmen: Jeder Bürger ist gleich viel wert! Gemeindebundpräsident Mödlhammer fordert das ganz vehement. Der Städte­bund ist da ein wenig anderer Ansicht. Ganz radikal schlägt das aber der niederöster­reichische Finanzlandesrat Sobotka vor. Er will pro Kopf eine fixe Summe verteilen. Die Frage ist, ob das dann auch wirklich gerecht ist.

Bei der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden gibt es gravierende Unter­schiede. Kollege Lindinger hat vorher in genau diesem Zusammenhang Niederöster­reich genannt und gemeint, dass die kleinen Gemeinden am meisten profitieren. In der Steiermark sieht man, dass die Gemeinden bis 500 Einwohner eine negative Quote der freien Finanzspitze von 4,7 Prozent haben. Die Stadt Graz hat eine negative Quote von 4,1 Prozent, während die Quote bei allen anderen Einwohnerklassen positiv ist. Die höchsten mit plus 6,5 Prozent haben die Gemeinden zwischen 2 000 und 5 000 Ein­wohnern. Man sieht da also durchaus auch Bundesländerunterschiede.

Der Ruf nach mehr Transparenz ist sicherlich gerechtfertigt. Ich denke, wir sind ein­hellig der Meinung, dass das notwendig ist. Mödlhammer hat auch schon gesagt, dass das System wirr und teilweise undurchschaubar ist. Von den Vorrednern wurde ja das bisherige dreistufige System bereits erläutert – primär, sekundär, tertiär, das Ganze dann noch horizontal und vertikal.

Dann gibt es noch einen grauen Finanzausgleich. Kein Mensch versteht beispielsweise die folgenden Zahlen aus der Steiermark: Das Land hat auf das heurige Jahr hoch­gerechnet laufende Transferzahlungen an die Gemeinden in Höhe von ungefähr 134 Millionen € und Kapitaltransfers in Höhe von 137 Millionen € zu leisten. Umgekehrt überweisen die Gemeinden als Landesumlage und für Sozialhilfeverbände 310 Millio­nen € an die Länder. Das Geld wird also vom rechten Sack in den linken verschoben,


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und das alles noch mit einem enormen Verwaltungsaufwand. Das versteht natürlich niemand.

Grundlegende Forderungen für den Finanzausgleich sind Einfachheit und Trans­parenz. Wesentlich ist auch eine aufgabenadäquate Ausgabenfinanzierung. Nicht zuletzt sollte das System auch gegenüber Änderungen in der Zukunft offen sein, sodass wir nicht wieder in die Situation kommen, dass jede Änderung, jede Anpassung zu einer Verkomplizierung und schlussendlich zu einem undurchschaubaren System führt.

Es gibt dazu einen Vorschlag, der besagt, dass alle direkten Steuern an die Länder und Gemeinden und alle indirekten Steuern mit Ausnahme der Grunderwerbssteuer an den Bund gehen. Dazu soll ein Schwankungsausgleich geschaffen werden, wenn diese Einnahmen zu weit auseinanderklaffen. Dabei gibt es zwei Varianten: einmal ohne Aufgabenverteilungsreform und einmal mit einer neuen Aufgabenverteilung, durch die beispielsweise Unterricht, Land- und Forstwirtschaft und Gesundheit zu den Ländern wandern sollten.

Für ein solches System wurden Berechnungen für einen fünfjährigen Zeitraum mit den Zahlen von 2009 bis 2012 durchgeführt. Sie ergeben in der Variante ohne neue Aufga­ben­verteilung für den Bund einen negativen Saldo von ungefähr 300 Millionen €, für die Länder von plus 50 Millionen € und für die Gemeinden von plus 100 Millionen €. Wenn man dabei allerdings bedenkt, dass gerade der Bund massiv Verwaltungskosten einsparen könnte, so hat dieser Vorschlag durchaus seinen Reiz.

Die Diskussion über einen Lastenausgleich ist natürlich notwendig. Es geht um einen Lastenausgleich für übergeordnete, zentrale Aufgaben, also für Städte und für ganze Stadtregionen. Gerade in der Obersteiermark, wo es eine Stadtregion von Kapfenberg bis Leoben gibt, ist das sicherlich ein wesentliches Thema. Es geht aber auch um einen Lastenausgleich für schrumpfende Regionen, die vor besonderen Herausforde­rungen stehen.

Die Frage der Steuerautonomie wurde ebenfalls bereits vom Vorredner angesprochen. Steuerautonomie wird teilweise vehement gefordert, von anderen wird sie wiederum massiv abgelehnt. Es steht außer Zweifel, dass eine solche Steuerautonomie zu einem Steuerwettbewerb zwischen den Ländern führen würde. Man darf sich dabei natürlich nicht – das sagt zumindest die Agenda Austria – mit Bagatellsteuern auseinander­setzen, sondern Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuern sind als Basis heran­zuziehen. Es wird vorgeschlagen, den Ländern einen Prozentsatz dieser Einnahmen durch ein Zu- und Abschlagsystem zu überlassen. Das Interessante dabei ist, dass die Simulationsrechnungen ergeben haben, dass die Steuersätze der Bundesländer im Durchschnitt um 1,5 Prozent sinken würden. Durch die Wettbewerbsstärkung würde es zu einer nachhaltigen Einkommenssteigerung von 1,7 Prozent kommen. Entgegen der vielverbreiteten Meinung, dass dieser Steuerwettbewerb zu Ungleichheit führen würde, würde es zu einer Angleichung des Wohlstandes in den einzelnen Ländern kommen.

Wie wichtig die Anpassungsfähigkeit eines solchen Systems ist, zeigen auch die neuen Herausforderungen. Herr Finanzminister, Sie haben selbst vor wenigen Wochen gesagt, dass von den Asylwerbern, die bei uns Asylstatus erhalten werden, maximal 7 bis 9 Prozent am Arbeitsmarkt vermittelbar sein werden. Der Rest wird direkt in die Mindestsicherung wandern. Wir wissen noch nicht, wie viele es allein aus dem heuri­gen Jahr sein werden. 40 000? 50 000? – Man weiß es noch nicht, das werden die Asylgerichtshöfe zu beurteilen haben. Jedenfalls wird diese Belastung mit einer gewis­sen Zeitverzögerung, wenn die dann aus der Grundversorgung draußen sind, massiv auf die Gemeinden, auf die einzelnen Sozialhilfeverbände zukommen.


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Gerade strukturschwache Abwanderungsgemeinden geraten dann in eine Doppel-mühle. Ich denke da wieder an Orte in meinem eigenen Bezirk, zum Beispiel Eisenerz und Vordernberg. Einerseits haben sie wenig Arbeitsplätze, also kaum eigene Einnah-men, dafür aber oft freien und billigen Wohnraum. Dieser wird natürlich von Menschen in Anspruch genommen, die Mindestsicherung beziehen und ohnehin keinen Arbeits­platz haben. Auf der anderen Seite kämpfen diese Gemeinden mit der Überalterung und den enormen Pflegekosten. Derzeit ist es noch so, dass beispielsweise beim Sozialhilfeverband Leoben zwei Drittel des Gesamtbudgets in die stationäre Pflege fließen. Das sind enorme Belastungen, die auf die Gemeinden zukommen werden.

Jetzt komme ich wieder zum Ausgangspunkt zurück. Ich stelle mir die Frage: Sind das wirklich alles Chancen? Ist alles eine Chance, oder ist es nicht eigentlich eine Notwendigkeit? Ist das Reparieren von Versäumnissen Ihrer Vorgänger eine Chance, oder ist das nicht eigentlich unbedingt erforderlich?

Herr Bundesminister, so gesehen haben Sie die Chance, die Versäumnisse vergan­gener ÖVP-Minister zu reparieren. Molterer hat 2007 den letzten Finanzausgleich verhandelt (Ruf bei der ÖVP: Vergiss nicht Grasser!) und die Wünsche der Länder weitgehend befriedigt. Deshalb ist das damals auch relativ gut und rasch zu Ende gegangen. Fekter und Spindelegger haben sich nicht drübergetraut, sondern so unge­fähr gesagt: Na ja, das schreiben wir fort.

Jetzt haben Sie dankenswerterweise den Willen geäußert, diese Versäumnisse der Vergangenheit zu beseitigen. Diese Chance liegt bei Ihnen. Ich bin auch schon ge­spannt auf Ihre Ausführungen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls bei dieser Mammutauf­gabe viel Glück und Erfolg! (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

9.57


Präsident Gottfried Kneifel: Frau Abgeordnete Mag. Schreyer ist nun zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.

 


9.57.36

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause! Ich sehe den Finanzausgleich im Gegensatz zu meinem Vorredner schon als Chance an, nämlich als Chance für Reformen, als Chance für eine Bundesstaats­reform, als Chance für eine Reform der Finanzverfassung. Es ist eine Chance, sich einmal im Detail anzusehen, wo es gute Strukturen gibt, wo es ineffiziente Strukturen gibt, wo es Verbesserungen braucht und wo es festgefahrene Föderalismusstrukturen gibt, die aufgebrochen und entwirrt gehören.

In einem großen Finanzausgleichsprozess gehören Zuständigkeiten generell neu definiert, indem die Verantwortung für Einnahmen, Aufgaben und Ausgaben zusam­mengeführt wird. Das muss das generelle Leitbild für eine Bundesstaatsreform sein, und dieses Leitbild ist so natürlich auch in der Finanzverfassung zu verankern.

Dieses Reformpotenzial geht in beide Richtungen: Es geht in Richtung mehr Föde­ralismus und auch in Richtung weniger Föderalismus. Es geht vor allem darum, nicht starr an bestehenden Strukturen festzuhalten, sondern darum, die besten und effizien­testen Lösungen für die Österreicherinnen und Österreicher zu finden.

Dabei halten wir es für wichtig, die Steuerautonomie auszuweiten. Das ist auch schon von allen Vorrednern angesprochen worden. Für die Gebietskörperschaften soll ein viel weitreichenderer Mix als derzeit entstehen: ein Mix aus eigenen Steuern, Gebühren, Beiträgen und den Einnahmen aus dem Steuerverbund. Das Ziel ist, echte Autonomie und echte Selbstverwaltung zu fördern.


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Folgendes sehe ich aber ganz anders als der Vorredner: Es darf auf keinen Fall passieren, dass die Stärkung der Abgabenautonomie zu einem Wettbewerbs­födera­lismus führt, der die Länder untereinander aufreibt und zu solch einem Konkurrenz­kampf führt, dass wir im Endeffekt alle als Verlierer aussteigen. (Bundesrat Krusche: Ja, Wettbewerb ist immer …! – Ruf bei der ÖVP: … wie in der Schweiz! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) – Ähnlich wie in der Schweiz, ganz genau.

Das Ziel darf eben nicht nur die einseitige Effizienzsteigerung sein, sondern es braucht eine gute Balance zwischen Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und vor allem Solidarität.

Es braucht auch endlich einen aufgabenorientierten Finanzausgleich. Das System, das vorhin schon weitgehend erklärt worden ist, ist, so wie es zur Zeit ist, vor allem pauschaliert – pauschaliert über die Volkszahl, pauschaliert über den abgestuften Bevöl­kerungsschlüssel und über Fixschlüssel – und nimmt keine Rücksicht auf besondere Lasten. Es sind aber die Kosten für die Aufgaben, die die Gebietskör­perschaften zu leisten haben – vor allem die Kommunen –, nicht immer eine einfache Funktion der Volkszahl, sondern sie hängen stark von den Faktoren ab, die bisher überhaupt nicht berücksichtigt werden – zum Beispiel von der demografischen Ent­wicklung, von der Topografie, von der Siedlungsstruktur und von sozioökonomischen Faktoren.

Eine Gemeinde in einem entlegene Seitental in der Steiermark mit einem riesigen Gemeindegebiet – wie sie mein Vorredner gerade angesprochen hat –, mit Absied­lungsproblematik und mit Überalterung hat ganz andere Bedürfnisse als eine Ge­meinde mit einer relativ kleinen Gemeindefläche und dafür riesigen Industriegebieten, zum Beispiel südlich von Wien, oder als zum Beispiel eine Gemeinde im Speckgürtel rund um Innsbruck, die schön zum Wohnen ist, aber kaum eigene Einnahmen hat, dafür aber immense Ausgaben zum Beispiel für Kinderbetreuung oder Kranken­anstaltenbeiträge und so weiter.

Die populistischen Forderungen nach einem Fixbetrag pro Kopf gehen total an diesen Bedürfnissen der einzelnen Gemeinden vorbei. Um eben im Moment mit diesen Bedürfnissen umzugehen, gibt es ein irrsinniges Geflecht an Transferzahlungen und Kofinanzierungen. Es gibt bekannterweise Schätzungen, wonach es in Österreich über 50 000 Quertransaktionen gibt. Das ist ein irrsinniges Geflecht, das ist ein irrsinniger Verwaltungsaufwand, und das gilt es einfach zu entwirren und zu vereinfachen, um bedarfsgerechter zu werden.

Das Ziel muss es sein, die Mittel aufgabenorientiert zu verteilen. Das gilt eben beson­ders zum Beispiel für die Ausgaben für Kinderbetreuung, Bildung und Gesund­heit. Es braucht neben der Bevölkerungszahl noch weitere Indikatoren. Aus unserer Sicht braucht es dazu eine Basisfinanzierung, die die Basisaufgaben, die durch­schnittlich immer gleich bleiben – wie Verwaltungskosten und Straßeninstandhal­tungskosten –, finanziert. Dann braucht es eine Finanzierung für Sonderlasten, eben zum Beispiel für eine niedrige Siedlungsdichte, für überdurchschnittlich hohe Versor­gungserforder­nis­se – zum Beispiel viele Kinder, viele ältere Personen – oder Berglage; auch wie viel öffent­licher Verkehr in der jeweiligen Kommune vorhanden ist, muss bei den Sonderlasten miteinberechnet werden.

Es soll auch noch individuelle Schlüssel für die zentralörtlichen Funktionen geben. Derzeit gibt es schon Bundes-, Landes- und Bezirkshauptstädte, Schulstädte und Kulturzentren, aber es soll individueller und nicht nur so nach Einwohnerzahl pau­schaliert gehen wie bisher. Das ist eine große Herausforderung, aber es wird derzeit schon in anderen Ländern – zum Beispiel in ganz vielen Nachbarländern von uns – so


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praktiziert. In Deutschland, der Schweiz, in den Niederlanden und in Teilen von Skan­dinavien ist es schon gang und gäbe.

Ich möchte nur ein paar Beispiele kurz ansprechen. Aus unserer Sicht wäre es wichtig, ein paar Leuchtturmprojekte für einen Föderalismus neu anzustarten. Vom KDZ gibt es eine ganz neue Studie, die gerade erst zwei Monate alt ist und im Auftrag der Arbeiterkammer Wien erstellt wurde, die den aufgabenorientierten Finanzausgleich am Beispiel der Kinderbetreuung durchrechnet. Mehrere Varianten werden da vorge­schlagen und durchprobiert; die Studie kommt zum Ergebnis, dass eine aufgaben­orientierte Mittelverteilung gegenüber der aktuellen Situation – no na ned! – Vorteile und Nachteile hat. Vorteile sind zum Beispiel die generelle Stärkung des Kinderbetreu­ungsbereichs und der Chancen für die Kinder. Eine Stärke ist auch ein Mehr an Motivation für eine handlungsbereite Kommunalpolitik. Alles, was ich gerade aufgezählt habe – also Bedarfsprinzip im Finanzausgleichssystem, Entflechtung des Finanzaus­gleichs, die Verminderung der Komplexität des Transfers und natürlich auch eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Kommunen –, wird bei den Vorteilen aufgezeigt.

Nachteile sieht die Studie zum Beispiel in der Verschiebung der Mittelausstattung zwischen den Gemeindegruppen und darin, dass es auch Manipulationsmöglichkeiten gibt – vor allem bei den Leistungsdaten. In einer Gesamtbetrachtung überwiegen aber eindeutig die Vorteile. Solche Leuchtturmprojekte gehören natürlich ständig evaluiert sowie verbessert, und es muss einfach nachgearbeitet sowie nachgebessert werden.

Als ganz kurzes Beispiel möchte ich noch auf die Zweckbindung eingehen, um zu zeigen, dass man auch ganz neue Wege im Finanzausgleich gehen kann. Zum Bei­spiel könnte man – das ist natürlich eine alte grüne Forderung – die Mineralölsteuer im Finanzausgleich für den öffentlichen Personennahverkehr zweckbinden – und nicht nur dafür, sondern auch für umweltfreundliche Mobilität generell, also auch für die Anreiz­stärkung zum Ausbau des Fuß- und Radwegenetzes und den Betrieb dessen.

Alles in allem kann man es folgendermaßen auf den Punkt bringen – ich habe es vorher auch schon angesprochen –: Es geht nicht darum, starr an bestehenden Struk­turen festzuhalten, sondern darum, die besten und effizientesten Lösungen für alle Österreicherinnen und Österreicher zu finden. Dann, wenn alle Beteiligten, die im Reformprozess und in den Verhandlungen rund um den Finanzausgleich beteiligt sind, als Ziel vor Augen haben, das Beste für Österreich herauszuholen, bin ich mir sicher, dass auch ein ganz großer Wurf gelingen kann. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

10.05


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


10.05.43

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Der Finanzausgleich wird uns fordern. Das, was jetzt an Analyse hier vorliegt, kann man zum Großteil teilen. Es ist kompliziert, es ist intransparent, die Verwaltung des Ausgleichs ist sehr komplex.

Weil hier auch ein internationaler Vergleich angesprochen wird: Da kann ich Ihnen viel Spaß dabei wünschen; denn wenn Sie zum Beispiel Deutschland hernehmen, wo die Bundesländer untereinander einen Finanzausgleich machen, dann wäre das für den Bund eigentlich eine sehr komfortable Situation, und wir würden einmal in der ersten Reihe fußfrei sitzen und zuschauen, was da herauskommt – und nicht umgekehrt.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 27

(Allgemeine Heiterkeit.) Ich glaube aber nicht, dass die Länderkammer diesen Wunsch unbedingt hat.

Das meine ich sehr ernst, weil ich glaube, man muss auch ein paar Dinge im Vorfeld festlegen, wie so etwas besser werden kann. Jetzt haben wir einen solchen historisch gewachsenen Finanzausgleich; und natürlich ist es dabei so, dass der Standort dann, wenn jemand hier im Hohen Haus auch Bürgermeister ist, den Standpunkt ändert. Das ist gar keine Frage.

Daher gibt es unterschiedliche Zugänge, aber eines muss uns von Anfang an klar sein: Die Quelle allen Geldes, das wir verteilen, sind die Bürgerinnen und Bürger – und nicht der Finanzminister, nicht die Landeshauptleute und nicht die Bürgermeister. Die Quelle sind die Menschen in diesem Land. Ich glaube, auf all diesen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden – ist es wichtig, dass wir uns zu einem bekennen, nämlich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Steuern, die die Bürgerinnen und Bürger ein­zahlen.

Das ist eine wichtige Voraussetzung, auch weil Sie vorher die Gesundheitsreform angesprochen haben. Ich war lange Zeit im Gesundheitssystem, und ich habe viele Diskussionen erlebt, bei denen nach zwei Stunden am Podium das Wort Patient noch nie vorgekommen war. Hier haben wir eine Situation, in der das Wort Bürger nicht vorkommt. Ich glaube jedoch, die wichtigste Aufgabe dessen, was wir tun müssen, ist, einen Finanzausgleich zu konstruieren, der die zweite wesentliche Voraussetzung erfüllt, nämlich bürgernah und effizient zu sein. Das bedeutet, dass wir uns von den festgefahrenen Begriffen zentral und föderal verabschieden müssen und zum Subsidia­ritätsprinzip zurückkommen müssen: Wo und auf welcher Ebene kann für die Bürge­rinnen und Bürger, die das Geld einzahlen, die Leistung am effizientesten und am bürgernächsten erbracht werden.

Da wird jeder in irgendeinem Bereich über seinen Schatten springen müssen; und da wird es logischerweise, wenn man eine Neukonstruktion des Finanzausgleichs an­strebt, zu Kompetenzverschiebungen kommen. Sie wissen, dass wir unter der Mitwir­kung mancher einmal einen wunderbaren Konvent hatten, den Österreich-Konvent. Manche können sich noch daran erinnern.

Im Rahmen dessen wurden viele sehr gute Vorschläge gemacht, aber es ist uns bis heute nicht gelungen, diese Vorschläge auch umzusetzen. Dieser Finanzausgleich hat nun insofern eine Chance, als dass eine offensichtliche Umsetzung von Kompetenz­verlagerungen am leichtesten übers Geld geht.

Jetzt bin ich bei dem Thema, warum wir das ändern sollten. Ja, es gibt Kritik – Sie haben es erwähnt – bei der Transparenz, bei den Transfers. Nach unseren Schätzun­gen kostet nur die Verwaltung dieser Transfers, dieses Hin- und Herschieben von Geld auf den verschiedensten Ebenen – zurück und wieder nach vorne – ungefähr 150 Mil­lionen € – zum Beispiel in der Finanzierung der Spitäler oder auch in anderen Be­reichen, in denen das Geld zuerst an die Kommunen geht und dann von dort wieder abgesaugt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Geld wüsste ich etwas sehr, sehr Sinnvolles anzustellen. Das bedeutet, Sie haben natürlich mit der Kritik recht, aber es müsste nun auf allen Ebenen klar sein, dass wir das nur zu dritt auf den jeweiligen Leveln verändern können.

Jetzt weiß ich schon, gleich wird einer sagen, dass ich wieder den Städtebund vergessen habe; aber bekanntlich sind Städte auch Kommunen. Manche wollen es nicht wahrhaben. Wir haben nur eine Ausnahme, bei der die Kommune gleichzeitig das


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Land ist, aber sonst können wir das, glaube ich, in einem subsummieren, ohne hier in Streit zu geraten.

Daher ist diese Frage, die auch kritisiert wird, nämlich die Frage des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, nur lösbar, wenn wir aufgabenorientiert vorgehen. Wenn wir das nicht tun, dann können wir diese Lösung wahrscheinlich nicht herbeiführen, weil die einen dafür sind, die anderen dagegen. Manche profitieren, manche verlieren. Der entscheidende Punkt ist aber, dass es uns nicht gelingen wird, alles aufgabenorientiert zu lösen – aber vieles.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, an dem das jetzt natürlich mit der Frage zusam­menhängt, wie wir die Transfers gestalten. Was, glauben Sie, ist passiert, als ich den Vorschlag mit dem Beispiel der Kindergärten gemacht habe, die man zur Gänze, zu 100 Prozent auf die kommunale Ebene geben könnte, und gesagt habe, dass dann aber auch die Geldmittel vom Bund direkt an die Gemeinden fließen? – Mein Prinzip ist, die Zuständigkeit und die Verantwortlichkeit in eine Hand zu bekommen; und mein Prinzip ist auch, dass nicht einer bestellt und der andere bezahlt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

In Konsequenz heißt das aber auch, dass diejenigen, die jetzt diese Bedarfs­zuwei­sungen machen, in dieser Stufe dann natürlich ausgeschaltet sind; und das wird einigen nicht gefallen. Das muss man dazusagen. Da wird man eine hohe Zustimmung des Gemeindebundes bekommen – vermutlich auch des Städtebundes –, aber vielleicht weniger Zustimmung der Landesfinanzreferenten. Das möchte ich nur deshalb sagen, um noch einmal aufzuzeigen, dass Sie recht haben. Wir haben eine Chance, aber diese Chance können wir nur gemeinsam nützen; und da nutzt es über­haupt nichts, wenn der Herr Finanzminister irgendetwas vorschlägt und die anderen sagen, dass sie einfach dagegen sind. Das werden wir nicht als Chance nützen können.

Der zweite Bereich, der sehr, sehr wichtig ist und angesprochen wurde, ist das Thema Autonomie; und ich sage gleich Folgendes dazu: Eine Steuerautonomie, die wir jetzt theoretisch teilweise haben, darf und kann in einem kleinen Land wie Österreich keinesfalls zu ruinösem Wettbewerb führen. Es kann zu einem vernünftigen Wett­bewerb führen, aber nicht zu einem ruinösen Wettbewerb. Ich habe vor Kurzem die ausgeschiedene Schweizer Finanzministerin Widmer-Schlumpf eingeladen, die mir dann aufgezeigt hat, wie ruinös so etwas werden kann.

Ich sage gleich dazu, dass dann, wenn das ruinös würde, niemand zum Finanzminister oder zur Finanzministerin kommen und sagen kann, dass man jetzt zu wenig Ein­nahmen hat und um Geld bittet. Lassen Sie mich die Autonomiefrage an einem ein­fachen Beispiel noch einmal darstellen: Es gibt eine Steuer, die heben die Gemeinden ein, nämlich die Grundsteuern. Es gibt Gemeinden, die heben sie nicht ein – aus verschiedenen Gründen wie Ansiedlungspolitik, Förderpolitik und so weiter, – das ist alles okay; aber die, die so viel Geld haben, dass sie auf die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht angewiesen sind, dürfen dann auch nicht kommen und die anderen Kommunen damit belasten, dass durch den Finanzausgleich dorthin Geld fließt. Das ist ein einfaches Beispiel – es gibt viel komplexere –, aber es sollte uns aufzeigen, dass wir, wenn wir uns für so etwas entscheiden, uns selbst ernstnehmen und sagen müssen, dass wir dann diese Autonomie nützen.

Ich wage vorherzusagen, dass es, wenn wir dazu kämen, eine solche Steuerautonomie zu machen – derzeit sind wir ungefähr gedrittelt: drei dafür, drei warten, drei sagen eher nein –, dann auch dazu führen muss, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen, was wir denn mit diesen Mehreinnahmen tun. Das muss vor allem dann der Fall sein, wenn man einen solchen wie den vorher von mir zitierten möglichen Ansatz hätte,


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mit dem wir bei großen Steuerblöcken, nämlich bei der Einkommen- und Lohnsteuer sowie zum Beispiel bei der Körperschaftsteuer ansetzen.

Bei der Mehrwertsteuer, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es nicht. Da können wir nicht differenzieren; das macht, glaube ich, auch keinen Sinn. Stellen Sie sich jetzt aber einmal vor, wir haben dann eine Körperschaftsteuersituation zum Bei­spiel zwischen Wien und Niederösterreich, bei der der eine sagt, der Höchststeuersatz darf 25 Prozent sein, aber er senkt diesen auf 23 Prozent. Aus diesem Grund müssen wir uns bewusst machen, was wir damit auslösen. Daher bin ich derjenige gewesen, der gesagt hat: Diskutieren wir das in allen Facetten aus! Und wir können, meine geschätzten Damen und Herren, auch zu dem Ergebnis kommen, dass wir das Projekt verwerfen, weil man sich entweder nicht einigt oder weil es keine vernünftige Modellstruktur gibt. Das muss man mitnehmen. Nicht darüber zu diskutieren und dann immer zu jammern, dass der eine einhebt und der andere ausgibt, wird uns aber, glaube ich, auf lange Sicht nicht weiterbringen.

Sie haben das Thema Gesundheit und Pflege angesprochen. Natürlich sind das zentrale Themen, aber ein Bereich, der mir noch sehr wichtig erscheint und der für die Zukunft von entscheidender Bedeutung ist, ist jener, wie wir die interkommunale Zusammenarbeit organisieren, denn dort liegt ein wesentlicher Schlüssel – vorher ist das Schwimmbad genannt worden, und es gibt auch weitere Beispiele dafür, wie Musikschulen und andere.

Wie organisieren wir das? – Es gibt zum Beispiel in Vorarlberg – das weiß ich aus meiner früheren Erfahrung im Möbelhandel – eine Regelung: Wenn jemand ein Möbelhaus errichtet, dann muss sich jene Gemeinde, die die Kommunalsteuer be­kommt, weil dort der Arbeitsplatz entsteht, mit den umliegenden Gemeinden auf einen zivilrechtlichen Vertrag einigen, wie diese Kommunalsteuer verteilt wird. Es ist ein schönes, einfaches Modell, aber Beispiel dafür, dass zu Recht argumentiert wird, dass nicht nur der Standort alleine die Einnahmen lukrieren kann, sondern dass das Umfeld, das dadurch Ausgaben hat – Kindergärten, Schulen, Straßen –, auch davon profitieren sollte. Ich halte das für ein mögliches Beispiel dafür, wie wir hier wirklich weiter­kommen.

Jetzt weiß ich, dass es dann das Argument bei der interkommunalen Zusammenarbeit gibt, wie das mit der Mehrwertsteuer bei ausgelagerten Gesellschaften aussieht. Also wenn wir daran scheitern, dann haben wir einen zusätzlichen Fehler im System produziert!

Daher glaube ich, dass es von entscheidender Bedeutung sein wird, uns auch in die Querschnittsmaterien hineinzubegeben – Beispiel: Förderungen. Das neue Energieef­fizienz­gesetz führt dazu, dass der Bund über den Klimafonds neue Förderungen zum Beispiel für Solaranlagen einführt. Ich bin überzeugt davon, in jedem Bundesland gibt es so etwas. Jetzt können natürlich die Bundesländer sagen, dass sie es dann ab­schaffen. Das ist in Ordnung, aber wir sollten davor darüber reden, für wen diese Kompetenz gilt, wer diese Maßnahme aufnehmen soll. Und dann soll es einer machen – und nicht drei oder vier.

Das ist, glaube ich, der Punkt, an dem eine Diskussion über die Aufgabenverteilung von ganz entscheidender Bedeutung ist, und die kann auf diesem Umweg dann tatsächlich zu einer Art Bundesstaatsreform führen.

Ich habe angekündigt – das haben auch nicht alle meine Kollegen in der Regierung verstanden –, dass auch der Bund möglicherweise bereit sein muss, Kompetenzen abzugeben. Wir können zum Beispiel auch darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, eine mittelbare Bundesverwaltung zu haben. Diese Punkte gehören angesprochen und diskutiert. Wenn wir dann feststellen, es gibt bessere Lösungen, dann sollten wir sie


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nützen, und wenn wir keine Lösung haben, dann werden wir halt allenfalls bei dem bleiben müssen, was wir derzeit haben.

Die speziellen Punkte, die im Finanzausgleich noch zu regeln sind, wie Haftungs­obergrenzen und dergleichen, liegen natürlich in einem schwierigen Feld. Warum? – Weil das sozusagen ein Eingriff in die Finanzautonomie ist, und das bedeutet, dass wir da möglicherweise verfassungsrechtliche Änderungen brauchen.

Sie haben die vielen Artikel-15a-Vereinbarungen angesprochen. Ja, das kritisiere ich auch, weil das nur bedeutet, dass man aufgrund der – wie Herr Präsident Kneifel gesagt hat – gewachsenen Geschichte der Verfassung von Kelsen manche Dinge, die heute Herausforderungen sind, damals nicht lösen konnte, weil sie als Problem gar nicht existiert haben. Heute sind sie aber da. Wenn wir das alles aber mit Artikel-15a-Vereinbarungen lösen, wird uns das nicht weiterbringen.

Ich bin schon einigermaßen über die Diskussion erstaunt gewesen, die entstanden ist, nachdem ich gesagt habe, dass die Vorarbeit für den Finanzausgleich die VRV ist, also die Regelung, die die Voranschläge und die Rechnungsabschlüsse vereinheitlicht. Ich bedauere, dass wir 2015 darüber überhaupt diskutieren mussten, denn normalerweise hätte man sagen müssen, dass es das Normalste auf der Welt ist, dass alle nach demselben Prinzip bilanzieren. Daraus resultierend haben wir diese Vorkehrungen getroffen. Das ist uns nach Verhandlungen mit den Gemeinden, mit den Städten und mit den Ländern gelungen.

Jetzt befinden wir uns aber in einer Situation, in der die Länder sagen, dass sie quasi eine Firewall rund um diese Verordnung errichten und untereinander eine Artikel-15a-Vereinbarung machen. Ich bin nicht Partner dieser Artikel-15a-Vereinbarung; das sind die Länder untereinander. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich, da ich kein Jurist bin, nicht gewusst habe, dass das möglich ist; aber jetzt habe ich es natürlich mitbe­kommen. Das bedeutet Folgendes: Wenn eine meiner Nachfolgerinnen oder einer meiner Nachfolger diese Verordnung verändern möchte, stößt sie oder er auf das Einstimmigkeitsprinzip der Artikel-15a-Vereinbarungen zwischen den Ländern. Jetzt frage ich, ob es richtig ist, eine bundeseinheitliche Verordnung nicht veränderbar zu machen. Denken wir einmal darüber nach!

Das Zweite ist Folgendes: Die Landeshauptleutekonferenz hat angekündigt, dass sie sich zwar inhaltlich mit dem identifiziert, was ich gemeinsam mit dem Präsidenten des Rechnungshofes verordnet habe, hat uns aber gleichzeitig mitgeteilt, dass sie den Verfassungsgerichtshof anrufen werde, um zu prüfen, ob ich nicht doch zu weit in die Autonomie der Länder eingegriffen habe. Das darf uns beim Finanzausgleich nicht passieren! Wenn wir solche Vereinbarungen treffen, müssen sie auch blitzsauber umgesetzt werden und halten.

Ich werde übrigens auch eine Anfrage an den Verfassungsgerichtshof – keine Be­schwerde, sondern eine Anfrage – stellen, ob es legitim ist, dass die vom Bund verord­nete Maßnahme zur einheitlichen und harmonischen Durchführung des Rechnungs­wesens von den Ländern einseitig verändert werden darf. Das ist eine spannende Frage. Stellen Sie sich einmal vor, der Bund würde verordnen, die Höchstgeschwin­digkeit auf der Autobahn liegt bei 130 km/h, und dann sagen die, dass das schön ist, aber dass es bei ihnen 140 km/h sind. Das würde niemand akzeptieren; daher müssen wir diese Spielregeln sauber machen. Das ist – ich sage es noch einmal, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen – keine Kritik, sondern nur ein Beispiel dafür, wie wir arbeiten müssen, um dann Regelungen zu haben, die sauber halten und für alle nachvollziehbar sind.

Der Punkt, den ich am Schluss noch kurz korrigieren möchte, damit keine Missver­ständnisse auftreten, ist, dass von Steuereinhebung gesprochen wurde. Nein, es


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geht um Steuerfestsetzung. Ich werde dem sicher nicht zustimmen, dass in den neun verschiedenen Ländern ein Einhebesystem erfolgt. Wir haben ein gutes System des Einhebens. Die Festlegung der Sätze können wir diskutieren, aber nicht die Dezentrali­sierung der Einhebung, weil dadurch, glaube ich, mehr Kosten entstehen, als es dann am Schluss bringt.

Sie haben einen Punkt sehr klar zum Ausdruck gebracht – und da bitte ich Sie alle, als Vertreter der Länder mitzuwirken, weil die meisten auch in Landesregierungen sitzen: Wir brauchen diese Reform, aber sie wird nur gelingen, wenn alle bereit sind, an dieser Reform mitzuarbeiten. Sie wird nicht gelingen, wenn der Finanzminister sagt, dass das seine Rahmenbedingungen sind, und die anderen sagen, dass sie das aber nicht wollen. Daher haben wir in diesen sieben Arbeitsgruppen jetzt quasi permanente Verhandlungsrunden eingesetzt. Wir werden gegen Ende Jänner den nächsten politischen Lenkungsausschuss machen. Wir kommen in manchen Fragen sehr gut voran – manche sind, wie wir alle wissen und auch öffentlich dargestellt wurde, durchaus strittig –, und es wird darum gehen, dieses Grundprinzip noch einmal zu nennen, dass die Quelle allen Geldes die Bürgerinnen und die Bürger sind, dass wir eine bürgernahe und effiziente Verwaltung brauchen, die nach dem Subsidiaritäts­prinzip geordnet sein muss, und dass diese Begriffe wie Zentralismus und Föderalis­mus, die mit Images durchaus sehr behaftet sind, einmal im Hintergrund stehen sollten.

Am Schluss darf ich noch etwas zitieren, was Ihnen vielleicht nicht so gefallen wird, was Sie aber verstehen werden. Der frühere Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Dr. Kandlhofer, der dem einen oder anderen noch bekannt sein wird – Sie wissen, dass auch die Sozialversicherungen sehr föderal organisiert sind –, hat gesagt – verstehen Sie mich nicht falsch, ich teile diese Meinung nur eingeschränkt –:

Nichts ist zentralistischer als der Föderalist auf seiner Ebene. – Zitatende.

Vielen herzlichen Dank. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)

10.22


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich erteile es ihm.

 


10.22.51

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesfinanz­minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat! Lieber Herr Finanzminister! Danke für die Botschaft, die du heute hier abgegeben hast. Es ist klar und deutlich herausgekommen, dass eine Reform angedacht ist und dass eine Reform auch passieren wird.

Diese Reform ist auch unglaublich wichtig, weil der jetzige Finanzausgleich in seiner Struktur mittlerweile schon über 70 Jahre alt ist. Diese Praxis wird also seit 70 Jahren gepflegt und ist eine sehr komplexe Materie geworden, eine Materie, bei der sich der normalsterbliche Mensch sicher nicht mehr auskennt, bei der sich die Fachleute schon schwertun zu sagen, wem wofür wie viel Geld zusteht.

Wir reden hier über riesige Summen. Es ist heute die Summe auch schon ange­sprochen worden. Im Gesamtvolumen geht es um über 80 Milliarden €, die aufgeteilt werden. Den großen Block mit 68 Prozent bekommt der Bund, 20 Prozent bekommen die Länder und 12 Prozent die Gemeinden. Einheben – das hat der Herr Finanzminis­ter auch gesagt – tut das der Bund, und das soll auch so bleiben, aber das, was ich ansprechen möchte, ist die Steuerautonomie der Länder. Ich glaube, das wäre eine gute Idee, weil das Beispiel der Schweiz zeigt, wie das funktionieren kann. Ich glaube vor allen Dingen, dass es für die Bürger eine gute Idee wäre, denn dann, wenn die


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Steuern dort, in dem Land vorgeschrieben werden, werden sie auch dementsprechend ausgegeben, wird sparsamer damit gewirtschaftet. Es würde auch ein Vergleich der Länder stattfinden, und das wäre nichts Schlechtes. Es wäre etwas Positives für einen Wirtschaftsstandort, wenn man sich in diesem Land bemüht, die Steuern ordentlich festzusetzen, denn dann hätte man auch die Chancen, als Wirtschaftsstandort gegen­über anderen bevorzugt behandelt zu werden.

Wir wissen auch, dass wir alle nächstes Jahr, also 2016, etwas weniger bekommen werden. Die Steuerreform ist im Parlament beschlossen worden, und man muss auch wissen, dass die Gemeinden einen großen Anteil tragen, nämlich in Summe 215 Millio­nen €. Es ist noch nie herausgestrichen worden, dass auch die Gemeinden ihren Beitrag leisten. Ich sehe das bei mir, in meiner Gemeinde, dass wir nächstes Jahr einfach weniger Mittel zur Verfügung haben, dass die freie Spitze, die Finanzspitze, die wir brauchen, immer kleiner wird. Das ist ein Problem in den Gemeinden. Deshalb muss man auch einmal auf das Thema zu sprechen kommen, wie die Mittel aufgeteilt werden.

Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel wurde heute auch schon angesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist für mich unverständlich, dass die Stadt Wien das 2,3-Fache bekommt und eine Gemeinde wie Finkenstein oder Matrei in Osttirol nur das 1,3-Fache. Ich stelle die Frage, ob denn der Bürger in Finkenstein oder in Matrei weniger wert als der in Wien ist. Darüber muss dringend nachgedacht werden, weil diese zentralräumlichen Aufgaben, die immer in den Vordergrund gestellt werden, auch Vorteile für eine Stadt haben. Ich nenne als Beispiel nur – das ist heute schon angesprochen worden – den Bereich der Kommunalsteuer. Die meisten Arbeits­plätze sind in der Stadt, die Kommunalsteuer bleibt vor Ort; davon hat die ländliche Region nichts.

Bei den Sonntagsreden wird die ländliche Region von den Politikern immer in den Vordergrund gestellt. Das spiegelt sich aber hier bei den Steuerausgaben oder bei den Zuweisungen eigentlich nicht wider. Deswegen glaube ich, dass gerade im Bereich der Städte die Vorteile in den Vordergrund gestellt werden müssen und dass es da zumindest einen eigenen Schlüssel oder einen gemeinsamen Schlüssel geben muss, sodass jedem Bürger in diesem Land dementsprechend auch gleich viel Wert zugemessen wird.

Die Gemeinden stehen im ländlichen Raum generell vor gewaltigen Herausfor­derun­gen. Die bekommen teilweise immer mehr Aufgaben – sei es von Bundesseite oder von Landesseite –, aber ich sage Ihnen, dass die Abgeltung in Geld nicht funktioniert. Ich habe es mir in meiner Gemeinde jetzt einmal durchrechnen lassen: Bei einem Budgetvolumen von 17,6 Millionen € können wir gerade einmal 300 000 bis 400 000 € für Investitionen heranziehen. Das muss man sich einmal als einen Prozentsatz herausrechnen; und das wird jedes Jahr weniger, weil die Aufgaben, die wir zu erfüllen haben – speziell im Sozialhilfebereich –, immer mehr werden.

Ein Thema, das auch heute angesprochen worden ist, ist die Pflege, das immer größer wird, aber auch das Thema der Migration. Auch dabei haben wir als Gemeinden einen großen Anteil zu leisten. Das wird sich nächstes und vor allem übernächstes Jahr erst, 2017, richtig niederschlagen, weil viele den Asylstatus bekommen haben und wir dann bei der Mindestsicherung unseren Anteil zu entrichten haben. Auch bei diesem Thema werden wir über eine Abgeltung nachdenken müssen, um die Gemeinden entlasten zu können.

Ich möchte vielleicht noch etwas Paradoxes in den Vordergrund stellen: die Banken­steuer. Das ist auch eine interessante Geschichte; auch hier ist eine Reform anzu­denken. Einerseits gehört sie wahrscheinlich bald einmal abgeschafft, aber anderer-


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seits hat der Bund für die Bankensanierung eigentlich zu 100 Prozent bezahlt, aber im Finanzausgleich werden die Mittel prozentual gleich aufgeteilt wie alle anderen Mittel. Da stimmt die Relation auch nicht, und ich bin dafür, dass man hier eine Änderung herbeiführt, weil es der, der zahlt, dann auch bekommen soll, denn die Gemeinden haben da den geringsten Anteil bezahlt.

Man sieht, es gibt in diesem Bereich einen riesigen Reformbedarf, und, lieber Herr Finanzminister, ich bin der festen Überzeugung – das hast du heute mit deiner Bot­schaft gezeigt –, dass Reformwille besteht und dass es dir gelingen wird, hier alle unter ein Dach zu bringen: Städte, Länder, Bund und Gemeinden. Ich sage von meiner Seite aus: Alles Gute!, und wir stehen dir bei. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.28


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

 


10.28.14

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister, zuerst einmal gratuliere ich Ihnen zu Ihrer Rede. Ich stimme mit Ihnen fast zu 100 Prozent überein. Sie hat mir sehr gut gefallen, weil sie nicht so war wie jene der Redner aus den armen Landgemeinden, die jetzt wieder mit Wien-Bashing hervorgetreten sind. Ich verstehe auch ihre Aufgaben, die sie haben, nur kann man sie nicht damit lösen, indem man auf andere Bundesländer losgeht. Das ist, glaube ich, nicht richtig, denn Finanzausgleich ist von Grund auf ein sehr gutes Beispiel für eine gemeinsame konsensuale Politik. Es geht um Aufgaben, es geht um Aufgaben im Gesundheitssystem, es geht um Aufgaben in der Pflege, es geht um Aufgaben in der Flüchtlingsbetreuung, es geht um die Mindestsicherung; und diese Aufgaben sind vom Bund, von den Ländern und den Gemeinden für die Menschen in unserem Land durchzuführen.

Herr Finanzminister, ich gebe Ihnen völlig recht, dass es um die Menschen geht, denn die Menschen bringen die Steuern auf, und diese Steuern werden auch für die Menschen, für die Erfüllung dieser Aufgaben ausgegeben. – Einfach ist es nicht. Sie haben das an einigen Beispielen sehr klar dargestellt, auch meine Vorrednerinnen und Vorredner haben diesen Teil klar dargestellt.

Ein wesentlicher Bestandteil eines zukünftigen Finanzausgleiches ist auch die Bewäl­tigung der Zukunftsausgaben. Wir haben in Österreich eine wachsende Bevölkerung, und ich möchte am Beispiel von Wien ganz kurz aufzeigen, welche Probleme es hier geben kann. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Wien wird in kürzester Zeit 2 Millionen Einwohner haben, und das ist für die Zukunft eine gewaltige Aufgabe. Die Menschen brauchen Wohnraum. Die Menschen brauchen Arbeitsplätze. Die Menschen brauchen Kindergartenplätze. Sie brauchen eine vernünf­tige Gesundheitsversorgung und vieles andere mehr. Wenn ich an die beiden großen Bezirke drüber der Donau, Floridsdorf und Donaustadt, denke, dann ist das auch eine gewaltige Herausforderung für die Infrastruktur in diesen Gebieten, für die Gesund­heitsversorgung und für vieles andere mehr.

Neben diesem Beispiel Wien gibt es auch ähnlich gelagerte Beispiele in den Bundes­ländern. Es wurde schon angesprochen, dass die Zentralräume Linz, Salzburg, Graz, Innsbruck, Leoben, Kapfenberg wachsen, dass mit dem Wachsen von Zentralräumen auch wieder andere Probleme entstehen, nämlich die Entvölkerung von vielen Regionen. Kollege Krusche hat das ja an seinem Beispiel sehr klar dargestellt.


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Ich denke, diese Aufgaben sind zu bewältigen, und dafür gibt es den Finanzausgleich. Die Politiker aus Bund, Ländern und Gemeinden müssen eine Vorgangsweise finden, um eine gemeinsame Entwicklung in Österreich zu gewährleisten, im Sinne der Bevölkerung zu gewährleisten.

Herr Finanzminister! Ich vertraue auf Ihr Verhandlungsgeschick, und ich vertraue den Landesfinanzreferenten und auch den Gemeindepolitikern und hoffe, dass ein gutes Verhandlungsergebnis gelingt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

10.33


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Kollegin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.33.03

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher hier im Saal und zu Hause! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Finanzminister! Sie haben zu Recht gesagt, das Geld kommt nicht vom Bundesrat oder aus dem Finanzministerium, sondern es ist das Geld des Bürgers. Das ist völlig richtig. Und der Bürger ist im Normalfall durchaus auch bereit, seine Steuern ordentlich zu zahlen, wenn er denn das Gefühl hat, dass mit dem Geld auch etwas Ordentliches passiert.

Daran, wie der Finanzausgleich funktioniert, haben ja viele meiner Vorredner schon Kritik angebracht. Ich werde jetzt nicht alles wiederholen nach dem Motto: Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem, aber ich möchte schon noch ein paar Dinge anmerken.

Die Gemeinden. Wir wollen alle als Bürger, die wir Steuern zahlen und hoffen, dass dann etwas Gescheites damit passiert, dass in den Gemeinden, in denen wir leben, das Spitalswesen funktioniert, das Bildungswesen funktioniert, der Kindergarten funk­tioniert, die Pflege funktioniert, und so weiter. Da erleben wir in den letzten Jahren – auch das ist ja schon vielfach beklagt worden –, dass die Gemeinden immer mehr Aufgaben von den Ländern übertragen bekommen, aber nicht die nötige Mittelaus-stattung, um das alles erfüllen zu können.

Erinnern wir uns: Um 2008 herum war dieser große Skandal, wo sich die Gemeinden verspekuliert haben. Zum einen, weil sie Geld lukrieren wollten, um ihren Aufgaben nachkommen zu können. Aber man darf auch nicht ganz unter den Tisch fallen lassen, dass so wie die Länder natürlich auch die Gemeinden dazu neigen, Prestigeprojekte unbedingt haben zu müssen, was mit ein Grund für diese Spekulationen war. Wie das ausgegangen ist, das wissen wir: nicht sehr gut und für manche Gemeinden sogar sehr desaströs.

Auf der anderen Seite leiden aber auch viele Gemeinden unter Abwanderung, was natürlich dramatisch ist, wenn die jungen Leute wegziehen, Alte bleiben, der Pflege­bedarf steigt – und damit auch der Bedarf, die nötigen Mittel zu haben.

Ich freue mich, wenn ich höre, dass es eine Reform geben soll, weil es ja genügend Vorschläge dazu gibt, und ich hoffe, dass es auch wirklich einmal zur Abwechslung – sonst modert das ja immer in den Schubladen herum – gelingt, eine echte Reform zu machen, die auch aufgabenbezogen ist, wo man sagt, diese und jene Aufgabe hat die Gemeinde, dafür bekommt sie auch die entsprechenden Mittel. Das würde ich schon für sehr sinnvoll erachten.

Ich möchte aber eines noch anmerken, Herr Kollege Mayer: Ich bin wirklich kein Freund vom Strolz, vom Obmann der NEOS, aber ich finde es schon einigermaßen unfair, ihn hier quasi vorzuführen. Es sitzt kein Vertreter der NEOS da. Es muss nicht


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der Strolz da sitzen; wenn die NEOS hier einen Bundesrat hätten, würde ich sagen, ja, okay, der kann sich hier wehren. Die können sich aber nicht wehren, und das finde ich ziemlich unsportlich, das hier vom Rednerpult zu machen, dem etwas auszurichten, wo er sich überhaupt nicht wehren kann. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Der Strolz kann sich nicht wehren?) Aber passiert ja nicht zum ersten Mal. (Bundesrat Schennach: Deswegen kann man ihn auch kritisieren!)

Einen Punkt möchte ich einmal mehr einmahnen. Es haben ja einige schon diese Mehrfachgleisigkeit bei Förderungen angesprochen, etwas, was wir ja auch schon lange kritisieren. Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP! Sie haben vor sieben Jahren eine Transparenzdatenbank beschlossen. Gute Idee! Aus der haben Sie genau nichts gemacht. Das war ein großes Trara vorher, dann ist die beschlossen worden, und seither liegt sie gut ab, ohne dass da je irgendetwas passiert ist. Das wäre aber auch wichtig.

Zu guter Letzt, weil auch die Schweiz heute schon einige Male zitiert worden ist: Die Schweiz hat ja ihr Finanzausgleichsmodell vor einigen Jahren umgestellt, und zwar dergestalt, dass, ganz grob gesagt, die ärmeren Gemeinden ein bisschen mehr kriegen, aber auf der anderen Seite auch im Wettbewerb mehr Chancen bekommen, damit sie auch etwas aus eigener Kraft tun können und nicht nur als Bittsteller auftreten und sagen müssen, ich hätte bitte gerne soundso viel.

Also im Finanzausgleichsmodell der Schweiz gibt es sicherlich auch einiges, was man sich anschauen und vielleicht übernehmen kann.

Herr Minister, ich wünsche Ihnen, aber eigentlich uns allen Österreicherinnen und Österreichern, dass endlich eine Reform gelingt, die den Namen auch verdient und von der alle etwas haben: Bund, Länder und Gemeinden. (Beifall bei der FPÖ.)

10.37


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Dr. Reiter. – Bitte.

 


10.38.08

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher! Herr Minister! Ich möchte Ihnen für das Thema der Aktuellen Stunde danken. Ich halte die Befassung gerade dieses Gremiums mit diesem sehr wichtigen Thema für sehr wesentlich.

Ich gehöre noch zu denen, die sich an den Österreich-Konvent sehr gut erinnern können und die Nicht-Umsetzung und Schubladisierung in den folgenden Jahren sehr qualvoll erlebt haben, wie auch die immer wieder stillschweigende Verlängerung des Finanzausgleichs, dass man sich einfach nicht drübergetraut hat, dieses so wichtige Instrument tatsächlich für das einzusetzen, für das es notwendig wäre, für Reformen einzusetzen.

So gehen meine Überlegungen vor allem dahin: Wie kann man jetzt die notwendigen Reformen, die ja von keinem bestritten werden, tatsächlich auf den Weg bringen? Wie gelingt es, dem Weiterwurschteln ein Ende zu bereiten und wirklich wichtige Schritte zu setzen? Da ist man ja nicht in einer beneidenswerten Lage, weil natürlich eine Auf­gabenreform, die eigentlich an erster Stelle stehen müsste, bevor man sich über die Finanzierung der Aufgaben auf der jeweiligen Ebene den Kopf zerbricht, Hand in Hand gehen muss mit, glaube ich, einer Reform der Finanzverfassung, und das alles gleichzeitig oder in einem entwickelt werden muss. Wie kann das gelingen?

Ohne eine Änderung der Finanzverfassung, glaube ich, wird es nicht gehen. Das zeigt zum Beispiel, dass es jetzt gelungen ist, diese einheitlichen Budgetregeln zu verord­nen, aber diese Verordnung ist doch sehr unvollkommen – ich bin überrascht, dass es


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tatsächlich möglich sein soll, das in dieser Weise festzuschreiben und festzuzurren –, eben unvollkommen aufgrund der finanzverfassungsrechtlichen Einschränkungen. So ist also die mittelfristige Budgetplanung keineswegs abgesichert.

Schauen wir uns nur an, was mit den Haftungsobergrenzen und ihren verschiedenen Umsetzungen passiert oder dem Spekulationsverbot und seinen verschiedensten Um­setzungen oder der Regelung für Gemeindeverbände! Es gibt nach wie vor – und, ich glaube, auch in der nächsten Zukunft – nicht eine einheitliche wirkungsorientierte Bud­getierung. Das stellt uns vor das Problem, dass die Erbringung der öffentlichen Leistungen nicht wirklich verglichen werden kann. Die Zahl, was pro Kopf in verschie­denen Gemeinden in diesem Staat ankommt, ist eine Sache, das sagt aber noch nicht unbedingt etwas darüber aus, wie gut es den Menschen in dieser Gemeinde geht, also wie der Grad der Zufriedenheit ist, wie die Entwicklungsmöglichkeiten eingeschätzt werden, und so weiter.

Wir können diese öffentlichen Leistungen innerhalb Österreichs nicht wirklich ver­gleichen. Das heißt aber auch, wir können nicht gut voneinander lernen. Und das ist der größte Fehler, das ist das größte Problem. Ich denke, wir sind hier mittlerweile wirklich in einer Zeit des Paradigmenwechsels. Ich habe mir das gestern im EU-Aus­schuss gedacht, wo es darum gegangen ist, ob nationale Ausschüsse für Wettbewerb eingerichtet werden sollen. Ich denke, darum geht es nicht mehr.

Für unsere Zukunft ist es viel wichtiger, darüber nachzudenken: Wie können wir Kooperation sicherstellen? Wie können wir die Kooperation möglichst verbessern? Wenn das gelingt, dann werden die Gemeinden, wenn ihnen die Kooperation mit den Umgebungsgemeinden gelingt, erfolgreicher sein, werden die Länder erfolgreicher sein, wird Österreich als Ganzes erfolgreicher sein. Und das muss unser Ziel sein. Das heißt, diese Reformbestrebungen sollten bis hinunter zu mehr Autonomie führen und sollten sich vor allem damit beschäftigen, wie Kooperation besser gelingen kann.

Da möchte ich Sie, Herr Finanzminister, auf das verweisen, was unser scheidender Präsident heute vorgestellt hat, nämlich die Ergebnisse der Enquete „Digitaler Wandel und Politik“ und auch die Ergebnisse der Enquete „Bürgerbeteiligung und Demokra­tisierung“. Das heißt, die neuen Methoden des digitalen Zeitalters, die Möglichkeiten der neuen Kommunikation geben uns Instrumente in die Hand, die eine verbesserte Einbindung der Bürger und Bürgerinnen, die ja die Steuerzahler sind und die natürlich wissen wollen, was mit ihren Geldern passiert, und das auch sozusagen kontrollieren und bestimmen wollen, in den Prozess ermöglichen.

Ich glaube, wenn man so große Reformprozesse vorhat, wie das jetzt der Fall ist, sollte man daran nicht vorbeigehen, sich eben schon in der Vorbereitung zu überlegen, wie man die Bürgerinnen und Bürger, wie man auch die Verwaltung, der jetzt vorgeworfen wird, dass es einen dreistelligen Millionenbetrag kostet, diese 50 000 Transfers zu verwalten und zu kontrollieren, wie man sie in die Reformen entsprechend einbinden kann, um so zu einem Ergebnis zu kommen, das wirklich breit getragen wird. Ich glaube, das wäre ein wesentlicher Schritt.

Ich wünsche uns allen sehr viel Erfolg für diesen Reformprozess. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

10.44


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.

 


10.44.42

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Zuschauer an den Fernsehgeräten! Bevor wir


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 37

darüber diskutieren, wie wir unsere Steuereinnahmen zwischen Bund, Länder und Gemeinden per Finanzausgleich am besten aufteilen, sollten wir darüber diskutieren, wie wir unsere Staatsaufgaben in einem europäischen Gesamtkontext am effizien­testen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufteilen.

Der Staat als Ganzes gehört auf seine wichtigsten Kernaufgaben zurückverschlankt. Verwaltungskosten runter, Effizienz rauf, Konzentration auf die Kernaufgaben des Staates – alles andere streichen.

Die Kernfrage bei sämtlichen Tätigkeiten des öffentlichen Sektors lautet: Was ist der Bürgernutzen dieser staatlichen Tätigkeit, brauchen wir das wirklich?

Sämtliche Verwaltungstätigkeiten müssen Servicedienstleistung für die Bürger sein und dürfen nicht der Selbstbedienung an Steuergeldern zum eigenen Vorteil oder der Machtbereicherung unserer Selbstverwaltungsapparate dienen.

Das Hauptproblem unserer Verwaltung ist, dass unsere Steuergelder in aufgeblähte, historisch gewachsene Verwaltungsstrukturen fließen und nicht dorthin, wo es benötigt wird: zum Bürger, zum Patienten, zum Schüler, zum Förderungsempfänger. Klar, niemand will freiwillig historisch gewachsene Kompetenzen abgeben, dennoch müssen wir im gesamtstaatlichen Interesse Verwaltungs- und Aufgabenreformen angehen, um Österreich international wettbewerbsfähiger zu machen, wieder an die Spitze zu bringen und unsere Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Unsere Bundesregierung kann nicht vernünftig regieren, solange Länder und Städte regionale machtpolitische Partikularinteressen in den Vordergrund stellen und als Reformverweigerer auftreten. Regionalen Interessen sind am besten gedient, indem man im gesamtösterreichischen Interesse handelt.

Die ineffizienten kostenintensiven föderalen Neunfachstrukturen, Parallelstrukturen, Doppelgleisigkeiten und nicht ausgelastete Kapazitäten in den Ländern gehören reduziert.

Eigene Landesgesetzgebungen mit neun Landesparlamenten sind in einem so kleinen Staat wie Österreich völlig überdimensioniert. Den psychischen Schock, dass wir seit 1918 keine große Monarchie mehr sind, haben wir offensichtlich noch immer nicht überwunden. Wir tun weiter so, als wären wir ein Kaiserreich mit neun Kronländern und neun mächtigen Landesfürsten. Kaiserlich groß ist in Österreich leider nur die Ver­waltung. Österreich ist nicht viel größer als das Bundesland Bayern, das ist die Realität – stellen Sie sich vor, wir hätten in Bayern neun Parlamente mit neun unter­schiedlichen Gesetzgebungen!

Die österreichische Gesetzgebung sollte nur auf Bundesebene – unter kräftiger Mit­sprache der Länder, der Städte und Gemeinden in einer starken österreichischen zweiten Parlamentskammer, sprich: einem aufgewerteten starken Bundesrat – erfol­gen. Sämtliche Landesgesetze gehören auf Bundesebene vereinheitlicht, wir brauchen keine neun unterschiedlichen Jugendschutzgesetze, keine neun unterschiedlichen Pflegegesetze, keine neun unterschiedlichen Bauordnungen, keine neun unterschied­lichen Tierschutzgesetze, keine neun unterschiedlichen Wohnbauförderungsgesetze, keine neun unterschiedlichen Kinderbetreuungsgesetze, keine neun unterschiedlichen Mindestsicherungsregeln, keine neun unterschiedlichen Landeslehrerdienstrechte und keine neun unterschiedlichen Besoldungsrechte für Ärzte.

Viele Aufgaben, die derzeit bei den Ländern liegen, gehören zur Effizienzsteigerung an den Bund und die Gemeinden übertragen. Kinderbetreuung sollte Gemeinde­kompe­tenz werden, die bundeseinheitlich geregelt ist. Das Geld soll direkt vom Bund zu den Gemeinden fließen, die Landesebene kann hier völlig herausgelassen werden. Das


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Schulsystem gehört in Bundeskompetenz und soll in Zusammenarbeit mit den autonomen Schulen auf Gemeindeebene erfolgen.

Die Länder gehören zu reinen Verwaltungsbezirken ohne eigene Landesgesetzgebung gemacht, so wie heute die Bezirke mit den Bezirkshauptmännern. Gegengleich sollten die Länder Steuerautonomie durch erlaubte Steuerzu- und -abschläge bekommen, um für ihre Aufgaben auch auf der Einnahmenseite selbst die Verantwortung zu tragen. Wenn ein Land wie Niederösterreich 27 Spitäler bauen will, dann soll es das gerne tun, hat aber vorher per direkter Demokratie das Volk, die Bürger zu befragen, ob die das überhaupt wollen, denn diese müssen ja dann per Steueraufschläge mitzahlen.

Wir brauchen mehr direkte Demokratie und Bürgermitsprache. Der Artikel 1 unserer Bundesverfassung: Alle Macht geht vom Volke aus, ist bisher so und so die größte Lüge unserer Republik, und die einzige Partei, die das ändern kann, ist Team Stronach. (Allgemeine Heiterkeit.)

Steuerwettbewerb zwischen den Ländern befürworten wir, Steuerwettbewerb zwischen den Ländern führt zu schlankeren Landesverwaltungen. Und das Land, das die schlankste Verwaltung und damit die geringsten Verwaltungskosten hat, kann auch die niedrigsten Steuersätze für seine Bürger und Unternehmen anbieten und damit Betriebe anlocken und zusätzliche Arbeitsplätze, Wohnsitze und Wohlstand für seine Gemeinden schaffen. – Danke schön.

10.50


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich dem Herrn Minister zu einer ab­schließenden Stellungnahme das Wort erteile, möchte ich bei uns sehr herzlich die Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Lebenshilfe Sollenau unter der Leitung von Frau Christa Weingartner begrüßen. Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Allge­meiner Beifall.)

Herr Minister, ich darf Ihnen nun zu Ihrer abschließenden Stellungnahme das Wort erteilen und darf Sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.

 


10.51.02

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich werde mich bemühen. – Den Optimismus, der hier gerade in den Ausfüh­rungen des Schlussredners zutage getreten ist, würde ich mir natürlich wünschen. Aber ich fürchte, so, wie es formuliert wurde, wird es dann vielleicht doch nicht eintreten. Kleine Korrektur: Bayern ist größer als Österreich, was die Bevölkerungszahl anbelangt. Aber das nur sicherheitshalber, damit es da keine Missverständnisse gibt.

Was das Thema Vereinheitlichung anbelangt: Ja, das wird eine echte Herausforderung werden. Wir diskutieren ja gerade, wie Sie aus den Medien wissen, auch das Thema der bedarfsorientierten Mindestsicherung, und da stellen wir nun einmal fest, dass in jedem Bundesland andere Regeln gelten. Ist das gut? – Es kann notwendig sein, aber zwingend sollten wir uns dahin gehend organisieren, dass quasi Standards österreich­weit gelten. Dass es dann geringfügige Abweichungen aus irgendwelchen Gründen gibt, das kann man diskutieren. Aber grundsätzlich sollten wir bei den Dingen, die wir gemeinsam machen, auch gemeinsame Standards haben. Dafür würde eine große Bundeskompetenz notwendig sein, nämlich, dass der Bund auch zum Beispiel bei der Bildung die Ausbildung, die Weiterbildung, die Qualitätsstandards und so weiter festlegt und dass davon nicht abzuweichen ist.

Der zweite Punkt, der angesprochen wurde, ist – das muss man natürlich zur Kenntnis nehmen –: Je größer die Autonomie, umso lauter der Ruf nach direkter Demokratie. Das ist klar, das hat die Schweiz ja auch. Aber manche würden dann sagen: Ja wo ist jetzt noch das Primat der Politik? – Wir sind ja gewählt von den Bürgerinnen und


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Bürgern. Daher, glaube ich, muss man auch da eine gute Kombination finden: Was unterwirft man dem, und was unterwirft man dem nicht? Ich glaube schon, dass es wichtig ist, wenn man die Autonomie vor allem auf dem Steuersektor erhöht, natürlich auch die Bürgerinnen und Bürger zu fragen: Bist du bereit, mehr Steuern zu zahlen – vielleicht auch nur temporär –, um Projekte zu realisieren? Ich halte es durchaus für zweckmäßig, diesen Weg auch mit ins Auge zu fassen und ihn nicht von vornherein einfach aus der Befürchtung heraus, da könnte etwas nicht so funktionieren, wie wir es uns wünschen, auszuschließen.

Eine Anmerkung noch, Frau Bundesrätin Mühlwerth, zu Herrn Strolz. Erstens: Ich glaube, Herr Bundesrat Mayer hat ihn nur zitiert aus einer öffentlichen Fernseh­sen­dung. Und ich sage dazu: Ich war ein bisschen entrüstet, denn die Ausformulierung, ich sei ein Gefangener der Länder und hinter mir stehe jemand, der ein Messer zwischen den Zähnen habe, und wenn ich mich umdrehte, gebe es ein Unglück, halte ich für unangebracht. Ich sage das auch in aller Deutlichkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nur damit da kein Missverständnis aufkommt: Ich sage das nicht, weil ich mich fürchten würde. Das ist nicht der Fall.

Ich komme noch zu einigen ganz wenigen Themen. Sie haben gesagt: Spekulations­verbot. – Ja, ich erinnere daran, dieses ist damals an den Freiheitlichen gescheitert, die ihre Zustimmung zum Verfassungsgesetz zurückgezogen haben. Sie erinnern sich. Wir können das gerne wieder aufleben lassen.

Was die Verlängerung des Finanzausgleichs anbelangt: Ja, ich nehme zur Kenntnis, auch ich habe verlängert bis Ende 2016. Aber bitte bedenken Sie: Ich bin am 1. Sep­tember 2014 in das Amt gekommen, und ich hätte mich – ehrlich – außerstande gesehen, zwischen 1. September und Ende des Jahres einen Finanzausgleich zu verhandeln. Daher bitte ich auch hier um Verständnis, dass wir das noch einmal verlängert haben. Es ist, glaube ich, ein guter Weg gewesen, auch mit den Ländern gemeinsam.

Was die VRV anbelangt, so ist das wirklich ein spannendes Thema gewesen. Und Sie haben völlig recht: Derzeit noch nicht gelöst sind jene Thematiken, die in den Inhalt gehen. Was wir gelöst haben, sind Form und Gliederung – das steht, darüber gibt es auch keine Diskussion mehr. Aber wir haben zum Beispiel jetzt die Möglichkeit – und das haben wir auch mit den Ländern so vereinbart –, das Thema Haftungs­ober­grenzen über den Finanzausgleich zu lösen. Wir haben ein Modell vorgeschlagen. Ich glaube, es trifft auf Akzeptanz. Und was die Gemeindeverbände, die Sie angesprochen haben, betrifft, das könnten die Länder eigenständig regeln, denn die sind die Gemein­deaufsicht, und daher können sie auch von sich aus erlassen, wie sie die Gemeinde­verbände hier einbinden.

Die Frage, die sich in dem Zusammenhang noch zusätzlich ergeben wird, ist die Ver­gleichbarmachung. Das ist ein entscheidender Punkt. Aber da haben sich die Länder alle dazu bekannt, dass sie genau dieses Benchmarking wollen. Und daher müssen wir diese Transparenz herstellen, denn wir haben ja heute verschiedenste Finanzströme – im Gesundheitswesen und all den Bereichen. Das muss vergleichbar gemacht werden.

Und der letzte Punkt, der immer auftaucht: Transparenzdatenbank. Meine Position dazu ist bekannt. Zwischenzeitlich habe ich mit den Ländern vereinbart, dass wir – das kann ich Ihnen ankündigen – fünf Felder definieren werden, die auch die Länder befüllen. Denn ich bitte auch um Verständnis dafür – weil hier gesagt wird, die lebt so dahin –: Der Bund hat seine Aufgabe erfüllt! Wir haben befüllt, bei uns kann man hineinschauen und sich informieren über die Fördermittel. Es werden fünf Felder


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definiert werden, die wir befüllen werden; eines davon wird die Energie sein. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.56.30 Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich des Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unter­liegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2015) (887/NR und 910/NR der Beilagen)

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Minis­terratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundes­minis­ters für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger vom 13. bis 21. Dezember 2015 in Kuba bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer mit dessen Vertretung.

*****

Eingelangt ist weiters der Antrag 217/A(E)-BR/2015 der Bundesräte Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitaler Wandel und Politik, der dem Ausschuss für Innovation, Techno­logie und Zukunft zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates sowie jene Berichte und jener Antrag 217/A(E)-BR/2015, die beziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.


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10.57.32Fristsetzungsantrag

 


10.57.38

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte einen Fristsetzungsantrag betreffend Zwangsehen einbringen.

Die ÖVP hat vor sieben Jahren einen Antrag gestellt – durchaus auch in unserem Sinne –, dem ein einstimmiger Antrag im Vorarlberger Landtag vorausging, der sich mit der Problematik der Zwangsehen sowohl im Ehegesetz als auch im Strafrechtsgesetz auseinandergesetzt hat und diesbezüglich eine Verbesserung herbeiführen wollte. Jetzt sind sieben Jahre vergangen, dieser Antrag liegt immer noch unbehandelt im Justizausschuss, und man fragt sich, wozu die ÖVP einen Antrag einbringt, den sie offensichtlich nicht ernst genug nimmt, um dann auch darüber abstimmen zu lassen – denn Expertenanhörungen dazu wird es ja sonder Zahl gegeben haben.

Deshalb glaube ich, dass es an der Zeit ist, diesen Antrag mit einer Fristsetzung zu versehen, damit er enderledigt werden kann.

Ich erlaube mir daher, laut § 45 Abs. 3 GO-BR den Antrag zu stellen, dem Justiz­ausschuss für die Berichterstattung über den Antrag 169/A-BR/2008 der Bundesräte Weiss – daran sieht man, wie alt dieser Antrag schon ist –, Mayer und Einwallner eine Frist bis zum 11. Februar 2016 zu setzen.

Gleichzeitige beantrage ich gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR die Durchführung einer Debatte über diesen Fristsetzungsantrag.

10.59


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen einen Fristset­zungs­antrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung jetzt eingebracht haben.

Wünscht dazu jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Todt.

 


10.59.00

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Mühlwerth, ich gehe davon aus, dass du natürlich recht hast, dass ein Antrag, der im Jahr 2008 eingebracht worden ist und noch dazu ein gemeinsamer Antrag war, endlich zu behandeln ist.

Ich bin der Meinung, dass wir diesen Antrag im nächsten Justizausschuss behandeln sollen, dass wir aber heute auf die Fristsetzung und auf die Debatte darüber verzichten und diese Debatte im Justizausschuss führen. Anschließend, nachdem er im Justiz-ausschuss behandelt worden ist, kommt er ja ins Plenum, sodass wir die Möglichkeit haben, diesen Antrag auch im Plenum zu diskutieren.

Das sage ich Ihnen heute auch so zu.

11.00


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


11.00.43

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, die Vorarlberger Bundesräte haben vor mehr als sieben Jahren diesen Antrag eingebracht, der auf einer Entschließung des Vorarlberger Landtages beruht hat. Jetzt haben wir, was die Zwangsehe, die Zwangsheirat anbelangt, Regelungen im Strafgesetz umge-


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setzt, und diese werden am 1. Jänner auch in Rechtskraft treten. Was das Ehegesetz anlangt, so ist der Antrag nach wie vor aufrecht.

Also in cumulo, im Gesamten ist dieser Antrag auch nicht mehr schlüssig. Deshalb möge man den Vorarlbergern auch nicht vorwerfen, dass sie solche Anträge nicht ernst nehmen – das stimmt natürlich nicht. Wir nehmen alles ernst, was sich in der Politik ereignet, Frau Kollegin Mühlwerth, von ganzem Herzen.

In diesem Sinne und aus dem Grund, dass es dabei auch um eine elementare Ände-rung des Ehegesetzes geht – das ist nicht einfach so in einer Debatte hier im Plenum abzuhandeln, sondern dazu bedarf es auch einiger Information und der Einbindung von Experten –, möchte ich den Antrag des Kollegen Todt unterstützen, dass wir das im nächsten Justizausschuss und dann bei der nächsten Sitzung des Bundesrates auf die Tagesordnung nehmen, uns über eine Änderung des Ehegesetzes entsprechend informieren und dieses Thema dann diskutieren.

Deshalb lehnt meine Fraktion den Fristsetzungsantrag, der von euch gestellt wurde, und auch die Durchführung einer Debatte darüber ab.

11.02


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Antrag zur Geschäftsbehandlung, den Frau Kollegin Mühlwerth gestellt hat.

Ich lese noch einmal von Anfang an vor:

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesrätin Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung eingebracht haben, wonach zur Berichterstattung über den Antrag 169/A-BR/2008 eine Frist bis 11. Februar 2016 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da jedoch weiters die Durchführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hiermit sogleich darüber abstimmen.

Ich ersuche daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag ist somit abgelehnt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 18 bis 20 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.

11.03.561. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kommunalsteuergesetz 1993, die Bundes-


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abgabenordnung, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Transparenz­datenbankgesetz 2012, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Abfallwirt­schafts­gesetz 2002, das Alkoholsteuergesetz, das Artenhandelsgesetz 2009, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010, das Außenwirtschaftsgesetz 2011, das Biersteu­ergesetz 1995, das Düngemittelgesetz 1994, das Erdölbevorratungsgesetz 2012, das EU-Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Forst­liche Vermehrungsgutgesetz 2002, das Kriegsmaterialgesetz, das Mineralöl­steuer­gesetz 1995, das Pflanzenschutzgesetz 2011, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011, das Produktpirateriegesetz 2004, das Produkt­sicherheitsgesetz 2004, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Saatgutgesetz 1997, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Sicherheitskontrollgesetz 2013, das Sprengmittelgesetz 2010, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tierseuchengesetz, das Vermarktungsnormengesetz, das Unternehmensgesetzbuch und das Um­satz­steuergesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2015 – AbgÄG 2015) (896 d.B. und 907 d.B. sowie 9494/BR d.B. und 9498/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen somit zum 1. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Heger. Ich bitte um den Bericht.

 


11.04.06

Berichterstatter Peter Heger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen Bundesräte! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 über das Abgabenände­rungsgesetz.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates umfasst insbesondere Neuerungen zum Einkommensteuergesetz 1988, zum Körperschaftsteuergesetz 1988 und zum Umgründungssteuergesetz.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 15. Dezember 2015 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


11.05.18

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen, Zuhörer und Zuhörerinnen! Dieses Abgabenän­de­rungsgesetz enthält sicherlich einiges Positives, zum Beispiel die Änderungen im Zusammenhang mit der Steuerbetrugsbekämpfung oder Gebührennachlässe für den Fall der elektronischen Beantragung von Dokumenten. Aber grundsätzlich möchte ich festhalten, dass die vorliegenden Gesetze mit einer notwendigen und einer echten Reform der Bestimmungen wenig zu tun haben oder teilweise auch nichts zu tun haben.

Eine solche Reform halten wir aber für dringend notwendig. Besonders im Lichte der Klimakonferenz in Paris, wo unser Umweltminister Rupprechter ja auch angekündigt hat, die nächste Steuerreform werde eine ökologische sein, muss man festhalten: Er hätte in den letzten Monaten Zeit gehabt, das schon durchzusetzen. Vorschläge dafür lagen genug auf dem Tisch, und ich frage mich, welch neue Erkenntnisse er in Paris


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gewonnen hat, die ein diesbezügliches Tätigwerden im Vorfeld der Konferenz, oder eben jetzt für diese Reform, verhindert haben.

Ich möchte das für unsere Zuhörer kurz skizzieren. Die Idee dahinter ist ja eine ganz einfache: Wer viel fossile Energie verbraucht, zahlt mehr; wer wenig Energie ver­braucht, wenig Schadstoffe produziert und Ressourcen schont, zahlt weniger. Ziel wäre ein Umsteuerungsvolumen von 4 Milliarden €, das in zwei Etappen erreicht werden soll, aufkommensneutral und – wichtig! – bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit, bei deren Belastung mit Abgaben wir im internationalen Vergleich im Spitzen­bereich liegen, während Umweltsteuern bei uns verhältnismäßig niedrig sind. Da liegen wir im internationalen Vergleich im unteren Drittel.

Das wäre ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Hebel, den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.

Das grüne Modell für eine echte Reform beruht auf zwei Säulen: einer Tarifreform, die im Gegensatz zum Regierungsmodell tatsächlich die niedrigsten Einkommen am stärksten entlastet und die stärksten 10 Prozent der Bevölkerung in die Pflicht nimmt, ihren Beitrag zu leisten, und eben einer Ökologisierung des Systems durch – nennen wir es – Schadstoffsteuern, wobei die Einnahmen dazu verwendet werden sollen, die Sozialversicherungsbeiträge für private Haushalte zu senken und lohnsummen­bezo­gene Abgaben für Unternehmen zu senken.

Es fehlt uns auch zum Beispiel die im Rahmen der Steuerreform 2015/16 angekündigte Neukodifizierung der Einkommensteuer.

Diese grundlegende Kritik an der Steuerreform und an den Gesetzesänderungen, die mit dem Abgabenänderungsgesetz erfolgen, führt dazu, dass die Fraktion der Grünen diesen Bestimmungen nicht zustimmen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Junker. – Bitte.

 


11.08.46

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Um dieses vorliegende Abgaben­änderungsgesetz zu diskutieren, müssen wir uns die Zielsetzung der Steuerreform, die wir ja im Frühsommer beschlossen haben, vor Augen führen.

Die Steuerreform war in erster Linie eine Tarifsenkung und eine Entlastung der Familien. Die Tarifsenkung bringt allen Steuerzahlern, ob lohnsteuer- oder einkommen­steuerpflichtig, bares Geld in die Geldtasche und den Familien bleibt mehr Geld zum Leben.

Heute diskutieren wir über das Abgabenänderungsgesetz, das administrative Anpas­sun­gen und Korrekturen vornimmt. Bei folgenden Punkten wurden Anpassungen, Korrekturen und Entwirrungen vorgenommen:

Erstens: Bei der Einkünftezurechnung wird eine Klarstellung vorgenommen, die sicherstellt, dass höchstpersönliche Tätigkeiten, die taxativ aufgezählt sind und denen eine Körperschaft zwischengeschaltet wurde, unmittelbar jener natürlichen Person zugerechnet werden, die die Leistung erbringt.

Zweitens bei den Einlagenrückzahlungen: Dank der Einsicht der Sozialdemokratischen Partei wird betreffend die Einlagenrückzahlung wieder der ursprüngliche Zustand her­gestellt.


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Drittens bei der sogenannten Wegzugsbesteuerung im betrieblichen und außerbe­trieb­lichen Bereich: Diesbezüglich wurden die Empfehlungen der Steuerreformkommission eingearbeitet. Es wird sichergestellt, dass bei Verschiebungen von Anlagevermögen in einen Staat der EU oder des EWR sichergestellt ist, dass bei einem späteren Verkauf der Anlagen dem österreichischen Staat kein Steuergeld entgeht.

Viertens: Bei der Körperschaftsteuer wurde neu geregelt, dass, wenn Zuwendungen von Privatstiftungen aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens teilweise von der KESt entlastet werden, die Reduktion der Bemessungsgrundlage für die Zwischen­steuer nicht mehr gänzlich unterbleiben soll. Dies soll ebenfalls für die Rückerstattung bereits entrichteter Zwischensteuer gelten, und zwar auch bei der Auflösung einer Privatstiftung.

Und fünftens: Das Transparenzdatenbankgesetz, das 2012 beschlossen wurde, erhält durch die Adaptierungen, die durch dieses Abgabenänderungsgesetz vorgenommen werden, endlich jene Voraussetzungen, um dem Namensteil „Transparenz“ gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren, geben wir gemeinsam diesem Abgabenänderungsgesetz unsere Zustimmung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.12


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Lindinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.12.21

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor 14 Tagen haben wir hier Beratungen über ein Konvolut von Finanzgesetzen durchgeführt, und wir machen das auch heute wieder. Vor 14 Tagen habe ich gesagt, dass noch ein Monat Zeit ist bis zu einem Feiertag, bis zum 1. Jänner 2016.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause! Es sind noch 14 Tage bis zum Inkrafttreten der Steuerreform, und 6,4 Millionen Österreicherin­nen und Österreicher, Bürgerinnen und Bürger werden durch diese um insgesamt 5 Milliarden € mehr in ihrer Geldbörse haben. Dazu ist es auch notwendig, dass wir heute mit dem Abgabenänderungsgesetz nahezu 40 Gesetze verändern, anpassen und Neuregelungen oder inhaltliche Änderungen vornehmen, durch die man gesehen hat, dass es notwendig ist, dass wir diese Anpassungen durchführen.

Betreffend die Auswirkungen lautet der Nachsatz aber: Größere finanzielle Auswirkun­gen auf den Bundeshaushalt sind durch das Gesetz beziehungsweise die nahezu 40 Gesetze nicht zu erwarten, es wird sich ausgleichen – aber es werden schon einige wichtige Änderungen durchgeführt.

Meine VorrednerInnen sind bereits darauf eingegangen und haben in ihren Wortmel­dungen schon erläutert, dass unter anderem auch Schlupflöcher geschlossen werden. Diese Schlupflöcher werden also heute mit dem Beschluss dieses Gesetzes ein Ende finden. Darüber hinaus gibt es das Wahlrecht bei der Einlagenrückzahlung, die Weg­zugs­besteuerung, die Klarstellung von Einkünftezurechnungen bei zwischengeschal­teten Körperschaften, und, und, und.

Betreffend das Einkommensteuergesetz, geschätzte Damen und Herren, wird bei den Tätigkeiten der Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler, Sportler und Vortragenden Klarheit geschaffen. – Wir wissen, dass in der Vergangenheit da oft GmbHs oder andere Körperschaften zwischengeschaltet wurden, um sich den Einkommensteuertarif zu sparen oder diesen zu verringern. Diesbezüglich wird es klare Regelungen geben.


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Es gibt das Wahlrecht bei der Gewinnausschüttung. Bei der Wegzugsbesteuerung wird das Besteuerungsrecht Österreichs sofort fällig, das Steuerrecht geht also beim Wegzug nicht verloren.

Beim Grunderwerbsteuergesetz erfolgen Klarstellungen bei der Bemessungs­grund­lage, und für die Gemeinden – das ist eine weitere wichtige Änderung – wird betreffend die Kommunalsteuer die Einbringung von Abgabenschulden erleichtert. Wenn man in den Gemeinden schaut, auf welche Höhe sich die Abgabenschulden belaufen, dann werden sich einige dieser Gemeinden leichter tun.

Geschätzte Damen und Herren! Wir werden diesem umfassenden Abgabenänderungs­gesetz mit nahezu 40 Gesetzesänderungen die Zustimmung geben, und ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Finanzminister, jetzt, weil ich nach der Aktuellen Stunde keine Gelegenheit hatte, wirklich für Ihren Willen.

Sie haben es ja so formuliert, dass alle am Prozess Beteiligten sich anstrengen müssen. – Ich weiß schon, dass es nicht gut ist, wenn man auf der einen Seite etwas verliert, aber vielleicht kann man auf der anderen Seite auch wieder etwas gewinnen, ausgleichende Elemente finden und den Finanzausgleich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger gestalten, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht verlieren. Immerhin wohnen die Bürger ja in den Gemeinden und zahlen dort die Abgaben, sie arbeiten in den Gemeinden und zahlen auch die diesbezüglichen Abgaben – und das ist gut so.

Ich bedanke mich bei Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mayer: Danke!)

11.16


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich unseren ehemaligen Kollegen, Herrn Bundesrat außer Dienst Bürger­meister Michael Lampel, recht herzlich bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.17.28

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Ihnen sehr gerne zugehört, als Sie jetzt einen kurzen Exkurs über Ihre eigene unternehmerische Vergangenheit gebracht haben, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Ihr unternehmerisches Herz mehr zum Ausdruck bringen, damit man dieses auch in den Gesetzen so sieht.

Wir von der FPÖ und ganz besonders von den freiheitlichen Wirtschaftstreibenden stimmen diesem Abgabenänderungsgesetz sehr gerne zu, denn es ist eine positive Korrektur für die Unternehmer, wenn Unternehmer im Land gefördert und forciert werden. Das ist immer gut, denn Unternehmer schaffen die Arbeitsplätze, und das wollen wir so haben.

Warum ist das gut? – Wenn ich das kurz erwähnen darf: Da geht es um eine Korrektur, denn dies ist ja ein Reparaturgesetz dieser Steuerreform, die für uns Unternehmer eigentlich fast ausschließlich Belastungen gebracht hat. Aber wie gesagt, mit diesem Gesetz wird jetzt eine Korrektur durchgeführt – auch dank des Lobbying, das muss man sagen, der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Es gibt auch gute Kammern, wie zum Beispiel die der Wirtschaftstreuhänder und die freiwillige Interessenvertretung der Industriellenvereinigung, die gehört, angehört worden sind und deren Vorschläge hier umgesetzt worden sind. Das möchte ich auch einmal betonen. (Bundesrätin Zwazl: Die Wirtschaftskammer ist auch …!)


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Deswegen sind wir von der FPÖ eindeutig für die Wahlfreiheit! Wenn es schon eine Pflichtmitgliedschaft gibt, dann soll es auch Wahlfreiheit geben, sodass man auch zu einem anderen Unternehmerverband gehen kann. (Neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.) Das ist ein Beispiel dafür, wie man sich wirklich produktiv durch­ge­setzt hat, und vielen Dank, sehr geehrter Herr Minister Schelling, dass Sie das auch so übernommen haben!

Worum geht es hier? – Hier geht es darum, dass Eigenkapital nicht doppelt besteuert wird. Es ist ganz wichtig, dass man Eigenkapital so behandelt. Darin steckt auch das Wort „eigen“: Es ist Eigentum, und Eigentum ist für uns von der FPÖ ganz wichtig! Es muss geschützt werden, es muss als solches gewahrt werden und man darf es auch vermehren – denn das ist ja eine Basisfunktion der freien Marktwirtschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht darum, dass bereits in eine Kapitalgesellschaft eingebrachtes Eigenkapital bei der Rückzahlung, bei der Herausnahme oder Auszahlung, nicht ein zweites Mal „verKEStet“ wird, dass es also nicht noch einmal der Kapitalertragsteuer, die jetzt ohnehin auf 27,5 Prozent erhöht worden ist, unterworfen und nicht doppelt besteuert wird.

Das ist völlig sinnlos, denn in der heutigen Zeit muss man froh sein, wenn man über­haupt Kapital zusammenbringt. Fremdkapital zu finden wird immer schwerer, und wenn man Eigenkapital hat, wenn man Investoren findet, dann muss man es doch um Gottes willen positiv andenken, wenn man das einbringen kann und Investoren findet, die dies bereitstellen.

Daher ist es ein gutes Gesetz, da hier nachgedacht worden ist und es nicht als Gewinnausschüttung betrachtet wird, sondern einfach als Rückzahlung von Eigen­kapital. Wenn die Firma gut läuft, muss das erlaubt sein. – Sehr gut, danke vielmals!

Ein anderer Zugang ist etwas ambivalenter zu sehen. Da geht es um die sogenannte Wegzugsbesteuerung. Wenn man darüber nachdenkt, warum eine Bundesregierung eine Wegzugsbesteuerung veranlasst, dann kann man vermuten, dass wahrscheinlich ein anderer Hintergrund dahintersteckt. Offensichtlich hängt das damit zusammen, dass viele Menschen emigrieren, also aus Österreich abwandern. Zirka 30 000 Per­sonen, vor allem hochqualifizierte Fachkräfte, besser Qualifizierte, vor allem auch Un­ternehmer wandern ab, da in Österreich die Steuerpolitik, die Belastungspolitik, die Abgabenpolitik viel zu bedrückend sind. Außerdem werden wir hier als Unternehmer – ja, manchmal hat man schon diesen Eindruck – auch einfach nicht geschätzt – deshalb freue ich mich, sehr geehrter Herr Bundesminister, dass Sie heute einen kurzen Exkurs über Ihre eigene Tätigkeit gebracht haben –, und darum wandern wir ab.

Diese Besteuerung ist meiner Ansicht nach ein merkantiler, protektionistischer Schutz­zoll aus dem 19. Jahrhundert. Glaubt man allen Ernstes, mit einer Besteuerung Men­schen hindern zu können abzuwandern? – Nein, sicherlich nicht! Wenn jemand weg­gehen will, dann geht er weg. Dann hat er die Nase voll und will in andere Länder – nach Berlin, wo junge Gründer sich sammeln, London oder auch Tel Aviv oder vor allem in die USA. Dort wird er besser behandelt, besser geschätzt, denn dort wird Eigentum forciert und eine Kapital-Thesaurierung ist möglich. Dort gibt es offensichtlich andere Kräfte, die das machen.

Was dazukommt, ist die Frage: Was brauchen wir? Wie finden wir Kräfte, die nach Österreich immigrieren, hereinkommen? Wie schaffen wird das? – Diesbezüglich wage ich zu bezweifeln, dass die Wegzugsbesteuerung dies fördert, denn wenn jemand kommt, muss er immer die Möglichkeit haben – und die Freiheit ist uns von der FPÖ ganz wichtig, die Freiheit ist ein wesentlicher Faktor –, abzuwandern. Der wird sich dann überlegen, ob er hier hereinkommt – mit diesem Gedanken, dass, wenn er mit


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 48

seiner Betriebsstätte wieder geht, wenn er das Land wieder verlassen will, das einer Besteuerung unterliegt. Da wird er es sich zwei Mal überlegen, ob das hier produktiv ist.

Ich wage zu bezweifeln, ob es überhaupt ein Mehrwert für das Staatsbudget ist – denn darum geht es ja letztlich: um die Konsolidierung dieses doch etwas aus den Fugen geratenen österreichischen Budgets. Meiner Meinung nach: Nein! Ich sehe das eher von der ambivalenten Seite.

Bezüglich der Qualität der Gesetze allgemein – denn es ist ja ein Reparaturgesetz – muss man auch zu bedenken geben, dass es offensichtlich auch etwas an der Qualität der Gesetze hapert, die zuweilen gar nicht umgesetzt werden können, weil manchmal auch Verordnungen fehlen – wie es bei den Banken jetzt der Fall ist, die ja gewisse aus der Steuerreform wirkende Gesetze mit dem 1. Jänner 2016 nicht umsetzen, wirk­lich nicht umsetzen können.

Dazu kommt auch, dass es oftmals rückwirkende Gesetze gibt – rückwirkende Gesetze aus der Steuerreform. Das heißt, diese Steuergesetze haben nicht unbedingt einen Lenkungseffekt, denn die Lenkung ist ja schon in der Vergangenheit passiert, sondern sie haben eine andere Prämisse, eine andere Vorstellung. Das heißt, hier wird ein Verhalten rückwirkend, sagen wir, bestraft, das der Bestrafte mit anderen Gesetzen wahrscheinlich so nicht getätigt hätte.

Wir lehnen diese rückwirkenden Gesetze klar ab. Diese sind auch mit einer – ich darf es ganz offen sagen – seriösen Gesetzgebung und mit einem seriösen Gesetzgeber nicht unbedingt in Einklang zu bringen.

Ja, dies ist eine Steuerreform der Steuerreform, um es so zu bezeichnen, die, wie gesagt, sicherlich ihre positiven Effekte hat, aber vielleicht sollte man sich doch gleich am Anfang die entsprechenden Gedanken machen, dass es dazu erst gar nicht kom­men muss. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.23


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als nächster Redner hat sich Herr Bundes­minis­ter Dr. Schelling zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.23.45

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Bundesrätin Dr. Reiter, die Neukodifizierung des Einkommensteuerrechts ist bereits in Auftrag gegeben und ist in Arbeit. Wir rechnen damit, dass wir das in etwa 20 Monaten – die ersten sechs davon sind schon vorbei – werden vorlegen können. Ich halte das für richtig und wichtig, weil auch ich der Meinung bin, dass die Dinge so kompliziert geworden sind.

Ich habe einmal einfach sehr populär gemeint, wir machen solche Bandelwurm­gesetze: Wir erfinden einmal ein Gesetz und fügen immer eine Novelle dazu, bis am Schluss niemand mehr weiß, was der Ursprung des Gesetzes war. Daher ist es gut, wenn wir hier grundsätzlich darüber nachdenken – danke auch für den Hinweis!

Nun zu Ihnen, Herr Bundesrat Pisec: Die Position des BMF in der Frage der Besteu­erung war immer die, die jetzt vorhanden ist, und die war auch mit der Kammer der Wirtschaftstreuhänder so abgestimmt, aber wir konnten uns im Zuge der Steuerreform vorerst auf der Ebene der Koalition nicht einigen. Daher ist es gut – Sie sagen ja auch, das wäre sehr positiv –, dass hier eine Reparatur stattfindet, die nicht auf der Qualität des Gesetzes beruht, sondern auf der Qualität der Einigung. – Das bitte ich mitzu­nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 49

Was die Rückwirkungen anlangt: Es gibt meines Wissens zwei Gesetze aus der Steuerreform, die in diese Richtung gehen, zum Beispiel das Kapitalabfluss-Melde­ge­setz, alle anderen setzen am 1. Jänner 2016, am 1. Jänner 2017 und teilweise erst verspätet ein, wie zum Beispiel auch die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen, die erst nach Ablaufen der Kataloglaufzeit in Kraft tritt. (Bundesrat Pisec: Die Abschreibung ist rückwirkend!)

Und der letzte Punkt, weil Sie die Frage der Wegzugsbesteuerung ansprechen: Die gab es ja, nur hat es ein sogenanntes Nichtfestsetzungskonzept gegeben. Dort, wo es im Verhältnis zu den anderen EU-/EWR-Staaten diese entsprechende Amts- und Vollstreckungshilfe gibt, wird das jetzt umgewandelt in ein Ratenkonzept. Das dient aber auch der Sicherung des Wissens, was passiert, wenn das passiert. Bei Privaten bleibt dieses Nichtfestsetzungskonzept aufrecht, außer es werden Stiftungen ins Ausland übertragen. Dann tritt dieses Ratenzahlungskonzept ein.

Und was die Ansiedlung und sozusagen das Auswandern von Betrieben anbelangt, ist es folgendermaßen: Derzeit haben wir eine Situation, dass durch die Erhöhung der Forschungsprämie von 10 Prozent auf 12 Prozent, die im Rahmen der Steuerreform beschlossen wurde, die Investitionstätigkeit erstmals wieder vor allem in den for­schenden Betrieben stark zunimmt und wir viele Betriebe zum Beispiel aus der Phar­mabranche haben, die jetzt wieder in Österreich statt in Deutschland investieren. Das ist, glaube ich, ein gutes und wichtiges Signal für diese Zielgruppe. (Bundesrat Pisec: Das ist viel zu wenig!)

Dass alles zu wenig ist, ist das Wesen der Steuerreform. Dem einen ist es zu viel, dem anderen ist es zu wenig, und da Dankbarkeit ja bekanntlich keine politische Kompo­nente ist, haben wir es jetzt einmal so umgesetzt.

Gerade jetzt wird die Information vom IHS veröffentlicht, das gemeinsam mit der Notenbank und anderen bestätigt, dass diese Steuerreform massive Konsumimpulse setzen wird und erstmals der Konsum wieder ansteigen wird, während schon in den letzten zwei Quartalen des heurigen Jahres die Investitionstätigkeit zugekommen hat.

Das IHS veröffentlicht aktuell eine Prognose mit 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum, das ist genauso hoch wie die deutschen Erwartungen sind. Wir haben im Budget aus Sicherheitsgründen aber nur 1,4 Prozent eingestellt, weil wir aus den letzten Jahren die Erfahrung hatten, dass ja Schwankungsbreiten bei den Prognosen vorhanden sind. Sie erinnern sich: Das Budget 2014/2015 war noch aufgesetzt mit einem Wachstum von 1,8 Prozent – wenn wir heuer 1 Prozent erreichen, wird es gut sein. Daher sind wir vorsichtig, das ist auch gut so.

Ich bedanke mich für die breite Zustimmung zum Abgabenänderungsgesetz. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

11.27

11.27.40

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 50

11.27.582. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Kapitalmarktgesetz geän­dert werden (897 d.B. und 908 d.B. sowie 9499/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Einlagensicherungs- und Anle­gerentschädigungsgesetz, das Nationalbankgesetz 1984 und das Versicherungs­aufsichtsgesetz 2016 geändert werden (898 d.B. und 909 d.B. sowie 9492/BR d.B. und 9500/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nun gelangen wir zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Heger. Bitte um den Bericht.

 


11.28.22

Berichterstatter Peter Heger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe nun die Berichte des Finanzausschusses zu den Tages­ord­nungspunkten 2 und 3.

Zuerst berichte ich zum Tagesordnungspunkt 2 über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates, der in schriftlicher Form vorliegt, wurde in der Sitzung des Finanzausschusses am 15. Dezember 2015 in Verhandlung genommen.

Nach Beratung der Vorlage stellt der Finanzausschuss mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Damit komme ich zum Tagesordnungspunkt 3 und damit zum Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Bankwesen­ge­setz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Einlagensicherungs- und Anleger­ent­schädigungsgesetz, das Nationalbankgesetz 1984 und das Versicherungsauf­sichts­gesetz 2016 geändert werden.

Auch diesen Beschluss hat der Finanzausschuss in seiner Sitzung am 15. Dezember 2015 in Verhandlung genommen, und der Bericht liegt schriftlich vor.

Nach Beratung der Vorlage stellt der Finanzausschuss mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Mag. Zelina zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 51

11.30.31

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Zuschauer an den Fernsehgeräten! Bei unse­rem Bankensystem hat der freie Markt in der Finanzkrise als natürliches Regulativ versagt. Ein Teil des Bankensystems hat gesellschaftlich unverantwortlich, gierig, egoistisch, zum Teil auch kriminell agiert und in Folge durch aufgezwungene Banken­rettungen ganze Staaten noch weiter in die Verschuldung getrieben. Hier liegt Markt­versagen vor. Deswegen muss der Bankensektor gesetzlich noch strenger reguliert und an die kurze Leine genommen werden.

Seitens der Regierung wurde bei Bankeninsolvenzen bisher versucht, die Banken­eigentümer, Aktionäre, Anleihegläubiger und internationale Finanzfonds auf Kosten unserer Steuerzahler schadlos zu halten. Das ist eine völlig verfehlte Klientelpolitik unserer Regierung zugunsten der Finanzlobby!

Die Abhängigkeit der Parteien von Parteispenden und Finanzierungen der Banken hat seinen Teil dazu beigetragen und gehört beendet.

Wir müssen sicherstellen, dass die Steuerzahler nie wieder für Verluste und die Habgier von Banken und Finanzspekulationen zahlen müssen. Es darf nie wieder vor­kommen, dass die Steuerzahler für Bankenrisiken geradestehen müssen und Finanz­investoren, internationale Fonds und Bankeigentümer verschont bleiben.

Banken müssen selbst für ihre Risiken haften und nicht der Steuerzahler. Strenge Fairplay-Regeln für Banken sind unabdingbar. Bei Bankenschieflagen brauchen wir ein Bail-in der Bankeneigentümer und Gläubiger und nicht deren Bail-out. Die Eigentümer der Banken und alle Großgläubiger der Banken müssen bei einer Bankinsolvenz in die Pflicht genommen werden. Wir brauchen ein Bankeninsolvenzrecht, das die Beteili­gung der Aktionäre, Investoren und Großgläubiger an der Sanierung einer zahlungs­unfähigen Bank festschreibt, die kleinen Sparer schützt und die Steuerzahler aus der Haftung nimmt.

Die EU-Bankenunion geht in diese Richtung, und das ist gut so. Die Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank als erste Säule der Bankenunion, ein von den Banken selbst gespeister Bankenpleiteabwicklungsfonds als zweite Säule der Ban­ken­union und ein europäischer Einlagensicherungsfonds als dritte Säule der Bankenunion sind brauchbare und sinnvolle Instrumente.

Mit dem Abwicklungsfonds können in Zukunft Banken in Schieflage geschlossen werden, ohne dass die Steuerzahler und Kleinsparer dafür herangezogen werden müs­sen. Das europäische Bankensystem haftet in Zukunft selbst für seine Pleiten.

Bis der Abwicklungsfonds allerdings ausreichend kapitalisiert ist, wird es noch zehn Jahre dauern. Erst 2025 wird der 55 Milliarden € schwere Bankenabwicklungsfonds vollständig greifen. Bis dahin besteht das Risiko, dass ausländische Krisenbanken aus Griechenland, Spanien, Italien, Portugal über die EU-Bankenunion, die wie der ESM eine Haftungsunion ist, zum Verlustfiasko für gesunde inländische Banken werden. Umso wichtiger ist daher eine gründliche und strenge Überprüfung der Bankbilanzen durch die Europäische Zentralbank im Rahmen ihrer Funktion als europäische Banken­aufsicht.

Sämtliche Bankkredite müssen jährlich per Asset Quality Review auf ihre Werthaltigkeit geprüft werden und bei Anzeichen sich verschlechternder Bonität in den Bilanzen sofort abgeschrieben werden. Sollte nach Abschreibung von faulen Krediten die erforderliche Eigenkapitalquote nicht mehr vorhanden sein, müssen die Bankeneigen­tümer selbst für eine Kapitalerhöhung sorgen, oder die Bank wird als insolvent be­trachtet und abgewickelt.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 52

Die verpflichtende Erstellung eines präventiven Banken- und Sanierungsplanes und eines Konkursabwicklungsplanes verursacht zwar zusätzlichen bürokratischen Auf­wand, ist aber in Summe positiv zu sehen, da dies dem bisher unzureichenden Risiko­management der Banken dient.

Diese Pläne sind sinnvoller Bestandteil eines professionellen Risikomanagements. Nach Einschätzung der Deutschen Bank gibt es im europäischen Bankensektor nach wie vor faule Kredite in Höhe von bis zu 1 400 Milliarden €. Es ist also ganz gewaltig, was da noch an Risiken vorhanden ist.

Um Bankenpleiten in Zukunft zu reduzieren und ein stabileres Bankensystem herzu­stellen, muss aber zusätzlich zur EU-Bankenunion viel mehr getan werden. Die EU-Staaten müssen schuldentragfähige Budgets einhalten und ihre Staatsverschuldung wieder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bringen. Das Eigenkapital der Banken sollte auf 20 Prozent der Bilanzsumme erhöht werden. Das wirkt wie ein 20-prozentiger Selbstbehalt der Aktionäre und reduziert automatisch zu hohes Veranla­gungs­risiko.

Wir brauchen auch eine Eigenkapitalhinterlegungspflicht für Staatsanleihen. Banken müssen für Staatsanleihen in ihren Bilanzen bisher kein Eigenkapital hinterlegen, weil Staatsanleihen im Regelwerk Basel III als risikolos eingestuft werden. Dies animiert die Finanzwirtschaft dazu, Geld verstärkt in Staatsanleihen zu investieren anstatt unsere Unternehmen zu finanzieren. Das ist ein klassischer Crowding-out-Effekt.

Staatsanleihen sind aber nicht risikolos! Staatsanleihen aus Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Russland et cetera sind alles andere als risikolos. Staatspleiten und Schuldenschnitte sind die geschichtliche Regel und nicht die Ausnahme. Staats­anleihen können auch faul und uneinbringlich werden.

Das Festhalten an der Illusion, Staatsanleihen seien mündelsicher, ist reiner Selbst­betrug. Staatsanleihen sollten also in den Büchern der Banken nicht mehr als risikolose Assets eingestuft werden und genauso wie Kredite an Unternehmen mit Eigenkapital hinterlegt werden müssen.

Die Mindestreservensätze gehören zur Liquiditätssicherung und zur Reduktion aus­ufernder Kreditschöpfung auf 3 Prozent erhöht.

Die Renditeerwartungen der Investoren und Bankeneigentümer gehören kräftig ge­senkt. In gesättigten Nullwachstumsmärkten können wir keine 25 Prozent Eigenkapital­rendite erzielen, ohne hohe Risiken einzugehen.

Ziele solch hoher Eigenkapitalrenditen und die Kopplung dieser Vorgaben an Bonus­gehälter der Bankmanager führen unweigerlich zu unerwünschten Risikogeschäften. Die Bonusgehälter der Bankmanager gehören auf maximal 50 Prozent des Fixgehaltes beschränkt.

Das Trennbankensystem gehört wieder eingeführt, um den Zugriff der Banken auf die Spareinlagen der Bürger für Spekulationszwecke zu verhindern. Wir brauchen also eine Trennung zwischen Commercial Banking und Investmentbanking, also eine Tren­nung von risikoarmen Einlagen und Kreditgeschäft der Geschäftsbanken und risiko­reichem Spekulationsgeschäft der Investmentbanken.

In Summe brauchen wir mehr Investitionen in die Realwirtschaft der produzierenden Unternehmen und weniger Spekulation in die Finanzwirtschaft. – Vielen Dank.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 53

11.39


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Poglitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.39.13

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen des Bundesrates! Das ist wieder eine sehr komplexe Materie, die heute hier zur Beschlussfassung kommt, mit unglaublich vielen Gesetzesänderungen. Ich würde einmal sagen, dass diese Beschlussfassung zum Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, aber auch zum Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz sicherlich stark in die Richtung einer gemeinsamen Bankenunion auf europäischer Ebene geht.

Ich denke, das ist auch der richtige Weg. Die Reise soll auch dorthin gehen, denn wir wissen aus der Finanzkrise, dass die Banken unglaublich viel Vertrauen in der Bevöl­kerung verloren haben, und dieses Gesetz zielt jetzt darauf ab, dass wir speziell die Sicherung unserer Banken, unserer Spareinlagen auch in Zukunft gewährleisten werden können.

Ich denke, das ist der richtige Weg. Wir wissen auch, dass wir für die Wirtschaft eine stabile und wettbewerbsfähige Bankenbranche brauchen. Ohne Banken geht in der Wirtschaft nichts, das wissen wir ganz genau. Deswegen denke ich, dass diese Gesetze, diese Änderungen für unseren Finanzplatz in Österreich sehr, sehr wichtig sind.

In Zukunft soll dadurch vermieden werden, dass – wie in der Vergangenheit – wieder der Steuerzahler die Abwicklung von Banken bezahlen soll beziehungsweise zum Handkuss kommt. Deswegen wird auch ein Abwicklungsfonds gegründet, der in einigen Jahren gefüllt sein wird. Wenn man bedenkt, dass er mit 55 Milliarden € be­stückt wird, so ist das eine enorme Summe, mit der man einiges abwickeln kann. Wenn wir aber wissen, wie viele Kredite in Europa unter Umständen als faul gelten, dann erscheint diese Summe gar nicht so hoch.

Für unsere österreichischen Banken werden zirka 150 Millionen € einzuzahlen sein. Auch das ist keine kleine Summe. Da muss man schon die Frage stellen, ob man bei diesen Fondsbeiträgen in Zukunft eine Anrechnung zur Bankensteuer machen kann, oder ob die Bankensteuer in Zukunft überhaupt noch gebraucht wird, denn eine Dop­pel­belastung unserer Banken wird auf die Zukunft der Banken nicht unbedingt eine positive Auswirkung haben.

Wie schaut es eigentlich mit der Umsetzung dieser Bankenunion aus? – Wir haben drei verschiedene Stufen: Stufe eins ist die einheitliche Bankenaufsicht, die gibt es mittlerweile in allen Mitgliedstaaten der EU. Stufe zwei ist eine einheitliche Regelung der Bankensanierung und Bankenabwicklung. Das gibt es leider noch nicht überall, damit ist erst die Hälfte der Länder fertig. Auch die Harmonisierung des Einlagen­sicherungssystems ist erst in der Hälfte der Länder umgesetzt.

Wir müssen darauf drängen, dass die Mitgliedstaaten dies alles auch umsetzen, was hier versprochen worden ist, denn nur dann haben eine Bankenunion und eine Einlagensicherung auch einen Sinn.

Ich denke, das ist der richtige Weg, den du hier gehst, indem du das nämlich auf europäischer Ebene so ausverhandelt hast.

Ich denke, das ist ein guter Gesetzentwurf für den Finanzplatz Österreich. Wir werden dem selbstverständlich zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.42


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Weber zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 54

11.42.10

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Die vorliegenden Gesetze sind im Kern Umsetzungen von EU-Richtlinien, etwa der Transparenz­richtlinie – oder beim Alternativen Investmentfonds Manager-Gesetz geht es um die Öffnung für Energieinfrastruktur-Investitionen.

Es ist eine sehr komplexe Materie – wir hörten es vorher schon. In der Debatte im Finanzausschuss besprachen wir die genaueren Details. Das wichtigste bei dieser Gesetzesmaterie ist der breite Blumenstrauß an Maßnahmen, um eine Bankenpleite künftig verhindern zu können.

Dies betrifft den einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die Zusammenarbeit der europäischen Aufsichtsbehörden mit dem eigens für die Bankenabwicklung auf EU-Ebene gegründeten Ausschuss. Damit soll auch klar verhindert werden, dass jemals wieder der Steuerzahler für eine Pleitebank bluten soll, wie es in Kärnten nach dem blauen Bankenskandal schmerzlich passiert ist.

Nach der einheitlichen Aufsicht durch die Europäische Zentralbank und dem euro­päischen Abwicklungsmechanismus haben wir als dritte Säule der gemeinsamen Ban­kenunion eine einheitliche Einlagensicherung. Diese soll erst 2024 kommen und erst dann voll wirksam sein.

Derzeit sind wir mit dem heutigen System noch weit weg davon, harmonisiert zu sein, eine einheitliche Sicherung für sichere Banksysteme zu haben. Die Bundesrepublik, die Niederlande, Belgien und auch Finnland sind uns da schon voraus. Die haben jetzt schon Geld in diese Fonds einbezahlt. Wir setzen mit diesem Gesetz aber die ersten Schritte in diese richtige Richtung: wir beginnen, wir starten damit.

Ein europäisches, einheitliches Einlagensicherungsregime wird den Finanzmarkt sta­bilisieren. Das bringt auch Vorteile für uns in Österreich. Neben diesem Schutz für die Steuerzahler sind bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie noch die Infor­mations­pflicht für den Anleger sowie bei Zuwiderhandeln durch das Unternehmen die dro­henden Strafen erwähnenswert.

An der Börse notierte Unternehmen müssen in Zukunft, von der Finanzmarktaufsicht beaufsichtigt, den Anlegern detaillierte Informationen geben. Bei Zuwiderhandeln werden die Geldstrafen europaweit harmonisiert. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den es bis dato noch gar nicht gegeben hat.

Der zweite gewichtige Punkt gehört dazu, nämlich die Höhe der Strafen. Dabei geht es um sehr hohe Strafen, wenn eine Person diese Vorschriften verletzt. Wir sprechen zum Beispiel bei juristischen Personen von bis zu 10 Millionen € oder 5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes oder bis zur zweifachen Höhe des erzielten Gewinnes. Bei Vorschriftsverletzungen durch natürliche Personen drohen Strafen von bis zu 2 Millionen €. Die Strafen auf nationaler Ebene bewegen sich nach wie vor im Rahmen von 60 000 € bis 150 000 €. Welche Strafen einer Landespartei drohen, wenn sie fast ein ganzes Bundesland in die Pleite treibt, wissen die Kollegen der freiheitlichen Partei.

Mit der Umsetzung der Bankenunion werden die Lehren aus der Finanzkrise bezüglich des Bankensektors gezogen. Durch die einheitliche, europaweite Aufsicht gelten für alle Banken gleich strenge Kapitalisierungsvorschriften. Damit soll das Risiko am Ban­kensektor begrenzt werden. Durch die zentraleuropäische Beaufsichtigung system­relevanter Banken werden die einzelnen Staaten bei der Beaufsichtigung sehr großer Institute entlastet.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 55

Durch den einheitlichen Abwicklungsmechanismus – sollte eine Bank dennoch in Schieflage geraten – und den Abwicklungsfonds wird der Steuerzahler geschützt, da die Kosten vom Sektor selbst getragen werden sollen.

Die Verstaatlichung von Verlusten, wie es sie bisher in der Vergangenheit gegeben hat, soll es in Zukunft nicht mehr geben, und das ist auch gut so. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

11.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.47.14

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesen beiden Tagesordnungspunkten geht es ja um mehrere Gesetze, nämlich auch um das Börsegesetz – das möchte ich zuerst kurz besprechen – und um das Abwicklungs­ge­setz.

Ich kann Ihnen, sehr geehrter Kollege Poglitsch, leider heute überhaupt nicht folgen. Der Finanzmarkt beziehungsweise der Kapitalmarkt in Österreich hat in den letzten fünf, sechs Jahren extremen Schaden erlitten, aber nicht nur durch die Finanzmarkt­krise. Die Finanzmarktkrise ist in den letzten drei, vier Tagen mit der Zinswende, diesem historischen Akt in den USA, offiziell zu Ende gegangen. Die gibt es nicht mehr. Die Zeit ist da in Österreich stehen geblieben. (Zwischenruf des Bundesrates Poglitsch.)

Wer hat die Bankenabgabe, die Sie hier zu Recht kritisieren, die zehnmal so hoch ist wie in Deutschland, denn überhaupt eingeführt? Wer benötigt diese Banken, wenn nicht wir als Unternehmer, damit wir endlich zu Fremdkapital kommen, das sie ja gar nicht mehr geben können?

Nächstes Beispiel ist die Bank Austria, die komplett unter Wasser ist. Drei Banken sind in Österreich zugrunde gegangen – die alte Creditanstalt-Bankverein, die „Z“, die Geschäftsbank Länderbank gibt es nicht mehr. Ob die UniCredit, die gerade noch die Eigenkapitalquote schafft, in den nächsten zehn Jahren überlebt – da wage ich ein großes Fragezeichen zu setzen. Da sind noch tausende Arbeitsplätze in Österreich in Gefahr, und zwar wegen dieser schlechten Finanzmarktpolitik in Österreich. (Zwi­schen­rufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ich erwarte mir von dieser Bundesregierung endlich ein Bekenntnis zum österreichi­schen Kapitalmarkt, denn wir von der Wirtschaft benötigen diesen Kapitalmarkt ganz dringend. Ich erwarte mir im Rahmen dieses Börsengesetzes ein klares Bekenntnis zur geregelten Börse hier in Wien – ein ganz klare Bekenntnis! Das vermisse ich bis heute, sehr geschätzter Herr Bundesminister für Finanzen. Ich erwarte mir ein klares Bekenntnis zu dieser Struktur, die wir benötigen – wir von der FPÖ ganz besonders. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt kurz zum Gesetz im Detail: Es ist eine Umsetzung einer EU-Vorgabe aus 2013. Das zeigt auch ein bisschen den bürokratischen Modus, wie nämlich damit umge­gangen wird, wenn etwas von der EU kommt. Bei der Kapitalmarktunion vertraue ich sogar der Europäischen Union. Ich finde, dass das gar nicht so unwesentlich ist. In Österreich wird es aber erst zwei Jahre später, sprich heute, Ende 2015 umgesetzt.

Ich stelle mir auch die Frage, ob das wirklich der Gesetzesweisheit letzter Schluss ist. Es ist natürlich ein gutes Gesetz. Transparenzgesetze sind immer gut, wenn sie nachvollziehbar und überschaubar sind. Ich frage mich aber, ob es nicht mittlerweile schon überholt ist – deswegen kommen wir auf diese zwei Jahre zurück.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 56

Vor Kurzem war der Kommissar für Kapitalmarktfragen Hill hier. In einer Rede hat er gesagt, ob diese Verpflichtung zur Prospektgestaltung von über 100 Seiten, die dieses Transparenzgesetz fordert, nicht zu viel ist, weil diese Prospekte letzten Endes ohnehin keiner liest. Welcher Investor liest für ein Unternehmen, in das er investieren will, 100 Seiten? – Nein, Entscheidungen werden schnell und nach anderen Prämissen gefällt. Das hat die EU richtigerweise erkannt.

Deswegen ist dieses Gesetz vermutlich nicht das brandaktuellste, weil die Bundes­regierung offensichtlich zwei Jahre braucht, bis Gesetze von der EU übernommen werden, die die EU selbst mittlerweile revidiert. Hier ist eine Korrektur in Planung, weil man erkannt hat, dass es Unternehmen im Sinne der Compliance-Vorschriften irrsinnig viel Geld und vor allem Zeit kostet, 100 Seiten-Prospekte zu erstellen, um mit ihren Wertpapieren an die Börse zu kommen, um ihre Wertpapiere zu notieren und im Sinne einer Emission zu platzieren.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben das IHS angesprochen. Dazu darf ich kurz erwähnen: Ja, keine Frage, das IHS ist ein gutes Wirtschaftsforschungsinstitut, bezie­hungsweise war es das sicherlich einmal, bevor der geschätzte Herr Keuschnigg hier die Lanze brechen musste. Sollte Herr Professor Haber – ich halte ihn wirklich für einen sehr guten und ausgezeichneten, exzellenten Ökonomen – dieses Institut übernehmen, wird man die Prognosen sicherlich wieder ernst nehmen können. Derzeit nehme ich weder das WIFO noch das IHS wirklich ernst.

Um kurz zu diesen Prognosen zu kommen: Für mich ist eine ehrliche Prognose, ein ehrliches Wachstum immer ein wertschöpfendes Wachstum. Es muss eine Wert­schöpfungskette dahinter sein. Diese ist in Österreich derzeit einfach nicht gegeben. Es ist für mich einfach ein kreditfinanziertes Wachstum.

Wenn ich eine 5 Milliarden €-Neuverschuldung zusammenbringe und auf der anderen Seite nicht einmal 1 Prozent Wachstum ausweisen kann, dann ist das einfach kein Wachstum mehr für mich, das ist einfach ein Fake. Man muss aus einem echten Wachstum, das aufgezeigt und errechnet wird, die Kreditverschuldung herausrechen. Das geschieht nicht. Daher sind wir auf keinem Wachstumspfad unterwegs.

Dieses Bankabwicklungsgesetz ist sicherlich ein gutes Gesetz, keine Frage. Das gibt es aber in den USA schon seit 2010 durch den berühmten Dodd-Frank Act.

Es war auch eine permanente Forderung der Freiheitlichen Partei, endlich ein Abwicklungsgesetz für die Bankenlandschaft im Sinne der Finanzmarktkrise 2006 zu schaffen. Das hat Österreich bis heute nicht zusammengebracht, denn das ist ein EU-Gesetz – ist okay, passt, kommt aber auch wieder um Jahre zu spät.

Die Schweiz hat 2011 ein nationales Abwicklungsgesetz geschaffen, Deutsch­land 2012, wir eigentlich bis heute nicht. Jetzt übernehmen wir dieses Gesetz. Das ist sicherlich gut, keine Frage, es kommt aber um Jahre zu spät.

Dieses Gesetz ist nötig, um eine Bereinigung in der Bankenlandschaft fortzuführen und zu schaffen, weil eben der Finanzmarktplatz, so wie er ist, ein hausgemachtes öster­reichisches Problem und lange kein internationales mehr ist.

Es gibt kaum neue Emissionen an der Wiener Börse, große Firmen kommen kaum nach Österreich. International boomt die Börse, es gibt weltweit einen unheimlichen Aufschwung an der Börse. Da kann man leicht mitpartizipieren, als Unternehmen und Großkonzern.

Wir brauchen die viel kritisierten Großkonzerne, weil sie Arbeitsplätze schaffen und vor allem weil sie den Klein- und Mittelbetrieben, die wir in Österreich dringend benötigen,


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 57

Aufträge verschaffen und Aufträge an sie vergeben. Diesen Konzernen kann Öster­reich keinen ordnungspolitischen Rahmen bieten.

Beispiel: die Wiener Börse; Beispiel: der leider Gottes schlechte österreichische Finanzplatz, den wir von den Freiheitlichen mit allen Mitteln ausbauen und besser machen wollen, weil er die Basis für ein gesundes Wirtschaften ist. Ergebnis gesunden Wirtschaftens ist immer ein Wirtschaftswachstum – etwas, das Österreich mit dieser Bundesregierung nicht hat.

Trotzdem stimmen wir diesem Bankenabwicklungsgesetz zu, weil es ein gutes Gesetz ist, aber leider um Jahre zu spät kommt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.54


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich bei uns zwei Bundesrätinnen außer Dienst recht herzlich begrüßen: Juliane Lugsteiner und Johanna Köberl. Herzlich willkommen hier bei uns im Bun­desrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.54.43

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Finanz­minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich kann es kurz machen. Bei TOP 2 stimmen wir zu, denn mit diesem Gesetz wird eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf die Information über Wertpapier­emit­tenten umgesetzt. Dadurch wird der Anlegerschutz doch deutlich verbessert, und des­halb stimmen wir diesem Gesetz auch zu.

TOP 3: Auch da werden im Wesentlichen europäische Vorgaben umgesetzt. Meine Vorredner sind schon darauf eingegangen: Es gibt eben nähere Bestimmungen zum bereits geschaffenen einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus für Banken und bestimmte Finanzinstitutionen.

Es ist ja nicht ganz so, dass in Österreich nicht schon vorher etwas in diese Richtung geschehen wäre. Wir halten das im Sinne der Harmonisierung für einen wichtigen Schritt. Es wird ein entsprechender Ausschuss eingerichtet, ein Bord. Es werden Auf­gabenzuteilungen vorgenommen, und es wird eben ein Fonds geschaffen, der von den Banken dotiert werden wird.

In diesem Zusammenhang wurde im Ausschuss und auch im Nationalrat über die Bankenabgabe diskutiert – und das berechtigterweise –, denn unsere Banken haben einen klaren Wettbewerbsnachteil. Die Abwanderung des Ostgeschäfts der Bank Austria nach Mailand wird damit öffentlich argumentiert. Es wird sicher notwendig sein, auf die Gesamtsteuerbelastung unserer Banken zu schauen, einen entsprechenden internationalen Vergleich zu machen und dann vermutlich auch zu handeln.

Wir halten es aufgrund des damit verbundenen Risikos auch nicht für der Weisheit letzten Schluss, wenn es zu einem kompletten Rückzug der Banken aus Osteuropa kommt. Es braucht auch dort eine gesunde Bankenlandschaft für eine gedeihliche Entwicklung, die auch in unser aller Sinne ist.

Wir werden beiden Gesetzen gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.57


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister Dr. Schelling ist als Nächs­ter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 58

11.57.11

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ein paar Ergänzungen: Sie wissen, ich bin der erste Finanzminister dieser Republik, der den Fit-&-Proper-Test bestanden hat und sich daher mit dem Bankwe­sen­gesetz mehr beschäftigen muss als viele andere.

Die meisten Dinge, die hier vorgetragen wurden, gibt es. Wir haben ein Banken­abwicklungsgesetz gemacht, das wir jetzt zur Anwendung bringen, wir haben deutlich verschärfte Aufsichtsmechanismen geschaffen, um Krisen wie 2009 besser bewältigen zu können.

Eines muss uns aber auch klar sein: Wenn man es auf europäischer Ebene – und das ist angesprochen worden – hier umsetzt, dann müssen zuerst einmal alle umsetzen. Und ich sage Ihnen hier in aller Deutlichkeit: Ich werde einer europäischen Einlagen­sicherung nicht zustimmen, solange die anderen Länder das Bankenabwick­lungs­gesetz nicht installiert haben. Das beruht auf einer europäischen Richtlinie, ist schwer im Verzug, und ich sehe nicht ein, dass wir hier eine Haftung übernehmen sollen, wenn sie selbst die Bail-in-Regel und andere Dinge nicht geregelt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Der zweite Punkt ist, dass wir für die Banken ein europaweites Programm entwickeln müssen, um die Risken herauszunehmen. Es macht ja keinen Sinn, stark risikobelas­tete Banken mit derselben Einlagensicherung zu bedienen wie schwach risikobehaftete Banken. Das heißt, es muss auch ein Prozess installiert werden, um Risiko heraus­zunehmen.

Was den Fonds anbelangt, so haben wir lange Zeit, weil die Banken eben einzahlen müssen. Wir haben aber zwischenzeitlich auf Ebene der europäischen Finanzminister gerade den bestehenden ESM-Fonds für die Brückenfinanzierung eingesetzt, damit es keine Doppelbelastung für die Länder gibt. Das ist ein guter und richtiger Weg. Wir hoffen, dass er nicht benötigt wird, so wie eben auch viele andere Sicherheitsmecha­nismen Gott sei Dank nicht benötigt wurden.

Die Frage der Unterlegung ist ja heute schon geregelt: Alles, was nicht Triple A oder Double A geratet ist, muss unterlegt werden; das heißt, die werden nicht mehr freigestellt. Wir haben zum Beispiel auch in der Frage, welche Boni bei den Banken ausbezahlt werden, sehr deutlich reduziert und das sehr deutlich an die neuen Regeln angepasst. Ich halte das auch für richtig.

Es wurde noch ein Punkt angesprochen: Natürlich kann man öffentlich darüber dis­kutieren, dass ein Abwandern der Bank Austria aufgrund der Bankenabgabe passiert. – Klingt gut, stimmt aber sicher nicht, denn ich habe allen österreichischen Banken gesagt, selbst wenn die Bankenabgabe auf null heruntergefahren wird, ist ihr strukturelles Problem damit nicht gelöst. Bei einer Cost-Income-Ratio, die deutlich über 74 Prozent liegt, werden wir nicht wettbewerbsfähig sein. Das heißt, dort die Hausauf­gaben zu machen ist genauso wichtig, wie die Bankenabgabe zu verändern. Ich darf Ihnen hier mitteilen, dass ich ein Modell für eine Änderung der Bankenabgabe fertig­gestellt habe und dem Koalitionspartner bereits zur Verhandlung übergeben habe.

Ich meine schon, dass der Finanzplatz Schaden genommen hat, aber er hat natürlich auch massiv – und das sage ich in aller Deutlichkeit – durch die Hypo Schaden erlitten. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Natürlich ist das so! Wenn Sie sich die Reaktionen der Anleger anschauen, dann wissen Sie, dass das finanzmarktrelevante Dinge sind.

Ich verstehe daher vor allem die FPÖ in Kärnten nicht, die zwar das Desaster mitverursacht hat, aber jetzt nicht bereit ist, an der Lösung mitzuwirken. Sie ist die einzige Partei, die sowohl im Landtag wie auch in der Landesregierung einem mög-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 59

lichen Sanierungskonzept, das von mir erarbeitet wurde, nicht zustimmt. Ich nehme das so zur Kenntnis. Ich halte es für falsch, aber vielleicht können Sie (in Richtung FPÖ) noch Einfluss auf Ihre Kollegen in Kärnten nehmen.

Der letzte Punkt, der mir wichtig ist: Es gab im Rahmen der Finanzausschusssitzung des Bundesrates vom 15. Dezember noch die Fragestellung, wie hoch denn zu dotieren ist. Ich stelle hiermit insgesamt und im Speziellen noch einmal sicher, dass Sie diese Information haben. Geplant ist – es wurde schon erwähnt –, dass dieser gesamte Fonds mit 55 Milliarden € dotiert sein wird. Das wird auf diese vielen Jahre verteilt. Wir schätzen derzeit, dass sich aufgrund der Verordnung, die dazu erlassen wird, die österreichische Kreditwirtschaft über diesen kompletten Zeitrahmen der nächsten acht Jahre mit zirka 1,4 Milliarden € an diesem Fonds beteiligen wird.

Für das Jahr 2015 rechnen wir aktuell damit, dass aufgrund der von der FMA und den Banken geschätzten Beträge voraussichtlich Ende 2016 ein Betrag von 198 Millionen € in den Fonds einzuzahlen sein wird. Ich sage auch hier in aller Deutlichkeit, ich werde mich massiv dafür einsetzen, dass wir eine Lösung finden, damit diese fast 200 Mil­lionen €, die an den europäischen Fonds zu überweisen sind, bei der Bankenabgabe zur Anrechnung kommen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.02

12.02.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung; diese erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist ange­nommen.

12.03.144. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend Änderung des Poststrukturgesetzes (899 d.B. und 911 d.B. sowie 9493/BR d.B. und 9501/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Winkler. Bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 60

Bericht.

 


12.03.29

Berichterstatterin Ingrid Winkler: Hohes Präsidium! Herr Minister! Ich darf den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezem­ber 2015 betreffend Änderung des Poststrukturgesetzes bringen.

Der Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deswegen komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meißl. – Bitte.

 


12.04.14

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr viele komplexe Thematiken gehabt. Dieses Thema ist eher ein praktisches Thema, vielleicht auch im Zeitaufwand ein bisschen kürzer. Die Kollegin hat auf die Verlesung des Berichts des Finanzausschusses verzichtet. Ich möchte trotzdem zwei Zeilen daraus verlesen, weil es einfach wichtig ist, um diese Materie vielleicht ein bisschen zu verstehen. Da steht drinnen:

„(…) wird die ‚Pensionsbemessung- und -verrechnung‘ für die Beamtinnen und Beamten der Postunternehmen ab 1. Jänner 2017 von den Postunternehmen an das BVA–Pensionsservice übertragen. Die Kosten“ – und das ist wichtig – „der Übertra­gung sowie die weiteren laufenden Kosten trägt der Bund. Im Jahr 2016 beginnen die Vorarbeiten hierzu, insbesondere hinsichtlich des IT-Systems. Die bisher von den Postunternehmen dafür eingesetzten Beamtinnen und Beamten gehören ab 1. Jänner 2017 für die Dauer ihres Dienststandes der Dienststelle ‚Amt für Bun­despensionen‘ an und sind der BVA zur dauernden Dienstleistung zugewiesen.“

Kurz gesagt: Die Post hat es wieder geschafft, ein paar Beamte, die nach dem Poststrukturgesetz einer Stellung zugeordnet wurden, anzubringen. (Bundesrat Beer: Das ist ein kompletter Blödsinn!) Die Zahlungen, die sie dafür an die BVA leisten wird, sind Sachaufwand und nicht mehr Personalaufwand.

Grundsätzlich ist zum Poststrukturgesetz zu sagen, dass dieses mit 1. Mai 1996, also unter Rot-Schwarz, in Kraft getreten ist. Seitdem wurde es rund zwanzig Mal novelliert, nicht immer zugunsten der Betroffenen, der im Unternehmen beschäftigen Menschen. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Das Ziel des Gesetzes und seiner Schöpfer war von Anfang klar, das war die Aus­gliederung und Privatisierung der betroffenen Unternehmen, darunter auch die heutige Österreichische Post AG und die Telekom Austria AG. Von Anfang an war aber auch klar – und das gilt auch für den Zeitpunkt des Börsengangs der Post sowie der Telekom –, dass auch die Beamten bei Wahrung ihrer Rechte von der Post und der Telekom übernommen, beschäftigt und entsprechend entlohnt werden müssen. Das war die Vorgabe damals. Dasselbe galt auch für die Pensionsadministration der Beamten und auch für die damit zusammenhängenden finanziellen Aufwendungen. Sinn dieser Vorgehensweise war es, das Unternehmen zu modernisieren und markt­fähig zu erhalten, ohne die Steuerzahler zu belasten.

Ich habe mir einige Dinge aufgeschrieben, die ich jetzt auslassen möchte, weil ich einfach auf den Kern kommen möchte, was die Österreichische Post AG betrifft. Die Österreichische Post AG hat diese Ausgliederung damals zur Kenntnis genommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 61

Der Vorstand sowie die Mitarbeiter haben an einem Strang gezogen und haben versucht, aus einem Amt ein modernes Unternehmen zu machen. Es wurden in den Postfilialen nicht nur mehr Briefmarken geklebt, wie es so schön heißt, sondern es wurden auch komplexe Bankprodukte angeboten und Telekommunikationsprodukte verkauft.

Da hat sich jeder wirklich „einig’haut“ – wie man es auf Steirisch sagt – und das Unternehmen hat Schritt für Schritt nach vorne gemacht. Die Leute waren eigentlich zufrieden: Wenn man gemessen hat, wie zufrieden die Mitarbeiter mit ihrem Unter­neh­men waren, dann waren die Ergebnisse sehr gut. Es hat einen engen Kontakt zwischen dem Vorstand und den Mitarbeitern gegeben. Irgendwann ist dann aber irgendetwas passiert, und das war so in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts. Die Post wird seitdem nicht mehr in dem von mir jetzt beschriebenen Sinn geführt, sondern man hat einfach begonnen, weitere Filialen zu schließen und möglichst viele teure Mitarbeiter, also auch die Beamten, so schnell als möglich an den Mann zu bringen, wie man es formulieren könnte.

Die Post hatte plötzlich nur mehr den Gesetzen der Börse zu gehorchen. Das ist für einen staatsnahen Betrieb vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Es ist ja kein Vorwurf an die Unternehmensleitung, die erledigt nur die vom Eigentümer übertra­gene Aufgabe, die da jetzt heißt: Gewinnmaximierung um jeden Preis. Das Unterneh­men war also durchaus nicht besonders unglücklich damit, wenn sich Beamte in den vorzeitigen, wohlgemerkt krankheitsbedingten Ruhestand verabschiedet haben.

Da schließt sich wieder der Kreis: Die Post war eben nicht besonders unglücklich darüber, möglichst viele Beamte loszuwerden, und hat sie auch nicht daran gehindert – sagen wir es jetzt einmal so –, durch Maßnahmen, mit denen man dem, dass sie sich in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet haben, vielleicht hätte entgegenwirken können. Da schließt sich, wie gesagt, der Kreis.

Jetzt hat die Post versucht – erfolgreich, wie man an dieser Änderung des Post­strukturgesetzes sieht –, die Kosten, die sie in diesem Bereich mitverursacht hat, auf den Staat und auf den Steuerzahler zu übertragen. Und Sie, Herr Finanzminister, gehen diesen Weg mit. Natürlich muss kein anderes Unternehmen diese Lasten tra­gen, und so ist die Kritik der verantwortlichen Manager durchaus nachvollziehbar; aber beim Zeitpunkt der Privatisierung waren eben die Vorgaben so, und das war auch den Aktionären und dem Vorstand so bekannt.

Die vorliegende Änderung des Poststrukturgesetzes mag das Prozessrisiko, wie Sie sagen, vermindern, wobei es allerdings komisch ist, dass ein Unternehmen seine Haupteigentümer klagt – ein seltsamer, schaler Beigeschmack. Das Faktum, dass diese Änderung des Gesetzes den österreichischen Steuerzahler jährlich rund 20 Millionen € kosten wird und die Aktionäre dafür im selben Ausmaß profitieren wer­den, das bleibt.

Genau das ist der Punkt, an dem ich nochmals darauf hinweisen möchte, dass alle, auch die Aktionäre, bei der Ausgliederung und beim Börsengang der Unternehmen gewusst haben, was die Vorgaben waren, nämlich die Übernahme aller Beamten inklusive aller Nebenkosten und auch der Pensionsadministration. Sicherlich hat der Rechnungshof eine Änderung empfohlen, aber hat er auch gemeint, sich den Rechtsfrieden auf Kosten der Steuerzahler zu erkaufen?

Wir werden dieser Änderung des Poststrukturgesetzes auch in dieser Kammer unsere Zustimmung verweigern. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.10



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 62

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte.

 


12.10.43

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Seherinnen und Seher zu Hause vor den TV-Geräten! Ja, es ist richtig, dass es seit Jahren Unklarheiten zwischen dem Finanzministerium und den Postunternehmen bezüglich der Pensionsadministration der übernommenen Mitar­beiter gibt. Für die Republik besteht – und das ist meine überzeugte Meinung – ein sehr hohes Prozessrisiko, wenn diese Unklarheiten im Poststrukturgesetz nicht endlich bereinigt werden.

Die Post hat bereits zwei Klagen beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Es ist daher in unser aller Sinn, diese Sache zu klären und hier auch entsprechende Unklar­heiten zu beseitigen. Diese Übertragung, die nun vorgenommen wird, ist im Übrigen auch vom Rechnungshof empfohlen worden und ist also auch von dieser Seite her entsprechend geprüft worden. Es geht konkret darum, dass hinkünftig die Pensions­administration durch die BVA – also durch die Versicherungsanstalt öffentlich Bediens­teter – übernommen werden soll. Faktum ist ja auch, dass die Post in einer Über­gangsphase noch die Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung, wenn auch in verminderter Form, bezahlt.

Leider ist es in der Vergangenheit sowohl seitens der Post als auch der Telekom doch zu einem vermehrten Personalabbau gekommen. Man hat vor allem geschaut, dass Beamte oder auch übernommene Mitarbeiter relativ zeitig in Pension gehen. Dazu gab es vor allem auch viele Golden Handshakes – relativ viel Geld musste in die Hand genommen werden, um das umzusetzen.

Es ist wohl keine gute Entwicklung – und ich glaube, da sind wir uns alle einig –, wenn Mitarbeiter schon Mitte 50 oder manchmal auch noch früher in Pension – unter Anführungszeichen – „geschickt“ werden. Mit der Beseitigung der bislang bestehenden Unklarheiten, die es jetzt doch schon sehr viele Jahre gibt, soll durch diese Änderung im Poststrukturgesetz auch diese unerfreuliche Situation verbessert werden. Das Wegdrängen älterer Arbeitnehmer soll damit abgestellt werden, was wohl nur im Sinne von uns allen ist und was eine sinnvolle und wünschenswerte Entwicklung wäre.

Meine Fraktion wird daher dem vorliegendem Beschluss des Nationalrates gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.13


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte. (Bundesrat Mayer – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bun­desrätin Reiter –: Sehr fleißig!)

 


12.13.16

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Zur Änderung des Poststrukturgesetzes: Die Kritik meiner Kollegen und Kolleginnen im Nationalrat betraf vor allem die Vorgangsweise im Zuge der Gesetz­werdung. Zurück geht das Ganze auf ein Stillhalteabkommen aus dem Jahr 2003, damals sollte die Sache noch im gleichen Jahr gelöst werden. Das ist nicht geschehen und hat sich praktisch über die Jahre mit entsprechenden Klagsdrohungen immer wieder hingeschleppt.

So, wie ich es verstanden habe, ist es mit dem Eigentümerwechsel bei der Telekom akut geworden. Es wurde dann ein Jahr verhandelt, das Ergebnis kam eben dann in


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 63

den Nationalrat und hat zu einer ziemlichen Irritation meiner Kollegen dort geführt, weil daraus eigentlich nicht wirklich hervorging, was der wirkliche Hintergrund für diese Änderung ist. Eine Beurteilung war nur schwer möglich, weil es auch sehr knapp über­mittelt wurde.

Diese berechtigte Kritik bringe ich hier noch einmal vor, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass ich diesem Gesetz inhaltlich zustimmen möchte, weil ich glaube, dass es der Sache dient, nach so vielen Jahren endlich zu klaren Verhältnissen führt und die Klagsdrohung damit vom Tisch ist.

Unabhängig davon halte ich das, was bei der Privatisierung der Post und in den folgenden Jahren dort passiert ist, schon für dramatisch. In dem Ort, in dem ich lebe – mit viel Gewerbe und mit vielen Geschäften –, hat die Post ein eigenes Gebäude besessen, mit vielen engagierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und auch ent­sprechender Kundenfrequenz. Heute ist die Poststelle in einem schwer zu findenden Container untergebracht, und ich denke mir immer, was in diesen Jahren aus diesem Unternehmen geworden ist, das finde ich erschütternd. Das wird dieses Poststruktur­gesetz aber nicht ändern. Hoffen wir, dass zumindest dieses Klagsrisiko damit beseitigt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.16


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Heger. – Bitte.

 


12.16.14

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzter Bundesrat! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Mit der Änderung des Poststrukturgesetzes sollen die Auffassungs­unterschiede bezüglich der Rechtsstellung der Beamten und deren Beiträge zur Pensionsdeckung beziehungsweise nach dem Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungs­gesetz bereinigt werden, um das Prozessrisiko für die Republik zu verringern. Auch der Rechnungshof hat in seinem Bericht bereits die legistische Bereinigung empfohlen.

Diese Bereinigung erfolgt so, dass anstatt der Staffelung der Dienstgeberanteile, die das Unternehmen bisher an den Bund zu leisten hatte, zu den vom Bund zu zahlenden Pensionen vom Unternehmen ein Pauschalbetrag von 12,55 Prozent der jeweiligen Bemessungsgrundlage abzuführen ist. Das ist in § 17 Abs. 7 festgelegt. Und § 17a enthielt bisher zwei Verfassungsbestimmungen zum Dienstrecht für Beamte. Nach einer dieser Verfassungsbestimmungen ist der Vorstandsvorsitzende derzeit als Leiter der obersten Dienst- und Pensionsbehörde an keine Weisungen gebunden. Diese Ver­fassungsbestimmungen sollen hier geändert werden, indem die Zuständigkeit als Pensionsbehörde entfällt.

Vieles andere ist zu dieser Änderung des Poststrukturgesetzes schon gesagt worden, was ich aber nicht verstehe, ist die Aufregung jener Fraktion, die alles so hinstellt, als wären die Änderungen des Poststrukturgesetzes etwas Schlechtes. In Wirklichkeit waren Sie eine der treibenden Kräfte, die dazu geführt haben, dass dieses Problem heute auch auf der Tagesordnung ist. Mit dieser Änderung des Poststrukturgesetzes wird eine Reparatur durchgeführt, die die seinerzeitige Privatisierung der Postbus AG, der Post AG und der Telekom Austria AG mit sich gebracht hat.

Im Konkreten wird für eine legistische Bereinigung der unklaren und strittigen Rechts­lage gesorgt, die im Übrigen – wie bereits erwähnt – auch der Rechnungshof bereits gefordert hat. Eigentlich hätte dieses Problem schon beim Abschluss oder bei der Privatisierung dieser Unternehmen geklärt werden müssen. Das ist bis heute ausge-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 64

blieben. Diese Gesetzesnovelle ist somit, wenn Sie so wollen, eine längst überfällige Erledigung, denn es werden jetzt endlich Maßnahmen gesetzt, mit denen  – durch eine Gesamtbereinigung dieser Frage – Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden. Wenn nämlich ein Rechtsstreit zuungunsten der Republik ausgehen würde, würde das naturgemäß sehr, sehr viel Geld kosten.

Geschätzte Damen und Herren, im Konkreten vermeiden wir mit diesen gesetzlichen Regelungen eigentlich einen Rechtsstreit. Wir legen auch fest, dass diese Unterneh­men weiterhin ihre Deckungsbeiträge zu bezahlen haben, und noch dazu, wohin diese Deckungsbeiträge kommen und wie sie verwendet werden. Auch das wird mit diesem Gesetz geregelt. Mit dieser Maßnahme, das wurde auch schon angeführt, wird eine Empfehlung des Rechnungshofes, aber auch der Finanzprokuratur umgesetzt. Und dieses Beispiel zeigt uns ganz klar, dass die Privatisierungen von Staatsunternehmen, wie sie zwischen 2000 und 2005 erfolgten, nicht ohne Probleme waren und für uns heute noch große Auswirkungen haben.

Das bestätigt – und ich meine, für uns alle –, dass der ehemalige Slogan: Mehr Privat, weniger Staat!, nicht in allen Fällen richtig und passend ist. Wie gesagt, das Gesetz bereinigt langjährig strittige Punkte und damit verbundene Klagen, die anstehen oder bereits eingebracht sind. Insgesamt geht es ja hier um eine Klagssumme von bis zu 240 Millionen €. Es wird hier also Rechtssicherheit geschaffen, und Empfehlungen des Rechnungshofes werden umgesetzt. Es ist für mich nicht verwunderlich, dass wieder einmal eine Baustelle, die von der FPÖ eröffnet wurde, von dieser nicht mitgeschlos­sen wird.

Sie sehen also, wir haben Aufräumarbeiten aus der FPÖ-Zeit – eine kaputte Hypo, kaputte Gesetze –, und anstatt dass Sie (in Richtung FPÖ) hier die Chance wahr­nehmen, erklären Sie uns einfach, Sie stimmen nicht zu.

Ich meine, dass es ein guter Gesetzentwurf ist, und daher stimmt meine Fraktion dieser Änderung des Poststrukturgesetzes zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.21

12.21.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so, die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.21.465. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (893 d.B. und 921 d.B. sowie 9502/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Bitte um den Bericht.

 


12.22.03

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 65

9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


12.22.49

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es macht jetzt wenig Freude, ohne Ministerin zum BIFIE-Gesetz zu reden. Weiß jemand, wo sie geblieben ist? (Bundesrätin Kurz: Man weiß es nicht! – Bundesrat Krusche: Ist nicht so wichtig! – Bundesrat Herbert: Als Teil der Wertschätzung sollten wir warten, bis sie da ist!) – Na gut.

Auf jeden Fall liegt nach langem Hin und Her – ungefähr ein Jahr – jetzt eine soge­nannte BIFIE-Reform als Regierungsvorlage hier. Die Verspätung ist ohnehin schon sehr bedauerlich, da gibt es ein paar Punkte, die durchaus anerkennenswert sind, zum Beispiel dass es nur noch einen Direktor geben soll. Zwei Direktoren, das ist immer schwierig; wenn es Schwierigkeiten gibt, ist es immer der jeweils andere gewesen und umgekehrt. Allerdings gibt es den einen Direktor erst ab 2017.

Die Zentralmatura wandert ins Bildungsministerium, dort hätte sie meiner Meinung nach von Anfang an hingehört. Ich war ja nicht glücklich damit, dass das überhaupt über das BIFIE abgehandelt worden ist. Es wird künftig auch nur mehr zwei Standorte geben, Wien und Salzburg, wobei die Zweigstellen Graz und Klagenfurt ja nicht aufge­lassen werden, es werden dort nur keine neuen Mitarbeiter mehr aufgenommen, und man hofft so quasi auf einen natürlichen Abgang. Auch das ist immer noch Gegen­stand der Kritik. Einige Experten haben gesagt, es wäre gut, das Ganze an einem Standort zu konzentrieren und nicht an zweien, so wie es jetzt passiert.

Die 65 Dienstposten aus dem BIFIE, die sich mit Zentralmatura et cetera beschäftigt haben, werden eins zu eins ins Ministerium übernommen. Das war ja, wenn man der Debatte im Nationalrat zugehört hat, durchaus auch dort ein Kritikpunkt, ob das jetzt sein muss, dass wirklich alle 65 eins zu eins übernommen werden, zumal das Bildungsministerium ohnehin unter einem so knappen Budget leidet, dass man sogar die Miete schuldig bleiben musste.

Ich würde jetzt auch nicht dafür plädieren, zu sagen, nein, die sollen überhaupt nicht übernommen werden, weil ich sehr wohl glaube, dass ein Erfahrungsschatz schon mitgenommen werden sollte. In Zeiten, in denen wir uns um Effizienz bemühen, um Verwaltungsvereinfachung, Verschlankung, wäre es aber natürlich schon richtig, darüber zu diskutieren. (Bundesministerin Heinisch-Hosek betritt den Sitzungssaal.) – Grüß Gott, Frau Minister! (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Guten Tag! Entschul­digung!) Wir haben leider schon angefangen. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Es tut mir leid!) – Kein Problem!

Ich bin gerade bei den 65 Dienstposten, die eins zu eins übernommen werden, und wiederhole es noch einmal: Ich finde es schon richtig, dass man die Leute und deren Erfahrung mitnimmt. Die Frage ist halt nur – und das war ja im Nationalrat auch ein Thema, nicht nur von der FPÖ –, ob es wirklich sein muss, dass es alle 65 sind, da das Budget im Unterrichtsministerium ja ohnehin ein sehr knappes ist.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 66

Bei allem – wo ich durchaus nicht anstehe, zu sagen, das sind schon ein paar sinnvolle Sachen auch – glaube ich dennoch nicht, dass es den Namen Reform verdient. Es ist eher so ein Nachjustieren der Pleiten und Pannen, die natürlich im BIFIE passiert sind, die wir alle medial verfolgt und hier diskutiert haben: inhaltlich bei der Vorbereitung der Zentralmatura, die aber dann letzten Endes für die Schüler Gott sei Dank doch glatt über die Bühne gegangen ist. (Bundesrätin Kurz: Viel Lärm um nichts!) Aber da hat man jetzt natürlich den Bedarf gesehen, nachzujustieren. Und der Rechnungshof hat ja auch massive Kritik daran geübt, auch da hat man versucht, dieser Kritik Rechnung zu tragen. Das will ich auch durchaus anerkennen.

Die Frage ist nur, ob dieses Bildungsforschungsinstitut generell für die Bildungsland­schaft in Österreich und auch für den Bildungsstand der Schüler irgendetwas gebracht hat. Und da sage ich: Nein, hat es nicht!; ich merke jedenfalls nichts davon. Bei der PISA-Studie haben wir uns auf den Plätzen nicht wirklich verbessert. Zur PISA-Studie – das möchte ich jetzt nur anmerken, weil Kollege Stögmüller so die Augen verdreht –: Finnland ist ja immer Ihr großes Vorbild, die Gesamtschule dort ist ja so super. Schauen Sie einmal hinüber nach Schweden, die haben nämlich das gleiche Modell wie die Finnen, sind aber platzmäßig ungefähr bei uns! Also das Modell allein kann es ja nicht sein.

In Österreich gibt es immer noch 20 Prozent der Schüler und Schülerinnen, die nach neun Schuljahren noch nicht ausreichend lesen und schreiben können. Stattdessen wird – und jetzt dürfen Sie wieder die Augen verdrehen – ein ideologisch motiviertes Gesamtschulmodell vorangetrieben, von dem man aus Deutschland und diversen Studien weiß, dass es genau das nicht bringt, was Sie sich davon erhoffen, zum Beispiel die Eliminierung der sozialen Unterschiede. Bildungs- und Jugendforschungs­studien aus Deutschland weisen immer wieder aus, dass der soziale Unterschied sich eher vergrößert als verkleinert. Also frage ich mich jedes Mal, ich frage auch Sie jedes Mal wieder, warum Sie unbedingt an dem festhalten müssen.

Das, was wichtiger wäre und was uns nichts oder wenig kostet, wären wirklich best­geeignete Lehrer; da muss man halt vorher schauen, wie man zu denen kommt. Man muss das auch entsprechend mit Tests machen, Finnland macht das übrigens, die Lehrer möglichst rasch in die Klasse stellen, damit auch der künftige, angehende Lehrer selber sehen kann, ob er das kann oder nicht; also bestgeeignete Lehrer – die lässt man dann aber auch ihren Job machen, da redet ihnen nicht jeder drein und erklärt ihnen, wie sie es zu machen haben, denn das passiert leider auch.

Wir brauchen Direktoren, die nach ihrer Qualifikation ausgesucht werden und nicht zuallererst nach dem Parteibuch – wie das nach wie vor, zumindest in Wien, stattfindet, da weiß ich das ganz sicher – ausgesucht werden, und Schüler, die Leistungsbereit­schaft zeigen und nicht glauben, sie werden da durchgetragen und der berühmte Nürn­berger Trichter wird dieses Wissen schon in ihre Köpfe hineinbringen. Wir brauchen aber auch Eltern, die angehalten sind, ihre Kinder zu erziehen und damit ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich will jetzt kein Pauschalurteil über alle Eltern fällen, aber wir wissen schon, dass es sehr viele Eltern gibt, die dieser Aufgabe nicht mehr oder nicht aus­reichend nachkommen.

Immer wieder wird ja beklagt, auch von Lehrerseite, dass die Schule immer mehr erzieherische Aufgaben übernehmen muss, anstatt das zu tun, wofür sie eigentlich da ist; wobei ich nicht ausschließe, dass der Beruf des Lehrers auch eine gewisse erzieherische Funktion hat, aber eine begleitende, und nicht als Hauptaufgabe, und die Wissensvermittlung ist dann quasi der Nebenjob. Es sollte genau umgekehrt sein.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 67

Da wir der Meinung sind, dass das jetzt keine richtige Reform ist, sondern ein kleines Reförmchen, können wir dem leider nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.29


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


12.30.08

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Liebe Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Ich bin Lehrerin – aus Begeisterung, aus Überzeugung –, und ich kann sagen, dass meine Kollegen und Kolleginnen höchst qualifiziert und bestens geeignet sind (Bundesrätin Mühlwerth: Na net …! Best­geeignet, das wissen wir schon!) und keine und keiner darüber urteilen soll, wer best­geeignet ist und wer nicht bestgeeignet ist. Unsere Lehrer und Lehrerinnen sind qualifiziert. Wir bemühen uns, und wir sind geeignet! Das ist der erste Punkt. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Zweiter Punkt: Es ist schon schade, liebe Frau Kollegin Mühlwerth – du hast ein paar Punkte genannt, die wirklich wichtig sind –, es ist wirklich schade, dass man einer Reform nicht einmal eine Chance oder die Möglichkeit zur Veränderung einräumt. Im Jahr 2008 wurde dieses BIFIE-Gesetz mittels Bundesgesetz geschaffen, und wir alle wissen, dass es Anfangsschwierigkeiten gab, dass wir in den Schlagzeilen waren – ob es nun die Zentralmatura oder ein Datenleck betrifft.

Aber gerade die vorliegende Novelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Kon­sequenz aus diesen Schwächen. Gerade diese Reform stellt die BIFIE-Kernaufgaben neu auf, und gerade dieser Gesetzentwurf minimiert frühere Schwächen. Unsere Frau Bundesministerin sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben erkannt, dass eine Reform – und ich betone die Bezeichnung: Es ist eine Reform! – notwendig ist. Unsere Frau Bundesministerin hat mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Reform in die Wege geleitet, hat eine Lenkungsgruppe installiert, die genau diese Vorschläge, wie man das besser machen kann, erarbeitet hat. Diese Vorschläge sind in diese Reform integriert. Man kann nicht so einfach sagen: Das ist nichts!, denn es ist das Gegenteil: Das ist sehr viel!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das BIFIE-Gesetz wird reformiert; sowohl inhaltlich als auch organisatorisch gibt es eine Neuausrichtung. Damit wird die Kernaufgabe des BIFIE ganz genau definiert. Das sorgt für mehr Effektivität, und auch die Kosten werden gesenkt. Die Novelle bringt schlankere Strukturen und miniert, wie gesagt, struk­turelle Schwächen. Das BIFIE konzentriert sich wieder auf seine Kernaufgaben, nämlich Bildungsforschung zu betreiben – auch in Bezug auf Bildungsstandards – und den Kontakt zu internationalen Bildungsforschungsinstitutionen zu halten. Die Reform berücksichtigt auch die Anregungen des Rechnungshofes, nämlich die Reduktion der DirektorInnenposten von zwei auf einen; zudem werden die Standorte schrittweise reduziert. Insgesamt werden also, wie bereits gesagt, Kosten eingespart, das Budget wird verkleinert.

Zwei Punkte sind mir dabei besonders wichtig. Zum einen schafft diese Reform Ver­antwortung. Es gibt in Zukunft sowohl beim Direktor, der Direktorin als auch beim Aufsichtsrat ganz klare Verantwortungs- und klare Kompetenzbeschreibungen. Außer­dem schafft diese Reform mehr Transparenz – wir reden immer davon, wie wichtig es ist, dass Reformen zu mehr Transparenz führen –: Transparenz bei der Bestellung des Direktoriums, Transparenz bei den Aufsichtsräten und auch Transparenz beim wissen­schaftlichen Expertenbeirat.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 68

Einen weiteren Punkt hast du auch genannt, liebe Frau Kollegin Mühlwerth: Die Zuständigkeit sowohl für die Entwicklung als auch für die Auswertung der Zentral­matura wird wieder zurück ins Bildungsministerium wandern. Auch das ist meiner Meinung nach der richtige Weg, damit – und es ist mir wichtig, das noch einmal zu betonen – das BIFIE sich wieder auf seine Kernaufgaben konzentrieren kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich noch einmal bei dir, liebe Frau Ministerin, und bei den MitarbeiterInnen und Mitarbeitern recht herzlich bedanken. Ihr habt das, was wir heute beschließen, lange und intensiv vorbereitet. Aus meiner Sicht gibt dieses Gesetz dem BIFIE eine Chance und eine Möglichkeit, sich angesichts dieser eindeutig formulierten Ziele neu aufzustellen, das Profil zu schärfen sowie effizienter und effektiver zu arbeiten. Das ist ein großer Fortschritt, und wir werden selbstverständlich zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

12.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


12.36.03

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man das Akronym „BIFIE“ auflöst – Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung –, dann sagt im Prinzip der Name schon alles: Bildungsforschung bedeutet Unabhängig­keit – man muss ständig auf neue Entdeckungsreise gehen –, Neuausrichtung und natürlich in besonderem Maße laufende Veränderungen. Das ist gerade im wissen­schaftlichen Bereich etwas Unabdingbares.

Besonders wichtig ist die Unabhängigkeit. Wir sind es gewohnt, überall zwei Direktoren verschiedener politischer Couleurs zu installieren. Doch diesmal trifft das nicht zu, zudem wird – das ist ebenfalls interessant – international ausgeschrieben. Das ist auch wichtig, damit nicht vermutet wird, dass unter einem bestimmten Deckmantel gehandelt wird. Von großer Bedeutung ist auch die Fokussierung auf die wissenschaftlichen Auf­gaben, damit diese im Vordergrund stehen und es – bei aller Vielfalt – zu einer Qua­litätssteigerung und -verbesserung kommt.

Im wissenschaftlichen Bereich ist Innovation besonders gefragt, wir brauchen keine starren Gänge. Innovation ist gerade in der erziehungswissenschaftlichen Forschung etwas Unabdingbares: Es gibt ständig Veränderungen, ständig neue Standards – denken Sie nur an die Zentralmatura –, ständige Neuausrichtungen und Veränderun­gen. Diesbezüglich sind strukturelle Veränderungen besonders wichtig. Dadurch, dass die Reifeprüfung in die Ressortverantwortung des Bundesministeriums gekommen ist, kann sich das Bundesinstitut ausschließlich den wissenschaftlichen Aufgaben widmen – das ist ein besonders wichtiger Punkt.

Ebenfalls wichtig ist, dass die Basiszuwendung bedarfsorientiert und transparent erfolgen wird. Diese Zuwendung wird zum einen zweckgebunden erfolgen, es soll aber auch zusätzlich Gelder für unvorhergesehene Projekte, die es gerade im internatio­nalen Bereich immer wieder gibt, geben. Hervorzuheben ist zudem die Stärkung des Aufsichtsrates, der wichtige zusätzliche Aufgaben erhält, insbesondere was die kauf­männisch-wirtschaftliche Steuerung und Kontrolle anlangt.

Als Salzburger ist es mir natürlich auch angenehm, zu sagen (Bundesrätin Kurz nickt) – Frau Kollegin Kurz nickt beifällig (Heiterkeit der Bundesministerin Heinisch-Hosek sowie der Bundesrätin Kurz) –: Salzburg ist wieder einmal Drehscheibe, nicht


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 69

nur in Österreich, sondern wahrscheinlich für ganz Europa. (Bundesrätin Kurz: Genau!) Und das erfüllt uns natürlich mit einem gewissen Stolz.

Frau Bundesministerin, alles in allem sage ich: Herzlichen Dank! Meiner Meinung nach sind wir wieder einen wichtigen Schritt vorwärts gekommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

12.39


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


12.39.54

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bildungsministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist sehr erfreulich für uns, dass in diese Novelle auch einige grüne Forderungen eingeflossen sind, die wir immer wieder aufgestellt haben. Auch wenn es nur ein kleines Reförmchen – wie es die Frau Kollegin schon genannt hat – ist, sehe ich viele positive Aspekte.

Zum einen ist zu nennen, dass es nur mehr eine/n DirektorIn gibt. Ich sehe es als sehr positiv an, dass nicht mehr eine schwarze und eine rote diese Positionen nach Proporz besetzen, sondern dass die Leitung international ausgeschrieben und von einer Findungskommission bestellt wird. Das ist meiner Meinung nach schon einmal der richtige Schritt in die richtige Richtung – weg mit der Politik und den Parteibüchern aus unserem Bildungssystem, aus unseren Schulen. Da bin ich ganz bei Ihnen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist es natürlich, dass diese Hoheitsaufgabe der Zentral­matura jetzt endlich wieder zurück in das Bildungsministerium wandert. Auch das ist meiner Meinung nach eine positive Sache; das können wir nur befürworten.

Unsere Fraktion wird auch dieser Neuaufstellung des BIFIE heute zustimmen. Eine Bitte hätte ich dennoch, Frau Bildungsministerin, die Ihnen bereits mein Kollege aus dem Nationalrat, Harald Walser, mitgeteilt hat: Halten Sie bitte das Know-how dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der auslaufenden und schließenden Standorte! Er­sparen Sie bei der Neuzusammenstellung den SchülerInnen, den Eltern und den LehrerInnen dieses Chaos, dieses Zentralmaturachaos vom Vorjahr! (Bundesrätin Grimling: So ein Chaos war das aber nicht!) Ich glaube, damit wären alle sehr glücklich. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Kurz: Das war kein Chaos! – Bundesrätin Grimling: Nein, das war kein Chaos!)

12.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig Letzte ist dazu Frau Ministerin Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


12.41.55

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Prä­sident! Hoher Bundesrat! Voriges Jahr gab es einige kleine Pannen – das gebe ich zu –, aber prinzipiell ist die Matura auch im vorigen Jahr wirklich gut über die Bühne gegangen. (Beifall der Bundesrätin Grimling.) Was das heurige Jahr betrifft, so können wir uns wirklich freuen, dass die Schülerinnen und Schüler erstens – im Nachhinein betrachtet – bei der Zentralmatura nicht schlechter abgeschnitten haben als früher und zweitens – was meiner Meinung nach längst erkannt wurde – durch die Dreiteilung jetzt weniger Stress haben. Das ist, so glaube ich, das Wichtige.

Wir sind vergleichbarer geworden, das ist klar. (Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.) Alle in einer Alterskohorte mit den gleichen Beispielen zur gleichen Zeit zu bedienen, bedeutet natürlich, dass wir im Ergebnis dann schauen können, wie sie auf dieses


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 70

Thema, egal, in welchem Gegenstand, vorbereitet wurden. (Bundesrätin Kurz: Genau!) Auch die Pädagoginnen und Pädagogen – ihnen gebührt ein großes Dankeschön – mussten sich natürlich umgewöhnen; das ist ja auch keine Kleinigkeit gewesen.

Wir reden jetzt aber eigentlich nicht über die teilstandardisierte Reife- und Diplom­prüfung, sondern über ein BIFIE-Gesetz, das wir mit einer großen Reform – und ich nenne es eine große Reform – verändern, weil es – das sage ich – nach einem Hackerangriff im Jahr 2014 – ich wiederhole das, was ich im Nationalrat schon gesagt habe – und nach einer Prüfung des Institutes auf Herz und Nieren durch TÜV und andere Institute notwendig geworden ist.

Umgesetzt wird nun der Vorschlag der Verkleinerung, ebenfalls der Vorschlag, dass die Aufgaben der Zentralmatura wieder in das Bildungsministerium zurückkommen, natürlich vorläufig mit dem hohen Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wiener Standortes. Wir wollen und können jetzt das Rad auch nicht neu erfinden, wir brauchen dieses Know-how; und die Beispiele für die heurige Matura sind ja längst in Arbeit, wenn nicht schon fertig. Das heißt: Dieses Übergangsjahr, das auch im Gesetz festgeschrieben ist, ist notwendig, auch bezüglich der neuen BIFIE-Leitung ab 1. Jänner 2017, die, das wurde bereits gesagt, international ausgeschrieben wird und mit Hilfe einer Findungskommission besetzt werden soll. Auch dafür ist das Über­gangs­jahr gut, denn internationale Ausschreibungen dauern, man muss alleine für die­sen Prozess ein halbes bis dreiviertel Jahr rechnen, und danach müssen natürlich auch noch die Hearings abgehalten werden. Es braucht also diese Übergangsfristen, damit das Institut seinen Aufgaben ohne Qualitätsverluste nachkommen kann.

Bildungsforschung betreibt beinahe jedes Land auf dieser Welt seit einiger Zeit – mehr oder weniger lang, aber doch –, denn wir sind als Gesellschaften vergleichbarer geworden und wir vergleichen uns auch. Ich darf diesbezüglich die OECD-Bildungs­daten nennen, und zwar nicht nur „Bildung auf einen Blick“, dabei sind wir verpflichtet, uns diese Daten gut anzusehen und etwas daraus zu machen, das gilt ebenso für die internationalen Tests im Primar- und im Sekundarstufenbereich – angesprochen wurden die PISA-Tests, für die wir in einem Jahr die Ergebnisse haben werden. Wir haben ja aufgrund der Vorkommnisse rund um das BIFIE die einmalige Ausnahme gehabt, dass der Feldtest im Frühling 2015 und der Haupttest PISA jetzt im Herbst abgehalten werden konnten und dass die Ergebnisse des heurigen PISA-Tests nächstes Jahr, im Dezember 2016, veröffentlicht werden.

Meiner Meinung nach sind diese Daten sehr wichtig, um sich orientieren zu können. Auch die Zentralmatura hätte in der Form ohne die Vergleiche aufgrund der Bildungs­standards, die wir seit einigen Jahren abnehmen – 4. Schulstufe, 8. Schulstufe –, nicht entwickelt werden können. Zudem ist es auch für die einzelne Schule enorm wichtig, dass die Pädagoginnen und Pädagogen wissen, ob sie mit ihren Klassen auf dem richtigen Weg sind oder ob Korrekturbedarf besteht. Das ist ja eine Hilfestellung und keine Überprüfungsmaßnahme. Genau diese Bildungsforschung braucht es, damit Länder auch im Vergleich bestehen können und damit wir auch die Chance haben, uns zu verbessern.

Das haben wir vor vielen Jahren noch nicht gewusst, und trotzdem hat sich unser Land wunderbar entwickelt. Das heißt jedoch nicht, dass wir keine Bildungsforschung brauchen, sondern, dass wir diese effizient und schlank durchführen sollten. BIFIE neu ist so eine effizientere, schlankere Verwaltung auf der einen Seite mit einem bedarfs­orientierten Finanzrahmen und Stärkung und Mitwirkungsrechten des Aufsichtsrates sowie des wissenschaftlichen Beirats auf der anderen Seite. Zusätzlich werden die Daten, die erarbeitet werden, diversen Instituten für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt, und es wird mit diversen Universitäten und anderen Instituten zusammengearbeitet.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 71

Alles in allem waren diese unangenehmen Ereignisse zwar der Hauptgrund für diese Neuaufstellung, aber es war in Zeiten, in denen der Gürtel enger geschnallt werden muss, eben auch wichtig, da Verkleinerungen durchführen zu können, ohne die Ergebnisse und die Qualität eines sehr renommierten Institutes, das auch zu Unrecht in die Kritik geraten ist – denn der Hackerangriff war nicht vom BIFIE selbst verschuldet –, zu gefährden. Rund um diesen Hackerangriff in Rumänien hat sich dann daraus ergeben, dass durchaus einiges an Veränderungsbedarf gegeben war. Das habe ich zum Anlass genommen, diese Reformen durchzuführen.

Daher gibt es einen Neustart mit 1. Jänner 2017 und davor ein gutes Übergangsjahr, damit die Matura in diesem Schuljahr gut über die Bühne läuft, denn davon sind 45 000 junge Leute betroffen; es sind also auch alle berufsbildenden Schulen dabei. Ich denke, dass auch die positiven Wortmeldungen – nicht ausschließlich, aber großteils – hier im Hohen Bundesrat gezeigt haben, dass diese BIFIE-Reform Aner­kennung findet und dass wir von Ihnen den Vertrauensvorschuss haben, um beweisen zu können, dass Bildungsforschung in Österreich erstens auf der Höhe ist und zweitens einen sehr wichtigen Beitrag für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen leistet.

Abgesehen davon wollte ich mich bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, für das gemeinsame Jahr bedanken. Das Kalenderjahr 2015 war von vielen Ereignis­sen und Veränderungen geprägt, darunter auch die verabschiedete Bildungsreform, für die wir dann auch Sie noch dringend benötigen werden, um nächstes Jahr auch im Bundesrat die Beschlüsse dahin gehend zu fassen, was wir an schlankeren, effizienteren Strukturen in der Bildungsverwaltung zustande gebracht haben und damit wir noch mehr zustande bringen werden, aber auch damit wir für die Kinder päda­gogisch etwas weiterbringen werden – Stichwort Autonomie.

Gerade was das Thema Autonomie anlangt, könnte jetzt wahrscheinlich jeder im Hohen Bundesrat ein bisschen etwas anderes darunter verstehen; das muss man jetzt noch in einen Rahmen fassen. Da müssen wir uns ansehen, was denn bisher alles möglich war und was in Zukunft alles möglich sein wird, um die einzelnen Schulstand­orte oder Schulverbünde zu stärken, um vor Ort freier agieren und pädagogische Konzepte verfolgen zu können, die vielleicht sogar in eine Region besser passen als in eine andere, und auch um die Unterschiede zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Gebieten vielleicht noch einmal herausarbeiten zu können und einiges ausprobieren zu dürfen.

Es geht auch darum, ausprobieren zu dürfen, ob vielleicht eine Trennung mit 14 Jahren nicht doch ein Weg ist, den uns viele Länder seit vielen Jahren als selbstverständlich vorzeigen und bei dem Jugendliche mit 14 Jahren noch immer früh genug wählen können, in welche Form der Oberstufe oder in welchen Beruf sie wechseln wollen. Ich glaube daher, dass wir mit innovativen Beispielen für die Bildungsreform, mit päda­gogisch fundierten Beispielen, mit einer schlankeren Verwaltung auch im nächsten Jahr dem Hohen Bundesrat Gesetzesvorlagen vorlegen können werden. Vielleicht schaf­fen wir das meiste – ich hoffe, alles – bis Juni, Juli, bis zu unseren Abschluss­sitzungen im Sommer, damit Bildung sich in die Zukunft bewegt.

Wir haben schon damit begonnen, uns auf den Weg zu machen, auch dank Ihrer Mitarbeit und Hilfe, aber natürlich auch dank der 115 200 Pädagoginnen und Päda­gogen, die in ihrer persönlichen Beziehungsarbeit zu Kindern vieles leisten – und die ist die allerwichtigste. Ich kann gut ausgebildet sein, ich muss über hohe Wissens­kompetenz verfügen, aber ich muss auch von der Emotion her zu so einem Beruf, in dem ich selbst 18 Jahre lang gearbeitet habe, Ja sagen. Wenn ich das tue, dann ist der Rest schon nur mehr ein kleineres Problem, falls Probleme auftauchen.


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Wir haben natürlich auch die große Herausforderung zu bewältige – und haben sie bisher wunderbar bewältigt –, Kinder, die aus anderen Ländern nach Österreich geflohen sind, in unseren Schulen aufzunehmen, ihnen einen guten Rahmen zu bieten, ohne dass Kinder, die länger da leben, irgendwie leiden, weil die Kinder gut aufgeteilt sind. (Bundesminister Hundstorfer betritt den Sitzungssaal.)

Wir werden auch – da Herr Bundesminister Hundstorfer gerade hereinkommt – für alle Jugendlichen in diesem Land gute Angebote haben, damit sie die Bildung erhalten, die sie brauchen – und das gilt für alle Jugendlichen, egal, ob einheimisch oder zuge­wandert.

In diesem Sinn haben wir auch nächstes Jahr noch viel gemeinsam vor – wir, hier im Hohen Bundesrat, ich mit Ihnen, Sie mit mir. Ich freue mich auf das nächste Jahr, darf Ihnen für das auslaufende Jahr danken und Ihnen persönlich ruhige Tage und alles Gute wünschen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.51

 


12.51.10Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so; die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.52.16 6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestellten­gesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs­gesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhe­gesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015) (903 d.B. und 948 d.B. sowie 9513/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindner. Ich bitte um den Bericht und ich begrüße sehr herzlich Herrn Bundesminister Hundstorfer hier bei uns im Bundesrat. (Allge­meiner Beifall.)

 


12.52.30

Berichterstatter Mario Lindner: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek, liebe Gabi! Vorweg darf ich dir von dieser Stelle aus zu deinem gestrigen Geburtstag alles erdenklich Gute wünschen. Happy Birthday! (Allgemeiner Beifall. – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Danke und auf Wiedersehen!)

Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Ände­rungsgesetz 2015).


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


12.53.47

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich zum ersten Mal diese Regierungsvorlage durchgelesen habe, habe ich mir gedacht: Echt jetzt?

Diese Regierung – und da schaue ich jetzt auch bewusst auf die linke Seite, in Rich­tung SPÖ – möchte die tägliche Höchstarbeitszeit für Lehrlinge von bisher acht Stunden auf zehn Stunden erhöhen, inklusive passiver Reisezeit, und das, obwohl es gegen die EU-Jugendarbeitsschutz-Richtlinie verstößt.

Ich habe das extra nachgelesen, weil wir im Ausschuss davon geredet haben. Lesen Sie bitte die Richtlinie 94/33/EG Abschnitt III Art. 8 Abs. 1a durch! Da steht, es ist im Rahmen der dualen Ausbildung maximal „8 Stunden pro Tag“ und „40 Stunden pro Woche“ zu arbeiten. Ansonsten muss man Meldung machen, denn dann verstößt man gegen diese Richtlinie.

Bevor wieder das Argument mit dem Montagelehrling kommt, das Sie mir gleich entgegensetzen werden: Meiner Meinung nach rechtfertigen die wenigen Montage­lehrlinge keine Ausweitung des Arbeitsschutzes für alle 20 000 Lehrlinge in Österreich. Das kann ich mir nicht vorstellen. Auch bei den Ausgelernten schmuggelt man jetzt in diesem Paket einfach die passive Zeit in eine aktive Zeit ein.

Bei uns in Oberösterreich ist die Wahlzeit ja noch nicht so lange vorbei, und da wurde immer wieder – gerade von Ihnen von der SPÖ – geredet, berichtet und plakatiert: Wir wollen eine Arbeitszeitverkürzung! – Da bin ich jetzt von dieser Seite schon ein bisschen enttäuscht. Das ist keine Arbeitszeitverkürzung, wenn man von acht auf zehn Stunden hinaufgeht. (Bundesrat Bock: Verlagerung! – Bundesrat Pfister:  … Verla­gerung …!) – Das ist für mich keine Arbeitszeitverkürzung.

Wir wissen, dass es eine immer größere Schere zwischen angebotener Arbeit und Menschen, die eine Beschäftigung suchen, gibt, und wenn man auf Dauer nicht zigtausende Menschen ohne Arbeit akzeptiert, dann muss Arbeit neu und anders verteilt werden. Das geht nicht anders. Das steht für uns Grüne eindeutig außer Frage, und dazu ist eine wirkliche Arbeitszeitverkürzung notwendig, nicht so etwas wie das, was da geboten wird.

Ein weiterer Punkt, nämlich was die tägliche Ruhezeit für Saisonbetriebe betrifft, wurde ebenfalls noch hineingepeitscht. Ich war selbst in einer Tourismusschule, habe selbst im Gastgewerbe gearbeitet und bin in Tirol auf Saison gewesen. Daher weiß ich ganz gut, dass die Arbeitsbelastung – gerade im Saisonbetrieb, gerade im Bereich Kellnern und Kochen – massiv ist. Da ist man froh über die verpflichtende Ruhezeit, weil sie die einzige Zeit ist, in der man sich ausruhen kann. Dass man diese jetzt einfach hin­sichtlich des Durchrechnungszeitraums von zehn Tagen auf das Ende der Saison verschiebt, ist für mich nicht akzeptabel – auch gerade wieder, weil es einen Niedrig­lohn­sektor betrifft und einen Bereich, in dem hauptsächlich Frauen arbeiten. (Zwi­schenruf des Bundesrates Preineder.)


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Dennoch möchte ich zum Abschluss erwähnen, dass es in diesem Paket, das heute vorgelegt wird, aus unserer Sicht auch einen positiven Punkt gibt, dem wir zustimmen könnten, nämlich bei den All-in-Verträgen. Das finden wir ganz gut, aber es reicht bei Weitem nicht aus, um die zunehmende Erosion geregelter Arbeitszeiten irgendwie zu kompensieren. – Danke schön. (Ruf bei der FPÖ: Bitte klatschen! – Beifall bei den Grünen.)

12.57


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 


12.57.24

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am Dienstag im Ausschuss auch schon darüber diskutiert. Ich darf sagen, dass ich in meinem Arbeitsleben auch für die Lehrlingsausbildung in einem doch etwas größeren Betrieb mit einigen mehr Lehrlin­gen zuständig bin.

David, wir haben auch am Dienstag im Ausschuss schon darüber diskutiert: Es geht dabei nicht um eine Verlängerung der Arbeitszeit, sondern um eine Verlagerung – nichts anderes geschieht dabei. Diese Verlagerung war auch ein massiver Wunsch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, den wir in die Verhandlungen mit einfließen haben lassen – ersichtlich aus den Gesprächen mit der Frau Vizepräsidentin des ÖGB (in Richtung der Bundesrätin Anderl) oder mit den vielen Personalvertretern, mit denen wir auch tagtäglich sprechen.

Die Praxis sieht leider etwas anders aus als der schriftliche Text, den du da zitiert hast (Bundesrat Stögmüller: Da geht es ja damit …!), und Beispiel ist unter anderem auch die Montage oder die Fertigung. Wenn ich ein Produkt abliefern muss, dann ist es am Donnerstag um 15 Uhr oder um 15.30 Uhr oder um 17 Uhr ein bisschen schwierig zu sagen: Ich lasse alles fallen, und es passiert nichts. Ich glaube, da werden mir auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Wirtschaft zustimmen: Das kann nicht der Wunsch sein, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genau diese Möglichkeit auch ausnutzen.

Man sollte auch mit den Beschäftigten reden, und man sollte vor allem auch mit den Lehrlingen sprechen, die ein massives Interesse daran haben (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), weil sie die heutige Praxis einfach nicht verstehen. Wenn sie auf einer Baustelle unterwegs sind – Niederösterreich ist ein Flächenbundesland, und die Lehrlinge in der Bauwirtschaft sind nicht nur in Niederösterreich beschäftigt, sondern auch im Burgenland oder in den anderen Bundesländern – und dann nach acht Stunden nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Arbeit zu verrichten, aber auch keine Chance haben, nach Hause zu kommen, weil Zwettl oder Gmünd öffentlich nicht so erreichbar ist, dann legalisieren wir mit dieser Gesetzesmaterie genau das, was derzeit in der Praxis leider sehr oft gemacht wurde, ohne dass den Lehrlingen ein Schutz ermöglicht wurde. Mit dieser Änderung gehen wir in aller Offenheit damit um, tragen dem auch Rechnung und gießen das in ein Gesetz, damit es genau diese Diskussionen in der Zukunft nicht mehr gibt.

Aber du hast, Gott sei Dank, zum Abschluss auch erwähnt, dass es doch sehr viele positive Dinge gibt: Ich denke da etwa an die bei unserer Arbeit als Betriebsrätinnen und Betriebsräte tagtäglichen Diskussionen über Kollektivverträge, über Dienstzettel oder Dienstverträge, bei denen nicht klar nachvollziehbar ist, wie sich Gehaltsbe­stand­teile zusammensetzen, und bei denen am Ende des Monats oder auch bei Auseinan­dersetzungen mit dem Arbeitgeber nicht ganz klar ist, woraus sich der Monatslohn und diese Zulagen – oder wie auch immer man das definiert, mit allen möglichen Codes und Veränderungen – zusammensetzen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 75

Das wird in Zukunft auch klarer sein, da auf dem Dienstzettel künftig der Monatslohn ausgewiesen werden muss und sich die Dienstnehmerin und der Dienstnehmer nicht mehr auf die Reise machen müssen, um den für sie geltenden Kollektivvertrag mit der richtigen Lohngruppe, mit der richtigen Einstufung, mit dem richtigen Stundenlohn zu finden. Das ist eine wesentliche Erleichterung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­neh­mer.

Ein weiterer Punkt ist natürlich auch die Transparenz, die du bei All-in-Verträgen genannt hast. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind tagtäglich damit konfrontiert, dass man mittlerweile jedem Arbeitnehmer in Österreich einen All-in-Vertrag umhängt und sagt: Es ist ja viel besser für dich, du hast ja viel mehr Möglichkeiten, und du kannst dir deine Arbeitszeit frei einteilen. Aber wie schaut die Realität aus, liebe Kolle­ginnen und Kollegen? – Es ist nicht immer so einfach zu sagen: Ich kann es mir frei einteilen, ich gehe jetzt am Montag, oder ich gehe am Dienstag. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Ich glaube, da bekomme ich die Zustimmung quer durch die Bank hier im gesamten Bundesrat.

Wir sagen es auch dementsprechend dazu, wie 38,5 Stunden oder 40 Stunden – je nachdem, was das Beschäftigungsverhältnis betrifft – auszuzeichnen sind, wie diese Normalarbeitszeit in diesen All-in-Verträgen dargestellt werden muss. Das ist natürlich auch eine weitere Möglichkeit für die Transparenz, denn machen wir uns nichts vor: Wir in Österreich sind Überstundenweltmeister. Wir in Österreich produzieren jedes Jahr die meisten Überstunden bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, und viele dieser Stunden gehen auf Gutzeitkonten, die firmenintern oder branchenintern viel­leicht auf dem einen oder anderen Konto dann auch geparkt werden, bei denen aber nicht immer ganz hundertprozentig klar ist, wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Stunden verrechnet bekommen und wie sie ausgezahlt werden. Das ist ein weiterer Punkt: auch bei den All-in-Verträgen ganz klare Richtlinien einzu­ziehen.

Ein weiterer positiver Punkt ist – und damit sind wir in Österreich als Forschungs- und Entwicklungsland sehr häufig konfrontiert, natürlich auch bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen –, wenn es um Konkurrenzklauseln geht, dass heute versucht wird, jede Arbeitnehmerin, jeden Arbeitnehmer, sobald sie oder er in einem Unternehmen anfängt und es einen Einschulungskurs gibt, gleich auch mit einer Konkurrenzklausel oder mit irgendwelchen Einschränkungen für den Arbeitsmarkt zu bedienen.

Auch da wurde die Anhebung der Entgeltgrenzen von 2 635 € auf 3 100 € massiv nach oben gesetzt. Es betrifft dann nicht mehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Durchschnittsverdienst von 1 500 bis 1 700 € bei ihrem Eintritt, sondern das betrifft dann wirklich schon Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Spitzenpositionen. Darauf wird es auch eingeschränkt, und das ist auch vernünftig, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oft gar keine Möglichkeiten haben, bei diesen Details oder bei Unternehmenszahlen genau mitzuwirken oder mitzuarbeiten, da sie an der Werkbank oder in Produktionsunternehmen gar keine Möglichkeit haben, diese Zahlen, die dann immer vorgeschoben werden, im Detail zu bekommen.

Ein weiterer Punkt ist natürlich auch zu erwähnen – darauf wird Renate Anderl dann auch noch eingehen –: Es gibt massive Verbesserungen bei den Teilzeitbeschäfti­gungen. Aber auch die Einschränkung bei den Ausbildungskostenrückersätzen ist ein wesentlicher Punkt, weshalb die Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wie wir es schon seit 2003 wissen – in den letzten Jahren besonders massiv gestiegen ist. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass man im Alter von 15, 16 oder 17 Jahren in einem Unternehmen die Ausbildung macht, dann diese Möglichkeit auch ausnutzen kann und bis zur Pensionierung dort ist. Mit dieser Änderung der Rück­forderung von fünf auf vier Jahre gibt es natürlich auch eine massive Verbesserung für


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die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei genau dieser Mobilität, die auf der einen Seite sehr oft auch von den Unternehmen gewünscht wird, auf der anderen Seite auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entgegenkommt, da das wirklich auch monatlich heruntergerechnet wird.

Zu erwähnen sind natürlich auch – und wir haben das auch schon das letzte Mal diskutiert – die zivilrechtlichen Ansprüche auf die Übermittlung der schriftlichen Dar­stellung der monatlich zustehenden Bezüge und, was ganz besonders wichtig ist, eine Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung, die der Arbeitgeber dem Arbeit­nehmer auch zur Verfügung stellen muss.

Die Tagesarbeitszeit, auch bei passiver Reisezeit – auch dazugesagt, lieber David –, haben wir schon diskutiert. Natürlich wird hierbei auch dem Wunsch der Wirtschafts­kammer und des ÖGB Rechnung getragen. Du sprichst das Gastgewerbe an: Es hat nicht nur mit den UnternehmerInnen, sondern auch mit den Kolleginnen und Kollegen, mit den Personalvertretern – mit der vida, also der Lebensgewerkschaft, die für diesen Gastgewerbebereich zuständig ist – sehr lange und umfangreiche Gespräche auf Sozialpartnerebene gegeben. Durch diese längerfristige Durchrechnung soll natürlich auch die Wahrung des Arbeitnehmerschutzes gewährleistet werden. Das war dann auch ein Punkt, den die Sozialpartner gemeinsam mit dem Sozialminister besprochen haben.

Wofür wir von der Sozialdemokratie aber sicher nicht stehen, ist das, was sehr viele auch wollen. Es sind nämlich in Wirklichkeit die Interessenvertreter, die möchten, dass man auf der anderen Seite sagt, man wolle sich Überstundenzuschläge ersparen, und Mehrleistungspauschalen und so weiter sollen abgegolten werden. Dafür stehen wir natürlich nicht zur Verfügung.

Zusammenfassend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Mit diesen Änderungen im Ar­beits­recht setzen wir wichtige Schritte für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt im Interesse der Beteiligten, vor allem im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, aber auch der Arbeitgeber, um.

Lieber Herr Minister, herzlichen Dank dafür! Alles Gute auch für die weiteren Verhand­lungen! Es gibt natürlich noch einige Punkte, die die Belegschaftsvertreter, die Arbeit­nehmervertreter da sehr gerne auch noch zusätzlich diskutiert hätten. Aber wie gesagt: Auch 2016 ist ein Jahr, in dem wir gemeinsam für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich kämpfen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.06


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kern. – Bitte.

 


13.06.45

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Geschätzter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Änderung beim Arbeitsrecht passen wir die Gesetze an die gelebte Realität an. Es ist inhaltlich schon viel darüber gesprochen worden, welche Änderun­gen wir da vornehmen werden, ich glaube aber, dass die Diskussion in der Zukunft noch viel breiter geführt werden muss. Wir sehen heute schon, dass der digitale Fortschritt auch unsere Lebenswelt, unsere Arbeitswelt ganz extrem verändert und wir da gefordert sind, neue Modelle zu denken, auch in einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer.

Nicht nur die Wirtschaft wünscht sich mehr Flexibilität, sondern auch die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer. Acht von zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wünschen sich mehr Flexibilität, und ich glaube, wir müssen dem auch Rechnung


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tragen. Gerade die jungen Generationen sehen einen Vorteil darin, dass sie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie, aber auch Freizeit haben.

Wir sehen auch, dass sich unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr gut ver­treten fühlen. Drei Viertel unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sagen, dass die gesetzlichen Rahmen sie gut schützen und sie sich da sehr wohlfühlen. Ich glaube aber, dass wir in der Arbeitnehmervertretung in Zukunft auch anders denken müssen, da es unsere Aufgabe ist, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Prozess zu begleiten, damit sie fit für die Herausforderungen der zukünftigen Arbeitswelt sind. Das bedeutet viele Angebote in der Weiterbildung, das bedeutet Qualifizierungsmaß­nah­men, unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich fit zu machen für das, was auf uns zukommen wird, denn wir werden es nicht verhindern können, wir werden nur gemeinsam daran arbeiten können, dass wir diese Chancen auch wirklich nutzen.

Als ein positives Beispiel sehe ich die Verhandlungen beim Metaller-KV, bei denen auch ein eigenes Zeitkonto vereinbart wurde: Der Mitarbeiter kann sich am Ende des Tages aussuchen, ob er die Überstunden als Zeitausgleich nimmt oder ob er sich die Überstunden auszahlen lässt. Das ist meiner Meinung nach ein positives Beispiel, und wir sehen es als große Chance, unsere Betriebsräte zu stärken und über den Betriebs­rat in den Unternehmen eigene Modelle auszuarbeiten. Der Betriebsrat kennt die Verhältnisse vor Ort, er kennt die Wünsche und Bedürfnisse der Unternehmer, er kennt natürlich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen, und da wird es wichtig sein, Modelle zu schaffen, die für beide Seiten, für den Arbeitnehmer und für den Arbeitgeber ein Vorteil sind.

Ich persönlich kenne beiden Seiten. Ich war sechs Jahre Unternehmerin, und mein größter Erfolgsfaktor waren meine motivierten Mitarbeiter. Ich kenne viele Jahre die Arbeitnehmerseite und hoffe, dass ich ein großer Erfolgsfaktor meines Betriebs bin. Und ich glaube, dass wir in Zukunft gefordert sind, partnerschaftlich Lösungen zu finden.

Wenn wir in unseren Parteiprogrammen immer das Thema Eigenverantwortung anfüh­ren, dann sind wir jetzt auch gefordert, die Eigenverantwortung sowohl bei unseren Arbeitnehmern einzufordern, aber auch die Verantwortung bei unseren Arbeitgebern einzufordern, um gemeinsam eine gute Strategie für die Zukunft zu finden. Beispiele gibt es schon viele, egal, ob es Jobsharing ist, egal, ob es Frauen sind, die sich einen Vorstandsposten teilen, das Thema Tablesharing – viele Projekte, viele Beispiele, die von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut angenommen werden.

Ich glaube, wir sind gefordert, dass wir für diese Modelle aus einem starren Denken, aus einem starren Korsett herauskommen und auch in der Politik Möglichkeiten schaffen, auch in der Politik ein bisschen Mut zeigen, um Strategien für die Zukunft erarbeiten zu können.

Wie gesagt, ich glaube, der Weg ist der richtige. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber wir werden gemeinsam in einem guten sozialpartnerschaftlichen Verhältnis Lösungen schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.10


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ecker. – Bitte.

 


13.10.53

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Ge­schätzter Herr Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier und zu Hause! Wir haben es schon gehört, wir beschäftigen uns heute mit einer


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 78

Menge Gesetzesänderungen im Bereich Arbeitsrecht, die aus unserer Sicht sowohl den Beschäftigten als auch den Firmen zugutekommen.

So muss gemäß Arbeitsvertragsrecht ab 2016 auf jedem Dienstzettel der monatliche Grundlohn oder das Grundgehalt aufscheinen, und es gibt dort auch keine Verweise mehr auf geltende KVs oder Ähnliches, die für manche Arbeitnehmer nicht so eindeutig zu definieren sind. Das heißt, es wird eine bereits bestehende Bringschuld der Arbeitgeber in einen Gesetzestext gefasst; das bedeutet eine verpflichtende Aufschlüs­selung der Lohn- und Gehaltsbestandteile, und der Gesamtbetrag der Zulagen und Überstunden ist klar und nachvollziehbar anzuführen. Dieser Anspruch auf schriftliche Aufzeichnung ist für die Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen genauso wichtig – wie wir schon gehört haben – wie der Nachweis, dass sie auch tatsächlich bei der jewei­ligen Sozialversicherung angemeldet wurden. So wird Missbrauch eingedämmt, und die Kontrolle ist einfacher.

Was die Rückforderung der Ausbildungskosten betrifft, finden wir die Reduzierung von fünf auf vier Jahre gut und wichtig, dass auch eine Rückzahlungsvereinbarung getrof­fen werden muss. Das heißt, die anfallenden Beträge verringern sich Monat für Monat, und dadurch ist der Druck für die Beschäftigten geringer. Die Konkurrenzklauseln werden eingedämmt, sind nur mehr möglich, wenn man 3 240 € oder mehr verdient, das heißt, eigentlich schon bei einem höheren Einkommen. Die Grenze bei der Höhe des Strafbetrags ist hilfreich, und die drohenden Vertragsstrafen sind nicht so enorm, dass man nicht vielleicht doch wechselt, wenn man es für sinnvoll hält.

Ich gebe Kollegen Pfister von der SPÖ recht, eine große Verbesserung betrifft diese Änderung im Bereich der All-in-Verträge; das war für manche Dienstnehmer schwierig zum Nachrechnen. Bei den All-in-Verträgen sind praktisch alle Überstunden und even­tuelle Sonderzahlungen und Anteile inkludiert, sie müssen jetzt in Zukunft transparent gestaltet werden. Das heißt, wenn ich den Grundlohn und die Grundlage bezüglich der Berechnung des Gehalts schriftlich habe, kann ich auch meine Überstunden besser nachrechnen. Wenn man glaubt, das ist jetzt nur in den höheren Etagen der Arbeits­welt an der Tagesordnung, dann muss ich sagen, das ist nicht so: Es betrifft auch die niedrigeren Einkommensgruppen bis ungefähr 1 300 € brutto. Das heißt, wir sehen darin wirklich eindeutig eine arbeitsrechtliche Verbesserung.

Die Lenkzeitbestimmungen für die Fahrer der Begleitfahrzeuge und den Schwer­ver­kehr zu vereinheitlichen, ist für die begleitenden Lenker von Vorteil.

Besonders positiv sehen wir die Regelungen, die meist ältere oder körperlich beein­trächtigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betreffen, die sich während einer Reha oder Umschulung in Karenz befinden, und zwar, dass der Abfertigungsanspruch bei festgestellter Berufsunfähigkeit auch dann gegeben ist, wenn es keinen Anspruch mehr auf Krankengeld gibt, weil man den ausgeschöpft hat, und dass der Bezug einer Betriebspension möglich ist, ohne dass man dazu zusätzliche Betriebsvereinbarungen braucht.

Schon vielfach in der Praxis so gehandhabt wurde es, die vakanten Vollzeitstellen den beschäftigten Teilzeitangestellten oder -arbeiterInnen anzubieten. Das wird zwar viel­fach in der Praxis so gehandhabt, ist jetzt aber verpflichtend durchzuführen.

Die Höchstgrenze der Arbeitszeit – das haben wir schon gehört – darf zwölf Stunden betragen, wenn während der Reisezeit keine Arbeitsleistung erfolgt. Eine Verlängerung bis zu 12 Stunden ist möglich bei einer Arbeitszeit von zehn Stunden. Dabei denke ich jetzt trotzdem an die Bauarbeiterpartien, da ich einen Sohn habe, der das aus eigener Erfahrung kennt. Wenn ich auf eine Baustelle fahre und im Bus sitzen muss und warten, bis die restliche Partie fertig ist, weil es nötig ist, länger zu arbeiten – es fällt einfach oft mehr Arbeit an –, ist das wirklich für beide Seiten nicht befriedigend. So


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kann man diese Stunden im Winter wenigstens als Zeitausgleich konsumieren und hat etwas davon. Deshalb finden wir es trotzdem für Jugendliche ab 16 Jahre sinnvoll. Das ist halt so!

Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer sagt zum Beispiel, dass alleine der Zeitaufwand der österreichischen Firmen für das Ausfüllen von Fragebögen der Statistik Austria 10 000 Arbeitstage beträgt, wenn man alle Stun­den zusammenzählt, die die Firmen da investieren. Das heißt, in Österreich sind die Verwaltungsbestimmungen sehr extrem und verursachen einen teuren Dschungel, und die Lohnnebenkosten sind um 30 Prozent höher als in Deutschland. Wir sind der Meinung, dass die Bürokratie eingedämmt werden muss, damit sich in der Wirt­schafts­politik auch die Stimmung wieder bessert (Beifall bei der FPÖ), wobei das aktuelle Arbeitsmarktbarometer Hoffnung macht: 4 Prozent der Arbeitgeber möchten mehr Arbeitskräfte einstellen als abbauen.

Wir sind eindeutig der Meinung, dass klare Regelungen im Arbeitsrecht für beide Seiten von Vorteil sind. Die von mir hier angeführten Maßnahmen tragen ein kleines Stückchen dazu bei, und deshalb stehen wir auch positiv dazu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Blatnik, Pfister und Todt.)

13.16


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte.

 


13.16.27

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren hier im Saal, aber auch vor den Bildschirmen! Ich glaube, wir haben hier ganz wesentliche und wichtige Änderungen eines Gesetzes zu diskutieren, zu besprechen, als letzte Rednerin habe ich jetzt aber nicht vor, über das ganze Gesetz, das doch sehr umfangreich ist, zu berichten. Aber erlaubt mir doch, auf zwei Punkte genauer einzugehen, die mir besonders am Herzen liegen und die vor allem ganz besonders zeigen, dass es hier um ganz wesentliche Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen, für die Arbeitnehmer und für die Beschäftigten in Österreich geht.

Das Stichwort All-in-Verträge ist heute schon ein paar Mal gefallen. Es ist auch kein Geheimnis, All-in-Verträge waren ursprünglich einmal für Führungskräfte gedacht, die in ihrem Job in der Führung eines Unternehmens, in der Führung anderer Bereiche oft ein anderes Zeitmanagement haben. Mittlerweile ist es aber schon an der Tagesord­nung, dass wir All-in-Verträge in allen Bereichen finden, auch schon in Bereichen – das hat Kollegin Ecker bereits angesprochen – von Bruttolöhnen um 1 300 €, beziehungs­weise gibt es eine Studie, die besagt, dass schon fast 20 Prozent der Beschäftigten in diesen Niedriglohnbereichen mit All-in-Verträgen ausgestattet sind.

Es sind auch keine Einzelfälle, dass Beschäftigte mit einer hohen Gesamtsumme gelockt wurden und in Wirklichkeit dann durch viele Überstunden nicht einmal auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn gekommen sind. Daher ist es zu begrüßen, dass künftig bei All-in-Verträgen der Grundlohn, das Grundgehalt für die Normalarbeitszeit klar und deutlich ausgewiesen werden muss. Es ist auch deswegen sehr wichtig, denn es waren dann immer sehr spannenden Diskussionen – in diesem Fall eher bei den Frauen –, wenn eine Beschäftigte dem Unternehmer mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist; dann hat man plötzlich zu diskutieren begonnen: Bekommt sie jetzt weniger, da während einer Schwangerschaft keine Überstunden bezahlt werden? All-in-Verträge müssen aber weiterbezahlt werden. Das waren dann immer sehr große Diskussionen auch insofern, als es nicht ersichtlich war, was wirklich der Grundlohn ist und was die Überstunden betrifft.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 80

Zum zweiten Punkt, auf den ich eingehen möchte: Dieser betrifft beide Geschlechter, ist aber insofern für uns Frauen wichtig, als es um das Einkommen geht und in diesen Bereichen überwiegend Frauen beschäftigt sind – es geht um die Teilzeit. Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, dass die Einkommensschere in Österreich nach wie vor noch eine sehr, sehr große ist und dass, wer in Teilzeit arbeitet, doppelt und dreifach verliert. Erstens schmälert Teilzeit die Pension, führt in späterer Folge zu einer Altersarmut und – auch das ist kein Geheimnis – betrifft überwiegend die Frauen, wenn es um Altersarmut geht. Zweitens hat eine Vielzahl von Teilzeitbeschäftigten gar keine andere Möglichkeit, denn es gibt zu wenig Vollzeitarbeitsplätze beziehungsweise passiert es sehr häufig, dass Vollzeitarbeitsplätze Frauen gar nicht angeboten werden, und damit nimmt man ihnen auch die Chance, Aufstiegschancen wahrnehmen zu können.

Natürlich wird immer wieder argumentiert, die Frauen wollen das ja, die Frauen wollen Teilzeitbeschäftigung. – Ja, das ist richtig, Frauen wollen das in bestimmten Lebens­phasen, wenn es darum geht, sich um Kinder zu kümmern. Wenn man Kinder betreut, wenn man Angehörige zu pflegen hat, dann ist das etwas, was Frauen sich wünschen. Wir leben aber im 21. Jahrhundert, und es ist schon dramatisch, dass es nach wie vor immer, wenn es um Kinder geht, wenn es darum geht, Angehörige zu pflegen, Frauen­sache ist. Ich sage es ganz deutlich: Es ist, als hätten unsere Kinder keine Väter. Also auch hier ersuche ich die Väter, sich etwas mehr zu beteiligen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Abschließend möchte ich noch sagen: Es ist nicht so, dass wir Frauen das alles so wollen, denn es sind weit mehr als hunderttausend Frauen, hunderttausend Teilzeit­kräfte – ich glaube, lieber Herr Minister, du hast im Nationalrat sogar gesagt, es sind 120 000 Teilzeitkräfte –, die derzeit gerne eine Vollzeitstelle annehmen wollen bezie­hungsweise auch müssen, da das Leben nicht einfach zu bewältigen ist. Daher be­grüßen gerade wir Frauen, aber auch wir gemeinsam diese Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte, denn es ist ein ganz wichtiger, positiver Schritt, um es den Frauen zu erleichtern, einen Vollzeitjob annehmen zu können beziehungsweise auch ange­boten zu bekommen.

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, mit diesen Änderungen im Arbeitsrecht setzen wir, glaube ich, ganz wichtige Schritte für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt – im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Interesse der Beschäftigten, aber auch im Interesse der Arbeitgeber. Daher ersuche ich hier wirklich um die Zustim­mung zu diesem Gesetz und möchte an dieser Stelle unserem Herrn Minister noch­mals recht herzlich für sein Engagement bei diesem Gesetz danken, denn es sind wirklich viele Verbesserungen für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.22


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.22.34

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe noch ein paar Tagesordnungspunkte, im Nationalratsplenum habe ich vier Stunden gebraucht. (Bundesrat Todt: Bei uns ist es knackiger!) – Bei euch ist es knackiger? Nein, Spaß beiseite!

Es ist inhaltlich alles gesagt worden, und ich danke auch für die hohe Zustim­mungs­rate. Ich möchte nur eine Botschaft doch noch übermitteln: Das Thema Arbeitszeit im Tourismus liegt deshalb hier zur Beschlussfassung vor, da es ein gemeinsames Vor-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 81

gehen der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite war. Es war kein ein solistischer Einzelgang von irgendjemanden, sondern man hat sich gemeinsam hingesetzt und nachgedacht, was wir tun können.

Dir, lieber Freund (in Richtung des Bundesrates Stögmüller), würde ich Folgendes vor­schlagen: Schauen wir uns das gesamthaft an! Wir haben dadurch auch eine Verlän­gerung der Beschäftigungszeiten, die Saison wird für einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger, das heißt, mehr Sozialversicherungsansprüche, mehr Lohneinkom­men und so weiter, und ein etwas späterer Zugang zum AMS. Ich würde auch zum Überdenken mitgeben, dass das in Wirklichkeit die Einigung des Kollektivvertrags ist – das ist ja gestern auch schon in den Medien gestanden. Das heißt, sie haben sich sehr genau überlegt, was sie hier tun, und demzufolge würde ich das so sehen .

Alles andere ist schon gesagt worden, das brauche ich nicht zu wiederholen. Und es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich mit unserem gesamten Arbeitszeitrecht immer wieder im Fokus stehen. Vieles dessen, was Wünsche sind, ist mit heutigem Rechts­rahmen möglich, es ist auch mit Betriebsvereinbarung unterstützend sehr vieles mög­lich, denn wir sind nämlich schon ein bisschen paradox, wir sind das Land mit der zweithöchsten wöchentlichen effektiven Arbeitszeit, nämlich 42,5 Stundenwoche, und so nebenbei leisten Österreicherinnen und Österreicher oder in Österreich Beschäftigte pro Jahr 270 Millionen Überstunden. Und das sind nur die Überstunden, von denen wir wissen. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Rösch.)

13.24

13.24.20

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.25.20 7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden (904 d.B. und 951 d.B. sowie 9514/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindner. Bitte um den Bericht.

 


13.25.41

Berichterstatter Mario Lindner: Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ecker. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 82

13.26.16

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Geehrtes Präsidium! Geschätzter Herr Sozialminister! Hohes Haus! Wir hatten ja gerade jede Menge Gesetzesände­rungen auf der Tagesordnung. In diesem Sinne geht es jetzt auch so weiter. Wir glau­ben jedoch nicht, dass jede Gesetzesänderung sinnvoll ist. Ich habe gerade amüsiert geschmunzelt, die Kollegin Anderl hat etwas gesagt, was zwar in einem anderen Zusammenhang war, aber jetzt völlig passend, nämlich: Kinder ohne Väter.

Der Geltungsbereich des Väter-Karenzgesetzes wird nämlich auf Frauen ausgedehnt, deren eingetragene Lebensgefährtin oder Partnerin Mutter wird, und zwar durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Und diese soll dann in Karenz gehen können. Das heißt, der Geltungsbereich des Väter-Karenzgesetzes betrifft dann auch Partnerin­nen von Frauen, die durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommen. Also beachten Sie hier die Begrifflichkeit: Väterkarenz für eine Frau.

Wir von der FPÖ haben schon bei der Entscheidung zugunsten der Möglichkeit der medizinischen Fortpflanzung die Meinung der anderen Parteien nicht geteilt und einfach klar und deutlich Nein gesagt. Die medizinischen und ethischen Aspekte sind für uns hier besonders kritisch zu hinterfragen. Unsere Bedenken gerade betreffend die Eizellenspende haben wir auch klar zum Ausdruck gebracht, denn es geht hier um Menschen und nicht um Handelsware.

Mit dieser Entscheidung wurde eine Tür geöffnet, die weder moralisch noch biologisch vertretbar ist, jetzt auch noch in Bezug auf notwendige Änderungen im Väter-Karenz­gesetz. Weiters gibt es in Österreich immer wieder Stimmen, die fordern, eine Leih­mutterschaft für Homosexuelle zu ermöglichen. Wir sehen hier eine große Gefahr, dass auch die Ehe nicht mehr eindeutig definierbar ist. Für uns ist diese eingeschla­gene Richtung ethisch nicht akzeptabel und birgt Identitätsprobleme für die Kinder und gesellschaftliche Komplikationen.

Die ÖVP hat sich damit noch ein Stückchen weiter von der Familienpartei entfernt. Wir von der FPÖ stehen nach wie vor für das bewährte, und zwar über Jahrtausende funktionierende Familienmodell Mutter-Vater-Kind (Bundesrat Schennach: Das ist kürzer, nicht Tausende von Jahren! – Bundesrat Herbert: Das muss länger sein!), so wie es die Natur vorsieht, ohne irgendwelche Spielereien. Kinder haben das Recht auf Mutter und Vater. Kinder- und Familienrechte stehen im krassen Widerspruch zu diesen Gesetzesänderungen. Wie gesagt, das Kind wächst ohne leiblichen Vater auf und die Frau, die in diesen Beziehungen auf natürliche Weise kein Kind bekommt, geht in Väter-Karenz.

Für uns ist wirklich etwas anderes dringlich, und das betrifft den Großteil der Familien. Zum Beispiel haben wir noch immer Mütter, die aufgrund von Pensionslücken in Alters­armut kommen. Wir haben Familienerziehungszeiten, die noch immer nicht ent­sprechend angerechnet werden. Wir haben Familienleistungen, die durch die Inflation abgewertet wurden. – Das haben wir gerade das letzte Mal auch beim Familien­lastenausgleichsfonds gehabt.

Wir sind eindeutig dafür, die Karenzregelungen für Familien weiter zu verbessern. Derzeit gehen zwar etwas mehr Väter in Karenz, aber die Berufsunterbrechung wird kürzer, das heißt, wir reden da in Summe von drei Monaten pro Vater, und das heißt, auch im Bereich der tatsächlichen Wahlfreiheit ist noch einiges zu tun.

Wie bereits genau erläutert, waren wir schon entschieden gegen diese Gesetzes­novelle bezüglich der Fortpflanzungsmedizin; die Änderungen im Väter-Karenzgesetz wurden bereits im Nationalrat ohne unsere, also ohne die Stimmen der Freiheitlichen


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 83

beschlossen, und wir werden definitiv hier im Bundesrat auch nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte.

 


13.30.10

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Als Erstes muss ich noch auf meine Vorrednerin Bezug nehmen: Wir Sozial­demo­kraten und Sozialdemokratinnen stehen ganz klar dafür, dass Menschen nicht auf-grund ihres Geschlechts diskriminiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist der eine Punkt. Wir stehen auch ganz klar dafür, moderne und vielfältige Familien­formen zu akzeptieren und gleichzustellen, denn als Pädagogin weiß ich – und da geben mir alle Studien recht –: Kinder leben derzeit in ganz verschiedenen Familienmodellen. Dabei ist es nicht entscheidend, welches Geschlecht die Bezugs­person hat, sondern dass das Kind Bezugspersonen hat. Entscheidend ist die Art der Beziehung und wie diese geführt wird, in welcher Intensität und in welcher Qualität – das allein ist das Entscheidende. (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich wollte ich auf das Bundesgesetz, das uns vorliegt, eingehen und meine Freude darüber teilen, dass das insgesamt ein Maßnahmenpaket ist, das ganz wesentlich zur Verbesserung der Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beiträgt – in zweierlei Hinsicht: einerseits im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und andererseits, wenn es darum geht, Fairness unter den Eltern zu gewähr­leisten. Schlussendlich ist es weniger entscheidend, welchen juristischen Stand oder welches juristische Mascherl ein Elternteil hat, sondern es geht darum, inwiefern die Eltern-Kind-Beziehung gefördert wird. Eltern und Kinder brauchen Zeit füreinander. Das ist mir als Pädagogin natürlich ein großes Anliegen, und das vorliegende Bundes­gesetz bringt diesbezüglich einiges an Verbesserungen.

Der erste Punkt, den ich betonen will, ist eine wesentliche Verbesserung für Pflege­eltern in Österreich. Pflegeeltern haben ab dem neuen Jahr Anspruch auf Elternkarenz, auch dann, wenn sie keine Möglichkeit haben, das Kind, das ihnen zugeteilt wurde, zu adoptieren. Mitunter ist es so, dass die leiblichen Eltern das Kind nicht zur Adoption freigeben. Nun können alle Pflegeeltern Elternkarenz in Anspruch nehmen, und es ist nicht mehr so, wie es bisher war, dass ein Elternteil – bislang waren es meistens die Mütter – seine Arbeitsstelle aufgeben oder stark reduzieren muss und damit natürlich auch weitreichende Konsequenzen in Kauf nehmen muss. Da gibt es nun eine neue Möglichkeit, damit Eltern die Beziehung zu ihrem neuen Kind gut aufbauen und auf eine solide Basis stellen können, und das fördert natürlich auch, dass sich die Väter gut beteiligen können.

Ein zweiter sehr wesentlicher Punkt, der mit diesem neuen Gesetz ermöglicht wird und dringend notwendig war, ist der Kündigungs- und Entlassungsschutz für eine Frau, die eine Fehlgeburt erleiden musste. Wahrscheinlich kann sich kaum jemand von uns vorstellen, was es für Eltern, für eine Mutter bedeutet, mit einer Fehlgeburt fertigwer­den zu müssen. Es ist nicht nur eine physische Belastung für die Mutter, es ist selbst­verständlich für beide Elternteile eine enorme psychische Herausforderung. Da erscheinen mir diese vier Wochen Kündigungsschutz ohnehin als ein Minimum. Ich denke, diesbezüglich könnte man über eine Ausweitung in Zukunft nachdenken. Diese


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 84

Eltern brauchen eine gute Existenzsicherung, damit zumindest diese Frage der Exis­tenz­sorgen nicht im Raum steht.

Eine weitere erfreuliche Neuerung im Hinblick auf die Beziehung von Eltern und Kin­dern ist die Möglichkeit eines Freistellungsanspruchs für freie Dienstnehmerinnen, die ja bisher schon Anspruch auf Wochengeld vor und nach der Geburt hatten. Wir alle wissen, wenn man Kinder hat – und gerade in dieser ersten Zeit mit dem Kind –, ist nicht nur das Geld – natürlich auch das Geld – wichtig, sondern es ist auch wichtig, Zeit zu haben, um sich auf diese neue Situation einstellen zu können.

Wenn es um Beteiligung von Vätern und Müttern an der Karenz geht, erscheint mir die Neuerung des zweiten Meldezeitpunkts sehr relevant. Was versteht man darunter? – Wenn ein Elternteil, der keinen Karenzanspruch hat oder keinen Karenzanspruch mehr hat, das Kind betreut, dann ist es nun auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, für den anderen Elternteil Karenz anzumelden. Das ist eben dieser zweite Meldezeitpunkt. So kann zum Beispiel ein Vater im Laufe des Vaterseins Karenz anmelden, auch wenn die Mutter beispielsweise zuvor keinen Anspruch hatte, aber das Kind betreut hat.

Ich denke, wir alle wünschen uns, dass sich die Väter stärker und intensiver an der Familienarbeit, an der Kindererziehung, aber auch an der Hausarbeit beteiligen. Mit dieser Möglichkeit schafft man sicher neue Chancen und Formen, damit Väter diese Karenz auch in Anspruch nehmen können.

Apropos Zeit der Eltern mit den Kindern: Es wurde jetzt auch eine neue Bandbreite der Elternteilzeit festgelegt. Die individuelle Normalarbeitszeit ist um mindestens 20 Pro­zent zu reduzieren und wurde auf mindestens zwölf Stunden festgelegt. Es gibt darüber hinaus auch die Möglichkeit einer individuellen Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin, und selbst dann gibt es einen Kündigungsschutz. Das ist sehr zu begrüßen.

Wir wissen – das ist ein bisschen ein Wermutstropfen an der Sache –, das geht nicht für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, weil bestimmte Grundvoraussetzungen gegeben sein müssen: Man muss zumindest drei Jahre im Dienstverhältnis sein, und es müssen 20 KollegInnen im Betrieb sein. Wir wissen, dass das nicht überall der Fall ist. Ich schätze, mit diesem Thema werden wir uns nicht das letzte Mal befasst haben. Diesbezüglich wird man immer wieder Verhandlungen aufnehmen.

Aber insgesamt gesehen, denke ich, beinhaltet dieses Maßnahmenpaket ganz viele erfreuliche, positive Neuerungen im Interesse der Eltern, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und schlussendlich natürlich auch im Interesse der Kinder. Darum stimmen wir als Sozialdemokratische Partei sehr gerne zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

13.37


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Stöckl. Ich erteile es ihr.

 


13.37.42

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war und ist mir persönlich ein Herzensanliegen. Jede Frau beziehungsweise jede Familie soll die Wahlfreiheit haben, ob sie sich für Familie, Beruf oder eine Kombination aus beiden entscheidet.

Aus eigener Erfahrung – ich bin selbst Mutter von drei Töchtern – weiß ich ganz genau, dass es keineswegs einfach ist, Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu brin-gen. Deshalb sehe ich es als Politikerin, als Mutter und auch als praktizierende Physio-therapeutin als zentralen Auftrag unserer Familienpolitik, die Rahmenbedingungen zur


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 85

Vereinbarkeit weiter zu verbessern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Da denke ich unter anderem an die Anrechnung von vier Jahren pro Kind an die Pension, unabhängig davon, in welchen Abständen die Kinder geboren wurden.

Heute beschließen wir eine weitere Novelle des Mutterschutzgesetzes und des Väterkarenz-Gesetzes. Freilich: Unser Land hat, was die Karenzregelung betrifft, ein im internationalen Vergleich großzügig ausgestattetes Angebot für unsere Familien. Unsere Frauen und Familien sollen weiterhin die Wahlfreiheit haben. Es soll jeder Einzelnen überlassen bleiben, ob sie nach der Geburt so rasch wie möglich wieder arbeiten gehen möchte, möglichst schnell wieder ins Berufsleben einsteigen möchte, oder ob sie sich lieber zu Hause der Kindererziehung widmen will.

Es besteht nun auch Gott sei Dank für Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden mussten und sich dadurch sicherlich in einem psychischen Ausnahmezustand befinden, ein vierwöchiger Kündigungs- und Entlassungsschutz. Auch für freie Dienstnehmerinnen wurde ein Kündigungsschutz von vier Monaten nach der Geburt eingeführt.

Mehr Flexibilität bringt nun auch die Ermöglichung eines zweiten Meldezeitpunkts bei der Karenzabwechslung der Elternteile.

Weiters bleibt – wie wir bereits gehört haben – der Kündigungsschutz bei der Eltern­teilzeit wie bisher bis zum siebenten Lebensjahr bestehen. Außerdem wird für den Rechtsanspruch auf eine Arbeitszeitreduktion zur Kinderbetreuung ein Mindestausmaß von 20 Prozent der Arbeitszeit auf mindestens zwölf Wochenstunden eingeführt. Eine freiwillige andere Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleibt natürlich weiterhin möglich.

Ein weiterer Meilenstein für mich ist, dass Pflegeeltern ab Jänner 2016 auch ohne Adoptionsabsichten in Karenz gehen können. Das ist eine Aufwertung des Berufs, ja der Berufung der Pflegeeltern.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unser Ziel ist es, Österreich bis 2025 zum familienfreundlichsten Land Europas zu machen. Damit dies auch wirklich gelingt, bedarf es weiterer Verbesserungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und dies ist letztlich eine zentrale Herausforderung für die Arbeitswelt von morgen. Entschei­dend für mich ist die richtige Kombination aus Zeit, Infrastruktur und Geld, und deshalb werden bis zum Jahr 2018 insgesamt 1,58 Milliarden € in mehr Familienleistungen investiert.

Trotzdem müssen wir gemeinsam mit den Unternehmen daran arbeiten, familien­freund­licher zu werden. Ich denke dabei an die CSR-Kriterien, bei denen Arbeitgeber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusätzliche Leistungen anbieten, die über das gewohnte Maß hinausgehen, wie zum Beispiel einen eigenen Betriebskindergarten oder flexiblere Arbeitszeitmodelle für Frauen mit Kindern.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist und bleibt Familienland, und mit dieser Novelle umso mehr. Meine Fraktion stimmt daher gerne zu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

13.41


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. Ich erteile es ihm.

 


13.42.13

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf mich noch


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 86

einmal zu Wort melden. Liebe Leute von der FPÖ, kommen Sie doch endlich einmal im Jahr 2015 an! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Tut mir leid, aber endlich einmal über den Tellerrand zu schauen, das würde ich Ihnen wirklich empfehlen. Kommen Sie endlich an! (Bundesrat Herbert: Wir sind schon im Jahr 2015! Ihr seid ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen!) – Na, das scheint mir nicht so, und ich gratuliere der ÖVP, dass Sie das erkannt haben und Familie da auch ein bisschen weiter denken. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Eh, darum! (Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Jenewein.)

Gut, kommen wir wieder zurück zum Thema, nämlich zum Mutterschutzgesetz und zum Väter-Karenzgesetz. Es gibt sehr positive Ansätze in dieser Novelle, der wir heute auch gerne zustimmen werden, zum Beispiel bei der Einbeziehung der freien Dienst­nehmerInnen in absolute oder individuelle Beschäftigungsverbote. Das heißt, freie DienstnehmerInnen … (Bundesrat Mayer spricht mit den Bundesräten Jenewein und Mühlwerth. – Der Redner, auf das Rednerpult klopfend:) Hallo! – Freie Dienstneh­merInnen sind jetzt auch acht Wochen vor und nach der Geburt im Mutterschutz. Das finden wir dringend notwendig, und das ist auch ein guter Punkt in dieser Novelle.

Ein wichtiger Schritt ist auch der vierwöchige Kündigungsschutz nach einer Fehlgeburt. Ich glaube, das war dringend notwendig. Einen zweiten Meldezeitpunkt finde ich eben­falls einen positiven Schritt, gerade, weil man immer wieder von der Väterbeteiligung hört. Ich glaube, das ist auch ein Anreiz dafür.

Kritischer sehe ich aber doch ein paar Punkte in dieser Novelle, nämlich bei der Ein­führung einer Bandbreite für die Arbeitszeitverkürzung bei Elternteilzeit. Das heißt, die DienstnehmerInnen haben künftig einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn sie das Glück haben, dass sie durchgehend mindestens drei Jahre in einem Unter­nehmen tätig sind – und das ist heutzutage nicht gerade leicht. Da spreche ich die zunehmende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse an, sprich: Junge Menschen haben es nicht immer leicht, eine längere Betriebszugehörigkeit aufzubauen.

Ein weiterer Punkt ist auch: Ich muss das Glück haben, in einem Unternehmen ange­stellt zu sein, das mindestens 20 ArbeitnehmerInnen hat. Das ist auch nicht leicht, gerade bei Start-up-Unternehmen. Ich denke, gerade für junge Menschen ist das schon ziemlich schwierig, in einem Unternehmen anzufangen, gerade in der Software­entwicklung und so weiter und so fort. Das könnten wir wesentlich senken. Ich glaube, zehn ArbeitnehmerInnen hätten auch gereicht.

Eine weitere Voraussetzung ist auch, dass beide Elternteile mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben müssen oder geteilte Obsorge für das Kind überneh­men. Das ist meiner Meinung nach angesichts der zunehmenden Trennungs- und Scheidungsraten – solche Familien gibt es auch noch, nebenbei – nicht mehr zeitge­mäß und verhindert, dass Verantwortung bewusst wird und dass auch gegenseitig bei der Familienarbeit unterstützt werden soll. Ich glaube, dadurch wird das verhindert.

Neu ist jetzt auch, dass die Wochenarbeitszeit um mindestens 20 Prozent reduziert werden muss, und das ist natürlich blöd für Menschen, die vorher schon in Teilzeit gearbeitet haben. Ich glaube, da hätte auch die Hälfte gereicht – 10 Prozent an Kürzung. Ich weiß, da war die Wirtschaft ein bisschen dahinter, aber wir sind der Mei­nung, auch 10 Prozent hätten da gereicht.

Wir Grüne sehen aber trotz aller Erschwernisse gerade in der Arbeitszeitverkürzung die positive Richtung, in die diese Novelle geht, und werden diesem Paket heute auch im Bundesrat zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.45



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 87

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile es ihr.

 


13.45.48

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Dieses Gesetz bringt mehr Fairness bei Karenz und Kündigungs­schutz für Eltern.

Ich möchte nicht alles wiederholen, ich möchte mich auf drei Punkte konzentrieren. Ich möchte zur Väterkarenz für Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Stellung nehmen. Ich möchte auch kurz zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf Stellung neh­men, und ich möchte Anregungen und Wünsche äußern, die in diesem Gesetz noch nicht drinnen sind, die aber sicherlich in Zukunft – und darum bitte ich dich (in Richtung von Bundesminister Hundstorfer) – realisiert werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, diese Väterkarenz, die auch für Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften möglich ist, ist nichts anderes als eine Antwort auf eine Lebensrealität, eine Antwort auf neue Lebensformen, die gleichge­stellt werden sollen, und als SPÖ-Frauenvorsitzende des Bundeslandes Kärnten geht es mir – ganz wurscht, ob Mann, Frau, Partnerschaften, ganz egal – um eine Gleich­stellung, und das ist fair. (Bundesrat Herbert: Bei Ihnen geht’s um Frau/Frau, nicht Mann/Frau!)

Was ich auch noch betonen will, ist der Punkt, dass dies die Diskriminierung der Frau, vor allem auch von gleichgeschlechtlichen Paaren, minimiert oder beseitigt. Und es geht mir um noch einen Punkt: um Wertschätzung. Diese Wertschätzung für andere, die anders sind, ist mir sehr wichtig, und ich möchte nicht sagen und nicht werten, was sich bewährt hat und was sich nicht bewährt hat. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Gilt das für uns auch?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Punkt, zu dem ich Stellung beziehen möchte, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und auch da gibt es viele Maß­nahmen, die zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist absolut kein Privileg von nur Frauen, sondern bezieht sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist keine persönliche Frage, sondern von einer positiven, guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf profitiert die Gesellschaft und profitiert die Wirtschaft im Ganzen. Eine neue OECD-Studie hat berechnet, dass Österreich durch die Gleichstellung bis circa 2060 ein BIP-Wachstum von 13 Prozent zu erwarten hat. Liebe Kollegen und Kolleginnen! Das sollen wir nützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte nicht alle Punkte wiederholen, die meine VorrednerInnen schon gesagt haben, und möchte eigentlich auf Wünsche und Anregungen eingehen – Wünsche und Anregungen einer Sozialdemokratin, einer Frauen-Landesvorsitzenden, und da möchte ich drei Punkte erwähnen.

Der unbezahlte Papa-Monat: Einige Männer haben die Möglichkeit, diesen unbezahl­ten Papa-Monat in Anspruch zu nehmen, und einige Väter eben nicht, und da hätte ich schon auch gerne, dass Vätern, wenn sie einen unbezahlten Papa-Monat haben wollen, dieser auch ermöglicht wird.

Der zweite Punkt ist die Väterkarenz. Diese ist gestiegen, seit sie im öffentlichen Dienst gesetzlich möglich ist. Deswegen würde ich mir eine Väterkarenz auch in der Privat­wirtschaft wünschen, weil ich ganz einfach glaube, dass diese aktive Vaterschaft, wenn ich das so bezeichnen darf, etwas Positives ist – etwas Positives für das Kind, für die


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 88

emotionale und soziale Entwicklung, auch für den Vater, was die Bindung betrifft, aber auch für die Wirtschaft, weil ich glaube, dass man gerade bei so einer Arbeit eine Auf­gabe hat, bei der Ausdauer, Geduld und Konfliktlösungskompetenz wichtig sind.

Nicht anders ist das in den Betrieben, auch dort haben diese Punkte meiner Meinung nach eine große Bedeutung für eine wirtschaftliche Entwicklung. Daher mein Appell an alle Wirtschaftsbetriebe: Gleiche Chancen für Frauen in der Wirtschaft, und gleiche Chancen für Männer in den Familien! Das wäre fair.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Punkt muss ich noch erwähnen, und zwar geht es dabei – was du (in Richtung der Bundesrätin Gruber-Pruner) schon gesagt hast – um die Teilzeitbeschäftigten. Es sind zum Großteil Frauen. Wenn die Teilzeitbeschäf­tigten nach der Karenz wieder zurückkommen, dann hätte ich sehr gerne, dass sie die gleichwertige Arbeit wieder zurückbekommen oder dass sie auch, wenn sie in Führungspositionen sind, diese Möglichkeit bekommen würden. Das ist jetzt nicht möglich.

Deswegen an dich, lieber Herr Minister: Danke, dieses Gesetz ist ein sehr gutes Ge­setz und geht in die richtige Richtung. Ich bitte dich aber auch, diese Anregungen und Wünsche bei den neuen Verhandlungen miteinzubauen. Ich weiß, wie konsequent und beharrlich du bist, und ich danke dir schon im Vorhinein.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.52


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer Stellungnahme dazu hat sich Herr Bundes­minister Hundstorfer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.52.28

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Ich möchte das ganz kurz machen, und natürlich: Es wird weiterhin Fortschritte geben, das ist keine Frage.

Nur, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, gestatten Sie mir einen ganz kurzen Hinweis: Das Familienbild, das Sie hier zeichnen, ist nicht die Realität des Lebens, und ich lade Sie einmal ein: Schauen Sie sich Scheidungsraten an, schauen Sie sich Patchworkfamilien an! (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.)

Ich erzähle Ihnen ein sehr persönliches Beispiel: In meinem Freundeskreis haben zwei Männer ein Pflegekind, ein Mädchen. Wissen Sie, warum sie es haben? – Weil die Eltern schwer drogensüchtig sind (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker) und das Jugendamt jemanden gesucht hat, der eine psychotherapeutische Ausbildung hat, der das studiert hat, und das Jugendamt irrsinnig froh und glücklich war, diese beiden Herren zu finden. (Bundesrat Herbert: Das ist ja nicht repräsentativ!) – Oh ja! Ich sage Ihnen, warum das repräsentativ ist. (Bundesrat Herbert: Das ist ehrenwert von den Herren, aber nicht repräsentativ!) – Oh ja! Weil vor zehn Jahren war das … Schauen Sie, Herr Bundesrat! Hören Sie ein bisschen zu und regen sich dann auf! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Vor zehn Jahren war das nämlich der Fall, und seit zehn Jahren ist es im Großraum Wien gang und gäbe, dass das so passiert, und immer mehr gleichgeschlechtliche Paare … (Bundesrat Herbert: Deswegen ist es aber nicht normal!) – Was ist „normal“? – Entschuldigung! Dieses „normal“ gibt es nicht. Menschen, die dem gleichen Geschlecht angehört und zusammengelebt haben, hat es vor 1 000 Jahren gegeben, vor 500 Jahren gegeben und wird es in 500 Jahren geben. (Zwischenruf der


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 89

Bundesrätin Mühlwerth.) Demzufolge sind all diese Lebensformen „normal“. (Bundes­rat Jenewein: Aber es muss nicht so sein! Wir dürfen schon noch selbst entscheiden!)

Wir haben nur das Gefühl, dass die letzten 100, 200 Jahre, dass das, was wir jetzt großteils leben, die Normalität ist. Es sind auch andere Dinge „normal“. Demzufolge ist zwar Ihre Meinung zulässig, dass Sie nicht so leben wollen – das ist ja nicht das Thema. Aber über die Natur können wir jetzt gleich diskutieren, denn zur Natur lade ich Sie auch ein: Besuchen Sie einmal das Kinderwunschzentrum Wien, und reden Sie dort mit den Betroffenen! Dann werden Sie sehen, was alles „normal“ ist.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist ein wesentlicher Punkt, glaube ich, in einer libera­lisierten Welt, in einer sehr von Humanismus getragenen Welt, auch solche Partner­schaftsformen zu ermöglichen – auch gesetzlich abgesichert. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Jenewein: Aber man darf schon eine andere Meinung ha­ben?) – Selbstverständlich!

Schauen Sie, das ist Ihr größtes Problem: Hätten Sie zugehört. (Bundesrat Jenewein: Na, na, ich habe ganz genau zugehört!) Hören Sie zu! Ich habe ausdrücklich gesagt: Ein jeder kann seine eigene Lebensform haben, wie er will. – Punkt. Ende. (Bundesrat Jenewein: Aber Sie kritisieren uns dafür, dass wir das sagen!) – Sie dürfen es auch sagen, nur nicht mit diesen Worten, die Sie verwenden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

13.55


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Bundes­rätin Mühlwerth: … Zensur! – Bundesminister Hundstorfer: Das ist keine Zensur! Aber ich darf eure Wortwahl kritisieren!)

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.56.268. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozial­ver­siche­rungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Sozialversiche­rungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Mutter­schutz­gesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Entschädigung für Heeresschädigungen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 – SRÄG 2015) (900 d.B., 347/A, 990/A(E) und 953 d.B. sowie 9515/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich bitte um den Bericht.

 


13.57.00

Berichterstatterin Renate Anderl: Werter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend das Sozialrechts-Ände­rungsgesetz liegt in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 90

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage in der Sitzung am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Rösch. Ich erteile es ihm.

 


13.57.52

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz zum Sozialverwaltungssystem Stellung nehmen, das mit seinen steten organisatorischen Anpassungen am Leben erhalten wird, auch wenn es hier und da und in vielen Fällen Verbesserungen gibt, das uns aber die Notwendigkeit zeigt, dass die Sozialversiche­rungs­träger zusammengelegt gehören oder zumindest eine Harmonisierung der Sozial­leistungen stattfinden sollte.

Ich glaube, wir können uns so ein komplexes, großes Konstrukt wie diese Sozialver­waltungssysteme mit den unterschiedlichsten Sozialleistungen ganz einfach nicht mehr leisten, unabhängig davon, ob die eine oder andere Regelung sehr positiv zu bewerten ist. Und auch hier liegt, wenn man sich genau durchliest, was uns vorliegt, die Tücke im Detail. Eine davon ist die Hintertür zur Umgehung des Arbeitszeitgesetzes für Notärzte mit der Weiterleitung in das Freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz, wo es so ist, dass Ärzte ihrem Beruf nachgehen und dann, wenn sie in den Notarzteinsatz kommen, ganz einfach aus diesem Arbeitszeitgesetz draußen sind.

Wir haben nicht umsonst eine EU-Verordnung, und es war ja die EU-Verordnung, die uns dazu bewogen hat, 70-Stunden-Dienste abzuschaffen und zu normalen Diensten überzugehen, weil sich jeder hat vorstellen können, er möchte am Ende eines 70-Stunden-Dienstes weder beim Pflegepersonal noch bei einem Arzt drankommen müssen. Jeder will einen Arzt oder ein Personal haben, das fit ist, das auch einen geregelten Ablauf, ein Familienleben hat, und deswegen sind wir hier auch mit den Gesetzen nachgekommen.

Wir haben uns zuvor schon mit dem digitalen Zeitalter beschäftigt, mit der Industria­lisierung 4.0. Ja, was ist denn das? – Das sind ja nicht nur Schlagwörter, mit denen wir uns beschäftigen, weil uns so fad ist, sondern das ist ja wirklich etwas, was auf uns zukommt. Produktivitätssteigerung und Optimierung sind ja heutzutage in Wirklichkeit das, was überall angesagt ist, damit Betriebe oder auch Systeme überleben können. (Beifall bei der FPÖ.)

Was bedeutet das denn im Konkreten? – Immer weniger leisten immer mehr. Die einen hätten gerne eine Arbeit und eine ordentliche Belastung, die anderen klagen wegen Überbelastung. Wenn du heute im digitalen Zeitalter 30 Mails hintereinander bekommst und der Dreißigste dich dann anruft, wie es dir denn geht, weil du nicht reagiert hast, du aber in der Zwischenzeit – und das weiß er natürlich nicht – wirklich fleißig gear­beitet hast und das ganz einfach nicht in der Schnelligkeit schaffst, dann ist das eine Belastung, bei der du an deine Grenzen gehst. Genauso ist es aber natürlich auch für Ärzte, die permanent im Einsatz sind, permanent gefordert sind. Da hat man gesagt, man will, dass das Krankenhauspersonal, Pflegepersonal und Ärzte auch einen ordent­lichen Ablauf haben. Die im Detail liegende Tücke besteht darin, dass damit jetzt die Arbeitszeitregelung wieder umgangen wird.

Wir erinnern uns auch an die Proteste der Ärzte, die in Wien stattgefunden haben. Die haben sich nicht nur gegen die Stadt Wien oder die Republik Österreich gerichtet, son-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 91

dern auch gegen die eigene Gewerkschaft. Da hat die SPÖ-Gewerkschaft zum ersten Mal in der Zweiten Republik hinnehmen müssen, dass die eigene Belegschaft gegen sie vorgeht, dass die eigene Belegschaft sagt, dass das nicht geht, was die Gewerk­schaft mit ihnen macht, denn die hat dem zugestimmt.

Wir sollten uns besinnen und als Sozialpartner, als Politiker unserer Verantwortung nachkommen. Wenn wir sehen, dass sich Arbeit, Arbeitszeit und Einkommen ver­schieben, sollten wir es nicht so machen wie damals um 1800, als Maschinen erfunden wurden und dann der berühmte Maschinensturm gekommen ist. Wir machen das nicht so, sondern wir werden das viel klüger machen. Wir werden nicht gegen die Maschinen kämpfen, sondern wir werden, so wie damals danach, die Maschinen als nützliche Instrumente verwenden, die den Menschen das Arbeiten erleichtern.

So sollten wir auch die Digitalisierung auffassen, aber dazu braucht es neue Zugänge. Ich höre zwar, dass es die geben soll, aber mir fehlen noch Lösungen, mir fehlen ernst zu nehmende Arbeitsgruppen, mir fehlen die Sozialpartner, die da viel mehr vor­preschen, die da wirklich etwas tun in ihrer Verantwortung für Arbeitgeber und Arbeit­nehmer. Wir sollten damit auch das Problem der hohen Arbeitslosigkeit lösen können, denn wir werden nicht in alle Ewigkeit nur wachsen können. Wir werden auch irgend­wann darüber nachdenken müssen, dass wir die Arbeit verteilen, dass wir Menschen in Beschäftigung halten, dass wir Menschen Aufgaben geben, sodass sie nicht am Leben verzweifeln und draufkommen müssen, dass sie in Wirklichkeit am Rande der Gesell­schaft leben.

Dass der Kündigungs- und Entlassungsschutz für Frauen nach Fehlgeburten und so weiter im Gesetz niedergeschrieben wird, das ist schon positiv. Ich will ja nicht unbe­dingt immer nur kritisieren. Das ist ja endlich gekommen, und das will ich an dieser Stelle auch angemerkt haben.

Wenn ich dann aber in weiterer Folge gehört habe, wie da um gleichgeschlechtliche Partnerschaften gestritten und behauptet wurde, dass das alles so super sei, möchte ich dazu nur eines feststellen: Ich möchte das nicht bewerten, weil ich da wirklich kein Profi bin. Ich habe dazu allerdings eine Meinung, und die lasse ich mir auch nicht nehmen. Es hat jedoch niemand bis jetzt die Kinderrechte angesprochen. Es gibt Kinderrechte! Einen Hund kann ich mir kaufen, aber ein Kind ist etwas anderes. Es gibt Kinderrechte, und ich muss mir überlegen, ob für die Entwicklung des Kindes die zweitbeste Lösung auch noch eine gute Lösung ist, und davon gehe ich nicht aus.

Wenn ich mir das Beispiel mit den Drogensüchtigen anhöre, dann ist vielleicht die zweitbeste Lösung eine Lösung, wenn es keine beste Lösung gibt. Wenn es aber um Kinderrechte geht und die Definition von Kinderrechten, dann gehe ich immer vom Optimum aus. Und das sollten wir uns ehrlich gesagt überlegen.

Wir sind hier in Europa, hier in Österreich. Wir kennen sogar Jugendschutz. In vielen Ländern der Welt kennt man keinen Jugendschutz. Wir sollten auf diese Errungen­schaf­ten nicht verzichten, und wir sollten uns nicht der Beliebigkeit hingeben. Wir sollten wirklich denen, die es betrifft, die Rechte zugestehen, und uns dafür dann auch ordentlich einsetzen.

Ich denke auch an diejenigen, die in Österreich in Armut leben. Da denke ich speziell an diejenigen – jetzt leuchtet das Licht hier beim Rednerpult schon –, die zum Beispiel beim Heizkostenzuschuss in Wien zu kurz gekommen sind, weil man ihn einfach abge­schafft hat. Da ist es um 6 Millionen € gegangen, und das war es uns plötzlich nicht mehr wert. Es gibt in Wien so viele arme Menschen, Mindestpensionisten und so weiter, die das wirklich brauchen. (Bundesrat Beer: Der wurde doch nicht abge­schafft! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sicherlich ist der abgeschafft worden!


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 92

Was hat man statt dessen eingeführt, damit die Gemeinde Wien als größter Haus­besitzer die Heizungen sanieren kann? Was hat man eingeführt? – Man hat einen Zuschuss für neue Heizsysteme eingeführt. Viele von den Angesprochenen können sich das gar nicht leisten, damit Sie da überhaupt irgendetwas sponsern können. Viele der Mindestpensionisten, die nur zwei Stunden am Tag heizen können, überlegen sich, wann sie das tun sollen. Und denen wollen wir erklären, dass sie sich 2 000 € auf die Seite legen sollen, weil sie 1 000 € Förderung bekommen, wenn ein Heizungssystem um 3 000 € erneuert wird?! Wie sollen sie das denn machen, wenn sie bis zum Jahresende versuchen, ihr Konto ausgeglichen zu halten? Die fahren nicht auf Urlaub, die haben kein Auto, die haben keinen Luxus. Und denen wollen wir sagen, dass sie in das System investieren sollen?!

So kann es wohl nicht sein, obwohl ich es für sehr gescheit halte, dass es moderne Heizungen gibt, die weniger Schadstoffausstoß haben und sicherer sind. All das würde ich mir wünschen, aber es kann nicht sein, dass wir das auf dem Rücken der Ärmsten machen.

Ganz kurz noch zur Erinnerung, weil da so ein Aufschrei gekommen ist: Wir haben 1,2 Millionen Bürger in Armut, 400 000 Kinder in Armut; wir haben aber auch 400 000 Vollzeitbeschäftigte, die am Rande der Armut leben. Hut ab vor denen, dass sie nicht in die Mindestsicherung gehen, mit der sie fast genauso viel hätten!

Wir sehen auch, dass das System eine Schieflage hat, weil vor zwei Jahren, glaube ich, das erste Mal die kalte Progression doppelt so hoch war wie die KV-Lohner­höhungen. Daran sieht man, wie die Kaufkraft der Bürger abgesahnt wird und dass nichts zurückkommt. Die Bürger brauchen das Geld zum Überleben.

Da das Licht hier beim Rednerpult beharrlich leuchtet, möchte ich abschließend nur noch sagen: Aus den erwähnten Bedenken heraus können wir nicht zustimmen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

14.08


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Lindner. – Bitte.

 


14.08

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz zwei, drei Punkte zu den Ausführungen des Kollegen Rösch, weil es mich freut, dass er erkannt hat, dass ArbeitnehmerInnen von starker Überbelastung betroffen sind und dass es eine starke Produktivitätssteigerung gibt. Sie haben gesagt, dass immer weniger immer mehr leisten, und der Herr Minister hat vorhin anklingen lassen, wie viele Hunderte Millionen Überstunden im Jahr in Österreich geleistet werden. Ich lade Sie daher herzlich dazu ein, dass Sie gemeinsam mit uns über Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich nachdenken, denn das würde vielleicht diesen Ausgleich in Österreich schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben natürlich auch damit völlig recht, dass durch die technologische Entwicklung die Produktivität gesteigert wird. Ein Problem haben wir damit, dass die Löhne mit diesen Gewinn- und Produktivitätssteigerungen nicht in dem Ausmaß mithalten. Die Idee dazu: Wertschöpfungsabgabe. Herr Kollege Rösch, vielleicht möchten Sie sich in den nächsten Jahren auch dafür einsetzen. Da würden wir uns sicherlich treffen.

Wenn Sie von den Kinderrechten sprechen, dann ist das schon sehr interessant. Ich glaube, Kinder haben Rechte auf Liebe, auf Zuwendung und auf gemeinsam ver­brachte Zeit, und das ist mit Sicherheit nicht vom Geschlecht abhängig, sondern nur


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von der Intensität der Beziehung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stög­müller.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich wollte ich auf das Sozialrechts-Änderungs­gesetz 2015 eingehen, das sehr viele unterschiedliche Regelungen beinhaltet. Die reichen von Verwaltungsvereinfachungen wie der Übernahme der amtlichen Verlautba­run­gen in das Rechtsinformationssystem des Bundes bis hin zu Regelungen, die bestehende soziale Schieflagen ausgleichen, wie zum Beispiel, dass bei der Berech­nung von Reha-Geld nunmehr nur auf Einkommen zurückgegriffen wird, die über der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Das führt zu einem höheren Reha-Geld. In diesem Änderungsgesetz sind sehr viele unterschiedliche Regelungen beinhaltet, auf die alle ich im Einzelnen nicht eingehen möchte; auf einige Schwerpunkte möchte ich aber hinweisen.

Das Thema Elternkarenz für Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht ist bereits in der vorigen Diskussion angesprochen worden. Auch der zweite Meldezeitpunkt bei der Karenz wird mit Sicherheit Verbesserungen für Kinder und Familien bringen.

Dieses Gesetz bietet auch erweiterte Möglichkeiten der Selbstversicherung für pfle­gende Angehörige. In Österreich haben wir die Situation, dass die überwiegende Zahl der Pflegebedürftigen nach wie vor von der Familie betreut wird, wenn auch der Bedarf an professionellen Diensten zweifellos steigt. Das liegt nicht nur an der immer größer werdenden Zahl älterer Menschen, sondern auch daran, weil sich die pflegerische Arbeit zu Hause nicht mehr wirklich mit einer Erwerbsarbeit vereinbaren lässt, und das betrifft vor allem Frauen doppelt, die diese pflegerische Arbeit in Österreich mehr­heitlich leisten.

Pflegende Angehörige sind also in vielen Fällen nicht erwerbstätig und haben daher auch keinen Krankenversicherungsschutz. Ihre persönliche Arbeitskraft wird zumeist zur Gänze für die Pflege der Angehörigen benötigt. Es war bisher schon möglich, sich selbst zu versichern, was aber natürlich zusätzliche Kosten gerade für jene bedeutet, die für die Pflege ihrer Angehörigen bereits viel Zeit und Energie opfern oder einbrin­gen. Mit der neuen gesetzlichen Regelung ist es nun möglich, dass sich pflegende Angehörige in der Krankenversicherung selbst versichern, und die Beiträge werden zur Gänze aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen getragen. Das ist ein wichtiger finanzieller Ausgleich für jene, die sich mit viel Hingabe, aber auch persönlicher Aufopferung der Pflege ihrer Angehörigen widmen.

Auf einen Punkt möchte ich ebenfalls noch eingehen, nämlich auf die Schaffung eines gesetzlichen Sonderkrankengeldes vor allem für jene Personen, die ein aufrechtes Dienstverhältnis haben, deren Krankengeldanspruch allerdings ausgesteuert wurde und die dann eine Pension beantragt haben, die aber vom Pensionsversicherungs­träger abgelehnt worden ist. Sie mussten bei der zweiten Instanz, also beim Arbeits- und Sozialgericht, Beschwerde einlegen und auf ein Urteil warten. Das Problem war, dass sie in der Zeit kein Einkommen hatten. Das wird mit diesem Sozialrechts-Ände­rungsg­esetz geändert. Diese Personen bekommen ein Sonderkrankengeld, bis ein rechtmäßiger Spruch des Arbeits- und Sozialgerichtes vorliegt. Diese Lücke ist also mit diesem Gesetz geschlossen worden.

Ich denke, dass wir mit diesem Änderungsgesetz einige wichtige Schritte gegangen sind, viele weitere noch notwendig sind und folgen werden. Lassen Sie mich am Schluss aber noch kurz auf die vom Kollegen Rösch angesprochene Zusammenlegung der Sozialversicherungen eingehen. Mir kommt es oft so vor, als ob die von Ihnen ange­sprochenen Verwaltungseinsparungen die – unter Anführungszeichen – „eierle­gen­de Wollmilchsau“ in Österreich wären. Schauen wir uns aber bitte die Fakten bei den Sozialversicherungen an. Zusammengefasst: Die Krankenkassen, Pensions- und


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Unfallversicherungen haben Einnahmen von insgesamt 54,5 Milliarden €, das sind 17,3 Prozent des BIP, und 25 000 MitarbeiterInnen in ganz Österreich. Wenn man sich den Verwaltungsaufwand in den Statistiken anschaut, dann liegt der deutlich unter 3 Prozent. Der ist gesetzlich festgelegt und liegt deutlich unter 3 Prozent und nicht wie bei manchen privaten Versicherungsträgern bei über 10 Prozent. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur die Hälfte der in der Verwaltung Beschäftigten ist auch tatsächlich in der Versiche­rungsverwaltung tätig, der Rest arbeitet in Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Reha-Zentren. Bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungen, die Sie immer wieder einmahnen, müssen Sie mir schon auch einmal eines erklären, nämlich wie Sie das machen wollen beziehungsweise wo da das große Geld begraben liegt. Die Gesamtzahl der Versicherten wird doch gleich bleiben, die Leistungen werden doch auch gleich bleiben, und der Verwaltungsaufwand liegt schon jetzt bei unter 3 Prozent. Erklären Sie mir bitte, wo Sie da das große Geld finden! – Ich glaube, es geht Ihnen vielmehr um Leistungskürzungen und das Abdrängen der Versicherten in den Privat­bereich. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eine Behauptung!) Das können wir auf keinen Fall akzeptieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.14


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte.

 


14.14.54

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das jetzt der dritte Tagesord­nungs­punkt mit sehr vielen positiven und wichtigen Themen. Bevor ich zum Sozialrechts-Änderungsgesetz komme, sei mir nur ein Satz gestattet zum Arbeitsrechts-Änderungs­gesetz, zu dem, was die Frau Kollegin Anderl ganz am Schluss angesprochen hat, nämlich die Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte. Das ist ein ganz großes Anliegen und auch eine langjährige Forderung von meiner und von unserer Seite, und ich bin sehr dankbar, dass das jetzt dort seinen Niederschlag gefunden hat, denn es trifft in erster Linie Frauen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um zu verhindern, dass man in der Teilzeitfalle hängen bleibt.

Zum Sozialrechts-Änderungsgesetz: Es ist ein Konvolut von Änderungen, an die 19, 20 Punkte, die hier angeführt und sehr umfassend sind. Auch ich möchte einzelne Punkte herausgreifen, die mir besonders wichtig sind. Einige wurden heute schon erwähnt, aber ich glaube, es ist dennoch wichtig, die anzusprechen, denn positive Dinge verpuffen oft viel zu schnell.

Bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Rösch war ich schon froh, dass das Thema Arbeitszeit der Ärzte gekommen ist, denn beim ganzen Restlichen wäre ich nicht draufgekommen, bei welchem Tagesordnungspunkt wir überhaupt sind. Ich werde also gemeinsam mit meinem Vorredner, der schon viel angesprochen hat, versuchen, auch all die positiven Punkte zu erwähnen.

Für die Lösung des Konflikts mit der nebenberuflichen Tätigkeit der Notärzte durch das neue Ärztearbeitszeitgesetz bin ich sehr dankbar. Die Zusammenarbeit der Kranken­häuser mit den Notarztvereinen ist nämlich wirklich ein sehr gut funktionierendes System, gerade auch in den ländlichen Regionen.

Eines möchte ich jetzt schon klarstellen: Es wird immer so dargestellt, als ob die Ärzte im Krankenhaus im Dauerdienst wären und immer gleich anschließend im Notarzt­bereich tätig. Das stimmt nicht! Wir haben ja auch im Ausschuss darüber diskutiert. Es sind einzelne Dienste, die die Ärzte noch dazu machen, manche einen Dienst im Monat, manche zwei, drei, vier Dienste, die sie sich in Absprache miteinander gemein-


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sam selber einteilen. Ich habe selbst im Krankenhaus gearbeitet, kenne viele, die Notarztdienst machen, und habe immer festgestellt, dass sie das ja freiwillig tun und es ihnen für ihre ständige Arbeit auch wichtig ist, in der Praxis oder in Übung zu bleiben. Es ist also kein permanenter Dauerzustand, das muss man schon auch einmal berücksichtigen. (Bundesrat Rösch: Na klar, alle gehen freiwillig arbeiten und vollkom­men unentgeltlich!)

Uns ist es wichtig und wir sind dankbar, dass wir eine Lösung gefunden haben, weil wir alle dankbar sind, dass schnell jemand kommt, wenn wir Unterstützung brauchen, wenn ein Notfall eintritt, dass dieses System auch in Zukunft so funktioniert. Deswegen bin ich froh, dass diese Lösung gefunden worden ist.

Zwei, drei Punkte, die sehr wichtig sind im Sozialrechts-Änderungsgesetz, noch einmal kurz angesprochen: Die Lücke zwischen Krankengeld und Reha-Geld wurde geschlos­sen; mein Vorredner hat das bereits angesprochen. Der Zugang zur Elternkarenz für Pflegeeltern wurde heute bereits mehrmals erwähnt. Auch mir ist es ein großes Anliegen und es freut mich wirklich, dass die fünfjährige Wartefrist bei der Selbstver­siche­rung für pflegende Angehörige, aber auch jene, die ein behindertes Kind be­treuen, nunmehr wegfällt. Auch dieser problematische Punkt ist also inzwischen ausge­räumt. Es ist wichtig, dass wir genau diese Menschen, die sehr wertvolle und beson­dere Arbeit leisten, unterstützen.

Ein Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist die Abschaffung der täglichen Gering­fügigkeitsgrenze. Das ist ein ganz wichtiges Thema für beide Seiten, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die tägliche Grenze von 31,17 € hat es vielen schwer gemacht. Deren Fall wird nunmehr vorgezogen, und wir sind froh, dass der Herr Bundesminister auch einen früheren Zeitpunkt der Umsetzung per Verordnung veranlassen kann. Natürlich braucht es dafür die technischen Details, die Abklärung, damit das auch möglich wird. Im Ausschuss haben wir dazu auch nachgefragt. Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger ist denkbar, dass das bis Mitte 2016 vollzogen wird.

Herr Minister, ich habe in dem Zusammenhang auch eine Bitte an Sie, und ich glaube, es ist allen gleichermaßen wichtig, dass das wirklich so schnell als möglich kommt. Jeder Monat, den diese Änderung früher umgesetzt werden könnte, wäre eine große Erleichterung für die Arbeitgeber, aber gerade auch für die Arbeitnehmer. Es trifft ja sehr viele junge Menschen, aber auch ältere, die sich in der Pension etwas dazu­verdienen wollen. Dafür wäre das sicherlich ein sehr wichtiger Impuls.

Es handelt sich um eine Reihe von Verbesserungen, denen unsere Fraktion gerne zustimmt.

Zum Abschluss habe ich noch ein Thema, das jetzt nicht direkt in diesem Gesetz verankert ist, ich aber dennoch ansprechen möchte. Es war Thema in der Ausschuss­diskussion im Nationalrat, aber auch in der Plenarsitzung, und zwar die Änderung im Pensionsgesetz aufgrund eines OGH-Urteils, was die Beitragszeiten und Versiche­rungszeiten für den Pensionsanspruch im Zusammenhang mit der Kindererziehungs­zeit betrifft. Das wurde aufgrund dieses OGH-Urteils ja geändert im aktuellen Gesetz, aber es ist noch ein Teil offen, es gilt nämlich nicht für das Altrecht. Das heißt, jene Frauen – es ist auch wieder ein Thema, das in erster Linie Frauen betrifft –, die vor 2005 Kinder bekommen haben, fallen noch nicht unter diese Regelung.

Ich freue mich, dass man jetzt übereingekommen ist, dass man eruiert, wie viele Frauen das betrifft, wie der Kostenrahmen ist. Dafür habe ich absolutes Verständnis, das braucht es vor jeder politischen Entscheidung. Wenn diese Daten vorliegen, ist meine ganz große Bitte an Sie, Herr Bundesminister, dass wir dieses Thema gemein­sam weiterverfolgen. Es ist mir ein großes Herzensanliegen, dass diese Ungleichheit ausgeräumt wird, denn auch jene Frauen, die unter das Altrecht fallen, haben die


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 96

Chance verdient, einen eigenen Pensionsanspruch zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.21


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


14.21.45

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus dieser 35 Seiten langen technischen Novelle, die uns vorgelegt wurde, dem Sozialrechts-Änderungsgesetz mit seinen unterschiedlichen Details, möchte ich gerne ein paar Punkte herausgreifen. Es ist heute schon relativ viel dazu gesagt worden.

Grundsätzlich ist mit der Novelle ein OGH-Urteil vom Dezember 2014 saniert worden, demzufolge einige zehntausend Frauen in Zukunft ihre Pension hätten verlieren können. Schon alleine deswegen müssen wir heute dieser Novelle zustimmen, obwohl es darin auch einige Punkte gibt, die nicht so zustimmungswürdig sind. Dazu komme ich später. Ich komme zunächst einmal zu dieser Sanierung.

Es geht um die ungerechte Behandlung von Frauen, die Kinder vor 2003, gegenüber Frauen, die Kinder nach 2003 geboren haben. Als Mindestvoraussetzung zum Er­reichen eines Pensionsanspruchs benötigt man 15 Beitragsjahre. Und genau dabei kommt es zu dieser Ungleichbehandlung bei der Anrechnung der Kinderbetreu­ungs­zeiten im Pensionsrecht. Wer ausreichende Betreuungszeiten für die Kinderbetreuung nach dem 1. Jänner 2005 vorweisen kann, muss zumindest 84 Beitragsmonate, sprich 7 Jahre aus einer Erwerbstätigkeit vorweisen können, um eine Pension zu bean­spruchen. Wer nur Betreuungszeiten für von 2003 bis 2004 geborene Kinder vorweisen kann, muss 13 Jahre vorweisen können, und wer überhaupt nur Betreuungszeiten für vor 2003 geborene Kinder vorzuweisen hat, muss 15 Jahre Beitragszeiten vorweisen.

Diese Ungerechtigkeit wird jetzt ausgeglichen. Das sehen wir natürlich sehr positiv und können es unterstützen. Noch positiver würden wir es aber sehen, Herr Minister, wenn diese Zeiten auch auf die Pensionshöhe angerechnet werden würden.

Eine wesentliche und wichtige Verbesserung gibt es auch für kranke Menschen – Kollege Michael Lindner hat das bereits angesprochen –, deren Krankengeldanspruch bereits abgelaufen ist, die aber noch keinen Zugang zum Rehabilitationsgeld haben. Auch die sind in Zukunft besser abgesichert; auch das ist ein positiver Schritt.

Einen Punkt möchte ich jedoch noch ansprechen, der mich wirklich stört. Meine Kollegin Sonja Ledl-Rossmann hat das ja bereits angesprochen, und ich muss jetzt ein bissel darauf eingehen. Ich war lange Zeit beruflicher Mitarbeiter beim Roten Kreuz und bin dort jetzt ehrenamtlicher Mitarbeiter. Bei der Weihnachtsfeier am Freitag letzter Woche haben sich Leute an mich gewandt, NotärztInnen, und haben mich gefragt, wie man dem zustimmen kann, was da drinnen steht. Das betrifft die nebenberufliche Tätigkeit als Notarzt und Notärztin, die jetzt nur mehr freiberuflich ausgeübt werden kann.

Ich schildere Ihnen jetzt einmal, wie das bei uns ist. Es ist so, dass der Notarztdienst dem Krankenhaus angegliedert ist. Die Ärzte fahren also in der Dienstzeit Notarzt­dienst. Der wird jetzt ausgliedert, und man kann ihn nur mehr freiberuflich fahren. Im Ärztearbeitszeitgesetz war die Normarbeitszeit mit 48 Stunden geregelt, und da ist auch der Notarztdienst drinnen enthalten gewesen. Jetzt muss der Notarzt – meiner Meinung nach sind Anästhesisten am besten qualifiziert und auch prädestiniert, die Notarztversorgung zu machen; man kann nicht jeden Haus- oder Kinderarzt in der Notfallmedizin einsetzen – neben diesen 48 Stunden noch 24 Stunden als Notarzt fahren. (Rufe bei der ÖVP: Sie müssen ja nicht!) Na ja, sie müssen nicht, aber so ist


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nun mal der Dienst bei uns im Rettungsdienst. Das heißt, es kommt da wieder zu Einsatzzeiten von 72 Stunden. (Rufe bei der ÖVP: Niemand muss!) Bitte? Man muss eh nicht, aber so sind die Dienstzeiten beim Roten Kreuz. Sie können nicht 12 Stun­den … (Ruf bei der ÖVP: Wer sagt denn, dass man gleich nach Dienstschluss den Notarztdienst machen muss? Den braucht man doch nicht nach den 48 Stunden zu machen!)

Na ja, aber die Notarztversorgung muss ja gewährleistet sein in den ländlichen Regio­nen. Suchen Sie einmal Notärzte! Bitte reden Sie mit den Rettungsorganisationen, mit den Notärzten vor Ort! Bitte suchen Sie doch bei uns am Land einen Notarzt! Jetzt ist Kollege Tiefnig nicht da, der könnte Ihnen sagen, wie es zum Beispiel in Braunau ausschaut. Es ist nicht so, dass sich da 20 Leute anstellen würden, um als Notarzt zu fahren, sondern man braucht Ärztinnen und Ärzte, die eine qualifizierte Erstversorgung durchführen können.

Die präklinische Versorgung ist von größter Wichtigkeit für ein funktionierendes Gesund­heitswesen, und ich glaube, dass dieses Gesetz wieder zu überlangen Arbeitszeiten führen wird, zu Müdigkeit, Überforderung und schlechter Versorgung der Patientinnen und Patienten, wenn wirklich wieder diese 72 Stunden durchgearbeitet wird.

Obwohl ich gerade bei diesem letzten Punkt bezüglich der Notärzte sehr skeptisch bin, werden wir aufgrund der Notwendigkeit der Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten für die Pensionsberechtigung heute zustimmen. Eine Bitte hätte ich dennoch und appelliere wirklich, sich sehr gut zu überlegen, ob Sie die präklinische Versorgung mit diesen Vorgaben weiterhin qualitativ so hochwertig erhalten können. Vielleicht über­denkt man auch einmal eine Änderung des Rettungssanitätergesetzes, aber das ist wieder eine andere Sache. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Hundstorfer: Dafür bin ich nicht zuständig!)

14.27


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 


14.27.28

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Lieber Kollege Rösch, wir haben jetzt ganz kurz nachgeschaut, und wir können ein Budget lesen: Der Heizkostenzuschuss in Wien wurde umgestellt, aber das war schon im Jahr 2013. Die Haushalte werden jetzt mit Sachleistungen unter­stützt, und für die neue Wiener Energieunterstützung sind die gleichen Budgetmittel vorhanden wie zuvor unter Heizkostenzuschuss ausgewiesen. Das nur zur Richtig­stellung, damit Sie das dann bitte auch so weitergeben und da nicht irgendwelche Legendenbildungen betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Des Weiteren haben wir am Dienstag im Ausschuss auch schon darüber diskutiert und haben diese Dinge jetzt auch noch einmal kurz Revue passieren lassen. Es ist schon auch so, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen dem Dienst­geber jede Nebenbeschäftigung sofort melden müssen. In jedem Unternehmen – die Frau Wirtschaftskammerpräsidentin nickt hier – muss dem Dienstgeber jede Neben­tätigkeit sofort bekannt gegeben werden. Wenn das auch bei Notärzten so ist, dann sehe ich das nur als Angleichung und als gerecht, wenn sie wie jeder Arbeitnehmer auch jede Tätigkeit melden müssen.

In weiterer Folge – auch Kollege Rösch hat das vorhin angesprochen – gibt es natürlich auch aktuelle Dinge, und mich wundert, dass genau die in seiner Wortmel­dung zu diesem Gesetz heute noch nicht angesprochen worden sind, denn letztes Mal,


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Anfang Dezember, hat es da ja noch heiße Diskussionen über die Firma Zielpunkt und über bauMax und all das gegeben, und das ist heute überhaupt kein Thema mehr. Warum wohl? – Es hat alles funktioniert, so wie es wir und der Herr Sozialminister in dem Punkt vorgehabt haben. (Bundesrat Rösch: Und was ist mit AGO?)

Ich möchte jetzt nur Tatsachen berichten, damit du nicht wieder irgendwelche Legen­den­bildungen betreiben kannst. Beim Verkauf von bauMax oder bei den Verhand­lungen hiezu waren die Arbeiterkammer und der ÖGB maßgeblich daran beteiligt, dass 3 300 Beschäftigte bereits wieder eine Beschäftigung haben. 48 der 65 bauMax-Märkte in Österreich wurden von OBI übernommen, genauso auch die Beschäftigten dort, 7 Märkte sind an hagebau gegangen und ein Markt an HORNBACH. Die OBI-Filialen wurden bereits am 7. Dezember eröffnet, 17 weitere wurden diesen Montag eröffnet, und am 21. Dezember starten weitere 14.

Auch das eine Erfolgsgeschichte, für die sich die Sozialpartner, der Herr Sozialminister zusammen mit dem Finanzminister und alle, die daran sonst noch beteiligt waren, ganz massiv eingesetzt haben.

Der zweite Punkt – auch da hast du uns letztes Mal Untätigkeit vorgeworfen –: Ziel­punkt. Österreichweit 2 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 229 betroffenen Filialen. Mit Unterstützung der Arbeiterkammer, des ÖGB, der Sozialversicherung, des Sozial­ministers, des Finanzministeriums ist die Auszahlung bereits seit Montag erfolgt, sie haben alle das ausstehende Geld erhalten, insgesamt 5,4 Millionen €. Auch das ist vor Weihnachten passiert. Also wir versprechen nicht nur, sondern wir setzen auch um, sehr geehrter Herr Kollege Rösch! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Es gibt nicht prominente Konkurse auch!)

Zum Sozialrechts-Änderungsgesetz. Es geht hier um die Neuordnung der Pflichtver­sicherung und einige wichtige Punkte, die ich schon auch anführen muss, weil, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele gar nicht wissen, welche positiven Änderungen hier genau passieren.

Es sind positive Änderungen, wenn es um die Neuordnung der Pflichtversicherung von Personen geht, die bei Berufsvertretungsbehörden oder bei internationalen Organi­sationen beschäftigt sind; wenn es um die Normierung aus nebenberuflicher notärzt­licher Tätigkeit geht; wenn es um die Teilpflichtversicherungszeiten in der Pensionsver­sicherung für die Zeiten der Kindererziehung und andere ehemalige Ersatzzeiten geht, die in den Katalog der Beitragszeiten aufgenommen wurden.

Es geht um Änderungen des Beitragsrechts nach dem Bauern- und Sozialver­siche­rungsgesetz im Zusammenhang mit der Neuaufstellung der Einheitswerte des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und, und, und.

Es konnte geklärt werden, dass bei der Berechnung von Reha-Geld auf Einkommen, die über der Geringfügigkeitsgrenze liegen und eine Pflichtversicherung in der Kran­kenversicherung begründet haben, zurückgegriffen wird. Das führt natürlich auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen zu einem erhöhten Reha-Geldbezug und zu einem weit höheren Reha-Geld.

Es sind positive Errungenschaften, die hier beschlossen wurden.

Meine Damen und Herren, alles in allem sind es Maßnahmen, die zur Entbürokra­tisie­rung und zu einer Vereinfachung, aber auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen. Das alles wäre ohne unseren engagierten Sozialminister und die Sozialpartner einfach nicht möglich. Lieber Herr Minister, dir und deinem Ministerium ein herzliches Danke­schön! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.32



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 99

Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.32.29

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Danke für die große Zustimmung. Ich möchte nur noch zwei, drei Dinge anmerken.

Die Umstellung bei den Notärzten ist im tiefen Einvernehmen mit dem Roten Kreuz und mit dem Samariterbund erfolgt. Ich glaube, dass in der Praxis gut umgestellt wird. Wenn jemand untertags während seiner Dienstzeit fährt, fährt er ohnedies im Rahmen seines Dienstverhältnisses. Das ist, glaube ich, auch klargestellt.

Der wahrscheinlich beste Beweis, dass es gut funktionieren wird, kommt – das darf ich auch erwähnen – von der ärztlichen Personalvertretung eines wirklich großen Spitals­trägers. Sie hat ein Gratulationsschreiben geschickt. Ich meine, mehr kann ich nicht tun. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Wer hat da unter­schrieben?!) – Ja, noch einmal – nicht böse sein! –: Ich kann nicht mehr tun als das. Wenn mir die niederösterreichische zentrale Personalvertretung, der Ärztevertreter, der nichts mit der ÖVP zu tun hat, weil er sensationellerweise ein Parteifreier ist (Heiterkeit bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP – Beifall bei der SPÖ) – aber in Wien haben wir im Moment auch einen Parteifreien, das ist jetzt die neue Modelinie –, mir schreibt: Ich danke dir – wir sind per du, weil ich ihn schon 25 Jahre kenne –, dass das jetzt endlich so geregelt ist. – Nicht böse sein! Ich meine, mehr kann ich nicht tun.

Der Ärzteprotest in Wien, lieber Kollege Rösch – wir kennen uns auch schon ein paar Tage länger –, hat nichts mit den Notärzten zu tun gehabt. Da ist es um etwas anderes gegangen, um eine andere Debatte der Arbeitszeit. Noch einmal: Arbeitszeit wird immer ein Thema sein, das ist ja logisch, und immer wird es darüber Debatten geben, das ist ja ganz klar.

Ich darf euch berichten und meinen Vorredner leicht korrigieren: Zur Stunde haben wir bei Zielpunkt noch 35 Fälle offen, und zwar – offen und ehrlich gesagt – deshalb, weil da oder dort noch Unterlagen fehlen. Es ist doch eine gewisse Zahl an Fällen mit Pfändungen darunter gewesen, bei denen da oder dort noch etwas fehlt. Demzufolge haben 35 Mitarbeiter zur Stunde noch nicht ihr Geld, sie werden es aber wahr­scheinlich morgen erhalten, weil wir jetzt alles abgearbeitet haben.

Die Firma Schirnhofer ist beim Insolvenzentgeltfonds seit vorgestern ebenfalls bereits in Bearbeitung. Das wurde vorgestern vom Masseverwalter freigegeben. Bei der Firma Schirnhofer muss man dazusagen, dass die steirischen Sparkassen und alle Banken, die es in der Gegend Hartberg gibt – Volksbank, Raiffeisen, Sparkasse – mitgespielt haben. Die Kolleginnen und Kollegen konnten sich ihr Geld auch schon abholen.

Das Ergebnis des Sanierungsverfahrens wird sein, dass 60 Mitarbeiter ihren Arbeits­platz endgültig verlieren. Auch das ist dort bereits bekannt. Wir sind auch schon dabei, eine Stiftungskonstruktion zu finden, und die Beendigung dieser 60 Dienstverhältnisse wird erst nach Weihnachten stattfinden.

Zur Firma AGO: AGO hat erst am Donnerstag ihren Konkursantrag abgegeben. Wir wissen erst seit Donnerstag, dass es wirklich so ist. Es sind keine 1 000 Betroffene, weil vor fünf, sechs Wochen über 700 Mitarbeiter abgegeben wurden, an eine andere Firma namens X – ich sage jetzt keinen Namen, weil es sonst wieder ein Problem mit der Verletzung des Datenschutzes gibt.

Im Konkursantrag sind 287 Mitarbeiter zur Kündigung gemeldet. Es ist eine irrsinnig breit gestreute Liste. Wir bemühen uns auch da, eine Zwischenlösung zu entwickeln. Dazusagen muss ich, dass der Antrag von der Firma auch erst so spät abgegeben wurde, die mediale Berichterstattung begann schon drei Wochen vorher. Daher ist der


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Fall, wie gesagt, erst seit Donnerstag bei Gericht. Da gehen sich vor Weihnachten keine Maßnahmen mehr aus. Sie haben erst gestern die Betriebsversammlung gehabt und, und, und.

Bei dieser Firma sind wir um eine Spur philosophischer, weil alle in Beschäftigung stehen. Alle Mitarbeiter sind verliehen, sie werden alle gebraucht. Demzufolge bin ich da wirklich eine Spur „entspannter“ – „entspannter“ muss ich jetzt vorsichtig formu­lieren, weil es natürlich dort Betroffenheiten gibt, das ist keine Frage, denn November­gehalt haben sie keines bekommen. Aber langfristig gesehen sind wir da etwas ent­spannter.

Bei Zielpunkt, um das Thema abzuschließen – ich denke, Sie haben es in den Medien heute gelesen –, kann man sich bis Dienstag nächster Woche, glaube ich, im Rahmen der Interessentensuche noch melden. Dann wird ein Strich gezogen. Danach geht es darum, wer welche Filiale bekommt.

Klar ist, dass es nicht für alle 229 Standorte jemanden geben wird, weil teilweise die Standortqualität nicht danach ist beziehungsweise weil auch Standorte so gelegen sind, dass alle Konkurrenzbestimmungen und das Kartellgesetz – auch wenn man es sehr philosophisch auslegt – schlagend werden. Demzufolge wird eine weiterführende Übernahme nicht bei allen Standorten möglich sein.

Aber auch diesbezüglich zu Ihrer Information: Wir haben in Wien und Niederösterreich Arbeitsstiftungen eingerichtet, in der Steiermark wird es gleichfalls eine eigene Arbeits­stiftung geben, die derzeit in Vorbereitung ist. Im Burgenland ist es – offen und ehrlich gesagt – eine Knopfdrucksache. Im Burgenland gibt es 350 Zielpunkt-Mitar­beiter, und von den 60 Mitarbeitern von Schirnhofer wohnen 30 im Burgenland, die noch hinzu­kommen. Im Burgenland warten wir jetzt noch ab, was von Zielpunkt wirklich übrig bleibt und ob wir da eine eigene Stiftungskonstruktion brauchen. All das ist in Vor­bereitung.

Damit es jedoch kein Missverständnis gibt: Die effektiven Beendigungsansprüche der Damen und Herren von Zielpunkt werden frühestens im März ausbezahlt werden können, weil die Firma ja noch existiert. Das Dezembergehalt zahlt die Masse. Erst danach gibt es die Austritte und werden die Beendigungsansprüche gestellt – über 500 Mitarbeiter sind solche, die noch im Abfertigung-alt-System aus der LÖWA-Vergangenheit stehen. – Den etwas Älteren unter uns wird der Name LÖWA noch etwas sagen. – All diese Beendigungsansprüche gibt es, wie gesagt, dann erst Ende Februar, Anfang März. Das geht technisch nicht früher, weil man allem hinterher sein und genau erheben muss. Das ist aber kein Thema für die Betroffenen, denn das ist ja nicht das, mit dem sie gerechnet haben – die Beendigung. Primär waren jetzt einmal der November und die Sonderzahlungen von Interesse. Das ist entsprechend erledigt.

Ansonsten bedanke ich mich für die relativ hohe Zustimmung zu diesem Gesetz. Bei den 19 Punkten, die sich darin verbergen, haben Sie gesehen: So schwach, wie manche meinen, hat die Regierung nicht gearbeitet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.39


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


14.40.36

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Minister, weil Sie ja jetzt so stolz auf die Glückwunsch­karten zu Ihrem Sozialrechts-Änderungsgesetz waren: Von den Spitalsärzten kommen sie aber offensichtlich nicht. Ich zitiere die Aussendung der Ärztekammer: „Spitals­ärzte-Obmann Mayer warnt vor Umgehung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes


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bei Notärzten.“ Er bezieht sich auf Ihr vielgelobtes, selbstgelobtes Sozialrechts-Ände­rungsgesetz und sagt:

„Dieses sieht unter anderem vor, dass eine nebenberufliche notärztliche Tätigkeit künftig jedenfalls als selbstständige, freiberufliche Tätigkeit gelten soll. So wäre es auf elegante Art und Weise möglich, die Arbeitszeitregelungen für Spitalsärzte zu umgehen […]. Den offensichtlichen Mangel an Notärzten mit einer Gesetzesänderung aus der Welt zu schaffen, sei der falsche Weg.“

Das sagen Ihnen die Ärzte. Von denen haben Sie die Glückwunschkarte sicher nicht bekommen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Hundstorfer: Der Herr Mayer ist aus Oberösterreich, geschrieben hat mir Niederösterreich …! – Allgemeine Heiterkeit.)

14.41

14.41.20

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.42.249. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (842 d.B. und 959 d.B. sowie 9516/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte um den Bericht.

 


14.42.47

Berichterstatterin Renate Anderl: Sehr geschätzter Herr Präsident! Lieber Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. Ich erteile es ihm.

 


14.43.40

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Zur Debatte steht das Zivildienstgesetz. Bevor ich jedoch im Detail in die Thematik einsteige, möchte ich noch kurz etwas anderes ansprechen, und zwar: In wenigen Tagen ist Weihnachten, und zu Weihnachten darf man sich ja auch etwas wünschen beziehungsweise gibt es da Geschenke, Pakete. (Unruhe im Sit­zungssaal.) – Ich bitte um Ruhe, ihr könnt euch ja auch zu Wort melden und hier heraus kommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 102

Normalerweise ist es eine Überraschung, wenn man in das Geschenk hineinschaut, und vielleicht erleben wir heute eine Überraschung. An dieser Stelle trifft es sich ganz gut, dass der Herr Minister hier ist. In diversen Medien und Tageszeitungen wird immer davon gesprochen, dass Sie auch als Bundespräsident kandidieren werden, deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht nicht doch nächstes Jahr antreten. Vielleicht melden Sie sich ja nachher noch zu Wort und teilen uns das mit. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Bezüglich Zivildienst möchte ich hier sagen, dass es grundsätzlich etwas Positives ist, wenn versucht wird, dass eine Verbesserung und eine Vereinheitlichung herbeigeführt wird. Ich denke, dass der Zivildienst sicherlich eine wichtige Säule in unserer Gesell­schaft darstellt, darf aber im gleichen Atemzug auch betonen, dass der Wehrdienst beziehungsweise der Präsenzdienst genauso wichtig ist.

Denken wir an dieser Stelle an die vielen jungen Leute, die gerade auch im medizini­schen Bereich tolle Arbeit leisten. Da fallen mir Alten- und Krankenpflegeheime ein, Institutionen des Roten Kreuzes und dergleichen. Ich darf an dieser Stelle die Ein­richtung „Essen auf Rädern“ erwähnen, bei der ich selbst auch einmal mitgearbeitet habe – wobei ich zwar selbst kein Zivildiener war, aber immerhin Praktikant. „Essen auf Rädern“ ist ja nicht unbedingt ein reiner Zulieferdienst, sondern man trifft auch viele Menschen. Es ist auch ein Begegnungspunkt zwischen den Generationen, eine Verbindung zwischen Alt und Jung. Ich denke, dass das schon sehr wichtig ist, und wenn man sich das anschaut, dass in Österreich rund 17 000 Personen Zivildienst leisten, dann möchte ich hier an dieser Stelle einmal ein ganz großes Lob an alle jene jungen Menschen aussprechen, die in diesem Bereich tätig sind. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: … Das war jetzt wirklich etwas ganz Nettes!) – Ja, das ist oft komisch, diese Flexibilität haben offensichtlich andere Fraktionen nicht, aber gut.

Diese Gesetzesänderung, die jetzt hier in Verhandlung steht, sehen wir jedoch etwas kritisch, da es nicht ganz in unserem Sinne ist, dass Zivildiener bei sogenannten NGOs arbeiten, beziehungsweise besteht auch irgendwo die Gefahr, dass diese NGOs zu stark frequentiert werden.

Wünschenswert wäre einmal auch eine Einheitlichkeit bezüglich Bezahlung und Rahmenbedingungen. Da gibt es ja Regelungen, die besagen, dass ein gewisses Taschengeld bezahlt wird – das steht so drinnen – zwischen 50 und 100 Prozent. Das ist vielleicht dann doch eine Ungleichbehandlung, und das sehen wir eben schon etwas kritisch. Wünschenswert wäre, dass diesbezüglich einmal eine Verbesserung in dieser Richtung herbeigeführt wird.

Ich denke auch, dass der Zivildienst seine Wertigkeit bewahren sollte und aus­schließlich im Sinne unserer Republik Österreich zu sein und deren Interessen zu dienen hat. Eigentlich kommt es mir so vor, wenn ich so die Entwicklungen der letzten – ja, doch schon – Jahre anschaue, dass hier irgendwo eine Ungleichbehand­lung zwischen Zivildienern und Wehrpflichtigen offensichtlich mit Absicht eingeführt wurde. Es kann nämlich nicht sein, dass dem Zivildiener immer mehr und mehr Frei­heiten eingeräumt werden und andere, die sich für den Wehrdienst entscheiden, dort doch nicht diese Freiheiten genießen dürfen. Dort bekommt man weniger Geld und so weiter.

Abschließend darf ich festhalten, dass wir dieser Gesetzesänderung nicht unsere Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.48


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Koller. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 103

14.48.28

Bundesrat Hubert Koller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auch zu Hause! Ich habe einen Wunsch frei, weil mein Vorredner auch einen Wunsch geäußert hat. Da ich heute das erste Mal hier am Rednerpult stehe, möchte ich gerne – weil der ORF noch da ist – meine Region in der Steiermark grüßen, das berühmte Schilcherland und das südsteirische Weinland: Liebe Grüße nach Hause!

Ich habe über eine positive Gesetzesnovelle zu reden. Mit den Änderungen des Zivildienstgesetzes werden diverse Auslandsdienste gebündelt. Seit 1992 ist das möglich und im Freiwilligengesetz verankert. Konkret darf ich hier erwähnen, dass eben dieser § 12b zur Gänze gestrichen wird und der § 12c, der die mit dem Zivildienst vergleichbaren Tätigkeiten regelt, ebenfalls abgeändert wird. Damit reichen in Zukunft zehn statt zwölf Monate für die Anrechnung des Zivildienstes beim Freiwilligen Sozialen Jahr, beim Freiwilligen Umweltjahr, beim Gedenkdienst, Friedensdienst und Sozialdienst im Ausland. Neu angerechnet wird auch ein Europäischer Jugend-Freiwilligendienst nach der EU-Verordnung 1288/2013 ERASMUS+, der gleichfalls eine Dauer von zehn Monaten umfasst, weil er mit den inländischen Diensten nach dem Freiwilligengesetz vergleichbar ist.

Die laut Regierungsprogramm vorgesehene Bündelung der Freiwilligendienste im Ausland sowie deren gesetzliche Verankerung und finanzielle Absicherung im Freiwil­ligengesetz wurden ja bereits im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2016 beschlos­sen. Bei dem heute vorliegenden Gesetz geht es um die beiden relevanten Verfas­sungs­bestimmungen im Zivildienstgesetz.

Für Zivildiener selbst bringen die Verschiebung sowie die im Gesetz vorgesehenen Begleitmaßnahmen einige Vorteile: die Verkürzung auf zehn Monate, die als Ableis­tung des Zivildienstes anerkannt werden, und zwar unabhängig davon, ob ein Freiwilliges Sozialjahr, ein Freiwilliges Umweltschutzjahr, der Gedenk-, Friedens- oder Sozialdienst im Ausland absolviert wird. Auch ein zehnmonatiger Jugendfreiwilligen­dienst – das wurde bereits erwähnt – nach dem Programm ERASMUS+ wird ange­rechnet.

Das Gesetz bezieht sich auch auf die Rahmenbedingungen. Selbstverständlich muss man darüber reden, was Wehrdienst und was Zivildienst ist und wie sie gleich zu behandeln sind – wie es der Kollege und Vorredner angesprochen hat. Mit diesem Gesetz gilt es, die Regelung für diese Dienste zu schaffen – was auch sehr ordentlich gemacht wurde.

Die Novelle bringt weiters die Möglichkeit für Frauen und nichtwehrpflichtige Männer, beispielsweise Gedenkdienste zur Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes zu leisten und dabei versicherungstechnisch abgesichert zu sein.

Ich darf erinnern, dass die Regierung Kreisky II den Zivildienst und dieses Gesetz unter Druck geschaffen hat. Das Bundesheer – ich war in den Jahren gerade drinnen – war eigentlich damals recht froh darüber, da es doch Störfaktoren im normalen Wehrdienst bei jenen gegeben hat, die eigentlich mit der Waffe nicht umgehen wollten. Somit bestand auch eine zweite Möglichkeit, nämlich den Zivildienst zu leisten und nicht den Wehrdienst.

Zu Beginn waren es nur wenige Männer, die sich dafür beworben haben. Im Jahr 1975 waren es laut Recherche 344, was aber auch verständlich ist, denn zu dieser Zeit wurden Männer, die den Wehrdienst nicht leisten wollten, als – wenn man das heute noch sagen kann – Mädchen abgekanzelt, es waren aber noch schlimmere Ausdrücke.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 104

Erst die Novelle 1991 hat dazu geführt, dass eine formelle Erklärung genügt und nicht Gewissensgründe vor einer Kommission darzulegen sind, sodass dann aber wirklich ein Run auf diesen Zivildienst einsetzte und 2014 die Zahl der Zivildiener bei rund 17 000 lag. Damit absolvieren bereits rund 40 Prozent der tauglichen jungen Männer den Zivildienst und nicht den Präsenzdienst beim Bundesheer. Das hat „Die Presse“ unter Berufung auf Daten im Innenministerium berichtet.

Der Zivildienst – das wurde schon gesagt – ist heute in der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Er ist sogar ein ganz wichtiger Bestandteil. Auch die Volksbefragung zur Beibehaltung der Wehrpflicht hat ihr Ergebnis, meines Erachtens, in Wirklichkeit der großen Anerkennung des Zivildienstes zu verdanken.

Viele Einsatz- oder Dienststellen würden ohne die Zivildiener ganz schön ins Wanken geraten. Deshalb muss man eben – und das hat mein Kollege bereits gesagt, aber ich möchte es wiederholen – nicht nur den Wehrdienern, sondern neben ihnen auch den Zivildienern großen Dank und Anerkennung aussprechen, vor allem auch jetzt zur Weihnachtszeit. Wir wissen ja, was in diesen Tagen von ihnen geleistet wird.

Der Gedenkdienst Neu setzt zwei Forderungen um: den Zugang für Frauen zum Frei­willigenjahr und die finanzielle Absicherung dazu.

Wenn man an den Gedenkdienst denkt, dann muss ich immer sagen – man kann ein bisschen in die Region gehen, da werden mir die Kärntner Abgeordneten hier zustim­men –, dass die Grenze damals – wenn man schaut: Erster Weltkrieg, Abwehrkampf, Volksabstimmung, Zweiter Weltkrieg – natürlich böse Wunden hinterlassen hat und dass der Dienst Sinn macht. Wir haben, Gott sei Dank, seit 70 Jahren Frieden. Die Zeitzeugen kommen uns schon schön langsam abhanden, sodass es wirklich Sinn macht, der Jugend die Möglichkeit zu geben, sich hier zu betätigen, und ihr auch vor Augen zu führen, dass man schlechte Dinge im Leben nicht noch einmal machen muss.

Die Einsatz- oder Dienststellen sind bekannt, sie sind umfangreich, und in all diesen Stellen werden die Zivildiener benötigt. Die Träger hatten 2014 ihren Bedarf gemeldet, und damals, im Vorjahr, ist es möglich gewesen, 95 Prozent dieser Meldungen auch abzudecken.

Der Zivildienst ist einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen. Mit dem Budget­begleitgesetz 2016 wurden aber wichtige Schritte eingeleitet. Mit dem Gesetz heute stimmen wir einer Vereinfachung, einer Bündelung dieser Auslandsdienste beim Bun­des­ministerium für Soziales, Arbeit und Konsumentenschutz zu. Das ist keine Kom­petenzverschiebung, sondern eben eine Bündelung und gleichzeitig auch eine Ver­waltungsvereinfachung. Ich hoffe deshalb auf eine breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.56


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hammerl. Ich erteile es ihm.

 


14.56.32

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Das Bundesgesetz, mit welchem das Zivildienstgesetz 1986 nach 29 Jahren geändert wird, ist ein sehr positiver Schritt. Herr Minister, ein großes Danke!

Kollege Längle hat das Bundesheer und den Wehrdienst erwähnt. Ich möchte aber auch eines sagen, meine Damen und Herren: Der Einsatz des Bundesheeres ist derzeit – das wissen wir – fraglich; abmontiert wird sogar – wie man jetzt sagt – bis zur Militärmusik. Die Miliz und die Ausrüstung sind nicht einsatzfähig, und es fehlt auch an


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Material. Da heute auch Frau Minister Mikl-Leitner anwesend ist – halb rechts sehe ich sie –: Frau Minister, ich habe eine Frage: Ich bin ein Steirer. Wir haben in der Steiermark eine große Kaserne, die Kirchner-Kaserne – die kennen die Steirer alle. Bis heute waren dort zirka 400 Soldaten tätig, die Kaserne ist neu adaptiert. Diese Kaserne wird in 14 Tagen geschlossen, und wir brauchen Unterkünfte für Flüchtlinge. Frau Minister, vielleicht kannst du anschließend ein paar Worte dazu sagen.

Meine Damen und Herren, wir haben eine lange Phase des Ausspielens von Wehr­dienst, Zivildienst und Friedensdienst und anderen sozialen Diensten hinter uns. Es ist noch nicht lange her, da wurden Zivildienst und Wehrdienst im Widerspruch gesehen, andere Friedensdienste wurden wenig beachtet.

Nicht zuletzt die Situation an unseren Grenzen und der Flüchtlingsstrom, der auf Österreich zukam und zukommt und der sich durch Österreich seinen Weg bahnt, haben gezeigt, dass die verschiedenen Dienste auch aufeinander bezogen sind.

Wenn Wehrdiener und Zivildiener mit den Vertretern anderer sozialer Dienste an der Grenze zum menschlichen Umgang mit Menschen auf der Flucht zusammenarbeiten, meine Damen und Herren, ihnen Hilfe bieten und an der Erreichung einer alle unterstützenden Ordnung mitwirken, so ist das augenscheinlich. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin mit dem Hilfswerk Steiermark an der Grenze tätig.

Grundsätzlich stellt sich nämlich bei all diesen Diensten die Frage, wie gerade junge Menschen daran mitwirken können und sollen, was den Zusammenhalt in der Gesellschaft betrifft. In der Abstimmung über den Wehrdienst wurde gerade diese Frage angesprochen. Wo können junge Menschen erfahren, dass sie in unserer Gesellschaft mitwirken und einen positiven Beitrag zu ihrem Aufbau bringen? Wo können junge Menschen erfahren, dass es sich lohnt, in unserer Gesellschaft tätig zu werden?  – Deswegen werden wir in Zukunft die Diskussion um ein allgemeines sozi­a­les Jahr in verschiedenen Formen für weibliche und männliche Jugendliche weiterfüh­ren müssen.

Der Zivildienst kann auch in Form eines Gedenkdienstes oder eines europäischen Jugendfreiwilligendienstes zur Erreichung von ERASMUS absolviert werden. Der Zusammenhalt der Gesellschaft in geschichtlicher Perspektive ist hier wichtig. Ich war vor einem halben Jahr in Auschwitz. Dort gibt es drei Zivildiener, zwei aus der Steier­mark und einen aus Wien, die ihren Dienst versehen. Großartig!

Die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, können den Nährboden für eine friedliche Gesellschaft bilden. Eine Weiterentwicklung des Zivildienstes liegt angesichts dieser Ausweitung der Möglichkeiten vor uns.

In der unübersehbaren Situation ist eine Vereinfachung und Begründung wenigstens zu einem guten Teil erreicht worden, auch dadurch, dass das Bundesministerium für Soziales und Arbeit nun die gemeinsame Bezugsstelle für diese Dienste ist. 

Auch der klassische Friedens- und Gedenkdienst, der derzeit noch im Zivildienst geregelt ist, fällt jetzt unter die Agenden des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit – ein guter Schritt! Die Verkürzung des Zivildienstes und damit auch der darauf bezogenen Dienste auf zehn Monate ist ein weiteres Moment für die Vereinheitlichung.

Das Freiwillige Soziale Jahr, ein Umweltschutzjahr, dessen Wichtigkeit sich gerade angesichts des Ringens um ein gemeinsames Vorgehen zum Schutz der Umwelt im Rahmen des Weltklimagipfels in Paris zeigt, Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst sind, meine Damen und Herren, alles Dienste am Frieden! Die Abstimmung dieser Dienste aufeinander ist wichtig, um diesen gemeinsamen Zielen in Zukunft gerecht zu werden. Deswegen ist das vorliegende Gesetz nur zu unterstützen, dient es doch der Verein­heitlichung in der Ausweitung der Möglichkeit des Einsatzes.


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Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die im Rahmen dieses Dienstes Wesent­liches für unser Land leisten, vor allem den jungen Menschen. Gerade in unseren herausfordernden Zeiten brauchen wir diesen Einsatz auch der jungen Menschen für unsere Zukunft, auch weil sich gerade in der jetzigen Situation die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes für Österreich und seine Bewohner sinnvoll erfahren lässt. Wir spüren das alle jetzt im Bereich der Flüchtlinge. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.01


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stögmüller. Ich erteile es ihm.

 


15.01.24

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Bündelung und gesetzlichen Verankerung des Auslandszivildienstes im Freiwilligengesetz stimmen wir Grüne natürlich sehr gerne zu. Ich glaube auch, dass es aufgrund dieser Zusam­menführung in ein Gesetz zu einer administrativen Erleichterung sowie zu einer Gleich­behandlung zwischen Frauen und Männern und nicht wehrpflichtigen Männern und Frauen kommt. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Heute geht es nicht um eine grundsätzliche Zivildienstdebatte, sondern darum, dass Frauen und Männer, die einen solchen Auslandsdienst gerne machen würden, tatsächlich auch finanziell und sozialrechtlich abgesichert sind. Wir Grüne fordern ja schon seit Jahren, dass alle Menschen bei der Absolvierung eines Gedenkdienstes, Sozial- oder Friedensdienstes abgesichert und gleich zu behandeln sind.

Diese Dienste sind von unschätzbarem Wert in der Aufarbeitung der Gräuel des Natio­nal­sozialismus. Sie unterstützen Bildungs- und Entwicklungsprojekte in Mittel- und Südamerika, Asien, Afrika. Nicht außer Acht zu lassen sind auch die FriedensdienerIn­nen in Krisengebieten wie zum Beispiel auch in Asien.

Es ist ein Ja für die Aufarbeitung der Gräuel, ein Ja für die Erinnerungspolitik, ein Ja für das Gedenken. Ich bin wirklich froh darüber, dass diese Verbesserung umgesetzt wird, werde mich hier jetzt auch ganz kurz halten und sage: Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.02


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­minister Hundstorfer. – Bitte, Herr Minister.

 


15.02.56

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Danke schön. Ich danke hier auch für die hohe Zustimmung. Wir tun ja nichts anderes als das, was wir uns fürs Regierungsprogramm ausgemacht haben: dass wir ein bisschen bündeln und zusammenräumen.

Zu den Einwänden oder Befürchtungen, die Sie haben: Im Jahr 2012 hatten wir 125 Ent­sendungen, 103 im Jahre 2013, 119 im Jahre 2014. Ich glaube, allein im Vorjahr gab es 16 900 Anträge auf Zivildienst. Ich glaube, die Relation sagt alles.

Wohin entsenden wir? – Darunter sind Vereine wie die Concordia von Pater Sporschill, die österreichische Landler-Hilfe, die Caritas Feldkirch und, und, und. Ich glaube, da sind alles Vereine darunter, die uns allen sehr, sehr bekannt sind, die alle sehr wertvolle, gesellschaftlich wertvolle Projekte machen, nicht nur jetzt in Konzentrations­lagern, sondern auch in anderen Einrichtungen. Das heißt, Sie könnten da ganz ent-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 107

spannt zustimmen. Es ist ein wirklich nicht ganz nachvollziehbarer Punkt. Aber, wie gesagt, ich danke für die restliche Zustimmung.

Wir haben ja hier gemeinsam das Regierungsprogramm umgesetzt und wollen das, was jetzt Auslandsdienst ist, in diesem Freiwilligengesetz bündeln. Das geschieht, das ist quasi heute der letzte Beschluss auf dem Weg dieser Bündelung.

Danke schön und frohe Weihnachten! Da ich heute dann keinen Tagesordnungspunkt mehr habe, darf ich diese Gelegenheit wahrnehmen, es Ihnen allen zu wünschen. Auf Ihre Frage gibt es natürlich keine Antwort, das ist eh klar, nicht? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Er hat mich gefragt, ob ich kandidiere. (Bundes­rätin Zwazl: Das sagt er mir nicht! – Heiterkeit des Redners.) – Auf diese Frage gibt es natürlich keine Antwort, das ist logisch.

Aber Sie gestatten mir, dass ich Ihnen allen, so hoffe ich, einigermaßen friedvolle Weih­nachten wünsche. Für das Jahr 2016 habe ich als Sozialminister nur einen einzigen Wunsch: sehr stabile gesundheitliche Verhältnisse. – Danke schön, alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

15.05

15.05.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister! Wir dürfen Ihnen auch schöne Weihnachtsfeiertage und alles Gute für 2016 wünschen! Und viel Kraft für Ihre Aufgaben! (Heiterkeit.)

Gleichzeitig begrüßen wir recht herzlich Frau  Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.05.58 10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhö­hung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungs­verein­barung (892 d.B. und 917 d.B. sowie 9512/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Kern. – Bitte.

15.06.21

 


Berichterstatterin Sandra Kern: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung.

Konkret sollen die Kostenhöchstsätze für Unterbringung und Verpflegung von Erwach­senen von derzeit 19 auf 20,5 € rückwirkend ab Anfang Oktober und auf 21 € ab Jän-


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ner 2016 und für die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen von 77 auf 95 € pro Tag angehoben werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher sogleich zur Antrag­stellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für die Berichterstattung.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meißl. – Bitte.

 


15.07.33

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das mag nur irgendjemand verstehen: Da machen die Firmen und die Quartiergeber mit der Unterbringung von Asylwerbern ein lukratives Geschäft und satte Gewinne, und dann gehen Sie her und erhöhen die Kostenhöchstsätze für die Unterbringung und Verpflegung von Asylwer­bern massiv! Wir reden da nicht von Anpassungen oder Valorisierungen, wir reden da von Erhöhungen von bis zu 25 Prozent; und das, obwohl die letzte Erhöhung erst drei Jahre her ist.

Unter den Firmen ist übrigens auch die Firma ORS, die unter anderem das Erstauf­nahmezentrum in Traiskirchen und das Massenquartier in Spital am Semmering, das Ihnen wohl bekannt ist, betreibt. Darunter ist aber beispielsweise auch ein Unterneh­men aus der Obersteiermarkt, das seit vielen Jahren gleich mehrere sogenannte Flüchtlingsheime betreibt und das einen Teil der Gewinne wohl dazu benutzt hat, eine Hotelanlage in Südamerika zu errichten.

Unternehmer, die Quartiere wahrscheinlich nicht nur aus Nächstenliebe, sondern wegen der zu erwartenden Gewinne anbieten, wachsen wie die Schwammerln aus dem Boden und dürften sich dank der Erhöhung der Kostensätze künftig auf noch höhere Gewinne freuen. Mehr als 82 000 Asylanträge sind heuer bereits gestellt worden, sofern das stimmt, sofern ich das richtig im Kopf habe.

Das Finanzministerium rechnet für 2016 deswegen bereits mit zusätzlichen Kosten von rund 1 Milliarde € – Geld, das die Steuerzahler berappen dürfen! Bei einer Milliarde wird es aber wahrscheinlich ja nicht bleiben, da kommendes Jahr mit einer weiteren Wanderungsbewegung, im selben Umfang wie heuer, zu rechnen ist. Selbst jene, die das Bleiberecht erhalten, werden nicht unerhebliche Kosten im Wege der Mindest­siche­rung verursachen, weil sie nur zu einem sehr kleinen Teil in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Das ist aber auch kein Wunder bei einer halben Million arbeitsloser Österreicher.

Das führt so nebenbei auch die Mär ad absurdum, dass die Zuwanderer einmal unsere Pensionen zahlen werden und so gut für unser Sozialsystem wären. Das Gegenteil ist der Fall: Nur 10 Prozent der berechtigten Asylanten können laut Studien in den nächs­ten Jahren mit einem Arbeitsplatz rechnen. Die unkontrollierte Massenzuwanderung von Wirtschaftsmigranten, die da unter dem Deckmantel des Asyls und des Familien­nachzugs stattfindet, wird die Österreicher noch teuer zu stehen kommen.

Asyl soll bekommen, wer Asyl braucht! Die Solidarität mit echten Flüchtlingen ist nach wie vor ungebrochen. Man kann aber heute niemandem mehr ein X für ein U vor­machen: Die Menschen erkennen sehr wohl, dass es überwiegend Wirtschafts­migranten sind, die da im Flüchtlingsstrom nach Österreich kommen.


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Wissen Sie, es versteht auch niemand, dass es immer wieder heißt, dass für Pen­sionen kein Geld da ist, und wenn es heißt, wir würden ja gerne für die Familien etwas tun, es fehle aber derzeit der finanzielle Spielraum dafür. Eben deswegen kommt auch keiner mehr mit, wenn plötzlich genug Geld für eine schier unbegrenzte Zahl an Asylwerbern da ist und dann auch noch, gewissermaßen als Draufgabe, zusätzlich die Kostensätze für die Unterbringung und Verpflegung derselben recht kräftig erhöht werden können.

Genau wegen dieser Vorgehensweise verspielen Sie, meine Damen und Herren, gerade immer mehr Vertrauen bei den Menschen draußen. Übrigens darf man in der Debatte auch nicht vergessen, dass heuer das Geld offenbar abgeschafft wurde, als es darum ging, Migranten unkontrolliert und gratis mit vom Steuerzahler zu finanzierenden Verkehrsmitteln quer durch die Republik zu kutschieren.

Ein anderes Problem, ein Problem für sich stellen in der Grundversorgungs­verein­barung auch die eigenen Kostenansätze für die unbegleiteten Minderjährigen dar, und zwar aus einem Grund: Es gibt keine verpflichtende Altersuntersuchung! Da die Min-der­jährigkeit im österreichischen Asylverfahren Vorteile für den jeweiligen Asylwerber und eine Besserstellung mit sich bringt, wird von Asylwerbern im Asylverfahren häufig ein falsches Alter … (Bundesministerin Mikl-Leitner: Bei den 50-Jährigen werden Sie wenig machen müssen …!) – Bleiben Sie ganz ruhig, Sie können nachher ohnehin antworten! Sie müssen sich nicht aufregen neben mir.

Diese Altersuntersuchung hat es ja schon gegeben. Da hat man dann übrigens festgestellt, dass viele jener, die behauptet hatten, sie wären 16 oder 17, eigentlich 25 und 30 Jahre alt waren. Das muss man dann schon auch einmal sagen. Vielleicht sollte man dann wenigstens den Personenkreis heranziehen und einmal genau schauen, wer da kommt und wer da welche Leistungen bezieht.

Jedenfalls sollte man, anstatt die Kostensätze zu erhöhen, die Energien besser dahin gehend bündeln, die Asylverfahren deutlich effektiver und viel schneller abzuwickeln als bisher. Das würde allen helfen. Was die Schweiz kann, nämlich einen Teil der Verfahren innerhalb von 48 Stunden zu entscheiden, muss auch in Österreich möglich sein. Für die in Österreich geübte Praxis, Verfahren durch juristische Winkelzüge in die Länge zu ziehen, hat die Bevölkerung kein Verständnis! Eine Verkürzung der Ver­fahren würde helfen, sehr viel an Kosten zu sparen.

Es muss aber endlich auch Linie sein, dass jemand, dessen Asylverfahren rechtskräftig und negativ entschieden wurde, konsequent abgeschoben wird. Noch restriktiver muss man aber bei jenen vorgehen, die den Asylstatus missbrauchen und strafrechtlich auffällig werden – und das sind gar nicht so wenige! So wurden nach Auskunft Ihres Ministeriums 2014 mehr als 9 500 strafbare Handlungen durch Asylwerber begangen. Da geht es vornehmlich nicht um Kavaliersdelikte, sondern da geht es um Vergehen gegen Leib und Leben, Vergehen gegen die Freiheit, Sexualdelikte, Eigentumsdelikte und dergleichen.

Wenn man die Daten des heurigen Jahres, erhoben von Jänner bis August, hernimmt und auf das ganze Jahr hochrechnet, so kommt man für heuer auf eine Zahl von zirka 13 000 – 13 000 strafbare Handlungen durch Personen, die versucht haben, sich als Asylwerber in unsere Gesellschaft einzuschleichen, und diesen Status für Straftaten missbraucht haben! Wer straffällig wird, muss abgeschoben werden, daran darf kein Weg vorbeiführen.

Eines wird es übrigens auch nicht geben: die Grenzen offen zu lassen und unbegrenzt und unkontrolliert Asylwerber hereinzulassen. Das wird Probleme geben. Die öster­reichische Bevölkerung will diese Obergrenzen! Es ist die ureigenste Aufgabe des Staates, die eigene Bevölkerung zu schützen. Darauf hat man in den letzten Jahren


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aber verzichtet und nicht einmal mehr geschaut, wer da hereinkommt, und schluss­endlich auch nicht darüber nachgedacht, wer das alles bezahlen soll.

„Die Stimmung ist am Kippen“ – das sagen jetzt übrigens nicht nur wir, sondern auch die SPÖ-Vizebürgermeisterin von Spital am Semmering, die die Ehre hat, ein Bundeslager mit 200 Flüchtlingen beherbergen zu dürfen. Sie begründet es so:

„Weil unsere Politiker keine Wege aus der Krise finden. Statt an Lösungen zu arbeiten, liegen sich Rot und Schwarz nur in den Haaren. Ein Trauerspiel!“

Ich bin selten mit ihr einer Meinung, aber in diesem Fall kann ich nur sagen: Ich gebe ihr da vollkommen recht!

Übrigens, Frau Minister, wenn ich Sie daran erinnern darf: Sie haben vor geraumer Zeit versprochen, diese Unterkunft aufzulösen. Kurz vor den Wahlen in der Steiermark haben sie dann die Asylwerberzahlen dort auf 50 gesenkt, aber kurz nach der Wahl wieder auf 200 erhöht. Dort sind außerdem keine syrischen Kriegsflüchtlinge und Familien untergebracht, sondern fast ausschließlich junge Männer, fast ausschließlich Afghanen. Angeblich handle es sich bei ihnen fast ausschließlich um unbegleitete Minderjährige. Wenn man vielen von ihnen ins Gesicht schaut – und ich bin aus dieser Gegend, deswegen könnt ihr es mir glauben, ich schaue vielen von ihnen ins Gesicht –, dann sieht man, es handelt sich dort nicht wirklich nur um Minderjährige. (Bundesrat Stögmüller: Ein Gesicht sagt das nicht …!)

Man kann schon abschätzen, ob einer 15 oder 30 ist, das sieht man schon. (Zwi­schenrufe bei ÖVP und Grünen.) Da geht es nicht um die Zweifelsfälle, David. Da geht es nicht um die Zweifelsfälle. – Wenn man ihnen ins Gesicht schaut, dann denkt man sich bei vielen, dass das mit dem Alter eben nicht stimmen kann. Deswegen ist gerade auch im Hinblick auf die Kostensätze die Überprüfung des Alters so wichtig.

Zusätzliche Kosten verursachten den Steuerzahlern genau in dieser Unterkunft, die früher übrigens ein Hotel und noch früher ein Gewerkschaftsheim war, bereits zwei große Polizeieinsätze, die Einheiten aus der Steiermark und Niederösterreich gebun­den haben – von den Kosten für die übrigen, zahlreichen Polizeieinsätze in diesem und anderen Flüchtlingsheimen in der Region gar nicht zu reden. In den drei benachbarten Gemeinden Spital, Mürzzuschlag und Neuberg gibt es insgesamt sieben Flüchtlings­unterkünfte mit 650 Asylwerbern bei einer Einwohnerzahl von 13 000. Das ergibt eine Quote von 5 Prozent. Da sind wir also weit über dem, von dem Sie immer reden!

Es gibt aber noch eine weitere Kleinigkeit, die Ihre Politik verursacht, und das sind die Kosten für die Kommunen, die da noch auftauchen. So betrifft es uns als Stadtge­meinde Mürzzuschlag zum Beispiel als Erhalter einer Schule, die ja einige aus Ihrer Unterkunft in Spital besuchen. Wir haben zusätzliche Mehrkosten, die in Statistiken nirgends aufscheinen. Deswegen bin ich auch froh, dass Sie heute noch hier sind, denn in der Presse konnte man schon lesen, dass Sie wahrscheinlich aufgrund Ihrer inhumanen Flüchtlingspolitik ersetzt werden sollten. Ich weiß nicht, ob Sie auch schon davon gehört haben. (Bundesrat Schödinger: … ist aber nicht so!) – Ich weiß es nicht, das schreibt die Presse. Ich bin ohnehin froh, dass sie da ist.

Deswegen darf ich Ihnen auch noch eine Rechnung … (Bundesministerin Mikl-Leitner: Wissen Sie was: Wenn Sie von „inhuman“ reden, denken Sie an Ihre Rede da, ja!) Deswegen darf ich Ihnen auch noch eine kleine Rechnung übergeben. (Bundesrätin Mühlwerth: Ah, wenn man die Wahrheit sagt, dann ist das inhuman, ja?) Deswegen darf ich Ihnen noch eine kleine Rechnung übergeben; vielleicht können Sie es der Stadtgemeinde Mürzzuschlag refundieren. Immerhin sind die Ausgaben, die da gemacht wurden, aufgrund Ihrer Unterbringung der 200 Asylwerber in Spital gemacht worden.


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Wir Freiheitliche sind jedenfalls der Meinung, dass die derzeitigen Höchstwerte als ausreichend anzusehen sind. Nicht umsonst machen einige Unternehmen ein sehr gutes Geschäft mit der Unterbringung von Flüchtlingen und streifen satte Gewinne ein. Aus unserer Sicht sind diese Erhöhungen durch nichts zu rechtfertigen, und wir stim­men dieser Erhöhung auch jedenfalls nicht zu. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.16


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Zur Aufklärung von euch!)

 


15.17.03

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren, auch zu Hause an den Bildschirmen! Auf die Rede meines Vorgängers will ich eigentlich nicht eingehen, weil sie polemisch und unwahr und eigentlich nur eine Leseübung war. Ich weiß nicht, woher dieser Text gekommen ist, aber diese Rede war nur eine Leseübung, dieser Text wurde hier abgelesen wurde und ansonsten nichts. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir dem nicht allzu viel Bedeutung beimessen sollten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Was wir hier diskutieren, ist die Grundversorgungsvereinbarung, und die wurde mode­rat erhöht. Die wurde deswegen moderat erhöht, weil wir seit dem 1. Jänner 2012 in diese Richtung nichts mehr gemacht haben. (Bundesrat Meißl: 25 Prozent sind nicht moderat!) Nur ein paar Zahlen daraus: Wir haben die Kostensätze bei Wohngruppen von 77 € auf 95 € erhöht, bei Wohnheimen von 62 auf 63,5 €; das geht so weiter.

Zu Ihrer Anmerkung betreffend unbegleitete Minderjährige: Da wurde dieser Kosten­satz sogar gleich gelassen, nämlich auf 190 €, und bei Einzelpersonen wurde von 19 € auf 21 € erhöht, das Ganze in zwei Stufen. Aber das ist ja nur eine zweimonatige oder dreimonatige Zwischenlösung. Auf jeden Fall: Der Endbetrag ab 1. Jänner 2016 macht 21 € aus. (Zwischenruf des Bundesrates Meißl.) – Bitte? (Bundesrat Herbert: Dann wird es wahrscheinlich noch teurer!)

Was wollen wir damit bezwecken? – Wir wissen, dass wir auch, was unsere finanziel­len Gebarungen betrifft, schon dementsprechend vorsichtig vorgehen müssen. Aber eines muss uns schon klar sein: Wir haben als Österreich, als Staat Österreich schon die Sicherstellung einer menschenwürdigen Versorgung zu gewährleisten. Ich glaube, dass das das Mindeste ist, was wir in diesem Punkt erreichen.

Wenn man nur auf die Kostenaufteilung geht, dann muss gesagt werden: Es gibt einen theoretischen Kostenschlüssel zwischen Bund und Gemeinde von 60 und 40 Prozent. In der Praxis ist das etwas anders, nämlich 73 Prozent zu 27 Prozent. Wir rechnen 2016 mit einer Grundversorgung von zirka 70 000 Personen, die auch in weiterer Folge so bleiben wird. Die Kosten werden sich 2016 auf zirka 33 Millionen, also die Kosten­differenz auf 33 Millionen, und ab 2017 auf 51 Millionen € gleichbleibend erhöhen.

Ich möchte aber jetzt schon etwas zurückgreifen, nämlich auf die humanitären Auf­gaben und auf die humanitären Fähigkeiten unseres Staates. Da möchte ich eines dazu sagen: In der Europäischen Union haben die Staaten unterschiedliche Zugänge zur Aufnahme von Asylwerbern. Ich will nur die ersten drei Länder bei der Aufnahme von Asylwerbern nennen: Das sind Schweden mit etwas mehr als 11 Asylwerbern je 1 000 Einwohnern, Österreich mit knapp 8 und Deutschland mit 4,5.

Ich glaube, dass das ein Punkt ist, den wir schon etwas hervorheben sollten, weil wir unsere humanitären, unsere mitmenschlichen Aufgaben gerade jetzt, wo wir vor Weihnachten darüber reden, getan haben. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, und ich glaube, dass uns niemand sagen wird, dass wir in diesem Punkt säumig sind.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 112

Was dabei aber … (Bundesrat Krusche: Ist die Leseübung …? – Bundesrätin Mühlwerth: Wie war das jetzt eigentlich mit der Leseübung?)

Na, Moment: Zahlen werde ich jetzt herunterlesen. (Bundesrat Krusche: Ist das auch eine Leseübung? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich werde aber jetzt einen Punkt dazusagen. (Bundesrat Krusche: Frei! In freier Rede!) Ich werde aber jetzt etwas dazusagen, weil ich der Meinung bin … (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich würde aber jetzt gerne weiterreden! Ich würde jetzt gerne weiterreden, und ich werde das auch insofern nicht mehr brauchen, weil ich meine Zahlen bereits hinter mir habe. Ich möchte jetzt ein paar Punkte dazu anführen.

Wir wissen sehr wohl – als österreichische Abgeordnete und auch im Sinne unserer Bundesregierung –, wir wissen sehr wohl, dass wir unseren humanitären Zugang wirklich dementsprechend bewältigt haben. Wir wissen auch, dass wir einen dauern­den Anstieg dieser Asylwerber auf Dauer nicht aushalten werden. Deswegen hat unsere Frau Innenminister – und das möchte ich jetzt hier schon auf den Tisch legen – ein Gesetz vorgelegt, dass es gewisse Einschränkungen im Asylverfahren gibt, zum Beispiel Asyl auf Zeit, zum Beispiel auch … (Bundesrat Meißl: Was das für einen Sinn hat …!) Bitte? (Bundesrat Meißl: Sie schlägt vor, und ihr fallt dann wieder um, wenn abgestimmt wird!) Nein, nein, Moment: Asyl auf Zeit zum Beispiel, eine Einschränkung des Familiennachzuges, weil wir auch das Ganze sozialverträglich gestalten wollen!

Dieses Gesetz ist so gut gewesen und ist so gut vorgeschlagen, dass es sehr viele Länder bereits eins zu eins übernommen haben. So hat unter anderem Schweden, ein sozialdemokratischer Staat, dieses Gesetz bereits beschlossen. Ich bin der Meinung und würde das auch für uns wünschen, dass wir das relativ zügig in den Nationalrat und später in den Bundesrat bringen würden. Ich glaube auch, dass wir eine gewisse Deckelung (Zwischenruf des Bundesrates Herbert), was die Mindestsicherung betrifft, vornehmen müssen, ohne dass wir hier den sozialen Zugang und die wirklich men­schenwürdige Unterbringung von Asylwerbern einschränken.

À la longue gesehen, werden aber alle diese Maßnahmen allein nichts nutzen, wenn es uns nicht gelingt, eine einheitliche europäische Grenzschutzeinheit aufzustellen und die Asylverfahren direkt an der Grenze, an den sogenannten Hotspots, abzuwickeln.

Jetzt komme ich zur blauen Perfidie, weil man hier wirklich katastrophal gegen eine Europäische Union argumentiert, wohl wissend aber, dass wir als Nationalstaat nicht in der Lage sind, diese Probleme allein zu bewältigen. Wir haben, glaube ich … (Bun­desrat Herbert: Wo sind die europäischen Lösungen?) Wir haben, glaube ich, wirk­lich … (Bundesrat Herbert: Wo sind die europäischen Lösungen, die ihr versprecht?) Wir haben, glaube ich, wirklich in dem Punkt alle gemeinsam … (Bundesrat Herbert: Die Lösungen in dieser Frage der Flüchtlingsproblematik!)

Wir haben in diesem Punkt alle gemeinsam zusammenzustehen und auch in Europa diesen Punkt weiterzubringen. Es obliegt euch, diesen rechten Flügel im Europäischen Parlament dementsprechend dazu zu bringen und auch davon zu überzeugen, dass eine gemeinschaftliche Lösung in diesem Punkt wesentlich besser ist als eine nationale. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich weiß auch, dass wir dieses Problem nicht von einem Tag auf den anderen lösen werden. (Bundesrat Herbert: Sozialdemokraten und Christdemokraten haben schon die Mehrheit im Europäischen Parlament!) Aber wir werden daran arbeiten, und ich bin mir sicher … (Bundesrat Herbert: Das können sie gemeinsam machen!) Ich bin mir sicher, dass wir das auch gemeinsam bewältigen werden.

Deswegen glaube ich, dass wir … (Bundesrat Krusche: Ja, ja: „Wir schaffen das!“) Deswegen glaube ich, dass wir gut beraten sind (Bundesrat Krusche: Das hat schon einmal jemand gesagt: „Wir schaffen das!“), wenn wir unseren menschlichen Zugang


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 113

nicht verlieren, aber trotz dessen an der Politik der Freiheitlichen nicht anstreifen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.23


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun-desrat Ing. Bock. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe gar nicht gewusst, dass wir im Europaparlament für eine Mehrheit sorgen sollen! Das ist mir neu! – Bundesrat Krusche: Man lernt nie aus! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


15.24.16

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf meine Vorredner und auf die zwischen Bund und Ländern beabsichtigte Artikel-15a-Vereinbarung eingehe, ein Versuch, jene, die ständig gegen Asylwerber, Zuwan­derer und gegen alle Fremden wettern, daran zu erinnern, dass auch unsere Vorfahren auswandern mussten (Bundesrat Herbert: Aus Afrika vielleicht?): Wenn ich in die Telefonbücher von Wien, auf die Namenslisten österreichischer Abgeordneter und Funktionäre aller Parteien, auch jener von der FPÖ, schaue (Bundesrat Novak: Fußballer!), so muss ich viele Personen mit Hintergrund feststellen, Migrationshinter­grund feststellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann man ja gar nicht vergleichen! – Bundesrat Meißl: Wenn Asylwerber aus Afghanistan …! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Österreich war und ist ein Land, das sich vor Ausländern – und damit meine ich nicht nur die 25 Millionen Gäste – nicht fürchtet. Österreich hat, wenn ich auf politischer Ebene an Bruno Kreisky oder an die Familie Daniel Swarovski denke – bei den Wirt­schaftsunternehmen –, denke ich, von diesen Zuwanderern auch profitiert. (Zwischen­ruf des Bundesrates Krusche.)

Ich darf alle daran erinnern, dass viele Menschen aus verschiedenen Gründen Öster­reich zeitlich begrenzt oder auch ganz verlassen und der Heimat den Rücken kehren mussten. Vor 150 Jahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind viele aufgrund unserer wirtschaftlich schlechten Lage – wir konnten unsere Menschen, unsere Fami­lien mit unseren landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr ernähren – nach Südame­rika ausgewandert. Es war nicht der Krieg, es war die Not, die dazu führte, dass Menschen, die noch nie weiter als 20 Kilometer von zu Hause weg waren, ihre Heimat verlassen mussten. Ich denke, ihr könnt euch vorstellen, wie sich diese Menschen gefühlt haben, wochenlang auf einem Schiff, eine Reise ohne Rückkehr in ein neues Land mit einer Sprache, die man nicht kannte.

Bis 1922, also noch nicht einmal vor hundert Jahren, mussten die Kinder aus dem Tiroler Oberland ins Schwabenland. Auch in dieser Zeit konnten wir unsere Familien nicht selbst ernähren. Einige Jahrzehnte: Jedes Jahr, jedes Frühjahr zu Fuß über den Arlberg, im Allgäu auf den Markt, da wurden die Kinder den einzelnen, meist landwirt­schaftlichen Betrieben zugeteilt. Sodann hatten sie den ganzen Sommer und den Herbst gegen Kost und Unterkunft als Kinder in diesen Betrieben gearbeitet. Vor dem ersten Schnee zu Fuß wieder zurück in die Heimat, manchmal gab es sogar als Belohnung ein paar Schuhe dafür.

Auch in den Dreißigerjahren mussten wieder viele die Heimat verlassen. Einige wurden politisch verfolgt; viele mussten aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte daran erinnern, dass unsere Eltern und Großeltern mit viel Fleiß, aber auch mit großer Hilfe aus dem Ausland unser Öster­reich wiederaufgebaut haben; ja, so aufgebaut haben, dass uns heute sehr viele um unser Land beneiden. Unsere Errungenschaften im Bereich des Gesundheitswesens,


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der sozialen Sicherheit und bei unserem Zugang zur Bildung sind auch dem Rest der Welt nicht verborgen geblieben. Eigentlich könnten wir stolz darauf sein, dass wir neben Deutschland und Schweden von den Flüchtlingen als Zielland ausgesucht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin weder ein Sozialromantiker noch ein Realitäts­verweigerer und ich weiß, dass wir nicht alle Wirtschaftsflüchtlinge, nicht alle Kriegs­flüchtlinge, nicht alle Verfolgten bei uns aufnehmen können. Ich weiß auch, dass es unter den Flüchtlingen, wie bei uns, nicht nur Gutmenschen gibt. Ich weiß auch, dass es ohne die EU keine Lösung für eine Aufteilung der Flüchtlinge geben wird. Es gibt auch keinen Rechtsanspruch für Flüchtlinge, sich ein Wunschland für ihre Niederlas­sung auszusuchen. Es gibt für mich auch eine klare Verpflichtung jedes Flüchtlings, sich an unsere Gesetze zu halten.

Alle in diesem Haus wissen, dass die Zeit der Chinesischen Mauer in ihrer ursprüng­lichen Verwendung vorbei ist. Im Zeitalter der globalen Vernetzung mit Smartphones und Fernsehen wissen die Menschen bereits in den abgelegensten Ländern, in welchen Regionen die Lebensqualität besonders gut ist. Wir sind nicht in der Lage, weder die Meere noch die Berge so abzusichern, dass niemand mehr zu uns hereinkommt. Wir müssen bereit sein, den Menschen in ihrer Heimat zu helfen, ihnen in ihrem Land eine Perspektive zu geben. Die Schere zwischen armen und reichen Ländern darf nicht noch weiter auseinandergehen. Menschen, die nichts zu verlieren haben, werden sich holen, was sie zum Überleben brauchen.

Nun zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Land. – Eine Anpassung der Sätze ist für mich mehr als gerechtfertigt (Zwischenruf des Bundesrates Meißl), obwohl sie eigentlich, Herr Kollege, nur die Abrechnung zwischen Bund und Land betrifft. Und da Sie bereits angesprochen haben, dass die Gemeinden dabei stark zahlen: Die Gemeinden werden durch diese Lösung ja auch entlastet, weil die Gemeinden einen Beitrag in dieses System einzahlen.

Aber zur Abrechnung selbst: Die Kostenaufteilung dieser Grundversorgung zwischen Bund und Ländern bleibt – auch nach dieser Vereinbarung – mit 73 Prozent Anteil für den Bund und 27 Prozent für die Länder gleich. Bei der Grundsicherung zahlen in fast allen Bundesländern die Gemeinden einen Beitrag von etwa 35 bis 50 Prozent. Und wenn die Grundsicherung entlastet wird, werden auch die Gemeinden und die Bundesländer entlastet.

Derzeit stehen in Österreich 74 829 Personen in der Grundversorgung – das war der Stand von gestern. Zur Klarstellung die derzeitigen Sätze, welche die Asylwerber erhalten – vielleicht nimmt man da auch ein wenig Polemik weg –: Das Taschengeld, das die Asylwerber monatlich erhalten, sind 40 €. Sie erhalten 1,33 € pro Tag für Zahnpasta, Telefonieren und Hygieneartikel. (Zwischenruf des Bundesrates Meißl.) Sie erhalten als Bekleidungsgeld 150 € pro Monat (Bundesrat Gödl: Pro Jahr!) – Entschul­digung, pro Jahr, das sind 12,50 € pro Monat. Und die anderen Sätze wurden bereits erwähnt.

Ein Erwachsener, der sich in Österreich aufhält, erhält, wenn er sich selbst verpflegt, für Verpflegung und Unterkunft 365 € pro Monat, also 215 € pro Monat für die Ver­pflegung und 150 € für die Übernachtung beziehungsweise für das Zimmer. Die Ge­samt­kosten wurden bereits erwähnt: Mit 203 Millionen € rechnet man für das nächste Jahr – bei diesen Kosten und der Aufteilung, die ich auch bereits erwähnt habe.

Wenn wir immer auf diese Kosten schimpfen: Das Geld, das diese Menschen bekom­men, bleibt in Österreich – nicht so wie bei der Hypo. Es bleibt in Österreich und kommt der Wirtschaft zugute, das meiste wird in Lebensmittel investiert, der Rest geht an die Vermieter. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


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Wir von der Sozialdemokratie schauen vor allem auch auf die Kinder. Ein Kollege – er ist nicht mehr da – hat gesagt, dass Kinder auch Rechte haben. Ich hoffe, dass die Kinderrechte auch für jene gelten, die in Österreich leben oder in Österreich Asyl suchen. Und wenn es Kritik gibt an den Sätzen für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger, darf ich auch erinnern: Der Satz in Österreich beträgt derzeit 120 € für jedes österreichische Kind. Bei Asylwerber-Kinder hat man den Satz jetzt von 75 € auf 95 € erhöht.

Ich denke, es ist angebracht, dass die Kosten entsprechend angepasst werden bezie­hungsweise die Sätze des Bundes entsprechend angepasst werden. Wir stimmen dieser Anpassung auf jeden Fall sehr gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.33


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


15.33.39

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Eines vorweg, auch von mir: Negative Emotionen sind bekanntlich keine guten politischen Ratgeber. Und Österreich ist auch keine Insel. Der europäische Gedanke war immer, die Mauern und Grenzen zu Fall zu bringen, wie es schon vor 25 Jahren passiert ist. Ich bin ein Kind dieser Geburtsstunde, da meine Eltern Ende 1989 nach Österreich kamen.

Was diese Artikel-15a-Vereinbarung anlangt, so ist es auf jeden Fall eine – das steht auch in der Regierungsvorlage so – notwendige Anpassung gewesen. Es war bisher schon nicht kostendeckend und es wird auch mit dieser Anpassung nach wie vor nicht alle Kosten decken. Nichtsdestotrotz begrüßen wir natürlich die kleine Anpassung. Zu den Einwänden komme ich später.

Was, glaube ich, noch ganz wichtig zu erwähnen ist, weil das vorher schon Thema war: Es ist erst vor drei Jahren angepasst worden, es ist also bis 2012 gar nicht ange­passt worden. Es ist dann 2012 moderat, wie es heißt, angepasst worden, das heißt ganz geringfügig. Diese Inflationsanpassungen können wir doch alle nicht ernsthaft als eine Erhöhung betrachten! (Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Herbert.)

Was da auf jeden Fall noch fehlt und was die Grünen in einem Antrag, der bedauerns­werterweise abgelehnt worden ist, versucht haben, noch sichtbar zu machen, ist die Lage der minderjährigen Flüchtlinge. Kinder und Jugendliche, die zum Teil allein flüchten, haben nicht die gleichen Möglichkeiten wie Kinder und Jugendliche in Öster­reich. Ich weiß, Sie werden sagen, dass das ja nicht unsere Kinder sind. (Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Ich denke aber, dass es ethisch durchaus auch für rechte Parteien und auch für die ÖVP so sein sollte, dass man gerade in diesem Punkt die Kinder und Jugendlichen gleich behandelt, weil das auch unsere Kinder und Jugendlichen sowie unsere Erwach­sene von morgen sein werden. (Beifall der Bundesrätin Blatnik. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Was nämlich diese Gruppe von Flüchtlingen anbelangt, so haben sie im Besonderen die gleichen Bedürfnisse, ungeachtet dessen, woher sie kommen. Sie brauchen Schutz, sie brauchen Betreuung, sie brauchen geregelte Tagesabläufe und vor allem auch die Möglichkeit auf Schulbesuch und Bildung. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) Niemand, glaube ich, von uns – egal, wo wir politisch stehen – wünscht sich, dass Kinder nicht die Schule besuchen können. Ich glaube, dass wir alle hier so weit sind. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.)


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Dass die FPÖ leider immer wieder und wenig überraschend solche Anlässe nutzt, um zu hetzen oder um überhaupt das Menschenrecht auf Asyl in Frage zu stellen (Zwischenrufe der Bundesräte Herbert, Mühlwerth und Meißl), Menschengruppen pauschal zu verurteilen, ihnen zu unterstellen, dass sie eventuell in einem größeren Ausmaß als ansässige Bürger und Bürgerinnen kriminell wären – das ist meiner Meinung nach Verhetzung, Herr Kollege! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Insofern ist es, glaube ich, sehr wichtig, auch im Rahmen dieser Anpassung nochmals zu betonen: Asyl ist ein Menschenrecht. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) Und spätestens dann, wenn Sie einmal in die Lage kommen, flüchten zu müssen, werden Sie sich daran erinnern! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Demokratie – das ist auch ganz wichtig, auch wenn es um kleine Anpassungen geht – darf und soll und muss etwas kosten. Das sollte auf der Hand liegen. Das sollte selbst­verständlich sein. Insofern: Politische Debatten zu führen anhand von Angleichungen, Anpassungen, die einfach absichern, dass Menschen, die zu uns geflüchtet sind, eine menschenwürdige Unterkunft bekommen (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), die ja sozusagen auch nur aus unserer und Grüner Sicht nicht bis zur Gänze gewähr­leistet ist, das wäre, glaube ich, das Mindeste, worauf wir uns alle hier einigen könnten.

Und weil wir vorher schon das Thema hatten und Sie sich nicht damit abfinden konnten, dass nicht nur Frauen und Männer eine Familie gründen können, sondern es auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Kinder gibt, die das Recht auf Kindes­wohl haben, sei auch noch erwähnt, dass Homophobie wie Xenophobie heilbar sind und in politischen Debatten nichts verloren haben, wenn wir das nur über negative Emotionen und Vorurteile debattieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Herbert: Eine eigene Meinung dürfen wir wohl haben!)

15.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort. – Bitte.

 


15.38.45

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! In aller Kürze ein sehr herausforderndes Ja, das zweifelsohne viel mit den Migrationsströmen und mit der Bewerkstelligung dieser Migrationsströme zu tun hat.

Heute hier im Mittelpunkt steht die Erhöhung der Tarife, die aufgrund intensiver Ver­hand­lungen zwischen dem Bund und den Ländern zustande gekommen ist.

Ich würde Sie bitten, Herr Bundesrat Meißl von der FPÖ Steiermark, innerhalb der FPÖ die Linie abzuklären: Wo stehen die Freiheitlichen? Wollen Sie jetzt eine Tarifer­höhung haben: ja oder nein? – Mir liegt nämlich ein Antrag seitens Niederösterreich vor, der von den Grünen und den Freiheitlichen gemeinsam eingebracht worden ist, in dem es darum geht, den neuen Tagessatz für unbegleitete Minderjährige nicht zu blockieren, das heißt, also den alten zu erhöhen. Meine Bitte ist: Werden Sie sich einmal innerhalb der FPÖ einig, was Sie letztendlich wollen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das Zweite, Herr Bundesrat Meißl aus der Steiermark als auch alle anderen Frak­tionen, egal, aus welchem Bundesland: Mit den Tarifen verbunden ist natürlich die Betreuung und Unterstützung der Flüchtlinge, der Menschen, die zu uns kommen, weil sie vor Gewalt, Terror und Verfolgung flüchten. Was es braucht, sind Quartiere. Ich garantiere Ihnen, wenn die Steiermark über 100 Prozent erfüllt, Herr Kollege, dann können wir gerne darüber reden, die Zahl der zu betreuenden Personen hinunter-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 117

zufahren. Auch die Steiermark ist gefordert, wie auch alle anderen Bundesländer. (Zwischenruf des Bundesrates Meißl.)

Die Frau Bundesrätin von den Grünen hat gesagt, wir brauchen Plätze in der Betreu­ung. Dafür ein herzliches Danke! Auch Sie darf ich einladen, egal, ob wir von Tirol sprechen oder sonst irgendein Bundesland: Wir haben überall einen Aufholbedarf! Und das liegt nicht in der Verantwortung des Bundes, sondern in der Verantwortung der Bundesländer. Abe ich möchte hier in gar keiner Weise Schuldzuweisungen vornehmen, denn die Herausforderung, die wir zu bewerkstelligen haben, ist groß genug.

Machen wir es gemeinsam! Hören wir auf, permanent mit dem Finger auf den anderen zu zeigen! Wir wissen, dass die Herausforderung groß genug ist. Ich bitte Sie auch, von allen Interventionen, dass da und dort kein Betreuungsquartier aufgemacht wird, Abstand zu nehmen, denn wir brauchen sie. Da braucht es auch die Kasernen, wo wir die Bereitschaft seitens des Herrn Verteidigungsministers brauchen, und ich hoffe, dass er zur weiteren Unterstützung auch bereit ist. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.42


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Jenewein zu Wort. – Bitte.

 


15.42.12

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde es relativ kurz machen, denn ich war ja eigentlich nicht gemeldet. Die Äußerungen der Kollegin von den Grünen haben mich jedoch dazu veranlasst, mich zu Wort zu melden.

Erstens einmal möchte ich es in aller Schärfe und Deutlichkeit zurückweisen, dass Sie, wenn Sie von Xenophobie und Sexismus reden – und was da alles an Verbalinjurien gekommen ist –, in unsere Richtung schauen. Sie versuchen, das in Richtung der FPÖ zu adressieren. Ich weise das auf das Schärfste zurück.

Weder sind wir xenophob, noch werden Sie in unseren Reihen Leute finden, die das Krankheitsbild, das Sie gerade versucht haben in unsere Richtung zu definieren, aufweisen. Ich halte es eigentlich nicht nur für vermessen, nicht nur für eine Frechheit, sondern für eine Infamie sondergleichen – ich sage Ihnen das im vollen Bewusstsein dessen, was ich meine –, dass Sie hier glauben, Krankheitsbilder definieren und einer politischen Fraktion an den Kopf werfen zu können. Ich halte das nicht nur hinsichtlich der Stimmung in diesem Haus für ein riesengroßes Problem, ich halte das auch für politisch unredlich und weise das auf das Schärfste zurück. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe mich aber auch deshalb zu Wort gemeldet, um ganz kurz – weil es ja auch Thema dieses Tagesordnungspunktes ist – auf diese Geschäftemacherei, die da betrie­ben wird, einzugehen. Ich habe zufällig noch etwas, was ich für die letzte Sitzung vorbereitet habe, was sich damals aufgrund der Redezeit nicht mehr ausgegangen ist. Es zeigt sich wieder einmal, dass es gut ist, wenn man sich die Sachen aufhebt, weil man sie immer wieder verwerten kann.

Die Hauptempfängerin dieser Gelder, die da über die Republik ausbezahlt werden, ist die bereits von meinem Kollegen genannte Firma ORS. Das ist schon wert, dass man sich das ein bisschen näher anschaut.

Die ORS, eine Schweizer Firma mit einem jährlichen Umsatz von 70 Millionen Fran­ken – nicht ganz uninteressant –, betreut mit Stand November – vielleicht hat sich das mittlerweile geändert – 28 Stellen in ganz Österreich. Sie gehört der schweizerischen OX Group. Nach dem sogenannten selbsternannten Arabischen Frühling, der eigent-


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lich leider Gottes in einem arabischen Tiefwinter geendet hat, wurde diese OX Group interessanterweise von der Equistone Partners Europe gekauft, und Equistone Partners Europe hat früher Barclays Private Equity geheißen.

Wir haben heute schon gehört, dass wir mit dem Steuergeld, das von den Österreiche­rinnen und Österreichern erwirtschaftet wird und das nicht der Finanzminister, nicht die Minister und nicht das Parlament ausgeben, eigentlich so umgehen sollen, dass man entsprechend der Richtlinien eines anständigen Kaufmannes davon ausgehen kann, dass diese Gelder ordnungsgemäß verwendet werden.

Diese erwirtschafteten Gelder werden einer Aktiengesellschaft, die laut Schweizer „Tages-Anzeiger“ eine konzernähnliche Struktur aufweist – zumindest schreibt das der Schweizer „Tages-Anzeiger“ im Herbst 2013 in seiner Ausgabe –, in den Rachen geworfen, also einer Aktiengesellschaft, die natürlich gewinnorientiert ist.

Das sollte man bei dem Ganzen nicht vergessen, wenn gesagt wird, dass die das recht gut machen. Interessant ist übrigens auch, dass dieselbe Gruppe natürlich auch dieses Lager in der Slowakei betreut. Und die 500 Personen, die aus Österreich in die Slowakei verfrachtet worden sind, wurden ebenfalls von dieser ORS-Gruppe in die Slowakei transferiert.

Wir sollten nicht vergessen, dass wir einen Beitrag dazu leisten, dass diese Aktienge­sell­schaft einen ordentlich fetten Gewinn macht. Das sollte man nicht vergessen bei all diesem Jubel, wenn man sagt, dass die das gut machen und dass das schon funktioniert. Da sollte man sich vielleicht einmal die Konzernstruktur auch in Österreich genauer ansehen.

Das Ministerium der Frau Innenministerin wird in den nächsten Monaten noch genügend Gelegenheiten haben, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Es sind einige parlamentarische Anfragen, gerade was diese Struktur betrifft, auf dem Weg. Die werden in den nächsten Tagen dort ankommen. Wir werden uns genau anschauen, was mit diesen erwirtschafteten Geldern passiert, ob diese Gelder in Österreich investiert werden, weil man da dann landläufig sagt, dass das alles im Lande bleibt und so gut investiert ist.

Die Frau Innenministerin – Sie können selbst berichten – hat im Ausschuss für innere Angelegenheiten berichtet, dass vonseiten des BMI Alphabetisierungskurse finanziert werden müssen. Das heißt, die Leute, die zu uns kommen, sind halt leider nicht die Ingenieure, die Internisten, die gut ausgebildeten Personen, sondern es ist leider Gottes so, dass wir zu einem Gutteil auch alphabetisieren müssen, vor allem jene, die aus Afghanistan kommen.

Das heißt, wir importieren uns die Probleme von morgen, wir importieren uns auch die Arbeitslosigkeit von morgen. Ich will es ja niemandem zum Vorwurf machen. Das überlasse ich Ihrer Fantasie und vor allem auch der Fantasie jener, die dieser Sozialromantik das Wort reden.

Ist es denn wirklich eine Perspektive für junge Menschen und Menschen überhaupt, sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa zu locken (Zwischenrufe der Bundesräte Beer und Schennach), wenn sie weder die Qualifikation noch die Aus­bildung haben, um eine Chance auf einen vernünftigen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu haben? In welche Richtung sich ein Gutteil dieser Menschen entwickelt, überlasse ich Ihrer Fantasie. (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.) – Das können Sie sich dann selbst überlegen, Frau Kollegin!

Dass da natürlich der Weg Richtung Kriminalität vorgezeichnet ist, ist ja offenkundig. (Bundesrat Stögmüller: Nein, ist es nicht!) – Ja, ich weiß schon. Schauen Sie, wir sind jetzt im Dezember 2015. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Als wir im Herbst


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davor gewarnt haben, dass mit diesen Flüchtlingsströmen auch problematische Menschen kommen, sind die Kollegen der Grünen da vorne gesessen und haben gesagt: Das ist ja fürchterlich, diese Hetzerei! – Mir war klar, dass ich dann, wenn ich heute hier zu diesem Thema spreche, ein Hetzer bin. Das war mir in der Früh klar, das ist mir immer klar. (Bundesrat Schennach: So viel Selbsterkenntnis habe ich Ihnen gar nicht zugetraut!)

Es ist für mich logisch, dass ich von Ihnen so apostrophiert werde, aber das ist mir egal! (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) – Das ist mir völlig egal. Sie können mir sagen, dass ich ein Hetzer bin, Sie können zu  mir sagen, dass ich eine Klobürste bin, denn darum geht es überhaupt nicht.

Der Punkt ist, dass sich in den letzten Tagen auch jene Vermutungen und jene Besorg­nisse wieder einmal neu bestätigt haben: In Salzburg wurden in Flüchtlings­lagern Terroristen festgenommen, bei denen der dringende Verdacht besteht, dass sie in Paris mit von der Partie waren beziehungsweise dass es Kontakte gibt. Wir kennen die Fotos von den Kalaschnikows, die da quer durch Europa geführt werden. Das zu verneinen und abzustreiten, das machen wirklich nur mehr all jene Personen, die Scheuklappen vor dem Gesicht haben, die Scheuklappen vor dem Kopf haben oder ein Brett vor dem Kopf haben.

Ich denke, das sollte man tunlichst abstellen, denn sonst werden wir uns Probleme … (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) – Ja, Herr Kollege, Sie können das lustig finden! Wir werden einmal schauen, was dann in Kärnten los ist, wenn dann bei Ihnen in den Gemeinden die Heime eröffnet werden. Ich weiß das selbst aus Kärnten. Ich weiß das selbst aus Kötschach-Mauthen, wie das ist, wenn in einer Kleingemeinde auf einmal die Leute zwangsbeglückt werden, sie nicht informiert werden, wo der Bürgermeister nichts dazu sagt, wo der Landeshauptmann nichts dazu sagt und von der BH nichts dazu kommt – das kennen wir alles, Herr Kollege! (Bundesrat Novak: Ich habe selber Flüchtlinge und komme damit zurecht!)

Machen Sie nur so weiter! Machen Sie nur so weiter! (Bundesrat Novak: Ein solcher Hetzer …!) – Ja, ich weiß schon, das ist schon wieder Hetze, was ich da sage. Ich sage Ihnen nur, Sie werden es spätestens dann erleben, wenn bei den nächsten Wahlen wieder abgerechnet wird. Dann werden sich wieder die Parteimanager vor die Kameras stellen müssen, sie werden dann wieder tränende Augen haben und wieder erklären: Wir müssen unsere Politik besser verkaufen. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Machen Sie bessere Politik, dann brauchen Sie sie nicht besser zu verkaufen! Machen Sie bessere Politik, dann wird es kein Problem geben! (Bundesrat Stögmüller: Sie haben keine Lösung!) – Doch! Ich sage Ihnen, was die Lösung ist: Die Lösung ist, nicht Menschen in ein Land zu lassen, ohne diese Menschen zu kontrollieren (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), nicht Menschen durch das Land durchzuschleusen in der Hoffnung, dass uns nichts passiert.

Es hat sich nämlich gezeigt, dass diese Lösung nicht die wirklich richtige ist, weil es sonst nicht passieren würde, dass wir an den Grenzen die Menschen verwalten – am besten durchschleusen – und sich die Republik als Schlepper geriert. Das war es doch bisher. Man hat immer nur geschaut, dass die recht schnell nach Deutschland kommen. Das war doch der Punkt. Und irgendwann kommt man dann halt darauf … (Zwischenrufe der Bundesräte Dziedzic und Mayer.)

Ja, aber es ist doch eine Illusion, zu glauben, dass wir durch eine gesamteuropäische Lösung eine Verbesserung bekommen werden (Bundesrat Stögmüller: Was willst du denn …!), weil diese Leute ab dem Zeitpunkt, wo sie Asylstatus haben, natürlich auch Bewegungsfreiheit in Europa haben. Und natürlich werden sie dorthin gehen, wo sie


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sich vermeintlich eine bessere Lebensqualität erwarten. Das heißt, selbst wenn Sie die osteuropäischen Partner dazu bringen, dass sie sagen, dass sie nun dieses Kontingent aufnehmen müssen, können sich diejenigen mit Asylstatus dann frei in Europa bewegen.

Theoretisch ist es auch gut, dass sie das können, weil das ja Sinn dieser europäischen Reisefreiheit ist. Nur: Die bleiben nicht dort, sondern gehen dorthin, wo sie es eben vermeintlich besser haben. Da liegt ja der Hase im Pfeffer! Das ist ja das wirkliche Problem dahinter.

Ich verstehe nicht, dass man über diese Probleme nicht sprechen soll und dass man, wenn man es tut, als Hetzer und als kranker Mensch, der geheilt werden kann, apostrophiert wird. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Wissen Sie, ich würde mir niemals anmaßen, das über Sie und Ihre Person oder über Ihre Partei zu sagen. Das würde ich mir niemals anmaßen, weil sich so etwas an sich nicht gehört. (Bundesrat Schennach: Sollen wir ins Archiv schauen?!) Und es gehört sich schon gar nicht im Hohen Haus.

Das, was Sie hier heute gemacht haben, war eine Zäsur, denn Sie haben eine rote Linie überschritten. Ich würde Sie dringend ersuchen und Ihnen dringend anraten, über diese rote Linie wieder zurückzugehen. Denn wenn man damit argumentiert, dass diese Fraktion krank ist, die krank sind und die dort krank sind (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic), dann sind wir in einer Situation, die etwas gefährdet, was uns allen am Herzen liegen sollte, nämlich die Demokratie in diesem Land! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.52


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


15.52.25

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es liegt mir fern, dieses Problem zu verniedlichen, es zu ignorieren oder zu übergehen. Trotzdem habe ich mich noch vor der Rede des Kollegen Jenewein dazu entschlossen, Ihnen etwas vorzurechnen, nämlich eine Rechnung, die ich vor einigen Tagen gehört habe.

Zum Kollegen Jenewein eine andere Rechnung: Versuchen Sie einmal, mit den Tages­sätzen, die bezahlt werden, zum Beispiel Jugendliche oder eben Flüchtlinge unterzu­bringen und entsprechend zu versorgen. Das ist alles andere als einfach, und da liegen wir nicht in der großen Bereicherung. Wenn Sie in privaten Quartieren – so wie es geschieht – mit diesen Tagessätzen arbeiten, müssen Sie genau rechnen, damit Sie durchkommen und eine ordentliche Versorgung … (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das müssen die Mindestpensionisten auch!) – Ja, ein Mindestpensionist hat aber mehr als 300 € oder so. Es ist nicht einfach und ist nicht eine Quelle des unbegrenzten Reichtums.

Da Weihnachten kommt, wir uns schon in der Weihnachtszeit bewegen und es jetzt schon andere Weihnachtswünsche gegeben hat, wollte ich Ihnen noch eine Rechnung vorstellen. Für Deutschland hat jemand berechnet – ich glaube, für Österreich wird die Rechnung nicht viel anders sein, weil uns allen die Kekse, der Weihnachtsbraten und Sonstiges mundet –, dass der durchschnittliche Deutsche – das wird für den durch­schnittlichen Österreicher nicht anders sein – in der Weihnachtszeit zwei bis drei Kilo zunimmt. (Bundesrat Schennach: Noch ist Fastenzeit!) Errechnet man das Gesamt­gewicht, das wir in dieser Zeit zunehmen, dann ist das ungefähr das Fünffache von dem, was alle Flüchtlinge, die derzeit bei uns sind, wiegen.


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Ich finde, das ist eine Rechnung, die wieder viel von jenen Problemen relativiert, die vor uns liegen und die wir haben, gerade auch was die unmittelbare Versorgung dieser Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben und die mit nichts ankommen, betrifft.

Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten und hoffe, dass Ihnen die Kekse trotzdem schmecken! – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.55

15.55.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

15.55.4611. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidenten­wahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenz­gesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2015) (1438/A und 943 d.B. sowie 9496/BR d.B. und 9518/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich bitte um den Bericht.

 


15.56.05

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Hohes Präsidium! Frau Minister! Der Bericht zu diesem – etwas emotionsloseren – Gesetz, nämlich dem Wahlrechtsände­rungs­gesetz, liegt allen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 15. Dezember in Verhandlung genommen.

Ich darf namens des Ausschusses den Antrag stellen, gegen den gegenständlichen Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Samt zu Wort. – Bitte.

 


15.56.38

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher vor den Fernsehgeräten! Das ist offensicht­lich ein nicht so aufregender Punkt, wiewohl auch da gewisse Dinge eine Rolle spielen können, über die man nachdenken sollte.

Ein wesentlicher Punkt dieser Gesetzesänderung betrifft ja die Wahlkarte an sich. Die Statistik ist interessant, wenn man sich die Nationalratswahlen 2008 und 2013 an­schaut. Wenn man die Anzahl der ausgestellten Wahlkarten vergleicht, stellt man eine Steigerung von 20,9 Prozent, also knapp 21 Prozent, fest. Wenn man die EU-Wahlen aus den Jahren 2009 und 2014 gegenüberstellt, ist sogar eine Steigerung von fast 35 Prozent zu verzeichnen. Es ist also durchaus so, dass diese Wahlkartenmöglichkeit


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für den Wähler eine immer stärkere Bedeutung bekommt und auf eine immer höhere Akzeptanz trifft.

Wenn man sogar noch weitergeht und die Anzahl der ausgestellten Wahlkarten den Wahlberechtigten bei den jeweiligen Wahlen gegenüberstellt – zumindest setzt man das einmal voraus, weil es ja nur eine Vermutung ist –, dann haben bei der National­ratswahl 2013 immerhin 10,5 Prozent der Wahlberechtigten offensichtlich mit Wahl­karte gewählt. Zieht man die EU-Wahl 2014 heran, dann liegt man bei knapp 7 Pro­zent.

Ich nehme an, dass der Prozentsatz sogar noch höher sein wird, weil jemand, der eine Wahlkarte beantragt, wahrscheinlich in einem höheren Maß oder mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich wählen wird als jemand, der wahlberechtigt ist und dann am Sonntag nicht hingeht.

Es ist aber genau dieser Punkt, der mit diesen Zahlen erreicht ist, wo man sehr vorsichtig werden sollte, und zwar deswegen vorsichtig, weil ja unser Misstrauen gegen dieses System nicht gegen die Wahlkarte per se geht, sondern eindeutig gegen die Art, wie diese Wahlkarten auf Gemeindeebene gehandhabt und verwaltet werden.

Die Erwartung, dass sich neben einer verbesserten Qualität – so wie es in der Erklä­rung steht – der Datenaufbereitung in der zentralen Wählerevidenz auch eine vermu­tete bürokratische Vereinfachung durch diese Maßnahme ergeben wird und man sich auch Kosten erspart, halte ich für eine Vermutung, die ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehen kann.

Der einzige Mehraufwand, der da dargestellt wird, liegt in der Tatsache, dass bei den Nationalratswahlen – so wird es präsentiert – ein Teil der Briefwahlstimmen, die in den regionalwahlkreisfremden Wahllokalen abgegeben werden, nicht schon am Montag, sondern erst am Donnerstag in der darauffolgenden Woche ausgezählt werden.

Und ich weiß selber, da ich sowohl in Landes- als auch in Bezirkswahlbehörden sitze, dass bei der Auszählung dieser Briefwahl- und der Wahlkartenergebnisse die Grenzen der Wahlbehörden bereits erreicht sind. Das heißt, es ist ein immer größer werdender Aufwand, welcher hier auf die Verwaltung zukommt. Und ich sehe keine Vereinfachung oder Einsparung aus dieser Maßnahme hervorgehen.

Damit sind wir aber auch – und da spreche ich jetzt für meine freiheitliche Gesinnungs­gemeinschaft – bei dem grundsätzlichen Problem, das wir mit der Briefwahl haben: Es ist nach wie vor Wahlbetrug möglich. Die jüngsten Erkenntnisse aus den Wahlen in Vorarlberg zeigen dies.

Es wird demnächst zu einem Verfassungsgerichtshofentscheid kommen, wodurch in Hohenems und Bludenz die Stichwahl des Bürgermeisters wiederholt werden muss. Das heißt, es ist hier trotzdem – und das ist nachgewiesen – möglich, stark negativ in diese Wahlkartenthematik einzugreifen.

Und ich brauche gar nicht nach Vorarlberg zu gehen, ich bleibe bei mir in der Steiermark: Auch anlässlich der letzten Gemeinderatswahlen in der Steiermark ist es zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die von der Aufsichtsbehörde mehr oder weniger unter den Tisch gekehrt worden sind, und das nur aufgrund der Tatsache, dass die durch Manipulationen stattgefundenen Änderungen der Stimmabgaben und die sozu­sagen unrechtmäßige Zuteilung von Stimmen schlussendlich das Wahlergebnis nicht beeinflusst haben. Das ist ja der Grund dafür, dass es jetzt in Vorarlberg zu einer Wiederholung dieser Stichwahlen kommt. Dort wurde eindeutig das Wahlergebnis verändert.


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Klar ist: Auch wenn das hinterher in der Steiermark nicht verfolgt wurde, bleibt es Wahlbetrug, der teilweise in den Gemeinden sehr stark – wie man hinterher festgestellt hat, vor allem im Bereich von Pflegeheimen – vorkommt. Also dort ist das ganz offen­sichtlich ein heißes Thema, wo man immer wieder hingeht, wo gemeindenahe Persönlichkeiten in den Pflegeheimen auftreten und sich dort mehr oder weniger auf wirklich nicht legale Art und Weise zusätzliche Stimmen holen.

In meiner eigenen Gemeinde ist so etwas passiert, wo das im Vorfeld aufgedeckt wurde: Der Herr Bürgermeister ist mit einer Anzahl von Wahlkarten ausgestattet zu älteren Menschen der Gemeinde gegangen und hat damit geworben, dass sie gleich so wählen könnten, sie bräuchten nicht mehr in das Wahllokal zu gehen, es brauche auch nicht die „fliegende Wahlkommission“ zu kommen, so wäre alles viel schöner.

Wir haben das im Vorfeld zur Anzeige gebracht. Und was ist passiert? – Die Aufsichtsbehörde hat den Herrn Bürgermeister angerufen und ihm gesagt, das dürfe er nicht tun. Man hat gesagt: Herr Bürgermeister, so können Sie das nicht machen! Das geht gar nicht! – Ich bin der Meinung, dass mit diesen Wahlkarten schlicht und ergrei­fend Betrug möglich ist. Und ich nenne es beim Namen: Es ist Betrug! Es ist Wähler­täuschung, es ist in Wahrheit ein Gesetzesbruch, der durch dieses System nicht verhindert werden kann.

Es gibt auch die Meinung der Behörde, diesbezüglich zu sagen: Na ja, die Abgabe der Wahlkarten durch Dritte ist ja immer möglich! Das können ja auch Verwandte zur Post bringen! – Das ist nicht das Gleiche! Auch hier ist Missbrauchsgefahr gegeben.

Wir von der Freiheitlichen Partei sind daher der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf unsererseits abzulehnen ist und überhaupt das ganze System der Wahlkartenthematik zu hinterfragen ist. Hier ist eine massive Reform dieser Art des Wählens gegeben. Und aus diesem Grund lehnen wir dieses Gesetz auch ab. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.04


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Todt zu Wort. – Bitte.

 


16.04.21

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Kollege Samt, die 20 Prozent Steigerung bei den Wahlkarten sprechen grundsätzlich für die Wahlkarten, da Wahlkarten einfach bedeu­ten, dass mehr Menschen ihr Wahlrecht ausüben können, nämlich diejenigen, die bettlägerig sind und sonst nicht hätten wählen gehen können oder mühsam mit einer fliegenden Wahlbehörde hätten besucht werden müssen. Es betrifft ältere Menschen, die nicht ins Wahllokal gehen wollen und viele andere mehr. Das Wahlrecht ist ein Grundrecht in der Demokratie und wird daher mit Wahlkarten wesentlich besser erfüllt.

Betreffend die Kosteneinsparungen – das ist eine ganz einfache Geschichte: Den Kolleginnen und Kollegen in dieser Abteilung im Innenministerium ist es gelungen, eine zentrale Wählerevidenz aufzubauen. Und die zentrale Wählerevidenz ermöglicht jetzt, dass die Länder nicht mehr tätig werden müssen, und damit erspart man sich 20 000 €. Also wo sehen Sie Kosten und dass mehr Geld ausgegeben wird? – Demokratie kostet etwas, daher kosten natürlich auch Wahlkarten etwas, aber man kann trotzdem auch etwas einsparen. Das ist Ihnen im Ausschuss auch erklärt worden, daran kann ich mich gut erinnern. – Danke für die Erklärung, Kollege Stein!

Nur zum Wahlrechtsänderungsgesetz: Wir haben das ja bei der Europawahl schon ausprobiert, und dort hat das bestens funktioniert. Warum soll man nicht am Wahltag, wenn man eine Wahlkarte hat, auch in ein Wahllokal gehen können und dort seine


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Stimme abgeben können? Und da man ein Verfahren entwickelt hat – da dies für die Nationalratswahlen natürlich um einiges komplizierter als für die Bundespräsidenten­wahl und Europawahl ist – und durch dieses Verfahren auch die geheime Stimmenaus­zählung weiterhin gewährleistet bleibt, das heißt, das bleibt anonymisiert, wird man das auch so durchführen können.

Herr Kollege Samt, geben Sie Menschen eine Chance, wählen zu gehen! Dass es in den Bereichen Missbrauch gibt, bestreite ich ja nicht, bloß hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Die Wahlkarte wird ja nicht zum Zwecke des Missbrauchs eingeführt, sondern dafür, dass Menschen wählen gehen und an der Wahl teilnehmen können. Und das ist, glaube ich, das Wesentliche! Und die, die einen Missbrauch begangen haben, sind letzten Endes verurteilt worden. Und es gibt in Vorarlberg eine Nachwahl, also ist das ja ein ganz normaler Vorgang. Das Briefwahlrecht ist ja nicht nur in Österreich ein Erfolgsmodell, sondern in ganz Europa. Und warum sollen wir bei einer Entwicklung, die es eben gibt und die das Wählen erleichtert, zurückbleiben?

Die Briefwahl hilft, das Wahlrecht für alle zu garantieren und sie ist Bestandteil der Demokratie. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Kern zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.08.35

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners inhaltlich voll und ganz anschließen, und deshalb darf ich es ganz kurz machen.

Auch wir begrüßen diese Lösung, es ist eine bürgerfreundliche Lösung. Diese Reform ist wichtig, gerade um das Wahlgeheimnis zu wahren. Ziel dieser Novelle ist auch, die Verbesserung bei der Bundespräsidentenwahl an die positiven Erfahrungen anzu­gleichen, die wir bei der Europawahl gemacht haben. Und auch wir möchten betonen, dass unsere Demokratie immer lebendiger werden soll, dass es einfacher werden soll, zu wählen, und dass der Zugang zu Wahlen für Menschen leichter gemacht werden soll. Wir sehen es an den steigenden Zahlen, diese sind schon genannt worden: Wir haben bei der Nationalratswahl 2002 380 Wahlkarten ausgestellt, elf Jahre später waren es 680 000.

Das heißt, wir sehen, dass dieses Modell, dieses Angebot, von den Menschen ange­nom­men wird. Auch bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen haben wir positive Erfahrungen mit den Wahlkarten gemacht. Zum Beispiel waren es bei der Wiener Landtagswahl über 200 000 Wahlkarten, die ausgestellt wurden.

Durch das System der Wahlkarten haben die Menschen die Möglichkeit, Freizeit, Urlaub und Familie mit dem wichtigen Wahlrecht in Einklang zu bringen. Wir sehen die Briefwahlmöglichkeit als Service für den Bürger, deswegen ist sie gut und richtig! Eventuelle Bedenken betreffend das Wahlgeheimnis hoffen wir mit dieser Novelle ausräumen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.09


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.10.17

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Frau Minister! Auch wir bekennen uns eindeutig zur Brief-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 125

wahl. Sie ermöglicht es vielen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, die sonst nicht wählen würden oder für die es sehr schwierig wäre. Ich denke, das ist ein wich­tiges Service für die Bürger und Bürgerinnen.

Ja, Missbrauch kam vor, wurde aber offensichtlich aufgedeckt und kommt vor allem bei Funktionsträgern vor, also weniger vonseiten der Wähler. Ich denke, das Ganze ist auch nach wie vor ein gewisser Lernprozess, also „in progress“. Das heißt, deshalb muss auch immer wieder geschaut werden: Wo liegen die Probleme? Wie schaut die tatsächliche Umsetzung aus? Wie schaut es mit Fristen aus, mit den Postwegen und so weiter? – Das wird auch in den Ländern notwendig sein, glaube ich. Und auch hier wird es zu Anpassungen kommen müssen.

Es ist wahrscheinlich auch immer wieder notwendig, die Wahlkommissionen ent­sprechend zu schulen, zu instruieren und unter Umständen auch auf gewissen Ebenen aufzustocken, wenn es mit dem Zählen Probleme gibt. Aber uns allen muss doch wichtig sein, dass möglichst viele Menschen an Wahlen teilnehmen können, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligen und damit unsere Demokratie lebendig und entsprechend legitimiert bleibt.

Und deshalb folgt unser Ja zu dieser Gesetzesvorlage. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.11


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.11.54

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf das noch einmal unterstreichen: Die Brief­wahl oder eben Wahlkarten sind mit mehr Bürgerservice, mehr Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger, die Wähler gleichzusetzen. Dafür ein herzliches Danke für Ihre Zustimmung, was die Änderung dieses Gesetzes betrifft. Dahinter steckt immer sehr viel Arbeit, es wurde auch schon angesprochen: Ja, wir haben beim Instrumen­tarium Briefwahl dazugelernt.

In den letzten Jahren wurde auch sehr viel reformiert und sehr viel verbessert. Dafür braucht es natürlich auch Expertinnen und Experten, daher möchte ich an dieser Stelle auch Mag. Steiner und seinem gesamten Team dafür herzlich Danke sagen. – Ihr könnt ruhig einmal klatschen für Herrn Mag. Steiner! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Last but not least darf ich Ihnen auch ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen, Gottes Segen, und vor allem auch ein erfolgreiches gemeinsames 2016! – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.13

16.13.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 126

16.13.3512. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (780 d.B. und 925 d.B. sowie 9517/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. Bitte um den Bericht.

 


16.13.55

Berichterstatter Gerhard Schödinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Erster ist dazu Herr Bundesrat Mag. Gödl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.14.47

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu­seher und Zuseherinnen zu Hause an den Bildschirmen! Wieder ein relativ unspek­takulärer Punkt, könnte man meinen, wenn es um eine Vereinbarung mit der Republik Tadschikistan geht. Das klingt auch so fern und weit weg.

Alles in allem muss man aber sagen – und damit sind wir beim Kern eines wichtigen Themas –: Rechtssicherheit ist für jeden Staat – für jeden funktionierenden Staat – ein sehr hohes Gut. Und abseits der Rechtssicherheit – wir haben es heute zum Beispiel auch mit Finanzminister Schelling diskutiert – gibt es natürlich in jeder Einheit, in jeder Institution immer den zentralen Wunsch nach Verwaltungsvereinfachung. Bei diesem Haager Beglaubigungsübereinkommen, um das es jetzt im Rahmen dieses Tagesord­nungspunktes geht, das aus dem Jahr 1961 stammt und dem übrigens Österreich 1968 beigetreten ist, handelt es sich genau um diese Schnittstelle zwischen Rechts­sicherheit auf der einen Seite und Verwaltungsvereinfachung, Vereinfachung von diversen diplomatischen Abläufen auf der anderen Seite.

Dieses Übereinkommen – um es kurz zu erklären – sieht vor, dass mit der Anbringung einer Apostille auf einer Urkunde, und zwar im ausstellenden Staat, die Echtheit und die inhaltliche Richtigkeit einer Urkunde garantiert wird, damit die volle diplomatische Beglaubigung, die sehr aufwendig sein kann, nicht erforderlich ist. Aber natürlich müs­sen, damit dieses vereinfachte Prozedere gelten kann, gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, und zwar muss die primäre Voraussetzung sein, dass jener Staat, der ausstellt und die Apostille auf dieser Urkunde anbringt, damit hinsichtlich dieser Urkunde auch absolute Rechtssicherheit garantiert. – Das allgemein zum Haager Beglaubigungsübereinkommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 127

Und damit sind wir jetzt beim inneren Kern dieses Tagesordnungspunktes: Bei diesem Punkt 12 geht es jetzt darum, dass die Republik Tadschikistan, eine relativ junge Republik, mit Beschluss vom Februar dieses Jahres diesem Haager Übereinkommen beigetreten ist. Einige Länder – Deutschland, Belgien und, sofern wir es hier be­schließen, wovon wir ausgehen, auch Österreich – haben Zweifel, ob in dieser Republik Tadschikistan die Urkunden und deren Beglaubigung immer rechtmäßig zustande kommen.

Warum hat man diese Bedenken? – Wenn man sich den Korruptionsindex anschaut, den Transparency International immer veröffentlicht, dann rangiert das Land Tadschikistan an 152. Stelle von 177 Stellen, also ziemlich weit abgeschlagen im hinteren Feld. Das heißt also, es herrscht im Land relativ hohe Korruption. Und daraus lässt sich zumindest der begründete Verdacht ableiten, dass auch Urkunden nicht immer rechtmäßig zustande kommen und über korrupte Wege erworben werden können. Um diesen Vorbehalt rechtskundig zu machen, beraten wir heute diesen Punkt und erheben gegen den Beitritt von Tadschikistan Einspruch.

Wir folgen damit übrigens einer Praxis, die wir gerade fortsetzen, wenn wir diese Region betrachten: Auch bei Kirgisistan im Jahr 2011 und Usbekistan im Jahr 2012 haben wir einen solchen Einspruch gegen den Beitritt zum Haager Übereinkommen erhoben. Das heißt, dass im Rechtsverkehr zwischen Österreich und diesen betref­fen­den Ländern weiterhin eine erhöhte Anforderung beim Zustandekommen der Urkun­den beziehungsweise bei der Bestätigung von deren Echtheit und inhaltlicher Richtigkeit gegeben ist.

Wir hier im Parlament – und das ist unsere Aufgabe – stellen damit klar: Rechtssicher­heit hat höchste Priorität – und nicht nur in diesem Bereich. Da die Frau Ministerin Mikl-Leitner gerade zugegen ist: Auch das, was wir in meiner unmittelbaren Heimat derzeit machen, nämlich mit dem Bau dieser Registrierungsstelle in Spielfeld und auch mit der klaren Abgrenzung unserer Außengrenze, hat mit Rechtssicherheit zu tun, denn es gehört zu den Aufgaben eines Staates, Rechtssicherheit in jeder Hinsicht zu gewährleisten, und da geht es um die Rechtssicherheit durch die Registrierung von ankommenden Flüchtlingen.

Auch das ist ein wichtiger Punkt: Was wollen wir mit diesem Einspruch erreichen? – Erstens wollen wir den eigenen Rechtsraum vor nicht korrekten Urkunden schützen, und zweitens wollen wir – um es auch positiv zu formulieren – natürlich unserem Gegenüber, in diesem Fall der Republik Tadschikistan, signalisieren: Wenn ihr bei die­sem internationalen Übereinkommen mitmachen wollt, dann braucht es eine absolute Integrität aller Behörden im eigenen Land!

Das soll durchaus auch als Chance verstanden werden, sich einer positiven Entwick­lung zu stellen und auch die Rechtssicherheit in einer Republik dementsprechend weiterzuentwickeln.

Daher, meine Damen und Herren, ist der Antrag, diesen Einspruch zu bestätigen, gerechtfertigt, damit der Beitritt der Republik Tadschikistan zu diesem Haager Überein­kommen mit uns, mit Österreich, nicht in Kraft treten kann.

Wir von der ÖVP stimmen diesem Einspruch zu, und ich hoffe, auch alle anderen Parteien sehen dies gleich.

In diesem Sinne: danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

16.21


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, darf ich bei uns im Bundesratssitzungssaal recht herzlich die Kolleginnen und


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 128

Kollegen von der Arbeiterkammer und dem ÖGB Niederösterreich begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.21.24

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Mein Kollege hat jetzt schon genau erklärt, worum es bei diesem Abkommen geht.

Ich möchte noch ein bisschen näher auf das Land eingehen, mit dem wir uns da beschäftigen. Tadschikistan ist ein Hochgebirgsland, ein kleines Land, das zwischen Usbekistan, Kirgistan, der Volksrepublik China und Afghanistan liegt. Mehr als zwei Drittel der Fläche sind Hochgebirge, fast die Hälfte des Staatsgebietes liegt über 3000 Meter – also ein Land, das unserem nicht ähnlich ist. Es ist ein Land, das muslimisch geprägt ist und insgesamt eigentlich einen Unsicherheitsfaktor darstellt.

Zwar ist das Land nach dem Ende eines Bürgerkrieges seit 1997 weitgehend stabil, und der Präsident Emomalii Rahmon scheint unangefochten zu regieren, auch dank der Unterstützung Russlands. Man muss aber durchaus sagen, diese Regierung lässt es sich ziemlich gut gehen. Sie ist äußerst korrupt, Schlüsselstellen in der Wirtschaft sind bis heute mit Familienmitgliedern des Präsidenten besetzt. So befinden sich die wichtigsten wirtschaftlichen Werke, nämlich die Aluminiumwerke in der Nähe von Duschanbe, direkt unter der Führung des Präsidenten.

Der Schwager des Präsidenten ist Besitzer der größten Bank und der größte Baum­wollhändler im Land. Eine Tochter hat die Lizenz von Mobile Lines, eine andere ist Chefin des konsularischen Dienstes, und in der Zwischenzeit soll sie, glaube ich, auch Botschafterin in der Schweiz werden – oder ist es schon, das weiß ich jetzt nicht genau.

Die Parallel- und Schattenwirtschaft sowie der informelle Sektor spielen in diesem Land eine große Rolle. Da erweist sich insbesondere die Nähe zu Afghanistan und die damit verbundene Verwicklung in das Drogentransitgeschäft für das Image des Landes als äußerst problematisch. Dieser Staat fungiert als wichtiges Transitland für Heroin, Opiate und andere Drogen, die im südlichen Nachbarland Afghanistan produziert werden.

Die Verwicklung von lokalen Politikern und anderen Entscheidungsträgern in den Drogenhandel wird schon längst vermutet, auch wenn dies offiziell natürlich nicht bestätigt ist. Schätzungen zufolge machen die Gewinne aus dem Drogenhandel 30 bis 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Es ist demnach klar, dass die Wirtschaft in dem Land massiv vom Geschäft mit diesen illegalen Substanzen abhängig ist.

Es gibt durchaus Interessen: Ausländische Sicherheitsbehörden und Spender haben mehrere Millionen US-Dollar in die Grenzüberwachung investiert, um sicherzustellen, dass das aufhört oder wenigstens reduziert wird. Allerdings muss man sagen, dass diese mehreren Millionen US-Dollar eigentlich so gut wie keinen Effekt gehabt haben.

Korruption, behördliche Willkür, fehlende Rechtssicherheit, wie mein Kollege schon angesprochen hat, und Kapitalmangel stellen neben der fehlenden Infrastruktur nach wie vor erhebliche Investitionshemmnisse dar, die eine umfassende Belebung dieses Landes durch privatwirtschaftliche Investitionen verhindern.

Unter der autoritären und von Korruption geprägten Regierungsweise blieben und bleiben politische und wirtschaftliche Probleme des Landes ungelöst und verschärfen sich sogar noch. Das schränkt natürlich auch die Perspektiven für die jungen Leute ein, die in diesem Land die Mehrheit stellen, und zwar die überwiegende Mehrheit: 52 Pro-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 129

zent der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre alt. Seit 1960 – das ist noch nicht so lange her – stieg die Bevölkerungsanzahl kontinuierlich von 2 Millionen auf inzwischen mehr als 8 Millionen Einwohner an, obwohl nach dem Ende der Sowjetunion die gesamte dort ansässige russische Bevölkerung und die gesamte Elite das Land verließ.

Trotz erkennbarer Anstrengung der Regierung – es gibt ja durchaus auch ein paar positive Dinge in dem Land – wird die Situation im Bildungswesen aufgrund unzu­reichender Ausstattung mit Lehrmitteln, schlechter Bezahlung der Lehrkräfte und der dadurch auch grassierenden Korruption immer problematischer. Der Zugang von Mädchen zu Bildung hat sich insbesondere im ländlichen Raum in den letzten Jahren tendenziell verschlechtert. Staatliche Einrichtungen und die Gesellschaft zwängen die jungen Leute in ein enges Korsett aus Verhaltensregeln, um die Kontrolle über sie zu wahren.

Man muss sich vorstellen, dass am Eingangstor von Universitäten Wächter in Miliz­uniform und Springerstiefeln warten, die die Studentinnen und Studenten auf ihre Kleidung hin kontrollieren. Diese darf weder zu westlich modern noch zu traditionell islamisch sein. Den Männern wird Vollbart und Blue Jeans verboten, den Mädchen oder jungen Frauen wird das Kopftuch verboten, aber auch High-Heels oder Miniröcke dürfen sie nicht tragen. – Nur damit man sieht, wie es in diesem Land wirklich zugeht.

Die schlechte Bildung und die Perspektivenlosigkeit sind natürlich in weiterer Folge ein idealer Nährboden für radikale Kräfte. Bislang sind den Behörden offiziell 250 IS-Kämpfer bekannt. Die Regierung setzt zwar auch hier auf eine harte Gangart, aber die Bevölkerung leidet unter Arbeitslosigkeit und hat keine Perspektiven. Während die meisten Tadschiken mehr schlecht als recht über die Runden kommen und die Hälfte der Bevölkerung weniger als zwei US-Dollar pro Tag verdient, nutzen die politischen und militärischen Eliten das ausländische Geld, das durchaus ins Land fließt, offensichtlich dazu, den Zustand an den Grenzen und in der Gesellschaft nicht zu verändern, sondern zu erhalten.

Wenn man sich das Bild des Landes anschaut, muss man alles in allem sagen, es ist nicht vertrauenserweckend, und deshalb sind auch wir der Meinung, dass der Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung mehr als gerechtfertigt ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

16.27


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Längle zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.27.35

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Sehr ge­schätzte Damen und Herren! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Werte Besucherinnen und Besucher! Ja, meine Vorredner haben schon sehr viel gesagt. Herr Kollege Gödl hat ausführlich und vortrefflich erklärt, wie das mit der Apostille funktioniert und Frau Kollegin Kurz hat auch sehr viel über das Land erzählt. Wenn ich jetzt noch einmal Revue passieren lasse, was Sie da alles gesagt haben, dann wird mir davon, wie es dort zugeht, ganz schlecht. Es ist schauderhaft: Muslime gefährlich, Gewalt, Verbrechen, unzumutbare Zustände, eigentlich ein Wahnsinn.

Ich darf noch kurz dazu ergänzen: Das Haager Beglaubigungsübereinkommen ist sicherlich schon vorteilhaft. Es ist bekannt, die positiven Eigenschaften liegen auf der Hand. Leider, wie Sie auch gesagt haben, ist in Tadschikistan keine Urkundensicher-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 130

heit gegeben und der Korruption sind Tür und Tor geöffnet. Ich möchte auch noch den Platz 152 von insgesamt 175 Staaten erwähnen, gemäß Transparency International. Das ist sicherlich auch kein hervorragender oder guter Platz.

Ich denke mir, dass es aber schon wünschenswert wäre, wenn Tadschikistan plus die umliegenden Nachbarländer auch einmal eine Verbesserung der Situation herbei­führen könnten. Das wäre, glaube ich, schon auch sinnvoll. Gerade auch in Relation: Sieht man sich Europa, Mitteleuropa, den Kern Europas und den Rand Europas, an, dann wäre es sicherlich gut, wenn diese Länder ihre Standards heben könnten.

Schlussendlich ist festzuhalten, dass der Einspruch Österreichs sicherlich zu 100 Pro­zent gerechtfertigt ist, wir zum derzeitigen Zeitpunkt in Österreich unseren Rechtsraum zu schützen haben und diese Erklärung nachvollziehbar und schlüssig ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.29


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


16.30.05

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Mikl-Leitner! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich werde mich zum Thema Tadschikistan ganz kurz halten. Auch wir Grüne können diesem Einspruch der Republik Österreich zustimmen. Laut Auskunft der Österreichi­schen Botschaft in Astana ist nicht gewährleistet, dass Urkundensicherheit besteht. Die Kontrolle über die österreichische Vertretung vor Ort ist nach wie vor nötig, da das Risiko gefälschter Urkunden und Dokumente einfach zu hoch ist. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Dies stellt insbesondere im Personalstandwesen – bei Reisepässen und Einbür­gerun­gen – natürlich ein Risiko dar, da seitens der österreichischen Behörden mit der Echtheit dieser Urkunden auch inhaltliche Richtigkeit vermutet wird; durch eine Einfüh­rung der Apostille fällt auch die formale Kontrollmöglichkeit durch die örtlich zuständige österreichische Vertretung weg.

Aufgrund der hohen Korruption in der Republik Tadschikistan – laut Transparency International nimmt sie Platz 152 von 175 Staaten ein – und dem geringen Einkom­mensniveau in dem Land, was auch schon ausführlich von Frau Kurz erläutert wurde, ist nicht auszuschließen, dass Urkunden mit unrichtigem Inhalt käuflich erworben werden, daher werden wir heute dieser Erklärung auch zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

16.31

16.31.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Bevor wir in der Tagesordnung fortsetzen, darf ich Herrn Bundesminister Dr. Brandstetter herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. – Danke, dass Sie gekommen sind.

Zu dem Punkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 131

16.32.1613. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bewährungshilfegesetz geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Strafge­setz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch erlassen wird (JGG-ÄndG 2015) (852 d.B. und 929 d.B. sowie 9510/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Weber. Bitte um den Bericht.

 


16.32.41

Berichterstatter Martin Weber: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bewährungshilfegesetz geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen erlassen wird.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. – Bitte.

 


16.33.33

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister Brandstetter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch: Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Ich möchte die erste Minute meines Redebeitrages dazu nutzen, meiner Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass wir heute nach längerer Zeit endlich wieder einmal eine ausführliche Berichterstattung der Bundesratssitzung im österreichischen Staatsfernsehen auf ORF III genießen können. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Warum ist das wichtig? Warum ist uns Freiheitlichen das so wichtig? Wir haben vor zwei Sitzungen einen Entschließungsantrag eingebracht, dass künftig wieder jede Bundesratssitzung über den ORF nach außen getragen werden soll, weil der ORF einen Bildungsauftrag hat. Dass ist für Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehgeräten, so wichtig, weil Sie heute wieder einmal die Gelegenheit bekommen, sich anzuschauen, welche Parteien Argumente hier hereingehen lassen und hier wieder heraus (dabei zuerst auf das eine Ohr und dann auf das andere Ohr deutend) und welche Ländervertreter blind abstimmen, weil es die Regierungsparteien eben so haben wollten. (Bundesrätin Kurz: Sinnlos! Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir Freiheitliche treten dafür ein, dass Sie ruhig wissen sollen und das auch bei den Wahlen dann wieder wissen … (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich weiß, das tut Ihnen jetzt wieder weh. Die letzten Landtagswahlen haben Ihnen auch wehgetan, da hat Ihnen der Wähler auch die Rechnung für das präsentiert, was Sie hier unter anderem im Parlament oder auch in den Landtagen so gemacht haben. Das ist nun einmal unangenehm. Daher freut es uns, dass der ORF heute dabei ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, nun aber zum eigentlichen Antrag. (Bundesrätin Kurz: Ja!) Eines muss jungen Menschen bewusst sein: Rechte und


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 132

Pflichten gehen Hand in Hand, und jedes Handeln hat auch Konsequenzen. Das Parlament und auch gewisse Landtage haben jungen Menschen die Möglichkeit eingeräumt, die Zukunft aktiv mitzugestalten, und zwar bei den Wahlen. Ich habe das als sehr wichtigen Schritt empfunden. Wir müssen uns dann aber auch dessen bewusst sein, dass mit diesen wichtigen Rechten auch Pflichten und eine gewisse Reife miteinhergehen müssen.

Der vorliegende Gesetzentwurf, den wir heute hier behandeln, geht am Sinn, dass Rechte und Pflichten Hand in Hand gehen, vorbei. Warum? – Zwei kurze Gründe von meiner Seite:

Erstens sollen wir heute eine Pauschalerleichterung beim Strafmaß für junge Erwachsene, vor allem jene zwischen 18 und 21 Jahren, beschließen, und zweitens gäbe es im Strafbereich sehr viele andere wichtige Reformen, die vorzunehmen wären; ich werde nachher auch noch eine solche ansprechen.

Nun aber zum Punkt eins: Bislang, müssen Sie wissen, gilt für Jugendliche zwischen 14 Jahren und 18 Jahren das sogenannte Halbstrafmaß, und mit dem vorliegenden Entwurf soll dieses nun auch automatisch auf junge Erwachsene bis zum Alter von 21 Jahren erweitert werden. Jetzt darf man aber nicht hergehen und sagen: Das hat es bislang ganz und gar nicht gegeben. – Das ist nicht der Fall, sondern bis jetzt war das so, dass es kein Automatismus war. Junge Menschen bis 21 Jahre sind jeweils vom Richter mit einem Augenmaß dahin gehend bewertet worden, ob sie die nötige Reife besitzen, ihr Handeln auch zu verstehen und abschätzen zu können, oder nicht, und wenn die Reife eben mit 20 oder 21 Jahren noch nicht so gegeben war, dann hatte der Richter die Möglichkeit, das Jugendstrafrecht auch da anzuwenden.

Mit dem heutigen Gesetz wird aber kriminellen jungen Erwachsenen pauschal ein Persilschein ausgestellt. Ich muss wirklich sagen, dass es die kriminellen Jugendban­den leider gibt, und da gibt es auch nichts schönzureden. Die werden jubeln, denn es sind sehr oft Straftäter unterwegs, die keine Lercherl sind, und das sind keine Bagatelldelikte, die da verübt werden. Bislang konnte der Richter abwägen, ob das Handeln noch dem Jungendstrafrecht zuzumessen ist oder nicht. Das wird heute abge­dreht.

Ich bin der Meinung, dass das eben auch wieder ein komplett falsches Signal ist, wenn man sich anschaut, dass man jungen Menschen ja auch zugesteht, die Zukunft mitzugestalten. Ich bin der Überzeugung, dass mit Abstand die meisten Jugendlichen die notwendige Reife haben, dass sie auch für ihr Handeln einstehen können, und vor allem gäbe es immer noch die Möglichkeit für die Richter, das Ganze abzuschätzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir uns doch die traurige Gerichtspraxis einmal an – es sind, glaube ich, mehr Rechtsanwälte hier in diesem Gremium, Kollege Fürlinger wird mir da hoffentlich recht geben können –: Es ist in der heutigen Zeit – etwas überspitzt formuliert – ja wirklich schon irrsinnig schwer, eine unbedingte Geld- oder Haftstrafe vor Gericht auszufassen. Es muss auch nicht in jedem Fall eine unbedingte Strafe ausgesprochen werden, aber eine ständige Erweiterung und Aufweichung des Strafgesetzes ist ein Weg in die völlig falsche Richtung.

Als jüngster Bundesrat sage ich eines auch ganz klar: Es ist nicht meine Aufgabe, hier zu hussen, vor allem nicht gegen junge Menschen. Das mache ich auch nicht, sondern ich sage, es muss zwischen jungen Menschen, die sich an die Gesetze halten, und solchen, die das nicht tun, unterschieden werden, und es muss natürlich auch Möglichkeiten für jene jungen Menschen geben – und die gibt es auch –, dass man, wenn man einmal einen Fehler macht – das mag vorkommen – nicht sofort mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft wird, aber dafür gibt es die Mittel bereits. Da gibt es


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zum Beispiel den Grundsatz – wie man im Strafrecht sagt – des Einsteiger-Drittels oder Einsteiger-Viertels des höchstmöglichen Strafmaßes, das die Richter in der Regel anwenden.

Wir müssen aber gerade gewissen Milieus auch ganz klare Zeichen setzen, dass gesetzwidriges Handeln auch ordentliche Konsequenzen nach sich zieht. Vielfach wird mir berichtet – und das habe ich auch von Kolleginnen und Kollegen gehört, die Gerichtspraxis gemacht haben –, dass da ein junger Straftäter vor dem Richter sitzt, den Richter frech anlacht und nach einer viertel bis halben Stunde Verhandlung mit einem Zettel rausgeht, worauf irgendein Urteil steht, oder er bekommt es dann zugestellt, und der lacht den Richter an und sagt: Na ja – mit diesem Papier wurde wieder eine unbedingte Haftstrafe ausgesprochen –, wir sehen uns dann in 14 Tagen bei der nächsten Verhandlung wieder. Das sind falsche Signale, und das gehört abgestellt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich nehme nun auch noch zum zweiten Punkt kurz Stellung, warum ich der Meinung bin, dass es auch anderweitigen Handlungsbedarf geben würde, der sehr vordringlich ist.

Wir haben das auch schon im Nationalrat beantragt, aber es ist leider von den Regie­rungsparteien abgelehnt worden: Wir haben Verschärfungen gefordert, wenn Polizis­ten, Exekutivbeamte, Richter, Staatsanwälte bedroht oder gar körperlich angegriffen werden. Es sind leider keine Einzelfälle, dass gegen Polizisten, die im Dienst jemanden verhaften, unfreundlichste Drohungen – um es einmal so zu sagen – ausgesprochen werden, gegen die Polizisten selbst, gegen ihre Familien: Wir wissen, wo du daheim bist, wir wissen, wo deine Familie daheim ist, wir wissen, wo deine Kinder in die Schule gehen. Diese Polizisten sind einem enormen Druck ausgesetzt.

Es gibt aktuell eine sehr bedenkliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, in der den Polizisten untersagt wird, in ihrer Privatzeit, also nach der Dienstzeit, eine Waffe zu tragen. Das heißt, während des Dienstes traut man es den Polizisten zu, dass sie fähig sind, mit einer Waffe verantwortungsvoll umzugehen, aber im eigenen, im privaten Bereich zum Selbstschutz oder auch zum Schutz anderer Menschen, wenn es einmal so weit kommen sollte, spricht man ihnen dieses Recht nicht zu. Und das alles zeichnet ein gewisses Bild.

Ich muss wirklich sagen: Unsere Polizei gehört besser geschützt. Wir brauchen im Strafgesetzbuch die entsprechenden Verschärfungen, dass Drohungen und Angriffe auf Polizisten einfach nicht zulässig sind und dass man sich auch vor den Kon­sequenzen fürchtet. Ein Polizist ist für mich immer eine Respektsperson gewesen. Ein Polizist repräsentiert im weitesten Sinne alle Staatsbürger, denn er ist Teil der Staatsgewalt, er symbolisiert die Staatsgewalt und übt sie auch aus.

An dieser Stelle möchte ich auch – weil es die letzte Sitzung vor dem nächsten Akademikerball ist – die Schauplätze der letzten Jahre in Erinnerung rufen, wo sich nicht nur Ballbesucher bespucken lassen mussten, sondern wo auch linkslinke Anarchen die Polizei tätlich massiv angegriffen haben, wo Steine und Brandsätze geschmissen wurden. Die Polizisten standen wirklich arm da mit den Schilden, teilweise hat man versucht, ihnen das Tragen von Helmen zu verbieten, weil Helme sehr provozierend wirken. Die Polizisten, die doch nichts anderes wollen, als am Ende des Tages wieder gesund zu ihren Familien nach Hause zu kommen, mussten dort stehen, während Menschen Gegenstände gegen andere Menschen schmissen. Da bedarf es sehr dringend einer Strafverschärfung.

Was hat das alles mit dem Jugendstrafrecht zu tun? Das sage ich Ihnen auch noch: Schauen wir uns doch ganz ehrlich an, welche Altersgruppen bei diesen gewalttätigen Demonstrationen dabei sind! Das sind in der Regel nicht die 70-jährigen Pensionis-


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tinnen und Pensionisten, die sich da aufführen, sondern das sind leider oftmals junge Menschen, sehr oft aber junge Menschen, die schon volljährig, 20, 21 Jahre alt sind, und diesen allen würde damit eine Generalamnestie erteilt werden.

Schlusssatz: Sehr geehrter Herr Minister, wir bieten Ihnen wirklich aufrichtig eine Zusammenarbeit an, wenn es darum geht, das Strafrecht mit einem Augenmaß zu versehen, aber auch mit klaren Ansagen. Wir sind der Meinung, dass das heute mit diesem Gesetz nicht passiert, und daher werden wir auch nicht zustimmen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.43


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte. (Bundesrätin Grimling – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Schennach –: Stefan, du musst warten!)

 


16.43.57

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Lieber Michael Raml, du siehst trotz meiner regierungsbedingten Erblindung bin ich unfallfrei bis zum Rednerpult nach vorne gekommen (Heiterkeit bei der SPÖ), und von diesem Rednerpult, das ich unfallfrei erklommen habe, repliziere ich auf deine durchaus empathischen Ausführungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte aber doch das Ganze wieder ein bisschen auf den Boden zurückbringen. Wenn ich mich recht erinnere – Herr Minister, Sie korrigieren mich, wenn es falsch ist –, sind unerfreuliche Vorfälle mit Jugendlichen im Rahmen der U-Haft der Anlass für die jetzige Diskussion gewesen. Das war sozusagen der Input. Jetzt gehe ich einmal davon aus, dass jemand, selbst wenn er ein noch so böser Straftäter ist, es nicht verdient hat, in einer U-Haft als Jugendlicher durch Erwachsene in irgendeiner Form brutal misshandelt zu werden.

Daher haben wir zu Recht die Debatte aufgegriffen. Es heißt bei uns – das ist auch ein Grundsatz des Strafrechts, und den gibt es nicht zu Unrecht –, dass die Haft, die unbedingte Haft oder die U-Haft, immer dann kommt, wenn es keine gelinderen Mittel mehr gibt. Über die gelinderen Mittel kann man sich unterhalten, die kann man ausbauen, und wenn man sie sinnhaft ausbaut, ist das besser.

Ich glaube auch nicht, dass einem Jugendlichen, wenn er straffällig wird, jede Hoffnung abzusprechen ist. Man hofft, dass er noch so unfertig ist, dass er vielleicht noch einmal in irgendeiner Form dort hingebracht wird, dass er weiß, was die entscheidenden Punkte sind: Was dein und mein ist, was deine Gesundheit und meine Gesundheit ist und dass er diese Rechtsgüter nicht schädigen soll. Das kann man einem Jugend­lichen, glaube ich, besser und anders erklären, als wenn man ihn – noch dazu mit Erwachsenen – irgendwo in einer Haftanstalt unterbringt.

Die Idee, die jetzt dahintersteckt, oder der Versuch – und natürlich ist es in solchen Bereichen immer ein Versuch, und es wird uns nachher recht gegeben oder nicht, je nachdem, ob die Fallzahlen stimmen oder nicht –, ist, dass die Rehabilitation oder auch Resozialisierung beim Jugendlichen besser geht, wenn man versucht, sein soziales Netz anzuwerfen. Etwas, das vielleicht oftmals schon genügt, ist, dass man einmal die Eltern darüber informiert, dass etwas passiert ist. Diesen Versuch – den wir mit diesem Gesetzesentwurf unternehmen, den wir dadurch rechtskräftig werden lassen, dass wir keinen Einspruch erheben – ist es allemal wert.

Selbstverständlich, dazu bekenne ich mich auch, ist das österreichische Strafrecht ein verzeihendes Strafrecht. Es ist nicht so, dass man, wenn man ein erstes Mal verfehlt – und es gibt keinen Menschen, der nicht verfehlt; in dem Fall ist es eine gröbere Verfehlung, weil es eine Rechtsgutverletzung ist –, nicht irgendwann einmal auf Grund


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dieses Fehlers auch beurteilt, verurteilt, abgeurteilt wird, aber wenn jemand das zum ersten Mal macht, hat es wenig Sinn, wenn man ihm dann sofort mit der Härte des Gesetzes erklärt: Jetzt verstecken wir dich die nächsten fünf Jahre in einer Haftanstalt, weil du einmal gefehlt hast. Das ist das, was nicht Sinn und Zweck der Übung ist.

Wir müssen auch dahin kommen, dass wir den Jugendlichen, aber auch den erwach­senen Straftätern klarmachen: Das Primäre ist die Schadensgutmachung. Das kann man halt meistens nur dann in voller Breite machen, wenn man nicht in einem Gefängnis sitzt, sondern – möglicherweise auch begleitet – draußen bei einer ent­sprechen­den Betreuung, sei es betreutes Wohnen oder eben eine Sozialkonferenz, wo man erfährt, dass es unrecht war, was man getan hat, und die Möglichkeit erhält, es wiedergutzumachen.

Daher, glaube ich, ist eines unstrittig – und da brauche ich nicht allzu viel empirische Untersuchungen –: Die U-Haft für einen Jugendlichen muss wirklich das alleräußerste und allerletzte Mittel sein, das ohnehin nicht verhängt werden soll, wenn jemand das erste Mal straffällig geworden ist.

Klar ist auch: Mit dieser Novelle beschließen wir nicht, Michael Raml, dass ein jugendlicher Straftäter nicht mehr verurteilt wird, sondern es wird in der Anbahnung des Verfahrens versucht, ihm zu erklären, dass er Unrecht getan hat. Das, zusammen mit einer ordentlich geführten Hauptverhandlung, kann schon dazu führen, dass wir ein Ziel erreichen, das wir durch U-Haft oder Haft mit Sicherheit nicht erreichen. Daher werden wir dem Antrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Bevor ich den nächsten Redner zum Rednerpult bitte, darf ich unter uns den Herrn Präsidenten des Bundesrates außer Dienst Profes­sor Dr. Herbert Schambeck begrüßen. – Herzlich willkommen im Plenum! (Allgemeiner Beifall.)

Für alle, die es nicht wissen sollten: Professor Schambeck war 22 Jahre lang Präsident und Vizepräsident dieser Kammer.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.49.12

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister Brandstetter, ich nehme an, Sie freuen sich, auch heute wieder hier bei uns zu sein. Sie sind zumindest der Minister, der das am deutlichsten zum Ausdruck bringt.

Genau vor 96 Jahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Provisorische National­ver­sammlung bei der Schaffung der Republik den Beschluss gefasst, dass wir ein Jugendstrafgesetz brauchen, denn junge Menschen sind keine erwachsenen Men­schen. Wenn heute der junge Erstredner hier Ideen von sich gibt, dann muss ich sagen: Die Provisorische Nationalversammlung von 1919 war im Geiste viel jünger und viel moderner als heute ein Redner im Jahr 2015. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

1919 wurde etwas in der österreichischen Provisorischen Nationalversammlung be­schlossen, was weltweit einmalig war: die Schaffung eines eigenen Jugendgerichts­hofs, der am 1. Jänner 1929 im 3. Bezirk verwirklicht wurde.

Europäische Städte und Staaten haben es nachgemacht, selbst Tokio, genau nach dem Wiener Modell. Dieser Jugendgerichtshof hat bis zum 1. Jänner 2003 existiert, und dann hatte er Pech, da kam nämlich ein freiheitlicher Justizminister, und der hat


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eines der wichtigsten und größten Projekte österreichischer Justizgeschichte auf den Friedhof getragen – und die Konsequenzen sehen wir jetzt.

Ihre Vorgängerin, Herr Justizminister, hatte Fälle zu bewältigen – wenn man jugend­liche Menschen mit Erwachsenen in überfüllte Justizanstalten steckt, dann gibt es das, was es gegeben hat –: Vergewaltigung von jungen Menschen in Justizanstalten; das ist abenteuerlich. Ich selbst war für Sie, Herr Minister – nicht persönlich, aber für Ihr Ministerium –, über dreißig Jahre lang ehrenamtlicher Bewährungshelfer und aufgrund Hunderter Fälle kann ich Ihnen sagen: Jugendliche Menschen sind keine erwachsenen Menschen.

Wenn wir von überlangen Untersuchungshaftdauern sprechen, dann erzähle ich Ihnen meinen schlimmsten Fall: Ein 16-jähriger Bub, der eine Krise hatte, der nicht gewusst hat wohin, die Eltern geschieden, hat zwei Videokassetten irgendwo mitgenommen – vielleicht um seine Seele ein bisschen zu entlasten wegen des ganz schlimmen Scheidungsverfahren seiner Eltern – und saß neun Monate in Untersuchungshaft! Neun Monate! Das Gericht hat ihm dann bei der Urteilsverkündung acht Tage Strafe gegeben, und der Richter hat noch gesagt: Sie haben kein Guthaben bei uns.

Wie sollte ich dann diesem jungen, 16-jährigen Menschen erklären, warum er neun Monate in Haft gesessen ist und der Richter dann zu ihm sagt: Sie haben kein Guthaben bei uns!? – Natürlich hat er kein Guthaben, aber Jugendstrafrecht heißt, dass wir Menschen in einem bestimmten Alter, die aus bestimmten Gründen – sei es, dass sie psychosozial nicht reif genug sind, dass familiäre Problematiken, Integrations­problematiken, Adoleszenz-Turbulenzen dahinterstehen – aus der Kurve fliegen, zeigen, dass hier nicht die Rache ist, sondern die Hilfe, die Hilfe der Wiedereinglie­derung, die Hilfe, junge Menschen bei der Hand zu nehmen, weil junge Menschen doch auch nichts anderes als ihre Bestätigung in der Gesellschaft finden wollen.

Jetzt gehe ich noch einmal 96 Jahre zurück. Damals wurde man mit 21 Jahren volljährig. Was wir hier schaffen, ist ja nur im Geiste dessen – nach den modernsten Erkenntnissen des Jahres 1919, die die modernsten Erkenntnisse des Jahres 2015 sind –, dass hier psychosoziale Defizite, Nachreifungsprozesse bestehen und dass genau in diesem Alter Turbulenzen stattfinden, und deshalb brauchen wir das, gemein­sam mit der Sozialnetz-Konferenz und Jugendwohngemeinschaften. Wie oft hätte ich mir in den letzten 30, 35 Jahren gewünscht, für junge Menschen all diese Dinge zu haben, die wir jetzt zugrunde legen.

Ich habe schon im Ausschuss gesagt, dass man dann als Bewährungshelfer so manchmal ein bisschen ratlos ist, wenn der Richter eine Maßnahme mit der Bedingten unter Anordnung der Bewährungshilfe setzt, indem er sagt: Arbeitsverpflichtung.

Jetzt frage ich mich: Arbeitsverpflichtung? – Wir alle kennen die Arbeitsmarktlage. Deshalb ist es noch einmal schädlich gewesen, dass der Jugendgerichtshof aufgelöst wurde, denn dort konnten wir den Jugendlichen immerhin Berufsausbildungen anbie­ten, denn wenn die Zeit der Wiederfindung, auch der sozialen Stärkung des eigenen Ichs, mit einer Ausbildung verbunden ist, dann ist natürlich die Wiedereingliederung nachher etwas leichter.

Das Grundprinzip aller Strafe ist ja, dass wir strafen, aber nicht rächen, und da ich mir heute eine solche Rede angehört habe, muss ich sagen: Ich glaube, das ist falsch. Ich musste im Rahmen des Europarates den Bericht Youth in Detention in Europe vorlegen, und dann werde ich den vielen, die ja immer die Schweiz zitieren, eines sagen: Die Schweiz hat ein juristisches Ziel im Jugendstrafrecht: Kein Jugendlicher in die Haft! Das ist ein Ziel, ein gesellschaftliches Ziel, dass man alle anderen Formen nimmt. Natürlich, wenn es dann eine schwere Straftat ist, ich habe das auch gegen­über der Schweiz releviert, wird es hin und wieder doch die Notwendigkeit geben, dass


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Haft auch ein Korrektiv sein kann und sein muss, vor allem in ganz bestimmten Be­reichen.

Was ich ganz gut finde, weil wir damit immer zu kämpfen haben, und was jetzt kommt, Herr Bundesminister, ist Folgendes: Wenn ein Jugendlicher, der sich in Ausbildung befindet, der einen Job hat, jetzt eine kurze Haftstrafe antreten muss, kann man das jetzt aufschieben. Was hat man nämlich davon, wenn jemand zwei Monate in Haft geht und danach weder den Ausbildungsplatz noch den Job hat? – Dass dieses Augenmaß in die jugendgerichtliche Gesetzgebung kommt, das ist sehr wichtig, und deshalb war es auch sehr wichtig, was die Richter in den Tamsweger Thesen mit Vermeidung, Verkürzung und Vollziehung auch bei der Untersuchungshaft vorgeschlagen haben. Ich selber war ganz überrascht. Ich habe zum Herrn Sektionschef gesagt: Ich hatte über 300, 400 Verfahren, habe aber nie erlebt, dass es jemals ein Nicht-Schöffen­ge­richt war.

Ich bin froh, dass wir jetzt durchgängig ein Schöffengericht haben. Ich hatte immer Schöffen. Es war auch wichtig, dass ein Schöffe auch das Geschlecht des Jugend­lichen hatte und dass bei den Schöffen auch, gerade beim Jugendgericht, die Notwendigkeit einer entsprechenden pädagogischen, psychologischen oder was auch immer Ausbildung besteht.

Wichtig ist, dass wir heute einen Schlussstrich unter die homophobe Gesetzgebung in unserem Land ziehen. Allen Menschen, die unter § 209, gleichgeschlechtliche Un­zucht, einen Eintrag in das Strafregister bekommen haben – wofür Österreich im Jahr 2012 auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt wurde –, diesen, ich glaube – Herr Sektionschef, Sie können mich korrigieren – 240 Personen wird dieser Eintrag nun gelöscht. Ich glaube, wir setzen damit ein wichtiges Zeichen.

Jetzt ganz zum Schluss etwas anderes: Wir sind beim Thema Justiz, Herr Präsident! Wir bekommen heute ganz viele E-Mails betreffend den EU-Ausschuss für ein neues Waffengesetz. Ich möchte hier noch einmal ein ganz klares Wort sagen: Herr Kollege Lindinger hat sich im EU-Ausschuss als ein Jäger geoutet und gesagt, dass kein Jäger und kein Sportschütze irgendwelche halbautomatischen Waffen braucht. Kollege Lindinger hat damit recht.

Die Sicherheit unseres Landes wird nicht gewährleistet, indem wir halbautomatische Waffen genehmigen, die man ganz leicht zu automatischen Waffen umbauen kann (Zwischenruf des Bundesrates Preineder) und die man auch für ein sogenanntes dynamisches Schießen umbauen kann. Das braucht kein Jäger, das braucht kein Sportschütze. Wenn wir Sicherheit in unserem Land schaffen wollen, wenn wir endlich diese Waffen, mit denen so viel Gewalt passiert, austrocknen wollen, dann müssen wir uns dazu bekennen, dass auch halbautomatische Waffen unter die Kategorie A der automatischen Waffen gehören, und deshalb hat Herr Kollege Lindinger recht ge­habt. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.59


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic. – Bitte.

 


17.00.01

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir haben schon gehört, dass am Beginn dieses Reformprozesses der tragische Fall einer Vergewaltigung in der Justizanstalt Josefstadt gestanden ist, und wir wissen auch alle, beziehungsweise wurde das heute schon mehrmals erwähnt, dass das kein Einzelfall war.


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Albert Steinhauser, der grüne Justizsprecher, hat damals genauer nachgefragt, und wir haben erfahren, dass es allein im Jahr 2013 im Strafvollzug zu insgesamt 710 Über­griffen unter Häftlingen gekommen ist. Davon waren 14 Übergriffe sexueller Natur, und von diesen 14 sexuellen Übergriffen haben sieben unter Jugendlichen stattgefunden.

Wenn solche Vorfälle medial aufgerollt, breitgetreten werden, wenn sie besonders drastisch sind, sind wir uns alle einig, dass – und das war auch 2013 der Fall – die Untersuchungshaft für Jugendliche, falls überhaupt notwendig, eher eine Ausnahme sein sollte, denn die Umstände zeigen immer wieder, dass es nicht die adäquate Lösung dafür ist, dass Jugendliche nicht mehr rückfällig werden.

So ganz hat das dann doch nicht geklappt: Nachdem die Zahlen kurzfristig gesunken sind, sind sie dann wieder angestiegen. Umso wichtiger ist es, zu betonen, dass die einzelnen Maßnahmen – wie beispielsweise die Sozialnetz-Konferenz, die heute schon erwähnt worden ist – sehr wichtig sind. Ich glaube, niemand wird hier infrage stellen, dass es sehr wichtig ist, das soziale, familiäre Umfeld der Jugendlichen zu beachten, mitzunehmen und auch darauf achtzugeben, damit die Jugendlichen nicht wieder straffällig werden.

Auch ich möchte als zweiten Punkt auf den § 209 StGB eingehen, und zwar auf die Frage der Beseitigung der negativen Rechtsfolgen für Betroffene der sogenannten antihomosexuellen Strafgesetze. Wir wissen, dass bis vor gar nicht allzu langer Zeit homosexuelle Personen in Österreich nicht nur mit dem Strafrecht bedroht, sondern auch tatsächlich verurteilt wurden.

§ 209 StGB, der – unter Anführungszeichen – „gleichgeschlechtliche Unzucht“ mit Personen unter 18 Jahren mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestrafte, war nicht nur einfach ein Paragraf, sondern er zerstörte Leben, Beziehungen, er stigmatisierte Menschen.

Homosexuelle Beziehungen sind in Österreich seit 1971 nicht mehr strafbar, was aber seitdem galt und weiterhin aufrecht ist, ist das unterschiedliche Mindestalter für Straf­freiheit in verschiedenen Ländern. Die Folge: Jedes Jahr über 40 Strafverfahren und mehr als 30 rechtskräftige Verurteilungen. Seit Einführung des Gesetzes im Jahr 1971 wurden über 1 000 Menschen rechtskräftig verurteilt. So viel zum Ruinieren von Leben!

Das Europäische Parlament hat seit 1984 die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert, einheitliche Mindestaltersgrenzen festzulegen. Es gab dazu zig Publikationen, Bücher, Stellungnahmen, es gibt eine eigene Plattform, die sich mit § 209 StGB beschäftigt. Erst 2013 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den österreichischen Gesetzgeber dazu verpflichtet, die negativen Auswirkungen einer Verurteilung gemäß des verfassungswidrigen § 209 StGB zu beseitigen.

Was ist passiert? – Das Mindeste beziehungsweise das mindestens Erforderliche ist passiert – so, als würde der Gesetzgeber es doch nicht so ganz einsehen, dass es in diesem Punkt etwas gutzumachen gäbe. Für viele Betroffene grenzt das heute fast schon an Verhöhnung, da sie ganz genau wissen, dass sie wirklich nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht nur diskriminiert und verfolgt, sondern auch verurteilt worden sind.

Wieso? – Die Tilgung selbst erfolgt auf Antrag eines Verurteilten, eines Angehörigen oder des Staatsanwaltes. Das heißt, kein einziges Urteil wird automatisch per Gesetz aus dem Strafregister gelöscht. Es wird argumentiert, dass eine Einzelfallprüfung not­wendig ist, da eine Tilgung negative tilgungsrechtliche Folgen nach sich ziehen könnte.


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Die Staatsanwaltschaft hat die Tilgung aber jedenfalls von Amts wegen zu beantragen, wenn keine tilgungsrechtlichen Nachteile zu erwarten sind. Insofern ist grundsätzlich kein Antrag notwendig, um zu einer Tilgung zu gelangen. Darüber hinaus wird in § 3 geregelt, dass die Tilgung zu keinerlei tilgungsrechtlichen Nachteilen führen darf. Wenn ohnehin kein tilgungsrechtlicher Nachteil erfolgen darf, müsste die Staatsanwaltschaft unserer Meinung nach jedenfalls die Tilgung für alle Fälle beantragen. Es hätte also eine Aufhebung aller Urteile gebraucht, eine echte Rehabilitierung.

Die antihomosexuellen Gesetze sind klar menschenrechtswidrig. Ich glaube, die Tilgung ist auf jeden Fall ein wichtiger, richtiger Schritt, aber angesichts dessen, was viele der Betroffenen während der letzten Jahre aufgrund dieses Paragrafen erleben mussten allein die Stigmatisierung, die sie auf sich nehmen mussten –, ist das für sie natürlich nur ein ganz kleiner Schritt. Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig Letzter in dieser Debatte zu Wort gelangt Herr Bundesminister Brandstetter. – Bitte.

 


17.06.11

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Altpräsident! Herr Prä­sident! Ich komme tatsächlich immer sehr gerne in den Bundesrat, weil ich das hochklassige Niveau der Diskussionsbeiträge hier wirklich zu schätzen weiß, und es ist vielleicht auch ein etwas kleinerer Rahmen, in dem das auch leichterfällt.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich heute über ein Gesetzesvorhaben sprechen darf, das mir persönlich sehr wichtig war und das, wie schon erwähnt wurde, tatsächlich auf die Empfehlungen der Expertengruppe, des sogenannten Runden Tisches zurückgeht, den meine Amtsvorgängerin aus Anlass der Misshandlung und Vergewaltigung eines Jugendlichen, der sich in Untersuchungshaft in der Josefstadt befunden hat, eingesetzt hatte.

Das war ein schockierender Vorfall, der es allemal rechtfertigt, sich wirklich ernsthaft und intensiv damit auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen man viel­leicht doch auf die Untersuchungshaft bei Jugendlichen verantwortungsvoll verzichten kann. Nun, ganz generell – und das ist ja unbestritten – wird im Bereich des Jugend­gerichtsgesetzes als Strafzweck der Spezialprävention der Vorrang eingeräumt. Das ist Allgemeingut in der gesamten Fachwelt.

Ich bin auch sehr froh darüber – Herr Abgeordneter Schennach hat es erwähnt –, dass gerade wir in Österreich schon im Jahre 1919 Vorreiter betreffend Jugendstrafrecht waren. Die Wiener Schule, Franz von Liszt und all die Namen, die damit verbunden sind: Die waren international, weltweit führend. Das ist eigentlich etwas, worauf man stolz sein kann und woran man auch anknüpfen sollte, und das tue ich sehr gerne.

Es geht darum, dass man in jedem Einzelfall versucht, die Wiedereingliederung von Jugendlichen in die Gesellschaft so rasch wie möglich sicherzustellen. Das ist das, was Sinn macht, und das ist natürlich auch die Überwindung des alten Systems des Vergel­tungsstrafrechts; das ist passé, das ist vorbei. Es wurde hier auch mit Recht gesagt, dass man damit letztlich die Probleme, die hinter diesen Delikten stehen, einfach nicht sinnvoll lösen kann. Kollege Bundesrat Fürlinger hat es gesagt, völlig richtig.

Daher ist der Kern dieser Regelung darin zu sehen, dass wir vor allem dort, wo es möglich ist, die Untersuchungshaft durch andere, alternative Maßnahmen ersetzen. Ich behaupte nicht, Kollege Raml, dass wir die Untersuchungshaft in allen Fällen ver­meiden werden können. Nein, das wird nicht gehen, aber dort, wo es möglich ist, Alternativen zu entwickeln, dort soll es gemacht werden, und dort tun wir das auch. Es bleiben immer wieder Fälle übrig, wo es leider nicht möglich ist.


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Eines dieser wichtigen neuen Instrumente als Alternative zu einer Untersuchungshaft sind die Sozialnetz-Konferenzen, die dort, wo sie bereits eingesetzt wurden, wirklich eine sehr hohe Erfolgsquote gehabt haben und jetzt mit entsprechender gerichtlicher Kontrolle auch als Alternative zur Untersuchungshaft gesetzlich verankert werden.

Die Sozialnetz-Konferenz besteht darin, dass man beim sozialen Netz, beim Umfeld des betreffenden Jugendlichen ansetzt und versucht, die Ursachen seines strafrecht­lich relevanten Verhaltens zu klären. Da gibt es wirklich viele Fälle, wo man oft darüber staunt, dass Jugendliche, die davon betroffen sind, dann plötzlich ganz verwundert sagen: Aha, jetzt bin ich erstmals gefragt worden, was eigentlich meine Probleme sind, warum ich diese zwei Videokassetten gestohlen habe, was da mit mir los war, und weshalb ich tatsächlich einfach nicht mehr mit mir zurande gekommen bin.

Das heißt, alleine die Tatsache, dass man einmal versucht, zu hinterfragen: Hallo, was ist dein Problem? Hast du irgendwelche Schwierigkeiten?, ist der Ansatz. Man fragt: Wo kann man ansetzen? – Wenn man beim Sozialnetz des Betreffenden ansetzen kann, dann kann man auch die Ursachen seines strafrechtlichen Verhaltens am ehesten in den Griff bekommen.

Das ist genau genommen, wie auch schon gesagt wurde, kein wirklich neuer Ansatz, im Jahr 1919 war man theoretisch ja auch schon so weit, das stimmt schon. Das ist unsere Tradition, an die wir anknüpfen, und die ist erfolgversprechend. Ich kann mit einer Sozialnetz-Konferenz wirklich viel erreichen, wenn es – und das muss man auch offen eingestehen  ein soziales Netz gibt. Kann man aber an kein soziales Netz anknüpfen, weil es kein Umfeld, keine Schule, keinen Lehrherren, weil es nichts gibt, dann wird es schwierig. Das sind eben die Fälle, die uns große Probleme bereiten.

Und da muss man ganz klar sagen: Das ist kein spezifisch strafrechtliches Problem, sondern das ist im weitesten Sinn ein soziales Problem. Das zeigt aber auch, dass wir damit richtig liegen, an den sozialen Faktoren, die letztlich hinter diesem Fehlverhalten stecken, anzusetzen.

Ich erwarte mir aber auch von der Fortschreibung des Fristensystems bei der Untersuchungshaft nach Einbringung des Strafantrages oder der Anklage bei jugend­lichen Angeklagten noch einen weiteren Effekt, nämlich einen wichtigen Beschleuni­gungs­effekt für diese Verfahren. Verfahrensbeschleunigung ist immer gut, und daher wollten wir das auch speziell akzentuieren.

Die für Jugendliche und junge Erwachsene oft sehr zielführende Weisung, in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, soll auch nicht an den Kosten scheitern, weshalb wir schon eine entsprechende Kostentragungsregelung zulasten des Bundes vorgesehen haben.

Wir wollen auch dem bekannten Phänomen der Adoleszenzkrise wie das die Fach­leute nennen – mit den vorgeschlagenen Änderungen Rechnung tragen, die ja darin bestehen, dass die Sanktionspalette auch für junge Erwachsene bis zur Vollen­dung des 21. Lebensjahres erweitert wird. Wir erweitern die Entscheidungsmög­lich­keiten der unabhängigen Gerichte und der zur Objektivität verpflichteten Staatsan­wälte. Mehr ist das nicht, aber ich glaube, es macht Sinn, diesen Organen vor allem auch den Gerichtsorganen im Interesse der Betroffenen mehr Möglichkeiten der Entscheidung zu geben, und das machen wir durch eine Angleichung der Strafuntergrenzen der jungen Erwachsenen an jene bei Jugendlichen und durch die Ermöglichung eines diversionellen Vorgehens im Sinne der Sonderbestimmungen für Jugendliche.

Die Diversion hat sich durchaus überall dort bewährt, wo sie zum Einsatz gekommen ist, daher wollen wir hier auch einen besonderen Akzent setzen. Ja, wir haben uns


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wirklich an dem orientiert, was uns die Fachleute sagen, genau genommen eigentlich die Fachleute seit 1919 hier in Österreich. – Ja, das ist richtig.

Mein Gott, die Adoleszenzkrise, das ist ein Fachterminus – und das zu Recht. Viele wird es hier im Raum nicht geben, die sich noch daran erinnern können, dass die Volljährigkeitsgrenze einmal bei 21 Jahren war. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Da war man der Meinung, bis 21 ist man überhaupt nicht wirklich voll geschäftsfähig. (Bundesrat Schennach: Heiraten war auch nicht möglich!) – Ja, da war vieles nicht möglich, aber, wie gesagt, dann ist man darangegangen, das immer weiter runterzusetzen, ja, mag sein, aber ich will damit nur zum Ausdruck bringen: Das ist auch nicht bei jedem gleich. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Die Adoleszenz dauert bei manchen länger, bei manchen weniger lang, das ist nun einmal so.

Mein Gott, gerade die Jugend ist natürlich eine Zeit, in der vieles ausprobiert, vieles sozusagen auch ausgelotet wird. Mein Freund Marco Schreuder würde einen Film, den ich jetzt gerne zitieren würde, sicher kennen, aber Sie kennen ihn vielleicht auch: „… denn sie wissen nicht, was sie tun“, mit James Dean. (Bundesrat Schennach: Ja!) Der Film heißt im Original „Rebel Without a Cause“, eigentlich sagt der Originaltitel sogar mehr: ein Rebell ohne irgendeinen Grund, ja, ohne einen für die Erwachsenenwelt verständlichen Grund. Aber die Jugendlichen machen oft Dinge, die halt aus ihrer Sicht nichts anderes sind wie auch in diesem Film: Mutproben.

Es gibt in der Jugendzeit halt viele Mutproben wie in diesem Fall tragischerweise mit Autos, manchmal mit Waffen, was man dann später vielleicht auch bereut. Wie auch immer, da gibt es vieles in diesem Bereich, und als Erwachsener muss man dafür eigentlich auch Verständnis haben. Darum geht es, glaube ich: dass man einfach anerkennt, das ist eine spezielle Welt, die Welt der Jugend. Das muss man einfach fachlich und auch mit Hilfe der Experten richtig sehen.

Ich bin auch froh darüber, dass es uns jetzt gelungen ist, nicht nur das theoretische Konzept mit einer gesetzlichen Grundlage, von der ich überzeugt bin, dass sie richtig ist, zu haben. Nein, es gehört natürlich auch etwas dazu, das die Umsetzung ermög­licht. Das Jugendstrafrecht in Österreich ist, wenn Sie so wollen, ein in der Tradition schon seit 1919 stehendes besonderes Instrumentarium, das sind Flügel, wenn Sie so wollen. Aber Flügel brauchen auch ein Fahrgestell, sonst fliegt das Flugzeug nicht wirklich, und das Fahrgestell haben wir jetzt auch.

Seit 1. Jänner 2015 haben wir die Jugendgerichtshilfe ausgebaut, kürzlich konnten wir auch in Linz die Jugendgerichtshilfe eröffnen und damit den österreichweiten Ausbau letztlich abschließen. Das ist auch wichtig, dass die Umsetzung in der Praxis durch Psychologen, durch Sozialarbeiter und durch Pädagogen da ist, daher sage ich noch einmal: Ja, in vielen Fällen ist es nicht möglich, die Untersuchungshaft zu vermeiden, das ist schon klar, aber dort, wo man sie vermeiden kann, dort soll man es tun. Jetzt haben wir die Grundlagen dafür: sowohl theoretisch als auch legistisch als auch in der praktischen Umsetzung.

All diese Maßnahmen entsprechen dem klaren Ziel, jungen Menschen dort, wo es möglich ist, wo es der Einzelfall zulässt, eine zweite Chance zu geben. Die haben sie verdient! Dort, wo es möglich ist, hat es bisher auch recht gut funktioniert, daher freue ich mich über dieses Gesetzesvorhaben, und ich freue mich über Ihre Zustimmung dazu.

Betreffend Tilgungsrecht darf ich darauf verweisen, dass sexuelle Handlungen zwi­schen gleichgeschlechtlichen Personen klarerweise schon lange kein Strafdelikt mehr darstellen; es wurde gesagt, seit 1971. Entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war daher auch sicherzustellen, dass es aufgrund


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solcher früheren Verurteilungen, die ja nun schon lange nicht mehr möglich sind, keinerlei rechtliche Nachteile mehr geben darf. Daher war es auch notwendig, die entsprechenden Regelungen im Tilgungsrecht zu treffen. Es geht letztlich auch darum, dass man die betroffenen Personen vor Diskriminierung schützt, und vor allem die theoretisch noch vorhandene Auswirkung in Form des Strafregisters beseitigt.

Wir haben das jetzt mit diesem Gesetzesvorhaben umgesetzt, wir haben die Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Gänze umgesetzt, und wir haben noch etwas gemacht, das mir persönlich auch sehr wichtig war: Ich glaube, wir haben in den Erläuterungen zu dieser Gesetzesnovelle eine wirklich wichtige Klarstel­lung getroffen und klar festgeschrieben, dass jede Form der Diskriminierung in diesem Bereich absolut abzulehnen ist. Ich denke, dass wir mit dieser Regelung das getan haben, was notwendig war, und auch noch etwas mehr, und ich glaube, dass das insgesamt ein sehr gutes, ausgewogenes Paket ist.

Wenn ich jetzt noch kurz auf zwei andere Punkte eingehen darf, die auch genannt wurden: Ja, Herr Bundesrat Raml, selbstverständlich müssen Polizeibeamte und auch Angehörige der Justizwache, die tagtäglich für uns den Kopf hinhalten, strafrechtlich stärker geschützt werden, und das werden sie auch. Wir haben einen erhöhten strafrechtlichen Schutz in diesem Bereich, Sie wissen das und haben völlig Recht: Das ist notwendig, das geschieht auch, und ich denke, das soll man auch betonen.

Wir haben im Zuge der StGB-Reform auch diese Frage im Rahmen der Experten­gruppe diskutieren lassen. Alle waren der Meinung: Die jetzt bestehenden erhöhten Strafdrohungen für Angriffe gegen öffentliche Organe der Polizei oder Justizwache sind ausreichend. Wir haben, wie Sie wissen, auch eigene Tatbestände zum Schutz dieser Berufsgruppe, die auch wirklich verdient, einen entsprechenden Schutz zu haben. Daher, glaube ich, kommen wir damit durchaus aus – zumindest nach Meinung aller Experten , aber es soll nicht der Eindruck stehen bleiben, dass es in diesem Bereich nichts Spezielles gebe. Wir brauchen keine schärferen Strafdrohungen, weil wir sie für diese Berufsgruppe im Prinzip ja ohnehin schon haben.

Zuletzt möchte ich nur kurz noch sagen, dass mich auch sehr beeindruckt hat, was Herr Bundesrat Schennach gesagt hat. Er hat eben als Bewährungshelfer auch ent­sprechende Erfahrungen, und das ist mir so wichtig: dass wir uns wirklich an Exper­ten, an Leuten orientieren, die in diesem Bereich Erfahrung haben. Und das haben wir gemacht.

Es hat mir auch sehr gut gefallen, was Herr Bundesrat Schennach zum Themen­bereich Jugendstrafrecht in Österreich und zum Thema Jugendgerichtshof im Speziel­len gesagt hat. Ja, wir haben hier eigentlich eine große Tradition zu verteidigen. Ich habe auch im Nationalrat schon gesagt, dass ich wirklich offen für weitere Verbes­serungen in diesem Bereich bin. Ich glaube, unsere Jugend sollte uns das wert sein, dass wir uns ihren spezifischen Problemen in sachgerechter Weise unter Einbindung von Experten und Praktikern, die wissen, worum es geht, entsprechend widmen.

Das kommt auch bei diesem Gesetzesvorhaben zum Ausdruck. Darüber freue ich mich, und daher bitte ich um eine möglichst breite Zustimmung. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

17.19

17.19.30

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 143

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.20.2314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungs­ge­setz, das Unterhaltsvorschußgesetz, das Firmenbuchgesetz, die Rechtsanwalts­ordnung und das EIRAG geändert werden (Gerichtsgebühren-Novelle 2015 GGN 2015) (901 d.B. und 932 d.B. sowie 9511/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 14.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um den Bericht.

 


17.20.38

Berichterstatter Martin Weber: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht aus dem Justiz­ausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Ein­bringungsgesetz, das Unterhaltsvorschußgesetz, das Firmenbuchgesetz, die Rechts­anwaltsordnung und das EIRAG geändert werden.

Ich darf den Antrag des Justizausschusses stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Fürlinger. – Bitte.

 


17.21.29

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist immer schön, wenn man Gebührensenkungen verkaufen darf, das ist leichter als alles andere. Das ist eine positive Gebührennovelle, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Sie betrifft aus der Sicht des Praktikers gewisse familienrechtliche Themen, die – und das muss ich auch dazusagen – sehr selten durch Rückversicherung aus einer Rechts­schutzversicherung gedeckt sind. Das sind Gebühren, die tatsächlich derjenige oder diejenige Betroffene in familienrechtlichen Causen selbst bezahlt, was in anderen Dingen, die in dieser Novelle drinnen sind, nicht in diesem Ausmaß der Fall ist. Arbeits- und Sozialrechtsangelegenheiten sind heute von fast jeder Rechtsschutzversicherung im Privatbereich oder durch andere Institutionen gedeckt, im Familienrecht ist das allerdings nicht der Fall.

Man sollte aber aus meiner Sicht schon – und die Debatte ist auch im Nationalrat geführt worden – darüber nachdenken, wie wir mit dem Gebührenthema künftig umgehen, wo wir das Maß nehmen, wo wir sagen, es ist eine Gebühr für eine Leistung des Staates. Dabei kommen wir in der Debatte beispielsweise immer wieder zu Grund­buchseintragungsgebühren, die ungedeckelt in Verbindung mit den Grunderwerbs­steuern und der letzte Woche erschienenen Grundstückswertverordnung in Teilbe­reichen und verschiedenen Fällen ab und an schon den Charakter einer Teilenteignung haben. Diese Debatte wird geführt werden müssen!

Sie wird aber nicht zulasten der Justiz geführt werden dürfen, denn die Justiz, meine Damen und Herren, ist eine Kernaufgabe des Staates, die nicht davon abhängig sein kann, ob sich die Justiz, die kein Wirtschaftsbetrieb ist, von selbst finanziert oder nicht.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 144

Die Debatte der Selbstfinanzierung der Justiz, die in den letzten Jahren geführt wurde, ist sehr alt – die haben Sie schon geerbt, Herr Minister, und die haben Ihre Vorgänger geführt –, man muss immer darüber diskutieren, ob man den Strafvollzug einrechnet oder nicht. Tut man es nicht, dann ist die Justiz quasi mehr oder weniger ein gewinn­bringendes Geschäft, ansonsten ist sie es nicht.

Aber die Debatte darf nicht so geführt werden, denn die Justiz ist eine Kernaufgabe des Staates, daher muss der öffentliche Haushalt – auch in Form anderer Ministerien, die für Geldvergabe zuständig sind – aus unserer Sicht entsprechend einschreiten. Dann kann man auch die Debatte darüber führen, wie wir jene Dinge – Gerichts­gebühren, aber auch Eintragungsgebühren –, die ungedeckelt Höhen erreichen, denen keine Gegenleistung mehr gegenübersteht, einfangen und dieses Gebührenrecht auch weiterhin reformieren.

Ich hoffe, dass dies eine Auftaktdebatte dazu ist. Ansonsten ist dieser Gerichts­gebühren-Novelle natürlich die Zustimmung zu erteilen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.24


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Frau Bundesrätin Kurz gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


17.24.39

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich meine, ganz freiwillig machen wir diese Gerichtsgebühren-Novelle ja nicht, denn es war schon der Verfassungsgerichtshof, der uns quasi mitgeteilt hat, dass das so, wie es gehandhabt wurde, nicht verfassungsmäßig ist.

Im Grunde ist es darum gegangen, dass in zweiter Instanz für Verfahren außer Streit, Exekutions- und Insolvenzverfahren, der zweifache Geldbetrag verlangt wurde – also das Doppelte – und in dritter Instanz dann das Dreifache. In Wirklichkeit ist es darum gegangen, diese Gebühren nicht in diesem Maße einzuheben, sondern bei der Erstgebühr zu bleiben, was jetzt im Ergebnis eben insgesamt eine Reduktion der Gerichtsgebühren bringt.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der mir auch besonders wichtig ist, nämlich der Punkt oder die Fälle, wo Interessen von Kindern und Jugendlichen berührt werden, was ja besonders bei Obsorgefragen, Kontaktrechtsfragen oder Unterhaltsverfahren der Fall ist.

Insgesamt ist es ja so, dass überhaupt nur bei Unterhaltsverfahren Gebührenpflicht vorgesehen ist, und dies auch nur dann, wenn der betreffende Jugendliche nicht mehr minderjährig ist, da wir ja seit 1. Juli 2015 in den Verfahren, wo es um Minderjährige geht, keine Gebühren mehr einheben.

Allerdings können ja Unterhaltsverfahren auch ältere Jugendliche betreffen. Da werden sich die Gerichtsgebühren in Zukunft auch in einer absolut sozial verträglichen Höhe bewegen, was natürlicherweise zur Folge hat, dass auch sozial und wirtschaftlich schwächere Personen kein Problem haben werden, sich solchen Verfahren zu stellen. So soll etwa ein Rekurs gegen eine Unterhaltsentscheidung nicht mehr als 27,40 € kosten, was, wie ich denke, wirklich verträglich ist.

Außerdem sieht die Novelle noch einige andere Gebührenerleichterungen vor und möchte auch dieses Gerichtsgebührenrecht etwas übersichtlicher machen. Ich hoffe, das gelingt so. Die Summe des Ausfalls beträgt in etwa 5 Millionen € pro Jahr, also doch eine Summe, die auch ins Gewicht fällt, wobei der Hauptteil auf die Reduktion der Abfragegebühren im Firmenbuch entfällt. Also ich denke, das ist auch eine gute Sache.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 145

Dieses Gesetz tritt am 1. Jänner 2016 in Kraft, und wir schließen uns natürlich dieser Novelle gerne an. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Raml. – Bitte.

 


17.27.30

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich kurz halten und möchte beim Kollegen Fürlinger anschließen. Es ist natürlich immer erfreulich, wenn man Gebührenreduzierungen zustimmen kann.

Leider sind die Gerichtsgebühren aber nicht in allen Fällen sehr günstig, sie sind auch immer mit einem Risiko verbunden, so ehrlich müssen wir auch sein. Wir hätten daher eine Anmerkung dazu. Im Nationalrat wurde das bereits behandelt, Herr Minister, und zwar haben das die NEOS beantragt, die Opposition war sich auch einig, die Regierungsparteien haben leider nicht zugestimmt: Wir hätten gerne künftig einen Online-Gerichtsgebührenrechner gehabt.

Was ist der Hintergrund? Die EU-Kommission erstellt ja jährlich das Justizbarometer. Für 2015 wurde darin festgestellt, dass es in Österreich keine Möglichkeit gibt, vor einem Gerichtsverfahren online, also im Internet, Informationen über anfallende Kosten bei Gerichtsprozessen zu erhalten. Diese Prozesskosten sind ja durchaus maßgeblich bei der Frage: Beschreite ich jetzt den Rechtsweg – es sind leider nicht immer nur Gebühren von 25, 27 €, sie gehen bei einem ordentlichen Streitwert leider in die Höhe – oder versuche ich doch einen außergerichtlichen Vergleich?

Man muss auch ehrlich sein, zu sagen, dass ein Blick in die Gesetze, die alles sagen würden, den meisten Rechtsunterworfenen leider bei allen Reformen und bei allen Vereinfachungen, die man versucht, trotzdem nicht zumutbar ist.

Es gäbe sicher auch noch die Möglichkeit, dass man sich an einem Amtstag bei Gericht erkundigt. Ich denke aber – und wir denken, so wie die Oppositionsparteien –, diesen Aufwand könnten wir den Gerichten ersparen, indem wir eine sehr große Anzahl an Fällen in modernen Zeiten über das Internet abwickeln.

Wir hoffen, dass dieses Modell, dieser Gedanke nicht völlig begraben wurde. Vielleicht erhalten wir das in Zukunft.

Wir werden dem vorliegenden Antrag natürlich zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

17.29


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dziedzic. – Bitte.

 


17.29.48

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrtes Präsidium! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Mit dieser vorliegenden Novelle, das haben wir schon gehört, werden die Gerichtsgebühren teilweise gesenkt. – Das begrüßen natürlich auch wir von den Grünen.

Was wir kritisieren, ist, dass diese Senkung nicht aufgrund von sozialpolitischen Überlegungen erfolgte, sondern, wie auch schon meine Vorrednerin sagte, aufgrund von Sachzwängen, die durch höchstgerichtliche Judikatur entstanden sind beziehungs­weise durch eine unklare Rechtslage.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 146

Tatsache ist, dass 2014 ein Gebührenüberschuss von 189 Millionen erwirtschaftet worden ist und von diesem Gebührenüberschuss jetzt durch diese Gebührensen­kungen den Bürgern und Bürgerinnen nicht einmal 5 Millionen zurückgegeben werden. Konkret heißt das, dass der Eigendeckungsgrad der Gerichte im Vorjahr bei 124 Pro­zent war. Das heißt, die Gerichte finanzieren sich nicht nur selbst, sondern werfen praktisch für die Justiz, aber auch für die Republik noch einen Gewinn ab.

Gewinne sind ja grundsätzlich nichts Schlechtes, auch für die Grünen nicht. (Heiterkeit des Bundesrates Mayer.) Man könnte aber sagen, dass es durchaus auch zu Prob­lemen führt, wenn man dadurch zum Beispiel – was durchaus schon vorgekommen ist – das Gesamtbudget ein bisschen saniert. Da entsteht dann nämlich der Druck, diese Gebühren so hoch zu erhalten, wie sie sind, beziehungsweise keine gravieren­den Senkungen vorzunehmen.

Vielleicht ist an der Stelle auch erwähnenswert, dass Österreich bei den Gerichtsge­büh­ren mit 8 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern in absoluten Zahlen hinter Deutschland liegt und da somit die zweithöchsten Einnahmen aus den Gerichtsge­bühren herauskommen. Das allein zeigt schon, dass die Gebührenbelastung im Bereich der Justiz den Rechtsschutzsuchenden zum Teil gar nicht zumutbar ist, vor allem, wenn es um sozial Schwächere geht.

Die Grünen haben auch deshalb eine Evaluierung angeregt, weil erst dadurch sichtbar werden würde, wo genau welche Senkungen vorgenommen werden müssten, damit sie vor allem den sozial Schwächeren zugutekommen. Ich glaube nämlich, niemand von uns möchte, dass es allein aufgrund von Gebühren Menschen gibt, die einfach nicht die Möglichkeit haben, sich an den Rechtsstaat zu wenden.

Wir werden dem Gesetz nichtsdestotrotz zustimmen und freuen uns auf weitere Schritte. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.32


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zum vorläufigen Abschluss dieser Debatte darf ich Herrn Bundesminister Dr. Brandstetter das Wort erteilen. – Bitte.

 


17.32.51

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Herr Altprä­sident! Ich kann mich zu diesem Punkt sehr kurz fassen. Ich möchte nur gleich darauf hinweisen, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein Enteignungsent­schädigungsverfahren betroffen hat. Das ist etwas, wovon man hoffentlich als Normalbürger, wenn überhaupt, nur sehr selten betroffen sein kann.

Wir haben schon mehr gemacht, als streng genommen notwendig wäre – und das ist auch gut so! –, im Rahmen unserer Möglichkeiten. Ja, ich gebe schon zu, aus der Sicht der Konsumentinnen, Konsumenten, der Normunterworfenen, der letztlich auf die Funktionsfähigkeit der Justiz angewiesenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger kann es nicht genug Gebührensenkungen geben. Aus der Sicht des Finanzministers kann es hingegen nicht genug Gebühren geben.

Eines muss man jedoch schon sagen: Diese Zahlenspielereien um den Eigen­deckungs­grad mache ich bewusst nicht mit. Man muss ja bedenken, dass bei diesen Deckungsgraden über 100 Prozent nie berücksichtigt wird, was es an Kosten im Bereich des Strafvollzugs gibt, im Strafvollzug im weitesten Sinn. Natürlich ist man mit dem, was dort finanziert werden muss, weit unter 100 Prozent.

Ich glaube jedoch, es macht auch keinen Sinn, sich überhaupt mit dieser Frage zu beschäftigen. Es wurde auch von Bundesrat Fürlinger schon zu Recht gesagt: Das ist etwas, das man nicht mit einem normalen Unternehmen vergleichen kann. Das ist eine


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 147

hoheitliche Aufgabe, und die hat ihre Kosten und ihre Notwendigkeiten – dazu stehe ich auch, und ich halte das auch für wichtig.

Es ist auch so, Frau Bundesrätin Dziedzic, dass gerade die Dinge, die mir auch gefallen und die Ihnen auch sehr gefallen – Familiengerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, unterstützte Entscheidungsfindung für die älteren Menschen, damit man die Sachwal­terschaften vermeidet –, alle Sinn haben. Diese Dinge sind erfolgreich, aber sie kosten mehr Geld, weil sie betreuungsintensiv sind, weil es mehr Sozialarbeiter, mehr Fach­kräfte braucht.

Es geschieht ja sehr viel in der Justiz. Es ist ja nicht so, dass das ein statisches System wäre, in das immer nur Gebühren eingeworfen werden, und dann kommt halt irgendwo eine Entscheidung raus. Nein, wir wollen ja ganz bewusst, indem wir auch letztlich das soziale Umfeld mitberücksichtigen, da Akzente setzen und mehr tun, als es vielleicht früher üblich war. Das kostet mehr, aber dazu stehe ich, dass wir das auch einfach tun wollen. Wir brauchen dafür auch die nötigen Finanzierungen.

Zwei Punkte müsste man schon noch hervorheben, die jetzt im Zusammenhang mit dieser Gebührensenkung stehen: Ja, umfangmäßig ist es nicht wenig, das haben wir auch schon in unserem Budget durchkämpfen müssen.

Mir ist aber wichtig, dass man klar sieht, das betrifft vor allem Rechtsbereiche, mit denen die Normalbürgerin, der Normalbürger relativ leicht zu tun haben kann: Insolvenzverfahren, Exekutionsverfahren, Unterhalts- und Pflegschaftssachen. Da haben wir wirklich den Hebel angesetzt, und da haben wir speziell reduziert.

Auch die deutliche Erhöhung der Kostenfreigrenze für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten halte ich für wichtig. Das ist auch etwas, das vor allem für die sozial schwächere Bevölkerung ganz wichtig ist. Im Bereich der Firmenbuchabfragen haben wir die Gebühren entsprechend reduziert.

Es ist ja ein Schwerpunkt da, der besonders zugunsten der sozial schwächeren rechts­suchenden Bevölkerung zu werten ist. Das war uns wichtig und das ist ein Akzent, den wir setzen wollen.

Ein zweiter Akzent mag jetzt zahlenmäßig nicht viele betreffen, aber ich halte es für prinzipiell sehr wichtig, dass man das auch hervorhebt: Wir wollten auch die Eintragung von diakritischen Zeichen ins Firmenbuch gebührenfrei stellen. Das betrifft unsere Volksgruppen, insofern ist das auch, wenn Sie so wollen, eine besondere Wertschät­zung gegenüber unseren Volksgruppen. Bei diesen kommt das natürlich häufiger vor, dass im Namen solche Zeichen vorhanden sind, die man eben auch kostenfrei in den öffentlichen Registern ergänzen lassen können sollte.

Das sind die zwei Punkte, bei denen wir uns schon einiges überlegt haben. Das war schon mehr als die reine Umsetzung der Notwendigkeiten, die sich aufgrund einer Entscheidung des Höchstgerichtes, des Verfassungsgerichtshofes, ergeben haben. Da steckt schon auch eine Überlegung dahinter, und die sollte nicht ganz untergehen.

Ja, ich würde mich auf eine nächste Gebührensenkung freuen – wir werden sehen, welche Möglichkeiten wir haben, aber bemühen werden wir uns auch weiterhin darum. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.37

17.37.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 148

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.37.4615. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohnbauinves­titionsbank (WBIB-G) erlassen und das Bundesgesetz über Steuerliche Sonder­maß­nahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemeinnützig­keitsgesetz geändert werden (895 d.B., 1264/A(E) und 965 d.B. sowie 9504/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 15. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um den Bericht.

 


17.38.13

Berichterstatter Christian Poglitsch: Herr Präsident! Ich berichte über den Be­schluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohnbauinvestitionsbank erlassen und das Bundesgesetz über Steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. – Bitte.

 


17.39.00

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aller guten Dinge sind drei – ich darf mich heute zum dritten Mal zu Wort melden und zum Antrag Stellung nehmen.

Wohnbauoffensive klingt immer gut, und wenn wir uns ehrlich fragen, wer in diesem Haus ernsthaft gegen 30 000 leistbare – leistbare! – Wohnungen in den nächsten sieben Jahren ist, ist das, glaube ich, eine Frage, die wir uns sparen können.

Aber obwohl diese Überschriften und diese Schlagworte so gut klingen, können wir diesem Antrag leider nicht zustimmen. Wir bekennen uns natürlich dazu, dass es die Aufgabe des Sozialstaates ist, dass Menschen mit geringem Einkommen leistbaren Wohnraum bekommen, in dieser Thematik müssen wir aber generell, wie es bei allen Sozialleistungen nun so ist, auch aussortieren und fragen: Wer benötigt denn unsere Hilfe wirklich? Für wen können wir es uns leisten, großzügige Förderungen auszu­zahlen oder geförderten Wohnraum zur Verfügung zu stellen?

Ich werde aber hier jetzt nicht das machen, was Sie vielleicht erwarten, nämlich darüber eine Debatte vom Zaun brechen, ob man bei Nicht-Staatsbürgern anfangen sollte.

Wir hatten ja leider auch hier im Haus einen unrühmlichen Fall, ein plakatives Beispiel. Bei einem Abgeordneten, der der SPÖ nicht unnahe steht, ist das vor einem Jahr aufgekommen. Dieser Abgeordnete war stolz darauf, dass er als Abgeordneter in der


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 149

Bundeshauptstadt Wien in einer Sozialwohnung lebt, dass er dafür wenige Hundert Euro bezahlt – bei einem Bruttogehalt von 8 600 € monatlich.

Diese 8 600 € bin ich ihm nicht neidig, die gestehe ich ihm voll zu, aber man kann nicht erwarten, dass jemand mit einem solch großzügigen Einkommen – das sicherlich verdient ist – eine tolle Wohnung in der Bundeshauptstadt um wenige Hundert Euro hat.

Das gilt für alle, das ist nur ein plakatives Beispiel. Wir alle wissen, es gibt leider auch in anderen Bereichen, bei anderen Personengruppen häufig Beispiele, sodass man überprüfen muss. Wir haben das in meiner Landeshauptstadt Linz immer wieder gemacht, haben schon erste Kontrollen gestartet. Ich bin der Überzeugung, dass das einige Wohnungen freimachen würde.

Wir Freiheitlichen sind auch gegen neue Doppelstrukturen im Bereich des Wohnbaus – das ist grundsätzlich eine Landesmaterie. Wir sprechen uns auch gegen neue Haftungen aus, bei denen am Ende erst recht wieder keiner weiß, was überhaupt herauskommt. Ich sage stellvertretend für meine Fraktion eines ganz klar: Mehr Geld allein löst das Problem nicht!

Ein Problem, das wir beim Wohnbau haben, sind oftmals die exorbitanten Grund­stücks­kosten, die gerade in den letzten Jahren noch einmal angestiegen sind, und gegen dieses Problem hilft auch eine Wohnbauinvestitionsbank nichts. Wir können dieses Problem natürlich in vielen Bereichen nicht beeinflussen – das ist der freie Markt, das ist die Privatwirtschaft, das ist mir ganz klar –, aber auch da ein Beispiel aus Linz, wo wir sehr wohl etwas machen könnten, was aus meiner Sicht schon obskur ist.

Es gibt im Süden von Linz die Hiller-Kaserne, die aufgrund der Sparmaßnahmen beim Bundesheer aufgelöst wurde und jetzt zum Verkauf steht. Das wäre aus städteplanerischer Sicht eine riesige Chance: Dort kann man Wohnbauten hinstellen, dort kann man Reihenhäuser bauen, aber das Ganze soll ja eben auch leistbar sein.

Natürlich schenkt der Bund als Eigentümer der Stadt oder den gemeinnützigen Genos­senschaften nichts. Kolportiert wird, dass Herr Minister Klug angeblich 34 Millionen € für dieses – zugegebenermaßen sehr große – Grundstück haben möchte.

Da denke ich mir aber Folgendes: Zuerst nimmt der Bund Kommunen und Genos­senschaften mit der einen Hand Geld weg, und mit der anderen Hand geben wir das dann als Förderungen sozusagen wieder zurück. Auf dem Weg dazwischen haben wir einen riesengroßen Bürokratieaufwand, der ja auch wieder Geld kostet.

Es gibt noch weitere Teuerungen, die beim leistbaren Wohnraum Probleme schaffen. Das ist zum einen die Barrierefreiheit, das spreche ich ganz ehrlich und offen an. Das betrifft vor allem die Länderebene, daher sage ich es hier. Da muss man sich bei den Bauordnungen und rechtlichen Vorschriften schon auch fragen: Brauchen wir die uneingeschränkte Barrierefreiheit in allen Bereichen? – Ich bin der Überzeugung, man braucht das in sehr vielen Bereichen, gar keine Frage, aber man sollte immer Augenmaß walten lassen, denn all das kostet ja doch sehr, sehr viel.

Was wir uns im sozialen Wohnbau leider auch nicht immer leisten können, sind manche sehr aufwändigen Fassadengestaltungen. Die sind zwar auf der einen Seite sehr schön, aber da denke ich mir schon sehr oft, das sind so Modelle, bei denen sich Architekten austoben, und auch das bekommen wir nicht geschenkt.

Da hatten wir in Oberösterreich einmal das Beispiel, dass man hängende Gärten installiert hat – die sind eh schön, aber sie kosten eben viel Geld. Das schlägt sich ja dann alles bei den Mieten und vor allem bei den Errichtungskosten wieder zu Buche.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 150

Oberösterreich, mein Heimatbundesland, geht trotzdem mit einigen guten Beispielen voran. Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner ist in der Landesregierung für den Wohnbau zuständig. Er hat sich auch schon angeschaut, wo man Bauvorschriften erleichtern kann, wo man Möglichkeiten finden kann, einzusparen.

Da haben wir in Oberösterreich zum Beispiel das Faktum, dass man immer eine gewisse Zahl an Fahrradabstellplätzen errichten muss. Die werden oftmals nicht unbe-dingt gebraucht. – Damit muss Schluss sein! (Bundesrat Stögmüller: … Parkplätze!) – Parkplätze, Herr Kollege, dann, wenn sie gebraucht werden, ja.

Ich gebe Ihnen aber vollkommen recht, dass das für alle Bereiche gelten muss, eben immer mit Augenmaß, und dass man auf den Bedarf der Mieterinnen und Mieter einge­hen muss.

Da haben wir in Oberösterreich ein tolles Modell, das gerade in den Startlöchern steht, nämlich „Junges Wohnen“, wo wir jungen Menschen Wohnungen mit geringerer Wohnfläche zur Verfügung stellen. Die brauchen allein oder zu zweit nicht gleich eine 150-Quadratmeter-Wohnung, dafür kann man entsprechend günstig bauen und auch entsprechend günstig anbieten.

Ich bin also der Meinung, es gäbe genügend Hausaufgaben für die Landesgesetz­geber, die viel vordringlicher wären als dieses Gesetz. Wir werden daher nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.45


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: In unseren Reihen darf ich nun auch Herrn Staats­sekretär Dr. Mahrer herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


17.45.47

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Damen und Herren und vor allem die Jugend vor den Bild­schirmen zu Hause! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich darf zum Thema Wohnbausektor einige Gedanken einbringen und vor allem auch klar feststellen: Politische Maßnahmen für den Wohnbausektor zu setzen bedeutet letztlich auch bedeutende Eingriffe in die privatwirtschaftlich und genossenschaftlich geregelten Märkte und damit auch Maßnahmen, die klare Zielsetzungen bringen.

Es ist ein Grundrecht, vor allem auch bei uns, Wohnbedarf und Wohnbedürfnisse decken zu können. Wir müssen ja auch immer wieder politische Anstrengungen unternehmen, um allen die Umsetzung dieses Grundrechtes zu ermöglichen. Es werden viele Maßnahmen gesetzt, bei denen vor allem eines im Mittelpunkt steht: den Kostenfaktor für Wohnungen zu senken.

Es steht immer wieder das Schlagwort „leistbare Wohnungen“ im Mittelpunkt, aber ich glaube, wir sollten uns das in Zahlen gefasste Ziel setzen, dass Wohnungen und der Wohnbau in etwa mit 25 Prozent des Einkommens gedeckelt werden, sodass eine klare Richtschnur gegeben ist. Ein Viertel des Einkommens für Wohnzwecke auszu­geben ist eine gute Richtlinie, meine ich, und sollte letztlich in vielen Bereichen erfüllt werden können.

Ein Viertel des Einkommens – da stellt sich schon die nächste Frage – in Miete oder doch lieber in Eigentum investieren? – Das ist eine entscheidende Frage. Wir haben in dieser Frage, um auch das gleich vorweg zu sagen, in Niederösterreich einen sehr klaren Weg eingeschlagen und sehr klare Zielsetzungen in diesem Bereich umgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 151

Eigentum ist letztlich eine klare Antwort für leistbares Wohnen, vor allem auch, um der Altersarmut vorzubeugen, da Menschen, die das Pensionsalter erreichen, der Gefahr der Altersarmut ausgesetzt sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Vergleicht man Wien mit Niederösterreich, so sieht man, dass in Wien rund 20 Prozent im Eigentum leben und der Rest zur Miete, in Niederösterreich hingegen wohnen und leben rund 70 Prozent im Eigentum. Damit ist schon ein klarer Unterschied hinsichtlich des Zugangs zu diesem Bereich gegeben.

Warum sprechen wir von Vorbeugung von Altersarmut? – Es zeigt sich, dass vor allem bei älteren Menschen die Kosten überschaubar sind. Die Eigentumswohnungen sind vielfach abbezahlt, damit stehen die Betriebskosten in einem Rahmen, der leistbar ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Das wird sich in Wien leider ändern!)  Das habe ich gerade angeschnitten. Daher ist es auch klar, den politischen Rahmen so zu setzen.

Noch eine Sache: Genossenschaftlicher Wohnbau stellt auch eines sehr klar in den Mittelpunkt: den Umgang mit den Ressourcen, die eingesetzt werden. Ressourcen­schonender Umgang im Wohnbau ist eine wesentliche Zielsetzung, die natürlich auch mit den Fördermaßnahmen einhergeht: energieeffizient, ressourcenschonend und damit nicht zuletzt auch kostensenkend.

Ich meine, das sind auch die Schlagworte einer modernen Architektur und damit auch die Zielsetzung, die gerade ein moderner Wohnbau an sich selbst stellt. Letztlich wissen wir, dass damit natürlich auch zusätzlich eine wirtschaftspolitische Maßnahme gesetzt wird, denn da wird vor allem ressourcenschonend und nachhaltig gewirt­schaftet und damit auch langfristig eine Investition gesetzt. All das kommt letztlich den Mieterinnen und Mietern zugute, die in diesen Wohnungen leben.

Es zeigt sich, dass gerade der Wohnbau angekurbelt gehört – wir haben es auch im Hinblick auf den Bedarf an Wohnungen gehört. Daher ist, meine ich, diese Wohnbau-investitionsbank, die eingerichtet wird, ein weiterer Schritt, um Maßnahmen in die richtige Richtung zu lenken. Letztlich wird da günstiges Kapital langfristig – vielleicht auch mittelfristig – sehr, sehr gut investiert, vor allem in neue Projekte.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung: Schaffung von neuer Substanz, aber auch Sanierung bestehender Objekte, das gehört immer wieder klar betont. Beides im Einklang ist nicht zuletzt auch eine richtige Stadt- und Siedlungspolitik, die wir umsetzen müssen. Damit geht natürlich ein Thema einher, über das immer wieder diskutiert wird, nämlich die Frage des Flächenverbrauchs und vor allem der Nutzung von Substanz, die bereits vorhanden ist.

All das soll letztlich nur einem dienen: Es soll Basis sein, um Wohnen für Familien leistbar zu gestalten, damit dem Staat eine neue Epoche für Familien zu sichern und nicht zuletzt auch dem Standard gerecht zu werden.

Vor allem Familien mit Kindern benötigen mehr Raum, aber insbesondere auch moderne Bautechnik, wie ich sie schon angesprochen habe. Sei es nur in der Frage der Beheizung, in der Frage der Wohnraumlüftung oder vielen anderen modernen Entwicklungen, die ganz einfach ein Wohnraumklima schaffen, das nicht zuletzt Gesundheit und vieles mehr mit sich bringt.

Abschließend: Mit diesem Gesetz wird ein weiterer Schritt im Bereich Wohnbau gesetzt, um politisch die richtige Richtung einzuschlagen. Wir können diese Richtung nur unterstützen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 152

17.52


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Winkler. – Bitte.

 


17.52.24

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Der im Frühjahr 2013 vom EU-Parlament beschlossene Initiativbericht über den sozialen Wohnungsbau in der Europäischen Union spricht sich dafür aus, „dass die Mitgliedstaaten als Ergänzung zu dem Angebot des privaten Immobilienmarkts auch ein Parallelangebot an sozialem Wohnraum aufbauen und organisieren“.

In Österreich wurde dafür, denke ich, schon einiges geleistet. Mit rund 880 000 Woh-nungen nimmt der soziale Wohnbau hierzulande einen Anteil von 24 Prozent am gesamten Wohnungsbestand ein und liegt damit im EU-Vergleich nach den Nieder­landen – und ich denke, die Niederlande sind uns in vielen Dingen ein Vorbild – an zweiter Stelle.

Zum Vergleich: Insgesamt beträgt der Sozialwohnungsbestand auf EU-Ebene rund 25 Millionen Wohnungen, davon steuert allein Österreich 4 Prozent bei.

Ein starker sozialer Wohnbau ist eine wesentliche Säule des sozialstaatlich orientierten Wohnungswesens und damit tragendes Fundament eines auf sozialen Zusammenhalt gerichteten Wohlfahrtstaates. Er öffnet breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zu erschwinglichem Wohnraum.

Sozialer Wohnbau resultiert aus der Erkenntnis des Staates, dass sich die Versorgung der Bevölkerung mit erschwinglichem Wohnraum nicht allein durch den Markt in sozial angemessener Weise erfüllen lässt. Für deren Erfüllung trägt die öffentliche Hand Mitverantwortung, wodurch die Bereitstellung eines ausreichendes Angebotes an leistbarem Wohnraum in Österreich für mich auch eine Aufgabe der Daseinsversor-gung darstellt. Deswegen ist jede Maßnahme, die als Ziel die Schaffung leistbaren Wohnraums hat, mehr als begrüßenswert.

Die Einrichtung der WBIB ist ein Schritt in diese Richtung. Diese rein private Bank soll „budgetschonend gegründet werden und allein über Gesellschafter aus dem Kreis der Spezialinstitute Wohnbaubanken und Bausparkassen verfügen.“

„Die WBIB soll mit Hilfe einer … Bundeshaftung im Ausmaß von bis zu 500 Mio. Euro, insgesamt bis zu 700 Mio. Euro an EIB-Mitteln … möglichst kostengünstig und lang­fristig: (a) an gewerbliche und gemeinnützige Bauträger zur Wohnbaufinanzierung sowie (b) an Gebietskörperschaften zugunsten siedlungsbezogener Wohninfrastruktur vergeben.“

Ziel ist es, in fünf bis sieben Jahren 30 000 Wohnungen neu zu errichten. Einen Kostenvorteil für die Bauträger wird neben den zu erwartenden günstigen Konditionen auch die Laufzeit der Fremdmittel von bis zu 20 Jahren darstellen. Dies führt zu einer langfristig stabilen Finanzierungsstruktur, und die erzielbaren Kostenvorteile sind unmittelbar an die WohnungsmieterInnen weiterzugeben. Durch die Schaffung dieses zusätzlichen Wohnraumes wird auch ein preisdämpfender Effekt auf das bestehende Wohnungsangebot eintreten.

Die Frage nach leistbarem Wohnen ist sehr vielschichtig. Auch wenn die Wohnkosten für Mietwohnungen in Österreich unter dem EU-Schnitt liegen, nimmt der Anteil der Wohnungsausgaben an den Haushaltsausgaben stetig zu. So sind zum Beispiel Neumieten um zirka ein Fünftel höher als Bestandsmieten. Junge Familien, die erstmals auf den Mietenmarkt kommen, haben daher einen Nachteil bei der Woh-nungskostenbelastung.

Armutsgefährdete Haushalte haben bei Wohnung und Energie ähnlich hohe Kosten wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Durch das niedrigere Einkommen ist dieser Per-sonenkreis allerdings überproportional belastet.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 153

Als Frauenpolitikerin darf ich auch nicht unerwähnt lassen, dass günstiger Wohnraum insbesondere für Frauen von großer Bedeutung ist. Es gibt rund 247 000 alleinerzie-hende Mütter. Bedenkt man, dass Frauen meistens auch ein geringeres Einkommen als Männer haben, so zeigt sich, wie wichtig eine Erleichterung bei den Wohnausgaben vor allem für Frauen ist.

Da möchte ich sagen, Herr Kollege Raml, es hat mich sehr schockiert, dass in Oberösterreich Wohnungsbeihilfen für alleinerziehende Mütter von Herrn Landeshaupt­mann-Stellvertreter Haimbuchner gestrichen wurden. Das ist für mich ein Schritt in die falsche Richtung. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Weiters ist der steigende Wohnungsbedarf zu berücksichtigen. Ich komme aus Nieder-österreich, dort war zum Beispiel im abgelaufenen Jahrzehnt ein Bevölkerungswachs­tum von 4,4 Prozent zu verzeichnen, ähnlich dem österreichischen Durchschnitt – das darf man auch nicht vergessen.

Für das kommende Jahrzehnt werden 5,1 Prozent prognostiziert, was gleichfalls dem österreichischen Durchschnitt entspricht. Es fehlen deswegen etwa 2 500 Wohnungen in den nächsten fünf Jahren, wobei selbstverständlich die Angebotslücken regional stark unterschiedlich sind.

Last but not least schafft die Ankurbelung der Bautätigkeit Arbeitsplätze. Insgesamt werden positive konjunkturelle Maßnahmen mit zusätzlichen Investitionsvolumina bis zu 5,75 Milliarden € erwartet.

All diese Punkte, die ich angeführt habe, sind, meine ich, nur als positiv zu sehen. Wenn es dann auch noch gilt, Herr Kollege Raml, andere Dinge nicht aus den Augen zu verlieren – die die Bauordnung oder sonstige Felder sein können –, dann soll es so sein. Dennoch denke ich, dass dieses Gesetz für den leistbaren Wohnraum ein sehr wichtiger Schritt ist. Meine Fraktion wird diesem Tagesordnungspunkt gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.59


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich darf die Bezirksfrauenvorsitzende und Gemein­derätin aus Villach Isabella Rauter mit ihrem Gatten herzlich unter uns begrüßen. Herzlich willkommen im Plenum des Bundesrates! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


18.00.48

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Regie­rungsvorlage ist für uns Grüne ein Schritt in die richtige Richtung, um Wohnen wieder leistbarer zu machen.

Obwohl schon seit Jahren die Notwendigkeit besteht, mehr öffentliche Mittel für Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist lange nichts geschehen. Aber heute können wir endlich den Schritt gehen, auch wenn wir noch einen langen Weg vor uns haben.

Es braucht eine breite Offensive, um Wohnraum günstiger und leistbarer zu machen und zu halten. Eine Wohnbaubank allein erleichtert aber die gesamte Situation nicht komplett, das muss man auch sagen.

Wir werden diesem Antrag heute natürlich zustimmen, denn auch wir sind glücklich, dass endlich mehr Geld für den Wohnbau zur Verfügung steht. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich habe mir das Gesetz wirklich angeschaut und will jetzt keine oberösterreichische Wahlrede zu Haimbuchner & Co halten. (Bundesrat Krusche: Darauf warten wir


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 154

schon!) Bei der Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes möchte ich insbesondere § 14a begrüßen. Bisher ist eine Gemeinnützigkeitsbauvereinigung nur dann für Erhaltungsarbeiten in Innenräumen zuständig, wenn im Mietgegenstand ein ernster Schaden entstanden ist, zum Beispiel ein Wasserrohrbruch, Mauerfeuchtigkeit, undichte Gasleitungen.

Zukünftig soll die gesamte Erhaltung im Inneren der Mietgegenstände mit geringen Ausnahmen – wie zum Beispiel Leuchtmittel, Tapeten, Malereien und so weiter – der GBV obliegen. Das finden wir natürlich sehr gut und das war schon lange eine For­derung von uns. Problematisch ist noch, dass die in § 8 Abs. 1 MRG genannten Instandhaltungspflichten noch immer nicht Gegenstand einer gefestigten Judikatur sind.

Wir wünschen uns, dass das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ein echtes Vorbild für das Mietrechtsgesetz wird und ist.

Ein Punkt noch zur Spekulationsfrist: Bei nachträglich erworbenem Eigentum bleibt es für uns im Ergebnis einfach zahnlos, da man in der Verwertung durch Verkauf einfach bis zum Ablauf der Spekulationsfrist zuwarten kann und bis dahin unbestraft durch Vermietung erhebliche Gewinne aus den Förderungen der öffentlichen Hand bezie­hungsweise vom Steuerzahler lukrieren kann.

Es ist nicht einsichtig, dass lediglich für den Fall der Weiterveräußerung Spekulations-regeln gelten sollen, jedoch die Weitervermietung, die laut Mietrechtsgesetz zu völlig freiem Mietzins möglich ist, mit beliebigen Gewinnerzielungsmöglichkeiten sein soll.

Des Weiteren ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die Spekulationsfrist nur bei nachträglich erworbenem Wohnungseigentum zur Anwendung gelangen soll und nicht auch in jenen Fällen, in denen eine gemeinnützige Bauvereinigung in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Errichtung der Baulichkeit Objekte im Wohnungseigentum veräußert. Auch in diesen Fällen sollte Spekulation mit Genossenschaftswohnungen meiner Meinung nach gestoppt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

18.03


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Mahrer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.03.53

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Die wich­tigsten Argumente für diese konjunkturstützenden und in Summe den Wohnbau zukünftig stärker tragenden Maßnahmen sind von den Bundesräten angesprochen worden. Vielleicht ein paar Punkte, die man noch einmal unterstreichen und klarstellen sollte, da sie in der öffentlichen Debatte immer wieder falsch interpretiert werden.

Ich möchte betonen, dass die neue WBIB keine Bank der Republik ist. Sie ist eine Bank der bestehenden Marktteilnehmer, die schon jetzt in erheblichem Ausmaß Wohnbaufinanzierungen sehr erfolgreich abwickeln und betreiben.

Jetzt kann man sich fragen: Warum ist diese Bank notwendig? – Die neue, fast virtuelle Struktur, die zwischen internationalen Kreditfazilitätengebern, zum Beispiel der Euro­päischen Investitionsbank, und unseren bestehenden Einrichtungen zwischengeschal­tet wird, ist lediglich ein Instrument, um großvolumige Kredite solcher supranationalen Institutionen abholen zu können, die Volumina von 100 Millionen € und mehr pro Kreditrahmen vergeben. Wir planen, hier zweimal 350 Millionen €, also in Summe ein Volumen von 700 Millionen € abzuholen, und dafür – und das ist der einzige Punkt, bei


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 155

dem die Republik in Wirklichkeit tätig wird – eine Bundeshaftung im Ausmaß von 500 Millionen € zu geben.

Wir verwenden also in dem Sinn keine öffentlichen Steuermittel, die wir investieren, sondern wir arbeiten mit einem zwischengeschalteten Konstrukt – extrem schmal, kaum Aufwendungen, die in der Verwaltungsinfrastruktur notwendig sind. Das ist ein klug durchdachtes Modell. Ich hätte mir daher gewünscht, da die freiheitliche Fraktion – teils zu Recht – immer kritisiert, dass es aufgeblähte Konstrukte gibt, die man kosten­günstiger machen könnte, dass sie dieses mitunterstützt, denn es ist ein sehr kostengünstiges und wohldurchdachtes Modell.

Wir haben exemplarisch Berechnungen angestellt, um wie viel günstiger im Vergleich zu dem, was eine Geschäftsbank jetzt finanziert, das, was die WBIB finanzieren wird, auf Basis des Zinsspreads in Basispunkten ist. Die Kosten für die Liquiditätshaltung aufgrund regulatorischer Vorschriften sind natürlich bei einer normalen Geschäftsbank zurzeit recht hoch, das macht bei einer Zinsspreadberechnung 35 Basispunkte aus und wird bei der WBIB 5 Basispunkte ausmachen.

Der Betriebsaufwand ist logischerweise bei einer Geschäftsbank auch höher, da sind 75 Basispunkte einzurechnen, bei der WBIB 22 Basispunkte. Und die Haftungs­prämie – Landes- oder Bundeshaftung, in unserem Fall Bundeshaftung – ist bei beiden gleich, das sind 34 Basispunkte. Das heißt, Sie haben bei einem exemplarischen Modell eine Differenz zwischen 144 Basispunkten bei der Geschäftsbank und nur 61 bei der WBIB.

Es sprechen also die Argumente sachlich absolut dafür, dass dieses Modell ein sehr, sehr flach aufgestelltes, schmales und mit niedrigen Administrationskosten versehenes Modell ist, das auch noch diese wunderbar günstigen Finanzierungsmöglichkeiten, nämlich auf 25 Jahre – wo können Sie das sonst machen? –, langfristig gesehen niedrigst verzinst, dann in den Wohnbau, an die anderen Marktteilnehmer weitergeben kann.

In diesem Sinne kann ich nur sagen, dass da ein vernünftiger Wurf gelungen ist, der auch einmal wirklich vorzeigen kann, dass man etwas sehr modern und sehr schmal und sehr marktnah aufstellen kann. In diesem Sinne hätte ich mich gefreut, wenn es alle Fraktionen mitgetragen hätten, da ich glaube, dass das ein guter und richtiger Impuls ist. Die anderen guten Pro-Argumente für die beiden Vorlagen sind ange­sprochen worden. – In diesem Sinne danke ich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundes­räten von SPÖ und Grünen.)

18.07

18.07.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.08.0316. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Regelung des Bundes-Stiftungs- und Fondswesens (Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz 2015 – BStFG 2015) erlassen und das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das


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Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bundes­abgabenordnung, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Bundes­ge­setz über die Einräumung von Privilegien an nichtstaatliche Organisationen und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gemeinnützigkeits­ge­setz 2015 – GG 2015) (889 d.B. und 934 d.B. sowie 9490/BR d.B. und 9505/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


18.08.28

Berichterstatter Christian Poglitsch: Herr Präsident! Ich erstatte den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Regelung des Bundes-Stifungs- und Fondswesens erlassen und das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftssteuergesetz 1988, das Grunderwerbssteuergesetz 1987, das Stif­tungs­eingangssteuergesetz, die Bundesabgabenordnung, das Transparenzdatenbank­gesetz 2012, das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien an nichtstaatliche Organisationen und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schererbauer. – Bitte.

 


18.09.10

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Hohes Haus! Bezug nehmend auf das Gemeinnützigkeitsgesetz betreffend die Regelung des Bundes-Stiftungs- und Fondswesens möchte ich anmerken, dass das erklärte Ziel, mehr Menschen in Österreich zu ermutigen beziehungsweise zu motivieren, Vermögens­werte für den Zweck der Gemeinnützigkeit aufzuwenden, nur schwer erreicht werden kann.

In Österreich werden zurzeit ungefähr 20 bis 25 Millionen € zugewendet, im Nach­bar­land Deutschland sind es über 17 Milliarden €, was fast dem Hundertfachen dessen, was in Österreich zugewendet wird, entspricht. In der Schweiz ist es immerhin noch eine stolze Summe von circa 1,3 Milliarden €.

Unser erklärtes Ziel ist es, sich in den nächsten Jahren dem Stifterniveau der Schweiz zu nähern, um einen deutlich erkennbaren Wachstumsschub für Österreich zu erzielen. Dies wird jedoch leider ein Wunschtraum bleiben, da dieses Gesetz zu wenig weit geht.

Durchleuchtet man die wirkungsorientierte Folgenabschätzung, so stellt man fest, dass das Spendenvolumen aus Stiftungen mehr oder weniger dieselben Wachstumsraten aufweisen wird, wie es in den Jahren 2010 bis 2015 prognostiziert worden ist. Das ist für mein Empfinden etwas eigenartig, da diese Wachstumsprognosen sogar dem Finanzministerium ein bisschen zu wenig sind, denn als Ziel setzte sich die Regierung Folgendes – ich darf zitieren –:

„Das Ziel ist erreicht, wenn das Spendenaufkommen im Mittel der Jahre 2016 bis 2020 weiter steigt und dabei Steigerungsraten erreicht, die jenen der Jahre 2010 bis 2013 nahekommen.“


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 157

Das klingt vor dem Hintergrund der von diesem Gemeinnützigkeitsgesetz ausgehen­den Erleichterungen und Anreize nicht wirklich ambitioniert und bedeutet eigentlich keine zusätzliche Steigerung des Spendenaufkommens gegenüber der geltenden Rechtslage.

Nur ganz kurz zur Forschung: Es wird nach wie vor zwischen wissenschaftlichen und den sonstigen begünstigten Zwecken unterschieden. Vereine und Stiftungen, die wissenschaftlich tätig sind, müssen ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienen. Das hat zur Konsequenz, dass Organisationen, die zum Beispiel zu zwei Dritteln wissenschaftlich und das übrige Drittel zum Beispiel auf dem Gebiet des Umwelt­schutzes tätig sind, nicht spendenbegünstigt sein können, da sie weder ausschließlich wissenschaftlich tätig sind noch überwiegend, zumindest zu 75 Prozent, Umweltschutz betreiben. Ein Änderungsvorschlag unsererseits wäre: Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der Forschungskörperschaften und der nach entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen erreichten Stiftungen und Fonds ist diese Ein­schrän­kung zu streichen. Dafür müsste nur das Wort „ausschließlich“ gestrichen werden.

Ich möchte noch ganz kurz die Spendenabsetzbarkeit im Bereich der Bildung streifen: Bisher blieb Bildung mit Ausnahme der im Gesetz genannten Universitäten sowie der Lehre auf universitärem Niveau, insbesondere Schulen, von der Spendenbegünstigung ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass freigiebige Zuwendungen nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Besonders nachteilig ist diese Regelung für Zuwen­dungen aus Privatstiftungen, da diese zusätzlich noch die KESt in Abzug bringen müssen. Angesichts der budgetären Situation im Bildungsbereich sollte eine Auswei­tung der Spendenabsetzbarkeit auf die Bildung erfolgen.

Am Schluss noch zu Kunst und Kultur: Derzeit ist der Kreis der steuerlich begünstigten Spendenempfänger im Bereich der Kunst und Kultur sehr eng gezogen, so sind etwa Spenden an Museen oder die Österreichische Nationalbibliothek begünstigt. Durch eine allgemeine Spendenbegünstigung für Körperschaften, die der österreichischen Kunst und Kultur dienende künstlerische Aktivitäten enthalten und durch die öffentliche Hand gefördert werden, soll die steuerliche Kunst- und Kulturförderung ausgeweitet werden. Der Begriff der künstlerischen Tätigkeit im Steuerrecht ist zum Teil nur schwer fassbar, die rechtliche Beurteilung stößt daher auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Daher soll eine Verknüpfung der Voraussetzungen für die Erteilung der Spendenbe­günstigung mit der Gewährung der Förderung durch den Bund oder die Länder und deren Ausweisung in der Transparenzdatenbank eine Erleichterung der Prüfung der Begünstigungsvoraussetzung bewirken.

Dazu gibt es zwei Kritikpunkte: Eine Bindung an eine von Bund oder einem Bundes­land gewährte Förderung und einen von der Kultureinrichtung nicht beeinflussbaren Eintrag in der Transparenzdatenbank ist unzumutbar. Dies könnte zu unerwünschten Folge­erscheinungen führen, insbesondere wird es dadurch für potenzielle privatwirt­schaftliche Spender künftig attraktiver sein, Zuwendungen an Institutionen zu gewäh­ren, die bereits öffentliche Förderungen erhalten. Die Bindung der Abzugsfähigkeit privater Spenden an den Erhalt öffentlicher Förderungen soll daher überdacht werden.

Abschließend ist zu bemerken, dass die diversen Spendenobergrenzen in der Vorlage nach wie vor enthalten sind und daher in 5 Jahren eine Gesamtevaluierung über die Spendenfreudigkeit kaum aussagekräftig sein wird. Es hätte daher der umgekehrte Weg bevorzugt werden sollen, nämlich die Spendenabzugsfähigkeit zu liberalisieren und am Ende der Evaluierungsperiode zu prüfen, ob Grenzen eingebaut werden müssen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 158

Wir von der FPÖ werden diesem Gesetzentwurf keine Zustimmung geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.15


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Hackl. – Bitte.

 


18.15.24

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Geschätztes Präsidium! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zu­seher vor den Bildschirmen zu Hause! Dieses Gemeinnützigkeitspaket umfasst ein neues Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz für Gründer von gemeinnützigen Stiftungen. Dabei hat man besonders darauf geachtet, dass Stiftungen einfach zu gründen sein sollen. Das heißt, dass nicht mehr so viel Bürokratie wie bisher notwendig sein soll, sondern wesentlich einfachere Behördenwege vorgesehen sind. Man hat sich da an den Vereinsgründungen orientiert.

Es ist ein Paket für mehr Beschäftigung, für ein nachhaltiges Wachstum und eine stärkere Zivilgesellschaft. Arbeiten heißt, Geld für sich und für die Familie zu verdie­nen, und wenn den Leuten nach der Arbeit genug in der Tasche bleibt, dann sind wir auch sehr bereit, zu spenden.

Generell sind gerade wir Burgenländer sehr spendenfreudig und in sehr vielen Vereinen verankert. Wenn es diese Erleichterungen gibt, könnte das auch für unser Burgenland eine große Rolle spielen, da wir ja derzeit nicht viele Stiftungen haben. Wir leben in einer Zeit, in der wir mehr denn je darauf angewiesen sind, dass der Staat und seine Bürger auf Augenhöhe miteinander für das Gemeinwohl eintreten. So werden die vielen Beispiele kreativen und innovativen Handelns von Stiftungen in dieser Pub­likation Ansporn und Mahnung zugleich sein, auch in Österreich die Bedingungen für freiwilliges, selbstbestimmendes Engagement in der Bürgergesellschaft zu erleich­tern.

Europaweit fördern mehr als 110 000 gemeinnützige Stiftungen Bildung, Forschung, Kultur, Soziales und Entwicklungszusammenarbeit mit einem Volumen von geschätz­ten 83 bis 150 Milliarden €. In Österreich lag das Volumen der Stiftungsausschüttungen bisher bei lediglich rund 20 Millionen bis 25 Millionen € pro Jahr. Das wird sich für Österreich hoffentlich jetzt ändern. Neben den neuen attraktiven steuerlichen Anreizen für die gemeinnützigen Einrichtungen wird dafür gesorgt, dass Stiftungsgründungen in Zukunft einfach, unbürokratisch und transparent werden. Die Nachbarländer Schweiz und Deutschland sind Vorzeigeländer in diesem Bereich, denn dort boomen die gemeinnützigen Stiftungen im Gegensatz zu Österreich, wo zuletzt sogar mehr Stiftun­gen aufgelöst als gegründet worden sind.

Ich erwähne noch das Potenzial für Österreich. Kapital bleibt vielfach nur als Fluss­größe, wirksam ist es nur, wenn es so jung und vital ist wie die Ideen, mit denen es sich verbindet. Es gibt hierzulande ein weit verzweigtes Netzwerk sozialen Engage­ments. Viele Netzwerke könnten zusätzlich Schwung aufnehmen. Damit die Attrakti­vität und die Leistungsfähigkeit für gemeinnützige Stiftungen erhöht werden, bedarf es neben veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen und einer steuerlichen Anreizwir­kung auch einer deutlich höheren Wertschätzung vonseiten der gesamten Politik und der Gesellschaft für ein stiftungsfreundliches Klima. Gemeinnützige Stiftungen sollen auch in Österreich als verlässliche Säulen der Zivilgesellschaft Beiträge für Österreichs Zukunft leisten. Das moderne Gemeinnützigkeitspaket ist ein Meilenstein für ein aufblühendes Stiftungsland Österreich.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 159

Herr Staatssekretär Dr. Harald Mahrer, ich danke Ihnen für Ihren Einsatz. Ich danke aber auch allen, die zu dieser Gesetzgebung beigetragen haben. Unsere Fraktion wird dem gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

18.19


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Winkler. – Bitte.

 


18.20.20

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Staats­sekretär! Österreich ist ein Land der Kleinspender. Im internationalen Vergleich spen­den hier überproportional viele Menschen schwächerer Einkommensschichten, wäh­rend Großspenden beinahe fehlen. Vom Aufkommen her ist Österreich leider nicht der viel zitierte Spendenweltmeister.

Wenn nun Petra Navara, die Geschäftsführerin des Bundes gemeinnütziger Stiftungen, meint, dass sich Stifterinnen und Stifter vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes durchaus gefordert fühlen, ihren Beitrag zu leisten, und sie davon überzeugt ist, „dass wir in fünf Jahren, wenn der Gesetzgeber die Auswirkungen des Gemeinnützigkeits­gesetzes evaluiert, respektable Ergebnisse vorweisen können“, dann ist das doch durchwegs eine erfreuliche Aussage.

Wie sehen nun die Eckpunkte dieses Gesetzes aus, die dazu beitragen sollen, diese Spendenankurbelung zu erreichen? – Abbau bürokratischer Hürden, Vereinfachung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für gemeinnützige Stiftungen, steuerliche Erleichterung zur Mobilisierung von Kapital für Wissenschaft, Forschung und andere gemeinnützige Zwecke für gemeinnützige Körperschaften und Erweiterung der steuerlichen Abzugsfähigkeit im Bereich Kunst und Kultur.

Ziel dieses Gemeinnützigkeitspaketes ist es, zusätzliche private Mittel für Bereiche zu lukrieren, in die auch der Staat investiert und weiter investieren wird, etwa in Wis­senschaft und Forschung oder Kunst und Kultur. Für mich ist es wichtig, dass auch der Staat weiterhin zu seiner Verantwortung der staatlichen Förderung steht.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria schätzt das mit dem Gesetz angestoßene Spendenvolumen auf 15 Millionen €, der Fundraising Verband Austria auf 20 Millionen bis 25 Millionen €. Ich denke, selbst wenn es nur die Untergrenze ist, wäre das ein exorbitanter Erfolg.

Wie soll das erreicht werden? – Das soll erreicht werden durch folgende Maßnahmen: Vereinfachung der Behördenstruktur, Abzugsfähigkeit von Zuwendungen zur Vermö­gensausstattung, Abzugsfähigkeit von Zuwendungen von der Zwischensteuer, Befreiung von der Grunderwerbsteuer und der Grundbucheintragungsgebühr für unent­geltliche Erwerbe gemeinnütziger Körperschaften, Stiftungseingangssteuer­befreiungen für Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen, Schaffung einer neu definierten Kategorie quasi internationaler Organisationen samt steuerlicher Erleich­terung.

Ein wichtiger Eckpfeiler ist meiner Meinung, dass es in Zukunft möglich sein wird, dass Spenden an gemeinnützige Kulturinstitutionen, die Förderung vom Bund oder von den Ländern erhalten, steuerlich absetzbar sind. Ein großes Augenmerk sollte dabei aber darauf gesetzt werden, dass die Spenden nicht nur den großen Einrichtungen zugute­kommen, sondern dabei auch regionale Aspekte berücksichtigt werden. Deshalb sollte man in naher Zukunft evaluieren, welche Kulturinstitutionen in welchem Ausmaß von der Spendenabsetzbarkeit profitiert haben.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 160

Wir Bundesländer sind auch gefordert, die Transparenzdatenbank zu befüllen, da es bei Kunst und Kultur die Koppelung der Spendenabsetzbarkeit an die Transparenz­datenbank gibt.

Ich habe meine Rede mit einer Aussage von Petra Navara begonnen, lassen Sie mich jetzt mit einer Aussage von ihr meine Ausführungen beenden:

„ein Bravo zu dieser Innovation! Wenn dieses Gesetz durchgeht … bleibt österreichi­sches Kapital in Österreich. … Dann bringt brachliegendes Kapital Österreich wieder zum Blühen. Eine Intervention, die wir so dringend brauchen …“

Wir werden auch diese Aussage in ein paar Jahren evaluieren, und ich hoffe, dass diese Aussage zu 100 Prozent unterstrichen werden kann.

Meine Fraktion sieht in diesem Gesetz eine Chance, die nicht vertan werden sollte, und deswegen werden wir ihm auch die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

18.25


Präsident Gottfried Kneifel: Frau Bundesrätin Dr. Reiter gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


18.25.48

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staats­se­kretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Gesetz werden neun Gesetzes­materien mit dem Ziel geändert, mehr gemeinnützige Stiftungen in Österreich zu erlangen. Wir hinken da weit hinter vergleichbaren Ländern wie Deutschland oder Schweiz nach. Dieses Gesetz soll dazu dienen, mehr Mittel für den sozialen Bereich, für die Forschung, für die Umwelt und nicht zuletzt auch für die Kultur zu lukrieren.

Natürlich handelt es sich um ursächlich staatliche Aufgaben, diese Bereiche mit Mitteln auszustatten, aber ich halte es durchaus für wünschenswert, dass sich eine breite Zivilgesellschaft an der Erfüllung dieser Aufgaben beteiligt. Wir finden es richtig, dass sie dabei sowohl in bürokratischer Weise als auch mit Steuererleichterung unterstützt wird. Es ist eine Form des Mäzenatentums, aber wie viele Dinge wären ohne Mäzene schlicht und einfach unmöglich.

Eine Befürchtung, die auch schon von meiner Vorrednerin angesprochen worden ist, ist, dass vielleicht ohnehin nur große Institutionen, die auch entsprechende Werbung machen können, in den Genuss von Zuwendungen kommen. Angeblich hat die Erfah­rung gezeigt, dass durchaus auch kleine, regionale Initiativen durch persönlichen Kontakt zum Zug kommen. Ob dabei die strenge Koppelung an staatliche Subventio­nen nicht ein Hindernis darstellt und dadurch gerade auch sehr innovative Bereiche sozusagen hinausgekickt werden, die nicht oder noch nicht durch staatliche Subven­tionen unterstützt werden und die durchaus auch eine Chance haben sollten, sollte man sich, glaube ich, näher anschauen.

Wir wollten generell den Kreis der möglichen Fördernehmer noch um die Bereiche Denkmalschutz und Tierschutz erweitern, damit sind wir im Nationalrat aber leider auf der Strecke geblieben. Das Gesetz ist also in unseren Augen nicht vollkommen, aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Ein Problem ist natürlich schon auch, dass der Gemeinnützigkeitsbegriff ja selber sehr problematisch definiert ist. Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird – das ist schon sehr schwammig. Der Rechnungshof weist ja auch darauf hin, dass jetzt schon nicht evaluiert wird, ob die bestehenden Begünstigungen wirklich zweckmäßig, sparsam und wirtschaftlich sind. Auch der Ein-


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nahmenausfall für den Staat kann nicht seriös beziffert werden, und natürlich sind auch die positiven Auswirkungen nicht wirklich zu beziffern.

Ich denke, ein sorgsames Hinschauen auf die Entwicklung ist in Zukunft sicherlich notwendig. Es braucht vielleicht auch hier entsprechende Adaptierungen, aber wir halten das trotzdem für einen Schritt in die richtige Richtung. Das Glas ist mehr als halb voll, und wir stimmen deshalb diesen Bestimmungen auch zu. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

18.29


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer neuerlichen Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Mahrer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.29.13

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Tatsächlich ist das nur ein erster Schritt in die richtige Richtung – nichtsdestotrotz in die richtige Richtung.

Die Geschäftsführerin des Bundes gemeinnütziger Stiftungen ist erwähnt worden. Mich hat nach der Nationalratssitzung der Präsident des Verbandes letzte Woche kontaktiert und gesagt, sie haben eigentlich sowohl im gemeinnützigen Stiftungsverband als auch im Fundraising Verband in den letzten Tagen überall extrem positiven Zuspruch auf den Beschluss im Nationalrat bekommen. Das werten wir als ein sehr, sehr gutes Signal. Nichtsdestotrotz – und damit soll man nicht hinter dem Berg halten – würden sich alle mehr wünschen. Die Kritik ist natürlich berechtigt, dass man noch mehr hätte machen können.

Wie das in einer Regierung so ist, verhandelt man natürlich über gewisse Punkte, und das ist ein Verhandlungsergebnis. Ich bin trotzdem zufrieden, weil wir diesen Schritt nun erstmals in Österreich gehen. Wir werden das gemeinsam mit all den zuständigen Beteiligten in der Szenerie, in dem gesamten Spenderökosystem versuchen. Zu diesen Beteiligten gehören die bestehenden NGOs, aber auch alle Kunst- und Kultureinrich­tun­gen, die jetzt erstmalig in den Genuss der Spendenabsetzbarkeit kommen. Weiters gehören dazu auch die bereits angesprochenen potenziellen Mäzenatinnen und Mäze­naten, die schon signalisiert haben, dass sie bei entsprechend besseren Rahmen­bedingungen auch mehr machen würden. Diese Rahmenbedingungen haben wir nun erstmals verbessert.

Ich danke bei dieser Gelegenheit allen, die sich in den vergangenen 12 bis 13 Monaten engagiert und eingebracht haben. Es ist wirklich viel Expertise eingebracht worden, auch von vielen hier im Haus. Ich weiß das sehr zu schätzen, weil dieses Thema ein Herzensanliegen war, das viele mitgetragen haben. Ich denke, dass sich das Ergebnis auch deshalb durchaus sehen lassen kann.

Wir werden aber sehr genau hinschauen, an welchen Stellschrauben in den nächsten Jahren noch weiter gedreht werden muss, um die Rahmenbedingungen im Finetuning noch weiter zu verbessern. Das kann natürlich im Bereich der Höhe der jeweiligen Spendenabsetzbarkeit sein, diese berühmten 500 000 € in den Vermögensstock einer gemeinnützigen Stiftung sind einmal ein erster Schritt. Da ist noch viel Luft nach oben. Wir haben uns aber auch dabei am deutschen Beispiel orientiert. Die Deutschen haben auch erst nach ein paar Jahren die Grenze von rund 300 000 € auf 1 Million € erhöht. Man kann sich also berechtigterweise die Entwicklung einmal anschauen und wird dann sehen, ob das Schritt für Schritt nach oben revidiert werden muss. Man wird auch sehen, ob die sonstigen, jetzt festgelegten Maßnahmen und Regularien tauglich sind, um den zu erzielenden Effekt wirklich lukrieren zu können. Wir werden uns auch eng


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mit allen angesprochenen Engagierten austauschen. Wir sind natürlich auch auf Feed­back angewiesen.

Wir blicken der Entwicklung sehr positiv entgegen. Normalerweise bekommt man als Gesetzgeber ja nicht sofort und so schnell derart positive Nachrichten vom Ökosystem, und daher freut uns das natürlich. Ich bedanke mich natürlich bei den Fraktionen, die zustimmen werden. Ich halte das für einen sehr wichtigen Schritt für die österreichische Zivil- und Bürgergesellschaft. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

18.32

18.32.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

18.32.5117. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz über das Normenwesen (Normengesetz 2016 – NormG 2016) (894 d.B. und 935 d.B. sowie 9491/BR d.B. und 9506/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hackl. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


18.33.05

Berichterstatterin Marianne Hackl: Ich erstatte den Bericht des Wirtschaftsausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bun­desgesetz über das Normenwesen (Normengesetz 2016).

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates dient zur Umsetzung eines Projekts des Arbeitsprogramms der österreichischen Bundesregierung 2013 bis 2018. Mit ihm wird ein zeitgemäßes Normengesetz vorgelegt, und damit wird die Transparenz in der Normenschaffung erhöht.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile es ihm.

 


18.34.14

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normen sind unbestreitbar notwendig. Sie sind notwendig für Kundenbeziehungen und Lieferantenbeziehungen, aber auch für Produzentenbeziehungen. Unternehmen brauchen aber andererseits sicher auch weniger Regulierung, weniger Vorschriften. Das muss aber, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend modern sind, nicht unbedingt ein Widerspruch sein. Ich denke, dass wir mit diesem Normengesetz einen sehr wichtigen Schritt in Richtung Modernisierung gehen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 163

Es ist ein Schritt in Richtung Modernisierung, aber auch in Richtung Endbürokra­tisie­rung. Es gibt dazu eine kleine Ausnahme, einen kleinen Wermutstropfen, auf den ich am Schluss noch zu sprechen komme.

Ausgesprochen erfreulich ist, dass mit diesem Gesetz vor allem der freie Zugang zu Normen sowohl für die Teilnehmer als auch für die Antragsteller sichergestellt und ermöglicht wird. Davon profitieren sehr viele kleine und mittlere Unternehmen, die nun besser in den gesamten Normungsprozess einbezogen und eingebunden werden können.

Es kommt mit diesem Gesetz auch zu wesentlich mehr Transparenz und insgesamt zu einer besseren Steuerung des Normenwesens. Man muss sich vorstellen, dass es in Österreich zirka 25 000 Normen gibt. Da verliert man doch relativ rasch einmal den Überblick.

Diese Flut von Normen kann die Wirtschaft natürlich auch lähmen und ihr auch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit Schaden zufügen. Um dieses Problem zu entschärfen, wird in Zukunft eine Normung nur noch auf Antrag, mit konkreten Begründungen und einer konkreten Prüfung erfolgen. Dadurch kann die Anzahl der Normen besser kontrolliert werden. Das schafft mehr Transparenz und mehr Effizienz. Als Beispiel dafür kann man den Wohnbau besonders hervorheben. Wir hatten gerade in diesem Bereich in der Vergangenheit ausufernde Normen, die auch eine Vielzahl von bürokratischen Hürden geschaffen haben. Diese Flut kann mit diesem Gesetz jetzt eingedämmt werden.

Ein Satz zu dem Wermutstropfen, den ich am Anfang angesprochen habe: Ursprüng­lich war ein Lenkungsausschuss mit fünf Mitgliedern geplant. Jetzt gibt es einen Beirat mit 27 Personen. Das ist aus meiner Sicht doch wieder eine recht typische österreichi­sche Entscheidung, die leider nicht unbedingt im Sinne einer Endbürokratisierung ist. (Bundesrat Schennach: Da gibt es viel Expertise!) – So kann man es auch sehen, aber das ist sehr positiv formuliert.

Insgesamt ist diese Gesetz aber, wie gesagt, ein sehr positiver Schritt in Richtung Endbürokratisierung und Modernisierung. Ich gehe davon aus, dass alle diesem Gesetz zustimmen werden, und freue mich schon darauf. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

18.37


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Novak. Ich erteile es ihm.

 


18.37.24

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine Damen und Herren, auch jene zu Hause vor den Bildschirmen! (Der Redner hält eine Banane und ein Ladekabel in die Höhe.) Wie Sie unschwer erkennen können, habe ich eine Banane in der linken Hand. (Bundesrätin Grimling: Hast du Hunger?) – Hunger, ja! In der rechten Hand habe ich ein Ladekabel für ein Handy. (Bundesrat Mayer: Und das funktioniert nicht!) – Das funktioniert!

Das sind zwei Gegenstände, an denen sich sehr anschaulich zeigen lässt, worum es bei dem jetzt zu behandelnden Thema geht. Ich kann beide Gegenstände mit Normen versehen. Ich kann eine Bananenkrümmungsnorm festlegen, und ich kann den Stecker des Ladekabels normieren. Einmal ist es eigentlich totaler Unsinn und Ausdruck einer überbordenden Bürokratie. Das andere Mal ist es eine sinnvolle Sache, hinter der praktische Überlegungen stecken. Denken wir auch an die Europalette oder daran – ein negatives Beispiel –, dass wir, wenn wir in bestimmte europäische Länder fahren,


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 164

verschiedene Stecker mitnehmen müssen! Es ist zwar die Norm, dass die Sicherheit gewährleistet ist, aber im Grunde brauche ich mehrere Stecker.

Normen sollten eigentlich nur da sein, um Menschen Sicherheit zu geben, und damit meine ich auch Rechtssicherheit. Sie sollten Menschen Erleichterungen verschaffen, etwa dadurch, dass es normierte Ansteckbuchsen für Ladekabel gibt. Dann kann ich mein Kabel ruhig einmal zu Hause vergessen, weil ich auch ein anderes verwenden kann. Kostenersparnis spielt auch eine Rolle, denn im Bedarfsfall werde ich für ein normiertes Teil leichter Ersatz finden als für ein nicht normiertes, das quasi eine Einzelanfertigung ist. Normen sind jedenfalls nicht dazu da, um Leute zu verwirren, sie zu schikanieren und für übermäßige Ausgaben zu sorgen.

Genau der Kostenfaktor war die Initialzündung für die Novellierung. Bei einer Enquete im Jahr 2013 haben meine Parteifreunde Ruth Becher und Christoph Matznetter den Normendschungel im Wohnbau kritisiert, der den Wohnbau unnötig verteuert. Die Argumentation war offenbar so überzeugend, dass die Novellierung des Normenge­setzes in das Regierungsübereinkommen 2013 mit aufgenommen wurde.

Als heuer im Sommer der Gesetzentwurf fertig war, ging es heiß her. Ich meine damit nicht, dass wir, was die Temperaturen betrifft, einen heißen Sommer gehabt haben. Wie erhitzt die Gemüter waren, zeigt die Zahl von 97 Stellungnahmen zu dem Gesetz­entwurf. Die Onlineausgabe der deutschen Zeitung „Die Zeit“ titelte Mitte August des­halb sogar: Krieg um Normen in Österreich.

Ein Teil der Erregung dürfte aber wohl eher auf handfesten Interessen einiger Per­sonen beruhen. Der Vorsitzende des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen, Karl Wurm, ortete etwa auch – ich zitiere – „Interessen im Hintergrund bei den an den Normen mitwirkenden Experten: Wenn zum Beispiel Vertreter der Dämmstoffindustrie an ökologischen Normen mitarbeiteten.“ Zu denken gibt mir auch, wenn etwa ein offensichtlicher Kenner der Szene sagt, dass es außer bei Standardarbeiten oder Großprojekten in der Schweißtechnik unmöglich sei, Normen einzuhalten, und die neue Stahlbaunorm in einem bestimmten Bereich eine Qualität verlange, die man schlicht und ergreifend nicht überprüfen könne.

Es gibt Schätzungen von Bauträgern, dass bis zu 20 Prozent an Baukosten bei Normen und bei Bauverordnungen der Länder gespart werden können. Wir sollten das machen! Wenn wir gemeinsam entschlacken und reduzieren, dann kann man bis zu 20 Prozent der Baukosten sparen. Das ist eine enorme Ersparnis, und die kommt vor allem den Mieterinnen und Mietern im Neubaubereich zugute.

Ich persönlich sehe es positiv, wenn durch die Novellierung des Normengesetzes das alles in den Fokus rückt und entstaubt wird. Denn vergessen wir nie: Normen sind dazu da, um den Menschen Hilfestellung zu geben und Erleichterungen zu schaffen, und nicht dazu, um die Menschen zu belasten!

Wir werden diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Längle.)

18.42


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. Ich erteile es ihm.

 


18.42.39

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuseher! Meine Vorredner haben schon relativ viel gesagt. Ich denke, das Wesentliche wurde bereits erwähnt.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 165

Ich darf insbesondere die Ausführungen des Herrn Kollegen Novak unterstreichen: Normen sind sicherlich da, um das Leben zu erleichtern, und nicht, um es zu erschwe­ren. An dieser Stelle darf vielleicht auch erwähnt werden, dass nur noch circa 10 Pro­zent der Normen aus Österreich kommen. 90 Prozent kommen aus anderen Ländern.

Man sollte vielleicht auch nicht außer Acht lassen, dass es schon zu viele Normen gibt. An diesem Punkt darf ich an die Ausführungen des Herrn Kollegen Brunner an­schließen, der dies auch gesagt hat. Er hat es sicherlich auch so gemeint, dass die Entwicklung in die Richtung gehen sollte, dass man nicht zu viele Normen hat.

Positiv darf ich noch den Bereich der Aufgaben und Pflichten erwähnen. Wir werden in diesem Bereich sicherlich Verbesserungen erfahren. Stichwort: Schlichtungsstelle. Das Stichwort „Normungsbeirat“ wurde auch schon erwähnt. Es sind vielleicht doch etwas viele Leute in diesem Beirat drin. Insgesamt denke ich aber, dass der § 4 sehr positiv zu bewerten ist.

Gerne darf ich kundtun, dass wir Freiheitlichen diesem Gesetzesbeschluss zustimmen werden.

Ich wünsche an dieser Stelle auch von meiner Seite – und ich denke, dass sich Herr Bundesrat Mayer und Herr Bundesrat Brunner von Vorarlberger Seite her anschließen –: Frohe Weihnachten, ein gutes neues Jahr und einen guten Rutsch! (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mayer: Danke für die Fürsorge!)

18.44


Präsident Gottfried Kneifel: Herr Bundesrat, danke für die guten Wünsche und für die Einhaltung der Redezeit! (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


18.44.43

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Es wundert mich schon, was alles ein Ökosystem ist, zum Beispiel die Zahl der Spender.

Ich halte auch das Normungswesen für ein Biotop, das auf der einen Seite ziemlich wuchert und ausufert. Auf der anderen Seite ist es gewissermaßen ein bedrohtes Biotop, da nur mehr 10 Prozent der Normen nationale Normen sind. Es ist aber auch eine sinnvolle Entwicklung, dass nationale Normen zugunsten von internationalen Normen zurückgedrängt werden.

Mit diesem Gesetz wird versucht, das Normungswesen auf festere institutionelle und kontrollierbarere Beine zu stellen. Das ist durchaus positiv. Es lässt sich natürlich trefflich darüber streiten, wie viele Normen notwendig und sinnvoll sind. Die berühmte Radiergumminorm ist noch nicht erwähnt worden.

Wir halten den Normungsbeirat auch für ziemlich aufgebläht. Trotz dieser Vergröße­rung ist keine Umweltorganisation vorgesehen. Das ist sicher ein Negativum.

Eine Unklarheit, die noch bleibt, ist die Finanzierung des ASI. Die Einkünfte aus dem Normungsprozess und der Zurverfügungstellung der Normen sinken grob geschätzt um zirka 10 Prozent. Das ASI war bislang ein unabhängiger Verein und fürchtet nun, dass es aufgrund des Einflusses vonseiten der Bundesregierung zum Ausschluss internationaler Gremien kommen könnte.

Die Mitwirkung am Normungsprozess ist zwar kostenfrei, andererseits muss die Unter­nehmung, die eine Norm initiiert, die Kosten vorstrecken. Dadurch wird die gewünschte Mitwirkung von KMUs wohl kaum gefördert. Das könnte für den Innovationsprozess durchaus negativ sein.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 166

Positiv ist der kostenfreie Zugang zu den Normen, der ausgeweitet werden soll. Normeninhalte sollen für Betroffene in gleicher Weise zugänglich sein wie das Gesetz oder die Verordnung. Das wird vermutlich analog zum RIS oder in ähnlicher Weise geschehen. Positiv ist auch die Einrichtung einer Schlichtungsstelle vor der Gerichts­ebene.

Verbessert werden könnte das Gesetz noch durch ein komplett transparentes Erstel­lungsverfahren von neuen und auch von zu ändernden Normen. Dabei sollte der Prozess ähnlich wie bei den Gesetzen für jeden Bürger öffentlich und nachvollziehbar dargestellt werden. So wäre auch eine breitestmögliche Kontrolle gewährleistet.

Es ist klar, dass Landes- und Bundesgesetze auf doppelte, widersprechende oder veraltete Normenverweise überprüft und entsprechend bereinigt werden. Das sollte in Zukunft auch weiterhin geschehen.

Wir werden dieser Gesetzesvorlage zustimmen. (Allgemeiner Beifall.)

18.47

18.47.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

18.48.2718. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (888 d.B. und 936 d.B. sowie 9507/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (851 d.B. und 937 d.B. sowie 9508/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz über die Sicherheit von unter Druck stehenden Geräten (Druckgerätegesetz) (850 d.B. und 938 d.B. sowie 9509/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 bis 20 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um die Berichte.

 


18.49.01

Berichterstatter Christian Poglitsch: Herr Präsident! Ich berichte über den Be­schluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird. Der Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; somit komme ich gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 167

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 19: Bericht über den Beschluss des National­rates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird. Auch dieser Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Punkt 20: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz über die Sicherheit von unter Druck stehenden Geräten. Auch hier komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.

 


18.50.20

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Werte Zuseher zu Hause! Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal Gelegenheit gehabt habe, zu Regierungs­vorlagen zu sprechen, die uns nicht von der EU aufs Auge gedrückt worden sind. Bei allen drei dieser Gesetzentwürfe, die heute zur Beschlussfassung vorliegen, handelt es sich wieder um solche Materien, die in Erfüllung von EU-Vorgaben umgesetzt werden müssen.

Zum Ersten: Die Gewerbeordnungsänderung ist für uns problematisch. Wir werden ihr daher nicht zustimmen. Grundsätzlich sind wir sehr wohl für Erleichterungen in der Gewerbeordnung, für Erleichterungen für unsere Betriebe, vor allem für unsere Ge­werbebetriebe und KMUs. Wir wissen, dass wir eine überbordende Bürokratie und Belastung gerade für diese Sparte unserer Wirtschaft haben. Die vorliegende Geset­zesnovelle erscheint uns in diesem Sinne aber eher kontraproduktiv.

Wir stoßen uns an den Berufsanerkennungsrichtlinien, vor allem an dem einen Punkt, der eine Reduzierung von Anforderungen an die Berufserfahrung im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungen zum Inhalt hat.

Ein weiterer Punkt betrifft die Öffnung der Gewerbeordnung für Drittstaatsangehörige und in Folge die automatische Anerkennung von Qualifikationen. Es gibt also bei sehr geringen Qualifikationsnachweisen keine inhaltliche Prüfung mehr. Oft genügen dann Praxisnachweise. Ich sehe schon die Gefahr, dass unsere gut ausgebildeten Gewerbe- und Handwerksbetriebe dadurch unter verstärkten Konkurrenzdruck kommen können und werden. Die Auswirkungen auf die Lehrlingsausbildung sind auch nicht klar.

Der andere wesentliche Punkt, der uns nicht gefällt, ist die Lockerung der Haus­tür­geschäfte. Darunter fallen der Handel mit Uhren aus Edelmetall, Gold- und Platin­waren, Juwelen und Edelsteinen, aber auch die Aufhebung des Verbotes, Werbe­zusendungen mit Preisausschreiben zu verknüpfen. Aus der Vergangenheit wissen wir alle, dass gerade das ein besonders kritischer Punkt ist. Es ist leider Gottes immer wieder vorgekommen, dass gerade auch ältere Menschen Opfer solcher Geschäfte geworden sind. Wir haben das eigentlich aus gutem Grund verboten gehabt. Jetzt wird dieses System gelockert.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 168

Ich weiß nicht, welche Folgen das unter Umständen für den, der zum Opfer wird, haben kann. Wenn die Oma bei so einem Haustürgeschäft eine goldene Rolex um 99 € für ihr Enkelkind erwirbt, dann ist sie nicht nur einem Betrüger aufgesessen, sondern hat wahrscheinlich selbst auch strafrechtliche Tatbestände nach dem Marken­schutzgesetz gesetzt und unter Umständen auch Zollvergehen begangen.

Es wird argumentiert, dass wir ein Vertragsverletzungsverfahren nur abwenden kön­nen, indem wir diese Änderungen in die Gewerbeordnung aufnehmen, weil ja der Schutz im Rahmen des Konsumentenschutzes berücksichtigt werde. Ich muss aber sagen, dass es dabei mehr um Schutz vor Betrug und nicht nur um Konsumenten­schutz geht. Deshalb wäre hier eine strengere Gesetzgebung durchaus wünschens­wert.

Den beiden anderen Gesetzen, Maß- und Eichgesetz und Druckgerätegesetz, werden wir die Zustimmung erteilen. Ich werde auf weitere Ausführungen zu diesen beiden Gesetzen verzichten, denn sie werden auf die wirtschaftliche Praxis in Österreich wahrscheinlich nur marginale Auswirkungen haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.55


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile es ihm.

 


18.55.42

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die drei Materien, die wir jetzt besprechen, haben etwas gemeinsam. Zum Ersten setzen alle drei Gemein­schaftsrecht um. Da hat der Kollege vollkommen recht. Gemeinschaftsrechts­um­setzung ist aber nicht immer etwas Schlechtes. Zweitens wird es in den betroffenen Bereichen zu administrativen Erleichterungen und dadurch auch zu mehr Effizienz kommen. Das ist auch etwas Positives und ganz im Sinne von Better Regulation – auch etwas, was in Europa stark forciert wird. Und es kommt auch – was in Österreich bei der Umsetzung nicht immer üblich ist – zu keinem Golden Plating. Das ist ja auch einmal etwas Positives.

Zum Druckgerätegesetz werde ich auch nicht viel sagen. Ich bin kein Experte in diesem Bereich, obwohl Kollege Mayer das vielleicht anders sieht. (Bundesrat Mayer: Na, na!) Aber wir setzen auch in diesem Bereich zwei EU-Richtlinien um. Nur ein Satz dazu: Ich bin froh, dass dafür ein anderes Gesetz, nämlich das Kesselgesetz, auch wieder ganz im Sinne von Verwaltungsvereinfachung, abgeschafft wird. Das gibt es auch nicht alle Tage, dass für ein neues Gesetz ein altes abgeschafft wird.

Die Gewerbeordnung ist in Österreich immer so eine Sache. Auf der einen Seite ist sie unser zentrales Wirtschaftsgesetz, auf der anderen Seite nervt sie uns auch immer wieder. Sie wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten mindestens drei Mal pro Jahr angepasst und gehört dringend entrümpelt. Das machen wir mit einem Schritt eben auch heute.

Heute geht es um die Anpassung der Gewerbeordnung bei drei Umsetzungs­maß­nahmen: im Bereich der Kreditvermittlung, im Bereich der Berufsanerkennungs­richt­linie, wie von dir auch angesprochen, und im Bereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Ich finde es durchaus positiv, dass einheitliche Regelungen über die Kreditvermittlung vorgesehen sind und es in allen Bereichen, wie oben bereits erwähnt, zu keinem Golden Plating kommt. Ich denke, das muss man in Österreich immer wieder betonen.

Zur Berufsanerkennungsrichtlinie, was die Diskriminierung betrifft: Du wirst ja hoffent­lich auch der Meinung sein, dass es in Österreich zu keiner Diskriminierung kommen


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 169

sollte. Das hoffe ich zumindest. Ein Bäcker, der beispielsweise in Bosnien das Brot­backen gelernt hat, wird nicht schlechter sein als einer, der in Deutschland Brot bäckt. Wer deutsches Brot kennt, wird zustimmen, dass das bosnische sicher nicht schlechter schmecken wird. Da verstehe ich deinen Vorwurf eigentlich nicht. (Bundesrat Krusche: Das nicht! Aber es reicht, dass er sagt: Ich habe ein Jahr Brot gebacken!)

Das Maß- und Eichgesetz ist eines meiner Lieblingsthemen in den letzten Jahren. Bei diesem Gesetz kommt es auch zur Umsetzung der Richtlinie. Da gibt es verschiedene Bestimmungen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ja, genau, maßhalten. Warte nur, ich komme noch dazu.

Der Wirtschaftsminister wird in Zukunft die notifizierende Behörde sein. Frau Vor­sitzende! Wir haben diesem Thema überraschenderweise im Ausschuss relativ viel Zeit gewidmet, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Wir haben viele Beispiele aus dem Bereich Maß- und Eichwesen besprochen. Wir Vorarlberger Bundesräte haben einmal eine Anfrage gestellt. Edgar Mayer hat mich damals auch ausgelacht, als ich ihm das vorgeschlagen habe. (Bundesrat Mayer: Na! – Zwischenruf des Bundesrates Längle.) Das Thema der Anfrage waren Schulwaagen. Es gibt dazu gewisse Vorgaben, und es hat zu diesem Thema auch Schriftverkehr zwischen der Bildungs­minis­terin und dem Wirtschaftsminister gegeben. Man hat uns damals ausgelacht, aber das hat eigentlich einen relativ ernsten Hintergrund, nämlich die Frage: Muss wirklich alles auf die Art und Weise geeicht werden? Es geht auch um die Frage, mit welchem bürokratischen Aufwand dabei gearbeitet wird.

Ich war richtig froh, dass der Leiter der Abteilung im Wirtschaftsministerium, der heute auch hier ist, uns im Ausschuss dazu berichtet hat, dass im Ministerium Verbes­serungen und Erleichterungen bei Eichvorgaben gerade intensiv diskutiert werden, eben auch im Bereich von Schulwaagen. Also so lächerlich scheint die Anfrage damals doch nicht gewesen zu sein. Es geht dabei um die Frage – drei Sätze muss ich dazu noch sagen, weil mich das Thema doch wirklich interessiert –, ob wirklich jede Schule eine Waage haben muss, die regelmäßig geeicht werden muss, und ob das Abwiegen eines Schülers wirklich Aufgabe eines Arztes ist oder ob das nicht auch ein anderer auch auf einer ungeeichten Waage machen kann. Reicht eine solche ungeeichte, eine ganz normale Waage nicht auch aus, um zu zeigen, dass der Schüler übergewichtig ist, dass er vielleicht etwas Sport betreiben und auch im Interesse seiner Gesundheit gegen dieses Übergewicht etwas machen sollte? Ich bin fest davon überzeugt, dass es dafür keine geeichten Waagen braucht.

Im Ausschuss haben wir dazu auch noch andere skurrile Auswüchse besprochen.

Zum Thema Maß- und Eichwesen möchte ich zum Schluss noch etwas sagen, weil heute der Herr Staatssekretär da ist und ich den Herrn Minister schon so oft mit diesem Thema genervt habe. Heute darf ich dich nerven. Da ist mein ceterum censeo – ich will da niemanden zerstören, weder Karthago noch das Bundesamt für Eich- und Ver­messungswesen –: Aus meiner und aus unserer Sicht gibt es da doch Synergien, vor allem, wenn wir auf den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung zu sprechen kommen. Es gibt einige unmittelbare Bundesbehörden in den Ländern. Da gibt es die Bundesbehörde, da gibt es neun Bundesbehörden in den Ländern und dazu in den Landesverwaltungen dann jeweils noch Verwaltungseinheiten, die zumindest Ähnliches machen, also parallele Aufgaben wahrnehmen.

Mein Lieblingsbeispiel ist immer das Bundessozialamt – das muss ich dazusagen –, aber auch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen ist so ein Fall. Natürlich ist mir bewusst, dass zum Teil andere Aufgabenstellungen zwischen dem Landes­vermessungsamt auf der einen Seite und dem Bundesamt für Eich- und Vermes­sungswesen auf der anderen Seite bestehen – das ist überhaupt keine Frage –, es


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 170

geht auch nicht nur darum, sondern es geht auch um die administrativen Dinge, um die verwaltungstechnischen Synergien, die hier gehoben werden könnten.

Die Länder wären jedenfalls bereit, hier zusätzliche Aufgaben zu übernehmen; man muss sie nur lassen. Vielleicht kannst du diese Botschaft auch an Herrn Finanzminister Schelling, der heute zum Thema Finanzausgleich schon hier war, weitertragen: Wir sind bereit, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen – natürlich müssen sie auch ent­sprechend abgegolten werden. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Damit habe ich dich mit dem Thema heute auch genervt, aber unabhängig von diesem kleinen Ausflug machen diese drei Gesetze, die wir heute beschließen, durchaus Sinn, gerade im Sinne der Verwaltungsvereinfachung, aber auch im Sinne der Erhaltung von Freiräumen für unsere Wirtschaft – und Gott sei Dank ohne Golden Plating. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.02


Präsident Gottfried Kneifel: Herr Bundesrat Ing. Bock ist als Nächster zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm.

 


19.03.11

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da meine Vorredner bereits die wesentlichen Änderungen der Gewerbeordnung erklärt haben, stelle ich nur mehr fest, dass jedes Jahr mehrere Bereiche der Gewerbeordnung in Richtlinien der EU verlagert werden. Dies gilt heute für den Handel mit Schmuck außerhalb von Betriebsstätten und für das Verbot von Werbezusendungen, welche mit einem Preisausschreiben, mit einer Verlosung nach dem Zufallsprinzip in Verbindung stehen. Diese Thematik wurde bereits vor etwa zwei Monaten unter unlautere Geschäftspraktiken in einer EU-Richtlinie abgehandelt.

Bei der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge wird der Unterschied zwischen dem gebundenen und dem ungebundenen Kreditvermittler besser definiert; und bei der Berufsanerkennungsrichtlinie, welche nur für EU-Staaten und die Schweiz gilt, wird über ein Pilotprojekt die Berufsqualifikation bei den Kreditvermittlern für einen euro­päischen Berufsausweis erläutert. Als Nächstes sollte in diesem Bereich die Gruppe der Ingenieure behandelt werden.

Zu Tagesordnungspunkt 19 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird: Auch hier handelt es sich, wie bereits erwähnt, um eine weitere Umsetzung von EU-Richtlinien betreffend die Bereitstellung von nichtselbst­tätigen Waagen auf dem Markt und die Bereitstellung von Messgeräten. Auch in diesem Bereich werden österreichische Regelungen durch die EU-Richtlinie ersetzt. Eine Durchforstung dieses Gesetzes wird es im nächsten Jahr geben – das wurde bereits vom Kollegen Brunner erwähnt.

Überregulierungen wie bei der Eichung der Schulwaagen – dem Steckenpferd des Kollegen Brunner – werden auch erledigt werden. Somit gibt es zu diesem Tagesord­nungspunkt auch unsere Zustimmung.

Zu TOP 20 betreffend ein Bundesgesetz über die Sicherheit von unter Druck ste­henden Geräten: Wie bereits bei den anderen Gesetzesänderungen betreffend den Ersatz von österreichischen Rechtsvorschriften durch EU-Richtlinien wird auch mit dieser Änderung eine Maßnahme in diese Richtung gesetzt. Die Harmonisierung schreitet in allen Bereichen voran. Ich halte es für wichtig und richtig, dass nicht in jedem Land eine eigene Vorschrift herrschen muss und dass diese Dinge in der EU gemeinschaftlich geregelt werden können.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 171

Daher gibt es für alle drei Gesetzesänderungen, die Sinn machen und dem Büro­kratieabbau entsprechen, die Zustimmung unserer sozialdemokratischen Fraktion. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

19.06


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


19.06.19

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es ist schon vieles gesagt worden, aber noch niemand hat die Umsetzung der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge begrüßt. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Das, denke ich, sollte man tun. Die gesetzliche Grundlage ist da, ob die Richtlinie auch bestmöglich umgesetzt wird, wird erst die Verordnung zeigen.

Kollege Krusche! Es stimmt schon, dass das mit den Haustürgeschäften weh tut; da hat sich Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren zugezogen, und deshalb gibt es jetzt diese Regelung; aber glauben wir doch auch an den mündigen Konsumenten, den es nicht in allen Bereichen zu bevormunden gilt. Ich glaube, darauf sollte man auch vertrauen.

Zu den Befähigungsnachweisen: Auch das wäre ein breites Gebiet, über das viel zu diskutieren wäre, zum Beispiel über Befähigungsnachweise, die notwendig sind, um Wäsche bügeln zu können oder Möbelbausätze zusammenzusetzen und so weiter. Ich glaube, dass es da viel zu tun gibt und dass es nach wie vor so zu sein scheint, dass man so gut wie alle Ausbildungs- und Erfahrungsnachweise auch ablehnen kann. Ich hoffe, dass es hier nicht zu einer sehr restriktiven Vorgangsweise kommt.

Die Äquivalenzprüfung darf nach wie vor vier Monate dauern. Das ist doch auch immer noch relativ lange.

Neu ist die Einführung eines elektronischen Berufsqualifikationsanerkennungssystems, das über eine von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten Datenbank jetzt lediglich in einem Pilotprojekt für Immobilienmakler abgewickelt wird – das soll aber ausgeweitet werden –, dazu werden die Anerkennungserfordernisse in einigen Details allgemein gesenkt. Geringere Anerkennungserfordernisse auf dieser internatio­nalen Ebene werden früher oder später sicherlich auch den Druck auf uns zur Ent­regle­mentierung unserer Gewerbeordnung erhöhen und diese mit sich bringen.

Zum Maß- und Eichgesetz: Das ist auch die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Darüber hinaus gehende Änderungen wurden im Ausschuss und auch durch diverse Interes­senträger gefordert, dafür soll es 2016 wirklich zu einer tiefgreifenden Durchforstung und Änderung kommen. Das ist sozusagen nur ein kleiner erster Schritt.

Das Druckgerätegesetz ist wirklich faszinierend, was man erkennt, wenn man sich so ein Organogramm des Kesselgesetzes anschaut. Das ist also wirklich sehr beein­druckend, und es ist wirklich zu hoffen, dass es im Rahmen der Harmonisierung zu einer Vereinfachung kommt, zu etwas, was das Zusammenwirken der verschiedenen Behörden – der Marktüberwachungsbehörde, der notifizierenden Behörde, den Prüf­stellen – und eben der Wirtschaftsakteure erleichtert und besser durchschaubar macht.

Wir werden allen drei Gesetzesvorlagen zustimmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.09


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer ergänzenden Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Mahrer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 172

19.10.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich will eigentlich inhaltlich gar nicht mehr dazu sagen. Herr Bundesrat Brunner hat in ausgezeichnet präziser Manier die Materie beschrieben, und die Detailfragen sind jetzt im positiven Sinne auch noch kurz angesprochen worden.

Ich möchte die Gelegenheit aber nutzen, um den Spezialistinnen und Spezialisten unseres Hauses für die exzellente Vorbereitung aller drei Gesetzesmaterien zu danken. Das hat wie immer ausgezeichnet funktioniert. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

Angesichts der vorgerückten Stunde – es war für unser Haus heute der letzte Punkt im Bundesrat – möchte ich auch Ihnen allen für die ausgezeichnete und wertschätzende Zusammenarbeit in diesem Jahr danken. Der Präsidentin des ersten Halbjahres Zwazl danke ich für die wunderbare Enquete „Schlummernde Talente: Perspektiven für Jugendliche und junge Erwachsene“ und Präsident Kneifel für die tolle Enquete zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“. Beide Enqueten haben zumindest mir erstmalig gezeigt, wie die Thinktank-Funktion des Bundesrates wirklich funktionieren kann, weil die Ideen aufgegriffen werden und die Experten im Umfeld damit in der Zwischenzeit arbeiten. Das finde ich sehr gut, und ich würde mir auch für das Jahr 2016 dieselbe wertschätzende Zusammenarbeit wünschen. Mir macht die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat sehr viel Spaß.

Ich weiß, dass Sie sich engagieren, danke Ihnen dafür und wünsche in diesem Sinne nicht nur allen Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern, sondern Ihnen allen und allen Österreichern und Österreicherinnen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch! Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit! (Allgemeiner Beifall.)

19.11

19.11.33

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Dezember 2015 betreffend ein Druckgerätegesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 173

19.13.0421. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonen­gesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonen­gesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungs­gesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015) (902 d.B. und 940 d.B. sowie 9495/BR d.B. und 9519/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kern. Ich bitte um den Bericht.

 


19.13.24

Berichterstatterin Sandra Kern: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Beschluss sieht weitere technische Nachbesserungen am Besol­dungs­schema für den öffentlichen Dienst vor.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


19.14.08

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es wird Sie wenig über­raschen, wenn ich Ihnen nun kundtue, dass wir dieser vorliegenden Dienstrechts-Novelle nicht zustimmen. (Zwischenrufe der Bundesräte Zwazl und Tiefnig.)

Ein Grund dafür findet sich allein schon dann, wenn man sich ansieht, was in den Erläuterungen zu dieser Dienstrechts-Novelle steht; dort steht unter anderem:

„Stärkung der Rechtsklarheit (…) und Beseitigung bzw. Korrektur nicht intendierter Auswirkungen der Bundesbesoldungsreform (…)

Klarstellung in den maßgeblichen Rechtsvorschriften (…), dass die Bundesbesol­dungs­reform (…) ohne zeitmäßige Einschränkungen, also auch vor dem 1. März 2015, umfassend neu regelt

Beseitigung von im Zuge der Umsetzung der Bundesbesoldungsreform (…) aufgetre­tenen unerwünschten Effekten bei den Ergänzungseinreihungen, insbesondere bei den Verwendungszulagen“.

Das ist eigentlich genau das, wogegen nicht nur meine Kollegen Bedenken angemel­det haben, sondern auch ich an dieser Stelle vor rund einem Jahr meine Bedenken gegen diese Dienstrechts-Novelle – damals noch Dienstrechtsreform – angemeldet habe, weil wir damals schon gesagt haben, dass dieses Gesetz ein kompliziertes Mach­werk ist, das in erster Linie zwei Ziele verfolgt. Das erste ist, dass die vom EuGH – also


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 174

dem Europäischen Gerichtshof – den Beamten und Vertragsbediensteten der Republik Österreich zuerkannten Rechtsansprüche auf Anerkennung der Vor­dienst­zeiten bei der Pensionsberechnung verhindert werden.

Der zweite Effekt ist, dass man mit einer komplizierten Rückführung und Neufest­setzung von Vorrückungsstichtagen, einer darauffolgenden Anreihung von Ergän­zungs­zulagen und Zwischen-Biennalsprüngen ein derartig kompliziertes und für viele kaum nachvollziehbares System geschaffen hat, das wohl in erster Linie nicht dazu dient, den Beamten und Vertragsbediensteten Gutes zu tun, sondern in erster Linie wohl darauf abzielt, das zu verschleiern, was es wirklich ist, nämlich ein brutales Einsparungsprogramm auf Kosten des öffentlichen Dienstes.

So wie ich das hier lese, ist auch nicht von vornherein die Intention gewesen, dass man ein dauerhaftes, für die nächsten Jahrzehnte gültiges und gut durchdachtes Gesetz schaffen wollte, sondern es hat wohl eher den Sinn, dass man sich über die besonders geburtenstarken Jahrgänge hinwegrettet, die in den nächsten Jahren in Pension gehen werden – und da sprechen wir doch von einer großen Anzahl an Bun­desbediensteten, das gilt natürlich auch für die Privatwirtschaft, aber dieses Gesetz betrifft die Bundesbediensteten –, und dass man damit versucht, auf Kosten dieser Bediensteten diese Pensionszugänge für den Staat so gering wie möglich zu halten.

Wahrscheinlich wird es so sein, dass der EuGH auch diese Bestimmung wieder aufheben wird und dass man anschließend – vielleicht in einigen Jahren –, sobald dieser durch die geburtenstarken Jahrgänge verursachte Pensionsandrang etwas abeb­ben wird und sich damit vielleicht wieder eine kostengünstigere Situation für den öffentlichen Dienst gestaltet, vielleicht wieder kommen und sagen wird, dass man wieder das alte System einführt, weil es eigentlich viel besser war.

So gesehen ist diese zweite Novelle nicht nur von der Intention, sondern auch von den Auswirkungen her – wir erleben schließlich gerade die Reform der Reform der Reform – eine Angelegenheit, der wir hier auch in dieser Form der Fortsetzung des bisherigen Weges nicht zustimmen werden.

Ich bin schon gespannt, wie man damit umgeht, wenn weitere Novellen erforderlich sein sollten – und davon gehe ich aus –, weil die nächste EuGH-Entscheidung, die wohl negativ für die Republik Österreich und damit auch für die Bundesregierung, die dieses Gesetz zu verantworten hat, ausfallen wird, schon ansteht. Da bin ich schon gespannt, wie man dann damit umgeht, dass man wahrscheinlich wohl zum zweiten Mal auf einen Umstand nicht reagiert hat, nämlich auf diese Zwischen-Biennalsprünge zwischen der ersten und zweiten Gehaltsstufe. Dabei wird nicht die Abfolge von zwei Jahren eingehalten, sondern eine einmalige Abfolge von fünf Jahren. Das wurde schon einmal vom EuGH als altersdiskriminierend festgestellt und findet sich in dieser Novellierung wieder.

Das bestärkt mich aber einmal mehr in meiner Ansicht, dass es sich dabei ohnedies nicht um den großen Wurf handelt, dass es ohnedies nicht darum geht, ein starkes, ein gutes, ein beständiges Gesetz zu schaffen, sondern dass es eigentlich nur darum geht, Zeit zum Nachteil unserer öffentlich Bediensteten zu überbrücken – zu deren finan­ziellem Schaden. Aus diesem Grund werden wir dieser Novelle ebenfalls nicht zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Ah geh!)

19.19


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 175

19.19.47

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Kol­lege Herbert! Ich gebe Ihnen recht: Es ist erst ein halbes Jahr vergangen, seit wir hier im Bundesrat ein umfangreiches Gesetzeswerk beschlossen haben, das die schlichte Bezeichnung „Dienstrechts-Novelle 2015“ trug.

In Wirklichkeit, Herr Kollege Herbert, beinhaltete es die Novellierungen von genau 29 Bundesgesetzen, die entweder ausschließlich oder nur mitumfassend den Bundes­dienst betrafen.

Schon damals habe ich angemerkt, dass diese Verschachtelung – auch wenn dies eine legitime legistische Methode ist – für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu einer unübersichtlichen Informationslage führt und sogar bei jenen auf erheblichen Unwillen stößt, die in den jeweiligen Personalabteilungen für die Vollziehung zuständig sind.

Wie fast zu erwarten war, hat die Vollzugspraxis erwiesen, dass die Regelungen mancher der darin enthaltenen Materien einer Ergänzung beziehungsweise sogar Korrektur bedürfen – insbesondere jene, welche die aufgrund der Bundesbesol­dungs­reform 2015 erfolgte Überleitung aller Bundesbediensteten in ein neues Besoldungs­system betreffen. Es brauchte daher einen neuerlichen gesetzgeberischen Schritt, um die Rechtsklarheit im Rahmen der Bundesbesoldungsreform 2015 zu stärken und nicht beabsichtigte Auswirkungen dieser Reform zu beseitigen.

In erster Linie betrifft dies folgende Klarstellungen im Gehaltsgesetz 1956 und im Vertragsbedienstetengesetz 1948: die Beseitigung unerwünschter Effekte bei den Ergänzungseinreihungen, insbesondere bei den Verwendungszulagen, die sachliche Gleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten gegenüber Vertragsbediensteten hin­sichtlich der Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung im Fall eines nachträg­lichen Studienabschlusses und die Wahrung des Besitzstandes von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in bestimmten Leitungsfunk­tio­nen und im alten Gehaltsschema.

Darüber hinaus gilt es, verschiedene Klarstellungen und Ergänzungen in den anderen betroffenen Gesetzen, wie zum Beispiel der Reisegebührenvorschrift 1955 oder dem Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, vorzunehmen. Ich hoffe, dass diese Klarstellungen und Anpassungen nunmehr eine ordnungsgemäße Vollziehung im Sinne der betroffenen öffentlich Bediensteten gewährleisten.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Steßl! Liebe Sonja! Zum Abschluss möchte ich mich für alle öffentlich Bediensteten für den raschen und fairen Gehaltsabschluss so­wohl bei der Dienstgeberseite als auch bei der Dienstnehmerseite herzlich und aufrichtig bedanken. Allein, weil es diese Gehaltserhöhung von 1,3 Prozent gibt, muss man diesem Gesetz einfach zustimmen – auch wenn wir unsere Bedenken haben.

Meine Fraktion wird der vorliegenden Novellierung ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Oberlehner. Ich erteile es ihm.

 


19.24.16

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den TV-Geräten! Lieber


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 176

Kollege Herbert! Es ist leider richtig, dass die Dienstrechtsreform noch immer nicht dem Urteil des EuGH standhält und weitere Korrekturen notwendig sind.

Es ist aber auch richtig, dass es leichter ist zu kritisieren, als Gutes zu leisten – und das ist das Problem bei dieser Frage. (Bundesrat Herbert: Wir hätten einen Alter­nativvorschlag in Form eines Antrages eingebracht!) Wer sich nämlich ein bisschen im Dienstrecht auskennt, weiß auch, wie kompliziert diese Materie ist und wie schwierig es ist, ein vielschichtiges Problem letztlich zu lösen.

Richtig ist auch, dass es seitens des österreichischen Verfassungsgerichtshofes eine Frist von drei Monaten gegeben hat, in der die damalige Reparatur durchgeführt werden musste. Das war eine Vorgabe, deshalb war auch Eile geboten. Hätte man das damals nicht gemacht, wären innerhalb kürzester Zeit Mehrkosten von rund 1 Mil­liarde € entstanden. Das ist auch damals schon gesagt worden, und ich glaube, das alles sollte man auch mitberücksichtigen, wenn man Kritik übt.

Es war daher meiner Meinung nach richtig, rasch nach einer möglichst guten Lösung zu suchen, und ich bedanke mich bei allen Bediensteten sowohl auf der Dienstgeber- als auch auf der Dienstnehmerseite für die intensiven Arbeiten, die damals notwendig waren, um das in dieser Form zustande zu bringen, auch wenn man gewusst hat, dass die Gefahr besteht, dass der EuGH die Regelung – zumindest in Teilen – neuerlich nicht anerkennen und damit nicht einverstanden sein wird. So ist es leider dazu gekommen, dass eine neuerliche Korrektur nun tatsächlich notwendig ist.

Sichergestellt war und ist dabei aber auch, dass es auf keinen Fall Nachteile für die einzelnen Kolleginnen und Kollegen geben darf, und ich glaube, dass das auch eine ganz wichtige Voraussetzung in dieser gesamten Materie ist. Ich halte daher den eingeschlagenen Weg für durchaus richtig und vernünftig, auch wenn er sich leider als sehr mühsam herausstellt.

Als Mitglied des Bundesvorstandes der GÖD möchte ich auch noch auf einen anderen, meiner Meinung nach mindestens genauso wichtigen Teil der vorliegenden Dienst­rechts-Novelle eingehen – das wurde auch von meiner Vorrednerin schon getan –, nämlich auf den Gehaltsabschluss für das Jahr 2016, wonach alle öffentlich Bediens­teten eine Gehaltserhöhung von 1,3 Prozent für das Jahr 2016 bekommen werden. Mehrere Dinge sind dabei meiner Meinung nach sehr erfreulich und sehr gut gemacht worden – und das sollte man, glaube ich, auch einmal in aller Öffentlichkeit sagen.

Erstens wurde versucht, sehr rasch, mit gegenseitiger Wertschätzung und ohne große und zahlreiche Verhandlungsrunden einen guten Abschluss, eine gute Lösung zu finden, was mit dem Abschluss von 1,3 Prozent für alle öffentlich Bediensteten in Österreich zweifellos gelungen ist. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten auf der Dienstgeber- sowie auf der Dienstnehmerseite und denke, das ist ein Beispiel dafür, wie man einen Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst gut verhandelt und letztlich zustande bringt.

Zweitens ist mit der Gehaltserhöhung von 1,3 Prozent ein Abschluss gefunden worden, der leicht über der Inflationsrate liegt. Das heißt, dass alle öffentlich Bediensteten leichte Zugewinne haben, und wir wissen auch, dass das Geld nicht irgendwo auf der Bank landen wird, sondern dass es wieder in den Wirtschaftskreislauf geht und so auch unserer Wirtschaft hilft, weil dort wieder entsprechend investiert und gekauft wird.

Drittens wurde mit den 1,3 Prozent aber auch ein Abschluss gefunden, der im Ver­gleich mit allen anderen Berufsgruppen und Gruppen sehr gut ist, meiner Meinung nach sehr vernünftig sowie auch leistbar ist und insgesamt als wirklich guter Abschluss bezeichnet werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 177

Aus meiner Sicht gibt es ein einziges Manko: Mir gefällt es immer, wenn es auch noch eine besondere Wertschätzung jenen gegenüber gibt, die ein bisschen weniger verdienen. Daher wäre ein Abschluss, der zum Beispiel einen Sockelbetrag hat, immer eine gute Sache. Ich verstehe aber, dass es dann, wenn das Niveau des Abschlusses so niedrig ist – nämlich niedrig im Sinne der absoluten Zahl –, schwierig ist, auch noch einen Sockelbetrag einzuführen. Daher denke ich, dass das in dieser Form im heurigen Jahr auch ein guter Abschluss ist. Im nächsten Jahr kann man sicher auch wieder darüber reden, jenen, die weniger verdienen, vielleicht ein bisschen mehr zu geben.

Bei dieser Gelegenheit darf ich auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffent­lichen Dienst, bei Bund, Ländern und Gemeinden, für die dieser Abschluss in fast allen Fällen Gültigkeit hat, am Ende dieses Jahres auch einmal ein herzliches Dankeschön für die vielen Arbeiten und Leistungen, die der öffentliche Dienst auf allen Ebenen erbringt, sagen. Der öffentliche Dienst ist letztlich der Garant dafür, dass unser Land so gut funktioniert und dass wir in Österreich in solch einer Sicherheit und Ordnung leben dürfen. Ich bedanke mich dafür sehr herzlich.

Im Namen meiner Fraktion darf ich auch festhalten, dass wir dem vorliegenden Be­schluss des Nationalrates vollinhaltlich und auch gerne die Zustimmung geben wer­den. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

19.29


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


19.29.29

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Frau Staats­sekretärin! Herr Minister! Es wurden jetzt zum Schluss schon die Gehälter der BeamtInnen und Vertragsbediensteten des Bundes, die im kommenden Jahr um 1,3 Prozent erhöht werden, angesprochen.

Dabei muss ich aber auch sagen, dass mir diese rein prozentualen Erhöhungen schon immer sehr wehtun. 1,3 Prozent von einem Hofratsgehalt sind zwar ein schöner Betrag, aber 1,3 Prozent von einem niedrigen Einkommen sind sehr wenig, sodass die soziale Schere immer weiter auseinanderklafft. Das kann nicht im Sinne eines Ausgleiches sein. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Mit dieser Novelle werden, wie schon erläutert wurde, Nachbesserungen am neuen Besoldungsschema für den öffentlichen Dienst vorgenommen. Das neue Schema ist Anfang dieses Jahres in einem parlamentarischen Schnellverfahren beschlossen worden. Im Mai wurden die Bestimmungen erstmals nachgebessert, um nicht inten­dierte Gehaltseinbußen auszuschließen sowie um weitere unerwünschte Effekte der Reform zu verhindern. Allerdings hat man auch da wieder einige Punkte übersehen, wie die mittlerweile gemachten Erfahrungen in der Praxis zeigen. Es ist zu hoffen, dass diese Probleme mit der vorliegenden Novelle behoben werden.

Noch nicht in dieser Novelle, aber mit einem Entschließungsantrag auf den Weg gebracht wurde die Teilkarenzierung von RichterInnen. Ich denke, das ist auch eine wichtige Entwicklung, die darauf abzielt, Richterinnen und Richtern eine Herabsetzung der Arbeitsauslastung zu ermöglichen und ihnen, wenn sie gesundheitlich beein­trächtigt sind, Karenzierungsmöglichkeiten anzubieten.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.31



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 178

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Steßl. – Bitte.

 


19.31.41

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Herr Bundes­rat Herbert, ich habe mir keine andere Diskussion erwartet, und ich glaube, wir werden dieselbe Diskussion nächstes Jahr führen.

Sie waren jahrelang Mitglied im Verfassungsausschuss, wir waren dort Kollegen, und wie Sie auch wissen, werden wir jedes Jahr zumindest eine Dienstrechts-Novelle haben. Sie wissen auch, warum: damit wir einen Gehaltsabschluss ins Parlament bringen. Also eine haben wir immer. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Die Hauptintention dieser Novelle ist der Gehaltsabschluss. Daneben haben wir nicht nur technische Änderungen, sondern auch eine Verlängerung der Opting-out-Option. Diese müsste Ihnen gerade auch für die Exekutive sehr wichtig sein, weil sie auch von der Exekutive genützt wird. Daher wundert es mich, dass Sie hier nicht zustimmen. Weiters wird das Schmerzensgeld für Polizistinnen und Polizisten erhöht, wenn man den Täter nicht fassen kann. Das alles sind Dinge, bei denen ich mir denke, dass auch eine Unterstützung Ihrer Fraktion gegeben sein sollte.

Was mich am meisten verwundert, ist Folgendes: Die Hauptintention dieser Dienst­rechtsnovelle ist der Gehaltsabschluss für die öffentlich Bediensteten. Ich denke, die öffentlich Bediensteten werden sich dann bei Ihrer Fraktion sehr bedanken, wenn Sie sich gegen diesen Gehaltsabschluss aussprechen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Daher bedanke ich mich bei allen Fraktionen, die diese Regierungsvorlage unter­stützen. Mir persönlich ist es sehr wichtig, in diesem Zusammenhang zu sagen: Die Gehaltsverhandlungen dieses Jahr sind sehr schnell über die Bühne gegangen.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, mich bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst für die konstruktive Zusammenarbeit zu bedanken. Es ist gelungen, eine Brücke zu schlagen, einerseits zwischen der Wertschätzung und dem Respekt, den wir den Kolle­ginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst entgegenbringen, andererseits aber selbst­verständlich auch, was die Einhaltung der schwierigen budgetären Rahmenbedingun­gen betrifft.

Daher darf ich mich herzlich für die Zustimmung bedanken und freue mich dann schon auf die Diskussion nächstes Jahr, wenn wir wieder eine Dienstrechts-Novelle be­schließen werden.

Da in der letzten Bundesratssitzung, bei der ich anwesend sein durfte, schon ein bisschen Weihnachtsstimmung aufgekommen ist und ich dann gesagt habe, dass es ja noch eine Sitzung geben wird, darf ich nun die Gelegenheit nützen, um mich bei Ihnen für die ausgezeichnete Zusammenarbeit zu bedanken. Ich darf Ihnen besinnliche und frohe Festtage, einen guten Rutsch ins neue Jahr und in diesem Sinne alles Liebe wünschen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.34

19.34.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr, Frau Staatssekretärin. Wir schließen uns diesen Wünschen an und wünschen auch Ihnen schöne Feiertage und für 2016 alles Gute! (Staatssekretärin Steßl: Danke!)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 179

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.35.3222. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (776 d.B. und 944 d.B. sowie 9497/BR d.B. und 9520/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nun zum 22. Punkt der Tages­ordnung.

Ich darf Herrn Bundesminister Ostermayer recht herzlich bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Ich bitte um den Bericht.

 


19.36.09

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezem­ber 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Beer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.36.48

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im ersten Moment schaut es bei der Veränderung im Bundesvergabegesetz so aus, als würden wir nur vom Billigstbieter auf den Bestbieter verändern. In Wirklichkeit war es aber eigentlich immer schon mög­lich, den Bestbieter herauszufiltern und den Auftrag an ihn zu vergeben.

Aber was ist eigentlich geschehen? – Es hat sich eine Klagsindustrie entwickelt, denn egal, was man gemacht hat, es wurde immer geklagt. Der eine sagt: Der andere war zwar viel billiger, und ich bin zwar teurer, aber der Bessere, darum klage ich. Der andere sagt wieder: Ich habe den Auftrag nicht bekommen, weil ich viel billiger war – wieder eine Klage. Was sollte man also eigentlich in diesem Bereich noch machen, um Vergaben ordentlich durchführen zu können?

Durch diese Novelle haben wir jetzt bessere Möglichkeiten, Lohn- und Sozialdumping in diesem Bereich zu unterbinden oder hintanzuhalten, da wir auch bei ausländischen Firmen strengere Kontrollen durchführen können. Wir haben im Baugewerbe zum Beispiel die Situation, dass Firmen aus dem Ausland Arbeiter für 20 Stunden melden, diese aber in Wirklichkeit wesentlich mehr Stunden leisten. Dadurch unterbieten diese Firmen eigentlich unsere heimische Wirtschaft.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 180

Es war auch ein Problem bei der Vergabe, dass man nicht wusste, wer die Arbeiten eigentlich wirklich durchführen wird, denn es gab immer wieder Sub-sub-sub-Unterneh­mer. Das ist schon überhaupt nicht möglich: Der Billigstbieter vergibt diesen Auftrag, bei dem er ohnehin schon der Billigste war, an jemand anderen, der das dann noch billiger macht. Der sollte auch noch etwas verdienen und gibt das dann wieder jemand anderem. Dieses Weitergeben von Aufträgen – manchmal sogar ohne irgendeine Qualifikation – ist also unverständlich.

Jetzt können wir Firmen von diesen öffentlichen Ausschreibungen auch ausschließen, etwa bei Unterentlohnung oder bei Schwarzarbeit. Dazu gibt es zwei Datenbanken, die man abfragen muss: Die erste ist die zentrale Verwaltungsstrafevidenz des Finanz­ministeriums – diese stand auch bisher zur Abfrage bereit. Die zweite Möglichkeit ist die von der Wiener Gebietskrankenkasse geführte Datenbank des Kompetenzzen­trums zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping.

Auch die Zuverlässigkeit des Bieters ist zu berücksichtigen. Es gibt auch Anbieter – und das geht immer wieder durch die Medien –, die mit dem Baulos beginnen und dann in Konkurs gehen. Das ist ein Problem: Wir schreiben noch einmal aus, es verteuert sich, wir haben Verzögerungen.

In diesem Gesetz wird die Möglichkeit der Vergabe von Kleinlosen im Rahmen von Großaufträgen geschaffen. Das ist wichtig für unsere KMUs, denn es bedeutet, dass auch einzelne Teile aus einer großen Ausschreibung herausgenommen werden können. So haben auch KMUs die Möglichkeit, sich zu bewerben, mitzubieten und diesen Auftrag zu bekommen.

Es wird auch verstärkt darauf zu achten sein, dass der Anbieter überhaupt in der Lage ist, die angebotene Leistung zu erbringen, nämlich sowohl betreffend Personalauf­wand, als auch betreffend seine Möglichkeiten und die Konzessionen.

Es kann auch verlangt werden, dass bestimmte Arbeiten nicht mehr an Subunter­neh­mer vergeben werden dürfen. Auch das ist ein großer Vorteil.

Es wurde auch prognostiziert, dass es im Bereich der öffentlichen Auftraggeber zu einem finanziellen Mehraufwand kommen wird. Ich persönlich glaube nicht, dass es dazu kommen wird. Denn wenn man ordentliche Anbieter hat – und unsere KMUs sind wirklich zu einem sehr großen Teil gut aufgestellt, sind wunderbare Anbieter –, dann hat man nicht das Problem, dass man nacharbeiten muss. Dann hat man auch nicht das Problem der Verzögerungen im Zeitplan. Das kostet ja alles Geld, und diese Folgekosten können wir dadurch wahrscheinlich auch minimieren.

Dieses Gesetz kann unsere KMUs unterstützen. Es trägt wesentlich zur Bekämpfung von Sozial- und Lohndumping bei. Das ist ein Gewinn für uns alle und auch für unsere Wirtschaft. Daher kann man diesem Gesetz nur zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.42


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dr. Köll zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.43.05

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Beer hat bereits einige Vorteile der beiden novellierten Bundesvergabegesetze ange­führt, und ich darf da vielleicht noch einiges ergänzen.

Es hat sich zwischenzeitlich wirklich Entscheidendes verbessert, aber wir werden in nächster Zeit natürlich noch einige Nachbesserungen vornehmen müssen, weil ja auch


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 181

noch Vorgaben der neuen EU-Vergaberichtlinie im kommenden Jahr umzusetzen sein werden.

Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber in der Republik Österreich. Bund, Länder und Gemeinden vergeben in etwa 60 Milliarden € an öffentlichen Aufträgen. Das entspricht zirka 20 Prozent unseres BIP und bedarf natürlich einer guten und entsprechenden Regelung.

Wir haben natürlich auch die Grundfreiheiten der Europäischen Union zu berücksich­tigen. Da darf ich vielleicht aus eigener Erfahrung sprechen: Wir waren im Jahre 1994 von einem interkommunalen Abwasserverband eine der ersten öffentlichen Institutio­nen, die eine EU-weite Ausschreibung vornehmen musste. Damals haben wir aus der Sicht der regionalen Wirtschaft manchmal eigentlich mit etwas Neid nach Südtirol geblickt, denn die hatten schon eine etwas längere EU-Erfahrung und mehr Erfah­rungswerte im Umgang mit diesen Herausforderungen.

Aber es geht letztendlich nicht um eine vielleicht nicht EU-rechtskonforme Bevor­zugung der heimischen Wirtschaft, sondern es geht darum, dass man den Grund­sätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit nachkommt und dass man im Sinne des Steuerzahlers agiert. Das geschieht aber nicht nur unter dem Aspekt des jeweiligen Billigstbieters, sondern natürlich geht es schon längere Zeit darum, den jeweiligen Bestbieter zu berücksichtigen.

Da gibt es viele Aspekte, vor allem auch durch das neue Klimaabkommen, das in Paris gelungen ist. Man sollte also die Transportwege und die Umweltfreundlichkeit berück­sichtigen. Man sollte Servicemöglichkeiten berücksichtigen, die vielleicht von hei­mischen, regionalen Firmen besser erbracht werden können als von anderen. Die Stichworte Sozial- und Lohndumping wurden ja bereits erwähnt.

Ich denke, dass die österreichische Wirtschaft für all diese Herausforderungen sehr gut gewappnet ist. Wir haben qualitätsvolle Betriebe, die nicht ständig Schwarzarbeiter beschäftigen. Wir sind in der Lage, Qualität, Leistung, Berechenbarkeit und Zuver­lässigkeit einzubringen und haben natürlich auch hervorragend ausgebildete Arbeits­kräfte. All diese Bewertungskriterien sollten zukünftig noch verstärkt einfließen.

Kollege Beer hat ja von „Sub-sub-sub-Unternehmern“ gesprochen: Ob es nun zweimal, dreimal oder viermal „sub“ ist, man hat auch im Bereich der öffentlichen Aufträge entsprechende Erfahrungen gemacht. Gewisse Unternehmen haben in der Erstaus­schreibung angeboten, dann wurden sie nicht berücksichtigt, und dann haben sie dem Erstauftragnehmer diesen Auftrag noch zu einem niedrigeren, zu einem Dumpingpreis abgenommen. Das ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders.

Man kann sagen, dass mit den Novellen im Nationalrat eine weitere Verbesserung gelungen ist was den Bereich der heimischen Lebensmittel betrifft. Das ist auch aus Sicht der Biolandwirtschaft und der regionalen Produkte eine wesentliche Verbesse­rung.

In Summe kann man sagen, dass ein weiterer wichtiger Schritt gelungen ist. Man wird sich in nächster Zeit vielleicht auch noch soziale Dienstleistungen überlegen müssen, man wird im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs noch Überlegungen anstellen.

In Summe ist aber ein wichtiger Zwischenschritt gelungen. Deswegen wird unsere Fraktion keinen Einspruch gegen diese beiden Novellen erheben. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.46



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 182

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schererbauer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.47.12

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Danke, Herr Köll, Sie haben die gleiche Größe wie ich, jetzt brauche ich das Pult nicht zu verstellen. Das ist sehr ange­nehm. (Allgemeine Heiterkeit.)

Mit der Novelle zum Bundesvergabegesetz wurde trotz anfänglicher Bedenken einiger Bundesländer – beispielsweise war mein Heimatbundesland Oberösterreich am Anfang ein bisschen skeptisch – doch ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. Bestbieter vor Billigstbieter: Nicht mehr der Preis alleine zählt, sondern auch Qualitäts­kriterien werden bei der Vergabe berücksichtigt. Das ist im Baubereich ab einer Auftragssumme von 1 Million € Pflicht.

In der Ausgabe der „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom vergangenen Samstag sagt zum Beispiel der Landesinnungsmeister für Baugewerbe, Norbert Hartl, dass die neue Regelung ein „Schritt in die richtige Richtung“ ist – vor allem, weil die Vergabe an Subfirmen eingeschränkt wird. Weiters ist meiner Meinung nach festzustellen, dass es bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung unterm Strich besser ist, weil Wertschöp­fung und damit Arbeitsplätze und auch Steuern in der Region bleiben.

Eine große Chance sehe ich – genau wie Herr Kollege Beer – für die KMUs. Diese bilden das Rückgrat unserer Unternehmenslandschaft und haben damit großen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur. Dies gilt ganz besonders für Österreich, weil hier der unternehmerische Mittelstand ganz besonders ausgeprägt ist. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass durch diese Gesetzesnovelle den KMUs der Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtert wird und diese wieder bessere Möglichkeiten haben, mit Eigenpersonal Aufträge zu erhalten.

So kann dem Lohn- und Sozialdumping massiv entgegengewirkt werden, es entsteht dadurch mehr Transparenz bei den Subvergaben. Nur mit Zustimmung des Auftrag­gebers dürfen Subunternehmer und Sub-Subunternehmer – das ist gar nicht so leicht auszusprechen – Aufträge ausführen. So wird gegen diverse Unternehmen vorgegan­gen, die massiv beziehungsweise mehrfach gegen Arbeits- und sozialrechtliche Be­stim­mungen verstoßen haben.

Ich denke, jeder ist sich dessen bewusst, dass dies nicht das sofortige Allheilmittel darstellt, aber ich bin davon überzeugt, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist. Es wird wichtig sein, dass der Fokus stark darauf gerichtet wird, dass Firmen Stamm­personal beschäftigen und dubiose, oftmals im Ausland ansässige Subfirmen erst gar nicht zum Zug kommen lassen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Preis bei öffentlichen Ausschreibungen zwischen 60 und 90 Prozent Gewicht haben wird. Der Rest sind Kriterien wie zum Beispiel Umwelt, Qualität, Regionalität und ganz besonders die Lehrlingsbeschäfti­gung.

Bezüglich der finanziellen Auswirkungen des Gesetzes kann natürlich die Situation auftreten, dass das Bestbieterprinzip im ersten Moment einen finanziellen Mehrauf­wand darstellt. Wir wissen aber auch, dass die Folgekosten in ungeahnte und oft nicht einkalkulierbare Höhen steigen können. Man sieht in diesem Fall, dass im Sinne der Nachhaltigkeit das Best- vor dem Billigstbieterprinzip zu bevorzugen ist.

Das Bestbieterprinzip soll sich auch in anderen Bereichen durchsetzen, zum Beispiel in den Bereichen Lebensmittelbeschaffung, Dienstleistungen und Verkehr. ASFINAG und ÖBB wenden dieses Prinzip meines Wissens bereits freiwillig an.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 183

Abschließend möchte ich feststellen, dass diese Gesetzesnovelle als sehr wichtig und gelungen zu erachten ist. Daher stimmen wir ihr zu. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

19.51


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.51.07

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Als vierter Rednerin ist mir nicht mehr viel übriggeblieben, das ich dazu noch sagen kann. Es wurde schon erwähnt, dass öffentliche Aufträge 20 Prozent des BIPs erwirt­schaften. Das ist also ein wirklich sehr wichtiger Bereich für unsere Wirtschaft.

Es wurde auch schon erwähnt, dass es da doch zu Problemen kommt: Es kommt immer wieder zu rechtlichen Problemen und dadurch zu Verzögerungen und zu sehr hohen Kosten. Es ist nicht einfach, auszuschreiben, ohne dass geklagt wird. Es ist sicherlich im Interesse aller, nach dem Bestbieterprinzip zu handeln, und das ist inzwischen schon möglich. Die Durchsetzung dieses Bestbieterprinzips ist aber keine „gmahte Wiesen“, das ist nicht einfach.

Dies ist eine kleine Vergaberechtsnovelle, die vor allem die Baubranche adressiert, weil dort wahrscheinlich das Problem am größten ist, insbesondere was sozial­rechtliche Standards betrifft. Es ist meiner Meinung nach auch nicht so einfach für den Auftraggeber, den Nachweis von lohn- und sozialrechtlich falschem Verhalten zu führen.

Subunternehmen sind in der Baubranche inzwischen die Regel und nicht die Aus­nahme, aber auch hier kommt es durch dieses Gesetz zu mehr Transparenz und neuen Möglichkeiten.

Ich glaube, dass es zu einem administrativen Mehraufwand für Auftraggeber kommt, und dass es da gerade im öffentlichen Bereich Unterstützung für Auftraggeber geben muss.

Wir Grüne haben ganz konkrete Vorstellungen darüber, was das neue Vergaberecht können sollte. Insbesondere soll es nachhaltige Beschaffung sicherstellen. Das heißt, das Bestbieterprinzip sollte Standard für alle Wirtschaftsbereiche werden. Eine nach­haltige Beschaffung sollte zum Standard werden, und in allen Vergabeverfahren sollten soziale und eben auch ökologische Kriterien angewandt werden.

Das Bestbieterprinzip muss verständlicher und anwendbarer werden als es bisher ist. Die Vergabeverfahren müssen transparent ablaufen. Es sind die Vollkosten, also die Lebenszykluskosten, bei Vergaben als Standard zu berücksichtigen. Vergaben müssen menschenrechtsorientiert auch über die Grenzen hinaus geschehen. Arbeitsschutz und Sozialstandards sind verankert, und Lohn- und Sozialdumping sollte bei öffentlichen Aufträgen wirklich unmöglich sein. Da muss es entsprechende Kriterien geben. Ökolo­gi­sche Kriterien sollen essenzielle Vergabekriterien sein. Auch da müssen entsprechen­de Kriterien formuliert und definiert werden.

Wichtig erscheint uns auch, dass die Beschaffung innovationsfördernd ist – gerade bei technischen Vergaben. Auch dazu sollen entsprechende Kriterien formuliert werden. Das gilt natürlich auch für das regionale Engagement, das europarechtskonform berücksichtigt werden muss. Das ist sicherlich eine Herausforderung für den Gesetz­geber, aber es sollten bestimmte Kriterien definiert werden. Ich denke, dass auch das für unsere Wirtschaft und die Wirtschaft im Allgemeinen sehr wichtig ist.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 184

Dieses Thema wird uns sicherlich weiterhin begleiten. Wir hoffen auf eine gute Novelle für unsere Wirtschaft und eben auch auf eine handhabbare Novelle 2016. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesminister Dr. Oster­mayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


19.56.11

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Frau Bundesrätin Dr. Reiter hat natürlich recht: Wenn bei einem Gesetz so großer Konsens herrscht, ist es für die vierte Rednerin nicht ganz einfach, etwas Neues zu sagen. Für den Fünften gilt das natürlich umso mehr. Ich werde es daher natürlich vermeiden, zu wiederholen, was inhaltlich schon gesagt wurde.

Ich freue mich, dass es diesen großen Konsens gibt. Es ist ein Gesetz, das wichtig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Wirtschaft und auch für die Qualität der Leistungen, die beauftragt und ausgeführt werden, ist. Ich danke Ihnen für die große Zustimmung.

Ich möchte diese Gelegenheit aber auch dazu nutzen, dem Nationalratsabgeordneten Beppo Muchitsch und seinem Baupartner, Herrn Kollegen Frömmel, zu danken. Sie haben einen sehr, sehr intensiven Diskurs beziehungsweise eine intensive Diskussion geführt und haben eine große Ausdauer gehabt, bis es so weit gekommen ist. Wir haben durch den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt –Dr. Hesse und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen ich mich hiermit bedanken möchte – ganz intensiv natürlich bei der Legistik unterstützt, aber auch bei den Abänderungsanträgen sind wir zur Seite gestanden.

Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Kollegen Brian Schmidt aus meinem Kabinett, der sehr viel Zeit investiert hat, damit wir jetzt hier sitzen können – Sie sitzen, ich stehe –, um letztendlich durch Sie das Gesetz zu beschließen. Ich möchte mich auch bei den Klubmitarbeiterinnen und -mitarbeitern bedanken, die auch einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass das Gesetz jetzt beschlossen werden kann.

Ich hoffe, dass wir bei den nächsten Schritten zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie nicht wieder so intensiv und so lange diskutieren müssen, sondern dass es schneller geht. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.58

 

 


19.58.10Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

19.58.5823. Punkt

Datenschutzbericht 2014 (III-556-BR/2015 d.B. sowie 9521/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesord­nung.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 185

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Bitte um den Bericht.

 


19.59.08

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Datenschutzbericht 2014.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 den Antrag, den Datenschutzbericht 2014 zur Kenntnis zu neh­men.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Beer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

19.59.40

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Daten­schutz­bericht 2014 ist übrigens der erste Datenschutzbericht der Datenschutzbehörde, die mit 1. Jänner 2014 eingerichtet wurde und die Datenschutzkommission abgelöst hat. Die Datenschutzbehörde – und das ist, glaube ich, auch ein sehr wichtiger Teil – ist eine unabhängige Behörde.

Die Aufgaben umfassen – vereinfacht und zusammenfassend gesagt – alle Belange, die mit elektronisch erfassten Daten zu tun haben. In der heutigen Zeit werden das immer mehr Daten, werden das immer mehr Probleme und immer komplexere Aufga­ben­stellungen.

In der Statistik, die in diesem Datenschutzbericht dargestellt wird, zeigt sich, dass es in jedem Bereich der Arbeit der Datenschutzbehörde Zuwächse gibt. Signifikant ist aber, dass die Anzahl der Rechtsauskünfte im Jahr 2013 noch 1 133 betrug, im Jahr 2014 ist es zu einer Verdoppelung gekommen und es wurden bereits 2 261 Rechtsauskünfte erteilt, also eine Verdoppelung der Arbeit, die zurzeit von 25 Mitarbeiterinnen und Mit­ar­beitern erledigt und bewältigt wird. Sollte die Entwicklung in diesem Bereich so weitergehen, dann werden wir dort sicherlich eine Personalaufstockung durchführen müssen.

Der Bericht ist sehr gut gegliedert und zeigt einen Überblick über das Jahr 2014. Über die statistischen Darstellungen und tabellarischen Aufgliederungen hinaus werden auch noch Fallbeispiele aufgeführt, Fallbeispiele, die wir teilweise auch aus den Nach­richten und Zeitungen kennen, die aufzeigen, wie problematisch dieses Feld eigentlich ist.

In ihrer Funktion als Überwachungsbehörde hat die Datenschutzbehörde auch noch einige Aufgabenbereiche. Es werden eine Unmenge von Registern angelegt, und in diesen Registern befinden sich Daten von uns allen. Damit diese Register nicht irgend­wo im Netz herumschwirren oder an andere Staaten übermittelt werden, haben wir die Datenschutzbehörde, die das kontrolliert und überwacht.

Es sind Streitigkeiten auch schon vor Gericht gelandet. Was uns da sicherlich noch im Gedächtnis ist, ist die Vorratsdatenspeicherung, die als rechtswidrig erkannt wurde und auch in der Form nicht mehr gemacht wird, oder der Prozess gegen Google, in dem entschieden wurde, dass man auch ein Recht auf Löschung seiner Daten im Netz hat. Das war bisher nicht üblich. Wenn man jetzt an Google oder Facebook schreibt, ich möchte meine Daten gelöscht haben, dann sind diese Daten auch zu entfernen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 186

Wie viele Daten erfasst werden, ist uns wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Nur um einige hier anzuführen: Wir haben da Europol, in diesem Bereich werden personen­bezogene Daten verarbeitet, da geht es in erster Linie um den Schengen-Raum. Dann haben wir das Zollinformationssystem, weiters EURODAC zur Erfassung, Identifizie­rung von Asylwerbern und anderen Personen bis hin zu Visa, für den Austausch von Daten über Kurzzeitvisa im Schengen-Raum. Das ist nur ein kurzer Auszug.

Es ist für die Datenschutzbehörde auch schwierig, da sie nicht immer von sich aus tätig werden kann und es auch viele Daten gibt, die eigentlich von einer Behörde allein nicht überblickt werden können. Auch wir hier sind gefordert, nämlich die Bevölkerung zu sensibilisieren. Wissen wir eigentlich, wie viel wir von uns preisgeben? Nehmen wir zum Beispiel nur einmal eine Tankkarte, die verschafft uns Rabatte oder wir erhalten irgendwelche Punkte, die wir dann einlösen können, um irgendetwas billiger zu bekommen. Erinnern wir uns, wir haben etwas unterschrieben, und mit dieser Unter­schrift haben wir wahrscheinlich – nicht bei allen, aber bei sehr, sehr vielen – zuge­stimmt, dass unsere Daten an Dritte weitergegeben und auch verarbeitet werden können. Man muss sich das nur bewusst machen.

Wer besitzt keine Einkaufskarte – Merkur, Billa, was auch immer es gibt, die ganzen Baumärkte? Auch dort werden die Daten erfasst, auch dort können diese Daten an Dritte weitergegeben werden. Bei Facebook, Instagram, Twitter, WhatsApp – egal, wie sie alle heißen – stimmen wir schon allein durch die Nutzung den Bedingungen zu. Wer kennt eigentlich die Nutzungsbedingungen? – Ich glaube, sehr wenige. Es ist auch nicht vielen bewusst, dass diese Daten gesammelt werden, dass diese Daten auch nach Amerika geschickt werden – was übrigens durch ein vor nicht allzu langer ausgesprochenes Gerichtsurteil verboten wurde –, aber wir machen das trotzdem.

Würde sich irgendjemand von uns hier freiwillig einen Peilsender umhängen lassen? (Ruf bei der SPÖ: Handy!) In Wirklichkeit haben wir ihn alle mit. Jedes Gerät, das GPS-fähig ist, ist ein Peilsender, also wir sind jederzeit lokalisierbar. (Bundesrätin Kurz: Ich bin im Parlament, das ist allen bekannt!)

Daher sollten wir auch den Menschen und vor allem den jungen Menschen, denn die stehen diesen ganzen Dingen eher unkritisch gegenüber und kommen erst im Laufe der Zeit, wenn sie älter werden, drauf, hoppla, so einfach und toll ist das ja gar nicht, klar machen, wir alle müssen mit den neuen Daten und Technologien sehr sorgsam umgehen.

Ich möchte mich auf alle Fälle für diesen Datenschutzbericht, der wirklich sehr gut gegliedert ist und auch einen Überblick gibt, bei der Behörde bedanken und ihr auch noch viel Erfolg bei ihrer zukünftigen Arbeit wünschen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

20.07


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte.

 


20.07.55

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Kollege Beer ist schon sehr ausführlich auf den Datenschutzbericht 2014 eingegangen. Wie gesagt, es ist der erste Bericht einer sehr neuen Behörde, nämlich der Daten­schutzbehörde, an die man sich wenden kann, wenn man den Schutz der eigenen Daten durch Dritte verletzt sieht. Damit hat sie eine Ombudsmann-Funktion oder erteilt – und das ist die wichtigste Aufgabe, darauf hat der Kollege schon hinge­wiesen – auch eine entsprechende Rechtsauskunft. Erfreulich ist, es ist eine Behörde,


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 187

die im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr fast alle Anfragen und Aufgaben, die an sie herangetragen wurden, erledigt hat. Darauf dürfen wir alle gemeinsam stolz sein.

Kollege Beer hat schon auf viele Aufgaben hingewiesen, ich darf vielleicht ein paar praktische Beispiele herausfiltern. Wie geht man zum Beispiel mit Daten einer Ver­kehrsüberwachung um, wenn Fahrzeuge fotografiert, gefilmt werden, um Geschwindig­keitsmessungen vorzunehmen? Da muss geregelt sein, was die Behörde mit diesen Daten tun darf. Man kann auch sehen, wer im Auto drinnen sitzt, man kann die Perso­nen erkennen, das sind manchmal auch wieder sensible Daten. Da ist es entsprechend notwendig, den Umgang mit diesen Daten zu regeln.

Oder ist es notwendig, wie im Bericht ersichtlich war, dass zum Beispiel, wenn man eine Anonymverfügung für Schnellfahren erhält, bei der Adresse schon das Geburts­datum dabei ist? Ist das eine notwendige Information, die bereits dem Briefträger zugänglich sein soll? (Bundesrat Jenewein: Warum darf die Behörde das wissen?) Oder wie gehen die Krankenhäuser mit Gesundheitsdaten um? In welche Akten darf wer auch wirklich Einsicht nehmen?

Du hast schon darauf hingewiesen, Herr Kollege, es wurde auch die Vorratsdaten­speicherung aufgehoben. Ich glaube, es gibt da viele Themen, und eines der Haupt­themen, die die Datenschutzbehörde behandelt, ist immer die Anfrage von privaten Videoüberwachungen: Dürfen die durchgeführt werden? In welchem Umfang dürfen sie durchgeführt werden? Werden sie auch untersagt? Auch bei Apotheken ist bei Datenerfassungssystemen eine entsprechende Kontrolle notwendig.

Kollege Beer, du bist auf die Stammzahlenregister und auf die Datenverarbeitungs­register eingegangen und auch darauf, dass diese Datenschutzbehörde eine sehr eigenständige Behörde ist, die letztlich nur dem Verwaltungsgerichtshof verantwortlich ist. Ich darf damit Frau Dr. Jelinek und ihrem Team für ihre Arbeit recht herzlich danken, weil die Datenschutzbehörde auch international sehr gut vernetzt ist.

Mir hat es gefallen, lieber Kollege Beer, dass du auch auf das Risiko eingegangen bist, das wir durch den Umgang mit unseren Daten eingehen. Wir haben manchmal große Angst, wenn die Behörde von uns Daten hat, wobei diese Daten eigentlich relativ gut gesichert und auch gut überwacht sind. Oft geben wir – sei es jetzt auf Facebook oder in anderen Medien – unsere persönlichen Daten sehr leicht preis und wissen nicht, wie damit umgegangen wird.

Ich verweise auch auf ein Beispiel: Wir alle nutzen Programme, bestätigen deren Anwendungsbestimmungen und unterzeichnen quasi einen Vertrag: Ich bestätige. Wer von Ihnen hat jemals die 15 Seiten Konformitätserklärung gelesen? – Ich habe noch niemanden gefunden. Ich frage mich also, wie hoch à la longue die Rechtssicherheit solcher Verträge sein kann. Darum glaube ich, dass es ein sehr spannendes Thema ist, dass es wichtig ist und dass die Datenschutzbehörde eine sehr wichtige, vor allem in die Zukunft gerichtete Behörde ist.

Es ist notwendig, zu wissen, und das sehen wir jetzt auch an der aktuellen Diskussion seitens der Europäischen Union, wie mit unseren Daten umgegangen wird. Dürfen sie weitergegeben werden? Besteht jetzt ein Recht auf das Löschen von persönlichen Daten? Kann ich meine Daten mitnehmen, wenn ich einen Anbieter wechsle? Wie gestalten sich letztlich die Strafen? – Mit Höchststrafen von 25 000 € wird man Google oder Facebook nicht wirklich irritieren können. Das sind Themen, die auf europäischer Ebene diskutiert werden und zeigen, dass wir im Bundesrat mit dem Schwerpunkt­hema im zweiten Halbjahr „Digitaler Wandel und Politik“ sehr gut gelegen sind. In


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 188

diesem Sinne nehmen wir den Bericht sehr gerne entgegen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

20.13


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Herbert. – Bitte.

 


20.13.11

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz – eine Thematik, die zunehmende Breitenwirkung erfährt. Der Bericht, der uns hier vorliegt, zeigt das auch ganz deutlich in den Zahlen, die uns hier vorgelegt werden. Es ist ein sehr ausführ­licher, ein sehr interessanter Bericht. Inhaltlich möchte ich an die Ausführungen meiner Vorredner anschließen und da nicht mehr so sehr ins Detail gehen, weil die wesent­lichen Eckpunkte ohnedies schon genannt wurden.

Aber eines ist schon bemerkenswert, in allen Bereichen, in denen an die Daten­schutzbehörde Anbringen herangetragen wurden – sei es jetzt in den Individualbe­schwer­den, sei es jetzt in den Kontroll- und Ombudsmannverfahren, aber auch insbe­son­dere bei den Rechtsauskünften –, ist nämlich ein Anstieg beim Arbeitsaufwand, bei der Zahl der Anliegen und somit auch beim Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu verzeichnen, besonders bei den Rechtsauskünften. Das zeigt, dass Datenschutz nicht mehr eine Angelegenheit von einigen wenigen Rechtsinteressierten, um nicht zu sagen Rechtsexperten ist, sondern dass Datenschutz auch in zunehmendem Maße in den Köpfen der – überspitzt gesagt und nicht böswillig oder abwertend gemeint – einfachen Menschen eine immer wichtigere Rolle spielt.

Das mag mit einigen interessanten, auch medial sehr weit verbreiteten Datenschutz­entscheidungen zusammenhängen. Ich darf an den Fall Schrems und die damit verbundene Aufhebung der Safe-Harbour-Vereinbarung erinnern, wo es jetzt wohl auch an der EU liegen wird, da wieder eine Grundlage zu finden, die sicherstellt, dass der Datenaustausch mit den USA in einem – das war der Grund, warum er gefallen ist, weil er eben nicht angemessen war – dann wieder angemessenen und vor allem dem österreichischen Datenschutzniveau angepassten Verhältnis ist. Das Problem ist ja, dass wir in Österreich einen sehr hohen Datenschutzstandard haben, was von anderen Ländern – die USA wurden schon erwähnt – ja nicht behauptet werden kann.

Es ist daher auch für uns wichtig, und da darf ich Sie ersuchen, Herr Bundesminister, dies vor allem auch zu unterstützen und sich hier einzubringen, dass wir unsere hohen Datenschutzstandards nicht aus der Hand geben, wenn zukünftig mit den USA, diese wurden schon angesprochen, aber auch mit anderen Staaten, insbesondere mit Dritt­ländern außerhalb der EU, neue Verträge abgeschlossen werden. Die Daten­schutz-Grundverordnung hängt unmittelbar damit zusammen, da sie ja nicht nur die neuen Regelungen des Datenaustausches mit den USA im Sinne eines neu geregelten Safe-Harbour-Abkommens beinhaltet und da entsprechende Grundlagen zu schaffen hat, sondern auch weil – das hat Kollege Tiefnig schon angesprochen – die Frage der Daten im Internet eine große Rolle spielt.

In den meisten Diskussionen, die im Rahmen des Datenschutzes geführt werden, spielt das sogenannte Recht auf Vergessen im Internet eine große Rolle, es wird immer bedeutender für den User, für den Benutzer von Internetanwendungen. Es wird interessant, wie denn diese Datenschutz-Grundverordnung dieses Recht, das Sie ja schon, ich will nicht sagen versprochen, aber doch zumindest in einem großen Maße angekündigt haben, auch tatsächlich sicherstellen will. So gesehen bin ich da ein wenig skeptisch, was die jüngst ergangenen Medienmeldungen betrifft, wie gut denn da die rechtlichen Voraussetzungen und die rechtlichen Zugänge sind. Mittlerweile gibt


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 189

es ja auch schon wieder gegenteilige Meinungen, die sagen, da ist noch ein kleiner Nachbesserungsbedarf gegeben.

Dessen ungeachtet bin ich mir aber sicher, dass unsere Datenschutzbehörde auch weiterhin ein gutes, ein wachsames Auge auf unsere Daten in unserem geliebten Heimatland haben wird, dass sie mit Kompetenz, mit Umsicht, aber auch mit dem inhaltlich fundierten Herangehen, das sie bisher an den Tag gelegt hat, weiterhin die richtigen Entscheidungen treffen wird.

So gesehen werden wir diesem Bericht auch gerne zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.17


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.  Schreyer. – Bitte.

 


20.17.58

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe jetzt auch wieder als vierte Rednerin da. Vielen herzlichen Dank an die VerfasserInnen für diesen ersten Bericht. Der Bericht selbst ist sehr schön aufgebaut und informativ, vor allem sind wirklich sehr schöne, informative Grafiken und Fallbeispiele drin, sodass man sich bei dieser umfangreichen Materie den Arbeitsbereich der Datenschutzbehörde wirklich sehr gut vorstellen kann. Er ist kurz und knapp, es ist ja auch der erste Bericht. Ich denke mir, die nächsten Berichte werden wahrscheinlich schon dicker ausfallen.

Zum Inhalt ist bereits sehr viel gesagt worden, ich möchte da nichts wiederholen. Ich möchte allerdings einen Punkt hervorheben, der bis jetzt noch nicht genannt worden ist, nämlich die finanzielle Ausstattung der Behörde. Die Datenschutzbehörde verfügt über sehr, sehr knappe Ressourcen. Sie hat zum Beispiel fast gar kein Budget, um Sachverständige hinzuzuziehen. Bei dieser sehr komplexen Materie frage ich mich schon ein wenig, wie sie da wirklich wirksam kontrollieren können. Ich finde, da gehört dringend nachgebessert. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

20.19


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister Dr. Ostermayer ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


20.19.21

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich kenne die Anmerkungen der Grünen schon, weil sie regelmäßig kommen. Üblicher­weise wird auch angemerkt, dass es zu wenig Personal gibt. Ich sage Ihnen jetzt nur Zahlen, die Sie wahrscheinlich ohnehin gelesen haben.

Die Datenschutzbehörde ist jetzt beinahe zwei Jahre tätig, nämlich seit Anfang 2014, aufgrund einer Gesetzesnovelle, die hier im Haus beschlossen wurde. Dem kann man die Datenschutzkommission gegenüberstellen, nämlich im Jahr 2013: 1 845 Eingangs­stücke von Individualbeschwerden über Rechtsauskünfte bis hin zu Schengen-Aus­künften, Erledigungen 1 734. Und die Datenschutzbehörde im Jahr 2014: 3 105 Ein­gän­ge, 3 096 Erledigungen. Also wurde beinahe alles im gleichen Jahr erledigt, wobei es natürlich Überlappungen geben kann, wenn Beschwerden gegen Jahresende kommen. Die können natürlich nicht im gleichen Jahr erledigt werden.

Jetzt zitiere ich aus dem Vorwort. „Die Behörde wurde im Laufe des Jahres 2014 neu strukturiert, Arbeitsfelder gestrafft und ein gemeinsames Verständnis der Mitarbeiterin-


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 190

nen und Mitarbeiter von der Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen entwickelt. Durch Bündelung der Ressourcen und das außergewöhnliche Engagement von Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern ist es gelungen, einen Großteil des Rückstandes im Datenverarbeitungs- sowie im Stammzahlenregister zu bearbeiten und abzuschließen, ohne andere Arbeitsfelder der Behörde zu vernachlässigen.“

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Datenschutzbehörde und insbe­sondere danke ich der Leiterin der Datenschutzbehörde Dr. Andrea Jelinek. Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

20.21

20.21.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.21.5324. Punkt

Kulturbericht 2014 (III-558-BR/2015 d.B. sowie 9503/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um den Bericht.

 


20.22.02

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Kulturbericht 2014 liegt Ihnen schriftlich vor, daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zur Antrags­stellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 15. Dezember 2015 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2015 den Antrag, den Kulturbericht 2014 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


20.22.59

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Da Frau Kollegin Grimling den Bericht nicht vorlesen wollte, hat Herr Kollege Mayer gesagt, ich soll das machen. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich werde Ihnen das ersparen; diese 338 Seiten werde ich nicht verlesen.

Bevor ich zum Bericht als solchen komme, möchte ich eine Anmerkung machen, viel­leicht einen Wunsch äußern, weil Weihnachten ist – es liegt nicht in der Verantwortung des Herrn Bundesministers, sondern in unserer eigenen Verantwortung –: Es gibt ja nicht nur den Kulturbericht, es gäbe auch noch den Kunstbericht, der leider Gottes


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 191

nicht im Bundesrat debattiert wird, der allerdings für uns mitunter sogar spannender wäre. Schaut man sich den Kulturbericht an, um den es heute geht, dann sieht man, dass das zu einem Gutteil eine Leistungsschau verschiedener Institutionen, wie Museen – was haben wir da noch –, Bundestheater, Denkmalschutz, Museumsquar­tier, Stiftungen, mit sehr vielen Bilanzen, mit sehr vielen Zahlen, mit sehr viel Budget­information ist.

Die Länderkammer ist jetzt an sich nicht die budgetrelevante Kammer, nicht das budgetrelevante Gremium in diesem Haus; das ist eigentlich der Nationalrat. Beim Kunstbericht ist es ein bisschen anders gestaltet, da geht es eigentlich mehr um inhaltliche Umsetzungen und um Initiativen, die die Bundesregierung gesetzt hat. Es ist heuer mein Wunsch an das Christkind, dass wir vielleicht im nächsten Jahr nicht nur den Kulturbericht, sondern auch den Kunstbericht im Bundesrat debattieren. Die könnten wir dann in einem Tagesordnungspunkt verhandeln, das wäre dann vielleicht erquicklicher und ergiebiger.

Ganz kurz zum Kulturbericht: Ich habe schon eingangs erwähnt, dass es 338 Seiten sind, die uns zeigen, dass das Kulturbudget wohl im Vergleich zum Jahr 2013 ge­stiegen, im Vergleich zu den Jahren 2011 und 2012 jedoch gesunken ist. Es wird Sie wahrscheinlich nicht sonderlich verwundern, wenn wir sagen, dass wir diesen Bericht nicht wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Warum ist das so? – Die Bilanzen, die darin abgedruckt sind, stimmen, die Berichte, die drinnen stehen, stimmen als solche. Es gibt vielleicht einige Dinge, die einer Erklärung wert wären.

Auf Seite 13 werden zum Beispiel die Besucherzahlen aufgelistet. Als Gesamtsumme steht da, dass 1,7 Millionen nicht zahlende Besucher gezählt wurden, davon sind knapp 1 Million Kinder unter 19 Jahren, die freien Eintritt haben. Es steht aber nicht drinnen, wer die 739 000 Besucher sind, die sonst nicht bezahlt haben. (Bundesrat Mayer: Politiker!) Man könnte bei böswilliger Interpretation sagen, dass das ein Fehler in der Bilanz und dass die Bilanzklarheit da nicht gegeben ist. Also ich will da jetzt nicht beckmessern.

Es ist auch interessant, was man sieht, wenn man sich zum Beispiel den Rechen­schafts­bericht des MAK anschaut. Das MAK finanziert nur 2,15 Prozent seines Gesamtbudgets über die Eintritte. Auch das wäre natürlich wert, es zu hinterfragen, und es wird leider Gottes keine Antwort darauf gegeben, warum das so ist. Vielleicht können Sie Antworten auf diese Fragen geben, wenn nicht, werden wir versuchen, anderwärtig Antworten auf diese offenen Fragen zu bekommen.

Unabhängig davon sind wir hier aber auch ein politisches Gremium, und dieser Kulturbericht ist das in Zahlen gegossene Produkt dieser Bundesregierung. Dazu muss man sich schon auch den Koalitionsvertrag des Jahres 2013 anschauen, und da findet man dann auf Seite 53 – leicht Seite 54 tangierend – nicht einmal ganz eineinhalb Seiten Kulturpolitik, die sich in folgende fünf Punkte gliedert: „Nachhaltige Absicherung von Kunst und Kultur in Österreich“, „Schwerpunkt Zeitgenössische Kunst“, „Ausbau der Kulturvermittlung“, „Gerechte Entlohnung für kreatives Schaffen“, „Kunst- und Kulturland Österreich international sichtbarer machen“.

Natürlich ist da wenig Konkretes dabei; das ist klar, das ist eine Willenskundgebung. Man versucht da einen politischen Willen zu definieren, der dann durch die politische Arbeit mit Leben erfüllt wird. Ich darf Sie an etwas erinnern – die Freiheitlichen haben es auch schon vor vielen Jahren gefordert und sie fordern es noch; ich habe auch gehört, dass da etwas in der Begutachtung oder in der Vorbegutachtungsphase im Entstehen ist –: Schaut man sich den Punkt „Gerechte Entlohnung für kreatives Schaffen“ an, dann muss man sagen, dass es nicht so falsch sein kann, zu versuchen,


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 192

auch Private zu Investitionen in Kunst zu bewegen, und es zu ermöglichen, solche Investitionen auch steuerlich geltend zu machen.

Wir haben das bei den karitativen Einrichtungen geschafft. Nach langen Jahren gab es dann einen Katalog, welche Spende an eine Einrichtung steuerlich absetzbar ist, welche nicht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man das in diesem Fall auch endlich macht. Das hätte zwei positive Aspekte: Erstens wäre dieser Punkt im Koali­tions­vertrag mit Leben erfüllt, und zum Zweiten würden sich wahrscheinlich die Kunst- und Kulturschaffenden durchaus freuen, wenn Menschen Anreize haben, in Kunstwerke und Kulturgüter zu investieren, und wenn das zu einem Gutteil nicht nur von der öffentlichen Hand getragen werden muss, sondern vielleicht auch von Privaten getragen werden kann. Das wäre sicherlich ein positiver Schritt in die richtige Richtung.

Ansonsten ist zu diesem Bericht noch festzustellen, dass der Herr Kunstminister in diesem Fall mit elf Hochglanzfotos vertreten ist – das ist auch ein Beitrag zu diesem Bericht –, ansonsten ist er auch sehr hübsch illustriert. (Bundesminister Ostermayer: Danke!) Unabhängig davon halten wir diesen Bericht vor dem Hintergrund der österreichischen Kunst- und Kulturpolitik für nicht befriedigend und werden hier diese wohlwollende Kenntnisnahme nicht durchführen und dagegenstimmen. (Bundesrätin Blatnik: Wohlwollend!) – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.29


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


20.29.24

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Ich nehme an, die drohende Ankündigung aus dem Lager der Frei­heitlichen, eine Visitkarte Österreichs nicht wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen, ist verkraftbar. (Allgemeine Heiterkeit.) Das ist natürlich eine Entscheidung. Jedes Land hat heutzutage wahrscheinlich zwei Visitkarten zu haben: die eine ist der Bereich der Forschung, die andere ist eben der Bereich der Kultur.

Das, was da vorliegt, ist trotz schwieriger Zeiten fürs Budget eine eindrucksvolle Form einer Visitkarte Österreichs, die sich sehen lassen kann. Der Kollege hat sich vorher bei den Besucherzahlen ein bisschen lustig gemacht, aber wenn man bedenkt, dass über 1 Million junger Menschen unter 19 Jahren in die Kultureinrichtungen der Republik gehen, dann muss man anerkennen, dass das schon eine positive Geschichte ist. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich kann, was den Kulturminister betrifft, aber mit einer ganz anderen positiven Bilanz beginnen. 2014 war das Jahr, in dem unser Kulturminister eine Burgtheaterkrise zu bewältigen hatte, und die ist eindrucksvoll bewältigt worden. Auch dafür, was die Bundestheater-Holding betrifft, möchte ich ihm von dieser Stelle aus wirklich gratu­lieren: Die Wahl von Christian Kircher, eines Menschen, der Bodenhaftung hat, mit Zahlen jongliert, im Arnold Schoenberg Chor singt, so tief im Wien Museum veran­kert ist, die Zahlen bestens in der Hand hatte, ist eine tolle und gute Entscheidung. Dazu können wir meiner Meinung nach wirklich gratulieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wenn wir uns alleine die Stadt Wien hernehmen, wo pro Tag 36 000 Sitzplätze zu besetzen sind, dann weiß man, dass das schon eine gewaltige Dimension, die wir da haben und die dieses Land und diese Stadt anbieten, ist. Wir befinden uns hier aber auch in der großen Weihehalle des Föderalismus, und da muss man natürlich auch sehen, dass wir eine Bundeskulturpolitik haben. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.)


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 193

Deshalb kommt auch in diesem Bericht klar die Förderung der Volkskultur, der Büchereien, der regionalen Museen zum Ausdruck. Und weil es da jetzt gerade ein Grummeln beim Herrn Kneifel gab, muss man sagen: Der 1. Platz des Museums­preises 2014 (Bundesrat Kneifel: Ja! Textilmuseum!) ging an das Webereimuseum im Textilen Zentrum Haslach. Das heißt, dass auch da ganz spezifische Akzente gesetzt wurden.

Wo viel Licht ist, ist natürlich auch immer ein wenig Schatten; und deshalb muss man natürlich sagen, dass wir nie den Künstlersozialbericht vergessen dürfen, der eine ganz unterschiedliche Verteilung von Einkommen der Kulturschaffenden aufgezeigt hat. Kollege Jenewein hätte diesen Bericht aber natürlich auch anders lesen können, nämlich in Bezug auf die Gender-Frage. Das ist eine ganz wichtige Frage in der Kultur. Da merken wir große Unterschiede, wenn wir zum Beispiel das Belvedere hernehmen, wo wir bei den Künstlern und Künstlerinnen gegendert sind, aber bei den Kuratoren und Kuratorinnen 78 Prozent Männer haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, schreck­lich! – Bundesrat Jenewein: Entsetzlich! – Heiterkeit der Bundesräte Jenewein und Mühlwerth.) – Nein, das ist nicht zum Lachen. Das ist wirklich nicht zum Lachen, weil Kultur eine Frage der Teilhabe an der Gesellschaft ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich kann aber in die Moderne gehen, liebe Monika Mühlwerth, in der Moderne drehen sich die Dinge um. Da sind nur mehr 33 Prozent der Kuratoren männlich und 67 Prozent sind Frauen (Bundesrätin Mühlwerth: Sollte das dann nicht halbe-halbe sein?), das heißt, in der Moderne ist die Frau stärker angekommen. Auch die Zuwachsraten zum Beispiel beim mumok und beim MAK sind sehr gut. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja, …!)

Das sind wichtige Sachen, Monika Mühlwerth, das sind wichtige Sachen. Glaub mir das! Ich mache derzeit ein Projekt, das Female Composers heißt. Wie vielen Frauen wurde im Laufe der Geschichte verunmöglicht, zu komponieren? Aber es wird auch gefragt, was heute los ist: Wo setzen die großen Häuser Frauen, die hervorragende Kompositionen abgeliefert haben, auf ihre Spielpläne? Wo schaut die Wissenschaft darauf, dass diese noch editiert werden? Das heißt, eine Benachteiligung, die im 17. Jahrhundert begonnen hat, wird heute nahtlos fortgesetzt. Deshalb ist diese Frage wichtig, und deshalb muss man sie auch immer wieder stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wichtig sind aber auch andere Bereiche in diesem Bericht, wie zum Beispiel der EU-Arbeitsplan für Kultur 2015–2018, der Creative Europe zum Ziel hat und diesbezüglich viele Initiativen aufweist. Zudem möchte ich auf die Verschränkungen mit dem Europarat verweisen, an welchen Österreich als Mitglied des Europarates stark beteiligt ist und im Rahmen des Vorsitzes im letzten Jahr auch eine sehr wichtige Ausstellung in Straßburg hatte.

Monika Mühlwerth, da geht es jetzt auch wieder darum, kulturelle Vielfalt zu sichern. Kultur hat etwas mit Demokratie und viel mit der Identität zu tun. Wichtig sind dabei auch die vielen Kulturwege, die wir durch Europa geschaffen haben – 29 Wege existieren, und es wird jetzt bald einen Liszt-Weg und einen Haydn-Weg geben, der wieder viel mit Österreich, Ungarn, mit deren gemeinsamer Beziehung zu tun hat.

Kollege Jenewein, ein wichtiger Punkt – und das muss man sich bei Kultur immer fragen – ist auch folgender: Wie sieht es denn mit der Provenienzforschung aus? – Es ist ein schmerzliches Kapitel unserer Geschichte, doch auch da zeigt der Bericht auf, dass Österreich in Bezug auf seine Provenienzforschung ziemlich vorbildhaft ist und dass unsere Leute auch immer wieder ins Ausland eingeladen werden. Im konkreten Zeitraum, den der Bericht behandelt, wurden Leihgaben für Schiele-Ausstellungen von der Provenienzforschung überprüft.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 194

Überleitend zum nächsten Tagesordnungspunkt ist besonders hervorzuheben, dass die Digitalisierung, also die Österreichische Mediathek weiter fortgeschritten ist. Das heißt, die Kultur-Mediathek unseres Landes wurde um fast 7 000 neue Einheiten erwei­tert; das ist in der heutigen Zeit eine sehr wichtige Zugriffsmöglichkeit.

In diesem Sinne nimmt meine Fraktion diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis (Bundesrätin Blatnik: Gerne!), und wir freuen uns, dass die Kultur auch in schwierigen Zeiten weiterhin eine wichtige Visitenkarte unseres Landes und dass die Teilhabe an der Kultur nach wie vor ein wichtiges gesamtgesellschaftliches Ziel ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

20.37


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Präsident Kneifel. – Bitte.

 


20.37.35

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Frau Prä­sidentin! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Kulturbericht der Bun­desregierung ist meines Erachtens ein tolles Nachschlagewerk und gibt schon einen gewissen repräsentativen Querschnitt der Aktivitäten des Bundes im Bereich des kulturellen Wesens in unserer Republik wieder. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mitgeholfen haben, dieses Kompendium (den Kulturbericht in die Höhe haltend) zu erstellen.

Man findet fast alles, aber nur fast. Ich habe mich aufgrund einer aktuellen Veranstal­tung des Bundesrates – Sie wissen, wir haben hier im Haus über die Zukunft des baukulturellen Erbes eine Enquete abgehalten – auf diese Sparte und auf diesen Bereich des Kulturberichtes konzentriert, bin da etwas in die Tiefe gegangen und habe versucht, die Anzahl der denkmalgeschützten Objekte in unserer Republik zu finden. Ich habe den Bericht zweimal gelesen, aber diese Zahl nicht gefunden. Es wäre interessant, wie viele Objekte wir im vergangenen Berichtszeitraum unter Schutz ge­stellt haben, und zwar vor allem auch der Fortschritt von einem Berichtszeitraum zum anderen, weil ich glaube, dass das eine sehr wichtige Angelegenheit ist.

Gleich vorweg: Herr Kollege Jenewein hat in seiner Rede zum Kulturbericht schon auch einen richtigen Aspekt erwähnt, nämlich dass wir zur Erhaltung wirklich alle Möglichkeiten ausschöpfen sollen, sodass nicht dem Staat die gesamte Last auferlegt ist, sondern dass wir auch private Eigentümerinnen und Eigentümer anregen, in Kultur, in Baukultur zu investieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen Sie, warum wir das tun sollen? – Stellen Sie sich einmal Österreich ohne baukulturelles Erbe vor. Das wäre trostlos: Salzburg ohne Festung Hohensalzburg, Graz ohne Uhrturm, ohne Jakominiplatz und ohne die Bürgerhäuser. (Bundesrat Dörfler: Kärnten wollen wir nicht vergessen!) – Kärnten, bitte! Weitere Zurufe die Bundesländer betreffend sind jederzeit erwünscht. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich spüre aber, dass das dieses Haus berührt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Teil unserer Identität. Können Sie sich Enns, meine Heimatstadt, ohne Stadtturm vorstellen, wenn Sie auf der Autobahn vorbeifahren (Ruf bei der ÖVP: Undenkbar!), oder Linz ohne Dreifaltigkeitssäule am Hauptplatz oder Wien ohne Rathaus? (Bundesrat Dörfler: Aber ich könnte mir … ohne Hypo-Zentrale …! – Bundesrat Schennach: Geh, gib ihnen halt den Lindwurm!) – Ihr könnt euch dann ohnehin melden, wenn ihr wollt, aber lasst mich ausreden! Könnt ihr euch vorstellen … (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.) – Frau Präsidentin!

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich bitte um Ruhe!

 



BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 195

Bundesrat Gottfried Kneifel (fortsetzend): Ich kann dieser Unterbrechung durchaus auch positive Seiten abgewinnen, da ich merke, dass dieses Thema dieses Haus berührt und natürlich auch in Zukunft berühren soll. Doch, unter uns gesagt, sieht es mit der Sicherung dieses baukulturellen Erbes weniger lustig aus. Da sieht es weniger lustig aus. Das sind insgesamt 37 597 Objekte in Österreich, rund 1,8 Prozent der österreichischen Bausubstanz. Falls jemand denkt: Das ist eh nicht viel!, so ist zu entgegnen: Das prägt unser Österreich, das prägt unsere Bundesländer! Und ich glaube, da sollten wir auch versuchen, alle Möglichkeiten der Erhaltung auszu­schöp­fen.

Drei Viertel aller Touristen, die Österreich besuchen, kommen wegen unseres baukul­turellen Erbes. Die kommen nicht wegen der Sonne oder wegen der Luft. (Bundesrätin Grimling: O ja, wegen der Berge!)  Ja, wegen der Berge kommen sie auch. (Allge­meine Heiterkeit.) Das ist das letzte Viertel, aber zu drei Viertel kommen sie wegen des kulturellen Erbes.

Ich bedanke mich auch, Herr Bundesminister, für diese Digitalisierung der denkmalge­schützten Bauten, die, wenn ich den Bericht richtig gelesen habe, seit dem Jahr 2010 läuft. Sie müsste also eigentlich schon bald abgeschlossen sein. Es wäre sinnvoll, die Daten dieser Objekte auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, denn da geht es um die Kategorien Schlösser, Burgen, Marterl, Bauernhöfe, Bürgerhäuser und so weiter.

Wissen Sie, warum es interessant wäre, das zumindest einmal der Wissenschaft zu übergeben? – Das wäre interessant, weil wir dann eine Selektion durchführen und uns ansehen könnten, was Eigentum von Kirche, Körperschaften, Bund, Ländern, Gemeinden und so weiter ist, und was für wirklich private Eigentümer noch übrig bleibt, die dann eventuelle steuerliche Anreizsysteme in Anspruch nehmen könnten.

Wenn man sich ansieht, was dann noch übrig bleibt, dann erkennt man, dass das nämlich nicht mehr so viel ist. Es geht darum, dass man diesen Eigentümern hilft. Meiner Ansicht nach muss man zum Beispiel dann, wenn im Grundbuch steht, dass der Erhalt dieses Objekts im öffentlichen Interesse ist, mit der Grundsteuer abfahren und dann kann man keine Vermutung über Liebhaberei anstellen, denn das ist keine Liebhaberei vom Eigentümer, sondern im Interesse der Öffentlichkeit, weil dieses Bauwerk Identität schafft – es ist natürlich immer vorausgesetzt, dass die Öffentlichkeit da hineingehen und sich das anschauen kann. Wenn einer sagt, dass er nur ein schönes Schloss haben will, aber keiner hineingehen soll, dann bin ich für ganz rigorose Zurückhaltung. (Bundesrat Jenewein: Ja, dann soll er zahlen!)

Doch wenn wir einmal festgemacht haben, von welchem privaten Rest wir da sprechen – denn alles andere, was ich angeführt habe, fällt weg –, dann könnte ich mir vorstellen, dass sich das System sogar selbst trägt. Das wäre eine Aktion, ähnlich dem Handwerkerbonus, die unheimlich viel Arbeit schafft. Da sind keine Caterpillar in Bewegung, wenn man so ein altes Haus oder ein altes Bürgerhaus restauriert, saniert und dann vielleicht den Arkadenhof zugänglich macht. Es geht aber natürlich nicht nur um steuerliche Fragen, sondern auch um Fragen der Bürokratie.

Wir haben jetzt das internationale Übereinkommen zum Klimaschutz weitgehend durchgebracht. Es wird immer wieder in den Zeitungen zum Thema Bodenschutz, weniger Bodenverbrauch inseriert, und unzählige solcher Häuser in den Zentren stehen leer, aber draußen auf dem Land wird immer mehr Boden verbraucht. Dahin gehend müsste man einmal sagen, dass man zuerst einmal dort schaut, wo Raum, wo Infrastruktur, Straßen, Licht, Gas und alle Zugänge da sind, und dass man das zuerst nutzt, denn das würde in unserem Lande Arbeit schaffen. Es wäre dringend notwendig,


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 196

dass es mehr Aktivitäten in bestehenden Kernen und weniger an der Peripherie gibt, damit weniger Grünland verbaut wird.

Ich glaube, dass ein Anreizsystem geschaffen werden könnte, und zwar auf Basis dieser Digitalisierung. Daher bin ich Ihnen, Herr Bundesminister Ostermayer, dankbar, dass Sie das gemacht haben, denn sonst könnten wir diese Selektion gar nicht vorneh­men. Die Digitalisierung ist die Basis, und dann kann der Finanzminister sagen, dass sich das rentiert, dass das Arbeit schafft, dass das unsere Identität erhält und dass es ein Vorteil für Österreich ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

20.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Stögmüller. – Bitte.

 


20.46.28

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dieser Rede werde ich es ganz kurz machen: Wir werden diesen Kulturbericht zur Kenntnis nehmen, aller­dings habe ich noch ein paar Fragen an Sie, Herr Bundesminister Ostermayer.

Herr Jenewein hat schon ein paar Ungereimtheiten aufgezeigt, und auch ich habe ein paar Ungereimtheiten entdeckt. So betrug laut Tabelle 1 das Kulturbudget 2014 350,23 Millionen €. In Tabelle 2, direkt darunter, werden alle Aufgabenbereiche einzeln angeführt, und wenn man die summiert, dann kommt man auf einen Gegenwert von 337,37 Millionen €.

Als Anmerkung findet man zu den 350 Millionen € in Tabelle 1 noch „inklusive Perso­nal­aufwand für alle in Tabelle 2 angeführten Aufgabenbereiche“. Die Personalkosten für Bundesmuseen und Bundestheater sind aber schon in der Basisabgeltung enthal­ten, die ebenfalls in der zweiten Tabelle berücksichtigt wurde. Daher stellt sich die Frage nach der Differenz von 13 Millionen € zwischen Tabelle 1 und Tabelle 2, denn Personalkosten von 13 Millionen € wären doch etwas üppig für die verbleibenden Aufgabenbereiche wie Denkmalschutz, Büchereiwesen, Volkskultur, Hofmusikkappelle und so weiter.

Noch eine weitere Frage und eine Bitte habe ich an Sie oder an Ihre MitarbeiterInnen: Wie sieht es mit der von Ihnen versprochenen Studie zu möglichen Synergien zwi­schen dem Filmarchiv und dem Filmmuseum aus? Wann wird diese veröffentlicht? Vielleicht könnten Sie uns diese zukommen lassen, das wäre wirklich nett, unsere ReferentInnen würden sich darüber freuen und wir auch. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.48


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


20.48.23

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte und Bundesrätinnen! Ich fasse nur ganz kurz zusammen: Ich bin im März 2014 aufgrund der Änderung des Bundesministeriengesetzes für diesen Bereich zuständig geworden. Es hat dann, auch aufgrund der Burgtheaterthematik, zahlreiche Änderungen gegeben. Diese waren personeller Art, also die Abberufung des Burgtheaterdirektors, die interimistische, dann die definitive Bestellung von Frau Bergmann als Burgtheaterdirek­torin, die Pensionierung von Herrn Dr. Springer als Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, die interimistische Bestellung von Günter Rhomberg. Nach der Änderung des


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 197

Bundestheaterorganisationsgesetzes – dieser Änderung ist eine Studie der ICG vorausgegangen, wie die bestmögliche Organisation des Bundestheaterkonzerns aussehen könnte, was in eine Gesetzesnovelle gemündet hat – hat es eine Reduktion der Aufsichtsräte von 40 auf 30 gegeben, hat es eine Neuausschreibung gegeben und jetzt eben die Bestellung von Christian Kircher. Ich danke für die anerkennenden lobenden Worte dafür.

Daneben haben wir im heurigen Jahr auch im Haus organisatorische Veränderungen vorgenommen, indem wir die beiden Sektionen zusammengelegt haben, eben die Sektion Kunst und die Sektion Kultur. Eine Konsequenz daraus ist auch, dass wir in Zukunft einen gemeinsamen Bericht für Kunst und Kultur machen werden.

Herr Bundesrat Jenewein, es wird dann einen gemeinsamen Bericht dazu geben – also Wunsch eins erfüllt! (Ruf bei der SPÖ: Kaum … ist er schon da! – Bundesrat Schennach: Aber nicht nur wegen dem Herrn Jenewein, das wäre eine zu hohe Aufwertung!) – Nein, das ist ein Ergebnis der organisatorischen Veränderung.

Der zweite Punkt betrifft das Thema Spendenabsetzbarkeit, das wir im Regierungs­programm haben. Die Spendenabsetzbarkeit für Kultureinrichtungen ist heute unter Punkt 16 beschlossen worden, nämlich als Teil des Gemeinnützigkeitsgesetzes (Bundesrat Jenewein: Aha, ja!), also es war dort vielleicht nicht gleich ersichtlich, aber es ist glücklicherweise beschlossen worden, und ich danke allen, die da zugestimmt haben.

Herr Bundesrat Schennach hat noch das Thema der sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen angesprochen. Wir haben auch das Künstler-Sozialversicherungsfonds­gesetz geändert (Bundesrat Schennach: Versicherung ja, aber das Einkommen!) – jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob es 2014 oder 2015 war, wir haben doch einige Gesetze geändert seit März 2014, ich glaube, es war noch 2014 (Bundesrätin Blatnik: Ja! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) –, das den Sinn hat, die Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern zu verbessern. (Bundesrat Schennach: Das stimmt!)

Zum Herrn Bundesrat Kneifel: Ich werde anregen, dass wir die Anzahl der denk­malgeschützten Objekte in den Bericht für das Jahr 2015 aufnehmen, diese Zahl ist aber bereits jetzt öffentlich einsehbar, und zwar auf der Seite bda.at, das ist die Homepage des Bundesdenkmalamtes. Die Zahl beträgt – ich habe es jetzt nur in aller Geschwindigkeit über den Daumen gerechnet – ungefähr 38 000, und es gibt dort ein PDF zu jedem einzelnen Bundesland, in dem dann die einzelnen Objekte aufgelistet sind. Diese Daten sind daher bereits öffentlich zugänglich. Das Bundesdenkmalamt hat darüber hinaus in einem intensiven Prozess ein Handbuch für die Denkmalpflege erarbeitet. Dies hat den Sinn, dass bundesweit – also nicht nur landesweit, sondern bundesweit – einheitlich vorgegangen wird.

Dann gab es noch die Frage des Herrn Bundesrates Jenewein zur Differenz der Besucherzahlen, also der nicht zahlenden Besucher generell und der unter 19-Jährigen, die ja freien Eintritt haben. (Bundesrat Jenewein: Die sind eh ausgewiesen!) Diese sind ausgewiesen. Darüber hinaus haben wir, das hat mir meine Kollegin auf einen Zettel geschrieben, diese Frage bereits zweimal aufgrund von Anfragen der FPÖ beantwortet. Also: Ein Teil sind Vernissage-Besucher, also Besucher, die zu den öffentlich zugänglichen Ausstellungseröffnungen kommen. Wir haben Einrichtungen mit generell freiem Eintritt – zum Beispiel der Theseustempel im Volksgarten, der zum Kunsthistorischen Museum gehört.

Es gibt eine Aktion, die „Hunger auf Kunst & Kultur“ heißt, wodurch Menschen, die sozial schwächer sind, einen so genannten „Kulturpass“ bekommen und mit diesem


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 198

freien Eintritt haben, das kommt noch dazu. (Bundesrat Mayer: Die Lange Nacht der Museen!) – Danke für den Hinweis, Herr Bundesrat Mayer. Falls noch jemandem weitere Argumente einfallen, ich bin sehr dankbar (Heiterkeit der Bundesräte Mayer und Jenewein), aber jetzt auf die Schnelle so viel dazu.

Herr Bundesrat Stögmüller – ich lege ein Geständnis ab: Ich habe jetzt nicht genau nachvollziehen können, was Sie mit Tabelle 1 und Tabelle 2 meinen. Wir können es uns im Detail anschauen. Ich bin aber ganz sicher, dass es erklärbar ist, da ich über­zeugt bin, dass die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Bericht erstellt haben – den habe ja nicht ich selber gemacht, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sektion –, es ganz genau aufklären können. Ich liefere Ihnen das sehr gerne nach.

Zur Frage der Studie zum Thema Filmarchiv und Filmmuseum. Hintergrund ist, dass wir als Bund zwei Einrichtungen fördern – zum einen das Filmmuseum, zum anderen das österreichische Filmarchiv. Beide sind Vereine, beide waren ursprünglich private Gründungen oder sind als Verein sozusagen noch immer privat. Sie werden zum Teil vom Bund, zum Teil – das Filmarchiv – auch von der Stadt Wien und dem Land Nieder­österreich gefördert; das Filmmuseum wird von Bund und Stadt Wien gefördert. Beide Einrichtungen haben international übrigens eine sehr hohe Reputation, werden also zum Teil unter die Top 5 der Filmmuseen international gereiht. Auch vom Museum of Modern Art werden sie beispielsweise regelmäßig eingeladen – und zwar sowohl das Filmmuseum als auch das Filmarchiv.

Beide haben aber zum Beispiel auch Speicherbedarf, beide haben das gleiche Prob­lem, nämlich die Frage der Konservierung von Film, beispielsweise von Nitrofilm. Bei beiden stellt sich die Frage, wie man mit digitalen Daten umgeht, wobei man weiß, dass zum Beispiel 35mm-Filmmaterial länger hält als digitale Daten.

Damit haben diese Museen zwar unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte – das eine ist primär auf internationale Sammlungen ausgerichtet, das andere primär auf öster­reichische Filme –, die Frage war jedoch, ob es Synergien und Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt. Die Studie ist noch nicht fertig. Wenn sie fertig ist – das wird in den nächsten Wochen sein –, dann wird sie online gestellt, ich kann sie Ihnen aber auch gerne separat zuschicken. (Bundesrat Stögmüller deutet mit dem Daumen nach oben.)

Ich hoffe, ich habe jetzt alle Fragen beantwortet, mehr will ich zum Bericht auch nicht mehr sagen, er ist ohnehin sehr detailliert. Daher wünsche ich Ihnen allen ab­schließend frohe Festtage, einen guten Rutsch und ich bedanke mich für die gute Zusammen­arbeit! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

20.57

20.57.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister. Auch von unserer Seite Ruhe, erholsame Festtage, alles Liebe für 2016 und viel Kraft!

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 199

20.58.0125. Punkt

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitaler Wandel und Politik (217/A(E)-BR/2015 sowie 9522/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 25. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. – Ich bitte um den Bericht.

 


20.58.15

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Ausschusses für Innovation, Techno­logie und Zukunft über den Entschließungsantrag der Bundesräte Kneifel, Mayer, Todt, Mühlwerth, Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitaler Wandel und Politik liegt Ihnen schriftlich vor, daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 15. Dezember 2015 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung am 15. Dezember 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem Entschließungs­an­trag 217/A(E)-BR/2015 die Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


20.59.25

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben bereits den gesamten Prozess miterlebt, den wir in den letzten Monaten intensiv betrieben haben. Ich brauche daher diese Details nicht zu wiederholen.

Ich habe heute in meiner Bilanzansprache über die letzten sechs Monate ausführlich darauf hingewiesen, und ich empfehle Ihnen diesen Entschließungsantrag zur Annah­me, weil ich glaube, dass das nicht nur für unsere zukünftige Entwicklung notwendig ist, sondern weil ich glaube, dass das auch ein Mosaikstein für die Positionierung des Bundesrates in der Zukunft sein kann – Stichwort „Zukunftsausschuss“. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Digitalisierung passiert ohnedies – egal, ob wir das machen oder nicht; wir sind mittendrin in diesem Prozess der Digitalisierung. Jetzt geht es darum, dass wir auf nationaler Ebene und natürlich auch auf inter­nationaler Ebene die richtigen Konsequenzen und die richtigen Maßnahmen dafür set­zen.

Wichtige Voraussetzungen sind, dass wir Technologiefeindlichkeit generell vermeiden, dass wir diese Kulturtechnik bereits in den Schulen entsprechend mit Mitteln ausstat­ten, dass wir auch erklären und sagen, wie man mit diesem Medium in Zukunft um­geht, wie man diese Kulturtechnik beherrschen kann – auch zum Beispiel im Sinne von Abschalten, da die Geräte nicht immer eingeschaltet sein müssen –, wie man mit neuen Möglichkeiten in der Arbeitswelt umgeht, wie dabei die Zukunft aussieht und wie es um die Sicherheit bestellt ist. Damit meine ich nicht nur die Datensicherheit, sondern damit meine ich auch die Infrastruktursicherheit, denn wir wissen, wie sensibel unsere Gesellschaft in Zukunft ausgestattet ist. Ich glaube, dass das wichtig ist, und auch, wie sich die demokratische Landschaft und die Mitbestimmung verändern werden. Das sind alles, meine Damen und Herren, wesentliche Fragen.


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Wie soll die Gesellschaft im Jahr 2050, im Zeitalter der Digitalisierung, aussehen? – Das ist eine Querschnittsmaterie durch und durch. Das kann man, glaube ich, nicht nur auf den Zukunftsausschuss beschränken, aber dieser wird der Hauptträger sein. Ich bitte Sie, im Sinne dieser schwierigen Herausforderung für unseren Staat und unsere Gesellschaft, diesem Antrag die Zustimmung zu geben und dazu ein klares Ja zu sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

21.02


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


21.02.36

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Ich möchte dir, lieber Gottfried, danken, dass du dies im Rahmen deiner Präsidentschaft angestoßen hast. Das ist wohl in jeglicher Hinsicht eine der Zukunftsfragen. Ich kann mich erinnern, der Bundesrat hatte schon einmal eine Enquete gemacht, die alle Rahmen sprengte, nämlich zum Digital Divide zwischen den Regionen und zwischen den Altersgruppen; aber nun gab es im Rahmen der oberösterreichischen Präsidentschaft die Arbeit über ein halbes Jahr hinweg, die zu einem ganz konkreten Ergebnis, zu einer echten, vielfältigen Partizipation über www.besserentscheiden.at geführt hat.

Wir sollten uns in der Politik nicht eine Legislaturperiode, sondern immer etwas ande­res vor Augen halten, zum Beispiel wie Menschen im Jahre 2020 oder 2030 leben. Da wird es dann andere Formen des Zusammenlebens, der Mitwirkung und des Mitspie­lens geben. Es gibt kleine Länder, die da die Chance nützen können – so wie Irland, das ein Modell für unseren Zukunftsausschuss ist und das schon praktiziert. 600 Vor­schläge werden im Jahr gesammelt, daraus werden 50 und daraus schlussendlich fünf.

Die Stadt Wien hat im Rahmen ihrer Digitalen Agenda derzeit 700 registrierte User, hat sechs Handlungsfelder und mit den Usern sechs konkrete Leuchttürme erarbeitet. Derzeit läuft auf www.digitaleagenda.wien eine Abstimmung unter den Usern, welche Services der Stadt künftig über Apps angeboten werden sollen. Diese Form der Kom­munikation, der Mitbestimmung hat dazu geführt, dass die Stadt Wien bereits zweimal unter allen deutschsprachigen Städten den ersten Preis gewonnen hat.

Als ich letztes Jahr Urlaub in Schleswig-Holstein gemacht habe und viel für die Ver­hand­lungen zur Russland-Ukraine-Krise vorbereiten musste, war es mir in Schleswig-Holstein nicht möglich, WLAN zu finden – das gibt es dort nicht –, und ich musste jeden zweiten Tag nach Dänemark hinüberfahren. Dort kostet der Kaffee das Vier­fache, aber dafür gibt es überall freies WLAN.

Das heißt, die kleinen Staaten haben hier einen enormen Vorteil; dazu gehört neben Irland, Finnland, Dänemark und Estland auch Österreich. Deshalb ist dieses Grünbuch jetzt ein Anstoß und auch ein Kommunikationsmedium für die Roadmap, die die Bundesregierung bereits ausgearbeitet hat.

Das ist eine der wichtigsten Fragen für die Demokratie in der Zukunft, weil die Men­schen online partizipieren wollen, und damit steht auch die Frage im Vordergrund, wie ich Nonvoters zu Voters mache. Das kann nur funktionieren, indem sie auf vielfältige Weise partizipieren und mitentscheiden können. Das wird das Spannende sein. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Als Ausschussvorsitzender habe ich heute mit Gottfried ein Gespräch gehabt, und wir werden genau in diesem Stil, so wie dieses Grünbuch erarbeitet ist, mit voller Kraft daran weiterarbeiten, dass Österreich zu diesen Ländern, wie Irland, Estland, Däne­mark und Finnland, gezählt werden kann, die bei der Online-Partizipation die Nase


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 201

vorn haben – by the way, Frau Zwazl, das tut auch der Wirtschaft gut! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

21.06

Präsident Gottfried Kneifel: Herr Bundesrat Jenewein ist als Nächster zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

21.06.49

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Es freut mich ganz besonders, dass ich nach dem Kollegen Schennach sprechen darf; es ist dann immer eine gute Aura am Rednerpult. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Na schau!)

Herr Präsident, wir werden diesem Antrag selbstverständlich gerne zustimmen. Ich möchte aber doch die Gelegenheit nicht verstreichen lassen – ich will nicht beckmes­sern –, ein paar durchaus kritische Anmerkungen zu machen, denn man sollte nicht dem Glauben anheimfallen, dass die Digitalisierung und der damit einhergehende Internetzentrismus das Allheilmittel für all unsere Probleme sein können und werden.

Fakt ist natürlich, dass der digitale Wandel quer durch unsere Gesellschaft Platz gegriffen hat. Das führt aber auch zu einer merklichen Beschleunigung, und es war nicht umsonst Professor Habermas – der steht Ihnen wahrscheinlich politisch weit näher als mir –, der vor Kurzem erst gefordert hat, dass wir auch wieder eine Ent­schleu­nigung brauchen. Damit hat er durchaus recht.

Wir brauchen eine zeitliche Entschleunigung, denn die Probleme, die wir heute haben – die haben wir in Form von steigenden Burn-out-Raten nämlich auch in der Wirtschaft –, hängen nicht zuletzt auch mit dieser digitalen Beschleunigung zusammen, die wir seit rund einem Vierteljahrhundert erleben.

Es gibt einen sehr interessanten Mann, der hiezu weitreichende Forschungen betrie­ben hat – das ist Herr Evgeny Morozov. Er hat zwei Bücher zu diesem Thema geschrieben, das letzte, das erschienen ist, hat den Titel „Smarte neue Welt“. Er disku­tiert darin unseren Technikglauben. Ich nehme mich da gar nicht aus; es gibt kaum eine technische Neuerung, der ich nicht offen gegenüberstehe, und dann, wenn es irgendwelche schnelleren Datenraten gibt, braucht man natürlich das entsprechende Telefon, um das auch nutzen zu können. Man darf nicht vergessen, dass das natürlich ein Teufelskreis ist.

Wir schreiben heute gerade dem Internet, den Onlinemedien und Social Media – wie es so schön heißt – soziale Eigenschaften zu, vergessen dabei aber, dass die nicht vom Himmel gefallen sind, sondern dass die in einer sozialen Welt von Menschen geschaffen und von Menschen erdacht wurden. Wenn es aber so weit kommt, dass uns Twitter oder Facebook erklären, was heute noch als privat und was nicht als privat zu gelten hat – die Debatte hatten wir heute schon –, dann möchte ich – was höchst selten vorkommt – einen ehemaligen Grünen-Bundesrat zitieren. Ich rede vom Herrn Kollegen Schreuder, mit dem mich nicht sonderlich viel verbindet, der bei diesen Debatten aber immer etwas sehr Wichtiges gesagt hat, nämlich dass das, was uns heute fehlt, schon auch ist, dass gerade junge Menschen überhaupt keine Medien­kompetenz mit auf den Weg bekommen haben.

Ich sehe das selbst: Ich habe selbst drei Töchter, zwei davon sind mittlerweile fleißige Handy- und Internetnutzerinnen. Die wachsen damit auf, das ist keine Frage. (Bundesrat Schennach: Trotz des Vaters!) Natürlich, trotz des Vaters!

Ich habe für mich immer in Anspruch genommen, dass ich mich in diesen Dingen und gerade bei technischen Neuerungen recht gut auskenne. Das ist kein Wunder, ich bin mit diesen Dingen auch groß geworden. Mein erster PC war ein 386er. Das ist dann


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immer weitergegangen, und ich bin einige Jahre auch immer am aktuellen Stand gewesen. Meine Töchter aber wachsen natürlich mit diesen Dingen auf.

Andererseits kommen dann Einladungen zu WhatsApp-Gruppen, und wenn man da ganz genau darauf schaut, was sich da für Leute in dieser vermeintlich interessanten virtuellen Welt tummeln, kommt man ganz schnell darauf, dass das gar nicht einmal so lustig ist, dass es mitunter auch dazu kommt, dass elfjährige Kinder von vermeintlich Elfjährigen anagitiert werden, die sich aber bei näherem Hinschauen als Nicht-Elfjährige herausstellen.

Bei aller gebotenen Offenheit zum digitalen Wandel, der wichtig, notwendig und auch eine Selbstverständlichkeit ist, sollten wir, bitte schön, nicht dazu übergehen, dass wir Problem und Lösung vertauschen. Das ist meine Botschaft, die ich mitgeben will, nämlich dass dieser Solutionismus, dieses bewusste Vertauschen von Lösung und Problem, gerade in dieser hoch schnelllebigen Zeit ein wirkliches Problem ist und dass man sich dem nicht kritiklos hingeben sollte.

Bei aller Freude ist meine Redezeit leider aufgebraucht. Die Zeit ist fortgeschritten. Ich hätte Ihnen noch gerne etwas zum E-Voting erzählt, aber dazu werden wir wahr­scheinlich demnächst einmal die Gelegenheit haben. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

21.11


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich erteile es ihr.

 


21.11.50

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte KollegInnen! Inhaltlich ist schon sehr viel gesagt worden. Darum werde ich jetzt hauptsächlich auf den Prozess und auf die Organisation des Schwerpunkts Digitaler Wandel eingehen. Ich möchte mich vor allem beim Herrn Präsidenten Kneifel, bei allen InitiatorInnen und auch ganz herzlich bei meinem Vorgänger Marco Schreuder bedanken, der sich als ehemaliger Netzwerk-Sprecher der Grünen ganz speziell eingebracht hat.

Beim Herrn Präsidenten Kneifel möchte ich mich vor allem für den Prozess bedanken, dafür, dass dieser Schwerpunkt gemeinsam erarbeitet und gemeinsam durchgeführt wurde, und dafür, dass er jetzt auch noch als Allparteienantrag abgerundet wird. Genauso stelle ich mir eine gute Zusammenarbeit im Bundesrat vor, und ich hoffe, dass wir das hier noch sehr oft so erleben können.

Genau deswegen bringen wir aber jetzt auch noch einen Antrag ein, der ein bisschen weitergeht als der Allparteienantrag; wir finden nämlich den im Grünbuch gesammelten Output des Schwerpunkts und der Enquete über den digitalen Wandel sehr gut und sehr umfangreich. Darin sind irrsinnig viele tolle Ideen enthalten. Es haben sich ganz viele Leute eingebracht – und bringen sich noch ein. Ich war am Nachmittag noch einmal auf www.besserentscheiden.at, wo das Grünbuch derzeit noch heiß diskutiert wird, wo auch noch kommentiert wird, welche Punkte man noch aufgreifen könnte. Deswegen bringen wir einen Antrag ein, weil wir möchten, dass konkrete Schritte eingeleitet werden, um auf das Grünbuch aufzubauen.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Schreyer, Kolleginnen und Kollege betreffend weiteren Prozess zur Umsetzung der Anliegen des Grünbuchs Digitaler Wandel und Politik


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 203

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundesrat bis spätestens 29.2.2016 einen Bericht darüber vorzulegen, in welcher Form und mit welchem Zeitplan die Inhalte des ‚Grünbuchs Digitaler Wandel und Politik‘ weiter bearbeitet und umgesetzt werden.“

*****

Wir freuen uns sehr, wenn der Antrag Unterstützung findet. Wie gesagt, geht es um einen Bericht darüber, was damit weiter geschehen soll, also was organisatorisch weiter passieren soll, und noch gar nicht darüber, wie es inhaltlich weitergeht, wie es inhaltlich weiterbehandelt werden soll. Ich freue mich sehr, wenn ich damit Zustimmung finde. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

21.14


Präsident Gottfried Kneifel: Der von den Bundesräten Schreyer, Kolleginnen und Kollege eingebrachte Entschließungsantrag betreffend weiteren Prozess zur Umset­zung der Anliegen des Grünbuchs Digitaler Wandel und Politik ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


21.14.47

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich darf kurz zum Entschließungsantrag der Grünen Stellung nehmen. Ich möchte jetzt den Weihnachtsfrieden nicht stören, denn dieser ist in den letzten Redebeiträgen doch immer wieder zum Vorschein gekommen. Ich möchte mich auch bei den Grünen ausdrücklich für die konstruktive Mitarbeit bedan­ken – auch bei den anderen Fraktionen –, wirklich alle Fraktionen haben an diesem Thema, an diesem Prozess gearbeitet. Ich darf auch noch einmal Marco Schreuder hervorheben, der eine treibende Kraft war und den Präsidenten sehr unterstützt hat.

Wir sind der Meinung, dass in diesem Entschließungsantrag – und wir haben das im Vorfeld schon kurz besprochen – doch essenziell alles untergebracht ist, was es eigentlich für eine Weiterbearbeitung dieses Prozesses, dieses Projektes des Prä­siden­ten braucht. Wir fordern darin auch, dass die sogenannte Digital Roadmap erstellt wird, dass dann ein Bericht vorzulegen ist und dass wir das auch weiterführend im Aus­schuss beraten – im neu gegründeten Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft unter Vorsitz von Stefan Schennach und Vizevorsitz von unserem scheidenden Präsidenten Gottfried Kneifel.

Deshalb sind wir der Auffassung, dass es eine derartige Fristsetzung nicht unbedingt braucht, weil wir, wie vereinbart wurde, selbst daran interessiert sind, dass über den Aus­schuss und über die Ausschussarbeit wirklich etwas weitergeht und dass wir das ent­sprechend behandeln. In diesem Sinne tut es uns leid, dass wir diesem Frist­setzungsantrag, sodass wir bis zum 29. Februar einen entsprechenden Bericht darüber von der Bundesregierung haben, nicht nähertreten und nicht zustimmen werden.

Zu guter Letzt: Eine beispielgebende Präsidentschaft neigt sich dem Ende zu. Deshalb, lieber Präsident Gottfried Kneifel, spreche ich dir namens meiner Fraktion, aber auch persönlich eine herzliche Gratulation und einen Dank für deine besonderen Leistungen für den Bundesrat in diesem halben Jahr aus. Es war ein halbes Jahr mit vielen Höhepunkten und vor allem mit dem Schwerpunkt „Digitaler Wandel und Politik“.

Du hast damit Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, die Menschen in einem Bürger­beteiligungsverfahren einzubinden und beinahe tausend Ideen in einem Grünbuch


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 204

zusammenzufassen. Es war die erste derartige Beteiligungsarbeit, ein erster derartiger Prozess im österreichischen Parlament. Das ist auch beispielgebend für ganz Europa, da ein derartiger Prozess in diesem Ausmaß bisher in keinem europäischen Parlament in die Wege geleitet wurde.

Ich sage es noch einmal: Wir werden das weiter im Ausschuss für Innovation, Tech­nologie und Zukunft behandeln. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir das schaffen werden. Es war ein erfolgreiches halbes Jahr für den Bundesrat mit entsprechender medialer Begleitung. – Danke, Herr Präsident! (Allgemeiner Beifall.)

Jetzt komme ich zurück zum Weihnachtsfrieden: Schöne Weihnachten, alles Gute, Gesundheit und viel Erfolg für das Jahr 2016. (Allgemeiner Beifall.)

21.18


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

 


21.18.24

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Im Prinzip hat Edgar Mayer alles gesagt, was den Ent­schließungsantrag der Grünen betrifft, und grundsätzlich wurde auch die Roadmap der Bundesregierung vom Grundsatz her bei der Enquete referiert. Ich bin auch der Meinung, dass man diesen Ausschuss jetzt einmal arbeiten lassen muss, dass es viele Punkte gibt – viele sind angesprochen worden, viele finden sich in den Unterlagen, viele finden sich im Grünbuch – und dass es viele Anregungen gibt.

Lieber Gottfried Kneifel, herzlichen Dank für deine Arbeit! Danke schön. (Der Redner reicht Präsident Kneifel die Hand.) Es war eine großartige Idee, das so zu machen, und wir haben, glaube ich, bewiesen, dass wir hier ein Stückchen weitergekommen sind. Trotz der mahnenden Worte vom Kollegen Jenewein freue ich mich, wenn wir über alle diese Fragen auch noch diskutieren. Es steht noch vieles an, und ich denke, es gibt das eine oder andere, das wir gemeinsam auf den Weg bringen können.

Ich möchte euch ein schönes Weihnachtsfest wünschen: alles Gute, schöne Feiertage, einen guten Rutsch und ein erfolgreiches Jahr 2016!

Ich möchte mich beim Bundesratsdienst, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit bedanken. Ich möchte mich auch bei den Parlamentsmitarbeitern und -mit­ar­beiterinnen für die Tätigkeit und die Betreuung hier im Sitzungssaal des Bundesrates bedanken, und ich wünsche noch einmal alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

21.19

 


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


21.20.41

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden den Antrag der Grünen unterstützen. Ich halte den Antrag für richtig. Wir haben ein bisschen über die Fristsetzung diskutiert, aber er hat seine Berechtigung.

Wenn man ein Kenner dieses Hauses und auch der Politik ist, dann weiß man, dass durchaus gute Sachen dazu neigen, in einer Schublade gut abzuliegen und nicht so bald wieder hervorgeholt zu werden. Daher finde ich die Zielsetzung in Ordnung und auch, zu sagen, dass wir bald einen Bericht haben wollen, der uns nur sagt, wie der Fahrplan ausschauen soll.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 205

Herr Präsident Kneifel, auch wir gratulieren herzlich zu Ihrer Idee des digitalen Wan­dels. Herr Kollege Jenewein mag vielleicht etwas kritisch geklungen haben, das lag aber nicht am Thema an sich, sondern an der Art und Weise, wie wir mit dem digitalen Wandel überhaupt umgehen.

Ich habe vor einiger Zeit einen sehr interessanten Bericht von einer ehemaligen IT-Chefin gesehen, die völlig richtig gesagt hat, dass wir jetzt das Problem haben, dass wir uns von all den technischen und digitalen Möglichkeiten versklaven lassen. Kaum piepst das Handy, schaut sofort jeder, welches E-Mail, welche Nachricht, welche SMS gekommen ist – oder Social Media et cetera. Sie sagt völlig zu Recht, man muss die Dinge für sich nützen, um sich das Leben leichter zu machen, aber wir sind nicht die Sklaven von irgendwelchen digitalen Geräten – Handys, Tablets und dem, was da noch alles kommen mag –, und damit, glaube ich, hat sie völlig recht. Ich glaube, in die Richtung müssen wir auch wirklich aufpassen.

Ich möchte noch etwas dazu sagen, was mir wirklich wehgetan und was mich auch ge­är­gert hat. Das war diese gemeine Kolumne vom Josef Urschitz in der Tageszeitung „Die Presse“ über die Enquete „Digitaler Wandel und Politik“. Ich weiß nicht, ob du das ge­lesen hast; ich nehme einmal an, dass du das schon gelesen hast. Das fand ich wirklich unfair.

Der Bundesrat möchte eine Vorreiterrolle bei einem sehr wichtigen Thema einnehmen, und dann lassen die Medien wirklich nichts aus, um den Bundesrat in irgendeiner Form madig zu machen. Das war schon nicht mehr kritisch, sondern das war richtig gemein; und das tut mir auch im Sinne des Themas leid.

Ich möchte mich auch namens der freiheitlichen Fraktion bei allen Mitarbeitern – männ­liche wie weibliche – dieses Hauses bedanken und wünsche Ihnen allen ein frohes Fest, einen guten Rutsch und alles Gute für das kommende Jahr. (Allgemeiner Beifall.)

21.23


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich erteile es ihr.

 


21.23.43

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte fast übersehen, dass das schon unser letzter Re­de­beitrag ist und mich auch für die Grünen bei allen Mitarbeiterinnen und Mitar­bei­tern des Bundesratsdienstes für die gute Zusammenarbeit im Jahr 2015 zu bedanken.

Ich bedanke mich auch bei allen Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat für die gute Zusammenarbeit, beim Präsidenten für das wirklich wunderbare letzte Halbjahr und die guten Schwerpunkte. Ich freue mich schon auf die gute Zusammenarbeit im Jahr 2016. – Und ja, es werden grüne Weihnachten werden: Frohe Weihnachten! (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)

21.24

21.24.40

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Annahme der dem Ausschussbericht angeschlossenen Entschließung ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (E 248-BR/2015.)


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 206

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schreyer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend weiteren Prozess zur Umsetzung der Anliegen des Grünbuchs Digitaler Wandel und Politik vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

21.25.5426. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2016

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu Punkt 26 der Tagesordnung.

Da mit 1. Jänner 2016 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Salzburg über­geht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle ent­sen­dete Vertreter des Bundeslandes, Herr Bundesrat Josef Saller, zum Vorsitz beru­fen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin/des Vizeprä­sidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wählenden Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Ingrid Winkler lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke, und wir freuen uns auf eine gute Zusam­men­arbeit.

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Ernst Gödl lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 207

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Ja, danke. Sehr gerne nehme ich die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Schriftführer/innen

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführer/innen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Anneliese Junker, Ewald Lindinger und Angela Stöckl für das erste Halbjahr 2016 zu Schrift­füh­rerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ich stelle keinen Einwand fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.  

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik, Junker und Stöckl sowie der Bundesrat Lindinger nehmen die Wahl an.)

Wahl der Ordner/innen

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerinnen und Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Mag. Susanne Kurz, Christoph Längle und Dr. Heidelinde Reiter für das erste Halbjahr 2016 zu Ordnerinnen beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Ein Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Kurz und Reiter sowie die Bundesräte Tiefnig und Längle neh­men die Wahl an.)

21.31.4427. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Vom Bundesrat ist anstelle des bisherigen Ersatzmitgliedes Bundesrat Ing. Bernhard Ebner ein Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Ing. Eduard Köck lautet.


BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 208

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt. Ich wünsche dir für diese Aufgabe viel Erfolg.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.32.47 Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, 3100/J-BR/2015 bis 3102/J-BR/2015, eingebracht wurden.

21.33.02 Abstimmung über Fristsetzungsantrag

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR, dem Justizausschuss für die Berichterstattung über den Antrag 169/A-BR/2008 eine Frist bis 11. Februar 2016 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 11. Februar 2016, Beginn 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchs­recht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind einvernehmlich für Mittwoch, den 10. Februar, mit Beginn um 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche einen angenehmen Abend und eine gute Nachhause-Fahrt! (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

21.34.38Schluss der Sitzung: 21.35 Uhr

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1017 Wien