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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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850. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 11. Februar 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

850. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Februar 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Februar 2016: 9.02 – 18.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Regierungsum­bildung bzw. Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Energie-Infrastrukturgesetz erlassen, das Um­welt­verträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert sowie das Bundesgesetz über die Frist und das Verfahren in den Fällen des Art. 12 Abs. 3 des B-VG aufgehoben werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des polizeilichen Staatsschutzes (Polizeiliches Staatsschutzgesetz – PStSG) erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird

5. Punkt: Bericht an das österreichische Parlament Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016 Achtzehnmonatsprogramm des niederlän­di­schen, slowakischen und maltesischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 2011 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert wer­den (1. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016 – 1. EU-BAG-GB 2016)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Psychologen­ge­setz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Apothekengesetz, das Apothekerkam­mer­gesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Tierärztegesetz und das Tier­ärz­te­kammergesetz geändert werden (2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsbe­rufe 2016 – 2. EU-BAG-GB 2016)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner betreffend Änderung des Ehegesetzes und des Strafgesetzbuches zur Verhinderung von Zwangsehen

11. Punkt: Petition betreffend „Fairer Umgang mit Vereinen bei der Besteuerung von Vereinsfesten“

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Josef Saller ........................................................ 9

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung von stellvertretenden Mitgliedern in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ....................  35, 38

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Volksrepublik China im Bereich der sozialen Sicherheit durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................................. 41

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Föderativen Republik Brasilien im Bereich der sozialen Sicherheit durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................ 44

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ................................................................................................. 48

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 143

Unterbrechung der Sitzung ...............................................................................  126, 144

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Ordnungsruf ................................................................................................................... 92

Aktuelle Stunde (40.)

Thema: „Aktuelle Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation“ ............... 11

Redner/Rednerinnen:

Mario Lindner .......................................................................................................... ..... 11

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 14

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 15

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 19

Bundeskanzler Werner Faymann ......................................................................... ..... 21

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 24

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 26

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 27

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 29


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 3

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 30

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Enthebung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer, des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé, und des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Ge­rald Klug vom Amt sowie Ernennung von Herrn Alois Stöger, diplômé, zum Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Herrn Mag. Gerald Klug zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie Herrn Mag. Hans Peter Doskozil zum Bundesminister für Landesverteidigung und Sport durch den Bundespräsidenten ........................................................................................ 33

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ........................................................ ..... 39

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 46

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 48

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  32, 162

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend roten Pensionstransfer zwischen Bank Austria und Pensionsversicherungsanstalt (3110/J-BR/2016) ........................................................ 126

Begründung: Hans-Jörg Jenewein ............................................................................ 126

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 129

Debatte:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 131

Sandra Kern ............................................................................................................ ... 134

Renate Anderl ......................................................................................................... ... 134

David Stögmüller .................................................................................................... ... 135

Ing. Bernhard Rösch .........................................................................................  137, 141

Rene Pfister .......................................................................................................  139, 142

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 140

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 142

Entschließungsantrag der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung des Bank-Austria-Pensionsdeals zwischen SPÖ-Wien und dem BMASK unter der Federführung von Ex-Minister Rudolf Hundstorfer – Ablehnung (namentliche Abstimmung) .  133, 143

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 144

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Regierungs­umbildung bzw. Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR ................................... 48


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 4

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 49

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 50

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ...................... 49

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 52

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 54

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 57

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 60

Bundesminister Mag. Hans Peter Doskozil ......................................................... ..... 61

Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ..... 63

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..............................................................  64, 75

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 65

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 67

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 70

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 72

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 73

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Energie-Infrastrukturgesetz erlassen, das Umwelt­ver­träg­lichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert sowie das Bundesgesetz über die Frist und das Verfahren in den Fällen des Art. 12 Abs. 3 des B-VG aufgehoben werden (626 d.B. und 651 d.B. sowie 9524/BR d.B. und 9532/BR d.B.) .................................... 76

Berichterstatter: Christian Poglitsch ............................................................................ 76

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 76

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 79

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 80

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 81

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 84

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. ..... 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 88

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des polizeilichen Staatsschutzes (Polizeiliches Staatsschutzgesetz – PStSG) erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (763 d.B. und 988 d.B. sowie 9523/BR d.B. und 9525/BR d.B.) .......................................................... 89

Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ........................................................................ 89

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird (989 d.B. sowie 9526/BR d.B.) .......... 89

Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ........................................................................ 89

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michael Raml .................................................................................................. ..... 89

Gerhard Schödinger ............................................................................................... ..... 93

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 94


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 5

Martin Weber ........................................................................................................... ..... 95

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 97

Sandra Kern ............................................................................................................ ..... 99

Rene Pfister ............................................................................................................. ... 101

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 103

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ..................................................... ... 104

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 106

5. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parla­ment Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016 Achtzehnmonatsprogramm des niederländischen, slowakischen und maltesi­schen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-574-BR/2016 d.B. sowie 9527/BR d.B.) ............................................................................................................... 106

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................. 106

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 106

Armin Forstner, MPA ............................................................................................. ... 108

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 109

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 111

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner ................................. ... 113

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-574-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 116

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Jänner 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 2011 geändert wird (905 d.B. und 987 d.B. sowie 9528/BR d.B.)                116

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 116

Redner/Rednerinnen:

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 116

Günther Novak ........................................................................................................ ... 117

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 118

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 119

Peter Heger .............................................................................................................. ... 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 121

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebam­men­gesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (1. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016 – 1. EU-BAG-GB 2016) (881 d.B. und 972 d.B. sowie 9529/BR d.B.) ............................................................................................................... 121


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 6

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 122

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Psychologen­ge­setz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Apothekengesetz, das Apotheker­kammergesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Tierärztegesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016 – 2. EU-BAG-GB 2016) (939 d.B. und 973 d.B. sowie 9530/BR d.B.) ............................................................... 121

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 122

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 122

Renate Anderl ......................................................................................................... ... 123

Angela Stöckl .......................................................................................................... ... 125

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 145

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 147

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 147

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 149

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 149

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (912 d.B. und 974 d.B. sowie 9531/BR d.B.) ............................................................................................................... 149

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 149

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 150

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 151

Dr. Andreas Köll ......................................................................................................... 152

David Stögmüller .................................................................................................... ... 153

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 155

10. Punkt: Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner betreffend Änderung des Ehegesetzes und des Strafgesetzbuches zur Verhinderung von Zwangsehen (169/A-BR/2008 sowie 9533/BR d.B.) ..................................................................................................... 156

Berichterstatter: Gerhard Schödinger ....................................................................... 156

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 156

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 157

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ... 158

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Antrag 169/A-BR/2008 keine Zustimmung zu erteilen         ............................................................................................................................. 159

11. Punkt: Petition betreffend „Fairer Umgang mit Vereinen bei der Besteuerung von Vereinsfesten“ (32/PET-BR/2015 sowie 9534/BR d.B.) ..................................................................................... 159


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 7

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 159

Redner/Rednerinnen:

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 160

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 160

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 161

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Ausschussbericht 9534/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen   ............................................................................................................................. 162

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuregelung des § 311(5) ASVG (218/A(E)-BR/2016)

Anfragen der Bundesräte

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Missstände im „Asyl-Großquartier“ Leoben (3103/J-BR/2015)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Vergewaltigung einer 13-jährigen Syrerin durch ihren 26-jährigen Ehemann (3104/J-BR/2015)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vergewaltigung einer 13-jährigen Syrerin durch ihren 26-jährigen Ehemann (3105/J-BR/2015)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Dienst-Fahrzeuge (3106/J-BR/2015)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Verfügbarkeit der Tretgitter der LPD Wien (3107/J-BR/2015)

Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend die genaue Höhe der Förderungen der einzelnen Organisationen der anerkannten österreichischen Volksgruppen durch das Bundesministerium für Bildung und Frauen in den Jahren 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 (3108/J-BR/2016)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Exekutive – Planstellen und Überstunden 2015 (3109/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend roten Pensionstransfer zwischen Bank Austria und Pensionsversicherungsanstalt (3110/J-BR/2016)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ÖBB Mattigtalbahn (3111/J-BR/2016)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Qualitätsstandards für Asylverfahren (3112/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend roten Pensionstransfer zwischen Bank Austria und Pensionsversicherungsanstalt (3113/J-BR/2016)


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 8

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Raum Klieberpark (2865/AB-BR/2015 zu 3090/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Edgar Mayer, Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend betriebliches Eingliederungs­management (2866/AB-BR/2015 zu 3092/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterbringung von Flüchtlingen im Schwarzl-Freizeitzentrum in der Gemeinde Unterpremstätten (Bezirk Graz-Umgebung) (2867/AB-BR/2015 zu 3098/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen Baumax-Filiale in der Stadtgemeinde Leoben (2868/AB-BR/2015 zu 3097/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalsituation im Exekutivdienst (2869/AB-BR/2015 zu 3093/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Peter Samt, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Unterbringung von Flüchtlingen in der Bellaflora-Halle in der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz (Bezirk Graz-Umgebung) (2870/AB-BR/2015 zu 3094/J-BR/2015)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lärmschutzmaßnahmen entlang der Südbahnstrecke im Siedlungsbereich des Ortsteiles Hönigsberg der Gemeinde Mürzzuschlag (2871/AB-BR/2015 zu 3095/J-BR/2015)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen betreffend geplante Sanierung des Bahnhofs in Langenwang und mögliche Auflassung der Bahnhaltestelle Hönigsberg (Gemeinde Mürzzuschlag) (2872/AB-BR/2015 zu 3096/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transfer-Zelte“ für Menschen auf der Flucht (2873/AB-BR/2016 zu 3099/J-BR/2015)


 


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 9

09.02.14Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Josef Saller: Ich eröffne die 850. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 849. Sitzung des Bundesrates vom 17. Dezember 2015 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Ewald Lindinger.

09.03.07Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.03.08

Präsident Josef Saller: Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie alle zur heutigen Sitzung sehr herzlich begrüßen. Mein besonderer Gruß gilt Herrn Bundeskanzler Werner Faymann (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen) und Frau Staatssekretärin Sonja Steßl. (Allgemeiner Beifall.) Ich begrüße die Präsidentin außer Dienst Anna Elisabeth Haselbach (allgemeiner Beifall) und den Bundesrat außer Dienst Franz Wenger. (Allgemeiner Beifall.) Ich begrüße auch sehr herzlich den Salzburger Landtagsdirektor außer Dienst Hofrat Edtstadler. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren Zuseher vor den Fernsehbildschirmen, ich sage herz­lich grüß Gott und grüße noch einmal alle sehr herzlich!

Wer hätte vor Kurzem gedacht, dass wir in Europa in einer veritablen Krise stecken? – Ich nenne als Erstes die Flüchtlingsströme, die noch lange nicht zu Ende sind und die uns noch vor große Herausforderungen stellen werden. Weiters nenne ich die Krisen­gebiete im Nahen und Mittleren Osten, den noch immer nicht beendeten Ukraine-Russland-Konflikt, die mangelnde Solidarität der Mitgliedstaaten in der EU – dies möchte ich ganz besonders hervorheben, und das ist für mich persönlich auch sehr enttäuschend – und die Frage, ob die Eurokrise im Zusammenhang mit Griechenland wirklich schon gelöst ist oder andere Folgen nach sich zieht, innenpolitisch den drohenden Konflikt im Zusammenhang mit der Finanzierung der Pensionen und vieles andere mehr. Das sind viele Aufgaben, die auf den Staat mit Macht und Stärke zukom­men.

Diese Probleme fordern von uns allen große Dialogbereitschaft, in vielen Bereichen Hilfe zur Selbsthilfe, keine Verwirklichung egoistischer Träumereien, sondern vielmehr Visionen für funktionierende Gemeinschaften.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Turnus will es, dass im ersten Halbjahr 2016 die Vorsitzführung des Bundesrates, der Landeshauptleutekonferenz und der Landtags­präsidentinnen- und Landtagspräsidentenkonferenz in der Verantwortung von Salz­burg liegen.

Erlauben Sie mir in wenigen Sätzen einen kurzen historischen Exkurs, weil es da viele Zusammenhänge auch mit Land und Bund gibt. Diese Vorsitzführungen fallen mit dem historischen Moment zusammen, dass sich die Annexion Salzburgs an das damalige Kaisertum Österreich als Folge des Wiener Kongresses zum 200. Male jährt. Ein histo­risches Ereignis, wobei die damals von allen befürchtete Lösung auch aus der Sicht Salzburgs wohl die beste war und damit wohl auch das Antlitz Österreichs dauernd und prägend zum Positiven verändert hat. Ich verweise auch auf die wirtschaftliche Bedeutung dieser Erweiterung des Staatsgebietes von Österreich im Jahre 1816.

Ich hoffe, die Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer sehen es mir nach, wenn ich ein Zitat aus dem Jahr 1960 bringe. Damals hat Nikita Chruschtschow Salzburg besucht und gesagt – ich zitiere –:


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 10

„Normalerweise hat ein Staat die Hauptstadt als Mittelpunkt.“ – Das wäre natürlich Wien, ist auch Wien. – „Österreich ist aber eine Ellipse mit zwei Brennpunkten: Wien und Salzburg.“ – Soweit das Zitat. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich hoffe, die Vertreter der anderen Bundesländer verzeihen mir das.

Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung Salzburgs ist interessant, dass eine konstruktive Beendigung der Länderforderungen im Sinne des § 11 des Übergangsgesetzes 1920, wonach die endgültige Auseinandersetzung über das staatliche Vermögen zwischen Bund und Ländern in einem Verfassungsgesetz des Bundes geregelt werden sollte, bis heute nicht verwirklicht und abgeschlossen ist. Ich hoffe, dass es diesbezüglich doch bald zu einer Lösung im Sinne des kooperativen Bun­desstaates kommt.

Nach allen einschlägigen rechtswissenschaftlichen und politologischen Erkenntnissen wird der Bundesstaat von einer Reihe von Kriterien geprägt. Dazu zählen unter ande­rem die relative Verfassungsautonomie der Länder, die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Gesetzgebung und Vollziehung sowie die Mit­wirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung in Form des Bundesrates als zweiter Kammer des Parlaments.

Gerade diesen letzten Punkt möchte ich angesichts der immer wieder hörbaren Kritik am Bundesrat hervorheben: Wir als Bundesräte sichern die Mitwirkung der Länder auf dem Gebiet der Gesetzgebung. Wir wollen die Akzeptanz der Gesetzgebung und den Mitwirkungsgrad des Volkes in der parlamentarischen Demokratie, die auf Grund- und Freiheitsrechten beruht, verbessern – eine Aufgabe, die nach dem EU-Beitritt Öster­reichs für den Bundesrat besonders bedeutsam wurde. Unser EU-Ausschuss im Bun­desrat leistet wertvolle und unverzichtbare Arbeit im Jahresablauf, und das wird auch von anderen Staaten anerkannt und honoriert. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich bei der festlichen Übernahme des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz in Mattsee von der Moderatorin gefragt wurde, was ich denn in dem kurzen halben Jahr meiner Präsidentschaft bewirken wolle, antwortete ich spontan: Ich will meine parlamentarische Tätigkeit vermehrt in den Dienst des lebenslangen Lernens stellen!

Als Parlamentarier sind wir verpflichtet – und ich als ehemaliger Pflichtschullehrer und Hauptschuldirektor sowieso –, mitzuhelfen, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass keine gesellschaftliche Gruppierung von modernen Entwicklungen ausgeschlos­sen ist.

Nach den Themenschwerpunkten im ersten Halbjahr 2015 unter Präsidentin Sonja Zwazl zur dualen Ausbildung, zur Jugend- und Lehrlingsausbildung und im zweiten Halbjahr unter Präsident Gottfried Kneifel, nämlich zu neuen Medien und dem digitalen Wandel in der Politik – beide mit vielen ausgezeichneten Projekten –, habe ich mir vor­genommen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Bildung keine Altersgrenzen kennt. Wir müssen der älteren Generation bewusst machen, dass Bildung nicht mit 60 Le­bens­jahren aufhört. Einen Beitrag werden wir dazu auch im Rahmen einer Enquete und eines in dieser Form noch nie abgehaltenen Seniorenparlaments im Bundesrat leisten.

Bildung bedeutet meiner Überzeugung nach aber nicht nur Wissensvermittlung, sondern viel mehr: Bildung bedeutet Kulturbewusstsein, zu einem regen Geist ein gesunder Körper – eine Vereinigung –, Begegnung mit Printmedien, Fernsehen und vieles mehr. Der Begriff Bildung ist sehr weit zu fassen und nicht nur auf Wissens­vermittlung, die natürlich auch besonders wichtig ist, zu beschränken.


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Der Anstieg der Zahl der Seniorinnen und Senioren – im Alter von 65 Jahren und älter – wird sich in den nächsten Jahren unvermindert fortsetzen und dazu führen, dass in 20 Jahren rund 150 000 über 65-Jährige im Lande Salzburg leben werden. Ich nenne hier die Salzburger Zahlen, doch dieser Generationswandel betrifft natürlich genauso alle anderen Bundesländer.

Ich unterstütze daher das Programm der Bundesregierung und alle anderen Pro­gram­me aller Parteien, ihre Tätigkeiten und Ideen für Strategien zum lebensbegleitenden Lernen. Dieses Projekt ist in Zusammenarbeit mit Sozialpartnern und anderen Institu­tionen zustande gekommen. Dabei geht es unter anderem um die Bereicherung der Lebensqualität durch Bildung in der nachberuflichen Lebensphase und um Verfahren und Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kenntnissen und Kom­petenzen in allen Bildungssektoren.

Abschließend bedanke ich mich bei meiner Familie, meiner Gattin, die heute anwesend ist, und vielen politischen sowie beruflichen Weggefährten, dass mir eine solche Ent­wicklung als Mandatar möglich war.

Ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern eine gute Zukunft in Freiheit und Sicher­heit.

Es leben die österreichischen Bundesländer, es lebe die Republik Österreich! (An­haltender allgemeiner Beifall.)

9.13

09.13.41Aktuelle Stunde

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Aktuelle Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation“

mit Herrn Bundeskanzler Faymann und Frau Staatssekretärin Steßl, die ich dazu noch einmal herzlich begrüße.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren/dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundeskanz­lers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgen wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend je eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten sollte.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lindner. Ich erteile es ihm.

 


9.15.00

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­deskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bertolt Brecht hat gesagt: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“

Im Herbst vergangenen Jahres sind wir in der Steiermark beisammengesessen – die Steiermark hat ja nach dem Bundesland Salzburg den Vorsitz im Bundesrat – und haben über das Thema der steirischen Präsidentschaft gesprochen. Ich bin sehr froh und in Zeiten wie diesen noch froher, dass wir uns für folgende Themen entschieden haben: Zivilcourage, Demokratie, Mitbestimmung und politische Bildung.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in Zeiten wie diesen mehr Zivilcourage, mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung und vor allem mehr politische Bildung brauchen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich verstehe, dass die Menschen in Österreich, dass die Menschen in Europa Angst haben. Ich persönlich habe auch Angst. Ich habe Angst, wenn es im 21. Jahrhundert noch immer Kriege gibt. Ich habe Angst, wenn vor Europa im Meer Tausende Menschen sterben. Ich habe Angst, wenn Menschen sehr unverblümt sagen, Mauthausen soll doch wieder geöffnet werden. Ich habe Angst, wenn Menschen sagen, Adolf Hitler sollte doch für drei Monate wiederkommen, und die Probleme der Welt wären aus der Welt geräumt.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich zitiere eine Presseaussendung des Maut­hausen Komitees Österreich von gestern:

„,Das NS-Verbotsgesetz ist ein Grundpfeiler unserer Rechtsordnung. Nicht wenige Richter und Staatsanwälte setzen es aber faktisch außer Kraft‘, übt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi scharfe Kritik. Er nennt konkrete Beispiele: ,Duswald verbreitet seine Hasspropaganda gegen KZ-Überlebende schon zum zweiten Mal. Das letzte Straf­verfahren hat die Staatsanwaltschaft Wien völlig unverständlicherweise eingestellt. Vom Landesgericht Wiener Neustadt wurde der Verfasser des Programms der neo­nazistischen NVP trotz wörtlicher Übernahme eines SS-Textes freigesprochen – der bestellte Gutachter war ein notorischer Antisemit. Und die Staatsanwaltschaft Linz bescheinigte einem türkischen Friseur, der mit einem fiktiven Hitler-Zitat auf Facebook den Holocaust gerühmt hatte, eine ,bloße Unmutsäußerung gegen Israel‘. Nach internationalen Protesten wurde das Strafverfahren wiederaufgenommen und führte zu einer Verurteilung. Diese Skandalliste ließe sich noch lange fortsetzen‘, so der MKÖ-Vorsitzende.

Für Justizminister Wolfgang Brandstetter findet Willi Mernyi trotzdem lobende Worte: ,Seine Haltung gegen Rechtsextremismus ist eindeutig und er hat für eine wirklich gute Reform des Verhetzungsparagraphen gesorgt. Allerdings muss es jetzt wirksame Konsequenzen geben, um die nächsten Justizskandale in Sachen Wiederbetätigung zu verhindern. Wir fordern, dass die Staatsanwaltschaften dem Ministerium über sämt­liche Verbotsgesetzfälle laufend berichten müssen, dass über solche Fälle auch die Öffentlichkeit informiert wird und dass Staatsanwälte sowie Richter in dieser Materie intensiv geschult werden. So wie bisher geht es sicher nicht weiter – das ist ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer und schädigt auch das Ansehen Österreichs.‘“ – Zitatende.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe Angst, wenn ich auf Facebook schaue und mir dort diverse Kommentare durchlese. Ich habe Angst, wenn ich auf verschiedene Internetforen von Zeitungen schaue und mir die dortigen Kommentare ansehe.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es darf in einem Land wie Österreich nicht sein, dass Menschen ganz unverblümt mit vollem Namen Nazidiktion verwenden! Das geht in einem Land wie Österreich nicht!

Es kann nicht sein – auch wenn Fasching ist –, dass unser Herr Bundeskanzler bei einem Faschingsumzug symbolisch aufgehängt wird! Es kann nicht sein, dass es irgendwelche Pauschalverurteilungen von Menschen gibt. Wir können nicht schwarz-weiß malen, sondern wir müssen Taten sehen.

Ich komme zu Köln. Das, was in Köln geschehen ist, ist unverzeihlich. Es ist unver­zeihlich, aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, da geht es um die Tat. Es geht um die Tat! Wenn Kinder, Frauen, Männer vergewaltigt werden, dann sind Verbrecher am Werk. Das darf in einem Land wie Österreich und in der Europäischen Union ganz einfach nicht passieren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


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Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wie vor einem Dreivierteljahr bin ich immer noch der Meinung: Wir schaffen es. Herr Bundeskanzler, in einem Punkt bin ich nicht deiner Meinung: Ich glaube, dass Obergrenzen keine Lösung sind. Der Landesparteitag der steirischen SPÖ hat auch einstimmig beschlossen, dass wir uns gegen Obergrenzen aussprechen. (Beifall bei den Grünen.) Ich möchte nicht der 37 501. sein, und ich glaube, keiner von uns möchte der 37 501. sein.

Herr Bundeskanzler, ich bin ganz bei dir, wenn du sagst, wir brauchen europaweite Aufteilungen, wir brauchen europaweite Quoten. Es kann doch nicht sein, dass in Europa Österreich, Deutschland und Schweden die Hauptlast der Asylkrise bewältigen und alle anderen uns zuschauen. Es kann doch nicht sein, dass Österreich, Deutsch­land und Schweden die Menschenrechte hochhalten und die anderen Länder uns dabei zuschauen.

Herr Bundeskanzler, du hast volle Unterstützung, wenn du Sanktionen gegen andere EU-Länder einforderst, denn ich glaube, wir müssen die Länder, die uns bei der Flüchtlingsbewältigung nicht helfen, mit Sanktionen bestrafen, ob das Geldsanktionen sind oder was auch immer – darüber müssen wir reden.

Wir müssen den Griechen und der Türkei helfen. Wir brauchen bei den EU-Außen­grenzen die Hotspots. Wir brauchen dort die Registrierungen.

Jetzt komme ich zu dieser leidigen Zaun-Sache. Ich verstehe es bis heute nicht, dass man in der Steiermark einen drei Kilometer langen Zaun aufgestellt hat, wenn die Menschen ohnehin schon mehrere Tausend Kilometer in Europa – unter Anführungs­zeichen – „spazieren gehen“.

Herr Bundeskanzler, ich bitte dich eindringlich, speziell im Sinne der Menschenrechte, auf die anderen EU-Staaten einzuwirken.

Ich komme auf die Steiermark zu sprechen. In der Steiermark gehen wir immer noch den Weg – oder probieren es –, Kleinquartiere bereitzustellen. Wir sind immer der Meinung, dass Kleinquartiere oder Kleinstquartiere viel besser sind als Großquartiere.

Ich erinnere an die Innenministerin und den Fehler, den wir alle gemacht haben – wir haben auch zugeschaut –: Die Baumax-Halle in Leoben mit 400 Flüchtlingen – als Beispiel –, das kann nicht funktionieren, das war uns allen klar. Ich sage jetzt wirklich sehr provokant: Stecken wir 400 Menschen von uns irgendwo in ein Quartier, so wird es wahrscheinlich nach zwei, drei Tagen auch nicht funktionieren. Darum die Bitte: Nehmen wir uns vor, Kleinquartiere zu machen!

Zum Außenminister: Den Außenminister bitte ich, dass er die Rückführabkommen verhandelt, weil es relativ einfach ist zu sagen: Bringen wir die Leute wieder zurück. Aber wenn wir keine Abkommen haben, wie sollen wir das dann schaffen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin – noch einmal – der Meinung: Wir schaffen das! Für mich – und ich komme aus dem größten Bezirk Österreichs, dem Bezirk Liezen – ist eines gänzlich unverständlich: Wir haben vor Kurzem die Schiflug-WM am Kulm gehabt: 80 000 Leute – kein Problem. Wir haben vor Kurzem „The Nightrace“ in Schladming gehabt: zirka 50 000 Menschen – überhaupt kein Problem. Wir veran­stalten in Österreich das Donauinselfest: 3 Millionen Menschen an drei Tagen, und wir bringen es problemlos über die Bühne. Wenn sich zirka 50 000 Leute im Ernst-Happel-Stadion bei einer Veranstaltung befinden, ist es danach innerhalb einer halben Stunde wieder leer, und alle Menschen sind mit der U-Bahn oder mit den öffentlichen Ver­kehrs­mitteln wieder auf ihren Wegen. Ich verstehe es daher nicht, dass man Flüchtlinge – 3 000, 4 000, 5 000 Menschen – an der Grenze zu Österreich nicht ge­ord­net abfertigen kann. Ich verstehe es wirklich nicht. (Bundesrat Mayer: Aber das sind Besucher!)


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Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen, lassen Sie mich abschließend feststellen: Men­schenrechte sind unteilbar. Punkt. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Bertolt Brecht hat gesagt: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.24


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


9.25.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Bundes­kanz­ler, ich darf eingangs auf Ihre Aussage bezüglich Frontex und den damit verbundenen Aufträgen, in der Ägäis aufgegriffene Flüchtlinge direkt in die Türkei zurückzuschicken, eingehen. Den Vorschlag, den wir vollinhaltlich unterstützen können, haben Sie bei der Londoner Syrien-Konferenz dem türkischen Premier Ahmet Davutoğlu unterbreitet. Damit soll also Frontex nicht nur zum Rettungsprogramm, sondern tatsächlich auch zu einem Grenzschutzprogramm werden. Das ist ja eigentlich auch der Sinn hinter Frontex.

Wenn es gelingt, auf diese Weise eine Eindämmung des Flüchtlingsstromes zu erreichen, dann wäre das eine Lösung vor Ort. Momentan, das wissen wir, betreibt die türkische Regierung, der türkische Präsident, mit uns eher ein Katz-und-Maus-Spiel, denn wenn man die Polizeiorganisation, die Militärorganisation in der Türkei kennt, weiß man auch ganz genau, wie die Türkei die Flüchtlingsströme leiten beziehungs­weise zurückhalten oder überhaupt verhindern kann. Wenn in einem türkischen Hafen die Polizei entsprechend einschreitet, wird kein Flüchtlingsboot die türkische Grenze verlassen.

Es ist also unbedingt wichtig, dass man die Türkei miteinbindet und dies den türkischen Behörden auch entsprechend klar vor Augen hält, denn in diesem 3-Milliarden-Deal soll nicht nur das verhandelt werden. Es soll zum Beispiel auch die Geschichte mit den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien, Marokko geklärt werden. Aus diesen Ländern werden quasi mit Charterflügen Menschen in die Türkei geflogen, die dann mit dem Flüchtlingsstrom über die Grenze gehen. Das sind dann wirklich die berühmten Wirt­schaftsflüchtlinge, die hier – auch fälschlicherweise – oft zitiert werden. Das sind tat­sächlich Wirtschaftsflüchtlinge. Dies geschieht natürlich auch alles mit Billigung der türkischen Behörden.

Herr Bundeskanzler, auch das angesprochene Grenzmanagement ist durchaus zu begrüßen. Es steht, glaube ich, außer Streit, dass wir uns auf eine Erweiterung der Grenzsicherung vorbereiten müssen.

Dazu haben der neue Verteidigungsminister Doskozil und die Innenministerin bereits mehrere gemeinsame Botschaften ausgesendet. Da wird jetzt gemeinsam Politik gemacht, und das ist, denke ich, für Österreich sehr wichtig. Wenn diese beide Minis­terien an einem Strang ziehen, dann ist immer noch eine passable Lösung herausge­kommen.

Ich darf hier einen Artikel aus dem „Kurier“ zitieren, in dem zu lesen ist:

„Rot-Schwarz probt den Paarlauf bei Flüchtlingen. Neustart. Der SPÖ-Heereschef hat einen sehr guten Draht zu VP-Innenministerin und VP-Außenminister. Das Trio will nun Druck bei Abschiebeabkommen machen“ – wie Kollege Lindner schon erwähnt hat. „Doskozil, Kurz & Mikl planen Marokko-Mission. Abschiebungen. Auch mit Afghanistan soll der Deal zur Rück-Übernahme geschlossen werden“..


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 15

Das ist ein sehr gutes Signal der Regierung, Herr Bundeskanzler, und das möchte ich hier ausdrücklich erwähnt haben.

Ebenso die Bemühungen von Finanzminister Schelling, der einen Brief nach Brüssel an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Vizepräsidentin Kristalina Georgiewa geschrieben hat, worin klar aufgezeigt wird, um welche Probleme auch finanzieller Natur es geht. Im Kern verlangt Minister Schelling substanziell mehr Geld für – unter Anführungszeichen – „die willigen Länder“, und das sind nun einmal Schweden, Deutschland und Österreich, wie es Kollege Lindner angesprochen hat. Diese drei Länder können – und das ist immer wieder hervorzuheben und zu unterstreichen – die Lasten nicht allein übernehmen.

Wie Sie auch schon betont haben, Herr Bundeskanzler: Es geht um die Solidarität in der EU, die man immer wieder einfordern muss. Die Rechnung dahinter: Im Durch­schnitt sind rund 35 000, 40 000 Flüchtlinge, Asylwerber für Österreich verkraftbar. Wir alle wissen, es waren im letzten Jahr wesentlich mehr, über 90 000. Wenn man das mit etwa 11 000 € hochrechnet, sind es 600 Millionen €. Da geht es nicht nur darum, diese Summe sozusagen nach Maastricht dem Budget aufzurechnen, sondern zu fordern: Wir wollen dieses Geld wieder zurückhaben. Es gibt auch einen klaren Lösungs­vorschlag: Aufstockung der speziell dafür eingerichteten EU-Fonds, Umschichtung von Geldern aus dem EU-Solidaritätsfonds sowie zusätzliche Auszahlung von nicht verbrauchten EU-Budgetmitteln an die besagten Länder. Ich glaube, das kann auch quer durch den politischen Gemüsegarten unterstrichen werden.

Aber Österreich setzt sich nicht nur mit der EU-Kommission auseinander. Wir wissen, unser Außenminister ist derzeit auf einer Tour in den Westbalkanstaaten, um für die österreichische Flüchtlingssituation Verständnis zu erwirken. Dabei geht es darum, zu zeigen, dass wir die Sorgen dieser Staaten hinsichtlich der österreichischen Flücht­lings­obergrenze gleichermaßen ernst nehmen.

Österreich wird nicht einfach nur die Grenzen schließen und die Westbalkanstaaten mit dem Problem allein lassen können, hierzu braucht es eine gemeinsame Lösung, ins­besondere mit Serbien und Mazedonien.

Wir erwarten, dass die Flüchtlinge bei einer Abriegelung der mazedonischen Grenze neue Wege nach Mitteleuropa suchen werden. Bei einer guten Kooperation aller Staaten kann man aber die Probleme, die durch Ausweichrouten entstehen, rechtzeitig angehen.

Herr Bundeskanzler, all diesen nur ansatzweise angedeuteten Maßnahmen und Bemü­hungen unserer Bundesregierung ist zu entnehmen, dass wir ernsthaft bemüht sind, nicht nur die Flüchtlingssituation im eigenen Land in den Griff zu bekommen, son­dern auch in der EU, ja europaweit nicht locker lassen, um Lösungen herbeizuführen. In weiterer Folge soll sich dadurch der Druck, der wegen der Flüchtlingssituation auf unseren Ländern und Gemeinden lastet, auf ein allgemein verträgliches Maß be­schränken. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.31


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dörfler. Ich erteile es ihm.

 


9.31.47

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Herr Bundes­kanzler, ich bin kein Hetzer, ich bin kein Ausländerhasser. Aber ich sorge mich um jedes Opfer in allen Kriegsgebieten; ich sorge mich um unser Zusammenleben in Öster­reich und Europa; ich sorge mich um unsere Lebenskultur; ich sorge mich um


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unsere Sicherheit; ich sorge mich um Europa; und ich sorge mich um unsere gemein­same Heimat Österreich.

Wir schaffen es! – So lautete die Einladung der Bundeskanzlerin Merkel aus Berlin, die sicherlich gut gemeint war, das will ich ihr gar nicht absprechen. Jetzt aber sehen wir die Überforderung in Deutschland, wo man Hunderttausende Menschen, die aus den Kriegs- und anderen Gebieten zu uns oder nach Deutschland gekommen sind, nicht erfasst hat.

Das heißt: Es ist in Europa möglich, grenzenlos zu agieren, ohne entsprechende Grenz­kontrollen passieren zu müssen. Wenn ich vom Wiener Flughafen aus nach Brüssel fliege, durchlaufe ich eine Sicherheitskontrolle – gerade, dass ich mich nicht ganz ausziehen muss. Wenn ich in ein Fußballstadion will, durchlaufe ich eine Sicher­heitskontrolle. Und wenn ich nach Europa will, muss es wohl klar sein, dass es ein absolutes Muss ist, europäische Gesetze – egal, ob an Schengengrenzen oder natio­nalen Grenzen – einzuhalten. Es kann nicht sein, dass wir U-Boote nach Europa las­sen!

Das sind sozusagen die Überschriften. Heute muss man ja wissen, dass eine Organi­sation allein schon durch die moderne Handy-Kommunikation erfolgt. Wir schaffen es – diese Botschaft erhalten in einem Moment Hunderttausende, die Hoffnung haben, in Europa ein neues Leben beginnen zu können, egal, ob Kriegs- oder Wirtschaftsflücht­linge.

Man hat es auch schon vorausgesehen. Die entsprechenden Sicherheitsorgane in Deutschland und in Österreich haben schon Monate vorher gewarnt, dass hier eine Art Stau entsteht, der dann mit der Einladung aus Deutschland – die auch Sie mitgetragen haben – massiv beschleunigt wurde.

Warum schaffen wir das nicht? – Das ist ein wichtiges Thema, das ich gleich alpha­betisch zu erläutern beginne. Der Arbeitsmarkt: Europa hat eine enorme Jugendar­beitslosigkeit, Österreich hat eine Rekordarbeitslosigkeit. Der Hotspot Wien – wenn ich das zum Thema Arbeitslosigkeit sagen darf – hat die höchste Flüchtlingsquote, aber auch die höchste Arbeitslosigkeit. Wenn man sich die aktuellen Zahlen für Jänner anschaut: Tirol, erfreulicherweise – das ist ein Lichtblick besonderer Art –: ein Minus an Arbeitslosigkeit von 2,3 Prozent; auch das Bundesland Vorarlberg: minus 0,8 Prozent; Wien dagegen zeigt ein Plus von 9,9 Prozent.

Betrachtet man die Arbeitslosigkeit der Asylberechtigten in Österreich, so stellt sich folgende Situation dar: Insgesamt sind 21 575 Asylberechtigte arbeitslos gemeldet, davon wieder ein Großteil in Wien, das heißt, 14 353 oder 50,31 Prozent. (Bundesrat Schennach: Das ist ja logisch! Wien ist die einzige Großstadt in Österreich! Ein bissl nachdenken!)

Herr Kollege Schennach, das heißt: Dort, wo ich Zuwanderung habe – enorme Zuwan­derung habe –, kann der Arbeitsmarkt nicht mit, und Arbeitsmarkt heißt Integration; das wird Ihnen ja ausreichend bekannt sein. (Bundesrat Schennach: Wir erledigen auch einen Teil des kärntnerischen Arbeitsmarktes in Wien und des steirischen und des burgenländischen und des niederösterreichischen! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ja!

„Man kann nicht Menschen aus Afrika aufnehmen, wenn man eine enorme Arbeits­lo­sig­keit im Land hat.“ – Wissen Sie, Herr Schennach, wer das gesagt hat? – Ihr Partei­kollege Karl Blecha, und zwar am 25. Jänner.

Das ist keine Aussage eines Freiheitlichen, keine Aussage der ÖVP, keine Aussage irgendeines Ausländerfeindes vielleicht, sondern eine Aussage eines sehr prominenten


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Repräsentanten der SPÖ, der sehr wohl weiß, wie Österreich tickt – im Gegensatz offensichtlich zu Ihnen, Herr Schennach. (Beifall bei der FPÖ.)

Da Wien jetzt so eine Art „Hilfspaket“ aus Berlin in Anspruch nimmt, wie man die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen versuchen kann: Die Chefin des AMS Wien, Frau Petra Draxl, nennt als Hauptgründe für die hohe Arbeitslosenrate den „anhaltend starken Arbeits­kräftezuzug vor allem aus den osteuropäischen Nachbarländern“ – auch das, hat man ja gesagt, werde nicht stattfinden, ist aber wesentlich höher als befürchtet –, weiters die, so Draxl, „fehlenden Qualifikationen bei den Jugendlichen, die Auswir­kungen der Pensionsreform bei den Älteren sowie der aktuelle Flüchtlingszustrom“.

Das sind die Fakten, wie sie sind. Das ist kein Schlechtreden, das ist kein Schönreden, sondern das sind Zahlen und Fakten, an denen man sich nicht vorbeischwindeln kann.

Meine Damen und Herren, wer den Menschen keine Arbeit geben kann, der schafft auch keine Integration. Was heißt denn, keine Arbeit zu haben? – Das heißt Straße, Gosse, Drogenhandel, Banden, Kriminalität. Das ist die Folge, wenn es keinen funktio­nierenden Arbeitsmarkt gibt. Ich bin da ganz bei Karl Blecha. Wir haben derzeit in Österreich rund 500 000 Menschen – egal, ob in Österreich geborene oder zugewan­derte Menschen –, die keinen Arbeitsplatz haben. Wenn wir diese Arbeitslosigkeit nicht hätten, dann hätten wir durchaus Möglichkeiten, Menschen in unserem Lande vernünftig zu integrieren.

Zweites Thema: Sicherheit. Zwei Terroranschläge in Paris; weiters verweise ich auf Köln, Salzburg, Istanbul, Tunesien. Oder aber auch: eine US-Studentin, die, wie man hört, ein Asylwerber aus Gambia am Gewissen hat, der dann in der Schweiz aufge­griffen wurde, ein Asylwerber, der aber schon vorher straffällig wurde. Das heißt also, in Österreich, in Europa ist es möglich, dass straffällig gewordene Rechtsbrecher, dass Vergewaltiger ihr Unwesen in Österreich, in Deutschland oder in der Schweiz treiben können. Irgendwann findet man sie halt – oder auch nicht.

Das ist doch ein besonders dramatisches Schicksal, dass in Wien eine amerikanische Studentin von einem, wie man hört und liest, Asylwerber aus Gambia umgebracht wurde!

Von diesem zehnjährigen Buben in Wien, von diesem Kind, möchte ich erst gar nicht hier reden. Da bricht mir einfach das Herz. Und wenn man die „Argumente“ des Täters hört und dass das Bekanntwerden dieses Falles wochenlang vor der Öffentlichkeit unterdrückt worden ist, schockiert das die Menschen in Österreich!

Herr Bundeskanzler, das sind die Sorgen der Menschen, das ist nicht – ich bin jeden Tag unter den Menschen und weiß das – irgendein Geschwätz, das ist nicht die Opposition, das ist nicht ausländerfeindlich, sondern das alles sind Sorgen, die die Menschen haben, Sorgen, die sie bedrücken und auch zutiefst verunsichern.

Nun zum Thema Grenzkontrollen. Ich habe schon gesagt, wenn ich zum Flughafen will oder wenn ich als Kärntner nach Istrien fahre, dann muss ich drei Stunden im Stau stehen zwischen Italien und Kroatien beziehungsweise zwischen Italien und Istrien. Überhaupt kein Problem. Herr Leitl von der Wirtschaftskammer sagt – Herr Platter will ja jetzt übrigens auch Sicherheitsmaßnahmen, sprich: einen Zaun, am Brenner errichten –, dass die Wirtschaft dadurch großen Schaden erleiden wird. – Ich will, meine Damen und Herren, dass die Menschen keinen Schaden leiden. Ich will nicht, dass Straftäter durch Europa reisen können, wie es ihnen Spaß macht, um Kinder zu vergewaltigen, Menschen umzubringen und Drogenhandel zu betreiben! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch zum Thema Grenzkontrollen ein Zitat: „Man hätte die Durchreisenden schon 2015 registrieren müssen.“ Dass man in der Regierung jetzt über einen Richtwert oder


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eine Obergrenze streite, sei „absurd“, so Karl Blecha am 26. Jänner dem „Kurier“ gegenüber. Also, Herr Schennach: kein Freiheitlicher, kein Ausländerhasser. Das nur zur Logik eines Polit-Profis, eines alten Wissenden, der als Vertreter der Senioren sehr wohl weiß, wo die Menschen der Schuh drückt.

Das heißt also, dass man die Registrierung, dass man die Sicherheit an den Grenzen seit Beginn des Problems ignoriert! Ich hoffe jedenfalls sehr, dass der neue Verteidi­gungsminister in der Lage ist – die Signale dazu sind zumindest positiv; aber solche gab es ja auch durchaus bei seinem Amtsvorgänger –, da eine Änderung herbeizu­führen.

In diesem Zusammenhang: Dass es dazu innerhalb der SPÖ durchaus verschiedene Meinungen gibt, Herr Bundeskanzler, wissen wir; ebenso, dass es zwischen Ihnen, Herrn Häupl und Herrn Niessl, durchaus auch öffentlich wahrgenommen, verschiedene Meinungen gibt. Und das ist ja gut so und soll in einer Partei möglich sein; ist ja auch bei uns so. Ich sage aber schon: Niessl hat recht gehabt! Man fordert heute Grenz­kontrollen und schafft vorher das Bundesheer ab, macht es quasi einsatzunfähig. Jetzt schreien alle: Am besten stehen bei jedem Baum zwei Soldaten! – Das ist auch ein spätes Zeichen dafür, dass die Wehrpflicht in Österreich mehr als notwendig war.

Zur Diskussion betreffend die Mindestsicherung: Herr Bundeskanzler, ich habe hier einen Pensionsbescheid vom 7.2.2011, von einer Bäuerin, die ich persönlich kenne. Die ist wütend zu mir gekommen, die hat damals, am 7.2.2011, einen Pensionsbe­scheid mit 177,08 € Pension bekommen. Diese Frau, eine Bäuerin, die ihr ganzes Leben hart gearbeitet hat. (Bundesrätin Kurz: Aber nichts eingezahlt hat! – Bundesrätin Grimling: Wenn sie aber nichts eingezahlt hat!) – Moment! Nicht reinreden, jetzt ist Zuhören gefragt!

Sie hatte letztes Jahr für eine Zahnoperation Kosten in der Höhe von 2 720 €. Wissen Sie, was ihr die Landwirtschaftskammer beziehungsweise Sozialversicherung der Bauern zurückgeschrieben hat? Sie hat im Jahr davor 50,77 € an Kosten verursacht – einmal Rezeptgebühr, einmal Behandlungskostenbeitrag für ärztliche Hilfe und einmal Kostenanteil für Laborkosten –, daher kann ihr die Krankenkasse aus dem Sozialfonds zu dieser Zahnreparatur nichts dazuzahlen.

Jetzt erklären Sie das einmal einer Österreicherin, einem Österreicher, dieser Pensio­nistin, die ich kenne, die ihr Leben lang geschuftet hat – das ist ein kleinbäuerliches Milieu –, die mit ihrem Gatten gemeinsam keine 900 € Monatspension hat. Es ist in Wahrheit, ich sage es ganz offen, eine Schande für den Sozialstaat Österreich, dass es so etwas gibt. Und dann schreibt ihr die Sozialversicherung der Bauern lapidar, dass sie quasi eine Spendenaktion in der Familie machen soll. Gleichzeitig reden wir darüber, dass Asylwerber in Wien gratis Öffis nutzen können. Ich darf da auch auf einen Leserbrief vom 8. Feber 2016 verweisen, der genau dieses Thema aufgreift.

Die geopolitische Lage: Na, wo hat es denn begonnen? – Die Amerikaner haben in Afghanistan die Freiheitskämpfer, die sogenannten Mudschaheddin finanziert und ausgerüstet – nicht, um den Afghanen den Frieden zu bringen und ihnen die Freiheit zu bringen, sondern um den Kommunismus, die Russen, zu bekämpfen. Was wurde dort gegründet? – Die Al Kaida. Wer hat die Al Kaida finanziert? – Die Amerikaner haben 9/11 ja in Wahrheit selbst finanziert, um dann den Irak zu zerschlagen. Und heute haben wir den IS, und heute haben wir den Terror im Nahen Osten.

Und was den Arabischen Frühling betrifft: Wer hat gestern das „Weltjournal“ ge­se­hen? – Es ist bedrückend, wenn man Kinder hören muss, die streiten, ob der Herr Assad der Bösere ist oder ob die Opposition die Böseren sind, ob die Russen die Guten sind oder die Türken die Schlechten. Es ist bedrückend, hören zu müssen, dass ein Mädchen, ein Flüchtlingskind in einem Flüchtlingscamp, sagt, sie möchte in ihre


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Heimat Syrien zurück. Das ist aber nicht möglich. – Das heißt, die Amerikaner finanzieren die Kriege, und wir haben die Probleme.

Herr Bundeskanzler, zur Europäischen Gemeinschaft: Das ist keine Gemeinschaft, Sie stehen alleine da. Da bin ich voll bei Ihnen: Die Solidarität Europas, die gibt es nicht. Und ich muss schon sagen: Herr Orbán hat offensichtlich, wie man sieht, doch recht gehabt, als er die Grenzen dichtgemacht hat.

Wir müssen, wenn es keine europäische Solidarität gibt, vorher dafür sorgen, dass unser Österreich, unsere Heimat, unsere Sicherheit, unsere Sozialleistungen, unser Zusammenhalt und unser Arbeitsmarkt funktionieren, wenn Europa nicht in der Lage ist, dieses Problem gemeinsam zu schultern. Ich wünsche Ihnen viel Kraft dabei! Ich habe schon längst aufgegeben, an die Solidarität Europas zu glauben. (Beifall bei der FPÖ.)

9.43


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. Ich erteile es ihm.

 


9.43.46

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Aktuellen Stunde das Thema „Aktuelle Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation“. Ja, es ist eine Herausforderung – das ist klar –, aber wir müssen sie auch angehen, konstruk­tive und menschenwürdige Lösungen anbieten. Nicht, wie es jetzt gerade geschieht, wo sich die Koalitionspartner ÖVP und SPÖ mit Dutzenden Lösungsansätzen über­bieten, die oft jede Menschlichkeit vermissen lassen.

Ich erinnere nur daran, dass Sie, Herr Bundeskanzler, noch vor einigen Monaten vor den Medien standen und den ungarischen Premier Viktor Orbán als antieuropäisch, als unmenschlich beziehungsweise sein Vorgehen als nicht wirkungsvoll zu Recht kritisiert haben, gerade als es um die Zaundebatte gegangen ist. Jetzt auf einmal ist das für Sie vorstellbar – und nicht nur das: Es ist sogar Ihr Wunsch, die Grenze dichtzumachen. Ja, es ist Ihr Wunsch! Für mich bleiben hier nur die gleichen Argumente wie die, die Sie gegenüber Orbán gehabt haben: Es ist antieuropäisch, es ist unmenschlich und es ist nicht wirkungsvoll, Teile von Österreich in einem Grenzzaun einzukapseln. – Schade, dass sich Ihre Haltung so sehr geändert hat, das ist wirklich enttäuschend.

Und abgesehen davon soll es zusätzlich zu dieser Kapselidee, die Sie da haben, Tageskontingente beziehungsweise Stundenkontingente von Flüchtlingen geben, wie Ihr neuer Verteidigungsminister und die Innenministerin das der „Kronen Zeitung“ mitge­teilt haben. Das heißt, dass zukünftig nur mehr 100 AsylwerberInnen pro Tag angenommen werden beziehungsweise 4,17 Menschen pro Stunde. Ich bin ja schon gespannt, wie das dann funktionieren soll. Da sind wir ja schon gespannt.

Aber ich kann mich noch erinnern, Herr Bundeskanzler, als am 20. Jänner, also vor ein paar Tagen, noch vereinbart worden ist, zuerst ein Gutachten über die Gesamtsituation abzuwarten, ob es überhaupt rechtlich zulässig ist, eine Obergrenze für flüchtende Menschen einzuführen, ob das überhaupt möglich ist. Dieses Gutachten soll im März erscheinen. Jetzt haben wir diese Situation und wir wollen Grenzzäune bauen. Halb so wild! Es geht ja bei dieser Obergrenze nur um Menschen, um mündige Individuen. Was solls? Das ist sozusagen die Politik.

Und das bringt mich schon zur nächsten Problematik, dass man anscheinend keine Grenzen mehr zwischen den Koalitionspartnern und der FPÖ erkennt. (Bundesrat Dörfler: Man sieht, dass wir recht haben!) Ja, das sieht man ja gerade auch hier im


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Bundesrat. Da steht der FPÖler da und gratuliert Ihnen und wünscht Ihnen weiterhin viel Kraft für die nächsten Schritte. Ja, die SPÖ kritisiert Sie. Also man sieht schon, dass hier die Grenzen nicht mehr sichtbar sind. Und ich spreche auch ganz gezielt den Vorschlag von Ihnen, Herr Faymann, an, den Sie in den letzten Tagen in den Boule­vardzeitungen gebracht haben. Dort haben Sie gemeint: Vor Krieg und Elend fliehende Menschen sollen von Frontex aus dem Mittelmeer gerettet oder gefischt werden.

Aber Vorsicht, der Haken an der ganzen Sache: Anschließend sollen sie nämlich stante pede – volez! – wieder Richtung Türkei retour geschickt werden. Ich finde diesen Vorschlag schlicht unglaublich, einfach ekelhaft – ganz ehrlich –, denn abgesehen von der Unmenschlichkeit glauben Sie doch selber nicht, dass die Türkei bei diesem Deal irgendwie mitmachen wird und dieser auch funktionieren wird. (Bundesrat Mayer: Ansprechen kann man es, genau das wurde angesprochen!)

Diese Vorgehensweise, dieses Es-sich-leicht-Machen darf in dieser Herausforderung – Schutz vor Verfolgung – nicht zur Debatte stehen, auf keinen Fall. Das ist ein Men­schenrecht und muss sichergestellt werden. Traurig, dass ich das bei dieser Diskus­sion überhaupt anmerken muss.

Ich möchte jetzt nicht nur auf die Vorschläge der Bundesregierung eingehen, denn dass es kurz-, mittel- oder langfristige Maßnahmen geben muss oder solche benötigt werden, ist unbestreitbar. Die Frage ist nur: Wie schauen diese aus? Welche sind auch menschenwürdig?

Ein Punkt, der sehr begrüßenswert ist, sind zum Beispiel die geplanten Hotspots an den EU-Außengrenzen, die ja laut EU-Flüchtlingskommissar schon in ein paar Wochen einsatzbereit sind. Diese wären wichtig und längst überfällig, um Flüchtlingen und Vertriebenen das Erreichen des sicheren Bodens in Europa zu ermöglichen, ohne dass sie ihr Leben auf der Flucht riskieren müssen. Kaum jemand hat die Chance, auf lega­lem Weg, mit Flugzeug oder Fähre, einzureisen. Stattdessen müssen sich Flüchtlinge Schleppern ausliefern, die sie für viel Geld auf lebensgefährlichen Routen nach Europa schmuggeln.

Allein im Vorjahr sind über 3 300 Menschen – Frauen, Männer, Kinder – auf dem gefähr­lichen Weg über das Mittelmeer gestorben, und es werden täglich mehr. Solange es diese Hotspots noch nicht gibt, muss eine enge Zusammenarbeit mit den Nachbarländern erfolgen. Es soll auch im Rahmen einer geordneten Ein- und Durchreise abgeklärt werden, ob die Aufnahme in Nachbarländern möglich ist, ob ein Asylantrag in Österreich gestellt werden kann oder ob die Voraussetzungen für einen Asylantrag überhaupt gegeben sind. Hier muss es ein faires und klares System in der Asylverwaltung geben. Dafür braucht es genügend Personal im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, denn wer in Österreich einen Asylantrag stellt, hat ein Recht auf ein korrektes und auf ein schnelles Verfahren.

Asylschnellverfahren an den Grenzen beinhalten meiner Meinung nach die Gefahr von Willkür und Schlampigkeit. Wenn Asylverfahren aber auch rechtlich einwandfrei und negativ beurteilt worden sind, dann ist auch eine Empfehlung des UNHCR notwendig, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu setzen. Und wie schon der Kollege von der SPÖ gesagt hat, muss hier auch gleich dazugesagt werden, dass sich Herr Außen­minister Kurz einmal auf die Außenpolitik konzentrieren soll und nicht so sehr auf die Innenpolitik, wie er es gerade macht. Er sollte lieber mit den Ländern, die ihre Staats­bürger und Staatsbürgerinnen nicht wieder aufnehmen wollen, Rücknahmeabkommen ausverhandeln. Es wäre ja eine Aufgabe des Außenministers, dazu hätte er schon genug Zeit gehabt. (Bundesrat Gödl: Zeitung lesen! Wo ist er gerade, der Herr Kurz? Der ist so viel unterwegs wie kein anderer Außenminister!) – Ich höre mehr innenpo­litische Ratschläge von ihm als von seinen Aufgaben als Außenminister.


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Und das Allerwichtigste: Es muss an einer wirklich nachhaltigen Bekämpfung von Fluchtursachen und an der Schaffung von legalen Fluchtmöglichkeiten gearbeitet wer­den. Ich glaube, fast jeder hier kennt die erschreckenden Bilder von ausgedörrten und ausgehungerten Kindern in Aleppo. Erst heute sind wieder Berichte eingetroffen, dass dort wieder Randgebiete bombardiert worden sind. Vielleicht haben schon manche von Ihnen die Zeitung gelesen oder die Info bekommen. Hier muss dringend gehandelt werden, und es dürfen nicht nur leere Worthülsen dieser Bundesregierung folgen. Ich spreche hier nicht die 40 Millionen € im Rahmen der EU-Hilfe an, die ohnehin im EU-Budget vorgesehen sind, sondern die beinahe null Euro – die unter anderem auch in die Ressortzuständigkeit des Außenministers fallen –, die von Österreich an das World Food Programme überwiesen worden sind.

Fast null Euro! Das ist beschämend, das ist rücksichtslos, hier herrscht umgehend Handlungsbedarf! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.50


Präsident Josef Saller: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


9.51.01

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrtes Präsidium! Herr Präsident! Sehr verehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte doch auf einige Punkte eingehen: Wir haben im vergangenen Jahr, als Menschen an unserer Grenze gestanden sind, die dringend Nahrung benötigt haben, die dringend medizinische Versorgung benötigt haben, geholfen. Das zeichnet Österreich aus. Es haben sich nicht die durchgesetzt, die gesagt haben: Hilf lieber niemandem, denn allen in der Welt kannst du nicht helfen, also ist es besser, gar niemandem zu helfen!, son­dern es sind viele engagierte Österreicherinnen und Österreicher quer über alle Partei­grenzen, viele überhaupt nicht parteipolitisch organisiert, auf die Bahnhöfe, an die Grenzen gefahren und haben Menschen geholfen.

Wir haben unsere auch international bekannte Hilfsbereitschaft – egal, ob bei der Ungarnkrise oder während des Jugoslawienkriegs – auch letztes Jahr bewiesen, als wir mehr als 90 000 Menschen die Möglichkeit gegeben haben, bei uns einen Asylan­trag zu stellen. Wir haben Hunderttausenden Menschen, in Summe nahezu 95 Prozent jener, die zwischen August und Dezember zu unserer Grenze gekommen sind, so eine Versorgung angedeihen lassen, dass sie weiter nach Deutschland und einige davon weiter nach Schweden fahren konnten. Wir haben auch im Vorjahr die Europäische Union und alle Mitgliedsländer darauf aufmerksam gemacht, dass nur ein gemein­sames Vorgehen das Menschenrecht sichert, nur ein gemeinsames Vorgehen mit einer Verteilung in Europa die Möglichkeit bietet, das zu sicherzustellen, was wir uns alle wünschen, nämlich Menschen, die vor einem Krieg flüchten, auch die Chance auf Schutz zu geben, und dass das nicht drei Länder alleine tragen können.

Ich bin, 90 000 Anträge später, ein Jahr später, der festen Überzeugung, dass unsere Aussage im Vorjahr, es können in dieser Frage nicht drei Länder für die ganze Euro­päische Union einspringen, richtig ist. Das müssen wir heute noch deutlicher machen, aus einem sehr einfachen Grund, Herr Kollege Stögmüller: Wenn ich sagen würde – nur durchgedacht mit Ihnen –, Österreich springt ein, ganz egal, wie sich Deutschland verhält, ganz egal, wie sich Schweden verhält, ganz egal, wie sich die anderen Mitglie­der der Europäischen Union verhalten, wir nehmen alle, die heuer zu uns kommen wollen und ein Asylrecht haben, ohne Richtwert und Obergrenze – Herr Kollege, wenn Sie sich das einmal durchdenken –, dann muss ich Ihnen sagen, das schaffen wir nicht!


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(Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Dörfler: Bravo! – Bundesrat Stögmüller: Von wem kriegen Sie Applaus? – Von der FPÖ!)

Herr Kollege, wir haben keine Chance, das Asylrecht für ganz Europa in Österreich wahrzunehmen. Und deshalb ist das so wichtig. Ich verstehe, dass der eine „Richtwert“ sagt, der andere nennt es „Obergrenze“. Ich verstehe für mich den Unterschied, aber der ist nicht der entscheidende. Der entscheidende Unterschied ist, dass wir in der Europäischen Union auch die anderen Mitgliedsländer nicht belügen. Wir werden heuer nicht 200 000, 300 000, 400 000 Menschen nehmen können, wenn sie an unserer Grenze stehen.

Ich sage Ihnen, was wir angeboten haben: Wir haben nicht angeboten, im Unterschied zu manch anderen Ländern, die berühmte „Nullzahl“ an Asylwerbern aufzunehmen, sondern wir haben im Vorjahr etwa einem Prozent, gemessen an unserer Bevölkerung, die Möglichkeit gegeben, bei uns einen Antrag zu stellen: 90 000 – bei unserer Bevöl­kerungszahl etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung. Wir haben in der Bundes­regierung für die nächsten vier Jahre beschlossen – da gibt es auch unterschiedliche Meinungen und Zugänge, aber eine Regierung muss letztlich einen Beschluss fassen, sie kann und soll auch die Breite in einer Partei zur Kenntnis nehmen, Sie haben das ja auch gesagt, aber irgendwann muss man auch etwas sagen, was auch den anderen Mitgliedsländern mitgeteilt wird –, wir haben uns also entschlossen, eine weitere Anzahl an Anträgen, entsprechend 1,5 Prozent der Bevölkerung Österreichs, in den nächsten vier Jahren entgegenzunehmen, Menschen ein Asylrecht zu geben, mit all­dem, was für die Gemeinden, für die Länder – Sie vertreten ja Gemeinden und Län­der – an Integrationsanstrengungen notwendig ist: von der Wohnung zum Arbeitsplatz, von der Ausbildung zum Kindergarten, also keine Kleinigkeit. Das entspricht also, wenn man fünf Jahre zusammenrechnet – und da komme ich zur Hilfsbereitschaft Öster­reichs –: 1 Prozent im Vorjahr, 1,5 Prozent für die nächsten vier Jahre, macht 2,5 Pro­zent der Bevölkerung. Das haben wir beschlossen.

Wir sind bereit – und das ist der Richtwert, Herr Kollege –, Menschen aufzunehmen, sie zu integrieren und ihnen ein faires Verfahren angedeihen zu lassen. Das ist eine Zahl, von der wir überzeugt sind. Würden die Mitgliedstaaten der Europäische Union das in ganz Europa auch nur annähernd machen, dann wären das in fünf Jahren 12,5 Millionen Menschen in der Europäischen Union. Die Europäische Union hat nämlich 500 Millionen Einwohner, 2,5 Prozent wären 12,5 Millionen. Die Europäische Union könnte 12,5 Millionen Menschen versorgen und integrieren, wenn sie dem Vorbild Österreichs folgen würde. Das ist schaffbar. Aber Österreich alleine – das ist nicht schaffbar! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Stögmüller, zu Ihren Aussagen zu Frontex und zur Türkei: Wie soll denn eine legale Einreise funktionieren? (Bundesrat Stögmüller: Hotspots zum Beispiel! Das ist doch ein Vorschlag von Ihnen! Hotspots!) – Herr Kollege, eine legale Einreise bedeutet, man muss sich irgendwo, beim UNHCR oder bei irgendeiner Stelle, melden und sagen, ich möchte nach Europa. Die kann doch nicht funktionieren, wenn es verschiedene Wege von der Türkei in die Europäische Union gibt. Ich will Ihnen gerade erklären, warum ich die Leute in die Türkei zurückführen möchte und warum ich das vorschlage.

Wenn wir eine legale Einreise organisieren könnten – und ich möchte Ihnen nicht ver­sprechen, dass dieser Vorschlag funktioniert, aber ich kann Ihnen sagen, warum ich ihn mache –, wenn ich mit dem UNHCR und der Türkei vereinbaren kann, dass wir eine Anzahl von Kriegsflüchtlingen als Kontingent in Europa übernehmen, dann kön­nen wir doch nicht gleichzeitig zuschauen, wie auf dem illegalen Weg – mit Schleppern oder ohne Schlepper – täglich Tausende nach Griechenland und dann weiter in die Europäische Union gehen. Wir können doch nicht zwei Wege gleichzeitig akzeptieren:


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die Kontingente mit der quasi geordneten Einreise und daneben Tausende – und an schönen Tagen, das sagen uns alle, werden wieder 10 000 zu erwarten sein – gleichzeitig auf dem zweiten Weg in die Europäische Union, die jetzige Route.

Das habe ich klargemacht, Herr Kollege – und ich mache es mir da nicht leicht –, ich habe klargemacht, dass ein Kontingent für die Europäische Union nur dann Sinn haben kann, wenn der illegale Weg beendet wird. Und wie beendet man den illegalen Weg? – Indem jeder, der, von einem Schlepper organisiert, mit einem Schlauchboot zur Insel Lesbos oder zu einer dieser Inseln kommt, dort aufgenommen und dann mit der Fähre nach Griechenland gebracht wird und von Griechenland nach Mazedonien, nach Serbien, nach Kroatien, nach Österreich und Deutschland weiterreist? – Nein, sondern indem man sie zurückführt, um dort eine geordnete Einreise gemeinsam mit der Europäischen Union zu organisieren.

Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass die Türkei das will, aber richtig wäre es, wenn Sie einmal durchdenken, wie eine geordnete Einreise funktionieren kann: doch nur indem man ungeordnete und illegale Einreise beendet. Das ist meine tiefe Überzeu­gung, deshalb habe ich diesen Vorschlag gemacht.

Nun weiß ich, meine sehr verehrten Bundesrätinnen und Bundesräte, dass die Vor­schläge, die wir in der Europäischen Union gemeinsam gemacht haben, die richtigen für die Solidarität in Europa wären. Nun habe ich aber als verantwortlicher Regierungs­chef nicht die Möglichkeit, einfach darauf zu warten und dafür zu kämpfen, dass die Europäische Union diese Vorschläge umsetzt, ohne diese so ungeliebte Notfallmaß­nahme Plan B vorzubereiten. Alleine Ihr Beispiel, das Sie gebracht haben – und ich gehe wirklich auf das ein, denn ich respektiere jeden und jede andere Meinung –, Herr Kollege Stögmüller: Alleine wenn man ein Gutachten in Auftrag gibt, ob es einem Land erlaubt sein kann, bei einer gewissen Zahl zu sagen, das können wir alleine nicht mehr stemmen, braucht man dann technische, organisatorische und personelle Vorausset­zungen – auch nach einem Gutachten –, das umzusetzen.

Wenn wir nicht jetzt auch an der Grenze am Brenner die Voraussetzungen für eine geordnete Einreise, eine Kontrolle, schaffen, dann hilft auch ein Gutachten nichts, denn dann haben wir ein Gutachten, aber keine Voraussetzungen. Dasselbe gilt auch für alle Grenzübergänge entlang der Balkanroute. Wenn wir nicht jetzt im Februar die Voraus­setzungen schaffen und im Mai dann dort stehen und sagen: Die europäische Lösung hat leider nicht so funktioniert, wie das viele Pro-Europäer wollten, und sonst haben wir auch keine Vorsorge getroffen!, das ist unverantwortlich, und dafür stehe ich nicht zur Verfügung.

Es ist ein Unterschied, ob ich in der Opposition bin und sage: Ich habe da eine Ideallösung und über alles andere rede ich nicht, denn das kommt mir nicht so tauglich vor. Wir haben darüber zu reden, was passiert, wenn wir in der Europäischen Union mit den richtigen Vorschlägen nicht zeitgerecht in der Umsetzung dran sind, welche Maß­nahmen wir an unseren Grenzen, welche Maßnahmen wir in enger Zusam­menarbeit mit den Nachbarn gemeinsam an den Grenzen der Balkanroute zu setzen haben – nicht, weil es so lustig ist, nicht, weil es so super ist, sondern weil es notwen­dig ist und weil wir Verantwortung zu tragen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich komme daher auch zu jenen Rednern, die angesprochen haben, dass Frontex auszubauen richtig wäre, dass die EU-Außengrenzen zu schützen besser wäre als die Innengrenzen zu schützen, dass das das Richtigste und Beste wäre. Ich komme zu jenen, die sagen, Aufnahmezentren sollen dazu da sein, dass sie auch Rückführungs­abkommen für jene vereinbaren, die kein Asylrecht haben. Das alles ist richtig. Das alles werde ich vorantreiben. Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, dass, weil ein,


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zwei, drei oder vielleicht sogar fünf Länder eine Meinung vertreten, deshalb die ande­ren 23 das machen.

Solidarität kann man einfordern, ihre Notwendigkeit kann man begründen, dafür kann man kämpfen, dafür kann man sich 24 Stunden am Tag politisch einsetzen, aber die Europäische Union ist keine Diktatur. Auch wir werden das nicht verordnen können, und deshalb müssen wir die unterschiedlichen Möglichkeiten vorbereiten, auch wenn wir eine klare Priorität in einem gemeinsamen Europa und einem gemeinsamen europäischen Vorgehen sehen.

Und es wird in der Ständigen Vertretung Österreichs wieder der Fall sein – wahrschein­lich nächste Woche schon –, dass wir uns mit jenen Ländern treffen, die für eine europäische Lösung, die für ein möglichst gemeinsames Vorgehen mit der Türkei sind. Ich brauche da keine Zurufe, dass mit der Türkei alles schwierig ist. Wer die Türkei kennt, weiß, dass das nicht einfach ist. Das weiß ich ganz genau. Es ist kein Zufall, dass wir schon vor Jahren festgelegt haben, dass wir, sollte die Türkei einmal in die Europäische Union wollen, eine Volksbefragung wollen, weil wir nämlich der Meinung waren, dass da eben nicht alles so in Ordnung und so einfach ist.

Das heißt, wir wissen ganz genau über die Schwierigkeiten mit einem Partner wie der Türkei, sie ist nun aber der Nachbar von Griechenland, und daher sehe ich in all diesen Bemühungen um eine gemeinsame europäische Lösung natürlich auch eine gewisse Notwendigkeit – keine Vision, Illusion –, mit der Türkei zu möglichst vielen Lösungen zu kommen. Aber auch ich würde mich nicht darauf verlassen oder das gar als sichere Sache bezeichnen.

Es kommt zusammenfassend daher politisch für mich darauf an, was ohnehin auch viele Redner und auch viele Menschen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht haben: Österreich hat für fünf Jahre die Bereitschaft gezeigt – und zeigt sie –, 2,5 Pro­zent, gemessen am Bevölkerungsanteil, Flüchtlingsanträge entgegenzunehmen und die Menschen in fairen Verfahren und mit den nötigen Integrationsschritten auch zu integrieren. Das ist keine einfache Sache! Jede Bürgermeisterin, jeder Bürger­meister, jeder Arbeitsmarktexperte, jeder Wohnbauverantwortliche kann sagen: Das ist keine Sache, bei der es sich Österreich leicht gemacht hat, die Zahl zu niedrig ansetzt und das Vielfache auch kein Problem wäre. Nein, schon das wird eine harte Herausfor­derung für unser Land. Aber das werden wir beweisen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.05


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


10.06.18

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung für die heutige Aktuelle Stunde mit dem Titel „Aktuelle Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation“ war es eigentlich ganz logisch: Herausforderungen sind dazu da, dass wir sie angehen, und in die Politik sind wir ganz sicher alle gegangen, damit wir Herausforderungen lösen können – und noch dazu menschlich lösen, denn das ist unserer Meinung das Wichtigste.

Ich hatte die Möglichkeit, im Vorfeld an zwei Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen auf einer lösungsorientierten und sehr sachlichen Ebene über die Frage, wie wir den


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Menschen, die bei uns in Österreich Schutz und Hilfe suchen, am besten helfen kön­nen, gesprochen wurde. Die eine war hier im Parlament das 2. Barbara Prammer-Symposium, die Zweite war eine Tagung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von ganz Österreich.

Ja, der Herr Bundeskanzler hat es schon angesprochen, die Gemeinden sind es, die direkt und vor Ort arbeiten können und dürfen und den Menschen die Rahmenbedin­gungen ermöglichen können, damit sie hier bei uns auch wirklich das finden, was sie brauchen, was sie sehr lange gesucht haben, nämlich Schutz, Ruhe und auch ein bisschen Stabilität.

Es gibt auch in der Gemeindepolitik sehr viele Herausforderungen. Die Deutschkurse, die wir alle wollen, die die Menschen brauchen, die zu uns kommen, denn ansonsten können sie sich nicht bei uns bewähren, die notwendig sind, sind aber für die Gemein­den und für die Menschen, die bei uns Schutz suchen, eine wirkliche Herausforderung. Ich komme aus dem Burgenland. Unsere Verbindungen von den Gemeinden in andere Gemeinden sind so kompliziert, dass die Flüchtlinge dort nicht öffentlich hinfahren können, dass sie jedes Mal entweder mit einem Taxi fahren müssen, mit dem Geld, das sie natürlich nicht haben – denn woher auch –, oder die Gemeinden wieder gefor­dert sind, hier etwas zu suchen. Das heißt, das ist eine Herausforderung, die wir lösen müssen. In meinem Bezirk haben wir diese Herausforderung mit einem Zusammen­schluss aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gelöst, sodass wir die Menschen auch zu den Deutschkursen hinbringen können, weil das notwendig ist.

Ich möchte das nur als Beispiel nennen, da es natürlich so ist, dass wir jede Heraus­forderung auch auf eine Art und Weise angehen können, die menschlich ist. Ich habe auf meiner Facebook-Seite einmal geschrieben, wenn ich eine Entscheidung zu treffen habe, dann versuche ich, das nach folgenden Kriterien zu machen: Wem hilft es? Ist es solidarisch? Ist es für die Menschen so, dass sie in ihrer Freiheit nicht eingeschränkt werden, und können wir das gemeinsam lösen? – Ich glaube, dass das das Wichtigste ist. Ich kann es so angehen oder ich kann es so angehen, dass ich eine Lösung finde, die für die Menschen, die zu uns kommen, nicht möglich ist.

Die Bundesregierung hat jetzt den Tagsatz für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf 95 € hinaufgesetzt. Die Organisationen, die mit den Flüchtlingskindern und den Jugendlichen arbeiten, wissen, dass es noch immer mehr brauchen würde, aber natürlich strecken sie sich nach der Decke. Es gibt in Burgenland einen Landeshaupt­mann-Stellvertreter, der es wirklich zusammenbringt, zu sagen, dass er das nicht mittragen wird, denn es ist zu viel, was hier für diese Kinder ausgegeben wird. Ich frage mich, wie das möglich sein kann. Wie kann ich jemandem, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling zu uns nach Österreich kommt, sagen, 95 € ist für die Organisation – nicht für den Jugendlichen, für die Organisation –, die ihn betreut, zu viel? Das grenzt an Unmenschlichkeit, und über das möchte ich gar nicht nachdenken. Wenn ich das nicht hergebe, ist das ein Lösungsansatz, der für mich unmenschlich ist.

Es ist so wie mit einem Hammer: Ich kann einen Hammer nehmen und ein Bild an die Wand schlagen, damit es schöner ausschaut – oder ich kann einen Hammer nehmen und mit dem Hammer jemandem auf den Kopf hauen. Dann tut es weh, aber es bringt keine Lösung, und ich habe auch nichts davon. So eine Politik möchte ich nicht unterstützen und möchte ich auch nicht weitermachen.

Ich glaube, im Jugoslawienkrieg 1992, 1993 haben wir über 90 000 Menschen bei uns aufgenommen. Über 90 000 Menschen! Ich möchte wiederum das Beispiel meiner kleinen Gemeinde Hirm bringen. Hirm hat während des Jugoslawienkriegs 40 Per­sonen aufgenommen. Wir haben diese 40 Personen gut integriert. (Bundesrat Dörfler: Das sind ja Europäer! Das sind ja Nachbarn!) Es sind noch immer fünf Familien, die bei


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uns wohnen. Ich habe jetzt bei dieser Flüchtlingskrise 30 Personen aufgenommen. Sie sind mit allen Schwierigkeiten wirklich gut integriert. Aber ich sage euch etwas: Es war wesentlich schwieriger, diese Menschen jetzt aufzunehmen, weil wir ein anderes politi­sches Klima als 1992 haben. Es ist leider so, dass sich die politische Landschaft geändert hat.

Ich möchte eines ganz klar sagen: Es hilft uns keine politische Hetze gegen diese Menschen, die zu uns kommen. Es hilft uns überhaupt keinen Zentimeter weiter. (Bei­fall bei der SPÖ.) Das Einzige, was uns hilft, ist, dass wir wirklich hinter diesen Leuten stehen. Eine Diskussion darüber, ob diesen Menschen eine bedarfsorientierte Mindest­sicherung ausgezahlt wird oder nicht, ist eine, die wir jetzt wirklich nicht brauchen können. Wir sind ein Sozialstaat!

Und wenn Herr Kollege Dörfler sagt: Mir bricht das Herz, wenn die arme Bäuerin so wenig bekommt! Dann muss ich mir überlegen: Wenn ich in einem Sozialstaat etwas einbezahle, bekomme ich es zurück. Man muss auch schauen, was diese Dame einbezahlt hat und was sie nicht einbezahlt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.)

Jetzt höre ich von manchen Parteien: Alle sind jetzt arm. Ich möchte nur daran erin­nern, wer den Begriff Sozialschmarotzer geprägt hat. Und dazumal waren die Sozial­schmarotzer nicht die Flüchtlinge, denn wir hatten sie nicht. Dazumal waren die Sozial­schmarotzer diejenigen, die jetzt die bedarfsorientierte Mindestsicherung bekommen, hinter denen die Freiheitliche Partei jetzt angeblich so steht. Ich möchte das nicht mehr! Es hilft uns keine Hetze! Hört bitte auf zu hetzen! (Ruf bei der FPÖ: Sie drehen einem das Wort im Mund um!) Schaut auf die Menschen, die zu uns kommen und die da sind! Helfen wir ihnen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

10.12


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


10.12.53

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuseher zu Hause! Mir kommt die Diskussion heute so vor: 1965, glaube ich, hatte der ORF die Möglichkeit, das Fernsehprogramm in Farbe auszustrahlen, aber die Zuseher konnten nur schwarz-weiß empfangen. Auch heute bei der Diskus­sion schaut es teilweise so aus – der Herr Bundeskanzler hat es ja angesprochen –, dass wir wirklich an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit durch die Flüchtlingsthe­matik stoßen, aber so manche wollen es noch nicht verstehen. Ich denke, auch in Ihrer Fraktion! Ich habe es von Herrn Lindner mitgekommen, dass auch er noch eine andere Anschauung hat als Sie, Herr Bundeskanzler, aber wir, seitens der ÖVP und auch besonders unsere Innenministerin hat ja schon vor Monaten, nämlich im September, diese Thematik des Zauns und der Grenzsicherung angeschnitten. Es war leider zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

Ich bin selten mit Kollegen Dörfler einer Meinung, aber die Grenzsicherung ist sicher­lich ein wichtiger Punkt. Wenn wir es schaffen, dass wir bei einem Fußballstadion die Sicherheit herstellen können, wo Tausende Menschen aus- und eingehen, werden wir es wohl schaffen, dass wir 15 000 Menschen an der Grenze kontrollieren.

Ich erinnere mich noch genau an die Bilder von der A4 mit den 71 Toten. Wir sind alle schockiert gewesen. Ich verstehe auch, dass Österreich und Deutschland gesagt haben: Ja, bitte kommt! Wir wollen solche Szenarien nicht mehr sehen. Nur: Wir haben die Bilder täglich im Mittelmeer, wir haben die Bilder täglich, wie die Menschen durch


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die Wüste wandern, wobei ein Drittel jener, die aus den Kriegsherden wie Kenia und Somalia flüchten, in der Wüste ums Leben kommen.

Und wo liegt die Ursache? – Die Ursache sehe ich auch in den sechziger Jahren, als Ayatollah Khomeini – der Landtagspräsident aus Salzburg wird es noch wissen – im Iran die Revolution angekündigt hat, den islamischen Staat ausgerufen hat und damals auch Europa geglaubt hat, der Iran wird einen besseren Weg einschlagen, um billige-res Öl zu bekommen. Das Gegenteil ist entstanden! Der Iran wurde ein totalitärer Staat, und somit hat sich diese Entwicklung in den Nachbarländern fortgesetzt. Der Arabische Frühling hat genau die gleichen Vorzeichen mit sich gebracht. Der Arabische Frühling hat die Zeichen gebracht, dass es in den Ländern besser wird. Wo sind wir hingekommen? – Die Hoffnung der Menschen ist zerstört, und sie kommen zu uns.

Ein weiterer Punkt: Warum kommen die Menschen zu uns? – Durch die digitalen Medien hat heute der Kenianer, der Massai in Kenia, die gleichen Bilder von Österreich auf seinem Handy, wie wir sie haben. Genauso wie im Internet nationalsozialistische Propaganda gemacht wird, wird auch Propaganda gemacht, dass die Menschen nach Europa kommen. Wir werden ganz schwer daran zu arbeiten haben, diese Propaganda einzustellen. Wir müssen die Internetpropaganda einstellen!

Ein wichtiger Punkt ist auch Russland. Russland spielt im ganzen Gebilde sicherlich ein ganz interessantes Spiel. Russland unterstützte damals nicht die Staatengemein­schaft gegen Syrien und fliegt jetzt selber Angriffe in Syrien und verursacht, dass noch mehr Flüchtlinge nach Europa kommen. Das ist auch ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Wenn ich jetzt höre, dass die Franzosen die Zwischenfälle in Köln belächeln, graut es mir. Es kann doch nicht sein, diese Zwischenfälle zu belächeln und zu sagen: Die Deutschen haben die Leute eingeladen, da müssen halt die Frauen Röcke anziehen! Ich bestehe darauf: Wenn diese Leute zu uns kommen, dann müssen sie unsere Kultur annehmen und nicht wir ihre Gepflogenheiten.

Ich bin auch bereit, dafür weiterhin in den Gremien des Bundesrates einzutreten – gemeinsam mit der Bundesregierung. Es war eine kluge Entscheidung, Minister Doskozil ins Verteidigungsministerium zu setzen, denn jetzt sehen wir: Es wird in der Regierung wieder zusammengearbeitet, um auf dem richtigen Weg die Sicherheit Österreichs herzustellen. Ich bin froh, dass wir heute diese Aussprache auf diesem Niveau haben, aber bitte hören wir mit der Schwarz-Weiß-Malerei auf, denn sie ist lange schon nicht mehr die Tatsache, die uns in Österreich beschäftigt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.17


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


10.17.34

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Vorweg möchte ich ganz kurz auf den Kollegen Lindner und seinen ersten Redebeitrag eingehen: Wenn er schon Bert Brecht als moralische Instanz zitiert, dann könnte er vielleicht in einer seiner nächsten Reden erklären, warum der Herr Bert Brecht als überzeugter Kommunist den Zweiten Weltkrieg nicht in sowjetischer Uniform, sondern im schönen sonnigen Kalifornien beim „Klassenfeind“ verbracht hat. Vielleicht haben Sie dazu auch eine Erklärung, bevor Sie uns hier mit Bert-Brecht-Zitaten quälen! (Bundesrätin Kurz: Was soll denn das jetzt wieder? Sinnlos!)


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Herr Bundeskanzler, was haben Sie eigentlich bislang zur Sache geboten? – Sie sind der Regierungschef und seit einem halben Jahr überlassen Sie dieses Land Asyl­forderern, Asylbetrügern! Die mediale Berichterstattung – ohne Ausnahme in allen Tageszeitungen, man kann das nicht auf Boulevardzeitungen oder Qualitätszeitungen begrenzen – in allen Tageszeitungen spricht täglich von Übergriffen, von Gewaltexzes­sen, von Sexualübergriffen. Man hat ja manchmal den Eindruck, ein Teil dieser Men­schen, die ins Land kommen, sind Sextouristen mit falschen Reisepässen. (Bun­desrätin Kurz: Die Sextouristen sind schon woanders!)

Diesen Eindruck macht es derzeit und dazu kommt, dass wir offenbar ohnehin nicht alles erfahren, was in diesem Land passiert. Am 30. Jänner 2016 schreibt die „Kronen Zeitung“: „Die ‚Krone‘ hat es nun schwarz auf weiß, dass in der aktuellen Asylkrise einiges verschwiegen wird.“

Herr Bundeskanzler, Sie sind ja bekannt für Ihre guten Kontakte zur „Kronen Zeitung“, haben dort auch durchaus als Masseninserator agiert. Vielleicht können Sie sich hier heute erklären und sagen: Die „Kronen Zeitung“ lügt, es gibt keine Zensur. Erklären Sie das hier! Es wäre sicher auch interessant, wie die Redaktion der „Kronen Zeitung“ auf Ihre Erklärung reagiert.

Herr Bundeskanzler, wer Hunderttausende Menschen, ohne Kontrolle, ohne jede Sicherung quer durch Österreich schleppt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn Kriminalität und Terror in Europa Einzug halten. Die Übergriffe zu Silvester waren nicht nur in Köln, wobei die deutsche „Die Welt“ vor fünf Tagen geschrieben hat, dass es seit dem Jahr 2013 22 000 Übergriffe durch minderjährige Asylwerber in Köln gegeben hat.

Vielleicht lügt ja „Die Welt“ auch, ich weiß es nicht. (Bundesrätin Kurz: Na geh! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Nicht nur seit Köln, seit Salzburg, seit Paris, seit Hamburg stehen diese Übergriffe als Synonym auch für Ihr Versagen, Herr Bundeskanzler! Und die dafür politisch Verant­wortlichen, die dafür gesorgt haben, dass diese Menschen ohne Kontrollen nach Europa und nach Österreich kommen, werden ebenfalls zu ihrer Verantwortung stehen müssen, genauso wie diejenigen, die versuchen, mit einer Kalaschnikow für ein anderes Wertesystem in Europa einzutreten. Das hat überhaupt nichts damit zu tun.

Sie können sich jetzt noch hinter Ihrer parlamentarischen Mehrheit im Parlament verstecken. Ich garantiere Ihnen, dass Sie diese parlamentarische Mehrheit längst verloren haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.) Und Sie, Herr Kanzler, sind mittlerweile zu einer unerträglichen Belastung für die Politik in diesem Land geworden. (He-Rufe bei der SPÖ.) Sie sind zu einer unerträglichen Belastung für die Politik in diesem Land geworden! (Bundesrat Beer: Nur dumm reden, ist zu wenig!)

Dass Sie die SPÖ in den Abgrund führen – geschenkt, das stört mich nicht weiter. Das ist Ihre Form der Politik. Dass Sie aber die Republik in den Abgrund führen, Herr Bundeskanzler, das ist etwas, das mir weit nähergeht. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Man sollte sich schon überlegen: Gestern war Aschermittwoch, die Faschingszeit ist vorbei! Sie, Herr Faschingskanzler, sollten endlich die Narrenkappe abnehmen. (He-Rufe bei SPÖ und ÖVP.) Herr Bundeskanzler, treten Sie zurück! Sie schaffen das! (Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

10.21


Präsident Josef Saller: Aufgrund eines Einwurfes werde ich mir das Stenographische Protokoll ansehen und dann reagieren.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 29

10.21.55

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Wertes Präsi­dium! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Kollegen und Kolleginnen! Die Debatten rund um die Flüchtlinge beschäftigen uns ja nicht erst seit heute, sondern seit Monaten, also seit Längerem. Die Zeit reicht leider nicht aus, um auf alles einzugehen, was mir in diesem Zusammenhang wichtig wäre.

Nur eines: Ich glaube, abseits von Parteifarbe ist uns allen bewusst, dass, wenn wir das jetzt nicht schaffen, diese Herausforderung nicht schaffen, wir dann die Hand­lungs­unfähigkeit amtlich haben. Wir wissen alle, dass sich die Situation nicht bessern wird, wenn der Krieg in Syrien beendet wird, sondern dass wir die nächsten Jahre und Jahrzehnte mit weiteren Krisen konfrontiert sein werden und dass unsere Antworten darauf nicht ein paar Zäune oder eine Obergrenze sein kann.

Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, der in der Debatte viel zu kurz kommt. Wir reden immer von jungen Männern, die nach Europa kommen – das Stichwort Köln ist heute schon ein paar Mal gefallen –, aber wir denken nicht daran, wie es schutzsuchenden Frauen geht, die sich bereits in Österreich befinden.

Wir wissen, dass einer von zwei Flüchtlingen weltweit weiblich ist – mit steigender Tendenz. Zudem gibt es eine sehr ungleiche Verteilung von Frauen und Männern auf der Flucht. Während über 50 Prozent der syrischen Flüchtlinge in Jordanien bezie­hungs­weise in der Türkei weiblich sind, haben wir fünf Mal mehr Männer als Frauen bei Ankünften an EU-Mittelmeerküsten. In Österreich schwankt der Frauenanteil unter den Flüchtlingen seit 2010 zwischen 24 und 30 Prozent.

Wir wissen, dass weibliche Flüchtlinge nicht anders als männliche in Gemeinschafts­räumen untergebracht werden. Wir wissen, dass es kaum getrennte Unterkünfte gibt. Viele von Ihnen können sich vielleicht noch an die Diskussion über banale Duschvor­hänge in Traiskirchen erinnern. Das ist eine Sache, die wir uns abseits von der politischen Farbe, glaube ich, zu Herzen nehmen sollten, weil es da tatsächlich um eine Reproduktion und Fortführung dessen geht, was wir bekämpfen, nämlich Gewalt an Frauen.

Gewalt an Frauen findet nicht erst seit Silvester statt. Fakt ist, dass jede dritte Frau in Europa davon betroffen ist, dass Österreichs Frauenhäuser überfüllt sind, dass diese Frauenhäuser auch keine Flüchtlingsfrauen, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Österreich kommen, aufnehmen, dass es keine Beratung für diese Frauen gibt oder dass es keine Sensibilisierung beim Personal in den Erstauf­nahmezentren gibt, was Gewalt an Frauen anbelangt. Und wir wissen, dass diese Frauen, die schon auf der Flucht Gewalt ausgesetzt waren, diese dann in Österreich in den Aufnahmezentren und den Unterkünften weiterhin erleben.

Erschreckend ist es, wenn wir im Zuge der Diskussionen um Familienzusammen­füh­rungen genau diese Aspekte außer Acht lassen. Es ist auch erschreckend, wenn die schutzsuchenden Frauen keinen adäquaten Zugang zu medizinischer und psychologi­scher Betreuung haben.

Die Auflösung sozialer und gesellschaftlicher Strukturen einer Gesellschaft führt natürlich auch zu einer Zunahme der Gewaltbereitschaft. Wir wissen, dass in vielen Bürgerkriegen systematische Vergewaltigungen von Frauen zur erklärten Kriegsstra­tegie gehören und dass Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, unter psychischen Langzeitfolgen leiden.

Wir haben derzeit 240 Plätze in Traiskirchen, an die sich Frauen zurückziehen können. Mittlerweile gibt es auch schon ein paar Duschvorhänge. Was aber nach wie vor nicht


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 30

möglich ist, ist, dass Frauen, wie schon vorhin kurz erwähnt, in Österreichs Frauenhäu­sern unterkommen, wenn sie von Gewalt betroffen sind.

Ich erwähne das bewusst zum zweiten Mal, weil die Plätze in den Frauenhäusern und deren Ausfinanzierung im Bereich der Länderkompetenz liegen. Im Moment ist es nämlich so, dass lediglich in Tirol und Salzburg Frauenhäuser die budgetären Möglich­keiten haben, weibliche Flüchtlinge aufzunehmen.

An dieser Stelle mein Plädoyer an alle Ländervertreter, an alle Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, hier genauer hinzuschauen, wenn es darum geht, dass besonders Frauen, die nach Österreich kommen, Schutz erhalten sollten. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

10.26


Präsident Josef Saller: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Zelina zu Wort. – Bitte.

 


10.27.15

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Es ist das elementarste Recht jeder Nation, zu bestimmen, wer in das Land hereingelas­sen und in die Gemeinschaft aufgenommen wird und wer nicht in das Land hereinge­las­sen und nicht in die Gemeinschaft aufgenommen wird. (Zwischenrufe der Bundes­rätinnen Kurz und Blatnik.) Das ist wie bei jeder Vereinsmitgliedschaft. Und das gilt umso mehr oder besonders für eine Staatengemeinschaft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

EU-Asylquoten wären dann legitim, wenn die EU ein eigener Staat wäre und sich der EU-Regierungschef gemeinsam mit den EU-Bundesländern in demokratischer Weise auf eine Quotenverteilung einigen würde. Die EU ist aber kein eigener Staat. (Bun­desrätin Mühlwerth: Gott sei Dank!) Sie ist ein Staatenbund aus 28 selbständigen Nationen ohne diktatorische Zentralregierung.

Frau Merkel hat nicht zu bestimmen, wie viele und welche Flüchtlinge Ungarn oder Österreich aufzunehmen haben. Zwangszuteilungen von Flüchtlingen ohne Volksbe­fragung und gegen den Willen der Bevölkerung sind diktatorisch und finden deswegen keine Akzeptanz in Europa. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Ungarn keine muslimischen Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen will, weil sie die Geschichte gelehrt hat, dass ihr Land konfliktfreier ohne diese zur Gewalt, Aggression und Frauendiskriminierung neigenden Religionsgemeinschaften lebt, so ist das zu akzeptieren und nicht mit EU-Strafen zu drohen. (Bundesrätin Kurz: Verallgemeine­rungen sind unzulässig!)

Wenn Tschechien keine Flüchtlinge aufnehmen will, weil sie die Geschichte gelehrt hat, dass ihr Land konfliktfreier ohne fremde Volksgruppen lebt, so ist das ebenfalls zu akzeptieren. (Bundesrat Schennach: Die Romas …! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Selbst Bayern sagt, dass die Flüchtlingswillkommenspolitik von Frau Merkel ein großer Fehler war und die unkontrollierten Grenzüberschreitungen gegen die Verfassung ver­stoßen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Dass Flüchtlinge und Migranten ohne gültige Einreisepapiere und ohne Registrierung ungehindert in das Land kommen dürfen, ist für alle einheimischen Bürger untragbar. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Persönlich möchte ich anmerken, dass mir die Ungarn, die Tschechen und die Bayern sowohl kulturell als auch geschichtlich wesentlich näherstehen als Frau Merkel (Zwi-


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 31

schen­rufe bei der SPÖ), die den Anschein erweckt, gar keine österreichischen, deutschen und europäischen Interessen zu vertreten (Zwischenrufe bei der ÖVP), son­dern sogar NATO-Interessen oder russlandfeindliche, US-politische Interessen. (Vize­präsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Ich verlange von unserer Bundesregierung eine Politik im Interesse Österreichs und nicht im Interesse des Auslands. (Zwischenruf der Bundesrätin Blatnik.)

Statt Asylquoten und Zwangszuteilungen brauchen wir eine ausschließliche Nachbar­länderzuständigkeitsregel. Für Kriegsflüchtlinge sollen ausschließlich die unmittelbaren Nachbarländer eines Unruhelandes zuständig sein. Das entspricht der Nachbarschafts­hilfe und das entspricht der christlichen Nächstenliebe. Das ist für jeden Bürger verständlich und akzeptierbar. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Lassen Sie es mich klar formulieren: Österreich ist für syrische Flüchtlinge nicht zuständig. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Für syrische Flüchtlinge sind deren muslimische Nachbarländer – die Türkei, der Libanon, Jordanien und Saudi-Arabien – zuständig. Auch für afghanische Flüchtlinge, für pakistanische Flüchtlinge oder Afrika­flüchtlinge ist Österreich nicht zuständig.

Wir wollen einen völligen Stopp der Zuwanderung aus diesen Ländern. Österreich ist nur für Flüchtlinge aus seinen unmittelbaren Nachbarländern zuständig, zum Beispiel für die Ungarn, die Tschechen, die Kroaten, die Bayern. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir brauchen keine Regierung, die Österreich ständig für Probleme anderer Länder für zuständig erklärt, für die Österreich nach jeder Regel der Logik gar nicht zuständig ist. Das gilt nicht nur für die Flüchtlingspolitik, das gilt auch für die Kredite nach Griechen­land und die ESM-Haftungen.

Die Einzigen, die von so einer internationalen Problemverteilungspolitik profitieren, sind diejenigen, die die Kriege und Probleme verursacht haben, da sie die Folgekosten auf die ganze Welt verteilen, ohne selbst dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die Amerikaner verursachen die Kriege, und wir haben die Probleme und tragen die Kosten. (Bundesrat Schennach: Wie ist das mit den Langobarden?)

Die Hauptaufgabe unserer Bundesregierung ist, die österreichischen Interessen zu vertreten und nicht NATO-Interessen, nicht amerikanische Interessen und nicht die Interessen der Türkei oder von Saudi-Arabien oder von sonst wo. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Der Schutz und die Sicherheit unserer eigenen Bevölkerung muss Priorität haben. (Bundesrätin Kurz: Der weiß gar nicht, von was er redet!)

Wir fordern Schutzzonen, Flüchtlingsdörfer und Flüchtlingscamps in den unmittelbaren Nachbarstaaten der Krisenländer. Diese Flüchtlingsdörfer vor Ort gehören mit interna­tionalen Hilfsmitteln unterstützt; besonders die USA und Saudi-Arabien müssen da mitfinanzieren.

Es kostet 90 Prozent weniger, Flüchtlingsdörfer im Umkreis der Krisengebiete zu unterstützen, als die Flüchtlinge bei uns in Europa zu versorgen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Zusammenfassend meine Forderung im Namen der Bürger Österreichs: Andere Flücht­lingspolitik oder andere Regierung! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

10.33


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Mit diesem Debattenbeitrag ist die Aktuelle Stunde beendet.


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Der Herr Bundeskanzler wünscht keine Wortmeldung, oder? (Bundeskanzler Faymann: Ich wollte nichts mehr sagen!) – Nach Rücksprache mit dem Herrn Bundeskanzler ist diese Entscheidung so getroffen worden.

Ich darf die Bundesminister Doskozil, Klug und Stöger sowie Herrn Vizekanzler Mitterlehner im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat!

10.34.06Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2865/AB-BR bis 2873/AB-BR sowie

der Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung und Ernennung von Bundesministern

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokolls dieser Sitzung angeschlossen werden.

Mit Schreiben des Bundeskanzlers werden der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer, der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplô, und der Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport Mag. Gerald Klug gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten ihres Amtes enthoben.

Gleichzeitig werden gemäß Artikel 70 Abs. 1 B-VG Alois Stöger, diplô, zum Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Mag. Gerald Klug zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und Mag. Hans Peter Doskozil zum Bundesminister für Landesverteidigung und Sport durch den Herrn Bundespräsi­den­ten ernannt.

Eingelangt sind weiters Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Nominierung von österreichischen stellvertretenden Mitgliedern für den Ausschuss der Regionen der Europäischen Union sowie

ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Schließlich eingelangt sind zwei Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China im Bereich der sozialen Sicherheit und

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien im Bereich der sozialen Sicherheit.

Hinsichtlich des Wortlauts aller dieser Schreiben verweise ich ebenfalls auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 8)


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 33

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung von drei Bundesministern gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG und gleichzeitige Ernennung von drei Bundesministern gemäß Artikel 70 Abs. 1 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten:

 


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*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG:


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BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 38

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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


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Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG:

 


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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Minister­ratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz vom 7. bis 12. Februar 2016 in Bosnien und Serbien bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin-Schaller mit dessen Vertretung.

*****

Eingelangt sind außerdem die nachfolgend genannten Berichte, die wie folgt den ge­nannten Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen wurden:

Jahresbericht 2016 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG und § 7 EU-InfoG auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2016 und des niederländischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2016 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 47

niederländischen, slowakischen und maltesischen Ratsvorsitzes, III-570-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,

Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2016 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2016/17 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG, III-571-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föde­ralismus,

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung, III-572-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft, Forschung,

Strategische Jahresplanung 2016 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission und des Arbeits­programms der niederländischen Präsidentschaft sowie des 18-Monatsprogramms der niederländischen, slowakischen und maltesischen Präsidentschaften, III-573-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur,

Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016 sowie des Achtzehnmonatsprogramm des niederländischen, slowakischen und maltesischen Vor­sitzes des Rates der Europäischen Union, III-574-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten; dieser Bericht bildet bereits einen Tagesord­nungspunkt in der heutigen Sitzung,

Jahresvorschau des BMG 2016 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der europäischen Kommission für 2016 und des Programms des Rates (Nie­derlande, Slowakei und Malta), III-575-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Gesund­heits­aus­schuss,

EU-Arbeitsprogramm 2016; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres, III-576-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegen­heiten,

Jahresvorschau des BMJ auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2016 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des nieder­ländischen, slowakischen und maltesischen Ratsvorsitzes, III-577-BR/2016 d.B., zuge­wiesen dem Justizausschuss,

Jahresvorschau des BMVIT 2016 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates, III-578-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft,

EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2016, III-579-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft,

EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2016, III-580-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Familie und Jugend,

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft, III-581-BR/2016 d.B., zuge­wiesen dem Wirtschaftsausschuss,

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport betreffend Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Rates für das Jahr 2016, III-582-BR/2016 d.B., zugewiesen dem Ausschuss für Sportangelegenheiten.


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Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Ebenso bildet die Erklärung der Bundesregierung einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstellt. Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Antrag 169/A-BR/2008 und die Petition 32/PET-BR/2015 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte ein­ver­standen sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag, von der 24-stündigen Aufliegefrist für die gegenständlichen Ausschuss­berichte Abstand zu nehmen, ist somit mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 3 und 4 sowie 7 und 8 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

10.45.50Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend roten Pensionstransfer zwischen Bank Austria und Pensionsversicherungsanstalt an den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.46.331. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Regierungsumbildung bzw. Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelan­gen zu deren 1. Punkt.

Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Vizekanzler recht herzlich. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und bei Bundesräten der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 49

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Erklärung zur Regierungs­um­bildung das Wort. – Bitte.

 


10.47.49

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Regierung! Verehrte Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren! Durch das Ausscheiden von Rudolf Hundstorfer aus der Bundesregierung ist eine Reihe von Änderungen notwendig geworden, es soll uns aber doch die Gelegen­heit geben, Herrn Hundstorfer für seine Tätigkeit in wirtschaftlich wahrlich schwierigen Zeiten zu danken. Er hat dieses Ressort mit Erfahrung, Engagement und Sachverstand geführt; dafür kann man auch Dankeschön sagen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Das war in diesem Bereich nach der Wirtschafts- und Finanzkrise wahrlich keine ein­fache Aufgabe. Dabei wurde etwas erreicht, das in den 1930er-Jahren der Staaten­gemeinschaft nicht möglich war, nämlich den Zusammenbruch der Finanzkreisläufe zu verhindern – allerdings unter hohem Aufwand an Steuermitteln, auch unter Schäden, die bis heute in der Arbeitslosigkeit, in der Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa sichtbar sind, unter Aufwendung von Ressourcen, die in vielen anderen Bereichen, etwa in den Bereichen Bildung und Soziales, besser angelegt gewesen wären.

Wir sind also besser über die Runden gekommen als in den 1930er-Jahren und haben diese Wirtschafts- und Finanzkrise so weit aufgefangen, dass kein Zusammenbruch des Bankensystems in Europa stattgefunden hat – mit Aussperrungen, mit Betrieben, die im Anschluss kein Geld mehr hatten, ihre Arbeiter zu bezahlen. Das alles ist uns im Vergleich zu den 1930er-Jahren erspart geblieben.

Nicht erspart geblieben ist uns, die Wirtschaft wieder aufzubauen, das Wachstum zu fördern, Rahmenbedingungen zu schaffen, Investitionen zu setzen, um in Europa die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, was ein wesentliches Ziel bleibt. Europa geht es dann gut, wenn es der Bevölkerung gut geht, und Europa ist dann stark, wenn die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer von dem Lohn, den sie bekommen, auch leben können. Da gibt es große und wichtige Aufgaben, und da ist der Einsatz des Ministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ganz zentral. Ich wünsche Alois Stöger für diese wichtige Aufgabe in einer nicht einfachen Zeit alles Gute. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wenn wir sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene über die Frage der Investitionen sprechen, kommen wir sehr rasch zu den Rahmenbedingungen. Es geht darum, in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsminister und dem Wirtschafts­minis­terium im Bereich der Forschung und Entwicklung ein einheitliches unterstüt­zendes Konzept der Kräfte in unserem Land zu bieten, zu entwickeln und weiterzu­entwickeln, das uns schon bisher ausgezeichnet hat, nämlich mit öffentlichen Mitteln das zu fördern, was man im Wettbewerb die Nasenlänge voraus nennt, mit Forschung, Entwicklung, Technologie, durch Ankurbelung der Wirtschaft durch öffentliche Inves­titionen, etwa im Bereich von Straße und Schiene. Dafür wünsche ich Gerald Klug, der in das wichtige Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gekommen ist und dort die Aufgabe hat, gerade jetzt diese Ankurbelung der Wirtschaft voranzutreiben, in unser aller Interesse viel Erfolg. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Da ich die Gelegenheit habe, möchte ich auch das Thema Flüchtlinge erwähnen. In diesem Bereich geht es um viele Fragen: Wie kann Österreich die eigenen Grenzen


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 50

sichern? Wie kann Österreich daran mitwirken, dass die Grenzen auf der Balkanroute gemeinsam gesichert werden? Wie kann Österreich daran mitwirken, dass Menschen, die nach Europa kommen, in einer einheitlicheren Politik von Europa gemeinsam unter­stützt werden? Wie können viele sehr konkrete Maßnahmen beim österreichischen Bundesheer gesetzt werden, damit es das, was wir von unserem Heer verlangen, auch leisten kann? Wie können wir es also auch organisatorisch, finanziell und personell mit den Ressourcen ausstatten, die zeitgemäß und notwendig für die heutigen Aufgaben sind?

In diesem Bereich wurde von uns jemand vorgeschlagen und vom Herrn Bundespräsi­denten angelobt, nämlich Hans Peter Doskozil, den viele von Ihnen kennengelernt haben als jemanden, der an Österreichs Grenzen, in einer schwierigen Situation in Nickelsdorf gezeigt hat, dass man es zusammenbringt, Menschlichkeit zu zeigen, für Ordnung zu sorgen, Menschen etwas zu essen zu geben, die es dringend benötigen, ihnen medizinische Versorgung angedeihen zu lassen. Er ist jemand, der kooperativ ist und die ersten Tage seiner Amtsführung schon genutzt hat, um im Einklang mit Bun­des­kanzleramt, Vizekanzler, Innenministerium, Außenministerium und den Ressort­kolle­gin­nen und -kollegen eng zusammenzuarbeiten, sodass für die Bevölkerung spürbar ist: Bei dieser wichtigen Aufgabe ist die Regierung gemeinsam erkennbar.

Auch der Sport hat in unserem Land eine wichtige Funktion. Dabei möchte ich den Breiten­sport erwähnen, den Sport im Gesundheitsbereich, aber natürlich auch den Leistungssport, nicht zu vergessen unser Engagement bei der Fußball-Europameister­schaft 2016, zuerst in Bordeaux, dann in Paris. Auch im Sport ist vieles zu tun. Ich wünsche Hans Peter Doskozil für all diese Aufgaben viel Erfolg. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich bitte Sie um Unterstützung, denn die Zusammenarbeit der Gemeinden, der Städte, der Bundesländer, eine gute Kooperation ist genauso wie in der Wissenschaft, in der Forschung und im Sport eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit. Diese erfolg­reiche Arbeit brauchen wir. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.54


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Worte.

Nunmehr erteile ich dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe der Erklärung zur Regierungs­umbildung das Wort. – Bitte.

 


10.54.28

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Geschätzte Regierungskollegen! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich darf an die Grundlage und den Ausgangspunkt der Regierungsumbildung anknüpfen, das ist die Kandidatur des bisherigen Sozialministers Rudolf Hundstorfer für das Amt des Bundespräsidenten; damit war dieses Reglement im Bereich der gesamten Regierung, was die drei Funk­tionen anbelangt, notwendig.

Auch von meiner Seite darf ich mich zuallererst bei Rudi Hundstorfer dafür bedanken, was an Zusammenarbeit und Umstrukturierung, insbesondere an Krisenbewältigung in den Jahren 2009 und 2010 möglich war. Ich glaube, wir haben – auch von der EU bestätigt – die Wirtschaftskrise, vor allem was die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt anbelangt, sehr gut bewältigt und gerade mit Maßnahmen wie Kurzarbeit dafür gesorgt, dass das auch sozial verträglich abgelaufen ist und uns wirtschaftlich keinen Nachteil gebracht hat.

Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass die Wirtschaftskrise damit nicht beendet war. Im Unterschied zu früheren Jahren, als die Refinanzierung durch ansteigende


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 51

Konjunktur möglich war und die alte Keynes-Regel, dass man eben in Zeiten der Krise die Stabilisatoren auf dem Arbeitsmarkt, aber auch im Steuerbereich de facto öffnet, dann die Grundlage für die Bewältigung der Krise war, hat das nicht in dem Ausmaß genützt, und wir befinden uns mittlerweile im siebten Jahr der Wirtschaftskrise.

Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass wir nach wie vor strukturelle Anpas­sungsnotwendigkeiten haben. Die Firmen haben sie teilweise durchgeführt, die Institu­tionen ansatzweise auch. Im Staatsbereich ist genau das Gleiche zu tun. Das heißt, Anpassung in Richtung einer Entwicklung, die nicht mehr automatisch mit steigendem Wachstum gekennzeichnet ist, sondern die bedeutet, dass wir die Systeme effizienter gestalten müssen.

Ich sehe – und das ist auch für den Sozialminister ganz wichtig – gerade in zwei Be­reichen sehr, sehr herausfordernde Notwendigkeiten; einerseits auf dem Arbeitsmarkt: Wir haben dort nach einer Phase, in der wir immer im ganz vorderen Bereich der Ran­kings gelegen sind, mit Vollbeschäftigung und niedriger Arbeitslosenrate, eine Entwick­lung, dass wir langsam durchgereicht worden sind, zumindest in die Mitte des euro­pä­i­schen Systems. Daher brauchen wir alle Anstrengung, um den Arbeitsmarkt – sicherlich auch mit florierenden Wirtschaftsbeziehungen, ich möchte das gar nicht verhehlen – so zu entwickeln, dass wir hier auch die Umstrukturierung schaffen.

Ich wünsche dem neuen Sozialminister Alois Stöger auf diesem Weg nicht nur alles Gute, sondern auch gute Zusammenarbeit, weil da die Wirtschaft natürlich auch insgesamt gefordert ist.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte und der auch in dem Bereich liegt, ist die Pensionsfrage; auch dort haben wir genau die gleiche Problematik. Natürlich kann man das Pensionssystem finanzieren, aber man muss sich vor Augen halten, wie es in anderen Ländern ist. Andere Länder haben in diesem Bereich weniger Kosten, weil die Bürgerinnen und Bürger später in Pension gehen; daher haben sie auch für Infra­strukturmaßnahmen, für Wissenschaft, für Bildung mehr freie Mittel zur Verfügung. Wir müssen daher auch in diesem Bereich alles tun, um die langfristige Finanzierung des Systems sicherzustellen – es ist wichtig, dass unsere Pensionistinnen und Pensionis­ten eine sichere Pension haben –, aber wir müssen auf der anderen Seite auch die Finanzierbarkeit und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit im Auge haben; eine ganz wichtige zweite Aufgabe.

Die Kosten für Infrastruktur habe ich schon angesprochen. Auch da gibt es eine Änderung und einen ganz wichtigen Faktor, was die Grundausrichtung anbelangt. Infrastruktur ist die Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit schlechthin. Es geht um Themen wie Breitband oder auch Industrie 4.0, die Digitalisierung der Dinge; die Wertschöpfung wird im Endeffekt anders laufen als bisher. Wir sind erst am Anfang der gesamten Entwicklung, und da ist viel zu tun. Da ist es vor allem notwendig, die technischen Voraussetzungen zu schaffen – Breitband habe ich angesprochen –, aber natürlich auch die Zusammenarbeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Auch dieses Feld ist eine große Herausforderung.

Ich wünsche dem neuen Infrastrukturminister, der auch für viele Forschungsthemen zuständig ist, ebenfalls alles Gute.

Der dritte Punkt ist angesprochen worden, weil er mit den zwei anderen zusam­men­hängt: Es gibt in der Bevölkerung Angst vor Veränderungen, Angst vor Verlust, was Arbeitsplatz und Wirtschaftskraft anbelangt, und dieses Thema hängt eng mit der Flüchtlingsfrage zusammen. Ich habe gerade vorhin im Fernsehen die Diskussion mitverfolgt, das ist ja heute schon angesprochen und diskutiert worden. Ich glaube nicht, dass es ausreicht, dass wir uns jetzt nur in Richtung Nachbarschaftshilfe bewe­gen und jeden Konflikt darauf reduzieren, wer gerade im Nachbarschaftsbereich was


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tut, sondern Schutz und Hilfsbereitschaft sind etwas Umfassendes und nicht zu trennen; das müssen wir auch sehen, was Österreich anbelangt, aber der ganze Schutz ist keine unlimitierte Angelegenheit. Wir alleine können die Probleme der gesamten Welt als kleines Land sicherlich nicht lösen, sondern nur im Bereich einer solidarischen Wahrnehmung der Aufgaben.

Der Herr Bundeskanzler hat es angesprochen: Im Endeffekt muss man sich die Solidarität in Europa erarbeiten, muss man überzeugen und kann sie nicht befehlen. Auch da ist – auch wenn es da und dort natürlich immer unterschiedliche Zugänge gibt – eine Politik der ruhigen Hand notwendig, eine Politik, die Sicherheit vermittelt. Ich glaube, in der Person des neuen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil, der schon in seiner früheren Aufgabe gezeigt hat, dass er zuhören kann, dass er managen kann, dass er weiß, was Schutznotwendigkeiten in der Praxis bedeuten, haben wir einen sehr, sehr umsichtigen Verantwortlichen im Bereich Verteidigung, der gemein­sam mit dem Innenministerium, mit uns und dem Außenministerium dafür sorgen wird, dass wir gemeinsam das Management der Grenze, aber auch andere Aufgaben wahr­nehmen.

Auch das ist eine wichtige Aufgabe, die mit einer zweiten korrespondiert. Wir haben ja vor einiger Zeit das Bundesheer auf Basis einer Befragung der Bürger – unter Anfüh­rungs­zeichen – „reformiert“. Das ist wahrscheinlich auch nicht – wie der Ent­schließungs­antrag im Nationalrat gezeigt hat – das Ende der gesamten Diskussion. Wir haben jetzt eine neue Lage, eine neue Aufgabe, auch dem müssen wir uns stellen: Was ist im Bereich des Bundesheers zu entwickeln, was Ausrüstung anbelangt, aber auch, was Aufgaben anbelangt? – Auch da werden wir eine partnerschaftliche Vor­gangs­weise und eine umsichtige, sorgfältige Vorgangsweise brauchen.

In diesem Sinn darf ich Ihnen, Herr Minister Doskozil, ebenfalls alles Gute wünschen und von unserer Seite – ich spreche hier als Koalitionspartner – allen dreien gute Zusammenarbeit im Interesse Österreichs! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.01


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Aus­füh­run­gen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


11.01.58

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Verteidi­gungs­minister! Sehr geehrter Herr Infrastrukturminister! Sehr geehrter Herr Sozial­minis­ter! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja selten, dass die Regierungsbank voll besetzt ist – heute ist das, soweit ich weiß, einmal eine Premiere, außer bei einer neuen Bundesregierung –, daher hat natürlich meine Begrüßung etwas länger gedauert.

Die Aufgabe der österreichischen Bundesregierung ist es, zu arbeiten, auf die Heraus­forderungen, die sich stellen (Bundesrätin Mühlwerth: Die Regierung soll endlich arbeiten!), die großen globalen, europäischen und österreichischen, die wirtschaft­lichen genauso wie die sozialen und kulturellen Herausforderungen zu reagieren und unter den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste für unser Land zu machen. Es sind – wir haben das ja heute schon diskutiert – keine leichte Zeiten.

Es sind schwierige Zeiten, und es gibt große Herausforderungen, aber ich glaube, dass gerade der in den letzten Jahren beschrittene Weg gezeigt hat, dass Österreich, die


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österreichische Bundesregierung und die Mehrheit hier im Parlament, in der Lage ist, genau die richtigen Schlüsse zu ziehen, Maßnahmen zu setzen, um auf diese schwie­rigen Zeiten und großen Herausforderungen richtig zu reagieren.

In diesem Zusammenhang gebührt mein Dank vor allen Dingen Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der gerade in den letzten Jahren unter diesen schwierigen Bedingungen bewiesen hat, dass die Fragen des Arbeitsmarkts schwierige Herausforderungen sind und dass diese Fragen keine Randthemen sind, sondern versucht werden muss, mit allen Möglichkeiten zu reagieren. Ich danke ihm ganz herzlich für alles, was er geleistet hat, aber ich wünsche ihm auch noch alles Gute für seine Zukunft. Ich nehme an, dass wir ihn demnächst wieder hier im Hohen Haus werden begrüßen können und dass das am 8. Juli der Fall sein wird. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Regierungsumbildung im Konkreten – betroffen ist das Verteidigungs- und Sport­ressort –: Mit Hans Peter Doskozil ist dort jemand Minister, der vom Sicherheitsapparat in die Politik gewechselt ist. Ich wünsche Hans Peter Doskozil in diesem Zusammen­hang, dass er genau dieses pragmatische Arbeiten an administrativen Lösungen für große und schwierige Fragen auch in der Politik beibehält. Ich glaube, dass gerade die schwierigen Herausforderungen der Sicherheitspolitik, der Flüchtlingskrise und der Migrationsströme ein pragmatisches, administratives und lösungsorientiertes Handeln brauchen. Ich hoffe, dass es gelingt, das in der Zukunft zu meistern, bin mir sicher, dass dies mit deiner Person der Fall sein wird, und wünsche alles Gute!

Das gilt auch für die Reform des Bundesheers, die ja keine abgeschlossene ist, wie bereits gesagt wurde. Es geht hier um internationale Herausforderungen, neutralitäts­politische Herausforderungen, globale Krisen und Cyberfragen und darum, dass hier richtig reagiert werden muss.

Zum Sportressort wurde schon viel gesagt. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass es um Breitenförderung geht, dass es um Spitzensport geht und dass hier ein entsprechender Mix gefordert ist. Ich hoffe, dass wir unter deiner Ministerschaft das Ziel, in Frankreich Europameister zu werden, schaffen werden. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mayer: Er muss eh nicht zurücktreten …! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube nicht, dass er zurücktreten muss, aber ich hoffe, dass das eintreten wird, dass wir etwas zu feiern haben werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn wir schon sonst nichts zu feiern haben, dann wenigstens das!) Ein Sieg in der Europameister­schaft ist ja doch schon etwas, nicht? (Bundesrat Mayer: So ist das …!)

Das Infrastrukturressort, das BMVIT, wird jetzt von einem unserer ehemaligen Kollegen übernommen. Du wirst ja dann noch öfter bei uns sein und das eine oder andere Gesetz vertreten müssen, wir freuen uns also schon darauf, lieber Gerald Klug, uns wieder mit dir auseinandersetzen zu können, diesmal in einer anderen Form. Es ist ja – neben dem Wirtschaftsministerium – eines der wichtigsten Ministerien, was die Zukunft in unserem Land betrifft; es geht da um die Infrastruktur, und es geht um die versorgungspolitische Bedeutung. Lieber Gerald, alles Gute für deine Arbeit und für deine neuen Aufgaben!

Das Sozialressort – Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, jenes Ressort, das Alois Stöger bekleidet – ist das Ressort der sozialen Sicherheit. Es ist jenes Ressort, das gerade auch dafür zuständig ist, dass wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in Zeiten ansteigender Arbeitslosigkeit und ansteigender Probleme in Gesamteuropa, in Österreich ein höchstes Maß an sozialer Sicherheit und Absicherung für die Menschen haben. Lieber Alois Stöger, ich hoffe, du wirst diese Aufgabe mit Bravour meistern!


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Das Gleiche gilt übrigens auch für die Pensionen. Die Pensionsdebatte wird ja derzeit geführt, sie wird sehr intensiv geführt und ist eine Debatte, die sehr wichtig ist, denn für die Menschen bedeutet soziale Absicherung im Alter den Kampf gegen Altersarmut, und es muss die Sicherheit geben, einen ruhigen Lebensabend zu bekommen. Daher muss diese Debatte natürlich geführt werden. Die Bundesregierung hat sich ja zur Aufgabe gemacht, das bis zum 29. Februar zu bewerkstelligen. Ich hoffe, dass für Pensionistinnen und Pensionisten, für die Menschen in diesem Land mehr soziale Sicherheit herauskommt und es ein Mehr an Sicherheit in Österreich gibt, denn das, glaube ich, ist auch sehr wichtig.

Ohne die vergangene und zukünftige Politik der Bundesregierung wären die Probleme auf dem österreichischen Arbeitsmarkt noch größer geworden; das wurde schon erwähnt. Ich weiß, dass die Herausforderung, den Arbeitsmarkt wieder in Ordnung zu bringen, eine der größten ist, aber wir brauchen dazu nicht nur das Arbeitsamt und die Arbeitsmarktpolitik, sondern wir brauchen auch Wirtschaftswachstum. Da ist auch die Wirtschaft gefordert, dass dieses Wirtschaftswachstum entsprechend zustande kommt.

In diesem Sinne sieht man, dass die Herausforderungen groß sind, aber ich glaube, dass das Signal an die Bevölkerung ein gutes ist, dass wir nämlich die Heraus­forderungen erkannt haben, aber gleichzeitig auch daran arbeiten, die Lösungen und Reaktionen auf die Herausforderungen so zu gestalten, dass unser Land Österreich und die Menschen in unserem Land, die Österreicherinnen und Österreicher am bes­ten davonkommen, dass also Österreich seine Chancen wahrt. Mit dieser Bundes­regie­rung ist das gewährleistet! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.11


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.11.45

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herren Minister! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist schwierig, nach dem Propheten Reinhard Todt zu sprechen: Er kennt den neuen Bundespräsidenten, er kennt den Europameister (Heiterkeit bei der ÖVP), und wer weiß, was er noch alles weiß, was wir nicht wissen. Ich bin sehr dankbar dafür, mit dir in der Präsidiale zusam­menarbeiten zu dürfen!

Es ist nicht so, wie Frau Kollegin Mühlwerth in einem Zwischenruf gesagt hat: Diese Regierung soll endlich arbeiten! – Diese Regierung arbeitet (Bundesrätin Mühlwerth: Merkt man gar nicht!), aber es ist natürlich schwierig, der Opposition etwas oder überhaupt einiges recht zu machen. Euch kann man gar nichts recht machen (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nicht wahr!), auch wenn man betrachtet, was in den letzten paar Jahren alles auf die Reihe gebracht wurde.

Da kann ich jetzt zum Beispiel die Steuerreform erwähnen, 5,2 Milliarden € – von euch natürlich schlechtgeredet: Das sind Peanuts! (Bundesrat Pisec: Höhere Steuern! Ohne Leistung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das sind keine Peanuts! Die Men­schen sehen das jetzt in ihrem Geldbörserl. Sie sehen jetzt, dass sie weniger Steuern zahlen, und das hat inzwischen einen sehr, sehr positiven Effekt verursacht.

Das ist nur eines der Themen, die man hier erwähnen könnte. Man kann die Lohn­nebenkosten erwähnen – für die Wirtschaft –, man kann das Bonus-Malus-System erwähnen, die Bildungsreform erwähnen; oder man kann auch erwähnen, dass wir jetzt die Flüchtlingssituation neu bewerten, dass wir eine Obergrenze eingeführt haben – also gemeinsam etwas auf die Reihe bringen.


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Ich gebe zu, dass wir nicht immer unbedingt Weltmeister im Verkauf von Projekten sind, dass wir hier oft Probleme mit einem gemeinsamen Wording haben, aber ich denke, dieser neue Stil, den wir jetzt in der Regierung haben, dieses neue Miteinander wird das auch in Zukunft bringen (Bundesrätin Mühlwerth: Das hören wir jetzt zum 20. Mal! Diesen „neuen Stil“!), sodass wir medial keine Interpretationsmöglichkeiten bieten. Wenn man nicht Obergrenze oder Richtwert sagt, sondern hier ein gemein­sames Wording hat, dann wird die Bevölkerung das auch akzeptieren, weil die Bevöl­kerung neue Projekte sehr wohl mitbekommt und natürlich auch entsprechend realisiert. Daran arbeiten wir, Frau Kollegin Mühlwerth; es wird für euch schwer werden in nächster Zeit, sehr, sehr schwer!

Wir wissen auch … (Bundesrat Jenewein: Wir nehmen die Herausforderung an!) – Ja, ja, selbstverständlich! Selbstverständlich! Die Bevölkerung hat schon festgestellt, wie intensiv wir an dieser Flüchtlingsproblematik arbeiten, Kollege Jenewein. Da freue ich mich sehr, wenn euch dann bald die Luft ausgehen wird.

Der auslösende Faktor für die Regierungsumbildung ist ja klar: Unser Sozialminister Rudi Hundstorfer möchte Bundespräsident werden. Diejenigen, die etwas dagegen haben, sind ja bekannt. Ich möchte mich auch namens meiner Fraktion sehr herzlich dafür bedanken, dass er sieben Jahre Sozialminister war. Ich kenne Rudi Hundstorfer seit vielen Jahrzehnten aus gemeinsamer Gewerkschaftsarbeit, und ich kann hier nur eines ganz klar anfügen und betonen: Er war ein fachlich fundierter, ein sachver­stän­diger und ein sehr initiativer Sozialminister! Auch die Koordination – das soll man hier auch positiv erwähnen – mit dem Wirtschaftsministerium war oft beispielgebend in der Regierung und hat für den Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialbereich auch sehr viel Positives gebracht.

Rudi Hundstorfer kratzt sozusagen, salopp formuliert, noch bevor die großen Heraus­forderungen auch im Sozialbereich kommen, elegant die Kurve, denn wenn man jetzt die Flüchtlingssituation betrachtet, sehen wir, wir stehen vor großen und schwierigen Herausforderungen, Herr Sozialminister Alois Stöger! Ich greife hier nur die Diskussion betreffend die Mindestsicherung auf, denn in vielen Bundesländern wird das unter­schiedlich und auch heftig debattiert. Die Länder stehen sozusagen ante portas – ohne jetzt auf Details einzugehen, die sind ja täglich den Medien zu entnehmen.

Wir werden recht bald diese Verhandlungen führen müssen, und ich glaube und weiß, sie werden nicht einfach werden. Das gilt auch, wie es Kollege Todt und der Vizekanzler bereits angesprochen haben, für das Pensionssystem. Ich bin hier für eine sachliche Debatte, wir sollen die Menschen nicht erschrecken und verunsichern. Wir haben ein sehr gutes Pensionssystem, an dem es allerdings etwas zu arbeiten gilt. In den nächsten Jahren werden geburtenstarke Jahrgänge ins Pensionsalter kommen, die Zahl der Beitragszahler sinkt, die Pensionisten werden dank unseres großartigen Gesundheitssystems immer älter. Die Devise soll sein, die Systeme finanzierbar zu halten und den jungen Menschen auch eine Zukunftsperspektive zu geben.

Ich halte Äußerungen wie zum Beispiel jene von den NEOS, die sagen, unser Pen­sionssystem sei schrottreif, für verzichtbar. Man kann natürlich auch einen Schrott reden und nicht nur Systeme als schrottreif bezeichnen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ja, ja, jetzt müsst ihr wieder den NEOS helfen, ihr Freiheitlichen, genau! Sie sind nicht da und können sich nicht selbst helfen, aber wenn man einen Schrott redet, kann man das hier auch einmal deutlich formulieren!

Eine weitere Herausforderung – das haben wir auch schon angesprochen – ist die Arbeitsmarktsituation. Wir haben Rekordarbeitslosigkeit, auf der anderen Seite aber auch Rekordbeschäftigung. Wir brauchen auch ein entsprechendes Wirtschafts­wachs-


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tum, um den Markt anzukurbeln, mehr Beschäftigung zu erhalten und somit natürlich auch weniger Arbeitslose zu haben. Es sind große Herausforderungen, Herr Minister Stöger, ich wünsche im dritten Ministerium wirklich alles Gute und viel Erfolg!

Zu Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil: mit Vorschusslorbeeren bedacht, berechtigt, sage ich jetzt aus kurzer Distanz, denn genau in der derzeitigen Situation braucht es einen versierten Manager im Sicherheitsbereich, einen Verteidigungsminis­ter, der auch binden und lösen kann, der den Entschließungsantrag des Nationalrates, wie heute schon erwähnt, entsprechend ernst nimmt und natürlich im Rahmen der Bundesheerreform auch die Weichen für die Zukunft stellt.

Es ist ein Gebot der Stunde, die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium auf eine tragfähige Basis zu stellen, wenn es um die Flüchtlingssituation, den Grenzschutz, die Mitwirkung bei Abschiebungen und so weiter geht. Sicherheitspolitik und Verteidi­gungspolitik brauchen auch regionale Strukturen. Da geht es nicht um die Schwächung der einzelnen Militärkommandos, wie zum Beispiel in Vorarlberg angedacht, wo es um die Auflösung des Jägerbataillons 23 gegangen ist und dann nur noch eine Kampf­unterstützungseinheit vorhanden gewesen wäre. Das stellt dann Vorarlberg vor die Herausforderung: Da habe ich ein Kampfunterstützungskommando, aber kein Jäger­bataillon – und wen unterstütze ich dann schlussendlich noch?

Also ich kann, Herr Minister, weil ich selber fast zwei Jahre Soldat und auch neun Jahre Polizeibeamter war, mit einem Blauhelm-Einsatz in Zypern, die Unterschied­lichkeit der Systeme sehr gut einschätzen und nachvollziehen. Ihre ersten Ansätze, auch mit Einbindung des Teams, des Generalstabs, zeugen von Teamgeist und Teamfähigkeit; das ist, denke ich, auch ein ganz wichtiger Punkt!

Ich darf hier einen treffenden Leitartikel aus dem „Kurier“ von Josef Votzi mit dem Titel „‚Doskos‘ Blitzstart“ kurz erwähnen – vom Mittwoch –: „Seit zwei Wochen macht ‚Dosko‘ als neuer Heereschef von sich reden. Als roter Sicherheitsminister sucht er demonstrativ die Nähe seiner schwarzen Pendants: Seinen ersten EU-Auftritt bei einem informellen Meeting der EU-Verteidigungs- und Außenminister in Amsterdam absolvierte er – auch inhaltlich – im Paarlauf mit VP-Außenamtschef Sebastian Kurz. Den Medienauftritt bei seiner ersten Ministerratssitzung gestern Dienstag inszenierte der neue SP-Hoffnungsträger als Paarlauf mit VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.“

Das ist der neue Stil in der Regierung, das sei auch für die Freiheitlichen noch einmal erwähnt und unterstrichen, den man nur in aller Form und voll unterstützen kann. Herr Minister Doskozil, bringen Sie den positiven Geist aus der Polizeidirektion Burgenland in das österreichische Bundesheer, in die österreichische Bundesregierung, dann sind wir guter Dinge, dass es gelingen wird!

Abschließend wünsche ich Altbundesrat Gerald Klug (Heiterkeit bei der SPÖ) bei seiner neuen Aufgabe als Minister im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie mehr Fortune als im Verteidigungsministerium, denn in diesem Minis­terium werden die Weichen – ganz entscheidende Weichen – für die Zukunft gestellt. Das BMVIT ist auch der große Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor in den Aufgaben­bereichen der Regierung. Es wurde schon die Summe von 25 Milliarden € genannt, die in diesem Ministerium bewegt werden: Da kann man erst die Dimension ermessen, welches Potenzial für die Weiterentwicklung von Österreich in diesem Ministerium steckt.

Für diese Herausforderungen, welche auf die Regierung zukommen, wünsche ich im Namen des Bundesrates und meiner Fraktion alles Gute und viel Erfolg. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.21



BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 57

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.21.47

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Kollege Mayer, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass uns bald die Luft ausgeht, da die Regierung jetzt so gut arbeitet, denn wir haben einen ziemlich langen Atem, das haben wir nicht erst einmal bewiesen! Und wenn man sich die letzten Landtagswahlen anschaut, sieht man, es ist eher den Regierungsparteien die Luft ausgegangen als der FPÖ. Zudem weiß ich nicht, wie oft ich schon vom neuen Stil der Regierung gehört habe – mindestens bei jeder Regierungsumbildung und nicht erst seit der letzten Regierungsbildung 2013, son­dern unzählige Male hören wir, der neue Stil komme jetzt, ohne dass er je einge­treten ist.

Trotzdem sage ich Ihnen, Minister Hundstorfer wird uns schon fehlen. Wir haben zwar immer mit ihm gestritten, da wir einfach anderer Meinung waren, aber Herr Minister Hundstorfer war schon ein sehr sachlich-kompetenter Widerpart, mit dem es auch Spaß gemacht hat, eine auch manchmal hitzige Debatte zu führen. Wir wünschen ihm alles Gute, aber es wird Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich trotzdem hoffe, dass der nächste Bundespräsident Norbert Hofer heißen wird, und nicht Rudi Hundstorfer. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben ja jetzt einige neue alte Regierungsmitglieder, ich fange beim neuen Verteidigungsminister an. Herr Doskozil hat ja im Burgenland wirklich einen guten Ruf genossen, da er tatsächlich seine Arbeit sehr gut gemacht hat, das gut gemanagt hat; aber das ist die eine Seite. Es waren zwar jetzt Ihre ersten Schritte auf dem glatten Wiener Parkett durchaus gut, auch die Ideen zum Bundesheer. Vor allem bei der Verlängerung des Bundesheerdiensts haben Sie mit mir sofort einen Partner, da ich es immer falsch gefunden habe, dass man das reduziert, reduziert, reduziert, bis hoffent­lich kein Bundesheer mehr überbleibt, ohne dass man es aussprechen muss, wie das die SPÖ ganz gerne getan hat. Wir erinnern uns ja nur, wie der damalige Vertei­digungsminister, der jetzt Landesrat im Burgenland ist, die Kehrtwende vollzog, als Häupl ausgerichtet hat, dass wir jetzt unbedingt ein Berufsheer brauchen, er aber ein prononcierter Gegner des Berufsheers war. Da gab es ja in der SPÖ immer so eine Holprigkeit in Bezug auf die Verteidigung. Was wir uns wünschen, ist, dass das Bun­desheer nicht weiter kaputtgespart wird, damit das Bundesheer auch seinen Namen verdient.

Die Zusammenarbeit bieten wir jedem an. Wir machen das auch mit jedem Minister, wenn wir die Sachen richtig finden, wenn wir in der Sache möglichst oder weitest­ge­hend einer Meinung sind, und das hat bisher auch schon andere Ministerien betroffen. Daher also: Die Zusammenarbeit mit uns haben Sie, wenn wir uns in der Sache zumin­dest zu zwei Dritteln einig sind.

Herrn Minister Klug wurden als Verteidigungsminister auch am Anfang Rosen gestreut, und alle haben gesagt, er wird das sicher ganz super machen. Dann ist aber leider überhaupt nichts weitergegangen. Das Heer ist immer weiter kaputtgespart worden. Da bedurfte es dann eines Antrags von allen Parteien im Nationalrat, damit man endlich wieder von dieser Sparpolitik wegkommt. Es war nicht der Herr Minister, der gesagt hat, wir brauchen das vor allem im Zuge dieser Völkerwanderung, die voriges Jahr über uns hereingebrochen ist, wir brauchen da jetzt mehr Ressourcen, nein, es hat einen Allparteienantrag gebraucht – was sehr selten ist, dass im Nationalrat ein Allparteienantrag zustande kommt –, damit auch Sie eine Kehrtwendung gemacht und gesagt haben: Ja, es stimmt, wir brauchen mehr Geld!


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 58

Viel wichtiger war dem Herrn Verteidigungsminister das Gendern. Das war eine ganz wichtige Sache, zu der sogar der „Kurier“ geschrieben hat: „Gender-Sprachleitfaden beim Heer sorgt für Kopfschütteln“ – nicht nur beim „Kurier“, auch bei uns. Man darf nämlich nicht mehr Ausländer sagen, sondern man muss – das war in dem Leitfaden – Personen mit Migrationshintergrund sagen – als ob das jetzt etwas anderes wäre. Man geht auch nicht mehr zum Militärarzt, sondern man begibt sich in militärmedizinische Behandlung für Militärpersonen – nur damit wir wissen, wovon wir da bei diesem Gendern reden. Es fehlt zwar an allen Ecken beim Bundesheer, um den Katastrophen­schutz und die Sicherheit der Grenzen ordentlich sicherzustellen, aber der damalige Verteidigungsminister hat sich gedacht, das Wichtigste zuerst, und das war für ihn das Gendern.

Sie werden ja wahrscheinlich wissen, wie Sie gesehen werden, aber was Michael Jeannée in der „Kronen Zeitung“ geschrieben hat, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten (Bundesrat Schennach: Bitte! Das tut weh!), auch deshalb nicht, da ja die SPÖ normalerweise in der „Kronen Zeitung“ und auch in allen anderen Tageszeitungen wie „Österreich“, „Heute“ et cetera dank der vielen Inserate, die sie schaltet, eine sehr positive Berichterstattung hat, die aber natürlich nach ihrer Lesart überhaupt nichts damit zu tun haben, dass es für sie in den Zeitungen eine positive Berichterstattung gibt.

Da entschuldigt sich Michael Jeannée in der „Krone“: „Urlaubsbedingt ein wenig ver­spätet, möchte ich Ihnen (und Ihrem Förderer Werner Faymann) in dieser meiner ersten Post 2016 mitteilen, was meiner Meinung nach eine Chuzpe, also eine provo­kante Dreistigkeit sondergleichen, ist.

Also: Das ist, wenn ein roter Apparatschik gewerkschaftlichen Backgrounds drei unerträgliche Jahre das wichtige Amt eines Verteidigungsministers dieser gebeutelten Republik besetzt hält, sich schon nach kurzer Zeit auf diesen Posten als Doppelnull, Totalversager und ‚ahnungsloser Dolm‘ (wie ihn einmal sogar der linkslinke ‚Standard‘ unwidersprochen tituliert hat) herausstellt …

… und als ministerliche Karikatur, die außer einer martialischen Erscheinung und einem pseudomilitärisch abgehackten Sprachstil ‚dienstlich‘ nichts zu bieten hat, unser Bundesheer der Lächerlichkeit preisgibt …

… und Panzerübungsgelände wegen Spritmangel für den Auslauf von Schönbrunner Giraffen zweckentfremdet …

… oder mit dem Transport von Feldküchen von A nach B komplett überfordert ist …

… wenn also Sie, Herr Klug, im Zuge einer so genannten ‚Regierungsumbildung‘ end­lich, endlich Ihres Postens enthoben werden, um nahtlos als neuer Minister für die komplizierte und hochsensible Infrastruktur angelobt zu werden“, dann heißt das nicht nur Michael Jeannée, sondern auch ich eine Chuzpe sondergleichen.

Das wird in der „Kronen Zeitung“ abgedruckt, eines Ihrer Lieblingsmedien. Ja, wir machen uns daher auch Sorgen, ob Sie mit diesem sensiblen Verkehrs- und Infrastruk­turministerium zurande kommen werden oder ob man da nicht wieder den Bock zum Gärtner macht, denn das sogenannte Peter-Prinzip haben Sie schon überstiegen.

Zur Erklärung für diejenigen, die nicht wissen, was das Peter-Prinzip ist: Das ist eine These von Laurence J. Peter, der sagt, jeder Beschäftigte neigt dazu, bis zur Unfähig­keit seinen Aufstieg zu machen. – Das hätten Sie ja schon erreicht. Aber da Sie stark gewerkschaftlich gehalten werden, sind Sie jetzt eben ein neuer Minister.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 59

Herr Minister Stöger, den wir heute bei der Dringlichen Anfrage noch einmal bei uns begrüßen werden, ist vom Gesundheitsminister über den Verkehrs- zum Sozialminister gekommen, also ein richtiger „Wunderwuzzi“, der wirklich alles kann und alles weiß – wobei er als Gesundheitsminister ja wenigstens auch aus diesem Bereich gekommen ist.

Wir wissen auch, dass Sie ein schweres Erbe antreten. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik, fast 500 000 arbeitslose Menschen, alle Maßnahmen, die bis jetzt gesetzt worden sind – ich will ja da nicht sagen, dass sich Ihr Vorgänger, Herr Minister Hundstorfer da gar nicht angestrengt hat –, haben nicht gegriffen, denn bei den über 50-Jährigen gab es Ende 2015 eine Arbeitslosen-Zu­wachsrate von über 15 Prozent.

Auch Ihre Willkommenskultur hat uns schon Probleme verursacht, wird uns noch weitere Probleme verursachen, denn Sie werden für diese Leute Wohnungen brauchen, Sie werden Arbeitsplätze brauchen, Sie werden Schulplätze brauchen. Und bei den Arbeitsplätzen schaut es ja ganz schlecht aus, auch deshalb – auch wenn die Grünen immer meinen, das dürfe man nicht sagen, und auch manche Rote das mittels Zwischenruf sagen –, da die Arbeitslosigkeit bei den Ausländern um 15 Prozent und bei den Asylberechtigten um 50 Prozent gestiegen ist. Das ist ja etwas, was Sie gerne unter den Tisch kehren und gar nicht so gern haben, wenn wir das sagen. Und Wien liegt übrigens wie immer an erster Stelle, mit einem Zuwachs an Arbeitslosigkeit von 17 Prozent.

Der Herr Vizekanzler ist zwar jetzt kein neues Regierungsmitglied, die haben ihre Rochade schon vorher gemacht, indem sie den vorhergehenden Vizekanzler ausgetauscht haben, der übrigens 2013 im Wahlkampf die Wirtschaft entfesseln wollte. Darauf warten wir bis heute, denn die Plusentwicklung der Wirtschaft ist wirklich mau. Was ist von der Entfesselung geblieben? – Die Unternehmen haben eine Registrier­kas­senpflicht bekommen, mit der man alle Unternehmer unter den Generalverdacht stellt, dass sie garantiert Steuern hinterziehen wollen oder es sogar schon machen – was ja wirklich alle unerträglich finden, auch Ihre eigenen Leute, die in der ÖVP organisiert sind. Es wird das totale Rauchverbot 2018 kommen, gegen das die Wirte zu Recht Sturm laufen, da sie wissen, dass dann einige auf immer zusperren werden, und sonstige Schikanen noch.

Und diese Steuertarifreform, die Sie uns da immer so schön verkaufen: Ja, natürlich bleibt den Menschen im Moment mehr im Börsel, aber ich möchte Ihnen nur sagen, die kalte Progression wird das alles wieder auffressen, ganz abgesehen davon, dass wir diese Steuerreform über die diversen Erhöhungen, wie zum Beispiel eben auch die Registrierkassenpflicht, eh schon selbst finanziert haben. Also Sie müssen sich nicht immer selbst so loben, dass das so toll ist!

Das ist die Bilanz einer Regierung – und ich sage es jetzt auch ganz offen –, einer Regierung der Unfähigkeit. Sie lassen alle Flüchtlinge herein oder, noch besser, reichen sie nach Deutschland weiter. Das war Ihnen ja das Liebste. Alle Übergriffe, die passieren, sollen möglichst nicht genannt werden, erst wenn es sich gar nicht mehr vertuschen lässt, kommt irgendetwas an die Öffentlichkeit, und schon gar nicht darf man sagen, wer es gemacht hat.

Da kommt jetzt der Presserat ins Spiel, das muss ich noch sagen, da es auch so unerträglich ist: Laut Presserat soll man nicht mehr die ethnische Herkunft eines Ver­ge­waltigers, eines Sonstigen, der Frauen und Kinder belästigt, nennen dürfen. Aus­löser war dieser irre Vorfall, der so wahnsinnig ist, denn wenn es ein Kind betrifft,


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 60

macht es uns immer besonders betroffen. Es ist, wenn es Frauen betrifft, nicht besser, und wenn es Männer betrifft, nicht besser, aber bei Kindern sind wir Gott sei Dank doch noch sehr sensibel.

Da wird ein Zehnjähriger in einem Wiener Hallenbad vergewaltigt. Die Zeitungen schreiben, dass das ein Asylwerber aus dem Irak war. Und dann kommt der Presserat und sagt, das dürfe man nicht sagen. Warum nicht? Warum darf man es nicht sagen? (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Nein, nein, nein, nein! Das ist eben falsch, dass das keine Relevanz hat. Sie wollen die Leute da hereinlassen, aber Sie wollen nicht sagen, dass es davon viele gibt, die sich einfach nicht adäquat benehmen können und daher unserer Meinung nach auch wieder zurückgeschickt gehörten, auch dann, wenn sie vielleicht Asylberechtigung haben, denn das kann nicht sein! (Vize­präsidentin Winkler gibt das Glockenzeichen.)

Daher sage ich Ihnen als Schlusssatz – die Bevölkerung ist eh schon deprimiert, zu Recht, und da kommt wieder einmal bei uns die direkte Demokratie ins Spiel –: Lassen Sie die Bevölkerung viel öfter mitreden, als einmal in fünf Jahren ein Kreuzerl auf den Wahlzettel zu machen, denn in Wirklichkeit gehört die Regierung ausgetauscht und nicht die Bevölkerung! (Beifall bei der FPÖ.)

11.35


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic ist zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


11.35.50

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Die Herren Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Präsi­dentin! Wertes Präsidium! Kolleginnen und Kollegen! Gendern war mein Stichwort, man könnte das nämlich kurz zusammenfassen: It’s a boy! – Wenig überraschend sind es drei Männer geworden. Sie könnten jetzt natürlich sagen, ja, es geht ja immer um die Kompetenz und nicht um das Geschlecht. Diese Debatten kennen wir schon. Ich würde darauf entgegnen, dass wir gerade bei Ihnen – bei aller Wertschätzung – sehen, dass Männern sehr viele unterschiedliche Kompetenzen zugeschrieben werden können, und auch bei Ihnen, Herr Minister Doskozil, soll ja bekanntlich ein Polizeichef jetzt als Politiker – „Manager“ haben Sie das genannt – das Heer führen.

Wir haben heute schon gehört, dass Sie alle, wir alle unbestritten vor großen Heraus­forderungen stehen. Umso erschreckender waren die einfachen Antworten Ihrerseits. Sie, Herr Minister Doskozil, meinten als Erstes, wir müssen konsequenter abschieben, und haben Hercules ins Spiel gebracht. Herr Minister Stöger wurde vom Koalitions­partner gleich als Arbeitsverweigerer bezeichnet, da er sich gegen die Kürzungspläne bei der Mindestsicherung aussprach.

Ich glaube, ich will daran glauben, dass Sie sich alle mit großem Engagement und mit bestem Wissen und Gewissen Ihren Aufgaben widmen, und hätte jeweils zwei Bitten: Die eine richtet sich an Sie, Herr Minister Stöger, und betrifft genau jene Abstiegs­ängste der Bevölkerung, die wir hier immer wieder ansprechen. Diese gilt es nämlich ernst zu nehmen, bei gleichzeitigem Nicht-die-Last-Abwälzen auf die Schwächsten unserer Gesellschaft. Und bei Ihnen, Herr Minister Doskozil, würde ich mir wünschen, dass Sie sich gerade bei schwierigen Entscheidungen immer wieder daran erinnern, dass Sie selbst einmal, wie auch ich im Übrigen, Wirtschaftsflüchtling waren. – Das wünsche ich mir und wünsche Ihnen auch alles Gute für die Aufgaben. (Beifall bei den Grünen.)

11.38



BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 61

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Herr Bundesminister Mag. Doskozil ist zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm.

 


11.38.24

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Hans Peter Doskozil: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Werte Regierungs­mit­glieder! Ich freue mich heute ganz besonders, dass ich erstmalig hier bei Ihnen im Bundesrat sein kann, und möchte Ihnen zu Beginn auch mein grundsätzliches Verständnis, was die Rollenverteilung, abgeleitet von der österreichischen Bundesver­fas­sung, betrifft, mitteilen.

Klar ist, dass Sie als Mitglieder des Bundesrates genauso wie der Nationalrat die gesetzgebende Körperschaft repräsentieren. Klar ist, dass wir aufseiten des Vollzuges, aufseiten der Regierung eine andere Verantwortung wahrnehmen müssen, es ist aber auch klar, dass Sie uns gegenüber eine bestimmte Kontrollfunktion haben. Für mich ist auch klar – und dazu möchte ich ein Bekenntnis ablegen –, dass Sie als Vertreter des Bundesrates natürlich auch dem föderalen Prinzip entsprechen, wo nicht nur Sie als Ländervertreter im Zuge der Bundesgesetzgebung eingebunden sind, sondern dieses föderale Prinzip manifestiert sich auch dadurch, dass vice versa auch der Bund im Rahmen der Landesgesetzgebung tätig werden kann. Ich bekenne mich bei aller Diskussion über die Rolle des Bundesrates in der Vergangenheit zu diesem föderalen Prinzip und natürlich als Konsequenz dieses Bekenntnisses zur Rolle des Bundes­rates.

Folgendes sollten wir aber alle gemeinsam ins Auge fassen: Wir müssen in dieser Situation und in diesen Diskussionen, in denen wir uns jetzt bewegen, zusammen­arbeiten. Ich biete allen hier die Zusammenarbeit an. Ich glaube, das ist in der Phase, auf die wir uns jetzt hinbewegen, und in der Phase, in der wir uns jetzt befinden, ein ganz wesentlicher und wichtiger Aspekt.

Es wurde schon mehrfach angesprochen, dass Sicherheit auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation und der europäischen Entwicklung im Bereich der Migration eine ganz wesentliche Säule der Kompetenzen unseres Staates ist. Sie ist eine wesent­liche Säule, die natürlich im Bereich der Regierung seitens des Innenminis­teriums, aber auch seitens des Außenministeriums repräsentiert wird. In letzter Zeit sehen wir sie aber im Rahmen des Assistenzeinsatzes auch ganz besonders vom Ver­teidigungsressort repräsentiert.

Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit ganz bewusst auch davon gesprochen, dass wir nicht nur ein Verteidigungsressort, sondern auch ein Sicherheitsressort sind und dass wir auch mit verantwortlich dafür sind, dass die Menschen in unserem Land in Zukunft in Sicherheit und Freiheit leben können.

Das, was meiner Auffassung nach ganz bedeutend und ganz wichtig ist, ist, dass wir bei all diesen Aufgabenstellungen und möglicherweise auch in Zukunft bei all diesen kontroversiellen Diskussionen, bei denen es um die Bereiche Asyl sowie Fremden­polizei und um die Frage, wie wir mit Menschen umgehen, die zu uns kommen und in weiterer Folge einen Asylantrag stellen, der vielleicht negativ beschieden wird, geht, eines nicht aus den Augen verlieren, nämlich dass wir – und das ist für uns alle, aber besonders für die Vollzugsebene ganz wichtig – den Boden der Rechtsstaatlichkeit nicht verlassen dürfen. Das ist für mich die oberste Maxime. Rechtsstaatlichkeit ist ein wesentlicher Faktor; und darauf müssen wir uns, glaube ich, alle besinnen.

Ich blicke in das vergangene Jahr zurück: Wir hatten letztes Jahr 90 000 Asylanträge, somit 90 000 Asylverfahren. Wenn man das im Verhältnis zu Deutschland und zu Schweden umlegt, dann erkennt man, dass Österreich, Deutschland und Schweden jene Länder waren, die letztes Jahr die Hauptlast in dieser Situation getragen haben.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 62

Ich glaube, es ist jedem von Ihnen bewusst, was das für die Sozialsysteme, die Arbeitsmarktsysteme, die Wirtschaftssysteme, den Wohnbau und die Schulsysteme bedeutet.

Dazu ist vielfach auch schon folgendes Argument gefallen: Wir werden uns höchst­wahr­scheinlich ein weiteres Jahr mit Zahlen in einer derartigen Dimension nicht leisten können. Daher wurde am Asylgipfel auch im Einvernehmen mit der Bundesregierung, den Ländern und den Gemeindevertretern eine Vereinbarung getroffen. Darin sind Ziele vereinbart worden. Und wir sind jetzt angehalten, diese Ziele innerhalb der Regierung und der betroffenen Ressorts zu verfolgen und zu erreichen, und zwar immer – das betone ich wirklich ganz explizit – auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass am 26. November im Nationalrat ein Beschluss über einen Entschließungsantrag gefasst wurde, der sich ganz besonders mit dem Strukturpaket „Österreichisches Bundesheeres 2018“ befasst. Ich habe hier im Haus – natürlich in engem Einvernehmen mit dem Generalstab – das Thema bereits auf den Tisch gelegt.

Dieses Strukturpaket 2018 und auch die Ausrüstung des Bundesheeres müssen natürlich unter den Aspekten der jetzigen Gegebenheiten und der neuen Rahmenbe­dingungen infolge jener Situation, dass wir uns nämlich in diesen Bereichen wirklich auf neuem Terrain bewegen, wenn wir die Frage der Grenzsicherung, aber auch der Rückführungen ansprechen – auch das ist rechtsstaatlich geboten –, gesehen werden. Man darf jedoch nicht aus dem Fokus verlieren, dass das Bundesheer darüber hinaus Kernaufgaben und Kernkompetenzen hat, die es natürlich zu erfüllen hat.

Dieses ganze System des österreichischen Bundesheeres wird auch seitens des Miliz­systems und seitens des Systems des Grundwehrdienstes getragen; diese Bereiche müssen wir mit einbeziehen.

Da wir in den letzten Wochen darüber diskutiert haben, ob Grundwehrdiener – in welcher Rolle und mit welcher Verantwortung auch immer – nach entsprechender Ausbildung zu Einsätzen an der Grenze, höchstwahrscheinlich an der grünen Grenze, herangezogen werden, sage ich, dass das ein Weg ist, auf dem wir aufzeigen müssen, dass wir Verantwortung übernehmen, und im Worst Case auch dokumentieren und zeigen müssen, dass wir durchhalten und diese Rolle, die uns zugedacht und von uns auch erwartet wird, auch erfüllen können.

Zu guter Letzt darf ich bei all diesen Themen, bei denen es sich sehr viel um Frem­denpolizei, Asyl und Assistenzleistung des österreichischen Bundesheeres dreht, natürlich den Sport nicht aus den Augen lassen. Für mich ist diese homogene Wech­sel­wirkung zwischen Spitzensport und Breitensport ganz wichtig. Ich glaube, dass wir uns zu einer gezielten und nicht dem Gießkannenprinzip unterliegenden Spitzensport­förderung hin entwickeln müssen, sodass sich aus gewissen Mechanismen im Spitzen­sport auch Wechselwirkungen für den Breitensport ergeben.

Ich bekenne mich ganz explizit dazu, dass wir auch den Bereich des Breitensportes als Querschnittsmaterie anlegen und den Aspekt der Gesundheitsvorsorge auch ganz massiv in den Vordergrund spielen müssen, wenn es um den Breitensport geht. Dazu bekenne ich mich.

Abschließend möchte ich Sie bitten und einladen, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich möchte Sie bitten, mit mir auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, mich in diesen The­ma­tiken auch zu fordern. Ich wünsche mir, dass wir einander von Angesicht zu Ange­sicht begegnen und dass wir hier in diesem Raum nicht auf Zeitungsartikel zurück­greifen müssen, so wie es vorher geschehen ist, um diese Themen auszurichten.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 63

In diesem Sinne wünsche ich mir eine gute Zusammenarbeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

11.46


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminis­ter Mag. Klug. Ich erteile ihm dieses.

 


11.46.40

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Gerald Klug: Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, Sie werden sicher verstehen, dass ich Ihre Einschätzung hinsichtlich der Qualität meiner politischen Arbeit nicht teile. (Heiterkeit.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Beginn mit einer Formulierung beginnen, die folgendermaßen lauten könnte: Ich fühle mich heute wieder ein wenig so, als wäre ich nach Hause gekommen. Das werden jetzt die eine oder andere Bunderätin und der eine oder andere Bundesrat mit einem Blick in die Vergangenheit auf gemeinsame Zeiten hier im Hohen Haus interpretieren. Daran erinnere ich mich immer sehr gerne; ich habe mich hier sehr wohl gefühlt.

Ich möchte Ihre geschätzte Aufmerksamkeit aber im Wesentlichen auf Folgendes konzentrieren: Dass ich mich fühle, als wäre ich nach Hause gekommen, hat in erster Linie damit zu tun, dass ich 1984 in der Industrie begonnen und dort auch eine lange Zeit verbracht habe. Insofern betrachte ich die Aufgabe im Infrastrukturministerium, in diesem für den Wirtschaftsstandort, aber auch für den Industriestandort Österreich so wichtigen Ministerium, ein wenig so, als wäre ich nach Hause gekommen.

Ich habe vor Kurzem gesagt, dass wir in den nächsten fünf Jahren 25 Milliarden € investieren werden, 25 Milliarden € in strategisch wichtige Netze, in strategisch wich­tige Infrastruktur, in die Straße, die Schiene, die Telekommunikation, in Forschung sowie Entwicklung und im Idealfall auch richtig in die Energieversorgung. Die strate­gisch wichtigen Netze und diese strategisch wichtige Infrastruktur sind mir deshalb so ein großes Anliegen, weil ich sie als die wesentlichen Grundlagen für den Wirtschafts­standort und die Industrie betrachte. Wenn diese funktionieren, dann schaffen wir es im Idealfall, dass wir vorhandene Industrie im Land halten können, gleichzeitig aber auch Anreize dafür schaffen, dass wir eine neue Industrie ins Land bringen können. Denn eines ist aus meiner Sicht völlig klar: Wer die Industrie hat, hat die Jobs; und wer die Jobs hat, hat auf Zeit auch den Wohlstand. Wir reden in diesem Zusammenhang in Österreich von rund 700 000 Beschäftigten, rund 30 000 Unternehmerinnen und Unternehmern und einer Bruttowertschöpfung von 60 Milliarden €.

In diesem Zusammenhang freue ich mich natürlich auf die neue Herausforderung, möchte zu Beginn aber keinesfalls den Aspekt der Forschung und Entwicklung, für den mein Haus rund eine halbe Milliarde Euro jährlich aufwendet, außer Acht lassen. In der wirtschaftsnahen Forschung, in der industrienahen Forschung werden wir es schaffen, dass wir Vorbereitungshandlungen auf die Beine stellen, die die Industrie auf ein ganz anderes Niveau und auch – meines Erachtens durch die Vorbereitung für die Digita­lisierung – in eine gute Zukunft bringen können.

Wir unterstützen in diesem Zusammenhang mit Pilotfabriken. Wir unterstützen in die­sem Zusammenhang aber auch im Bereich der Ausbildung, nämlich in Zusammen­arbeit mit den Universitäten – Stichwort Stiftungsprofessuren –, so zum Beispiel die Montanuniversität Leoben, was die Qualität der Werkstoffe und im Konkreten den Stahl betrifft, oder auch die Universität in Linz, was die Fragen des Logistik- und Transport­managements betrifft.


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Wir werden uns also bemühen, hier den Wirtschafts- und Industriestandort maßgeblich zu stärken und dabei auch einen Beitrag zu leisten, dass es Arbeitsplätze und Arbeits­bedingungen gibt, die den Beschäftigten im Land auch eine sichere und gute Zukunft geben.

Abschließen möchte ich dieses kurze Statement an sich nur mit dem Hinweis, dass ich auch aus meiner persönlichen Erfahrung im Bundesrat weiß, dass die Infrastruktur­projekte große Partner in den Gemeinden haben, dass die Infrastrukturprojekte große Partner in den Städten haben und dass die Infrastrukturprojekte auch große Partner­schaften in den Bundesländern haben. Daher reiche ich nicht nur allen im Bundesrat die Hand, sondern weiß auch, dass wir gemeinsam in Richtung einer guten Zukunft gehen werden. Alles Gute! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

11.51


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­minister Stöger. Ich erteile ihm dieses.

 


11.51.59

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ich nehme gerne Heraus­forderungen an, und eine solche Herausforderung hat man mir angetragen, nämlich das Sozialressort in Österreich zu führen. Das ist schon das Herzstück der Politik, nämlich jener Politik, den Menschen soziale Sicherheit zu geben, daran mitzuwirken, dass wir auch Sicherheit produzieren.

Ich sage, dass das wichtigste Sicherheitsministerium das Sozialministerium ist, weil nur soziale Sicherheit dazu dient, dass wir unsere Demokratie stärken und dass die Menschen in Österreich zufrieden leben können.

Der Abschied vom BMVIT ist mir da nicht so leicht gefallen, denn – Gerald Klug hat es schon beschrieben – das ist schon ein spannendes Ministerium, in dem man sich um Netzwerke kümmert und etwas für die Infrastruktur tun kann. Gerald Klug hat gesagt, dass wir für die nächsten Jahre 25 Milliarden € für Investitionen zur Verfügung gestellt und entwickelt haben, und das zeigt – dafür bin ich sehr dankbar –, wie wichtig es ist, gerade im Bereich der Arbeitsplätze Politik in der gesamten Bundesregierung zu machen, denn genau das, was Gerald Klug angesprochen hat, trifft uns alle, schafft letztendlich Arbeitsplätze und nützt uns allen. Wenn Sie so wollen, wir haben bisher kluge Politik im Infrastrukturministerium gemacht, jetzt wird sie Gerald Klug fortsetzen.

Ich komme zum Thema Arbeitsplätze. Eine Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt ist leider nicht erreicht; das ist so. Tatsächlich haben wir auf dem Arbeitsmarkt riesige Schwierigkeiten, und das ist eine Aufgabe für die gesamte österreichische Bundes­re­gie­rung. Was wir aber auch brauchen, ist eine Investitionstätigkeit nicht nur in Öster­reich, sondern wir brauchen da auch die europäische Dimension. Es geht darum, dass wir in den öffentlichen Bereich wieder investieren können, und das wird letztendlich die notwendigen Arbeitsplätze schaffen.

Wenn es um Sozialpolitik geht, dann geht es für die Leute ans Eingemachte, da geht es um die Fragen, ob man einen Arbeitsplatz, ein Gehalt, von dem man leben kann, soziale Absicherung im Alter, die man braucht, und eine Pension in der Höhe, dass man vor Altersarmut geschützt ist, hat. Diese Fragen stellen sich. Und ich suche das Gespräch mit allen Partnern, um da Lösungen zu finden. Das braucht unsere gemein­same Anstrengung. Das, was es nicht braucht, ist Populismus.


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In der Sozialpolitik muss man immer genau hinschauen, da muss man sich mit den Bedürfnislagen der Menschen auseinandersetzen und vernünftige Lösungen ent­wickeln. Dazu bin ich bereit. Ich glaube, wir haben gerade in den nächsten Tagen einige Themen vor. Ich erinnere an die Diskussion um die Pensionen. Die Bundes­regierung hat sich zu einem Grundsatz bekannt – ich bekenne mich auch klar und deutlich dazu –, nämlich dass das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Pensionsantrittsalter herangeführt wird. Das bedeutet, dass die Menschen gesund in Pension gehen, und das ist genau das Ziel. Ich habe auch ein Interesse daran, dass die Menschen älter werden, dass sie gesund älter werden und dass wir es uns auch gemeinsam leisten können, die Pensionen auch langfristig zu sichern.

Mit unserem Umlageverfahren haben wir ein System, das sich auch in der Krise bewährt hat. Das Umlageverfahren hat in der Krise mehr als 2 Millionen Menschen das Einkommen gesichert. Das war gut so. Andere Systeme – ich sage das bewusst in Richtung NEOS – haben in der Krise versagt. Sie haben in der Krise die Pensionen reduziert, oder manche haben gar nichts bekommen. Insofern ist das ein deutliches Bekenntnis zum Umlageverfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es soll nicht so lange dauern. Ich glaube, dass die wichtigsten Grundsätze sind, den Menschen Perspektive zu geben, den Men­schen Sicherheit zu geben. Wir wollen Armut im Alter verhindern, wir wollen das Ein­kommen für alle Menschen sichern, wir wollen, dass die Kinder Chancen haben. Unter diesen Gesichtspunkten sage ich: Wir brauchen keine Kürzungsdebatten, son­dern wir brauchen eine Debatte darüber, wie wir durch mehr Arbeitsplätze, durch mehr Wirtschaftswachstum, durch mehr Investitionen und durch mehr Verteilungsgerechtig­keit den Wohlstand in Österreich verbessern können.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

11.57


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich erteile ihr dieses.

 


11.58.01

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte meinen Beitrag damit beginnen, dass ich unserem ehemaligen Minister Rudi Hundstorfer von hier aus ein herzliches Dankeschön sage. Ich durfte eine Zeitlang den Ausschuss für Arbeit und Soziales leiten und daher sehr eng mit ihm zusammenarbeiten. Außerdem konnte ich ihm als Vizepräsidentin bei der letzten Bun­desratssitzung noch alles Gute für seine Zukunft wünschen, und ich nehme an, wenn der Bundesrat so etwas wünscht, wird es auch glücken und er wird sicherlich Erfolg haben, wenn auch nur wir uns das wünschen; aber ich wünsche mir das ganz stark.

Rudi Hundstorfer hat die letzten sieben Jahre in einer Zeit gearbeitet, in der es wirt­schaftlich sehr schwierig war. Was ihn ausgezeichnet hat, war lösungsorientiertes Han­deln und vor allem Gestalten.

Kollege Mayer hat es vorhin schon gesagt, dass zum Beispiel die eingeführte Kurzar­beit, wo sicherlich ein Kompromiss getroffen wurde, wichtig und notwendig war. Gegen Lohn- und Sozialdumping zu kämpfen und Lösungsmodelle vorzuschlagen, war eines der wichtigen Ziele und eine der wichtigen Aufgaben in dieser Zeit. (Vize­präsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Eine Regierung umzubilden, in einigen Funktionen neue Köpfe zu haben, bedeutet eine Herausforderung, auch eine Herausforderung für die Menschen, die diese Heraus­for-


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 66

derung gerne annehmen. Herr Minister Alois Stöger hat gesagt, er liebt Herausforde­rungen und freut sich daher auf die Arbeit im Arbeits- und Sozialministerium. Ich glaube, dass vor allem du, lieber Alois, das sehr, sehr gut schaffen wirst, denn es ist mehr als notwendig, den Menschen wiederum Sicherheit zu geben.

Es ist die Sicherheit, die sie brauchen, um hier in Österreich gut und gerne zu leben, und die Sicherheit, die sie brauchen, um helfen und andere Menschen unterstützen zu können und keine Hetze zu betreiben. Ich denke, dass du für dieses Amt mehr als gut bist. Ich wünsche dir wirklich alles Gute, und du kannst dir sicher sein: Der Ausschuss für Arbeit und Soziales, aber auch die anderen Bundesräte und Bundesrätinnen werden dich in deiner Arbeit gerne unterstützen. Alles Gute!

Unser Kollege Klug – ich möchte nicht sagen Alt-Bundesrat, so alt bist du noch nicht, Gerald, sondern unser Kollege –, unser Ex-Kollege steht vor einer neuen Herausforde­rung. Du hast uns jetzt gerade gesagt: 25 Milliarden € für Entwicklung und Forschung, 25 Milliarden €, die in Österreich in einem Bereich investiert werden, in dem das nicht selbstverständlich ist, und eine so hohe Summe zu investieren ist auch keine Selbstverständlichkeit. Es bringt Österreich nicht nur hinsichtlich seines Rufes nach vorn, sondern es gibt uns auch Arbeitsplätze und damit auch Sicherheit.

Ich glaube aber, dass es wichtig und notwendig sein wird, dass in deinem Ressort auch die Mobilität ein großes Thema wird, denn die Mobilität ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. In der Großstadt Wien ist dieses Thema natürlich nicht so aktuell wie bei uns auf dem Land. Mobilität ist eines dieser Themen, mit denen wir in den Gemeinden immer wieder konfrontiert sind.

Diesbezüglich müssen wir auch Abhilfe schaffen, einerseits mit Projekten, die es schon gibt, aber die sicherlich auch deine Unterstützung finden werden – wie Gemeindebus und so weiter –, andererseits werden wir mit Sicherheit auch vor neuen Herausforde­rungen stehen, bei denen ich mir sicher bin, dass wir auch bei dir einen Vertreter haben, bei dem wir darauf setzen können, dass du in bewährter Art und Weise, in straffer Art und Weise auch dieses Ministerium sehr zuversichtlich führen wirst und wir für die Menschen in Österreich viel erreichen werden.

Zu unserem Herrn Minister Doskozil: Hans Peter, ich darf jetzt schon sagen, dass ich als Burgenländerin sehr stolz bin. Das darf ich jetzt einmal so sagen, weil ich mich wirklich freue. Im August des vorigen Jahres, als der Flüchtlingsstrom zu uns gekom­men ist, die Menschen, die Schutz und Hilfe gesucht haben, zu uns gekommen sind und wir vor einer Situation standen, die nicht alltäglich ist und eine echte Heraus­forderung dargestellt hat, gab es dich an der Grenze: einen Menschen, der da steht, richtungsweisend ist, aber die Menschlichkeit nicht verloren hat – eine Menschlichkeit, die wir brauchen, die notwendig ist, eine Menschlichkeit, die wir uns wünschen. Hans Peter, ich wünsche dir in deiner neuen Funktion nicht nur, dass du die Rechtsstaat­lichkeit wirklich immer im Auge hast, sondern dass du auch die Menschlichkeit nicht verlierst, denn ich glaube, dass das eines der wichtigsten Dinge ist, auf die wir schauen müssen. Ich möchte somit allen drei Ministern alles Gute wünschen.

Kollegin Mühlwerth ist jetzt nicht da, aber ich möchte schon noch etwas zu ihren Ausführungen sagen: Die Regierung arbeitet nicht? – Kollege Pisec sagt: Die Steuern sind noch immer viel zu hoch. Ich frage mich nur, für wen? (Bundesrat Pisec: Für alle!) – Bei denen, die so viel haben, dass sie hohe Steuern zahlen müssen, ist das auch notwendig, denn die Umverteilung brauchen wir, und ich bin sehr froh, dass diese Regierung diese Steuererleichterung wirklich durchgeführt hat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Kollegin Mühlwerth sagt zum neuen Stil der Regierung, sie höre schon so oft von ihm, nur wisse sie überhaupt nicht, was sie davon halten solle, und sie sehe ihn nicht. – Das


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glaube ich schon, dass sie den neuen Stil nicht sieht, denn – ich werde es Monika nachher auch noch selbst sagen, und ich habe es vorher schon gesagt  – wenn man diesen alten Stil pflegt, den die Freiheitliche Partei hat, bei dem Hetzen an erster Stelle steht, bei dem Schlechtreden an erster Stelle steht, bei dem nichts Positives an erster Stelle steht, bei dem das Vorlesen eines Artikels aus der „Kronen Zeitung“, der wirklich nur diffamierend ist, an erster Stelle steht, dann glaube ich schon, dass man bei einem neuen Stil sehr wenig sehen kann, dann ist man nämlich auf beiden Augen blind.

Das tut mir zwar leid für euch, aber vor allem für Österreich, denn ich glaube, die Menschen in unserem Land haben es verdient, dass es Vertrauen, Stabilität und natürlich auch Zusammenarbeit in der neuen Bundesregierung gibt. Ich wünsche mir das von ganzem Herzen für euch, aber auch für uns alle in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.04


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­des­rat Ing. Köck. – Bitte.

 


12.04.21

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Feststellung beginnen: Österreich ist ein sehr reiches Land, gemessen am Brutto­inlandsprodukt pro Kopf das drittreichste in der EU nach Luxemburg und den Niederlanden.

Bei allen Umfragen, bei denen es um Lebensstandard, um lebenswertes Leben geht, sind wir in den vorderen Rängen vertreten, und wenn es darum geht, wo man am sichersten lebt, dann ist Österreich auch wieder ganz vorn mit dabei.

Wenn wir bedenken, wer wir vor 60, 70 Jahren nach dem Krieg waren: das Armenhaus Europas und wie wir das geschafft haben: Die Menschen in diesem Land, aber vor allem jene, die in diesem Land regiert haben, und nicht jene, die nicht regiert haben, haben das geschafft. Damit sind wir dorthin gekommen. Es macht einen Unterschied. (Zwischenrufe der Bundesräte Herbert und Krusche.)

Man weiß, warum Griechenland dort ist, wo es ist, und Österreich da ist, wo es ist. Man weiß auch, warum Kärnten dort ist, wo es ist, und die anderen Bundesländer nicht. Das macht den Unterschied. (Bundesrat Jenewein: Weil die ÖVP die Wahlen verliert!) Da brauchen wir uns auch nicht Demokratie oder direkte Demokratie vorhalten zu lassen von jemandem, der nach Salzburg fährt, in einem diktatorischen Akt sondergleichen, den es in dieser Demokratie noch nie gegeben hat, und eine ganze Riege beim Lan­des­parteivorstand gegen den Willen der Mitglieder dort hinwegfegt. Das hat mit Demokratie nichts zu tun. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr regiert ja sowieso …!)

Da brauchen wir uns von euch nicht belehren zu lassen, das muss ich schon in dieser Klarheit sagen. Und eines muss ich schon auch sagen: Diese Bezeichnungen der Regierungsmitglieder gestern von einem Parteiobmann – mir würden zu vielen von euch bestimmte Bezeichnungen einfallen. Wir haben so viel Anstand, dass wir uns das verkneifen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen. – Bundes­rätin Mühlwerth: Also, wir hören!)

Zur Regierungsumbildung: Ich denke, die Regierungsumbildung war sehr gut. Jeder Mensch hat eben verschiedene Fähigkeiten, und darauf wurde letzten Endes auch reagiert. Die Bevölkerung in Österreich hat das schon sehr toll registriert, wie das Bun­des­heer jetzt eingreift, eben auch bei der Sicherung der Grenzen, wenn die Asylan­tenströme zu uns kommen, und wir sehen auch, dass wir dieses Bundesheer brauchen, in einer Situation, in der letzten Endes beinahe die Souveränität unseres


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Landes angegriffen wird. Ich denke, dass wir hier über dieses Bundesheer in Zukunft keine Diskussionen mehr zu haben brauchen.

Ich sage Ihnen, ich komme von der Tagung des Europarates, und dort habe ich ge­sehen, wie wichtig diese Richtwertobergrenze war. Das ist eine Worterfindung von mir, Richtwertobergrenze – das lasse ich mir vielleicht sogar patentieren. Aber vielleicht hätten wir uns damit in den letzten Tagen gewisse symbolische Verwirrungen erspart.

Diese Richtwertobergrenze war enorm wichtig, weil ich im Migrationsausschuss gese­hen habe, wie nervös die Balkanländer werden und Menschen nicht mehr unkontrolliert hereinlassen, weil sie nicht wissen, ob sie auf der anderen Seite wieder herauskom­men, und wie auf einmal der Druck in Griechenland steigt, und Griechenland selbst diese Hotspots will, gegen die sie sich in den letzten sechs Monaten verwahrt haben, weil sie sie selbst brauchen werden.

Dann können wir in ganz Europa verteilen, so wie es sich gehört. Dann können wir zu­sam­menarbeiten. Und ich muss ehrlich sagen: Die EU hat diesbezüglich ganz einfach jede Führungsqualität verloren. Wir Österreicher haben Führungsqualität gezeigt. Wir haben gezeigt, wie man das angehen muss und dass wir die Dinge in die richtige Rich­tung lenken, wie sie gemacht gehören, in Österreich, in einer gemeinsamen Zusam­menarbeit.

Da möchte ich mich bei allen bedanken – das muss ich wirklich sagen –, die das letzten Endes in der Regierung auch geschafft haben und zusammengestanden sind, um diese Entscheidungen herbeizuführen. Ich möchte hier schon eines klarstellen: Ich bin nicht gegen Asylwerber, gegen Migranten. Meine Familie hat nach dem Krieg nichts zu essen gehabt und hat eine Frau mit acht Kindern über den Winter gebracht. Ich bin sehr wohl dafür, dass man jenen Menschen, die Hilfe brauchen, auch hilft. Aber Österreich allein kann eben auch nicht die ganze Welt retten. Und ich habe auch im Europarat gesehen, dass bei anderen Ländern schon noch einiges getan werden muss, damit die Hilfsbereitschaft auch dort Einzug hält. Daher, denke ich, waren diese Maßnahmen richtig und gut.

Nun zu den wichtigen Dingen, die auch die Ressorts betreffen, bei denen jetzt ein Wechsel stattgefunden hat. Ich denke, dass die Pensionen ein ganz wichtiger Punkt für die Zukunft sind. Herr Minister Stöger! Du hast es angesprochen: Die Regierung hat sich auf eine Erhöhung des tatsächlichen Antrittsalters geeinigt, das ist aber nicht umgesetzt worden. Gerade gestern im „Standard“ war ein Bericht, der uns aufgezeigt hat, dass das reale Antrittsalter wieder einmal gesunken ist. (Bundesminister Stöger: Das stimmt nicht!) – Doch, das stimmt.

Da hat Minister Hundstorfer die Arbeit offensichtlich nicht so ernst genommen, und ich hoffe, dass Sie es schaffen, denn wenn wir davon reden, dann kommt der ÖGB immer gleich mit Pensionssenkungen. (Bundesrat Jenewein: Das ist der neue Stil!) Das wird von uns nie gesagt. Das ist Klassenkampf. Wir wollen nur eine Erhöhung des Antritts­alters, und es wurde hier (eine Zeitungsseite in die Höhe haltend), im „Standard“, auch klar gesagt, dass bei diesem Herausrechnen der … (Bundesrat Mayer: „Presse“, nicht „Standard“!) – „Presse“ –, dass beim Herausrechnen der Reha-Gelder dann eben ein niedrigeres Pensionsantrittsalter zustande kommt.

Ich bin zwar kein Volkswirtschaftler, aber ich kenne die vier Grundrechnungsarten. Anhand dieser kann ich mir ausrechnen, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn wir ständig mehr Pensionisten bekommen und die Zahl der Steuerzahler gleich bleibt, dann wird es Probleme geben, und ich will, dass unsere Kinder, meine Kinder auch eine Pension bekommen. Ich denke, dass wir diese Arbeit ernst nehmen und in die Richtung arbeiten sollten, in Zukunft ein höheres Antrittsalter zu haben.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 69

Eine ganz wichtige Sache ist auch die Mindestsicherung. Diese ist doch sehr stark in Diskussion, und auch da müssen wir die Dinge endlich angehen. Ich kenne Menschen, die arbeiten für 900 € oder ein bisschen mehr im Monat, und wenn Sie mit diesen Menschen reden, dann bemerken Sie eine ganz große Verärgerung über die Mindest­sicherung.

Wir sehen Familien, die das schon weitergeben. Da sind die Eltern im sozialen Netz gewesen, und die Jungen machen das auch schon so. Ich sehe selbst auf dem Ge­mein­deamt, dass die Menschen nicht immer ehrlich zu uns sind, wenn sie ihre An­gaben machen, wenn man ganz klar sieht, dass zwei Menschen zusammengehören, diese aber vor der Behörde dann angeben, dass das nur Vermieterin und Mieter sind, und all diese Dinge. Und ich denke, auch da braucht es ganz einfach Veränderungen – eben mit einer Deckelung. Auch dabei geht es nicht um die Kürzung der Kinderbeihilfe, sondern um eine Deckelung, damit Sozialleistungsbezieher nicht mehr bekommen als 70 Prozent dessen, was jene erhalten, die zur Arbeit gehen und Steuern zahlen. Das ist ganz wichtig für diese Leute, sonst verliert das an Anreiz.

Es geht darum, dass man nach einer gewissen Zeit auf Sachleistungen und Direkt­zahlungen umstellt – im Verhältnis 50 : 50. Es geht darum, dass man nach einer gewis­sen Zeit Reduktionen einführen sollte, um 25 Prozent zum Beispiel. Es geht darum, dass wir Anreize für den Wiedereinstieg in das Erwerbsleben brauchen, und es geht auch um eine Differenzierung zwischen Österreichern und jenen, die erst zu uns ge­kommen sind. Das ist ganz besonders wichtig. Ich weiß, dass es da Verträge gibt, dass wir uns in der Menschenrechtskonvention zu etwas verpflichten und dass wir diese Menschenrechtskonvention auch in der Verfassung haben.

Aber Frankreich zeigt uns gerade jetzt, dass es die Menschenrechtskonvention aus­setzt, weil es eben einen besonderen Grund gibt. Ich denke, wir müssen auch in diese Richtung denken, so wie Länder wie Dänemark, damit wir etwas verändern, weil wir nicht weiter so naiv handeln können, wenn wir bedenken, dass ein ganzer Konti­nent im Aufbruch ist.

Der IS bezahlt jungen Menschen in Afrika Prämien, wenn sie nach Europa auswan­dern, und wir müssen diese Menschen stoppen, bevor sie übers Mittelmeer kommen, bevor dort Menschen ertrinken, bevor wir sie herausfischen müssen. Wir müssen sie dazu anhalten, zu Hause zu bleiben, und deshalb müssen wir diese Attraktivität des österreichischen Sozialsystems, das offensichtlich doch ein großer Anziehungspunkt auf diesem Kontinent ist, für jene Leute senken, damit sie zu Hause bleiben und dort versuchen, auch ihr Land in die Höhe zu bringen und weiterzubringen. Es bringt doch ganz Afrika nichts, wenn die junge, erwerbsfähige Generation auswandert und die Älteren dort allein zurücklässt.

Wir brauchen in diesen Punkten doch einiges an Augenmaß, ein Mehr an Augenmaß, wie ich meine, und etwas überspitzt betrachtet können wir nicht weiterhin so werken wie Biedermann und die Brandstifter.

An Minister Gerald Klug habe ich noch eine sehr persönliche Bitte: Das Infras­truk­turressort ist ein sehr großes Ressort, wir haben schon die Summen gehört, die da bewegt werden, und auch, was alles für die österreichische Infrastruktur geschaffen wird. Im Waldviertel sind wir in den letzten Jahren von der Hochleistungsinfrastruktur „verschont“ geblieben – verschont im negativen Sinne.

Ich wünsche mir wirklich, dass wir unter Ihrer Führung einiges zustande bringen können, damit wir auch das Waldviertel, das auch zu Österreich gehört, besser an die Ballungszentren anbinden und dort unsere Arbeitsplätze zumindest behalten, wenn wir


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 70

nicht noch mehr in unsere Region bekommen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der ÖVP.)

12.14


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. Ich erteile ihm dieses.

 


12.14.59

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Schönen guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Herren Minister! Manchmal machen Sie es einem sehr leicht. Wenn Frau Kollegin Posch-Gruska hier herauskommt und sagt, das ist jetzt der neue Stil und wir arbeiten jetzt viel besser zusammen, und die nächste Wortmeldung vom Kollegen Köck damit endet, dass er einmal ordentlich die Gewerkschaft betoniert, oder heute in der Früh der Bundeskanzler, der ja sowieso gleich einmal seine eigene Fraktion in die Schranken gewiesen hat, weil die steiermärkischen Beschlüsse für ihn offenbar nicht bindend sind, dann lässt das zumindest den Schluss zu, dass die Ankündigung, einen neuen Politstil in diesem Land installieren zu wollen, nicht immer ganz ernst gemeint ist. Und selbst wenn sie ernst gemeint ist, bleiben doch Restzweifel bestehen.

Die Regierungsbank, die zuerst noch gut gefüllt war, hat sich jetzt ein klein wenig dezimiert. Ich freue mich trotzdem, dass die Frau Staatssekretärin und die Minister noch da sind. Es ist ja gerade in der Länderkammer nicht uninteressant, dass diese Minister in ihren Landesgruppen durchaus gut verankert sind und – möglicherweise auch ein kleiner Treppenwitz der Geschichte – dass die noch verbliebenen SPÖ-Minis­ter, die jetzt auf der Regierungsbank sitzen, bei den letzten Landtagswahlen durchaus auch die Rechnung für ihre Politik präsentiert bekommen haben, egal, ob das jetzt Oberösterreich oder die Steiermark war. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Pfister.)

Ich möchte aber sehr wohl auf den neuen Verteidigungsminister eingehen, der durch­aus vorsichtige Vorschusslorbeeren verdient hat, und zwar hat er erstens noch die Chance, etwas Richtiges zu tun und es richtig zu tun, und das Zweite ist auch, dass er bisher noch nicht gezeigt hat, dass er in den verschiedenen anderen Ministerien wenig bis gar nichts auf die Reihe bekommen hat.

Diese Vorschlusslorbeeren beziehen sich natürlich auch darauf, dass er unmittelbar nachdem er Minister geworden war, eine Forderung der Freiheitlichen aufgenommen hat, nämlich die Möglichkeit der Abschiebung von Flüchtlingen mit der „Hercules“-Maschine des österreichischen Bundesheers. Ich darf nur für jene, die ein bisschen ein Kurzzeitgedächtnis haben – ich glaube, in der zweiten Reihe da ist ein bisschen ein Kurzzeitgedächtnis (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller) –, daran erinnern, was es da für einen Aufschrei gegeben hat. Ich vermisse heute eigentlich gerade in der zweiten Reihe, in den hinteren Reihen ebenfalls den Aufschrei und dass man da raus­geht und sagt: Das ist ja furchtbar! Das ist ja unmenschlich! Wie kann man das denn machen! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Man darf aber auch nicht vergessen, dass dieser Vorschlag der FPÖ bezüglich der Abschiebung mit der „Hercules“-Maschine zu einem Zeitpunkt gekommen ist, zu dem wir bei Weitem nicht mit dem Ansturm konfrontiert waren, den wir seit dem Spät­sommer, seit dem Frühherbst des Jahres 2015 gehabt haben. Ich möchte mich von dieser Forderung in Bezug auf „Hercules“ nicht verabschieden, keine Frage, aber wir müssen – und das macht den Unterschied zwischen guter und sehr guter Politik aus – eine effektive Politik machen und wir müssen eine effiziente Politik machen.


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Was ist der Unterschied? – Effektiv heißt, die richtigen Dinge zu tun, und effizient heißt, die Dinge richtig zu tun. Herr Bundesminister, ich glaube, dass wir es mit den Kapa­zitäten, die wir derzeit in Österreich haben, ganz schwer haben werden, mit den tech­nischen Möglichkeiten, die wir haben, die bis zum Jahr 2019 veranschlagten 50 000 Per­sonen wirklich außer Landes zu schaffen.

Ich habe ein kleines Rechenbeispiel vorbereitet, das lockert die Debatte vielleicht auch ein bisschen auf, weil ich zuerst den Eindruck hatte, die Luft ist draußen. Wenn wir uns das anschauen: Wir haben 50 000 Personen und gehen davon aus, dass wir diese auch mit der „Hercules“ ausfliegen. Gehen wir einmal ganz einfach davon aus, weil es leichter zu rechnen ist, dass alle 50 000 ausgeflogen werden sollen, dann wären das 556 Starts, das heißt 1 112 Flugbewegungen für 90 Personen.

Eine Flugstunde mit der „Hercules“ kostet 11 600 €. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass die „Hercules“ mit 90 Personen fliegt, zum Beispiel in den Irak, dann wird sie vier Stunden in eine Richtung unterwegs sein, das heißt, sie ist acht Stunden in der Luft. Das kostet insgesamt 92 800 € für 90 Personen, das heißt pro Person 1 031 €, um mit der „Hercules“ abzuschieben.

Herr Bundesminister, hier ist mein Vorschlag, denn es werden ja immer Vorschläge eingefordert, nicht nur Kritiken, da schaue ich ganz besonders den Kollegen Edgar Mayer an, der bei allen seinen Wortmeldungen immer darauf drängt: Legt etwas auf den Tisch! Ich lege etwas auf den Tisch, selbstverständlich. Ich meine, dass dieses Problem der Luftabschiebungen nicht nur Österreich allein betrifft, sondern das ist ja europaweit ein Thema. Ich glaube auch, dass es notwendig sein wird, dass sich die Regierungen – beziehungsweise auch da könnte Österreich durchaus Vorreiter sein – darauf verständigen, dass man Großraumjets für diese Abschiebungen ankauft beziehungsweise least.

Es gibt um 6 Millionen € Großraumflugzeuge wie zum Beispiel die Boeing 747, deren Flugstunde nur 20 600 € kostet, das heißt, die Abschiebung einer Person würde bei dem vorher genannten Rechenbeispiel statt 1 031 € nur 329 € kosten. Das wäre der effiziente Zugang zum Thema Luftabschiebungen, anstatt mit altersschwachen „Hercules“-Maschinen diese Masse bewältigen zu wollen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich weiß natürlich – ich weiß nur nicht, ob Sie darauf eingehen oder nicht –, dass hier nun einmal Ablehnung kommt und man sagt: Nein, die Freiheitlichen, jetzt wollen sie schon Flugzeuge für die Abschiebungen kaufen, das ist ja verrückt! Spätestens in einem halben Jahr stehen wir dann wieder da, und der Minister wird sagen, wir werden jetzt Flugzeuge ankaufen müssen, da wir es mit der Kapazität nicht mehr schaffen werden.

Ich glaube aber auch – um dem Ganzen nicht nur eine humoreske, sondern auch eine ernsthafte Note zu geben –, dass Frontex genau das in Zukunft tun wird müssen. Österreich könnte hier ein Vorreiter sein, und das wäre mitunter sogar ein Geschäfts­modell für das österreichische Bundesheer, denn dadurch, dass diese Flugzeuge nicht nur für Österreich verwendet, sondern auch anderen EU-Staaten zur Verfügung gestellt werden – Schweden, der Bundesrepublik Deutschland, anderen Staaten –, hätte das österreichische Bundesheer auch die Möglichkeit, eine Kernkompetenz zu erwerben. Natürlich kostet das Geld.

Aber was wir jetzt in Europa erleben, diese Versorgungen, wo man nicht weiß, ob die Zelte stehen. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)  Ja, Herr Kollege von den Grünen, das ist besonders lustig, dass von Ihnen die Zwischenrufe kommen. Schauen wir einmal ganz kurz nach Tirol. Da ist eine Grüne Flüchtlingskoordinatorin, da stehen die Zelte, großartig, super, das ist eure Kompetenz. Aber hier das dann kritisieren! (Bun-


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desrat Stögmüller: Ja, schon …!) Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Herr Kollege, das glaubt Ihnen ja keiner mehr.

Ein Punkt – und da hat sich offenbar zumindest bei manchen Staatschefs in Europa mittlerweile das Lucidum intervallum eingestellt – ist, dass wir nicht so weitertun können, dass wir selbstverständlich auch Rückführungen brauchen werden. Diese Rückführungen kosten Geld, ja, selbstverständlich, nicht nur die Rückführungen kosten Geld, auch Leute, die hier bleiben, werden Geld kosten.

Wir hätten die Möglichkeit, jetzt als betroffener Staat Leadership zu zeigen, wir hätten auch die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir europaweite Lösungen anbieten können. Auch wenn Sie das jetzt abtun und wenn Sie das als Spinnerei abtun, ich garantiere Ihnen, spätestens in einem Jahr wird so etwas kommen, egal, ob das von einem euro­päischen Nationalstaat kommt, egal, ob das von Frontex kommt, das wird kommen, und wir werden dann wieder die Zweiten sein, da wir es nicht umsetzen wollen, weil der Vorschlag von den Freiheitlichen kommt.

Ich denke, das ist der richtige Zugang, eine Effizienz in die Politik hineinzubringen. Nicht nur effektiv, sondern effizient arbeiten zu wollen, das ist das Gebot der Stunde. Ich bin davon überzeugt, dass es viele Leute gerade auch in der Volkspartei gibt, die mir da recht geben, auch wenn sie es jetzt nicht zugeben würden. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Die SPÖ ist in der Frage Flüchtlinge völlig gespalten, die müssen erst mit sich selber ins Reine kommen. Ein Punkt ist allerdings schon bemerkenswert: dass genau jener Verteidigungsminister, der aus dem Burgenland kommt, aus einer SPÖ-Landesgruppe kommt, die mit der FPÖ in einer Landesregierung sitzt. Das ist durchaus ein positives Signal, das wir gerne annehmen. Das ist sicherlich der richtige Weg und ein richtiges Zeichen für die Zukunft in dieser Republik. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


12.23.06

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerin von den Grünen hat schon ihre Anregungen und Vorschläge dem Herrn Sozialminister und dem Herrn Verteidigungsminister mitgeteilt, und ich überbringe jetzt das grüne Begrüßungspaket an den Herrn Verkehrsminister.

Der Verkehr in Österreich ist, wie wir alle wissen, der Hauptverursacher für Luftschad­stoffe, mit allen Auswirkungen, die wir dadurch haben, wie zum Beispiel Feinstaub­belastung und vor allem natürlich die Klimabelastung.

Wie wir auch alle wissen, ist Österreich Klimaschlusslicht in der EU. Wir sehen jetzt gerade zu Ihrem Amtsantritt eine Riesenchance durch die Niedrigpreisphase, die das Öl gerade hat. Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um eine ökosoziale Besteuerung zu forcieren, um zu mehr Kostenwahrheit zu kommen, um hier aktiv etwas für den Klimaschutz zu machen, um einfach den Klimasünder Verkehr zu verringern. (Zwi­schenruf des Bundesrates Dörfler.)

Wir sind sehr gespannt, wie Sie das alles angehen werden, wie Sie genau bei der Kostenwahrheit im Verkehr ansetzen werden, vor allem aber wie Sie beim Punkt Verlagerung des Verkehrs weg von der Straße auf die Schiene agieren werden. Da braucht es viel mehr Anstrengung. Drei Megatunnels, die jetzt schon in die Berge


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gebohrt werden, sind da nicht ausreichend. Begleitmaßnahmen müssen gesetzt wer­den, um eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene zu erreichen.

Ich möchte Ihnen nun ein sehr, sehr wichtiges Tiroler Thema näherbringen. Sie sind nun der dritte Verkehrsminister – darunter eine Verkehrsministerin – in zwei Jahren, dem ich das näherbringen will, das Verkehrschaos in Kufstein. Es hat seit Inkrafttreten der Autobahnvignette 17 Jahre ein Aussetzen der Vignettenkontrolle bis Kufstein Süd gegeben, denn dort ist eine sehr wichtige Abzweigung: Der gesamte Verkehr in Rich­tung Schigebiete, in Richtung Kitzbühel, in Richtung Osttirol und vor allem im Sommer in Richtung Italien und Kroatien biegt dort ab.

2014 hat die damalige Bundesministerin Bures dieses Aussetzen der Vignettenkon­trolle gekippt, und seitdem wälzt sich der Verkehr in die Schigebiete vor allem im Winter durch Kufstein, durch die Umgebung von Kufstein, die Mautflüchtlinge legen die Region rund um Kufstein lahm. Die derzeitigen Grenzkontrollen in Deutschland ver­stärken das Problem natürlich noch. Zurzeit ist die Situation wirklich unerträglich, und es gibt kaum ein Vorankommen.

Es geistern sogar schon ganz, ganz wirre Ideen durch die Köpfe, nämlich für die Mautflüchtlinge eine Umfahrung für jene Autobahn zu bauen, die als Verkehrs­ent­lastung für die Städte, für die Regionen gebaut worden ist.

Durch das Aufheben der Aussetzung der Vignettenkontrolle und weil man auf die Auto­bahnmaut nicht verzichten möchte, kommt es zu diesen Mautflüchtlingen. Anzudenken, für diese Autobahnmaut-Flüchtlinge noch eine Umfahrung auf Steuerkosten zu bauen, ist wohl wirklich der Gipfel. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Daher lade ich Sie herzlich ein, Herr Minister, kommen Sie uns in der Region Kufstein besuchen, schauen Sie sich die Situation vor Ort an und machen Sie sich selbst ein Bild davon. Ich übertreibe hier nicht, das sind wirklich ganz untragbare Zustände. Versuchen wir gemeinsam eine Lösung für die Menschen in dieser Region zu finden!

Ich wünsche Ihnen sehr viel Glück zum Amtsantritt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig Letzter zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zelina. – Bitte.

 


12.27.17

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (Stronach, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister! Sehr geehrter Herr Infrastrukturminister! Sehr geehrter Herr Sozialminister! In gewisser Weise bewundere ich wirklich Ihre Flexibilität, wie Sie hier die Ressorts wechseln. In der Privatwirtschaft ist es nicht so einfach, die Branchen zu wechseln. (Bundesrat Pfister: Oh ja! Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Hut ab, Herr Stöger ist absoluter Spitzenreiter. Ich bin jetzt drei Jahre im Bundesrat, und Herr Stöger hat bereits das dritte Ministerium. Hut ab, das ist wirklich weltmeisterlich! (Bun­desrat Tiefnig: Do sieht ma, wie man sich entwickeln kann!)

Lassen Sie mich ein paar Worte zu jedem Ressort sagen. Als ehemaliger General­sekretär des Österreichischen Badminton Verbandes liegt mir der Sport sehr am Herzen, besonders die Sportvereine, die Kinder- und die Jugendarbeit.

Meine Bitte: Vielleicht können die Ministerien, das Landesverteidigungsressort und das Gesundheitsministerium, in Richtung Gesundheitsvorsorge zusammenarbeiten. Viel­leicht können wir die Lotterie-Förderungen durch das Gesundheitsministerium verdop-


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peln und dadurch die Eltern in den Sportvereinen entlasten. (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.) Da würde ich mir eine Zusammenarbeit wünschen.

Zum Infrastrukturministerium: Einer der wichtigsten Punkte ist die Finanzierung der Infrastruktur. Ein Vorschlag wäre, dass wir hier in Österreich eine österreichische Infrastrukturbank gründen, die zu 100 Prozent in österreichischem Staatsbesitz ist. (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Derzeit haben wir ein System, wo sämtliche Finanzierungen des Staates über den privaten Bankensektor laufen, und das ist in keiner Weise notwendig.

Wenn Sie als Infrastrukturminister eine Bank gründen, eine Infrastrukturbank – sagen wir, Sie bringen 10 Milliarden € Eigenkapital ein –, dann sind Sie in der Lage, mit dem derzeitigen Bankensystem 100 Milliarden Kredite zu finanzieren. Denken Sie an die Schulden der ÖBB, denken Sie an die Schulden bei den Eisenbahnen, bei der ASFINAG (Bundesrat Dörfler: Wir machen uns keine Sorgen!): Wenn wir das alles über eine Infrastrukturbank in österreichischem Staatsbesitz finanzieren, dann landen die Zinseinnahmen der Infrastrukturbank per Dividendenausschüttung wieder beim Staat selbst.

De facto könnte sich die Infrastrukturbank dieses Prozedere sparen, zuerst Zinsen an den Staat zu errechnen und dann diese als Dividenden wieder zurück an den Staat auszuschütten. Die ganze Finanzierung läuft letzten Endes soundso über die öster­reichischen Steuergelder. Die Zinsverrechnung ist nicht notwendig! Mit einer Infrastruk­turbank in österreichischem Staatsbesitz könnte man jede Infrastruktur fast zinslos finanzieren, und die erbaute Infrastruktur schafft zusätzlich einen Gegenwert für diese Gelder.

Zum Sozialministerium: Eine der Hauptproblematiken ist die Finanzierung des Pen­sions­systems. Wir sollten uns überlegen: Was wäre ein faire, vernünftige, durchschnitt­liche Pensionsbezugsdauer?

Wir hatten in den siebziger Jahren eine durchschnittliche Pensionsbezugsdauer von unter zehn Jahren. In der Zwischenzeit sind wir je nach Berechnungsmodell zwischen 22 und 25 Jahren durchschnittlicher Pensionsbezugsdauer angelangt. Das ist Wahn­sinn! Wir studieren bis 22, 23 Jahre, dann sind wir 25 Jahre in Pension. Das sind 50 unproduktive Jahre, das kann sich nicht rechnen!

Was wäre eine faire durchschnittliche Pensionsbezugsdauer? Zum Beispiel 15 Jahre? (Bundesrätin Grimling: Und dann gemma sterben? Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nehmen wir die durchschnittliche Lebenserwartung her, ziehen 15 Jahre ab, und dann hätten wir eine Formel, in die die Politiker noch eingreifen können.

Sie haben das Umlageverfahren im Pensionssystem angesprochen. Ja, das Umlage­verfahren ist wichtig. Dennoch sollten wir auch darüber nachdenken, welche Aufgaben wirklich notwendig sind, welche Aufgaben der Staat im Pensionsbereich tatsächlich leisten soll. Ist es tatsächlich Aufgabe des Staates, Luxuspensionen und hohe Zusatz-pen­sionen zu finanzieren? Oder wäre es Staatsaufgabe, rein eine Mindestpension zu zahlen, die wir über das Umlagesystem finanzieren?

Und dann, zusätzlich dazu, müssten die Firmen für alle Angestellten ihre Gelder in einen österreichischen Pensionsfonds einzahlen, und mit diesen Geldern sollte aus­schließlich in österreichische Infrastrukturprojekte, in Start-ups, in österreichische Firmen zur Eigenkapitalstärkung investiert werden.

Und die Renditen, die daraus kommen, finanzieren dieses Pensionssystem als zweite kapitalgedeckte Säule mit.


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Und in eine dritte Säule kann jeder völlig frei, unabhängig, ohne Zwang einzahlen und veranlagen, wie er möchte, auch international.

Dann hätten wir drei Säulen als Basis unseres Pensionssystems. Das wäre eine gute, alternative Möglichkeit der Pensionsfinanzierung. Ich bitte Sie, das auch zu überlegen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich wünsche Ihnen allen in Ihren neuen Ressorts viel Erfolg, hoffe, dass Sie sie im Verwaltungsbereich schlank führen und für Österreich eine gute Leistung erbringen. Vielen Dank.

12.33


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu einer abschließenden Stellungnahme gelangt Herr Bundesminister Stöger zu Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


12.33.12

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Vorsitzender! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mich noch melden, weil angesprochen worden ist, dass Frankreich gerade in der Frage der Mindestsicherung die Menschenrechtskonvention ausgesetzt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mindestsicherung heißt Mindestsicherung, und die hat Ziele. Ein Ziel der Mindestsicherung ist, dass man den Menschen ein Dach über dem Kopf gibt. Das heißt, Wohnungslosigkeit oder Obdachlosigkeit zu verhindern ist das erste Ziel. Deshalb haben wir die bedarfsorientierte Mindestsicherung einge­richtet.

Das zweite Ziel ist, den Menschen und vor allem den Kindern Nahrung zu geben, etwas zu essen zu geben, und zwar nicht nur vom 1. bis 15., sondern auch am 27., 28. und, wenn das Monat 31 Tage hat, am 31. Tag auch noch. Ich sage das ganz bewusst dazu.

Das dritte Ziel der Mindestsicherung war, die Menschen nicht an den Rand der Gesell­schaft zu drängen, sondern ihnen zu sagen: Ihr bekommt dann Mindestsicherung, wenn ihr auch bereit seid, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Das ist wichtig, und genau das machen wir mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Daher ver­handeln wir das auch im Einvernehmen mit den Bundesländern.

Wenn wir das nicht wollen, dann passiert uns das, was in Frankreich normal ist, näm­lich dass es rund um die großen Agglomerationen – Paris und so – Slums gibt. Und ich möchte Slums in Österreich nicht aufkommen lassen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Es geht um eine Richtigstellung: Herr Bundesrat Zelina, ich würde Sie gerne die Briefe lesen lassen, die ich in den letzten Tagen von jenen Menschen bekommen habe, die in der zweiten und dritten Säule ihre Pension haben wollen. Da beschweren sich viele, dass die Erträge zurückgegangen sind und die Performance schlichtweg nicht funk­tioniert. Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte geschlossen.

Ich danke den Herren Ministern, dass sie sich Zeit genommen und bei diesem Tages­ord­nungspunkt hier teilgenommen haben.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 76

12.35.562. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energie-Infrastrukturgesetz erlassen, das Umweltverträglichkeits­prüfungsgesetz 2000 geändert sowie das Bundesgesetz über die Frist und das Verfahren in den Fällen des Art. 12 Abs. 3 des B-VG aufgehoben werden (626 d.B. und 651 d.B. sowie 9524/BR d.B. und 9532/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir setzen in der Tagesordnung fort und kommen zum deren 2. Punkt.

Ich darf bei diesem Punkt nochmals unseren Herrn Vizekanzler begrüßen, der auch schon vorhin dabei war.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um den Bericht.

 


12.36.40

Berichterstatter Christian Poglitsch: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energie-Infrastrukturgesetz erlassen, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert sowie das Bundesgesetz über die Frist und das Verfahren in den Fällen des Art. 12 Abs. 3 des B-VG aufgehoben werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Pisec zu Wort. – Bitte.

 


12.37.23

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach so viel The­orie­bildung auf der umjustierten Regierungsbank, schauen wir uns einmal die Praxis an, wie es hier in Österreich seitens der Bundesregierung mit der tatsächlichen, mit der operativen Tätigkeit aussieht.

Wir kommen jetzt zum Energie-Infrastrukturgesetz, das ist oder wäre für Österreich interessant, weil es ein wichtiges Gesetz für die österreichische Wirtschaft und für die österreichische Industrie ist. Basis dieses Gesetzes wäre – ich muss im Konjunktiv bleiben – die EU-Verordnung aus dem Jahr 2013. Dieses transeuropäische Infrastruk­tur­projekt, Energie-Infrastrukturprojekt bezieht sich darauf, dass Leitungen, Energie­leitungen im Sinne von Stromleitungen, Erdöl-, Gasleitungen, Speicherkapazitäten und Trassenführungen in nationale Gesetzgebung umgewandelt werden sollten. Dies muss und sollte umgesetzt werden, da es ein wesentlicher Punkt für den Binnenmarkt – das ist hier die Wirtschaft – ist, damit Wachstumschancen auf nationaler Ebene entstehen können.

Die Infrastruktur, sollte man meinen, wäre einer der wesentlichen Eckpfeiler, eine der wesentlichen Kernaufgaben des Staates. Neben der Gesundheit und der Sicherheit ist es natürlich eine der Kernaufgaben des Staates, diese ist aber in Österreich in der derzeitigen Form so einfach nicht umsetzbar. Und deswegen muss man sich bewusst werden, dass diese EU-Verordnung kraft unserer Verfassung nicht eins-zu-eins umge­setzt werden kann und dieses Gesetz auch nicht umgesetzt werden konnte. – Und das kritisieren wir ja.


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Die österreichische Verfassung – hier ein kleiner Exkurs – hat extreme Kompetenz­schwie­rigkeiten im Sinne einer Aufteilung zwischen Städten, Ländern und Gemeinden mit dem Bund, die sind nicht ganz klar geklärt. Hier ist keine zentrale Einheit vorge­sehen, obwohl laut dieser Verordnung oder diesem Gesetz, das jetzt hier beschlossen wird, bei Ihnen, sehr geehrter Herr Vizekanzler, besser gesagt in Ihrem Wirtschafts­ministerium, eine Infrastrukturbehörde gebildet werden soll, die aber so gar nicht arbeiten kann.

Daher wäre es wichtig, bevor man so ein Gesetz angeht oder umsetzen soll und auch muss – denn das verlangt auch die EU, und dies zu Recht –, einmal die Hausaufgaben in Österreich zu machen und sich einmal anzusehen, warum das hier nicht umgesetzt werden kann. Es ist in Österreich ja bekannt, dass wir eine Reform der Verfassung benötigen, und deswegen hat es ja diesen Österreich-Konvent gegeben, der lange getagt hat, mit Experten und hochrangigen Wissenschaftlern, der aber seitens der Bundesregierung 2009 aufgelöst, abgeschafft wurde, weil all die Dinge, die dort zu Recht genannt und benannt und beschlossen worden sind, nicht umgesetzt wurden.

Die österreichische Verfassung geht bekanntlich zurück auf das Jahr 1920, und schon damals haben Schwarz und Rot sich bei der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern nicht einigen können. Die Verfassung von 1920 geht wiederum zurück auf das Staatsgrundgesetz von 1867, und dem österreichischen Monarchen war es egal, dass damals die Verteilung von Kompetenzen zwischen dem Reich und den Ländern nicht geregelt war, denn er hat mit dem Notverordnungsparagraphen 14 gearbeitet, hantiert und hat gesagt, in diese Richtung bauen wir jetzt über 500 km eine Telegraphenleitung, und die Sache war erledigt. 2016 geht das natürlich nicht mehr, aber wir hinken in der Verfassung 150 Jahre hinterher. Daher mein Ersuchen, Herr Vizekanzler, vielleicht doch einmal die Ergebnisse dieses Österreich-Konvents herzu­nehmen und zu schauen, wie man die Verfassung reformieren kann.

Punkt zwei: Ich möchte dieses Gesetz auch zum Anlass nehmen – denn es geht hier auch um Erdgas- und Erdöl-Leitungen, und Sie waren ja in Moskau bei Premierminister Dmitri Medwedew –, Ihnen wirklich zu gratulieren, auch persönlich mein Lob aus­zusprechen, dass Sie jetzt den Mut gehabt haben, endlich diese EU-Sanktionen gegen Russland zu verurteilen – was wir von der FPÖ schon seit Beginn dieser Sanktionen vor drei Jahren gesagt haben, weil sie der österreichischen Wirtschaft enorm und extrem schaden. Wien beziehungsweise Österreich war immer ein traditionelles Ost­handelsland, immer eine Handelsdrehscheibe, und es ist nicht einzusehen, warum wir mit einem Land wie Russland, das ein Siebentel der Weltfläche einnimmt, in Unfrieden leben sollen. Nein, das wollen wir gar nicht, es ist auch gar nicht notwendig. Und da haben Sie zu Recht beschlossen, nach Russland zu fahren, nach Moskau zu fahren und hier neue Akzente zu setzen. Das war vollkommen richtig. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Ich möchte als Beispiel auch anführen, dass Sie auch den neuen Chef der OMV, den Deutschen Seele mitgenommen haben – oder vielleicht hat er Sie mitgenommen, es kann auch umgekehrt sein –, um hier neue Akzente zu setzen in der Industriepolitik, in der Energiepolitik, die für Österreich extrem wichtig ist, weil wir ja praktisch vom russi­schen Erdgas, ich will nicht sagen, abhängig sind, aber es ist notwendig. Und da eine Verlagerung der Strategie Richtung Gazprom, Richtung Russland vorzunehmen, ist besonders richtig, weil die Exploration von Lagerstätten in Russland zehnmal billiger ist als in der Nordsee und in der Ostsee, oder besser gesagt über Nord Stream, diese neue Pipeline, die da propagiert wird und an der sich die OMV beteiligt hat. Das ist sicher produktiv.

Aber nehmen wir die OMV als Beispiel, wie es mit der österreichischen Standortpolitik aussieht, wie es mit einem Konzern aussieht, der hier in Österreich seinen Standort


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hat. Wie tut sich der? – Der Ölpreis ist, wie wir alle wissen, im letzten Dreivierteljahr um das Dreifache gefallen. Er notiert bei 30 US-Dollar. Ein Konzern wie die OMV wird sich damit schwertun. Aber nicht nur die OMV, sondern die ganze Branche tut sich schwer. Gerade da ist es wichtig, Unternehmen und Großunternehmen – und letztlich ist jeder fünfte Arbeitsplatz von der Industrie abhängig und wird von der Industrie gesichert –, diesen Konzernen endlich zu gestatten, Vermögen zu bilden, ihnen endlich zu gestat­ten, Reserven zu haben. Denn jetzt, in der Zeit, in der man kein Geschäft mehr macht bei 30 US-Dollar pro Barrel, wird es einfach nicht funktionieren. Das weiß die OMV. Das wissen sicherlich auch Sie, Herr Vizekanzler.

Da ist es wichtig, diesen Konzernen zu helfen. Das haben Sie in einem ersten Schritt gemacht mit dieser gemeinsamen Reise. Im zweiten Schritt wäre es wichtig, endlich die Steuern zu senken, und zwar nicht um ein paar Promillepunkte, um hier im Plenum dann zu sagen, wir haben eh so viel gemacht für die Unternehmen und für ihre Mitarbeiter, nein, sie massiv und radikal zu senken. Es bedarf einer Vereinfachung der gesamten Kostenstruktur eines Unternehmens, vor allem der Lohnnebenkosten, und einer Vereinfachung der Steuergesetzgebung und vor allem einer radikalen Reduktion der Bürokratie. Nur dann schaffen wir Unternehmen, schafft die österreichische Wirt­schaft und Industrie Investitionen, die wir alle benötigen, die auch Sie selber ange­sprochen haben in Ihrem Eingangsplädoyer hier, im Sinne von Industrie 4.0, im Sinne der Anpassung an das Zeitalter der Digitalität, im Sinne einfach der Moder­nisierung, damit wir uns in einer globalisierten Welt – und ob wir die wollen oder nicht, darin leben wir – zurechtfinden.

Mein dritter Punkt ist, um beim Beispiel OMV zu bleiben: Diese ist Teil der ÖBIB. Das klingt vielleicht phonetisch nicht so schön, ist auch in der Praxis nicht so schön. Das ist die ehemalige ÖIAG, die Holding der Verstaatlichten, die zu Recht seitens der EU – auch wieder eine Verordnung aus den neunziger Jahren und zur Jahrtausendwende – privatisiert wurde. Wer verbleibt noch dort? – Die OMV, die Post, und mit der Telekom und Casinos Austria wird es schon schwierig, denn da gibt es unfriendly Takeovers, also werden die früher oder später da herausbrechen, ob Sie es wollen, ob es die Regierung will oder nicht.

Da wäre es doch zu überlegen, ob man die ÖBIB überhaupt auflösen könnte. Man spart sich Kosten, man spart sich vor allem Direktiven von der Regierung über diese ÖBIB in die Wirtschaft hinein – denn das will die Wirtschaft sicherlich nicht. Aber Sie haben ohnedies schon ein Zeichen gesetzt, indem Sie mit der OMV und österreichi­schen Wirtschaftstreibenden nach Russland gefahren sind. Es wäre sicher eine Über­legung wert, die ÖBIB aufzulösen.

Zusammenfassend: Anhand dieses praktischen Beispiels zeigt sich, dass wir unbe­dingt eine Standortverbesserung brauchen, unbedingt eine Verbesserung, um ein Wachstum zu erzielen, um Arbeitsplätze, die heute irrsinnig oft angesprochen worden sind, zu schaffen – was aber so nicht funktionieren wird –, damit hier die Wirtschaft und die Industrie wachsen können.

Ganz zum Schluss noch ein Pluspunkt, den ich persönlich anmerken darf: Sie, oder besser gesagt Ihr Ministerium, haben erstmals nicht dieses leidige Prognoseinstitut Wifo für die Analyse herangezogen, sondern das Industriewissenschaftliche Institut der TU Graz. Dieses hat wirklich eine wunderbare Aufbereitung dieser Materie ge­macht. Meine Gratulation an dieses Institut! Jedes Institut ist besser als das Wifo. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.47


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Dr. Brunner. – Bitte.

 



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12.47.14

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt nicht ganz mitge­kommen bei meinem Vorredner, was das mit dem Gesetz zu tun hat. Du hast am Anfang gesagt, du gehst jetzt ins Operative, weg vom Theoretischen, bist dann aber irgendwie mit einem Bauchladen an Themen gekommen, darunter auch Moskaube­suche und die Frage, wer wegen wem Termine bekommt. Übrigens glaube ich nicht, dass der neue OMV-Chef von sich aus einen Termin bekommen hätte. Ich glaube, diese Frage ist zumindest geklärt. – Also der Bauchladen gut und recht, aber jetzt zum Gesetz selber. Vielleicht können wir über das eine oder andere deiner Themen ja nachher noch kurz diskutieren.

Erlauben Sie mir, jetzt eher den Zusammenhang zwischen diesem Gesetzespaket und insbesondere den Erneuerbaren und der Energiewende zu beleuchten und auch die Frage zu stellen, was beispielsweise Fukushima, der Atomausstieg Deutschlands, der daran anknüpft, aber auch die Klimakonferenz in Paris mit diesem Gesetzespaket zu tun haben.

Nämlich sehr viel, denn infolge des Beschlusses von Deutschland und auch noch von einigen anderen Ländern in Europa, aus der Atomkraft auszusteigen, mussten sowohl die Deutschen als auch wir in Österreich reagieren und müssen auch noch in Zukunft stark reagieren. Das geht vom Bau von Pumpspeicherkraftwerken in den Alpen beispielsweise über den enormen Ausbau von Erneuerbaren, wo Österreich ja auf sehr gutem Weg ist, bis eben auch hin zum Bau von für die Energiewende dringend notwendigen Infrastrukturprojekten, den dringend notwendigen Hochspannungsleitun­gen in Europa, die diesen Strom beispielsweise aus den Pumpspeicherkraftwerken oder auch aus den erneuerbaren Quellen abtransportieren können. Österreich hat mit 17 Prozent, muss man wissen, mit Abstand die größten Pumpspeicherkapazitäten in Europa, noch weit vor Deutschland, vor Italien, vor Spanien. Und der Strom aus dem Wind, der in Norddeutschland auch dann bläst, wenn der Konsument den Strom nicht benötigt, wird eben dann über diese Hochspannungsleitungen in die heimischen Alpen transportiert und dort in Pumpspeicherkraftwerken eingesetzt, denn nur so kann Energie auch effizient gespeichert werden.

Über den Bau von Hochspannungsleitungen hat man sich beispielsweise in der Steier­mark über 20 Jahre hindurch zwischen Politik und Behörden nicht einigen können. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, das wird sich nicht mehr spielen. Immerhin hat Österreich auch große Ziele, hehre Ziele. Also Wasser predigen – in dem Fall: Wasser­kraft predigen – auf der einen Seite und Wein trinken auf der anderen Seite, das wird in Zukunft sicher nicht mehr möglich sein.

Vielen Menschen ist heute schon klar – leider noch nicht allen, aber eben vielen –, dass einige Maßnahmen, die vielleicht auch nicht immer so populär sein werden, zu treffen sind, damit nicht eines Tages das viel zitierte Licht in Europa ausgeht. Die Technik hätte die erforderlichen Mittel schon längst beieinander, zum Beispiel eben den zunehmend von diesen Offshore-Windparks erzeugten Strom auch in die süd­lichen Verbraucherschwerpunkte zu übertragen, wären da nicht auch Widerstände aus gewissen gesellschaftspolitischen Gruppen und politischen Richtungen. Überlegungen zur Um- und Durchsetzung der eigentlich überfälligen Netzausbauten in Europa und auch in Österreich sind eben genauso anzustellen wie zu den netztechnischen Erfor­dernissen, um diese erneuerbaren Energiequellen auch integrieren zu können.

Und dieses Gesetz, werte Kolleginnen und Kollegen, verhindert auch einen aktuell drohenden volkswirtschaftlichen Schaden für uns, für Österreich, und auch einen Schaden für den Stromkunden. Damit die Versorgungssicherheit in Österreich erhalten werden kann, sind einfach stabile Rahmenbedingungen, stabile Rechtsgrundlagen


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notwendig, wie sie eben auch mit der heutigen Umsetzung der EU-Verordnung zu den Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur geschaffen werden.

Dieses Paket ist wirklich von entscheidender Bedeutung für wichtige Infrastruktur­projekte – mit denen auch die Energiewende nicht, wie es oft geheißen hat, gebremst wird, sondern, im Gegenteil, beschleunigt werden kann –, weil dieses Gesetz auch Rechts­sicherheit schafft: Rechtssicherheit für Projektverantwortliche und Rechtssicher­heit für die Infrastrukturprojekte insgesamt, die uns eben bei der Energiewende in der Zukunft auch unterstützen werden.

Eine leistungsfähige Energieversorgung, eine leistungsfähige Energieinfrastruktur sind für den Wirtschaftsstandort Österreich, für die Arbeitsplätze, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung. Und mit diesem Gesetz wird der dringend benötigte Ausbau der Energieinfrastruktur in Österreich beschleunigt, unter Einhaltung der Erfordernisse auch umweltpolitischer Überlegungen und auch von mehr Bürgerbeteiligung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.52


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


12.52.51

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen und Zuschauer an den Fernsehgeräten! Ich teile den Optimismus und die Freude meines Vorredners nicht. Ich halte den heutigen Tag eher für einen schwarzen Tag für die Energiewende und den Klimaschutz – denn beides kann nur gemeinsam mit den BürgerInnen geschafft werden, und mit diesem Gesetz werden leider weiterhin europäische Umwelt- und BürgerInnenrechte missachtet.

Damit halte ich diesen Tag auch für einen schwarzen Tag für die Projektplaner und für die Investoren in diesem Bereich, denn das Gesetz bringt mitnichten mehr Rechts­sicherheit, sondern es verlängert und verstärkt eine meiner Meinung nach eigentlich mutwillig geschaffene Frontstellung der Wirtschaft gegen die UVP, die ja als konzen­triertes Verfahren die Genehmigungsprozesse schneller, transparenter und besser machen könnte und sollte und dies, in der langjährigen Beobachtung und Befassung damit, auch immer wieder tut.

Die Wirtschaft – ich stelle das unter Anführungszeichen – „fürchtet“ sich anscheinend nach wie vor vor den Menschen und bindet sie nur ein, wenn sie von der EU, die hier andere Standards der Partizipation hat, dazu gezwungen wird. Und so wurden die eigentlich gut verlaufenen Verhandlungen mit den Grünen zur Umsetzung der strate­gischen Umweltprüfung – die eben, wie Kollege Pisec schon ausgeführt hat, in Öster­reich aufgrund der Verfassungsbestimmungen so schwierig ist – gestoppt und abge­brochen. Aber diese Prüfung wäre notwendig für übergeordnete Pläne und Programme im Netzausbau, für die großen Projekte.

Die Umsetzung der SUP-Regelungen ist seit zehn Jahren überfällig. Sie ist in Deutsch­land – auch ein föderaler Staat – mittlerweile selbstverständlich. Das gilt aber auch für die Umsetzung der Aarhus-Konvention, auf die wir in ihrer ganzen Breite nach wie vor ebenfalls warten.

Und für rechtsstaatlich höchst bedenklich halten wir die Übergangsregelungen zum UVP-Feststellungsverfahren. Da werden vom Gesetzgeber höchstgerichtliche Judikate unterlaufen – und das sicher nicht mit uns. Die Säumigkeit des Gesetzgebers, Euro­parecht umzusetzen, zeitgerecht umzusetzen, bezahlen jetzt die Nachbarn. In Zukunft werden sie zwar die Möglichkeit haben, negative UVP-Bescheide beim Verwaltungs­gericht zur Prüfung vorzulegen, aber für alle Altfälle gilt: Selbst wenn der Verwaltungs-


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gerichts­hof eine Anlagengenehmigung aufhebt, weil der Einspruch der Nachbarn übergegangen wurde, kann das Projekt trotzdem errichtet und betrieben werden. – Das ist doch eine Frotzelei sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch der betroffenen Anrainer.

Wenn man bei dem eingeschlagenen Weg der Verhandlungen mit uns geblieben wäre, Herr Minister, hätten wir heute ein Paket abschließen können, mit dem wir tatsächlich mehr Rechtssicherheit, bessere Effizienz durch bessere Koordinierung durch das Wirt­schaftsministerium bei länderübergreifenden Projekten wie Trassenfreihaltungen hät­ten erreichen können, ebenso aber ein besseres Ökostromgesetz. Da bin ich nämlich auch nicht so optimistisch wie mein Vorredner. So brauchen Windstrom­betreiber zum Beispiel dringend bessere Rahmenbedingungen. Sie haben in den letzten vier Jahren immerhin 2,2 Milliarden € investiert und sparen schon derzeit so viel CO2 ein, wie 40 Prozent der österreichischen Autos verbrauchen. Aber derzeit sind 220 genehmigte Anlagen in der Warteschleife, weil sie unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht realisiert werden können, und die Genehmigungen dafür verfallen nach drei Jahren.

Da gibt es wesentliche Ungerechtigkeiten, zum Beispiel eben gerade bei den Netz­gebühren. Diese wurden für die Stromerzeuger neuerlich erhöht. In den Nachbarlän­dern müssen die Erzeuger aber nicht bezahlen, und die Importeure von Strom auch nicht. Das heißt, für den schmutzigen Pumpstrom aus Kohle- und Atomkraftwerken soll eine 380-kV-Leitung durch Salzburg ins Pumpwerk in Kaprun gebaut werden, die immerhin 500 Riesenmasten mit einem Vorhang aus 19 Kabeln dazwischen hat – was angeblich seit 30 Jahren unverändert der Stand der Technik ist, so lange gibt es diese Diskussion nämlich schon und wird dieses Projekt schon verfolgt –, und diese Liefe­ranten zahlen für die Durchleitung nichts, der heimische Stromerzeuger aber schon.

Das heißt, die Windkraftbetreiber in Österreich zahlen sich die Erneuerung der vorgela­gerten Leitungen selber und tragen durch hohe Netzverlustentgelte auch zum laufen­den Betrieb bei. Laut höchstgerichtlichem Entscheid vom letzten Jahr ist nur ein Viertel bis ein Drittel der bezahlten Entgelte angemessen.

Also, liebe Wirtschaftspartei, da gäbe es viel zu tun, um sozusagen die Konkurrenz­situation für unsere Errichter und Betreiber im Bereich erneuerbare Energie zu verbes­sern, eben bei einem neuen Ökostromgesetz und Energieeffizienzgesetz.

Aber mir kommt vor, man bleibt hier immer wieder in der Angst vor den Bürgern stecken, frisst sich fest in Verfahren, die eben laufen, aber schlecht laufen. Ich bin überzeugt, es gibt so etwas wie eine Crowd Intelligence, und ich bin überzeugt, dass sie sich in Fällen wie Zwentendorf und Hainburg auch gezeigt hat. Und ich fürchte zu­min­dest, dass die 380-kV-Leitungstechnik mit den Freileitungen von vorgestern ist. In Deutschland ist man davon deutlich abgerückt. Und indem man bei uns immer wieder vom Bürger abrückt, bleibt auch die Innovation in vielen Fällen auf der Strecke.

Die Wirtschaft, die Technik und auch wir sollen doch primär dem Menschen dienen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das besser ginge als mit den hier vorliegenden Bestimmungen, die wir heute beschließen sollen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

13.00


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Bock. Ich erteile es ihm.

 


13.00.43

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits die Überschriften zu diesen Änderungen erzeugen Spannung. Wie wir schon gehört haben, geht es hier in allen


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Punkten um die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Absicherung einer europaweiten Energieversorgung. Es handelt sich also nicht nur um Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie, sondern auch die Versorgung mit Erdgas und Erdöl sind in dieser Richtlinie erfasst. Ebenso sind nicht nur die innereuropäischen Netze davon betroffen, die Versorgung mit Gas und Öl kann ja nur aus Drittstaaten erfolgen.

Ziel dieser EU-Richtlinie sind die Verhinderung von Energieausfällen, sogenannten Blackouts, und der schnelle und sichere Transport zwischen Erzeugern und Ver­brauchern. Wir haben schon gehört: die Erzeuger, vor allem in der Nordsee, mit Offshore-Anlagen und zum Teil zum Ausgleich der Energie die Pumpspeicherkraftwerke in Österreich.

Gerade durch die Entwicklung bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien – das sind insbesondere die Wind- und die Solarenergie – benötigen wir in Europa sehr schnell neue Transporteinrichtungen mit einer sehr hohen Kapazität. Fast alle euro­päischen Staaten haben sich mit der Energiewende hin zu erneuerbaren Energien beschäftigt. Ich erinnere an den Weltklimagipfel in Paris im Dezember 2015, an das Klima- und Energiepaket im Oktober 2014, welches von den 28 EU-Staaten in Brüssel abgeschlossen wurde.

Die Europäische Union verlangt daher die Absicherung und die Bereitstellung von hochrangigen Versorgungseinrichtungen, sogenannten TEN-Strecken, welche per Ge­setz abzusichern sind. Diese im öffentlichen Interesse gelegenen Vorhaben werden bevorzugt behandelt und werden mit dem Einräumen von Zwangsrechten unterstützt. Die Bewilligungspflicht von Anlagen und Anlagenteilen wird allerdings nach den bestehenden Materiengesetzen abgewickelt.

Die neu installierte Bundesbehörde hilft bei der Abwicklung dieser Projekte und koor­diniert auch, falls notwendig, die UVP-Verfahren in Österreich. Damit gibt es einen Ansprechpartner für die Projektbetreiber, allerdings werden die UVP-pflichtigen Vorhaben nur koordiniert, und da ist das Bundesministerium nicht Behörde.

Das Zweite, das in diesem Gesetz geregelt wird, ist, dass das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft als nationale Behörde für diese TEN-Projekte installiert wird.

Und das Dritte ist, dass in diesem Verfahren gestaffelte Fristen festgelegt und vor­gesehen werden in einem Trassenplangebiet durch eine Trassensicherungs­verord­nung, dass diese Projekte auch umgesetzt werden können. Und diese werden über fünf Jahre per Verordnung abgesichert. Eine Entschädigung für jene Grundstücke, die in diesem Trassengebiet drinnen sind, ist nicht vorgesehen, also zumindest während der Trassenverordnung nicht vorgesehen. Und diese Trassenverordnung kann mit besonderer Begründung um weitere fünf Jahre erstreckt werden.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Verfahren in Zukunft wesentlich schneller abgewickelt werden sollten. – Frau Kollegin Reiter, es macht natürlich auch keinen Sinn, wenn Projekte 20 Jahre in der Schublade hin- und hergeschoben werden, und auch, wie jetzt in Salzburg, ein, ich glaube, 39 Monate dauerndes UVP-Verfahren ist nicht im Sinne der Bürger.

Es gibt aber andere Einrichtungen, über die wir noch sprechen müssen.

In Österreich gibt es einige Strecken, die in sogenannten PCI-Projekten aufscheinen, einerseits die Strecke im Strombereich. (Der Redner zeigt eine Grafik.) Sie kennen Österreich. Es braucht verschiedene Zugänge in unser Bundesgebiet, aber auch Abfuhrstrecken für bestimmte Bereiche. Dazu zählt die Verbindung des Stromnetzes auf der 380-kV-Basis zwischen Zell am Ziller und Westtirol, die Schließung des innerösterreichischen Ringes von St. Peter aus in Richtung Deutschland, aber auch die Verbindung in Salzburg, die große Diskussionen hervorgerufen hat und wo die grüne


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Landesrätin jetzt auch einen positiven UVP-Bescheid ausgestellt hat, weil natürlich auch klar ist: Rechtssicherheit muss in Österreich gegeben sein. Und wenn die Voraus­setzungen geschaffen sind, müssen auch grüne LandesrätInnen positive Bescheide erstellen. Das ist nun einmal so.

In Tirol gibt es dann noch Netzverbindungen, die Richtung Reschenpass notwendig sind, also die Verbindung nach Italien beziehungsweise über Innsbruck. Da gibt es ein Pilotprojekt, dass im Brenner-Basistunnel, der 55 Kilometer lang werden wird, diese Leitungen verlegt werden sollen. Aber auch eine Verbindung von Lienz ins Veneto und über den Bodensee in die Schweiz sind vorgesehen.

Es gibt folgende Prioritäten: Es sind drei Pumpspeicherkraftwerke vorgesehen, zum einen das Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal in Tirol, zweitens das Obervermunt­werk II in Vorarlberg und drittens der Limberg-Abschnitt III in Salzburg.

Bei der Sicherung der Erdgasversorgung sind die Leitungen zum Kaspischen Meer über die Adria oder über Bulgarien vorgesehen.

Für die Versorgung mit Erdöl sind zwei Fernleitungen zwischen Wien und Bratislava und von Triest über Osttirol – beim Kollegen Köll geht ja die Leitung bereits durch, sie wird aber verbessert beziehungsweise wird die Leistung erhöht – in Richtung Ingolstadt. Diese Projekte sind in diesen TEN-Projekten vorhanden.

Insgesamt sind 24 Projekte von diesen TEN-Strecken betroffen und sollten Inves­titionen von 3 200 Millionen € an Investitionsschub hervorrufen. Es ist auch geplant, dass dann zumindest 40 000 Beschäftigte durch diese Projekte Arbeit finden können. (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.)

Im Vergleich dazu kostet allein ein Stromblackout – das wird so berechnet – etwa 1,5 Milliarden €, wenn es also zu einem europäischen Blackout kommen sollte. Wir waren ja in den letzten Jahren mehrfach sehr nahe daran, dass das passiert.

Eine sehr große Diskussion in der Bevölkerung – ich glaube, die ist auch gerecht­fertigt – ist, dass gerade bei 380-kV- und 220-kV-Leitungen derzeit Erdleitungen noch in etwa das Zweieinhalbfache von Freileitungen kosten. In China gibt es bereits eine 2 000 Kilometer lange Erdleitung, in der 6,4 Gigawatt transportiert werden. Das ist in etwa die gesamte Leistung aller Tiroler Kraftwerke – und in Tirol ist die Wasserkraft ziemlich stark ausgeprägt –, also die gesamte Leistung der Tiroler Kraftwerke könnte man über solch eine Leitung transportieren. Und es ist schon möglich, über 800 Kilo­volt, also nicht 380 Kilovolt, wie wir jetzt in den Freileitungen fahren, sondern 800 Kilo­volt zu transportieren.

Um die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhalten, müssen wir überlegen, dass im Nahbereich von Wohngebieten generell nur noch Erdkabel verlegt werden dürfen. Damit können wir für die anwohnenden Menschen die Belastung durch Elektrosmog und Lärm mindern – die Koronaentladungen sind ja für Anrainer nicht unbedingt von Vorteil. Ich weiß selbst ein Lied davon zu singen. Wir sind von zwei 380-kV-Leitungen und einer 110-kV-Leitung durch das Gemeindegebiet betroffen. Ich weiß also, was man damit im unmittelbaren Wohnbereich anrichten kann. (Bundesrätin Reiter: Jetzt brauchen wir sie ja dann nicht mehr!)

Die sozialdemokratische Fraktion bekennt sich zum Ausbau der Wasserkraft, zur Solarenergie und zur Windkraft und damit zum Erreichen der Energieautonomie durch erneuerbare Energiequellen. Gerne stimmen wir diesen Gesetzen zur Absicherung der Versorgung mit Energie zu. Wir erwarten, dass die Maßnahmen möglichst schonend umgesetzt werden.


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380-kV-Leitungen im Wohngebiet müssen der Vergangenheit angehören. Den Pro­jektbetreibern muss früh genug – und ich sage wirklich: früh genug – klargemacht werden, dass, wie in einzelnen Bundesländern, so zum Beispiel in Niedersachsen und in Kärnten jetzt ansatzweise, im Abstand von bis zu 120 Metern keine 380-kV-Leitun­gen verlegt oder abgespannt werden dürfen. Und man muss auch jenen, die bereits Leitungen haben – die Konsensdauer ist ja mit 80 Jahren im Schnitt begrenzt –, früh genug ganz klar sagen: Eine Verlängerung gibt es nur dann, wenn zumindest gewisse schwierige Teile dann als Erdkabel verlegt werden.

Da sich bestimmte Dinge ja im Bereich der Landeskompetenz befinden, nicht in Bundes­kompetenz, verstehe ich heutige Abstimmungsentscheidungen unserer Bun­desräte nicht ganz, nämlich warum sie diesem Gesetz die Zustimmung nicht erteilen können, da ja einige Dinge auf Landesebene geregelt werden können. Auch diese Dinge, also die Abstände zu 380-kV-Leitungen, können in Landeskompetenz geregelt werden. (Bundesrätin Reiter: Nein!) Doch, sie können geregelt werden. (Bundesrätin Reiter: Nicht, wenn es länderübergreifend ist! Ist ja nicht wahr!) Über die Bauordnung können sie geregelt werden. Es gibt auch in Deutschland und in Österreich bereits Beispiele dafür. Da muss man eben in diesem Bereich das Hirnschmalz einsetzen und schauen, dass wir die Leitungen wegbringen, die die Bevölkerung belasten. (Bundes­rätin Reiter: Ist ja nicht wahr, bei der 380-kV geht das nicht!)

Die Energieversorgung ist, glaube ich, wichtig, zu der müssen wir stehen, aber natür­lich muss sie entsprechend schonend erfolgen. Daher unsere Zustimmung zu diesem Gesetz und der Auftrag, in den jeweiligen Landesparlamenten dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht durch diese 380-kV-Freileitungen gestört und belästigt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.11


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Ing. Pum das Wort erteilen. – Bitte.

 


13.12.03

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Liebe Fernseh­zuseherinnen und -zuseher! Strom, besser gesagt, Energie in allen Form ist ja mittler­weile zur alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden. Ich glaube, allein die ständige Verfügbarkeit hat unsere Lebensweise stark positiv verändert, um nicht zu sagen, unseren Wohlstand auch enorm erhöht.

Wir, die Volkspartei, als Wirtschaftspartei und – ich ergänze das hiermit – auch als Umweltpartei wissen eines klar: Klimaschutz beginnt bei uns selbst! Und wenn wir uns das grüne Mäntelchen umhängen, so ist das gerechtfertigt, denn bei uns hat das – im Gegensatz zu anderen Parteien – auch die Umsetzung zur Folge.

Wir wissen ganz klar, dass all diese Projekte und Forderungen auch immer in der Realität ankommen müssen. Es wird gerade von Umweltschutz, Energieproduktion, -autarkie viel gesprochen, aber wir wissen auch, dass gerade der Schritt zur Umsetzung oftmals enorm viel Energie erfordert. Gerade die Änderung dieses Energie-Infrastruk­tur­gesetzes und des Energie-Control-Gesetzes, die wir heute diskutieren, zeigt das sehr stark.

Es geht hier auch darum, dass wir auf nationaler und auch auf internationaler Ebene Projekte gemeinsam umsetzen können. Wie diese Projekte aussehen, wurde ja schon vielfach erwähnt: von Hochspannungs-Freileitungen über Fernleitungsnetze bis zu Gasleitungen. All das, was auch in diesen Projekten inkludiert ist, zeigt sehr klar, dass


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 85

Energie und vor allem Energieversorgung nicht an den Grenzen haltmacht und da auch immer wieder die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg notwendig ist.

Bei der Entwicklung all dieser neuen Projekte müssen wir auch sehr klar den Reali­täten ins Auge schauen. Wir wissen, dass Energieautarkie ein unabdingbares Ziel unserer Entwicklung sein muss und dass wir da in vielen Bereichen Vorsorge treffen müssen. Ich denke dabei nur an die Raumordnung, an die Flächenwidmung. Bedenken wir aber auch, dass sehr viele Projekte da immer wieder auch dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen.

Niederösterreich hat in diesem Bereich bereits eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Produktion des erforderlichen Stroms erfolgt zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie. Das zeigt, dass die Landespolitik diesen klaren Schritt gesetzt und viele Projekte umgesetzt hat, um dieses Ziel zu erreichen, was nicht einfach ist.

Eines muss uns klar sein: Die Verbrennung von Erdöl und Erdgas wird einer unserer größten Fehler vor allem unserer zeitgeschichtlichen Biographie sein. Es wird sich auch zeigen, dass mit den Folgen weit über unsere Generation hinaus zu kämpfen sein wird.

All jenen, die das verleugnen, sage ich – gerade sehr aktuell, das wird in letzter Zeit ja auch von den USA kolportiert –, es werden wahrscheinlich auch die kommenden Gene­rationen die oft katastrophalen Folgen zu spüren bekommen, und das alles, glaube ich, unter dem sehr klaren Begriff Klimawandel, den wir alle spüren.

Das Thema der heutigen Eingangsdiskussion im Bundesrat, Flüchtlinge, wird auch dieses Thema inkludieren, denn gerade der Klimawandel wird der Grund für enorme Völkerwanderungen auch auf unserem Kontinent sein.

Mit diesem klaren Bekenntnis sollten auch wir hier in Österreich die Ziele verfolgen: Nein zu Atomenergie. All das, was wir an alternativen Modellen umsetzen, zeigt sehr klar, dass wir den richtigen Weg gehen und Vorbildcharakter haben, indem wir nicht zuletzt mithilfe moderner Technologien unsere Ressourcen umsetzen und nützen, sei es jetzt Wasserkraft, Windkraft oder Solarenergie. Wir wissen, das sind neue Tech­nologien, die einen Aufschwung mit sich bringen und Arbeitsplätze schaffen.

Wir wissen aber auch, dass die Zusammenführung neuer Technologien zu veränderten Produktionszeiten führt und dieser Umgang, diese Speicherung von Energie neue Herausforderungen mit sich bringt.

Natürlich ist – und da gebe ich den Grünen recht – gerade bei Energiegewinnung aus Windkraft eine Erhöhung der Preise notwendig, da bei 2,5 Cent pro kWh nicht einmal die Betriebskosten von Windkrafträdern abgedeckt sind. Auch da sind wir politisch gefordert. Wir müssen ganz einfach bereit sein, die Betriebskosten über den Strom­preis mit abzudecken, wobei dieser oft zu niedrig ist.

Da sind auch die gemeinsamen Ziele zu setzen. Viele wurden ja bereits erwähnt. Ich darf nur ergänzen: Diese begleitenden Regelungen zur Verordnung zu den Transeuro­päischen Netzen, die wir heute hier auch als Ziele beschließen, inkludieren sehr, sehr viele Projekte, etwa Energieinfrastrukturprojekte auf europäischer Ebene, aber auch Infrastrukturvorhaben, die bereits im Gange sind und damit beschleunigt werden müssen, erleichtert werden müssen, ohne – ich erwähne es auch hier sehr klar – die Rechte der Bürgerinnen und Bürger wirklich zu beschneiden. Aber letztendlich wissen wir auch: Es wird nicht möglich sein, es allen recht zu machen. Es wird letztlich eine Konsenspolitik notwendig sein. Und im Rahmen dieser Konsenspolitik wird es auch ein gemeinsames europäisches Stromnetz geben müssen, für das hier stabile Bedingun­gen geschaffen werden.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 86

Und, wie gesagt, vor allem Innovation und Technologie werden gestärkt werden. Eine schnelle Modernisierung vorhandener Techniken und vor allem der Energieinfrastruktur bringt letztlich uns allen einen enormen Fortschritt.

Ich glaube, mit dieser gesetzlichen Weiterentwicklung wird wieder ein Schritt in Rich­tung einer umweltfreundlichen, moderneren Zukunft gesetzt. Dies wird damit, wie ich meine, auch sehr stark verankert.

Und eines abschließend: Wir setzen diese Schritte auch politisch und tragen sie auch mit. – In diesem Sinne danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.19


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster und vorläufig Letzter dazu zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


13.19.10

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenstand ist, wie schon angesprochen, die Umsetzung einer Richtlinie der EU. Und Ziel der Infrastrukturverordnung der EU ist, dass wir einen strategisch wichtigen Bereich, nämlich Projects of Common Interest, vorantreiben, um durch bessere und vor allem schnellere Koordinierung auch die Sicherheit der Versorgung, was Energie anlangt, in Europa zu erhöhen.

Ich darf wiederholen: Es geht also darum, dass wir, um den Binnenmarkt zu verwirk­lichen, was die Zusammenarbeit der Länder anlangt, länderübergreifende Projekte forcieren. Es geht nicht darum, dass Bürgerrechte oder andere Möglichkeiten im Bereich der Rechtssicherheit Ziel der Verordnung waren, sondern das Ziel war die schnellere Umsetzung, natürlich auch unter Wahrung der Bürgerrechte.

Angesprochen wurde auch, dass eine Reihe von Projekten auch im österreichischen Interesse sind. Es ist der volkswirtschaftliche Aspekt erwähnt worden. Die Projekte werden in Österreich rund 3,1 Milliarden € bewegen. Und das führt immerhin dazu, dass wir in etwa 40 000 Vollzeitarbeitsplätze in diesem Bereich erwarten können. Das heißt, im Endeffekt sind die Ausgangslage und die Zielsetzung anknüpfend an Fukushima nichts anderes als die Umsetzung und die Grundlage, die wir brauchen, um die Energiewende zu vollziehen.

Jetzt ist die eine Fragestellung, die an dem anknüpft, was die innerösterreichische Umsetzung anbelangt: Wie können wir das machen? Und da haben Herr Pisec und andere schon die Rechtslage angesprochen. Wir haben im Bereich der Energie eine sehr komplizierte Rechtslage, insbesondere was Kompetenzüberschneidungen mit den Ländern und Grundsatzkompetenzen anbelangt, und brauchen daher für beinahe jedes einfache Vorhaben eine Zweidrittelmehrheit. Aus diesem Grund haben wir auch ver­sucht, diese Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Es hat – wie von Ihnen, Frau Reiter, angesprochen – ganz gute Gespräche mit den Grünen gegeben, die auch im National­rat erwähnt worden sind. Wir haben aber keine Einigung erzielt.

In der Zwischenzeit wurde aber der Handlungsdruck durch den sogenannten Fall Gruber noch erhöht, der, glaube ich, heute schon erwähnt worden ist. Im Endeffekt geht es darum, dass der EuGH in einem Verfahren in Kärnten einer Frau Gruber ein bestimmtes Beschwerderecht zugesprochen hat, was aber bedeutet hätte, wenn das in der schwebenden Situation so bleibt, dass praktisch alle größeren Projekte, die eine UVP-Prüfung benötigen, in einer Art rückwirkenden Rechtsunsicherheit gewesen wären. Das ist aus meiner Sicht den Betrieben nicht zuzumuten, weil dies zur Folge hat, dass es einen schwebenden und gefährdeten Zustand gibt, was die Handlungs­möglichkeit betrifft.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 87

Gerade heute sind ja auch die Bürokratie, die Rechtsunsicherheit und vieles andere mehr angesprochen worden. Daher brauchen wir jetzt eine entsprechende Vorgangs­weise, die so ausschaut, dass nicht ein entsprechendes Antragsrecht, eine Partei­stel­lung eingeräumt wurde, sondern die Möglichkeit einer Beschwerde. Diese Ände­rung haben wir im UVP-Gesetz auch entsprechend vorgesehen. Daher würde ich sagen, das ist ein Kompromiss, wie vieles in diesem Bereich ein Kompromiss ist.

Das gilt auch für die 380-kV-Leitung in Salzburg, die Sie angesprochen haben. Ein Redner hat ja erwähnt, es war eine grüne Landesrätin, die eben feststellen musste, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem Prüfverfahren vorgelegen sind. Ich finde es auch gut, dass dieses schon über Monate, über Jahre diskutierte Projekt endlich einen Abschluss findet, weil es eben genau die Sicherheit im Bereich des Transports, was erneuerbare Energie anbelangt, gewährleistet oder auch den Einsatz von Energie aus Pumpspeicherkraftwerken, die es vorher nicht gegeben hat.

Daher haben wir uns jetzt eben für das einfachgesetzliche Verfahren entschieden, um Rechtssicherheit herzustellen. Ich glaube, es ist ein Vorteil, obwohl wir jetzt auf die Trassenfestlegung verzichtet haben. Im Starkstrombereich kann man das ohnehin machen, wenn es länderübergreifend geht. Aber der Vorteil ist eben, dass ich jetzt trotzdem ein zweistufiges Genehmigungsverfahren habe, das heißt, ich habe jetzt sehr bald die Einbindung auch der öffentlichen Interessen, der Nachbarinteressen und anderer, weil es einen Vorantragsabschnitt gibt und ein Hauptverfahren. Das Ziel ist eben, das Ganze auf dreieinhalb Jahre zu konzentrieren.

Um die bessere Koordinierung zu ermöglichen, gibt es eine neue Einrichtung, die ist bei uns, nämlich eine Infrastrukturbehörde, die mit bestehenden Beamten besetzt wird, die diese Koordinierung wahrnehmen, um gemeinsame Zeitpläne insbesondere mit den UVP-Behörden der Länder zu erstellen.

Und da ist der zweite Aspekt, den ich ansprechen möchte: Wir koordinieren gerade in jenem Themenbereich, wo die Kompetenz da ist, ausdrücklich und frühzeitig mit den Bundesländern. Das heißt, wir haben insgesamt eine verbesserte, eine schnellere Vorgangsweise, aber keine verfassungsrechtlichen Eingriffe in die Kompetenzen der Länder. Auf die Expertise der Bundesländer wird, wie angesprochen, nicht verzichtet. Auf der anderen Seite haben wir, wie schon angesprochen, die Berücksichtigung der Bürgerrechte. Somit ist das so wie in vielen Bereichen im Leben aus meiner Sicht ein vernünftiger Balanceakt.

Da viele von Ihnen auch das Ökostromgesetz oder ähnliche Themen angesprochen haben: Auch dort wird es darum gehen, das vernünftig zu entwickeln. Es ist Ihnen schon aufgefallen, dass die ursprüngliche Intention des Ökostromgesetzes war, dass wir fördern, und zwar fördert der Konsument, sprich der Haushalt, und auf der anderen Seite auch der Industriebetrieb, um durch Förderung letztendlich einen Schnitt mit den Marktstrompreisen zu erreichen. Die eigentliche Idee war, die Technologie soweit zu entwickeln, dass wir einmal einen Schnittpreis haben und nicht ständig eine Förderung.

Jetzt ist aber durch die Verwerfung auf den Strommärkten eine Tendenz entstanden, dass die Energiepreise nach unten gehen, was aber nichts anderes bedeutet, als dass Sie alle, jeder Haushalt, jeder Industriebetrieb, die Spanne, die größer wird, fördern. Wir haben jetzt Marktpreise von 3 Cent pro Kilowattstunde, zahlen aber zum Teil über 10 Cent, also weitaus mehr. Das Gleiche gilt auch für die Windkraftbetreiber. Ich würde sagen, da kann man die Frage stellen: Haben wir da genug getan, weil wir ja erneuer­bare Energie wollen? – Und ich sage Ihnen: Ja, wir haben genügend Projekte forciert, wir werden den erneuerbaren Anteil, den wir uns vorgenommen haben, diese 34 Pro­zent, bis zum Jahr 2020 übererfüllen.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 88

Aber etwas anderes ist halt jetzt sehr, sehr problematisch, wenn die Potenziale über­erfüllt werden, nämlich dass ich dem Konsumenten nicht gut zumuten kann, dass er in diesem Fall mit seinem Geld eigentlich den Gewinn anderer subventioniert. Sie brauchen nur die Kalkulationen von derartigen Projekten anzuschauen. Das wird da und dort gut verkauft mit einer entsprechenden Rendite. Ich habe auch nichts dagegen einzuwenden, aber ich habe sehr wohl etwas dazu beizutragen, dass hier die Balance und die Ausgewogenheit gegeben sind. Da wir dort sowieso jetzt auch nach den Beihilferichtlinien der EU eine Änderung brauchen oder demnächst einmal andisku­tieren werden, werden wir das sowieso verhandeln müssen. Ich hoffe, dass wir da auch einen entsprechenden Kompromiss erzielen werden.

Last but not least, weil so oft – das gehört zwar nicht zum Thema – Russland ange­sprochen worden ist. Ich möchte schon Wert darauf legen, dass wir nicht die Sank­tionen unterlaufen wollen, die gibt es, aber auf der anderen Seite gibt es auch begrün­dete österreichische Interessen. Und diese Interessen wollen wir wahrnehmen. Wir haben dort die Gemischte Kommission. Ich würde alle einladen, da nicht sofort dieses moralische Aushängeschild überall anzubringen und zu sagen: Warum macht das Österreich?

Sie brauchen auf der anderen Seite nur zu schauen, was die Türkei genauso moralisch macht, was die Kurdeninteressen anbelangt, und trotzdem verhandeln wir mit denen, weil es einfach zwingend notwendig ist, aufgrund der Grenzsituation über die Flücht­lingsthematik zu reden. Genauso gibt es andere Konstellationen.

Das heißt, ich finde, es ist notwendig, dass man da Russland als Player, der einfach vorhanden ist, mit einbezieht. Ich finde aber auch, damit da kein Irrtum entsteht, dass die Sanktionen, die an den Minsker Prozess geknüpft sind, nur dann, wenn es dort einen Fortschritt gibt, das ist genau festgelegt, auch wirklich aufgehoben werden können.

Das Projekt, das wir dort angesprochen haben, Nord Stream 2, ist ein vernünftiges Projekt. Aber auch das muss man nach Kriterien und Vertragsbestandteilen, die die EU hat, und Genehmigungsvorgängen beurteilen. Und wenn es positiv beurteilbar ist, dann wird es auch eine Umsetzung geben können. Im Sinne der Diversifikation und der Versorgungssicherheit ist an diesem Projekt etwas dran, aber es gibt private Interes­senten, die das auch einbringen werden.

Zusammenfassend ist zu sagen: Meine Damen und Herren, mir wäre auch lieber, wir hätten eine Zweidrittelumsetzung, sie war leider nicht möglich. Im Sinne auch der Fortbetriebsrechte der Unternehmen, der Rechtssicherheit für alle Betroffenen und der besseren Koordinierung, der auch zeitgerecht begonnenen Koordinierung halte ich das jetzt für einen Fortschritt und hoffe auf Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

13.28

13.28.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke, Herr Vizekanzler.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 89

13.29.273. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des polizeilichen Staatsschutzes (Polizeiliches Staatsschutzgesetz – PStSG) erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (763 d.B. und 988 d.B. sowie 9523/BR d.B. und 9525/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird (989 d.B. sowie 9526/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zu den Punkten 3 und 4.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Forstner. Ich bitte um die beiden Berichte.

 


13.30.03

Berichterstatter Armin Forstner, MPA: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu TOP 3: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des polizei­lichen Staatsschutzes erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu TOP 4: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Raml. Ich erteile es ihm.

 


13.31.33

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Innenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich zu Beginn der Debatte zum Staatsschutzgesetz kurz darauf eingehen, warum wir uns mit dieser Thematik heute überhaupt beschäftigen müssen. Die Bürger draußen sollen ruhig wissen, warum es notwendig ist, dass wir der Polizei, dass wir der Exekutive, dass wir dem Verfassungsschutz zusätzliche Befugnisse in unserem Land einräumen, die die Bürgerrechte beschränken. (Präsident Saller übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir müssen uns schon fragen: Warum brauchen wir solche Gesetze jetzt auf einmal? Warum ist es in Österreich, warum ist es in Europa in den letzten Monaten so unsicher


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geworden? Und warum haben wir in der letzten Zeit laufend Verschärfungen gebraucht beim Waffenrecht, im gesamten Sicherheitsrecht? Warum werden wir uns wahrschein­lich bald darüber Gedanken machen müssen, welche Verschärfungen wir im Sexual­strafrecht vornehmen müssen, um unsere Frauen und Kinder schützen zu können? (Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.) Das muss man hier schon einmal ehrlich an­sprechen, da muss man ehrlich sein.

Und ich sage es Ihnen: Der Grund für diese heutige Debatte ist die importierte Krimi­nalität, die wir gerade in den letzten Monaten erleben. Das ist die traurige Wahrheit! Der Grund dafür ist der importierte Terror, denn der Terror, den wir europaweit derzeit erleben müssen, ist ja die Ausgangslage für dieses Staatsgrundgesetz samt den Nebengesetzen. Wir haben es leider bei den Anschlägen in Paris jüngst erleben müs­sen, wo sich herausgestellt hat, dass Terroristen unbehelligt durch Österreich durch­reisen konnten. Und wir hatten zum Beispiel am letzten Silvesterabend in Wien erst­mals – erstmals! – das traurige Bild, dass Polizisten mit Schutzwesten, dass Polizisten mit Maschinenpistolen durch die Wiener Innenstadt patrouillieren mussten. – Das wollen wir alles nicht!

Und ich sage Ihnen, sehr geehrte Frau Innenminister und liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir hätten das alles nicht notwendig! Es gäbe eine ganz einfache Lösung, wo wir uns das Ganze ersparen könnten. Und diese Lösung lautet: Grenzschutz, und zwar effektiver Grenzschutz. Und das schaut halt nicht so aus, dass wir jetzt einen Zaun bauen, der dann sehr traurig ausschaut, oder dass wir das überhaupt nicht als Zaun benennen dürfen, sondern möglicherweise eine Tür mit zwei Seitenteilen haben. Das war die Debatte, die die letzten Wochen und Monate geprägt hat. Eines wäre noch viel besser: eine Prävention an unserer Grenze. Sie wäre besser, sie wäre billiger und vor allem auch wirkungsvoller als dieses Staatsgrundgesetz, das wir heute hier be­schließen sollten, wenn es nach der Regierung geht. Es wäre besser, als wenn wir Überwachung in unserem Land, in unserem Österreich haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ja, Herr Kollege Mayer, Sie haben vollkommen recht, irgendetwas müssen wir tun, da gebe ich Ihnen völlig recht. Aber es ist leider auch die traurige Wahrheit, dass unsere Regierung in diesen Punkten immer hinterherhinkt.

Wir haben erst vor Kurzem festgestellt, dass der Herr Bundeskanzler erst vor wenigen Wochen angeblich ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, in dem hinterfragt wird, was die Polizei an der Grenze eigentlich darf und was nicht. Diese Frage habe ich hier schon im letzten Herbst gestellt. Es wurde mir leider nicht beantwortet, welche Rechts­grundlagen jetzt eigentlich gelten und welche nicht gelten. Man kennt sich ja schon fast nicht mehr aus. Man fragt sich, warum man eigentlich Jus studiert hat, wenn für gewisse Bevölkerungsgruppen geltende Gesetze nicht eingehalten werden. Das ist es!

Und ich frage mich auch, wie man überhaupt auf Basis des Staatsgrundgesetzes Menschen überwachen will, wo wir gar nicht wissen, warum die bei uns sind und wer überhaupt bei uns ist. Wie will man hier die Überwachung anstellen?

Es gibt zum Beispiel bei mir in Oberösterreich den Fall, da kommen die zurückge­wiesenen illegalen Einwanderer aus Deutschland zurück, sie werden zurückgebracht an die österreichische Grenze in Schärding, und dort sagt man ihnen: Lasst euch bei Gelegenheit in Linz einmal registrieren! (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Ob sie in der Zwischenzeit dann dort sind oder nicht, das wissen wir gar nicht.

Dann gibt es den anderen Fall, wo Busse von Spielfeld quer durchs Land fahren, wo die Leute, wo Immigranten mit Bussen von Spielfeld durch Österreich gefahren wer-


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den. Herr Kollege, frag einmal die Busfahrer, was die erzählen! Da wird immer bei einer Raststelle stehengeblieben, nachher sind auf einmal zehn Leute weniger da. Kein Mensch weiß, wo diese Leute untertauchen. Und die will man jetzt überwachen.

Aber: Wir schaffen das, hat es letztes Jahr geheißen. – Unsere Regierung sieht jetzt, dass wir das Ganze nicht schaffen. Es ist auch gut so, dass man zu dieser Einsicht besser spät als nie gekommen ist.

Und wir haben natürlich als freiheitliche Fraktion Verständnis dafür, Herr Kollege Mayer, dass wir neue Befugnisse brauchen. Aber wir sollten in so sensiblen Bereichen keine Ho-Ruck-Aktion machen und warnen davor.

Und bei aller Kritik, die ich Ihnen hier nicht ersparen kann, möchte ich mich trotzdem im Namen des freiheitlichen Parlamentsklubs herzlich dafür bedanken, dass wir – das muss ich schon sagen – relativ gut eingebunden waren, dass Sie, Frau Minister, einige Punkte noch im Innenausschuss des Nationalrates aufgenommen haben, leider nicht alle.

Der große Kritikpunkt, den es von unserer Seite gibt, ist zum Beispiel der mangelnde Rechtsschutz, den wir hier befürchten. Warum? – Beim Staatsgrundgesetz geht es um Eingriffe in Bürgerrechte, um eine große Anzahl von Befugnissen, die hier erteilt werden. Ich nenne hier nur V-Männer, die eingeschleust werden können. Und gerade bei V-Männern wissen wir aus der polizeilichen Praxis und auch aus der Recht­sprechung, da ist die Grenze zwischen der erlaubten Informationseinholung auf der einen Seite und dem verbotenen Lockspitzeln auf der anderen Seite sehr, sehr schmal. Und es gibt auch sensible Bereiche, die durch das Staatsgrundgesetz betroffen sind. Warum? – Weil es hier bereits um die Wahrscheinlichkeit eines verfassungsgefähr­denden Angriffs geht. Da braucht es also noch gar keine Straftat. Und es ist klar, dass es hier Befugnisse braucht. Aber unserer Meinung nach wäre ein besserer umfas­sen­der Rechtsschutz, als er durch den bestehenden Rechtschutzbeauftragten beim Innen­ministerium gegeben ist, notwendig.

Wir haben daher im Zuge der Verhandlungen ersucht, dass wir einen Rechts­schutz­senat bilden – bestehend nicht aus einer Einzelperson, sondern als Kollegialorgan aus drei befähigten Personen –, der sich jeden Einzelfall vor einer Überwachung ansieht und dann mit Mehrheitsbeschluss die Genehmigung erteilt. – Das war leider nicht der Fall. Sie haben diesen eingeschränkten Senat leider nur für zwei Ermittlungsarten in das Gesetz aufgenommen. Das ist zwar ein erster richtiger Schritt, wir hätten uns hier aber höchste Qualität beim Rechtsschutz gewünscht. Es ist mir schon klar, dass man in der Politik und bei der Gesetzgebung manchmal Kompromisse eingehen muss. Beim Rechtsschutz, bei Bürgerrechten ist aus meiner Sicht, ist aus unserer Sicht ein solcher Kompromiss in dieser Form leider nicht möglich und nicht geglückt.

Und ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte und der mir nicht ganz klar ist, ist, wie man auf den Deliktkatalog gekommen ist, der im Staatsgrundgesetz Erwähnung findet. Da geht es ja darum, welchen Deliktarten diese Befugnisse zugeteilt werden. Ich bin der Überzeugung, dass die Verhältnismäßigkeit hier nicht überall gewahrt ist.

Ein Beispiel: Da gibt es den § 282a Strafgesetzbuch, der lautet: „Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten“. Wenn ich ein umgangssprachlich formuliertes Antiterrorgesetz beschließe, das hier in diesem Be­reich und aufgrund dieser Vorkommnisse Befugnisse einrichtet, dann wäre ich schon der Meinung gewesen, dass man Aufforderung zu terroristischen Straftaten natürlich in das Gesetz aufnimmt. – Hat man nicht gemacht.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 92

Was wurde aber schon aufgenommen? – Die sogenannten Meinungsdelikte wurden trotz unserer dringlichen Aufforderung, das herauszunehmen – zum Beispiel die Ver­hetzung –, drinnen gelassen. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Bürger­rechte gelten für alle, lieber Kollege.

Da gibt es natürlich schon eine berechtigte Furcht in der Bevölkerung. Schauen Sie zum Beispiel auf Stammtische im ländlichen Bereich! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Da könnte man, wenn man es ganz auf die Spitze treibt – ich weiß, es heißt immer, das ist nicht damit beabsichtigt, der Gesetzeswortlaut lässt es aber trotzdem zu, das ist die Wahrheit –, dann künftig hergehen und bei einem Stammtisch, wo 30 Personen beisammensitzen, den Verhetzungsparagraph anwen­den. Man hat den Verhetzungsparagraph vor Kurzem verschärft, so dass bereits 30 Personen als Öffentlichkeit gelten. (Bundesrat Stögmüller: Trifft eh nur …!)

Lieber Kollege, es kann auch euch treffen (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), beispielsweise bei den Akademikerballdemonstrationen: Wenn ihr da schon vorher zusammenkommt, bevor ihr überhaupt die Demonstration besucht, dann kannst du bereits unter diese Ermittlung fallen. Wir treten da im Sinne eines Bürger­rechtsschutzes auch für eure Anliegen ein, selbstverständlich. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Wenn man dieses Gesetz genau liest und Wortinterpretation betreibt, dann ist es auch möglich, dass man künftig bei einem Stammtisch V-Leute einspeist, wenn dort etwa deftige Worte gegen die Bundesregierung fallen (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schennach: Er redet von FPÖ-Stammtischen!), das kommt da und dort einmal vor, da würde mir auch einmal etwas einfallen. Das kann dann alles sein. (Bundesrat Stögmüller: … nicht ihr Ernst sein?)  Ja, selbstverständlich! Jetzt verneinen Sie das noch, jetzt lachen Sie noch, Sie werden da auch noch darauf kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Frau Bundesministerin! Gehen Sie einmal ins Wirtshaus! Da wird oft sehr deftig gesprochen. Da ist manches vielleicht unüberlegt, manches wirklich zugespitzt formu­liert (Bundesrat Schennach: Vor allem bei den von der FPÖ organisierten Stamm­tischen!) – ja, ja, Herr Kollege –, aber ich fürchte schon, dass das Gesetz durchaus irgendwann einmal auch angewandt wird. Ich hoffe es nicht, aber möglich ist es. (Ruf bei der SPÖ: Der weiß ja nicht, wovon er redet!)

Unser Vorschlag – und das war auch schon im Nationalrat unser Ersuchen  – wäre es daher gewesen, dass wir weiter verhandeln, damit wir gemeinsam ein ausgewogenes Gesetz auf den Weg bringen. Das ist leider nicht geglückt. Für uns wäre der Rechts­schutz, nämlich ein umfassender Rechtsschutz, sehr wichtig gewesen. Von unserer Seite gibt es aber auch ein klares Nein zu unausgegorenen Schnellschüssen, wie wir sie von unserer Regierung in den letzten Monaten leider erleben mussten. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Aschermittwoch …!)

13.41

13.41.50*****

 


Präsident Josef Saller: Bevor wir in der Rednerreihenfolge fortsetzen, teile ich mit, dass mir das vorläufige Stenographische Protokoll der Aktuellen Stunde vorliegt und damit auch die Ausführungen von Herrn Bundesrat Hans-Jörg Jenewein. Sehr geehrter Herr Bundesrat Jenewein, für die von Ihnen getätigte Äußerung „Sie, Herr Faschings­kanzler, sollten endlich die Narrenkappe abnehmen“, erteile ich Ihnen gemäß § 70


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 93

Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Jenewein: … mit Bedauern zurück!)

*****

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schödinger zu Wort. – Bitte.

 


13.42.45

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Frau Minister! Liebe Bundesräte und Bundesrätinnen! Liebe Zuseher vor den Bildschirmen! Nur ein kurzes Statement zu den Ausführungen meines Vor­redners: Wenn das nach schulischen Kriterien beurteilt würde, dann hätten Sie eine glatte Themenverfehlung, weil ich nicht glaube, dass Grenzkontrollen das Staats­schutz­gesetz ersetzen können – genauso wenig, wie ich die Kriminalität oder die sogenannte importierte Kriminalität (Bundesrätin Mühlwerth: Da hat jemand was nicht verstanden!) mit dem Terror gleichsetzen möchte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das Staatsschutzgesetz ist unserer Überzeugung nach – so, wie wir das in dieser Form beschlossen haben – doch ein ziemlicher Meilenstein, weil wir damit nicht, so wie wir das in der Vergangenheit getan haben, auf Gefahren reagieren, sondern weil wir bereits im Vorfeld Bedrohungen erkennen können und auch versuchen können, auf diese zu reagieren. Nach zwei Jahre langen Verhandlungen ist ein Gesetz beschlos­sen worden, das unserer Meinung nach ein modernes Gesetz ist, das den Anforderun­gen unseres Staates und unserer Bevölkerung entspricht. Ich kann mir auch vorstellen, dass die FPÖ mit dem Verhetzungsparagraphen ein Problem hat, aber ich sehe dies in der Dringlichkeit nicht an erster Stelle.

Die Ablehnung vonseiten der FPÖ und auch der Grünen – und ich glaube, dass unsere Ministerin in diesem Punkt sehr viel und sehr lange verhandelt hat und sehr lange versucht hat, einen breiten Konsens zu erreichen (Bundesrat Stögmüller: Ja!) – hat meiner Meinung nach eher parteipolitische denn inhaltliche Gründe.

Wo liegen nun die Eckpunkte? – Früher hatten wir im Prinzip 28 000 Verfassungs­schützer, denn jeder Polizist hatte in diesem Aufgabenbereich mitzuwirken und hat das auch getan. Jetzt haben wir einen eingeschränkten Personenkreis von circa 500 Per­sonen, die erweiterte Befugnisse bekommen haben. Das nimmt natürlich nicht die Polizisten aus ihrer Wahrnehmungspflicht, aber diese 500 Personen sind aufgrund des erweiterten Kompetenzkataloges auch dementsprechend besser aufgestellt.

In den Verhandlungen immer wieder neu aufgerollt wurde der eingegrenzte Straf­katalog. Die Vorgangsweise war also nicht so, dass das einfach auf den Tisch gelegt und gesagt wurde: Das ist so!, sondern darüber gab es sehr viele Diskussionen. Dieses Thema wurde immer wieder neu aufgerollt. Deswegen glaube ich, dass eine Zustimmung aller Fraktionen doch eine Möglichkeit gewesen wäre, nach außen hin zu zeigen, dass wir alle gemeinsam hinter dieser Vorgangsweise stehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Datenspeicherung. Bisher konnte man Daten generell bis zu neun Monate lang speichern, dann war es vorbei. Heute sind wir aufgrund dieses neuen Staatsschutzgesetzes in der Lage, gewisse Daten mit ent­sprechender Begründung für die Dauer von fünf Jahren zu speichern.

All das, was ich jetzt angeführt habe, bedarf natürlich auch der Kontrolle, und in diesem Punkt bin ich der Meinung, dass wir mit der Definierung des Rechtsschutzbeauftragten bezüglich seiner Ausstattung und seiner Aufgabenstellung doch einiges vorgelegt haben. Dieser Rechtsschutzbeauftragte kontrolliert nicht im Nachhinein alles, was ge-


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 94

schehen ist, sondern wird bei den meisten Amtshandlungen der Staatsschutz­beam­ten schon im Vorhinein mit der Sachlage konfrontiert und kann das genehmigen, und zwar für die Dauer von maximal sechs Monaten. Danach ist der Sachverhalt neu mit dem Rechtsschutzbeauftragten abzuklären.

Ein weiterer meiner Meinung nach ganz wesentlicher Punkt bezüglich des Rechts­schutzes der Bürger ist es, dass Personen, die in den Überwachungs- und Ermittlungs­kreis gekommen sind und bei denen sich im Nachhinein herausstellt hat, dass sie weder verdächtigt sind noch sich sonst irgendwelche Anhaltspunkte ergeben haben, darüber zu informieren sind. Diese Personen werden dann darüber informiert und haben die Möglichkeit, auch im Nachhinein entsprechende Rechtsmittel zu ergreifen. Ich glaube, dass genau diese Abgrenzung – einerseits eine Regelung zum Schutz der Bürger zu schaffen, andererseits auch vernünftige Ermittlungsansätze ausüben zu können – in diesem Gesetz wirklich sehr gut verwirklicht wurde.

Der nächste Punkt ist der Datenverbund. Es ist in diesem Gesetz genau definiert, dass das Bundesamt und die Landesämter datenmäßig untereinander vernetzt sind – no na, es macht ja keinen Sinn, wenn zwei oder drei verschiedene Ämter am selben Fall arbeiten und sich eventuell sogar noch aufgrund mangelnder Information in die Quere kommen.

So glaube ich, dass aufgrund der Weitsicht, der Klugheit und der Geschicktheit unserer Innenministerin und ihres Teams ein Gesetz vorgelegt wurde, das in Zukunft bei uns in Österreich für ein Mehr an Sicherheit und auch für ein Mehr an Kompetenz in der Polizei sorgen wird. Es bleibt mir abschließend vielleicht noch, anzuregen, dass wir gemeinsam noch einmal über die Vorratsdatenspeicherung nachdenken, da dies, wie ich glaube, ein wichtiges Werkzeug für unsere Beamten wäre. – Danke, Frau Innen­minister! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Weber.)

13.48


Präsident Josef Saller: Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.48.38

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Werter Präsident, wertes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zwar wurden in den Verhandlungen, die dem Beschluss vorausgingen, noch einige der von der Zivil­gesellschaft, aber auch von den Oppositionsparteien beanstandeten Passagen gering­fügig verbessert, trotzdem weist dieser Gesetzestext noch immer zahlreiche Mängel auf, vor allem – dies wurde heute bereits erwähnt – was den mangelnden Rechts­schutz anbelangt.

Im § 12 Abs. 4 heißt es:

„Übermittlungen sind an Sicherheitsbehörden für Zwecke der Sicherheitspolizei und Strafrechtspflege, an Staatsanwaltschaften und ordentliche Gerichte für Zwecke der Strafrechtspflege, an verfassungsmäßige Einrichtungen nach Maßgabe des § 8 und darüber hinaus an Dienststellen inländischer Behörden, soweit dies eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihr gesetzlich übertragenen Aufgabe ist, an ausländische Sicherheitsbehörden und Sicherheitsorganisationen (…) sowie Organe der Europäischen Union oder Vereinten Nationen entsprechend den Bestimmungen über die internationale polizeiliche Amtshilfe zulässig.“

Genau dadurch besteht die Gefahr – die Kritik wurde in dem Punkt vor allem seitens der Piratenpartei Österreichs formuliert –, dass Informationen über österreichische Bür­ger und Bürgerinnen aus dieser Analysedatenbank an fremde Dienste weitergegeben werden. Diese Möglichkeit ist tatsächlich nicht nur ein Novum, sondern birgt eine große


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 95

Gefahr in sich, denn die im Staatsschutzgesetz verankerte Löschungsverpflichtung kann und wird womöglich von anderen Staaten nicht beachtet werden: „(W)enn diese Daten einmal in fremden Händen sind, hat der österreichische Staat keinerlei Kontrolle mehr darüber, wie damit verfahren wird – ob sie möglicherweise weitergegeben oder jemals wieder gelöscht werden.“

Das Mindeste wäre es, dazu eine klare gesetzliche Regelung zu schaffen, die festlegt, unter welchen Rahmenbedingungen beziehungsweise aus welchem Anlass das zuläs­sig sein dürfte.

Auch der Anwendungsbereich geht uns zu weit. So ist es auch möglich, dass gering­fügige Delikte zum Anlass genommen werden, um vorbeugend Bürger/Bürgerinnen zu überwachen, wie auch prinzipiell neue Überwachungsbefugnisse von Kommunikations­daten geschaffen werden, und das alles ohne richterliche Bewilligung.

Auch wird in eine Reihe verfassungsrechtlich geschützter Grundrechte eingegriffen, insbesondere in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Grund­recht auf Datenschutz, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf wirksame Beschwerde oder den Gleichheitsgrundsatz. Diese Eingriffe in Grundrechte sind nur unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen zulässig. Erfül­len gesetzliche Bestimmungen, die Grundrechtseingriffe vorsehen, diese Anforderun­gen nicht, dann sind sie verfassungswidrig, und das dürfte beim Polizeilichen Staats­schutz­gesetz in vielen Punkten der Fall sein.

Unsere Zustimmung gibt es deshalb trotz der kleinen kosmetischen Änderungen nicht, und eine ganz wichtige Sache ist es, bei alldem zu erwähnen, dass wir nicht umsonst eine Gewaltenteilung im Rechtsstaat haben und dass deshalb die Kontrolle der Macht auch von unabhängigen Gerichten erfolgen muss. Das ist da jedenfalls nicht der Fall. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.52


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. Ich erteile es ihm.

 


13.52.47

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Manche hier sind der Meinung, dass mit einem sicheren Grenzschutz Terrorismus verhindert werden kann oder verringert werden kann.

Diese Meinung kann ich nicht teilen. Ich bin zwar für einen sicheren Grenzschutz, aber es ist ein Irrglaube, dass man damit Terrorismus verhindern oder vielleicht verringern kann. (Bundesrat Dörfler: Das ist unglaublich! – Zwischenruf des Bundesrates Raml.)

Ich glaube – oder zumindest hoffe ich das –, es bestreitet wahrscheinlich niemand hier im Saal die geänderten Rahmenbedingungen in der Welt, in der und mit der die Polizei, die Exekutive, ihre Arbeit macht. Ich möchte es auch nicht verabsäumen, zu sagen und zu betonen, dass die österreichische Polizei ihre Arbeit sehr bemüht und auch hervor­ragend erledigt. Dafür gebührt ihr unser aller Dank, Wertschätzung und auch Unterstüt­zung.

Doch diese Arbeit und die Herausforderungen für alle Polizistinnen und Polizisten wer­den nicht leichter. Die Politik steht den Polizeikräften bei und unterstützt – reagierend auf diese gestiegenen Herausforderungen –, und das ist auch unsere Aufgabe. Diese Hausaufgabe haben wir mit dem uns vorliegenden Gesetz, dem Polizeilichen Staats­schutzgesetz, erledigt. Ob wir auf diese Hausaufgabe sozusagen einen Einser, ein Sehr gut, bekommen, weiß ich nicht, aber ein Gut ist auf alle Fälle drinnen.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 96

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die globalisierte Welt führt zu internationalen Verflech­tungen und gegenseitigen Abhängigkeiten in allen Lebensbereichen. Die staatlichen Grenzen und territorialen Beschränkungen haben auf Bedrohungsfelder sinkenden Einfluss.

Kritische Aktivitäten auf lokaler oder nationaler Ebene können in einem anderen Teil der Erde Reaktionen hervorrufen, welche die ganze Bandbreite an Gewalt, Terror und Bedrohungen beinhalten können. Die Staaten stehen einer vernetzten Bedrohung gegenüber. Transnationaler Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungs­waf­fen oder Cyberangriffe machen unsere Welt, unsere Gesellschaft, in höchstem Grad angreifbar. Bei einer internationalen Sicherheitskonferenz im steirischen Fürstenfeld konnte ich mich persönlich von der Verletzbarkeit unserer Gesellschaft durch Cyber­angriffe überzeugen. Ein Hacker – er wurde später auch ausgezeichnet – war imstan­de, von Fürstenfeld aus bei einer U-Bahn-Station der Stadt Nürnberg für wenige Sekunden das Licht auszuschalten.

Die feigen, hinterlistigen sowie dramatischen Terroranschläge in Paris führen uns ebenso vor Augen: Ja, wir haben eine erhöhte Terrorgefahr in ganz Europa. Hundert­prozentige Sicherheit vor Terror wird es nie geben – auch die sicherste Grenze wird das nicht verhindern –, jedoch hat der Staat, haben wir, die gesetzgebenden Körper­schaften, die dringende Pflicht, alles zu unternehmen, um die Terrorgefahr zu senken und zu verringern.

Wir haben die Pflicht, und das ist die Aufgabe des polizeilichen Staatschutzes, die im Staatsgebiet lebenden Menschen, die Verfassung und die demokratische Grundord­nung zu wahren und zu schützen. (Bundesrat Dörfler: Durch Handauflegen?) Die unterschiedlichen Bedrohungen und die zunehmend von globalen Rahmenbedin­gungen abhängige Gefahrenlage erfordern einen modernen, vernetzten und wirk­sa­men polizeilichen Staatsschutz.

Unsere Sicherheitsbehörden müssen auf Gefahren nicht nur reagieren können, son­dern sie sollen auch agieren dürfen und damit der Bedrohung aktiv schon im Vorfeld entgegentreten dürfen und können. Mit diesem uns vorliegenden Gesetz geben wir unseren Einsatzkräften, unserer Polizei die entsprechenden Mittel und Möglichkeiten in die Hand.

Das Anwerben von externen Vertrauensleuten im Zuge von verdeckten Ermittlungen ist künftig ausdrücklich gestattet. Das Ermitteln von Handystandortdaten ist künftig nicht nur für gefährdete Personen, etwa potenzielle Selbstmörder, möglich, sondern auch für Personen, von denen eine konkrete Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit eines anderen Menschen ausgeht.

Der Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten – den sogenannten Body Worn Cameras – wird künftig die Dokumentation von Amtshandlungen deutlich verbessern. Als Beweismittel zur Verfolgung strafbarer Handlungen sowie zur Kontrolle der Rechts­mäßigkeit einer Amtshandlung werden sie gute Dienste leisten.

Das Videomaterial kann auch bei bestimmten Verwaltungsübertretungen, zum Beispiel gegen das Pyrotechnikgesetz bei Sportgroßveranstaltungen, zur Aufklärung beigezo­gen werden. Auch der Einsatz, die Aufgaben und der Umfang des Einschreitens von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an Bord eines Flugzeuges ist nun neu geklärt und festgelegt.

Alles in allem wird Österreich mit diesem Gesetz sicherer. Es gibt keinen Eingriff in Bürgerrechte, denn es ist mir ebenso wichtig, dass die Bürgerrechte nicht beschnitten oder geschmälert wurden. Ein guter Garant dafür ist die demokratisch-parlamen­ta­rische Kontrolle, welche damit ebenso ausgebaut wird. (Bundesrat Stögmüller: Die


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 97

gibt’s nicht!) Künftig wird ein weisungsfreies Dreiergremium, dem zumindest ein Richter mit mindestens zehnjähriger Berufserfahrung angehören wird, darüber wachen.

Dieser Rechtsschutzsenat muss dem Parlament laufend berichten und Rede und Antwort stehen. (Bundesrat Stögmüller: Gibt’s ja nicht!) Überwachungsmaßnahmen müssen ebenso von diesem bewilligt werden. Sensible Kompetenzen werden auf einen wesentlich kleineren Kreis der Exekutive – Kollege Schödinger hat das schon erwähnt – eingeschränkt, nämlich auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Ter­rorismusbekämpfung.

Sensible Ermittlungsmethoden dürfen nur in Fällen von Gewaltbedrohung durch Extre­mismus, Terrorismus, Spionage oder die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen angewandt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es heute oder gestern im Ausschuss geheißen hat, wir hätten noch länger verhandeln können, wir hätten vielleicht noch ein paar Jahre darüber sitzen können: Nach zwei Jahren langer und intensiver Ver­handlungen über viel Für und Wider liegt uns heute ein neues Gesetz vor.

Es ist ein hilfreiches Instrument, so meine ich, damit die Staatssicherheit und die Sicherheit aller Österreicherinnen und Österreicher auch in den kommenden Jahren auf einem sehr hohen Niveau bleibt. Es ist allen Verantwortlichen zu gratulieren und der Polizei und den Sicherheitsbehörden ein gutes Gelingen zu wünschen.

Dem Terrorismus keine Chance, den Bürgerrechten den Schutz bewahren! Ich stimme diesem neuen Gesetz mit Freude zu. Unser sicheres Österreich wird damit auf hohem Niveau sicher bleiben. Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.01


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


14.01.24

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Kollege Weber, das stimmt nicht so ganz, was Sie gesagt haben, denn wir haben nicht zwei Jahre verhandelt. Wenn ich mich richtig erinnere, ist die Begutachtungsfrist erst im Juli abgelaufen, und im Jänner wurde mit den fraktionellen Verhandlungen im Parlament begonnen. Mag sein, dass der Entwurf vielleicht schon zwei Jahre im Ministerium liegt, das kann ich nicht beurteilen – das kann uns vielleicht die Frau Innenministerin berichten –, aber die Wahrnehmung von zweijährigen Verhandlungen ist so nicht ganz stimmig.

Ich verstehe daher auch nicht, warum man es jetzt im Nationalrat so eilig gehabt hat, dieses Gesetz auf Biegen und Brechen durchzubringen, obwohl die Verhandlungen de facto noch gar nicht abgeschlossen waren.

Wir anerkennen, dass Polizei und Staatsschutz Mittel, gesetzliche Bestimmungen und Befugnisse brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen, und dass das in Zeiten wie diesen dringend notwendig ist. Lassen Sie mich abermals eine Aussage von Ihnen, Herr Kollege Weber, näher beleuchten: Wenn man sagt, Grenzkontrollen brauchen wir nicht, dann ist das doch eine relativ kühne Aussage. Kollege Schödinger hat indirekt das Gleiche behauptet. Dennoch werden schon jetzt Personenkontrollen nicht infrage gestellt, zum Beispiel am Flughafen Schwechat, wo Sie mehr oder weniger exterritori­ales Gebiet oder im Transitraum quasi virtuelles ausländisches Territorium betreten. Wenn Sie dort die Schuhe ausziehen müssen, alles, was magnetisch oder metallisch ist, abgeben müssen, peinliche Personenkontrollen über sich ergehen lassen, ist das alles ganz normal und wird überhaupt nicht infrage gestellt.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 98

Wenn man aber sagt, wir wollen an unserer Grenze kontrollieren, wer in unser Land kommt, ist das heftig umstritten. Dankenswerter Weise und nicht zuletzt auf Druck der FPÖ ist es mittlerweile zu einem Umdenken gekommen. Erst unlängst haben der Bundeskanzler und auch Sie, Frau Innenministerin, verlautbart, dass es Ihnen ein Anliegen ist, verstärkt zu kontrollieren. Das ist der richtige Weg. Das ist der richtige Ansatz, den wir in dieser Angelegenheit übrigens schon seit über einem Jahr propa­gieren.

Es ist schön, dass wir zumindest nicht verhallende Rufe hier im Hohen Haus von uns geben, sondern auch Gehör finden. So gesehen freut es mich, wenn ich wohlwollend feststellen kann, dass der interaktive Dialog, der kurzfristig wahrgenommen wird, auch auf lange Sicht ein guter ist, nämlich ein richtiger und freiheitlicher.

So gesehen meine ich auch, dass es wohl an der Zeit war, ein entsprechendes Staatsschutzgesetz zu machen. Dass es allerdings das vorliegende Gesetz sein muss, wage ich zu bezweifeln.

Wie auch viele Vorredner angemerkt haben, stehen etliche Zweifel im Raum, die man in einigen Wochen weiterer Verhandlungen hätte ausräumen können, denn wir waren in dieser Hinsicht auf einem guten Weg, sodass der von Anfang an gewünschte breite Konsens auch tatsächlich hätte erreicht werden können.

Wenn man aber dem Verhandlungspartner die Tür vor der Nase zuschlägt und sagt: Es ist vorbei, jetzt wird nicht mehr verhandelt, weil wir jetzt abstimmen gehen!, dann war das wahrscheinlich ein schlechter Weg. Daher meine ich, dass dieses Gesetz, so wichtig und notwendig es in der Sache auch ist, inhaltlich der falsche Weg ist, weshalb es auch nicht unsere Zustimmung finden wird.

Ein besonderer Kritikpunkt, der auch schon am Rande erwähnt wurde, ist die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte, die im Spannungsverhältnis, welches sich mit diesem Gesetz ergibt, doch nur sehr oberflächlich gewahrt werden. Das Problem der überschießenden, zu sehr fokussierenden gesetzlichen Möglichkeiten im Rahmen der Meinungsdelikte wurde bereits angesprochen, und wenn auch die SPÖ beson­ders abfällige Bemerkungen äußerte, darf ich doch auf den gestrigen EU-Ausschuss verweisen, wo von Vertretern des Justizministeriums ähnliche Einschätzun­gen präsen­tiert wurden.

Dort ging es um die Gleichschaltung internationaler strafrechtlicher Bestimmungen zur Terrorbekämpfung. Von den Vertretern des Justizministeriums wurde klargestellt, dass das eine sehr diffizile Sache ist, Meinungsdelikte – auch aufgrund der gewachsenen unterschiedlichen Perspektiven der Betroffenen – überregional und bilateral zu behan­deln und diesbezüglich den richtigen Mittelweg zu finden.

Wir sind der Ansicht, dass Meinungsdelikte in diesem Gesetz überproportional im Fokus stehen, während andere wichtige Delikte in dieses Gesetz, das auch salopp Antiterrorgesetz heißt – wie es Kollege Raml auch schon richtig genannt hat –, kaum Eingang gefunden haben, was natürlich bei weniger Rechtskundigen und weniger mit den inhaltlichen, juristischen Gegebenheiten des Gesetzes Vertrauten auf absolutes Unverständnis stößt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der ebenfalls eine schiefe Optik erzeugt und den ich hier nicht übergehen möchte, sind die Fragen der Datenspeicherung beziehungsweise des Datenverbundes.

Es ist anzuerkennen, dass Sie auf personenbezogenen Daten dahin gehend achten möchten, dass sie nicht einer breiten Zugriffsberechtigung unterliegen. Dennoch erkenne ich eine Tendenz: Früher betrug die generelle Datenaufbewahrung neun Monaten, jetzt soll es die Möglichkeit geben, sie bis zu fünf Jahre aufzubewahren. Man


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versucht also, die Vorratsdatenspeicherung, die zu Recht aufgrund mangelnder Verfas­sungskonformität außer Kraft gesetzt wurde, durch die Hintertüre wieder einzuführen.

Dieser Weg ist, salopp und auf gut Wienerisch gesagt, ned scheen. Man könnte auch sagen: etwas hinterlistig. Es ist aus meiner Sicht jedenfalls nicht die Art und Weise, wie man mit den Normunterworfenen umgeht. Zu sagen: Verfassungsgerichtshof, du hast mir dieses oder jenes verboten, das passt mir nicht, daher schummle ich es jetzt schnell in ein anderes Gesetz, sodass es mir wieder passt!, ist keine schöne Art, und schon gar nicht eine Art, die wir im parlamentarischen Usus brauchen können.

Es mag sein, Frau Bundesministerin, dass die längere Speicherdauer der Sache dienlich ist und für die Beamten einen interessanten Mehrwert darstellt, aber es nützt alles nichts, wenn es gesetzlich so nicht erlaubt beziehungsweise in Hinblick auf die Verfassung verboten ist. Dann muss man sich eben an die Rahmenbedingungen, die unsere Verfassung vorgibt, halten. Das ist so. Nicht zuletzt aus diesem Grund sehen wir dieses Gesetz sehr skeptisch.

Ein weiteres Thema, das es in diesem Zusammenhang zu erwähnen gilt, ist die Wei­ter­gabe von Daten an Drittstaaten.

Der Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Gridling hat gestern im Ausschuss darauf verwiesen, dass seine Behörde kein Nach­richten­dienst sei und darum alles aufgrund der rechtlichen Bestimmungen geschehe.

Wenn ich darüber hinaus an die Schwierigkeiten mit dem Fluggastdatenabkommen mit den USA, mit dem durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aufgehobenen Safe-Harbor-Abkommen, mit den mühsamen Verhandlungen zum Privacy-Shield, Stichwort TTIP, denke, will ich mir gar nicht ausmalen, was andere Staaten aufgrund dieser Bestimmungen mit den Daten der österreichischen Staatsbürger machen, sobald unsere Sicherheitsbehörden durch ein Gesetz ermächtigt sind, Daten weiter­zugeben. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, auf die ich jetzt nicht weiter ein­gehen möchte, weil übrigens auch meine Redezeit hier zu Ende geht.

Daher darf ich abschließend sagen: Wir werden diesem Gesetz aufgrund der gerade erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zustimmen.

Wir werden auch – und das ist kein Geheimnis, weil es medial schon kolportiert wurde – die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes mittels einer Verfassungsklage prüfen lassen.

Aufgrund unserer Wertschätzung für unsere Polizei und Sicherheitsbehörden, die in diesen schwierigen Zeiten einen hervorragenden Job machen, sich sehr einbringen und wirklich auch in Bezug auf Arbeitszeit und Überstunden ihr Letztes geben, sind wir der Meinung, dass sie ein Gesetz nicht verdient haben, bei welchem schlampig gear­beitet wurde, Verfassungsbestimmungen nicht eingehalten wurden, sodass sie sich vielleicht unterstellen lassen müssen, nicht rechtmäßig zu handeln.

Allein aus diesem Grund werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen und die erwähnte Verfassungsklage einbringen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.12


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kern. Ich erteile es ihr.

 


14.12.30

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stimmen heute über ein wichtiges Gesetz ab.


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Kollege Herbert, nur zur Erinnerung: Ich war 2014 noch im Innenministerium, und da hat es bereits erste Gespräche mit den Sicherheitssprechern aller Parteien gegeben. Es ist also durchaus schon zwei Jahre diskutiert und debattiert worden.

Heute haben wir ein Gesetz, das großen Wert auf den Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger legt und gleichzeitig mehr Möglichkeiten für Verfassungs­schützer und Terrorismusbekämpfer eröffnet. Ich finde es schade, dass die Opposition im Nationalrat diesem Gesetz in letzter Minute doch nicht zugestimmt hat, weil uns eine breite Zustimmung wichtig war. Im Zuge der Debatte wurden die konstruktiven Vorschläge der Opposition aufgenommen und sind ins Gesetz eingeflossen – das wurde heute auch schon mehrfach erwähnt.

Meine Vorredner haben die konkreten Inhalte des Gesetzes bereits erörtert. Ich möchte heute auf die möglichen offenen Kritikpunkte, die ebenfalls angesprochen wurden, eingehen.

Zunächst möchte ich eines klar festhalten: Dieses Gesetz ist kein Bürgerbespit­ze­lungsgesetz, wie es viele Vertreter der Opposition behaupten. Dieses Gesetz ermög­licht das rasche Eingreifen in konkreten Verdachtsfällen. Es soll die Bevölkerung vor terroristischer und religiös motivierter Kriminalität schützen. Die Bevölkerung erwartet einen starken Sicherheitsapparat – viele von Ihnen haben heute schon die Sicherheits­bedürfnisse in der Bevölkerung angesprochen. Wir stärken mit diesem Gesetz unsere Exekutive. Wie wichtig das ist, haben wir alle in den letzten Wochen und Monaten erkennen können. Denken Sie nur an die Anschläge von Paris, in der Türkei, die Bedrohungen in Deutschland, Brüssel und so weiter!

Klar ist, wir führen nicht die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür ein. Es wer­den Daten von Personen nur in konkreten Verdachtsmomenten gesammelt. Niemand braucht sich zu fürchten, bespitzelt zu werden. Es geht nicht darum, Wirtshausstamm­tischrunden zu bespitzeln. Es geht darum, Sicherheit für die Menschen herbeizuführen. Jeder Einzelne von uns sollte diese Verantwortung wahrnehmen.

Ich muss wohl in dieser Runde nicht erwähnen, dass Vertrauenspersonen nichts Neues sind. Sie sind bereits fester Bestandteil der polizeilichen Ermittlungsarbeit.

Bei uns erfahren die Menschen, dass gegen sie ermittelt wurde, und den Grund, warum sie in Verdacht standen. Dies ist im Vergleich zu anderen europäischen Staaten ein Meilenstein in Sachen Rechtsschutz und Wahrung der persönlichen Rechte. Darüber hinaus ist für die Wahrung der persönlichen Rechte das System des Rechts­schutzbeauftragten vorgesehen. Es garantiert Rechtssicherheit für Bürgerinnen und Bürger. Es sorgt dafür, dass die Freiheitsrechte der Bürger eingehalten und gesichert werden.

Die Rechtsschutzbeauftragten sind unabhängig und weisungsfrei, sie werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Grundbedingung ist, der oder die Rechtsschutzbeauftragte muss zehn Jahre Erfahrung als Richter oder Staatsanwalt haben.

Mit diesem System des Rechtsschutzbeauftragten hat das Parlament die größtmög­liche Kontrolle. Das Bundesministerium für Inneres und die Rechtsschutzbeauftragten sind angehalten, den Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses des National­rates zu informieren, sodass wir Parlamentarier die Möglichkeit haben, unseren Sicher­heitsapparat zu kontrollieren.

Angesprochen wurden auch die Sorgen der Ärzte oder Rechtsanwälte. Dem können wir entgegnen, dass das Staatsschutzgesetz ihre Schweigepflicht nicht aufweicht. Wir garantieren den Ärzten und Rechtsanwälten natürlich ihr Recht.


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Klar ist, dieses Sicherheitsgesetz schützt die Freiheit jedes Einzelnen und garantiert Sicherheit im Sinne des Sicherheitsbedürfnisses der Gemeinschaft. Gerade in schwie­rigen und sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten braucht es ein System, in dem man nicht den Verbrechern hinterherläuft, sondern in dem man aktiv werden kann, bevor Attentate begangen werden können, bevor Menschen Schaden zugefügt wird und bevor uns Kriminelle überrumpeln.

Gerade in diesen Zeiten braucht die Bevölkerung Vertrauen in den Staatsschutz, in die Polizei und in die Sicherheit in diesem Land. Das muss auch die Opposition anerken­nen. Sicherheit kann es nur mit klaren Regeln geben.

Wir schaffen heute die Grundlage für die Sicherheit von morgen. Stimmen Sie heute ab! Stimmen Sie für mehr Sicherheit in unserem Land! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.17


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. Ich erteile es ihm.

 


14.17.29

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Frau Bun­des­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz beinhaltet sowohl die Themen wie auch eine Reihe von Verhandlungsergebnissen, die in den letzten beiden Jahren auch mit den Oppositionsparteien erzielt wurden.

Kollege Herbert, ich frage mich sehr oft in den Plenarsitzungen, ob Sie bei der Aus­schusssitzung nicht dabei waren. Sie stellen dort zwar immer Fragen, geben aber dann immer andere Dinge wieder als solche, die dort als Auskunft gegeben wurden. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Huach zua! – Bundesrat Herbert: Na das ist schon sehr untergriffig!) Auf mich wirkt das immer sehr diametral. Im Ausschuss geben Expertinnen und Experten hervorragende Auskunft, keine Fragen bleiben offen, aber Kollege Herbert stellt sich dann hierher und tut irgendwie so, als wäre er nicht dabei gewesen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Bezüglich der Abänderungsanträge – die schon Gegenstand in vielen Diskussions­bei­trägen meiner Vorrednerinnen und Vorredner waren – möchte ich auf einige wenige Punkte eingehen, die meiner Meinung nach sehr wichtig sind und keiner Legenden­bildung bedürfen.

Die Behördenstruktur war natürlich ein Thema, das auch im Ausschuss sehr aus­führlich behandelt wurde. Jetzt ist es so, dass ein kleinerer Kreis mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet wurde. Kolleginnen und Kollegen der Oppositionspartei sprachen immer wieder von einem überbordenden Bürokratismus. Das wurde von den Kolleginnen und Kollegen des Innenministeriums ausführlich beantwortet. Es geht um die Reibungsverluste zwischen den einzelnen Ländereinheiten, die in sich selber agieren. Diese Ländereinheiten werden nun in den Staatsschutz integriert, sodass Reibungsverluste nicht mehr auftreten. Das ist meines Erachtens ein wesentlicher Schritt für bessere Kommunikation und Austausch innerhalb der Organisation des Staatsschutzes.

Die Einrichtung eines Rechtsschutzsenates wurde bereits angesprochen, wo mindes­tens eines der drei Mitglieder jemand sein muss, der davor als Richter oder Staats­anwalt eine mindestens zehnjährige Berufserfahrung erworben hat.

Es stellt sich die Frage, warum diese Funktion kein aktiver Richter ausüben soll. Die Antwort darauf lautet: weil Richter nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Unsere Überzeugung – und das hat auch meine Kollegin Kern bereits ausgeführt – nicht nur hier im Bundesrat, sondern auch im Nationalrat und in der Gesetzgebung ist, dass die parlamentarische und politische Kontrolle das Wichtigste ist, weshalb wir


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fordern, dass sie auch in diesem Bereich gewahrt bleiben muss. Daher: Nicht Richter, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen, sodass wir diese Möglichkeit auch haben.

Weiters beinhaltet das Gesetz den besonderen Rechtsschutz für Rechtsanwälte, ÄrztInnen und Journalisten, natürlich auch den Schutz von personenbezogenen Daten. Hier wurde sichergestellt, dass eine anlasslose Verwendung von personenbezogenen Daten unzulässig ist. Personenbezogene Daten dürfen nur so weit verwendet werden, soweit deren Verwendung für die konkrete Aufgabenerfüllung erforderlich und verhält­nis­mäßig ist. Dazu kommt auch das Verbot von Legenden für Vertrauenspersonen. Ich glaube auch, dass dieses Argument – der Stammtisch wird überwacht oder die Vertrau­enspersonen sitzen am Stammtisch – ein sehr, sehr seichtes Argument ist, weil Vertrauenspersonen dürfen weder mit Legenden ausgestattet werden, noch haben sie irgendwelche Ermittlungsbefugnisse.

Der Deliktskatalog wurde im Vergleich zur Regierungsvorlage wesentlich einge­schränkt und teilweise von der rechtswidrigen und vorsätzlichen Verwirklichung abhängig ge­macht. So können Staatsschutzbehörden hinsichtlich des Meinungsdeliktes Verhet­zung nur dann tätig werden, wenn von hetzerischen Aussagen Gewalt ausgehen kann. Also auch hier würde ich Sie ersuchen, die Kirche im Dorf zu lassen.

Gleichzeitig soll natürlich auch, wie schon erwähnt, die parlamentarische Kontrolle im Zusammenhang mit den Ständigen Unterausschüssen gestärkt werden. Dazu gehört die Stärkung der Stellung des Rechtsschutzbeauftragten. Dieser kann in Zukunft jederzeit seine Wahrnehmungen an den Ständigen Unterausschuss berichten, im Rahmen der Auskunftspflicht. Dazu gehört, die Abgeordneten über den Sachverhalt zu informieren und gleichzeitig für Fragen zur Verfügung zu stehen. Dazu gehört ebenso, dass die Mitglieder der Bundesregierung in Zukunft alle Fragen im Unterausschuss beantworten müssen. Dazu gehört auch, dass Auskunftspersonen im Unterausschuss unter Wahrheitspflicht stehen, und, und, und.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe die Mitglieder der freiheitlichen Fraktion nicht, die sich das ganze Jahr über damit brüsten, dass sie die Partei der Sicherheit sind, heute aber keinen Beitrag dazu leisten wollen. Sie sind für ein liberales Waffen­recht, Sie animieren zum Aufrüsten, zum Hochrüsten der Bevölkerung, Sie kreieren eigene Homepages, auf denen Plattformen eingerichtet werden, damit Asylwer­berinnen und Asylwerber denunziert werden können, wenn sie sich verdächtig verhal­ten. – All das auf der einen Seite, und auf der anderen Seite stimmen Sie genau diesen Dingen, dem Staatsschutzgesetz, heute nicht zu.

Ich glaube, wir sind der österreichischen Bevölkerung verpflichtet, und wir nehmen diese Verantwortung wahr, meine sehr geehrten Damen und Herren. Gleichzeitig sind wir aber auch dem Rechtsstaat gegenüber verpflichtet, das verhältnismäßig zu tun. Das wurde heute schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern zur Genüge erläutert und analysiert, sodass ich nicht mehr näher darauf eingehen möchte. Aber es muss auch klar sein, dass wir als Sozialdemokratische Partei Österreichs und als Mitglieder der SPÖ, wenn wir auch Reformen beschließen, dafür stehen, dass letzt­endlich nur eine gute Bildungs- und Sozialpolitik die beste und langfristige Terrorprä­vention in unserem Lande ist.

Es gilt, Demokratie, Bildung und wirtschaftliches Wachstum zu fördern, Ungleichheiten und Diskriminierung zu bekämpfen, den friedlichen Dialog zwischen den Kulturen zu fördern und vor allem auch zu schützen. Wir können die Gefahr von Terroranschlägen nicht völlig ausblenden und abwenden, aber nachhaltig eindämmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür müssen wir gerüstet sein, und das sind wir mit diesem Staats­schutz-


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gesetz. Ich bedanke mich bei allen für die konstruktive Mitarbeit und vor allem auch für das Einbringen.

Wie gesagt, Herr Herbert, ich ersuche Sie, wenn wir im Ausschuss darüber diskutieren und die Kolleginnen und Kollegen des Innenministeriums, die maßgeblich daran beteiligt waren, wirklich hervorragende Auskünfte erteilen, das zu verinnerlichen und mitzunehmen – und nicht zwei Tage später oder nur 24 Stunden später etwas ganz anderes von sich zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Herbert: Das ist ja Unsinn, Kollege Pfister! – Bundesrat Schennach: Das geht nicht!)

14.24


Präsident Josef Saller: Herr Bundesrat Mag. Fürlinger ist als Nächster zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm.

 


14.24.16

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Lieber Rene, danke für deine Rede, danke für die eingehenden Gegenargumente, die du angeführt hast! Ich habe meinen Zettel sozusagen abgehakt und müsste nicht mehr reden (Bundesrat Samt: Sehr gut!), will mir aber trotzdem zwei, drei Dinge vorbehalten. (Ruf bei der FPÖ: Schade!) – Ja, das weißt ja darauf hin, dass ich mich kurz halte, wenn nicht zu viele Zwischenrufe kom­men.

In der ganzen Debatte, ganz egal, ob im Nationalrat oder hier, habe ich – bei aller Not­wen­digkeit, dass wir die Grundrechte gegenüber Eingriffen des Staates natürlich ent­sprechend abwägen müssen – kein einziges echtes Argument gehört, warum dieses Gesetz abzulehnen ist. Mit einer einzigen Ausnahme natürlich: bei diesen Dingen, bei denen gewisse politische Bewegungen – links wie rechts – befürchten, dass die vielleicht leicht extremistischen Ränder, aus denen man sich gelegentlich rekrutiert, möglicherweise ins Fadenkreuz kommen könnten. Was bei der einen die Tierschützer und die Demonstranten sind, sind bei der anderen die Stammtischteilnehmer, sofern sie sich dort rekrutieren. Ich kann Ihnen trotzdem die Angst nehmen: Das alleine reicht noch nicht, um nach diesem Gesetz ins Fadenkreuz der Ermittlungsbehörden zu gelan­gen.

Ich höre als Argument, dass man die Diskussion so schnell übers Knie gebrochen hat. Herr Kollege, nach zwei Jahren eingehendster Debatte (Bundesrat Herbert: Das waren zwei kurze Jahre! Begutachtungsfrist im Juni!), nach zwei Jahren eingehendster Debatte mag es sein, dass es für eine Schnecke schnell war, aber für die österreichi­sche Bürokratie und für die Gesetzgebung ist es vollkommen ausreichend. Nach zwei Jahren qualitativer, hoch qualitativer Diskussion der Legistik zu sagen, sie hat das übers Knie gebrochen, das ist an und für sich schon fast ein bisschen ein Hohn für den Schutz der Bürger.

Lassen Sie mich zu dieser Diskussion abschließend noch eines sagen: Während wir hier akademische Diskussionen führen, ob wir einen Rechtsschutzbeauftragten haben, der nach Anhörung von 104 Institutionen als Senat eingesetzt wird, während wir hier akademische Diskussionen führen, ob das zu schnell ist und welche einzelnen Delikte man wann und wie herausnehmen und hinzutun könnte, bildet sich eine neue Bedro­hungslage, bildet sich etwas ganz anderes heraus, nützen jene, die unseren gesell­schaftlichen Werten schaden wollen, Dinge wie das Internet, um Vorbereitungsmittel für ihre Verbrechen zu generieren. Es wird höchste Zeit, dass wir diesen – in vielen Belangen sind wir noch hinten nachhinkend – endlich auf Augenhöhe begegnen kön­nen. Dieses Gesetz ist ein Schritt, um mit Verbrechern auf Augenhöhe zu kommen.


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Daher ist es richtig, und daher müssen wir auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.27


Präsident Josef Saller: Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner ist zu Wort gemel­det. – Bitte, Frau Ministerin.

 


14.27.09

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich darf mich herzlich dafür bedanken, dass dieses so wichtige Thema Staatsschutzgesetz heute im Mittelpunkt dieser Debatte steht und dass sich viele der Abgeordneten heute damit schon inhaltlich intensiv auseinandergesetzt haben. Deswegen möchte ich nur noch den einen oder anderen Punkt hervorstreichen.

Was mir persönlich an dieser Debatte von Beginn an wichtig war, ist die Fragestellung: Was wünscht sich die Bevölkerung von ihrem Staatsschutz und was braucht der Staatsschutz, um der Bevölkerung die größtmögliche Sicherheit zu geben? Das war die Fragestellung, die hier im Mittelpunkt stand.

Wir beschäftigen uns tatsächlich bereits seit zwei Jahren mit diesem Thema, und wir haben dieses Thema – nämlich ein Staatsschutzgesetz neu auf der Höhe der Zeit zu schaffen – auch bereits im Regierungsübereinkommen verankert. Das heißt, die Regierung war sich von Anfang an bewusst, welche Gefahr von den Terroristen aus­geht und dass wir hier vor allem auch die notwendigen Instrumentarien brauchen.

Wenn ich mir so den einen oder anderen Kollegen angehört habe, vor allem Herrn Bundesrat Herbert, der ja auch zur Familie der Polizei gehört, habe ich mir schon gedacht, entweder hat er alles vergessen oder er hat Argumente gebracht, die er selbst nicht glaubt. (Bundesrat Herbert: Verfassung!) Als gelernter Polizist müssten Sie an und für sich wissen, was es heißt, Staatsschützer zu sein, und Sie müssten wissen, dass gerade bei derartigen Diskussionen Parteipolitik nichts, aber schon gar nichts verloren hat, sondern dass hier vor allem die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt zu stehen hat, nicht mehr und nicht weniger.

Deswegen war es mir auch so wichtig, eine transparente Diskussion zu führen. Wir haben Anfang April mit allen Sicherheitssprechern, mit Auslandsbesuchen, mit Enque­ten hier im Parlament und im Innenressort mit dieser transparenten Diskussion begon­nen. Bis zur letzten Minute haben wir mit allen verhandelt, mit allen Oppositions­par­teien, und ich gestehe auch zu, es waren sehr faire Gespräche und sehr faire Verhand­lungen. Ich halte es als vertane Chance, dass Oppositionsparteien wie die Grünen und die FPÖ hier nicht mitgehen, im Wissen, dass es zum Schutz der Republik ein der­artiges Gesetz braucht, letztendlich auch zum Schutz der Bevölkerung. Schade darum, aber das ist zu akzeptieren. Wir werden das mit der SPÖ beschließen, und dafür möchte ich dem Koalitionspartner auch ein herzliches Danke sagen, ein Danke für die wirklich fruchtvolle Zusammenarbeit, vor allem den Sicherheitssprechern und allen anderen, die sich eingebracht haben.

Wenn der eine oder andere meint, es gibt hier Befugnisse, die überbordend sind, dann muss ich Ihnen eines sagen: Es wurden Befugnisse aufgenommen, die wir im kriminal­polizeilichen Bereich schon längst kennen, ich sage nur: Vertrauenspersonen. Es ist gang und gäbe, dass Vertrauenspersonen eingesetzt werden, und unbestritten, dass sie wichtig und notwendig sind, und diese Möglichkeit hatten wir im Staatsschutz bis­lang nicht. Allein dieses Beispiel zeigt, wie wichtig diese Novelle letztendlich ist.

Wichtig war mir auch, dass vor allem der Staatsschutz auch weiterhin eine Sicher­heits­behörde bleibt und nicht zum Geheimdienst wird. Wichtig war mir auch von der ersten


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Minute an der Rechtsschutz. Ich glaube, es ist von vielen Abgeordneten – sowohl seitens der SPÖ als auch der ÖVP – herausgearbeitet worden, dass wir diesen Rechts­schutz auch noch verstärkt haben. Wir haben einen Rechtsschutzbeauftragten mit Stellvertretern, bei dem es darum geht, dass diese Kooperation intensiviert wird. Es handelt sich hierbei um das strengste Bestellungsverfahren in der Republik. Wir haben einen Senat für die Kontrolle der Vertrauensleute, aber auch für den Bereich der Telekommunikation.

Das unterstreicht, wie wichtig uns der Rechtsschutz ist, ebenso der Umstand, dass Personen, die im Fokus stehen, im Nachhinein auch darüber informiert werden, dass sie im Fokus gestanden sind – warum, wieso und wie lange. Und da können Sie sich in ganz Europa lange umschauen, wo es das sonst noch gibt. Das heißt, wir sind hier sehr sensibel umgegangen, haben immer wieder im Fokus gehabt, die Balance zu halten zwischen Sicherheit und vor allem Freiheit. Und dafür sage ich danke, danke für diese wirklich fruchtvolle, erfolgreiche Diskussion. Und ich glaube, dass wir mit diesem Staatsschutzgesetz ein Staatsschutzgesetz auf der Höhe der Zeit haben, womit wir den Österreicherinnen und Österreichern sagen können, ja, damit können wir größt­mögliche Sicherheit gewährleisten und garantieren.

Ich darf aber nicht nur der Politik und den Abgeordneten ein herzliches Dankeschön sagen, sondern vor allem auch unseren Spitzenbeamten im BVT, in der Zentrale, ihnen allen, die Großartiges geleistet haben, die sich mit all ihrer Expertise hier eingebracht haben, ein herzliches Danke. Ich hoffe, dass sich vielleicht der eine oder andere seitens der Oppositionsparteien doch noch den Anstoß gibt, hier im Sinne der Vernunft und im Sinne der Sicherheit mitzustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.33


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Pisec. (Bundesministerin Mikl-Leitner: Der stimmt jetzt zu!)

 


14.33.33

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich darf nur ganz kurz etwas noch zur Rede von Herrn Mag. Fürlinger sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Fürlinger.)

Ich glaube, das ist nicht so aufgefallen, aber Sie haben die Tierschützer ins extreme Eck gestellt, Kollege Fürlinger. Ich habe gedacht, nicht richtig gehört zu haben. – Sie können vielleicht den falsch verstandenen Tierschutz ins extreme Eck stellen, aber sicher nicht den Tierschutz. Der Tierschutz ist Teil unserer Verfassung, und die Ärmsten der Armen, das sind unsere Tiere! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Fürlinger.)

Ich gebe Ihnen einen guten Tipp: Schauen Sie sich in London das Animals in War Memorial für die vielen Pferde, die in sinnlosen Schlachten gefallen sind, an! Das ist ein riesengroßes Denkmal im Hyde Park.

Nur zur Erinnerung: Die Tierrechte und der Tierschutz sind uns Freiheitlichen ein wesentliches Anliegen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.34

14.34.10

 


Präsident Josef Saller: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden der vorliegenden Beschlüsse ge­trennt vornehme.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 106

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Polizeiliches Staatsschutz­gesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jän­ner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.35.445. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016 Achtzehn­monatsprogramm des niederländischen, slowakischen und maltesi­schen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-574-BR/2016 d.B. sowie 9527/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kern. Ich bitte um den Bericht.

14.36.09

 


Berichterstatterin Sandra Kern: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten des Bundesrates über den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament betreffend das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016 erstatten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf deshalb gleich zur Antrag­stel­lung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament betreffend das Legislativ- und Arbeits­programm der Europäischen Kommission für 2016 Achtzehnmonatsprogramm des niederländischen, slowakischen und maltesischen Vorsitzes des Rates der Euro­pä­ischen Union (III-574-BR/2016 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Josef Saller: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


14.37.05

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Frau Bundes­minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Bereitwilligkeit meiner Fraktion, sich mit derartigen Berichten – Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission – positiverweise auseinanderzusetzen, war ja bisher schon sehr enden wollend. (Ruf bei der SPÖ: Genau!)

Wenn ich mir aber diesen Bericht in der aktuellen Situation der Flüchtlingsbewegun­gen, der Ströme von tatsächlichen und vermeintlichen Flüchtlingen und des bisherigen


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Versagens der EU, in dieser Frage eine einheitliche Lösung zu finden, anschaue, dann stelle ich fest, dieser Bericht, das, was da drinsteht – unter den Themen Asyl, Fremde, Beratungen zu den verschiedenen Möglichkeiten, von Umsiedelung bis zum Grenz­schutz –, ist eigentlich eine Verhöhnung der Republik Österreich.

Er ist deshalb eine Verhöhnung, weil man trotz der Rufe aus Österreich nicht reagiert. Und da waren wir nicht die Einzigen, im Gegenteil, auch Bundeskanzler Faymann hat erst heute Vormittag hier gesagt, dass die EU – um es charmant auszudrücken – wohl etwas zurückgeblieben ist in ihren Handlungsaktivitäten. Und auch Sie, Frau Bundes­minister, haben zuletzt die EU wegen ihrer Handlungsunfähigkeit kritisiert, die gemein­same Außengrenze tatsächlich zu sichern und die viel zitierten und oft angekündigten Hotspots endlich in Gang zu bringen. Es ist eigentlich eine Schande, wie sich die EU uns gegenüber, aber natürlich auch anderen Staaten gegenüber – ich spreche hier in erster Linie als Österreicher – verhält. (Bundesrätin Dziedzic: Wir sind die EU?! – Bundesrat Stögmüller: Sind wir nicht die EU? – Bundesrat Schennach: Er ist ja nicht dabei!) Es ist eigentlich eine Schande.

Wir haben mit Ihnen, Frau Bundesminister, gehofft, dass diese europäischen Lösun­gen, die nicht nur von Ihnen, sondern auch von den Sozialdemokraten und der Volks­partei gefordert werden, endlich greifen. Gewünscht hätten wir es uns, wirklich!

Aber es war irgendwie von vornherein klar, dass dieser Staatenbund EU an der einzigen Chance, die er jemals hatte, sich zu beweisen – an seiner bis jetzt ersten und einzigen Herausforderung, nämlich in dieser Flüchtlingsfrage tatsächlich zu zeigen, wie wichtig diese Staatenverbindung ist und wie sehr da alle im positiven Sinne partizi­pieren –, scheitert und auch kläglich gescheitert ist.

Das schlägt sich auch in diesem Bericht nieder, denn bis auf oberflächliche Absichts­erklärungen und ein bisschen eigene – sage ich einmal überspitzt – Lobhudelei ist da nicht viel zu lesen. Es gibt auch keinerlei Optionen, wie man diese Flüchtlingsfrage in Zukunft angehen möchte, außer dem, was man ohnedies schon weiß und was bis dato in der Vergangenheit schon gescheitert ist. Wir werden diesen Bericht daher ablehnen.

Es gäbe natürlich noch die einen oder anderen interessanten Ansätze abseits dieser allgemeinen Flüchtlingsproblematik: die Fluggastdaten – auch interessant, da sind wir wieder beim vorigen Tagesordnungspunkt –, den Umgang mit Daten, die Weitergabe von Daten, den Schutz von Daten, und wenn man diese an Dritte weitergibt, wer da noch aller mitpartizipiert. Stichwort: USA, NSA und was es sonst alles gibt.

Auch die Gesetzgebungsvorschläge zu den Schusswaffen sind hochinteressant. Da ist es zumindest so, dass die Republik Österreich feststellt, dass die Bestimmungen der EU, die gefordert werden, überschießend sind und dass man da unbedingt nachver­handeln muss. Das wäre es wert, sich damit auseinanderzusetzen.

Aber das Kernthema ist: Flüchtlinge und EU, der Umstand, dass die EU Österreich in diesem Zusammenhang im Stich lässt und damit auch Sie, Frau Bundesministerin – das darf man ja nicht vergessen –, die österreichische Bevölkerung und alle unsere Polizisten, die da kreuz und quer durch Österreich geschickt werden, um temporäre punktuelle Grenzkontrollen aufrechtzuerhalten. Erst jetzt haben wir wieder hundert Mann von Wien für einen Monat nach Spielfeld geschickt, von heute auf morgen, einfach so, weil man sie dort braucht.

All das zwingt mich dazu, diesen Bericht abzulehnen. Ich hoffe aber sehr, dass Ihr Flehen in Bezug auf die europäischen Lösungen doch noch erhört wird. Da bin ich bei Ihnen, wirklich. Aber ich zweifle mittlerweile leider sehr an der EU und glaube auch nicht,


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 108

dass das in diesem Sinne tatsächlich noch zur Umsetzung gelangt – eher bauen wir um ganz Österreich einen Grenzzaun. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.43


Präsident Josef Saller: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Forstner zu Wort. – Bitte.

 


14.43.36

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Lieber Herbert, muss ich mittlerweile sagen, es freut mich, dass du jetzt einmal vor mir dran warst. Ich habe mir den Bericht schon ein wenig durchgelesen. Es ist ja nicht ganz uninteressant und unerheblich, was da drinsteht. Natürlich kann man feststellen, dass Veränderungen dazugehören, auch in unserem Berufsleben. Damit sind wir immer verbunden, das weißt du genau.

Aber ich glaube, die Arbeitsprogramme befassen sich ganz klar mit den dringendsten Problemen, die wir zurzeit haben: mit der Flüchtlingskrise und den Bedrohungen im Sicherheitsbereich. Klar ist, dass man diesen Herausforderungen nur mit einem umfas­senden Ansatz begegnen kann, vor allem mit Solidarität bei EU-weiten Verteilungen und mit Verantwortung, einem funktionierenden Schutz unserer Grenzen, verstärkten Rückführungen, der Bekämpfung von Schlepperei und organisierter Kriminalität sowie der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit.

Nach Wochen intensiver Verhandlungen gilt es nun, die getroffenen Beschlüsse rasch umzusetzen und offene Rechtsakte zügig fertig zu verhandeln. Österreich unterstützt die von der Kommission und den Vorsitzen vorgebrachten Vorschläge und wird weiter­hin eine Vorreiterrolle auf EU-Ebene einnehmen.

Die Kommission hat – wie immer – im Oktober 2015 ihr jährliches Arbeitsprogramm für 2016 vorgelegt. Es enthält folgende Gesetzesvorschläge: die Bewältigung der Flücht­lings­krise und des Migrationsdrucks durch Umsetzung der europäischen Migrations­agenda, Rückführungen, Grenzmanagement, Schlepperbekämpfung, legale Migration, Vorschläge für einen europäischen Grenz- und Küstenschutz, wo auch Frontex einge­gliedert werden soll, die Umsetzung der europäischen Sicherheitsagenda bei Terroris­mus, Radikalisierung und bei der OK, also der organisierten Kriminalität.

Zudem haben die Niederlande, die Slowakei und Malta als Vorsitzende des EU-Rates für den Zeitraum von Jänner 2016 bis Juni 2017 ein gemeinsames Achtzehnmonats­programm vorgelegt, welches den Rahmen für die Organisation und Planung der Arbeit des Rates bildet. Der Schwerpunkt soll im Bereich des Inneren der Zusammenhang zwischen allen relevanten Politikbereichen und Instrumenten einschließlich der exter­nen Aspekte sein.

Wichtige Themen sind die irreguläre Migration, der internationale Schutz, die Solidarität und Verantwortung aller Mitgliedstaaten – wir haben heute Vormittag schon gehört, wie der Herr Bundeskanzler das eingefordert hat, das war wichtig, denn es kann nicht sein, dass nur vier oder fünf EU-Staaten alle aufnehmen und die anderen Staaten nicht mitmachen –, weiters ein Paket für intelligentes Grenzmanagement und eine euro­päische Migrationsagenda.

Lieber Herbert, ich glaube, die Frau Minister war eine derjenigen in der EU, die das ein wenig vorangetrieben haben. Wenn man das in den letzten Monaten und auch im letzten Jahr beobachtet hat – da wirst du mir jetzt recht geben –, hat man das gesehen. (Bundesrat Herbert: Lobenswert!) Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir auch solche Leute haben.

Und wenn du, Kollege Herbert, sagst, die Polizisten werden kreuz und quer durch Österreich geschickt, dann muss ich sagen: Ja, so ist das! (Bundesrat Herbert: Ja,


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eh!) Aber du weißt auch: Wenn wir irgendwo dabei sind, so wie bei der EE oder sonstigen Einheiten, dann haben wir im ganzen Bundesland Dienst zu machen. Man kann natürlich die Steiermark und Wien nicht vergleichen. Du bist in Wien, das ist nicht so groß, dass viel herumzufahren wäre, die Entfernungen in der Steiermark sind natürlich andere, dort fallen aber auch andere Delikte an. (Bundesrat Schennach: Er ist in Niederösterreich!) Aber das muss man alles berücksichtigen.

Frau Minister, ich würde dich bitten, weiter ein Auge darauf zu haben. Ich meine, das ist für den Fortbestand der EU ganz wichtig. Und ich glaube, man sieht ganz klar die österreichische Handschrift in diesem Arbeitsübereinkommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.47


Präsident Josef Saller: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schennach zu Wort. – Bitte.

 


14.47.56

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Na ja, wenn man das ablehnt, dann lehnt man eigentlich ab, dass sich die EU – denn das ist ja ein Vorhaben, ein Arbeitsprogramm – mit den wichtigsten europäischen Fragen, die wir derzeit haben, auseinandersetzt. Man kann natürlich Terrorbekämpfung ablehnen, man kann die Sicherheitsagenda ablehnen und jammern, man kann Solidaritätsmechanismen innerhalb der Europäischen Union ablehnen und irgendwie von Unfairness sprechen, man kann all das ablehnen und verwechselt dabei eine Agenda mit einer To-do-Liste. Das ist das, was die europäische Familie zu tun hat. Und ich glaube, es ist ziemlich umfassend dargestellt, was zu tun ist.

Im EU-Ausschuss haben wir gerade einige Aspekte mancher Dinge behandelt, wie der Sicherheitsagenda. Und da wundere ich mich schon darüber, wo sich die FPÖ plötzlich wiederfindet, nämlich auf der Seite der Waffenlobby (Bundesrat Herbert: Waffen­lobby?!), wo klar festgestellt wird: Wir brauchen die halbautomatischen kriegsstimulie­ren­den Waffen – die ja in diesem Land zur Unsicherheit beitragen –, diese gehören in die Kategorie A gesetzt. Dann mimen Sie die heiligen Schutzpatrone, die immer nach Sicherheit schreien, sind aber genau da dagegen, dass es ein Stückchen mehr an Sicherheit in unserem Land gibt. Es gibt ohnedies viel zu viele Waffen in den privaten Kleiderschränken. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Herbert: Illegale Waffen!)

Und wenn man dann noch behauptet, wie im EU-Ausschuss geschehen, dass doch kein Terrorist mit Waffen aus dem Internet ausgestattet ist, dann negiert man, dass zum Beispiel der Attentäter des Zuges von Thalys seine Waffen von Bestellungen – das hat die Polizei alles genau ermittelt – aus dem Internet hat. Das wird jetzt verboten, deshalb ist das so wichtig.

Terrorbekämpfung – wir werden eine Mitteilung machen –: Es geht nicht an, dass unser Zeugenschutzprogramm dermaßen mangelhaft ist, dass die Frau, die die fran­zösische Polizei zu den Attentätern führt, nicht unter Schutz genommen werden kann und keine neue Identität bekommt. Wir müssen europäisch regeln, dass Menschen, die uns helfen – die müssten nämlich erst selbst Täter sein, damit sie unter Zeugenschutz kommen können –, auch unter den Zeugenschutz fallen können.

Aber gehen wir zu den ganz großen Problemen über. Übrigens, vielleicht noch ein Wort zu Ihrem Standpunkt des Versagens der EU: Wir wären schon viel weiter, wenn Regierungen, die Sie zum Beispiel verherrlichen – wie in unserem Nachbarland Ungarn –, ein bisschen kooperativer wären, wenn all die Visegrád-Staaten einmal zur Kenntnis nehmen würden, dass ihnen Europa 20 Jahre beim Wiederaufbau geholfen


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hat und dass sie jetzt den ersten Bewährungstest nicht bestanden haben. Ein einziges Mal fragen wir – nach 20 Jahren – umgekehrt nach Solidarität. Und was macht Polen? – Polen rechnet alle Arbeitsmigranten, Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen, selbst 60 000 deutsche Lehrer und Lehrerinnen mit unter die Flüchtlingsquote und sagt: Wir haben eine Million! Wenn wir anfangen, unsere größte Migrantengruppe, die Deutschen, mit hineinzurechnen, dann kommen wir durch den Plafond durch.

Diese Staaten haben diesen Bewährungstest also nicht bestanden. Und wie wir heute schon gehört haben: Die Europäische Union ist keine Diktatur. Das heißt, wir müssen überzeugen. Wir haben zum Beispiel im Rahmen der COSAC stundenlang – stunden­lang! – mit den Visegrád-Staaten gestritten, weil sie – und das ist leider in diesem Dokument der EU auch merkbar – immer etwas verwechseln: Wir haben Asylsuchende und wir haben Migranten. Und wenn man das ständig vermischt, dann kommen wir in eine Situation, die auch im Rahmen der Europäischen Union zu klären ist. Ich kenne keine Migrationswelle, ich kenne eine riesige Flüchtlingswelle. Das ist eine Ver­wischung von Begriffen und öffnet natürlich genau den Visegrád-Staaten hier Tür und Tor. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Natürlich hapert es – und da gehört Verhandlungsgeschick dazu – an den ganzen Neuansiedlungs- und Umsiedelungsprogrammen, wie sie auch in diesem Programm vorkommen. Es ist eine Schande: Richtig, knapp 400 Personen sind bisher umge­sie­delt worden. Aber es handelt sich dabei auch um Menschen. Wir transportieren nicht per Zwang Menschen. Wir sind auch damit konfrontiert, dass Menschen, die Schutz suchen, nach wie vor Würde haben, Menschenwürde, und man nicht einfach sagen kann: Du und die sechs Nächsten, ihr kommt jetzt einmal nach Polen, na, nehmen wir deinen Bruder noch dazu, aber die Tante schicken wir jetzt einmal nach Frankreich! – Das sind Menschen, und Menschen muss man abholen, man muss sie möglichst frühzeitig abholen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen wir nun zu dem Bedrückendsten – wir müssen in Europa etwas retten –: Eine der größten Errungenschaften, die wir haben, ist Schengen. Und wir müssen Schengen retten und Dublin abschaffen, denn Dublin war nie für das gedacht, was derzeit geschieht. Leider träumen Sie, Frau Bundesministerin, hier auch immer noch davon, dass Dublin zu retten ist. (Bundesrat Stögmüller: Das machen Sie mit, die SPÖ!) Dublin wäre geeignet, Frau Bundesministerin, wenn es 5 000 oder 10 000 Menschen in ganz Europa beträfe, aber es geht um Hunderttausende Menschen. Wir können das nicht in der Form betreiben. Aber wir müssen Schengen retten, wir müssen diese internen Zäune wieder wegbekommen – das ist ja gegen den europäischen Geist.

Als ich heute in der Früh den Südtiroler Landeshauptmann gehört habe – das war ja eine richtige Labsal –, habe ich gedacht: Ja, das ist europäisches Denken! Der Süd­tiroler Landeshauptmann hat heute klar formuliert, dass wir solche Zäune nicht brauchen.

Kommen wir zum nächsten Punkt: Die Hotspots sind schon richtig, aber dort leben auch Menschen. Auch auf der Insel Lesbos leben Menschen, die von der Landwirt­schaft und vom Tourismus leben. Und wir tun immer so, als könne man sagen: Ja, die 100 000 halten wir dort auf, die anderen 100 000 halten wir dort auf. Und gleich­zeitig kommt die EU-Troika und verlangt von Griechenland, über 40 Prozent der Beamten abzubauen, die auch abgebaut wurden. Na glauben Sie nicht, dass auch in den Bereichen Zoll und Exekutive abgebaut wurde, oder wurden nur Lehrer oder Kran­kenschwestern abgebaut? Griechenland ist nicht der Bashing-Kandidat, dem man alles anhängen kann. Ich wundere mich, dass manche Politiker und Minister immer sagen, dass die Griechen ihre Aufgabe nicht erfüllen. Sie können sie nicht erfüllen, und des­halb muss solidarische Hilfe geleistet werden.


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Man kann doch nicht einfach sagen: Wir wählen irgendeine Insel aus, ist uns doch egal, ob dort Menschen leben! – Geht einmal nach Lampedusa, dort ist alles zusam­mengebrochen. Alles! Und auch auf den griechischen Inseln muss man mit den Men-schen reden und versuchen, mit ihnen Lösungen zu finden. Aber Hotspots einer gigantischen Größe kann man sich, glaube ich, abschminken.

Nun zum Aktionsplan betreffend die Türkei: 4 Milliarden €. Man kann mit der Türkei schon verhandeln, aber man muss auf Augenhöhe verhandeln. Und da darf und muss die Europäische Union – das habe ich leider bisher von den Verhandlungen nicht gehört – mit der Türkei klare Worte sprechen, nämlich dass die Türkei mit dem Schmäh, die Flüchtlinge seien Gäste, aufhören soll.

Sie muss lernen, die Flüchtlinge als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anzu-erkennen, denn nur dann haben Flüchtlinge Rechte. Und wenn sie Gäste sind, dann werden sie nur geduldet, solange sie zum Beispiel Rechnungen bezahlen können oder sich wohlfällig irgendwo eingliedern. Das ist allerdings bei knapp drei Millionen – das ist die tatsächliche derzeitige Zahl – kaum mehr der Fall. Deshalb wäre der erste Schritt der Türkei, den Flüchtlingsstatus anzuerkennen, anders geht das nicht.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen – ich sehe, dass das Licht schon blinkt –: Ich glaube, der Aktionsplan gegen Schlepperei ist wichtig. Derzeit erhöhen wir die Gewinn-marge der Schlepper um 500 Prozent. Jeder einzelne Zaun, der in Europa errichtet wird – egal, an welcher Grenze –, ermöglicht natürlich den Schleppern, mehr zu verlangen. Das muss uns klar sein. Auf der einen Seite machen wir einen Aktionsplan gegen Schlepperei, auf der anderen Seite erhöhen wir wieder die Preise, wie man ja bei jenen Flüchtlingen gesehen hat, die über oder unter den Zaun der Ungarn durch­geschleust wurden. Das wird teuer.

Nun zu einer besonders tragischen Tatsache – ich bin froh, dass die Europäische Kommission, lieber Kollege Herbert, das auf die Tagesordnung bringt –: Es sind im letzten Jahr 10 000 minderjährige Jugendliche verschollen, davon knapp 400 in Öster-reich. Das ist tragisch, ein Drama. Da kann man vieles dahinter vermuten, krimi­nalis-tisch ist es Sache des Innenministeriums. Mir fallen einige Gedanken dazu ein, die auch international auf Flüchtlingsebene bereits diskutiert werden, wohin diese Jugend-lichen verschollen sind. Und dass wir hier alles tun müssen, um unbegleiteten Min­derjährigen vollen Schutz zukommen zu lassen, ist, glaube ich, eine der allerwich-tigsten Sachen im Sinne der Menschenrechte.

Insofern ist dieses ganze Programm keine Verhöhnung Österreichs, sondern spricht genau die Probleme an, die wir haben. Und man kann nur hoffen, dass die euro­päische Familie in der Lage ist, zumindest die Hälfte davon in einer positiven Art und Weise umzusetzen. Und deshalb ist die Agenda richtig und deshalb nehmen wir sie zur Kenntnis. Über die Ergebnisse aus diesen Arbeitsgruppen werden wir ja im EU-Ausschuss ohnedies noch ausführlich beraten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic zu Wort. – Bitte.

 


14.59.27

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Herr Präsident! Hohes Präsidium! Im Bereich innere Sicherheit, das wurde heute schon erwähnt, ist vor allem der Vorschlag einer Ver­schärfung des Waffenrechts aus unserer Sicht relevant und auf jeden Fall positiv zu begrüßen.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 112

Negativ zu bewerten ist die politische Einigung auf die Passagierdatenrichtlinie, die sozusagen im Nachhall zu den Pariser Anschlägen durchgewunken wurde, obwohl es in diesem Fall keine Flugreisen betroffen hat. Es handelt sich dabei um eine Form der Vorratsdatenspeicherung, die wir ablehnen und auch für grundrechtswidrig halten. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Ansonsten liest sich der Aktionsplan wie eine lange liegengebliebene To-do-Liste. Da geht es zum Beispiel um das Fortsetzen der Arbeit der europäischen Migrations­agenda. Das ist bekanntlich nichts Neues, daran wird seit Jahren gebastelt.

Das Vorhaben, das europäische Asylsystem neu aufzusetzen, unterstützen wir natür­lich, wobei Österreich ganz stark in der Verantwortung ist, diese europäische Asyllö­sung auch zu unterstützen.

Was die Überprüfung der Blue-Card-Richtlinie anlangt, so ist auch diese schon länger notwendig, da sie bekannterweise nie wirklich angenommen worden ist.

Dann zu Dublin, das heute auch schon kurz erwähnt wurde: Es soll in Bezug auf unbegleitete Minderjährige eine Überarbeitung stattfinden. Österreich beziehungsweise die österreichische Regierung ist wie in den meisten Fällen auch da für eine Verschärfung. Fakt ist aber: Dublin ist mittlerweile endgültig gescheitert, und wir sind der Meinung, dass es, anstatt auf einem toten Pferd sitzen zu bleiben, notwendig wäre, dass die EU und auch Österreich endlich an einem gemeinsamen solidarischen Asyl­system arbeiten, das eine faire und verhältnismäßige Aufteilung auf alle 28 Mitglied­staaten vorsieht. Alles andere, und das wissen wir, verlängert nur die absurde Hin-und-her-Schieberei von Asylsuchenden innerhalb der EU, ohne dass damit ein einziges Problem gelöst wird.

Es soll weiters gemeinsam mit den Behörden der jeweiligen Länder aus Frontex hervorgehend ein europäischer Grenz- und Küstenschutz errichtet werden, der die Schengen-Außengrenzen stärker als bisher abriegeln soll. Regelmäßige Einreisekon­trollen auch von EU-Bürgern und -Bürgerinnen an den Außengrenzen sind angedacht. Auch diesen Vorschlag begrüßt die österreichische Regierung. Das ist für uns genauso wenig überraschend, wie es für Sie wenig überraschend sein wird, dass unser Standpunkt hier ein ganz anderer ist, denn wir vertreten die Meinung, dass genau diese Kontrollen nicht notwendig wären, wenn es Flüchtenden möglich wäre, legal einzureisen. Das würde nicht nur Menschenleben retten und das Schlepperwesen trockenlegen, sondern auch die immensen Grenzschutzkosten, von denen wir heute schon gehört haben, minimieren.

Man will auch verstärkte Schutzregelungen in der Nachbarschaft der EU unterstützen, damit die Flüchtenden gleich dort bleiben. Angesichts der so gut wie nicht vorhan­denen Zahlungsmoral bei bisherigen Hilfeaufrufen zum Beispiel des World Food Pro-gramme oder von UNHCR in Krisengebieten und in den Nachbarstaaten von Syrien, ist das mehr als unglaubwürdig. Auch Österreich hat 2015 kein Geld dafür überwiesen.

Ja, die Türkei war auch schon ganz kurz Thema. Das, was im Aktionsplan vorgesehen ist, macht diese endgültig zu einer Art Gatekeeper der EU, was angesichts der menschenrechtlichen Situation in der Türkei nicht nur äußerst bedenklich ist, sondern auch noch dazu führt, dass die Türkei Menschen nicht nur wegsperrt, sondern die Schutzsuchenden auch von einem fairen Asylverfahren fernhält. Wie wir wissen, häufen sich schon jetzt Berichte über Rückführungen von Flüchtlingen aus der Türkei in syrische Kriegsgebiete, und es ist auch schon bekannt, dass die Türkei die Grenze zu Syrien immer mehr abriegelt und Flüchtende gar nicht erst reinlässt.

Eine europäische Politik, die so agiert, die in Krisensituationen nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ vorgeht, betreibt nichts anderes als eine Vogel-Strauß-Stra-


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 113

tegie. Das heißt, alles in allem sind in diesem Aktionsplan sehr wichtige, sehr bren-nende, sehr notwendige Kapitel und Punkte angeführt, aber noch notwendiger ist es für uns, dass sich Österreich, gerade Österreich, da nicht durch beispielsweise nationale Alleingänge, irgendwelche Husch-Pfusch-Aktionen, aus der Verantwortung nimmt und dass wir diese gemeinsame Verantwortung ernst nehmen und tatsächlich an einer umfassenden europäischen Lösung für die Asylfrage arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.04


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Frau Bundesministerin Mikl-Leitner hat sich zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.05.08

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ja, das Arbeitsprogramm ist relativ umfassend. Das, was wir brauchen, ist vor allem Umsetzung, und da braucht es in der Umsetzung Tempo, Tempo, Tempo.

Den einen oder anderen, der hier den Umfang des Papiers kritisiert hat, erinnere ich daran, dass es dazu umfassende Diskussionen im EU-Ausschuss des Bundesrates gibt, dass es hier vor allem auch auf der Parlamentshomepage eine umfassende EU-Datenbank mit allen Dokumenten gibt und dass jeder von Ihnen die Verantwortung hat, sich mit jedem einzelnen Punkt dieses Arbeitsprogramms intensiv zu beschäftigen.

Gestatten Sie mir, nur zwei zentrale Punkte herauszugreifen. Der eine ist das Thema Grenzschutz. Wir alle wissen, dass wir eine umfassende Sicherung der europäischen Außengrenze brauchen, dass es nur dann ein Europa ohne Binnengrenzen geben kann, wenn der europäische Außengrenzschutz funktioniert – und wir wissen, ja, er funktioniert nicht. Deswegen bin ich auch für den Vorschlag seitens der Kommission dankbar, Frontex zu einer europäischen Grenz- und Küstenwache auszubauen, mit mehr an Kompetenz, wo die Kommission, wo die Europäische Union von sich aus in den Einsatz gehen und die europäischen Außengrenze schützen kann.

Das ist ein gemeinsames Anliegen und eine gemeinsame Verantwortung. Es kann nicht sein, dass das nur in der Hand Griechenlands oder Italiens liegt, denen Hilfe angeboten, aber nicht umfassend angenommen wird. Deswegen werden wir auch weiterhin nationale Maßnahmen setzen. Solange der Grenzschutz der europäischen Außengrenze nicht funktioniert, sind wir gezwungen, zum Eigenschutz nationale Maßnahmen zu setzen.

Deswegen bin ich auch froh darüber, dass im Rahmen des Asylgipfels die Obergrenze für das Jahr 2016 und die weiteren Jahre festgelegt worden ist, für heuer mit 37 500. Denn nur dann, wenn die Bevölkerung weiß, diese Zahl gibt uns Planbarkeit, diese Zahl gibt uns Sicherheit, werden wir auch die Akzeptanz der österreichischen Bevöl-kerung haben. Und diese Zahl, diese Obergrenze von 37 500, ist für uns Handlungs­maxime für all unsere Maßnahmen, die wir in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zu setzen haben.

Zum Zweiten: Was mir noch wichtig ist, ist der Kampf gegen den Terrorismus. Auch dieses Thema stand heute im Zusammenhang mit dem Staatsschutzgesetz schon im Mittelpunkt. Da ist mir vor allem auch wichtig, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten intensiviert wird, die Zusammenarbeit mit Europol und Interpol und dass es hier vor allem eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Diensten und den Strafverfolgungsbehörden gibt, um eben im Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich sein zu können.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 114

In diesem Sinne: Es gibt viele Maßnahmen, die im Arbeitsprogramm enthalten sind, viele Maßnahmen, die gut, wichtig und richtig sind. Diese Maßnahmen nützen jedoch nichts, wenn sie nicht zur Umsetzung kommen. Und diese Umsetzung muss rasch erfolgen, denn Europa wird daran gemessen werden, wie es die Flüchtlingskrise bewerkstelligen kann. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir gehen gestärkt aus dieser schwierigen Situation heraus, oder Europa wird an der Flüchtlingskrise scheitern.

Wir alle wissen: Wir wollen ein weiterhin starkes Europa und wir wollen auch euro-päische Lösungen. Aber auf diese europäischen Lösungen können wir jetzt nicht ausschließlich vertrauen, sondern wir sind auch dazu gezwungen, nationale Maßnah­men zu setzen und vor allem auch den Druck auf jene Mitgliedstaaten zu erhöhen, die bisher Solidarität nur als Einbahnstraße verstehen. Gerade Solidarität heißt Geben und Nehmen in einer Europäischen Gemeinschaft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

15.09


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.10.16

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte ist ja unter anderem deshalb so schwer zu führen, weil immer die Begriffe vermischt werden.

Leute wie der Kollege Schennach kommen und sagen: Das sind alles Menschen. (Bundesrat Schennach: Genau!) – Ja, das sind alles Menschen und das sind alles arme Flüchtlinge. So: Wir wissen aber, dass nur ein Teil davon den Status hat, dass sie wirklich Flüchtlinge vor dem Krieg sind. Der größere Teil ist der, der ein besseres Leben haben will. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ja, jetzt kann man es ja dem Einzelnen überhaupt nicht verdenken, dass er ein besseres Leben haben will. Ich habe ja durchaus Verständnis dafür.

Es ist aber trotzdem so, dass wir nicht jeden in unser Sozialsystem einwandern lassen können, nur weil er es will. Denn sonst geht es uns in paar Jahren oder in ein paar Jahrzehnten genauso schlecht, wie denen da unten, die aus diesen Ländern hier herkommen oder auswandern, damit sie ein besseres Leben haben. Also vermischen Sie diese nicht immer mit echten Asylsuchende nach der Genfer Flüchtlingskon­ven­tion – da gibt es ja eh keinen Streit darüber, dass die Schutz brauchen. Aber nehmen wir diese Kategorie der Wirtschaftsflüchtlinge aus und behandeln sie gesondert!

Und weil die Außengrenzen so bemüht worden sind, der Schutz der Außengrenzen, um eine freie Reisemöglichkeit innerhalb der EU zu ermöglichen: Als Ungarn das probiert hat, ist es dafür geprügelt worden. (Bundesrat Schennach: Zu Recht!) Plötz­lich waren sie die Buhkinder der ganzen Europäischen Gemeinschaft, obwohl sie versucht haben, die Schengen-Außengrenze zu schützen. (Bundesrat Novak: Das haben Sie uns heute schon dreimal erzählt!)

Der Bundeskanzler, der sozialdemokratischen Fraktion zugehörend, hat Orbán sogar in die Nähe des Nationalsozialismus gestellt. Also was wollt ihr eigentlich? – Ihr wollt, dass die Außengrenzen geschützt werden, aber wenn es einer macht, dann war es zufälligerweise der Falsche. (Bundesrat Schennach: Sagt das dem Herbert!) Also das kann es ja wohl auch nicht sein.

Und dann möchte ich nur daran erinnern, dass viele der Asylsuchenden, die sich auf den Weg gemacht haben, ja überhaupt nicht in diese Länder – wenn Sie diese Aufteilung nach Quoten in der ganzen EU haben wollen – wollen. Ich verstehe die


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 115

Polen und ich verstehe das Baltikum und ich verstehe die Tschechen schon, wenn sie sagen: Wir wollen hier jetzt nicht alle Muslime bei uns aufnehmen, und schon gar nicht, wenn sie Wirtschaftsflüchtlinge sind. (Bundesrat Novak: Dann wandert doch aus, wenn es euch dort so gut gefällt!)

Ich erinnere mich noch an den August letzten Jahres, damals sind ja Ihre sogenannten Flüchtlinge schon mit dem Taferl dagestanden, wo draufgestanden ist: Germany! Die wollten nicht nach Polen, nicht nach Tschechien, nicht ins Baltikum, die wollten nach Germany oder nach Schweden und ein kleiner Teil nach Österreich. (Bundesrat Schennach: Vielleicht haben die dort Familie!) Das wollen wir doch nicht vergessen.

Und jetzt kommen Sie mit Ihrem großartigen Aufteilungsschlüssel! – Na, das schaue ich mir aber an, wie schnell der aus Polen wieder weg ist, wenn Sie ihn gemäß Schlüssel dort hingeschickt haben. Wir vermissen ja jetzt schon Einige, von denen wir nicht wissen, wo sie sind. Ich habe mir jetzt die Zahlen nicht gemerkt, wie viele Jugendliche untergetaucht sind. Wo sind die? (Bundesrat Mayer: 10 000!) – Ja, danke. Wo sind die denn alle, und warum? – Vielleicht wollten sie sich selbständig machen, vielleicht wollten sie sich nicht irgendwohin verfrachten lassen. Also denken Sie auch darüber nach!

Und zu guter Letzt wollen wir doch auch nicht all jene Länder vergessen – und da höre ich von Ihnen überhaupt nichts –, die da ja mitgemischt haben und nicht ganz unver-antwortlich sind, dass diese Zustände da unten in Syrien, im Irak und so weiter so sind, wie sie sind. Das sind allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika, die von Nahostpolitik aber so überhaupt keine Ahnung haben. Aber den Europäern sagen sie: Ihr müsst euch um die Flüchtlinge kümmern. Dann haben wir Saudi-Arabien, die Golfstaaten, zu denen von internationalen Leuten – nicht von den Freiheitlichen – immer wieder der Verdacht geäußert wurde, dass sie den „Islamischen Staat“ sehr wohl finanzieren. Und wir wollen nicht vergessen, dass die Türkei natürlich den „Islamischen Staat“ finanziert, indem sie denen das Öl abgekauft hat. Das sind aber alles Dinge, die ich von Ihnen nicht höre.

Die FPÖ ist laut Meinung vom Kollegen Stögmüller für das alles ohnehin verant-wortlich, weil wir da immer den Finger auf die Wunde legen. Was macht ihr mit der FPÖ? – Na, klar! Also wir sind offensichtlich in dem Zusammenhang die Verantwor­tungsträger. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Aber vielleicht beschäftigen Sie sich auch einmal mit der Rolle jener, die das durchaus mitverursacht haben, sich jetzt zurücklehnen und sagen: Nein, wir nehmen aber keine Flüchtlinge! Saudi-Arabien hat keinen einzigen aufgenommen. Ja, Jordanien hat viele genommen, Libanon auch, stöhnt auch schon. (Bundesrat Stögmüller: Schweden, Deutschland!)

Und dann möchte ich noch die Frage stellen: Wieso ist man denn eigentlich überhaupt auf die Idee gekommen, nämlich schon im Sommer letzten Jahres, die Gelder für diese Flüchtlingslager zu kürzen? Das war ja der blanke Wahnsinn! Das sind alles Dinge, die nicht hinterfragt werden. Vielleicht unterhalten wir uns zur Abwechslung auch einmal darüber. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Und deshalb lehnt ihr das Arbeitsprogramm ab! Das ist eine Logik! – Bundesrätin Mühlwerth: Weil die Sozia­listen immer die Begriffe durcheinanderbringen! – Rufe und Gegenrufe zwischen Bun­desräten von FPÖ und SPÖ.)

15.15

15.15.10

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 116

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.16.386. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 2011 geändert wird (905 d.B. und 987 d.B. sowie 9528/BR d.B.)

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 6.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um den Bericht.

 


15.17.10

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutz­ge­setz 2011 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


15.17.50

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Wir diskutieren die Änderung des Pflanzenschutzgesetzes 2011.

Natur- und Umweltschutz haben in Österreich traditionsgemäß einen sehr hohen Stellenwert, und darauf sind wir auch sehr stolz. Meistens geht es darum, dass wir unsere Ökosysteme, die Natur, vor den menschlichen Einflüssen, vor der Zivilisation schützen müssen. Bei diesem Gesetz geht es aber darum, dass wir die Natur vor der Natur schützen. Warum? – Es passiert einfach immer wieder, und wir erleben es, dass lokal, regional und national etablierte Pflanzen und Tiere bedroht sein können, da fremde Arten hereingebracht werden und sich diese hier verbreiten können, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Das bedroht unser System. Wer sich damit beschäftigt hat, weiß, dass zum Beispiel die Kaninchen in Australien nie heimisch waren und dort mittlerweile seit langem schon eine Plage sind.

Wir haben im Ausschuss – und ich bin sehr dankbar dafür – eine sehr intensive Diskussion geführt. Viele Beispiele sind angeführt worden: Ob es das Springkraut ist, der Knöterich, ob es Nacktschnecken sind, Zierfische im Wörthersee oder der Bärenklau, der sich verbreitet hat. Um diese Verbreitungen hintanzuhalten, muss man vorsichtig sein. Globale Verkehrsverbindungen und Transportwege sorgen hier für einen regen Austausch – ungewollt, aber auch durchaus bewusst eingeführt.

Aus diesem Grund gibt es dieses neue Gesetz, das in guter Abstimmung mit den Län­dern – weil ja Naturschutz Länderkompetenz ist, aber der Grenzschutz Bundeskompe­tenz – erarbeitet wurde, um hier Importverbote und Importbeschränkungen für nicht­heimische Pflanzen- und Tierarten herbeizuführen.

Das Bundesamt für Ernährungssicherheit ist mit der Umsetzung betraut. Wir glauben – und ich glaube –, dass das ein gutes Gesetz ist. Wir werden dieser Vorlage auch ent-


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 117

sprechend zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

15.20


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Novak zu Wort. – Bitte.

 


15.20.26

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Werte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung auf diese Rede sind mir Zeitungsschlagzeilen untergekommen, die es in sich haben, die eigentlich an einen Kino-Blockbuster denken lassen, denn da ist von Folgendem die Rede: „Eine Invasion in Grün“, „Angriff der grünen Invasoren“ oder „Kärnten im Kampf gegen pflanzliche Eindringlinge“. – Diese Artikelüberschriften stammen aus einer sehr auflagenstarken Zeitung.

Das Thema hinter diesen dramatischen Überschriften ist ein sehr ernstes, denn in diesen Artikeln ging es um eingeschleppte Pflanzen aus anderen Ländern, die, wie wir schon gehört haben, unser Ökosystem massiv gefährden und aus dem Gleichgewicht bringen.

In meiner Heimat etwa sind die derzeit problematischen drei invasiven Pflanzen das Drüsen-Springkraut, die Goldrute und der Staudenknöterich. Diese drei Pflanzen verbreiten sich am schnellsten und lassen der heimischen Flora keine Chance. Ich glaube, die zumindest in unserer Gegend bekannteste Problempflanze ist der Riesen-Bärenklau. Diese aus dem Kaukasus eingeschleppte Pflanze kann nur in Schutz­anzügen entfernt werden, weil bei der Berührung mit dem hochgiftigen Gewächs sich Verbrennungen auf der Haut ausbilden.

Es ist ja so, dass irgendjemand das Ganze wegräumen muss. Dazu wird dann immer wieder die Feuerwehr gerufen. Im Bezirk Spittal beziehungsweise um Spittal war das sehr viel anzutreffen. Als politischer Repräsentant des Oberkärntner Landes im Bun­des­rat möchte ich mich daher an diesem Nachmittag bei der Bezirksfeuerwehr Spittal beziehungsweise auch jener von Baldramsdorf recht herzlich bedanken. Aufgrund der aggressiven Verbreitung dieser Pflanzen dürfte das wohl nicht der letzte Einsatz in diesem Zusammenhang gewesen sein.

Eingeschleppte Pflanzenarten wie etwa das Ragweed, das bekannte Ambrosia, bedrohen inzwischen auch geschützte Biotope. Das lässt einen wie mich, der Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde ist, hellhörig werden. Folglich begrüße ich natürlich jede Initiative, die die heimischen Pflanzenarten schützt, selbst wenn es sich bei der Novelle des Pflanzenschutzgesetzes 2011 wohl nur um einen ersten und daher auch kleinen Schritt handelt.

Da mir die Natur besonders am Herzen liegt, sehe ich es als unsere Pflicht, ständig und vor allem kontinuierlich an Verbesserungen im Bereich des Naturschutzes und auch des Pflanzenschutzes zu arbeiten. Dazu gehören auch die Aufklärung und die Verringerung der Gefahren durch eigenes Handeln. Ich glaube, dass viele Dinge sich zum Positiven wenden würden, wenn die Menschen verstünden, dass Ihr Verhalten erheblich zum Schutz der Natur beiträgt, etwa auch, wenn ausgesuchte Lebensmittel in ihren Einkaufskörben landen.

Der Klimawandel, den ja der Mensch verursacht, ist ein Türöffner erster Güte für inva­sive Pflanzen, genauso – wie meine Vorredner schon gesagt haben – wie die oftmals irrwitzigen Transportwege dieser Waren. Da können die Grenzen noch so gut kon­trolliert werden. Deshalb hoffe ich, dass wir nicht frei nach einem bekannten Wiener Lied sagen müssen: Die Natur wird sein, und wir werden nimmer sein.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 118

Als Trotzreaktion darauf sollten wir heute die Novellierung des Pflanzenschutzge­set­zes 2011 beschließen, was meiner Meinung nach höchst notwendig ist. Wir sollten dabei aber nicht glauben, dass damit allein das Problem der Einbringung und Aus­breitung invasiver Pflanzen aus der Welt geschafft ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Schreyer.)

15.25


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schererbauer zu Wort. – Bitte.

 


15.25.15

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen des Bundesrates! Die Abänderung des Pflanzenschutzgesetzes 2011 ist ein erster, ausgesprochen sinnvoller und wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um durch die amtliche Kontrolle die Einfuhr von invasiven Pflanzen und Tierarten in die EU beziehungsweise nach Österreich zu verhindern.

Ich habe diesbezüglich ein bisschen im Internet recherchiert: Bei diesen sogenannten invasiven Pflanzen, die auch Problemneophyten genannt werden „handelt es sich um relativ ‚neue‘ Pflanzenarten in unseren Breiten.“ Sie sind auf unterschiedliche Art und Weise in unser Land gekommen, sei es als Nutzpflanze, als Forstpflanze, Heil- oder Zierpflanze. „Andere wurden mit Handelsgütern und pflanzlichen Erzeugnissen oder durch die weltweite Reisetätigkeit unbeabsichtigt eingeschleppt. Von den insgesamt ca. 12.000 ‚neuen‘ Pflanzenarten haben sich viele insoweit in unsere heimische Flora integriert, dass sie eigentlich nicht als neophytisch wahrgenommen werden. Einige von ihnen sind wegen der Verdrängung standortgerechter einheimischer Tier- und Pflan­zen-Arten zu einem ökologischen Problem geworden. So werden sie für den Rückgang von bislang 43 Tierarten verantwortlich gemacht. Sie besiedeln und vernichten dadurch empfindliche und zudem sehr selten gewordene Biotope.“ Problempflanzen fehlt der natürliche Gegenspieler, sprich, nicht vorhandene Fressfeinde und Krankheiten sorgen dafür, dass sich die Pflanzen explosionsartig ausbreiten können.

Ich möchte da nur eines zitieren: Was in Kärnten der Bärenklau ist, ist bei uns in Oberösterreich zum Beispiel das Springkraut. Das ist ursprünglich eine Zierpflanze aus dem Himalaya-Gebiet, die sich in den letzten zehn Jahren entlang der Bäche explo­sionsartig ausgebreitet hat und eigentlich kaum in den Griff zu bekommen ist.

Ich habe lange im Internet suchen müssen, bis ich etwas gefunden habe (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe): Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen hat eine „Anleitung zur Bekämpfung von Neophyten“ in Auftrag gegeben beziehungsweise entwickelt. Wenn es von Interesse ist, kann ich das den Kollegen gerne zur Verfügung stellen.

Das Ganze verursacht auch wirtschaftliche Probleme. Die Weinbauern zum Beispiel werden das wahrscheinlich ganz massiv zu spüren bekommen haben. Der asiatische Marienkäfer arbeitet sich nämlich in die Trauben, womit die Trauben fast unbrauchbar gemacht werden. Der biologische Abbau des Maiswurzelbohrers ist auch nicht mehr möglich. In Österreich gelten alle wichtigen Maisanbaugebiete als von diesem Schäd­ling befallen.

Summa summarum kann ich nur sagen, dass jedoch der Mensch selber hauptver­ant­wortlich für die Verbreitung ist.

„Durch Bautätigkeit entstehen offene Flächen; durch die unfreiwillige Verwendung von kontaminiertem Erd- und Kiesmaterial können Neophyten an neue Standorte verbracht werden; Nutzungsänderungen in der Landwirtschaft haben Destabilisierungen in der


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Zusammensetzung der Pflanzgesellschaften zur Folge, so dass in den Bestandslücken Neophyten Fuß fassen können; nicht selten werden Gartenabfälle in der freien Land­schaft ‚entsorgt‘, ein Weg, auf dem schon vielen Neophyten der ‚Sprung über den Gartenzaun‘ gelungen ist.“ – So kann man es nennen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Wir werden diesem Antrag unsere Zustimmung erteilen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.29


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort. – Bitte.

 


15.29.29

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist jetzt schon sehr viel über diese Novelle geredet worden. Vor allem hat es auch schon sehr viele Berichte zu den von den Neophyten verursachten Problemen gegeben, weswegen ich mich sehr kurz fassen werde.

Die EU-Verordnung „über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten“ sieht drei Stufen zur Umsetzung vor. Die Novelle, die wir heute hier beschließen, ist die erste Stufe der Umsetzung: die Kontrolle bei der Einfuhr. Invasive Arten sollen erst gar nicht eingeführt werden, wodurch die Ausbreitung verhindert wird.

Und dann blättere ich schon weiter. (Die Rednerin blättert in Schriftstücken.) Die zweite Stufe der Umsetzung ist auf Länderebene. Das hat auch einer der Vorredner schon angesprochen, dass auf Länderebene zwingende Dringlichkeitsmaßnahmen, Aktions­pläne und Managementpläne gegen Neophyten vorgesehen werden. Das möchte ich gerade in der Bundesländerkammer als Anregung nur ganz kurz vortragen.

In Tirol ist brandaktuell letzte Woche im Landtag ein wirklich gutes, koordiniertes und ressortübergreifendes Aktionsprogramm dazu beschlossen worden. Das sieht genau das vor, was der Kollege schon ein bisschen angesprochen hat. In Broschüren werden Informationen aufbereitet, und zwar ressortübergreifend und wirklich alle Stakeholder betreffend.

Es werden Broschüren und Handlungsleitfäden erarbeitet, die direkt an alle verschie­denen zuständigen Akteurinnen und Akteure – an Gemeinden, an Baubezirksämter, an Landwirtinnen und Landwirte, an Försterinnen und Förster, an Vereine und so weiter – weitergegeben werden, sodass die Handlungsmöglichkeiten auch wirklich auf die jeweiligen Personengruppen abgestimmt sind – je nach den Möglichkeiten, die diese auch haben.

Und das wird eben nicht nur einmal zur Verfügung gestellt, sondern man bleibt auch wirklich aktiv dran. Also es gibt eine aktive, regelmäßige Weitergabe von Informa­tio­nen, Broschüren und Handlungsleitfäden an diese verschiedenen Akteurinnen und Akteure, darüber, wie man die Arten erkennt und wie man sie am besten entsorgt, um so eine langfristige, gezielte und nachhaltige Vorgehensweise zu schaffen.

Es passiert ja schon relativ viel. Gerade in Schutzgebieten werden immer wieder Aktionen zur Bekämpfung von Neophyten durchgeführt. Was aber wirklich notwendig ist, um da dauerhaft dranzubleiben, sind geplante Aktionstage und Aktionswochen – ähnlich wie die Flurreinigungstage –, die dann von zentraler Stelle in Zusammenarbeit mit Gemeinden, Vereinen, Kammern und so weiter koordiniert und beworben werden. Und natürlich benötigt man auch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit zur Bewusstseins­bildung, Information und Einbindung der Bevölkerung.


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Ich bin mir sicher, dass man dem, wenn wir das sehr ambitionierte Programm, das sich Tirol da vorgenommen hat, in ganz Österreich umsetzen, auch Herr oder Herrin wer­den kann. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

15.32


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Heger zu Wort. – Bitte.

 


15.32.41

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Minister! Ge­schätzter Bundesrat! Die heimische Fauna und Flora, die heimische Natur nachhaltig zu schützen, ist für alle, denen die Natur am Herzen liegt, ein wichtiges Anliegen. Deshalb ist es auch wesentlich, dass es immer wieder Verbesserungen im Bereich von Natur- und Pflanzenschutz gibt.

Wie meine VorrednerInnen bereits ausgeführt haben, wird mit der Novelle des Pflan­zenschutzgesetzes 2011 eine EU-Richtlinie umgesetzt. In diesem Bundesgesetz geht es um eine Einfuhrregelung für bestimmte Tiere und Pflanzen. Es geht also um eine Einfuhrregelung von lebenden Organismen, die durch ihre Beschaffenheit oder durch Krankheiten einheimische Tiere und Pflanzen bedrohen, womit sie eine Gefährdung der heimischen Natur darstellen.

In anderen Ländern wie zum Beispiel Australien oder Neuseeland gibt es solche ver­schärften Einfuhrbestimmung schon längst, um die dortige heimische Fauna und Flora zu schützen.

Für dieses Einfuhrverbot wurden zwei wesentliche Maßnahmen festgelegt. Einerseits ist das die amtliche Kontrolle bei der Einfuhr nach Österreich beziehungsweise in die EU, andererseits werden damit die unbedingt notwendigen Grundlagen für die Landes­gesetzgebung geschaffen und erlassen.

Um aber unsere biologische Vielfalt in den unterschiedlichsten Regionen Österreichs zu erhalten, reichen gesetzliche Rahmenbedingungen – wie wir schon von den Vor­rednern gehört haben – allein nicht aus. Es bedarf mit Sicherheit der Mitwirkung von Wirtschaft, Landwirtschaft und der gesamten Gesellschaft. Für uns alle liegt darin eine große Verantwortung, eine Verantwortung für die kommenden Generationen, denn wir tragen diese Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft.

Als Bürgermeister einer der größten Rotweinbau-Gemeinden Österreichs möchte ich eines von vielen gefährlichen Beispielen aus dem Weinbau anführen. Der allseits bekannte heimische rote Siebenpunkt-Marienkäfer wird bei uns durch den asiatischen Marienkäfer mittlerweile massiv bedroht. Dieser stellt bereits ein sehr großes Problem dar.

Eigentlich sind ja Marienkäfer unschlagbare Schädlingsbekämpfer. Bis zu 150 Blatt­läuse verspeist ein einziger am Tag. Aus diesem Grunde wurde seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine asiatische Marienkäferart in Gewächshäusern eingesetzt. Sie hat sich danach aber auch in der freien Natur verbreitet. So hat sich dieser Einwanderer in großen Teilen Deutschlands und Österreichs verbreitet. Dem gelblichen bis fast schwarzen Käfer aus Asien helfen bei der schnellen Ausbreitung sein robustes Immunsystem und winzige Sporen, die einheimische rote Siebenpunkt-Marienkäfer töten können. Das berichten namhafte Wissenschaftler.

Nun werden sie aber durch ihr massenhaftes Auftreten zur Plage und machen unseren Winzern zu schaffen, so auch in meiner Heimatgemeinde und in vielen Teilen des Burgenlandes. Im Gegensatz zum heimischen – wie wir sagen – Glückskäfer, frisst die asiatische Variante auch Trauben. Gelangen die Tiere bei der Ernte in größerer Zahl in


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die Maische, kann der Weingeschmack unter ihrer chemischen Verteidigungssubstanz leiden, die bitteren Stoffe können die Weinqualität auch erheblich mindern.

Aber nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen – wie wir schon mehrfach gehört haben – sorgen dafür, dass die heimische Flora und Fauna verdrängt wird. Diese invasiven Arten können – zumindest teilweise – das Ökosystem verändern und bedrohen. Damit stellen sie auch eine große Gefahr für unsere Artenvielfalt dar. Daher gehört dieses Gesetz zum Teil auch der Biodiversitätsstrategie an, die dem Schutz und Erhalt unseres Ökosystems und dessen Vielfalt dient.

Die Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes 2011 ist also ein ganz wichtiger erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber erst, wenn nach der Einfuhrregelung auch die weiteren wichtigen Schritte, nämlich Früherkennung und Tilgung, das heißt, die Bekämpfung der invasiven Arten sowie die Vorlage einer Artenliste gemacht sind, sind die Voraussetzungen für die unbedingt notwendigen naturschutzrechtlichen Rahmen­bedin­gungen gesetzt.

Als umwelt- und naturbewusster Bürger werde ich daher der Änderung des Pflan­zenschutzgesetzes zustimmen. Ich würde mich über eine breite Zustimmung im Plenum sehr freuen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

15.38

15.38.10

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich darf in unserer Mitte Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.38.527. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitäter­ge­setz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (1. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016 – 1. EU-BAG-GB 2016) (881 d.B. und 972 d.B. sowie 9529/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychotherapie­gesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Tier­ärztegesetz und das Tierärztekam­mer­gesetz geändert werden (2. EU-Berufs­anerkennungsgesetz Gesundheits­be­rufe 2016 – 2. EU-BAG-GB 2016) (939 d.B. und 973 d.B. sowie 9530/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 122

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber. – Bitte um die Berichte.

 


15.39.45

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Liebe Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe zwei Berichte.

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Kran­kenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmas­seurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekam­mer­gesetz geändert werden (1. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016).

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den zweiten Bericht des Gesundheitsausschusses, nämlich über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologen­ge­setz, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Gehaltskassen­gesetz 2002, das Tierärztegesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016).

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile ihm dieses.

 


15.41.59

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Wertes Publikum zu Hause vor den Bildschir­men! Bei diesen beiden Gesetzen handelt es sich wieder einmal um die Herstellung der Konformität mit einer EU-Richtlinie. Im konkreten Fall geht es um die Berufsan­erken­nungsrichtlinie.

Die wesentlichen Inhalte sind die Schaffung eines Europäischen Berufsausweises, der partielle Berufszugang. Der umstrittenste Punkt ist dabei ein Vorwarnmechanismus im Hinblick auf untersagte Berechtigungen oder gefälschte Dokumente und die Gewähr­leistung von einheitlichen Ansprechpartnern.

Diese beiden Gesetzentwürfe haben wahrlich eine Flut an negativen Stellungnahmen zur Folge gehabt. Eigentlich alle Landesregierungen, alle betroffenen Berufsverbände und Berufsvertreter haben sich massiv dagegen ausgesprochen und Bedenken geäußert, aber auch das Finanzministerium oder das Wirtschaftsministerium, das bei­spiels­weise die Verwendung des Binnenmarktinformationssystems kritisiert, weil die­ses in Österreich nur partiell umsetzbar sei. Ja sogar das Bundeskanzleramt hat seine Bedenken gegen diese Gesetze zum Ausdruck gebracht.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 123

Der Hauptkritikpunkt auch aus unserer freiheitlichen Sicht ist der sogenannte partielle Zugang zu Gesundheitsberufen. Das betrifft in erster Linie, aber nicht nur, den geho­benen medizinisch-technischen Dienst, für den es in Österreich eine sehr umfassende Ausbildung gibt. Es soll also möglich sein, hier sozusagen Teilbereiche abzudecken durch Ausländer, die eben nicht dasselbe Ausbildungsniveau haben, sondern nur einen Teil abdecken können.

Hier richtet sich die Kritik gegen die unklaren Regelungen und Kriterien bei der Aner­kennung dieser partiellen Befähigungen. Es ist unklar und nicht geregelt, wie die Infor­mation einerseits des Dienstgebers, andererseits aber auch der Patienten vonstatten­gehen soll.

Die Nachweise, die gefordert sind, etwa über die entsprechenden Kenntnisse der deut­schen Sprache, sind äußerst vage definiert. Auch die Möglichkeit der Verwendung von Berufsbezeichnungen aus den Heimatländern, wo die Ausbildung absolviert wurde, wird eher für Verwirrung sorgen, wenn beispielsweise die Bezeichnung einer rumäni­schen oder finnischen Ausbildung ins Deutsche übersetzt werden soll und der Patient dann wissen soll, was der Betreffende jetzt wirklich kann und wofür er befähigt ist. Aber nicht nur der Patient, auch der Dienstgeber wird seine liebe Not damit haben.

Allein das Versprechen vonseiten des Ministeriums – zumindest ist es im Ausschuss so zur Kenntnis gebracht worden –, zumindest am Anfang, wenn dieses Gesetz greifen soll, besonders streng sein zu wollen, ist uns zu wenig. Das ist zu wenig, um den hohen Standard, der durch die österreichische Ausbildung in den medizinischen Beru­fen gewährleistet ist, dann auch im Sinne der Qualität, der Patientensicherheit flächen­deckend und wirklich umfassend sicherzustellen.

Diese Gefahr scheint also durch die schwierige Vergleichbarkeit der einzelnen Aus­bildungen und durch die Berufsbezeichnungen durchaus sehr real zu sein. Wir werden daher diesen beiden Gesetzesvorlagen unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei der FPÖ.)

15.46


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich erteile es ihr.

 


15.46.56

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Sabine! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Mit diesem Bundes­gesetz, das wir heute auf der Tagesordnung stehen haben, wurde, wie schon ange­sprochen, die EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen von einer klaren Mehrheit des Nationalrates mit zwei Gesetzen für den Bereich der Gesundheits­berufe umgesetzt.

Mir ist absolut nicht klar, warum man diesem Gesetz nicht die Zustimmung erteilen kann. Manches Mal habe ich das Gefühl, dass einige unter uns glauben, dass wir auf einem eigenen Planeten leben, wo niemand rein darf und auch niemand raus darf. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Genau, danke dir, Edgar. Raus schon, aber nicht rein mit einer Qualifikation, die man woanders auch anwenden kann.

Für bestimmte Berufsgruppen ist es damit leichter, auch in anderen EU-Ländern zu arbeiten; mit Hilfe des Europäischen Berufsausweises können jetzt die in diesen Ge­setzen angeführten Berufsgruppen ihre Qualifikation für einen Job im EU-Ausland nachweisen. Diese Berufsgruppen können das Verfahren nutzen, wenn Sie sich in einem anderen EU-Land niederlassen wollen oder ihre Arbeit vorübergehend und gele­gentlich in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 124

Der Beschluss für den Europäischen Berufsausweis ist ein großer Schritt vorwärts, gerade wenn man bedenkt, dass wir uns heute im 21. Jahrhundert befinden, wo sich doch einiges gegenüber früher massiv verändert hat. Dieser Ausweis ermöglicht es auch qualifizierten Europäern in den angeführten Berufen einfacher und schneller dort zu arbeiten, wo ihre Kompetenzen gebraucht werden beziehungsweise wo sie auch gesucht werden. Er ist ein praktisches Hilfsmittel, das nicht nur Fachleuten nützt, sondern auch jenen Menschen, die ihre Dienstleistung brauchen, und das macht ihn noch einmal zu einem Vorteil.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Welt ist nicht stehen geblieben, die Welt dreht sich weiter; und die Arbeitsplätze von heute, wie wir sie kennen, sind nicht die Arbeits­plätze von morgen. Was meine ich damit? Ich meine, meine Generation – oder viel­leicht gehe ich einen Schritt zurück:

Früher war es im Großen und Ganzen üblich, dass ein junger Mensch in einem Betrieb als Lehrling begonnen hat, die Lehre beendet hat und auch seinen Beruf in diesem Unternehmen ausüben konnte, oftmals bis zur Pension. Es war üblich, dass man hier studiert hat, das Studium absolviert hat und auch den Beruf dann hier ausüben konnte oder ausgeübt hat.

Das hat sich mittlerweile massiv verändert, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Bildung, und zwar gute Bildung, ist notwendiger als je zuvor, und es ergibt sich dann sehr oft die Frage, wo man die Qualifikation, die man sich angeeignet hat, auch ausüben kann beziehungsweise will. Daher ist diese Erleichterung der Mobilität für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, diese Möglichkeit, zu entscheiden, wo man sein Wissen einsetzt, zu begrüßen.

Gerade in Zeiten einer Digitalisierung, in Zeiten einer digitalen Welt ist es ebenfalls zu begrüßen, dass dieser Europäische Berufsausweis kein Ausweis im eigentlichen Sinne ist, sondern ein elektronisches Verfahren für die Anerkennung von Berufsqualifika­tio­nen zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Er ist benutzerfreundlicher als die traditionellen Anerkennungsverfahren und ermöglicht es auch, einen Antrag online zu verfolgen und zu sehen, was damit passiert.

Ebenso ist auch vorgesehen, dass dieses System Absicherungen beinhaltet; das macht Sinn, um Missbrauch zu verhindern. Es ist ein sinnvolles Gesetz, das unter ande­rem auch die Patientensicherheit im Auge behält, und ich glaube, das ist ein wesentlicher Kernpunkt.

Bei allem, was neu ist, melden sich immer zuerst Skeptiker. Aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bin davon überzeugt, dass es sich da im Sinne der Beschäftigten, aber auch im Sinne der Patienten und Patientinnen um ein wirklich tolles Projekt handelt. Daher werden wir Sozialdemokraten diesem Gesetz zustimmen.

Da ich aber schon hier stehe, erlaubt mir, noch eines anzuschließen, und zwar möchte ich ein paar Worte über das Register für Gesundheitsberufe sagen. Ziel dabei ist, die erworbenen Qualifikationen im Gesundheitsbereich auch aufzuwerten und mehr Pa­tientensicherheit zu gewährleisten. Damit steigt das Niveau des Gesundheits­schut­zes – und ich gehe davon aus, dass wir heute niemanden hier haben, der nicht möchte, dass sich das Niveau gerade im Bereich der Gesundheit erhöht. Genau aus diesem Grund haben bereits 14 Länder der EU ein Register eingeführt.

Einige können sich vielleicht noch erinnern: Im Nationalrat ebenso wie im Bundesrat wurde dieses Gesetz schon 2013 beschlossen. Umgesetzt konnte es leider noch immer nicht werden. Es fehlt, dass wir es auch in der Realität vorfinden, da es noch immer ein sogenanntes Veto von zwei Bundesländern gibt, nämlich von Niederöster­reich und Salzburg.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 125

Diese beiden Bundesländer sind dafür verantwortlich, dass wir unser Register heute in der Praxis noch immer nicht vorfinden. (Bundesrätin Zwazl: Weil wir es im Bundes­ministerium haben wollen und nicht als Register in der Arbeiterkammer, weil es ja auch Selbständige gibt!) – Gut, ich glaube trotzdem, dass wir uns gemeinsam dafür einset­zen sollen, dass dieses Register umgesetzt wird, und zwar österreichweit, und dass die beiden Bundesländer, nämlich Niederösterreich und Salzburg, ihr Veto, ihre Blockade aufgeben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Frau Bundesrätin Stöckl hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.53.24

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Krusche! So negativ wie Sie sehe ich dieses Gesetz beziehungsweise diese Novelle nicht. (Bundesrat Krusche: Würde mich auch wundern!)

Wir bekennen uns zu einem vereinten Europa, zu einem globaleren Denken und zu einem vernetzten Handeln, gerade in den Bereichen Bildung sowie Ausbildung. Mit dem Berufsanerkennungsgesetz für Gesundheitsberufe setzen wir einen weiteren Schritt in diese Richtung.

Wir stehen für ein Europa, das eine gemeinsame Bildung ermöglichen soll. Wir stehen für ein Europa, wo auch die Patientensicherheit an oberster Stelle stehen soll. Das heißt, mit dieser Novelle muss sowohl die Berufsbezeichnung aus dem Heimatland als auch die im Anerkennungsbescheid festgelegte deutschsprachige Bezeichnung zu erkennen sein. In diesem Zusammenhang wäre dann ein Zentralregister beim Bun­desminis­terium von Vorteil. Wichtig wäre hier die Einbindung der einzelnen Berufsgrup­pen beziehungsweise der Fachverbände.

Mit dieser Novelle, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erleichtern wir unseren medizinischen Berufsgruppen die Möglichkeit, wertvolle Auslandserfahrungen zu sam­meln, und umgekehrt lernen Menschen aus EU-Ländern in Österreich unseren hohen Ausbildungsstandard kennen und dürfen von unseren Erfahrungen profitieren.

Als Physiotherapeutin leite ich im Landespflegeheim Mödling die Therapie, und ich erlebe es immer häufiger, dass FH-Studentinnen und -Studenten, die sich bei uns um ein Praktikum bewerben, sich weiters gerne um ein Auslandspraktikum bemühen, um eben diese internationale Erfahrung zu sammeln. Sie und wir haben Nutzen davon.

Selbstverständlich ist die berufliche Qualität der einzelnen Berufe nicht in jedem Land als gleich anzusehen, weshalb es, um ein Höchstmaß an Patientensicherheit gewähr­leisten zu können, unumgänglich ist, zu schauen, wie hoch der Ausbildungsstandard in den einzelnen Berufsgruppen ist. Daher haben wir auch die partielle Berufsanerken­nung.

Geschätzte Damen und Herren, ich persönlich wünsche mir, in jedem Land medizi­nisch gut behandelt beziehungsweise betreut zu werden. Wir schaffen mit dieser No­velle einen Bildungsaustausch innerhalb der Mitgliedstaaten. Sehen wir es als Chance und profitieren wir voneinander! Meine Fraktion stimmt diesen Novellen gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.56


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Frau Dr. Reiter, wir haben nur mehr 5 Minuten bis 16 Uhr. Ist es für dich in Ordnung, wenn du jetzt mit deiner Rede beginnst und ich dich dann unterbreche, weil wir um 16 Uhr die Dringliche Anfrage in Verhandlung nehmen


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 126

müssen? Ansonsten unterbrechen wir jetzt und du hältst deine Rede danach. (Bundes­rätin Reiter: Ja, das ist besser!)

Dann unterbrechen wir kurz die Sitzung, starten um 16 Uhr mit der Dringlichen Anfrage und setzen anschließend fort.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 15.57 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

16.00.14Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend roten Pensions­transfer zwischen Bank Austria und Pensionsversicherungsanstalt (3110/J-BR/2016)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Jenewein als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

 


16.00.42

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal Bank Austria – es ist nicht die erste Dringliche Anfrage, die uns mit der Bank Austria beschäftigt. Es ist die zweite, zumindest seit ich hier in diesem Haus tätig bin.

Bevor wir direkt zur Sache kommen, ein ganz kurzer Rückblick: Die Bank Austria wurde gegründet im Jahr 1905, übrigens damals vom Christlichsozialen Karl Lueger. Schon damals war die Bank Austria, die als Zentralsparkasse, als Gemeindesparkasse begründet war, eine Haus-und-Hof-Bank der Gemeinde Wien. Sie ist dann in den 1950er, 1960er, 1970er Jahren zu der Bank in Österreich gewachsen, die im Prinzip das größte Filialnetz innehatte, die die größte Summe umgesetzt hat, und sie war die Bank für Großinvestitionen in Österreich. Im Jahr 1995 hatte die Bank 120 Zweigstellen allein in Wien und 98 Zweigstellen in den Bundesländern.

In dieser bewegten Geschichte hat es auch einige sonstige Tätigkeiten gegeben. Im Jahr 1991 gab es die Fusion mit der Länderbank, und die damalige Zentralsparkasse verlegte das operative Geschäft auf die neu begründete Bank Austria AG. Die AVZ, die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse – mit der wir uns später noch ein bisschen im Detail beschäftigen werden –, hielt damals 22,7 Prozent der Aktien der Bank Austria; die deutsche WestLB hatte 8 Prozent, die Banca Intesa hatte 3 Prozent, die Wiener Städtische hatte 5 Prozent. Der mehrheitliche Aktienbesitz war schon im Jahr 1990


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nicht mehr in Österreich zu finden. Das heißt, die damalige Bank Austria, die operativ tätig war, hatte zwar noch den Namen „Austria“ im Namen, mehrheitlich war sie aller­dings damals nicht mehr im Besitz Österreichs.

Das Einzige, was im Besitz Österreichs geblieben ist, war die Haftung der Gemeinde Wien, weil die Gemeinde Wien für die gesamten Einlagen und Tätigkeiten der Bank Austria gehaftet hat. Sie tut es zu einem Teil heute noch. Der Höhepunkt war das Jahr 2001, als Wien für die Bank Austria mit 120 Milliarden € haftete; das waren in damali­gem Geld 1 651 Milliarden Schilling oder 1,6 Billionen Schilling.

Dann, ab dem Jahr 2001, kam die UniCredit. Der Deal mit der UniCredit, der damals durchaus kontroversiell war, hat sich an sich so entwickelt, dass das Eigenkapital der Bank Austria von 6,8 Milliarden € auf 15 Milliarden € erhöht wurde, also durchaus ein herzeigbares Ergebnis.

Mit der Wirtschaftskrise 2008, mit der Bankenkrise, mit der Schuldenkrise 2008 kam es natürlich auch zu einer Bankenkrise in Österreich. Diese Bankenkrise hat zumindest bis zum heutigen Tag Auswirkungen, denn die UniCredit hat sich letztes Jahr im Herbst ein umfassendes Sparpaket selbst verordnet. Die UniCredit ist ja nicht nur in Österreich mit der Bank Austria tätig. Die UniCredit möchte im heurigen Jahr, 2016, 18 200 Jobs weltweit streichen. Die UniCredit nimmt der Bank Austria das Osteuropa­geschäft und wird es von Wien nach Mailand verlagern. Auch das Privatkundenge-schäft in Österreich soll massiv reduziert werden.

Bis zum Jahr 2018 sollen 800 Beschäftigte gehen. Die Bank Austria sagt, es wird keine aktiven Kündigungen geben, sondern mit den normalen Pensionsabgängen werden diese 800 Personen ausgeglichen werden. Die Fonds-Tochter Pioneer, die immerhin Assets in der Höhe von 225 Milliarden € besitzt, wird mit Santander fusioniert. Die ukrainische Tochter Ukrsotsbank wird von der UniCredit ebenfalls verkauft.

Hier handelt es sich um ein Sparpaket in der Höhe von 1,6 Milliarden €. Das ist durch­aus ein herzeigbares Sparpaket für eine große Bank. Das wäre an sich noch nicht wirklich berichtenswert, wenn nicht letztes Jahr im Dezember durch eine Indiskretion – offenbar an einen Journalisten einer österreichischen Tageszeitung – das Gerücht, das sich später verifizieren ließ, aufgetaucht wäre, dass es dann natürlich noch zu weiteren Änderungen kommen soll.

Da kann es durchaus zu einer Situation kommen, die nicht nur die Stadt Wien betrifft und die nicht nur die Republik betrifft, sondern die vor allem die Beitragszahler ins Pensionssystem betreffen könnte. Denn dieses Sparpaket – und das ist bei diesen 1,6 Milliarden nicht mit eingerechnet, das würde noch dazukommen – sieht auch vor, dass die Administrativpensionen der Bank Austria – die Bank Austria hat für derzeit noch rund 3 300 Personen auch eine Pensionsversicherung, wo sie selbst Pensions­träger ist – ins ASVG-Modell übergeführt werden sollen.

So weit, so gut; man versucht eben hier, diese teuren Pensionen loszuwerden. Das ist für ein Unternehmen durchaus eine Form, wo es sagt: Ich versuche halt, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, dass ich diese Leute aus diesen teuren Pensionen hinausbekomme. – Das ist ja auch ganz klar: Man hat hier nämlich eine Gesetzeslücke entdeckt, die leider bis zum heutigen Tag besteht. Wir werden dann, eine meiner Nachrednerinnen wird dann noch auf diese Gesetzeslücke eingehen.

Es gibt nämlich den § 311 Abs. 5 im ASVG, der aus dem Jahr 1953 stammt. Damals wurde eine 7-prozentige Bemessungsgrundlage ins Gesetz geschrieben. Dazu muss man natürlich wissen, dass damals die Pensionsversicherung allgemein nur 10 Prozent ausgemacht hat. Mittlerweile ist das ein bisschen gestiegen: Wir haben aktuell ein-


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heitlich 22,8 Prozent, wovon 10,55 Prozent der Arbeitnehmer und 12,25 Prozent – wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe – der Arbeitgeber bezahlt.

Das heißt, es hat sich hier im Lauf der Jahrzehnte natürlich eine riesige Lücke auf­getan! Diese Lücke versucht man jetzt vonseiten der italienischen UniCredit zu nutzen, dass man eben diese teuren Betriebspensionen – denn nichts anderes ist das – billig ins ASVG-Modell hinüberbringt. Was würde das für die Betroffenen heißen? – Für die Betroffenen würde das heißen, dass sie statt 80 Prozent ihres Letztgehalts nur noch 60 Prozent ihres Letztgehalts bekommen.

Was würde das in weiterer Folge für die Pensionsversicherungsanstalt heißen, wo man versucht, sich einzukaufen? – Hinsichtlich der Folgen, die das für die Pensionsver­siche­rungsanstalt hätte, sind wir eben noch nicht so schlau, wie wir es gerne wären. Daher haben wir diese Dringliche Anfrage an den Sozialminister gestellt. Derzeit ist es so, dass es bei der Bank Austria Pensionsrückstellungen in der Höhe von 4,2 Mil­lionen € gibt. (Ruf bei der ÖVP: Milliarden!) 4,2 Milliarden € – Entschuldigung, danke! In etwa ein Viertel der Belegschaft ist davon betroffen. Das heißt, nach Adam Riese kann man sagen: Rund 1 Milliarde € wäre da aktives Finanzvolumen, das man ver­schie­ben müsste.

Da man sich aber auf die 7 Prozent, die im Gesetz so definiert sind, beruft, heißt das, dass von dieser einen Milliarde, die eigentlich zu überführen wäre, knapp 300 Millionen von der Bank Austria kommen und der Rest, die 700 Millionen, bei den Beitragszahlern bleiben würde. Da stellt sich eigentlich schon die Frage, wer außer der UniCredit davon profitiert. Die betroffenen Bank-Austria-Mitarbeiter haben nichts davon. Die UniCredit hat logischerweise etwas davon, denn sie erspart sich eine Menge Geld.

Wer ist jetzt eigentlich der Betreiber im Hintergrund? – Da muss man natürlich schon sagen, dass diese Idee noch von Ihrem Vorgänger, dem Minister Hundstorfer, der jetzt als Bundespräsidentschaftskandidat für die SPÖ ins Rennen geht, inszeniert wurde. Jetzt weiß man natürlich, dass der Rudi Hundstorfer, bevor er Sozialminister wurde, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten in Wien war.

Natürlich, die Endhaftung für diese Pensionsgeschichte hat wiederum die AVZ. Da sind wir eigentlich bei des Pudels Kern, denn die AVZ, eine von der Gemeinde Wien dominierte Stiftung, die im Jahr 2001 mit 1,3 Milliarden € an Aktienvolumen ausge­stattet war, von denen je nach Aktienkurs heute nur noch knapp 50 bis 60 Millionen drinnen sind, kann natürlich nie für diese Pensionen in der Ausfallshaftung haften, weil sie überhaupt nicht mehr so finanzpotent ist.

Jetzt versucht man natürlich, diese Haftung wegzubekommen, sowohl von der Bank Austria als auch im Endeffekt von der AVZ. Das ist durchaus, sagen wir einmal, ein berechtigter Wunsch, den man hier hat. Wir vermuten allerdings – und auch darauf wird ein Kollege noch näher eingehen –, dass es sich dabei durchaus auch um eine Trägerrakete handeln kann, denn hier stellt sich die Frage: Wen betrifft denn das noch in der Republik? Wo gibt es denn heute sonst noch Pensionsversicherte in einer großen Anzahl, die nicht im ASVG-System drinnen sind?

Diese Frage muss zulässig sein, und hier denken wir natürlich schon auch ganz stark an die Gemeinde Wien, wo sich die Frage stellt: Na ja, ist es vielleicht so, dass man genau mit dieser 7-Prozent-Regelung, die heute noch im Gesetz steht, versucht, all jene noch schnell ins ASVG einzukaufen, die derzeit noch nicht drinnen sind? – Wenn ich nämlich das Beispiel Bank Austria habe, dann kann ich aufgrund dieses Beispiels natürlich sagen: Na gut, dann nehmen wir vielleicht auch eine größere Summe an Menschen. – Und mit einem Schlag könnte man so einen großen Teil der Schulden loswerden!


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Das ist etwas, wo ich Ihnen sage: Das kann nicht Sinn der Sache sein, dass man vonseiten der Bank Austria auf der einen Seite die Gewinne privatisiert, aber die Verluste demokratisiert, sprich, die werden auf die Allgemeinheit übertragen. Dann können die Bundesländer quer durchs gesamte Bundesgebiet oder die Beitragszahler aller Bundesländer diese Gelder im Endeffekt aufbringen, damit man da aufseiten der Bank Austria – oder später vielleicht auf eine andere Bevölkerungsgruppe umgelegt – dieses Ausfallsvolumen übernimmt. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

Ich denke schon, dass wir hier ein feines Gespür und ein feines Sensorium haben sollten, denn gerade in Zeiten wie diesen, wo bei allen Kommunen, bei allen Gemein­den, bei allen Städten die Kassen mehr oder weniger leer sind, versucht man natürlich, mit einer kreativen Buchhaltung – das kennt man ja – Möglichkeiten zu finden. Diese ASVG-Regelung aus dem Jahr 1953 ist eine solche Möglichkeit, dass man sagt: Na gut, das ist aktuell Gesetz, wir machen da nichts Unredliches, und wenn es Gesetz ist, dann versuchen wir, das zu nützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, hier ist auch das Haus säumig, hier ist der Gesetzgeber säumig, und hier sollte man schleunigst reagieren. Wenn das angehoben ist auf einen entsprechenden Satz, wie er im Jahr 2016 passt, dann kann man über alles reden. Dann soll man auch über alles diskutieren, und ich möchte da niemandem Steine vor die Füße legen. Nur: Sich hier eine Gesetzeslücke aus dem Jahr 1953 herzunehmen und zu sagen, na ja, vielleicht könnte man das damit irgendwie umgehen – das wird nicht gehen! Das wird zumindest nicht so still und heimlich und leise vor sich gehen, wie sich das die Herrschaften, allen voran der ehemalige Sozialminister Hundstorfer, vorgestellt haben.

Wir haben zu diesem Behuf an den neuen Sozialminister, der heute am Vormittag hier auch vorgestellt wurde, eine Anfrage gestellt, die sich jetzt auch genau mit diesen Fragen auseinandersetzen will. Ich bin schon sehr gespannt und bin ja sehr erfreut, weil es mich sehr interessieren würde, wann das erste Mal diese Frage der ASVG-Überführung im Sozialministerium aufgepoppt ist, und weil es mich sehr interessieren würde, wer das eigentlich betreibt.

Wer ist eigentlich der Betreiber dieser Geschichte? – Das muss natürlich jemand sein, der hier profitiert. „Profitieren“ heißt in diesem Sinne, dass man versucht, Altlasten los­zu­werden. Wenn wir wissen, wer das betreibt, dann wissen wir auch, was als nächster Schritt in weiterer Folge kommen könnte. Da sind wir jetzt schon sehr gespannt.

Ich möchte Sie gar nicht länger auf die Folter spannen. Ich freue mich schon auf meinen Nachredner, den Herrn Sozialminister Alois Stöger, der uns das jetzt hoffent­lich in entsprechender Form beantworten wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundes­minister.

 


16.14.28

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lassen Sie mich eingangs festhalten, dass für mich als Sozialminister immer die Menschen im Mittelpunkt stehen und es wichtig ist, dass die Menschen, die derzeit bei der Bank Austria beschäftigt sind, die dort ihre Dienste leisten, auch Sicherheit und Stabilität brauchen und dass wir sie nicht verunsichern sollen. Insofern ist es mir wichtig, dass


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man diese sensiblen Themen nicht dazu verwendet, politisches Kleingeld zu schlagen. Ich werde dafür nicht zur Verfügung stehen.

Zum Zweiten und gleich zu Beginn: Großen Dank richte ich an die Kollegen von den Gewerkschaften und Arbeiterkammern, die diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beraten und unterstützen. Ganz besonderer Dank dem Betriebsrat dieser Unterneh­men! Der hat es nicht leicht, die verschiedenen Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und sie dort zu unterstützen.

Ich habe 84 Fragen bekommen. Es ist mir nicht möglich, diese 84 Fragen im Detail darzustellen, zumal ich auch zu diesem Zeitpunkt (Bundesrat Jenewein: Ah, geh!) nicht in diesem Ministerium tätig war. Aber ich möchte generell und gesamt diese 84 Fragen, 1 bis 84, wie folgt beantworten.

Das Management der Bank Austria ist mittlerweile an mein Haus herangetreten und hat Unterlagen zur Verfügung gestellt. Diese haben die Experten meines Hauses geprüft. Die Geschäftseinteilung des BMASK – weil viele Fragen an die Personen gegangen sind –, die Geschäftseinteilung des BMASK hängt an der Amtstafel. Wir haben sie auch im Internet öffentlich zur Verfügung gestellt. Ich lade Sie ein, diese zu studieren.

Meine Experten sind zu folgendem Ergebnis gelangt, das ich Ihnen dem Datenschutz entsprechend zur Kenntnis bringen möchte. Lassen Sie mich zunächst die Rechtslage zusammenfassen:

Erstens, Herr Bundesrat: Das ASVG ist am 5.9.1955 im Parlament beschlossen wor­den und ist mit 1. Jänner 1957 in Kraft getreten, also muss die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten sein. Richtig ist, dass der Anknüpfungspunkt, wie die Bank Austria meint – und ich sage bewusst: wie die Bank Austria meint –, der § 311 ASVG ist. Dort ist zusammengefasst geregelt, wie viel der Dienstgeber eines pensions­versicherungsfreien Dienstverhältnisses dem Pensionsversicherungsträger überweisen muss, wenn der Dienstnehmer aus diesem Dienstverhältnis ausscheidet.

Ich sage noch einmal: „Ausscheiden“ ist hier das ausschlaggebende Wort, denn mein Ministerium hat geprüft, ob diese Änderung, die die Bank Austria vornehmen will, ein Ausscheiden ist. Das Ergebnis dieser Prüfung ist, dass kein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis vorliegt. Damit ist das Tatbestandsmerkmal des § 311 ASVG in dem Sachverhalt nicht eingetreten, und er kann auch nicht angewendet werden.

Eine Gruppe von Mitarbeitern der Bank Austria, nämlich zirka 3 300 Mitarbeiter öster­reichweit, sind von der Vollversicherung des ASVG gesetzlich ausgenommen. Scheidet ein solcher Mitarbeiter nun aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis aus, so ist vom Dienstgeber, um diese Pensionszeiten in die gesetzliche Pensionsver­sicherung zu übertragen, ein Überweisungsbetrag an den zuständigen Pensionsver­siche­rungsträger – hier die PVA – zu leisten. Der Überweisungsbetrag beträgt für jeden Monat 7 Prozent des letzten vollen Monatsentgeltes zum Zeitpunkt des Ausscheidens.

Im Vergleich zum regulären Pensionsversicherungsbeitrag von 22,8 Prozent führt eine Überführung von über 3 000 Menschen in die Pensionsversicherung mit einem Über­weisungsbetrag von nur 7 Prozent zu einer starken Belastung der öffentlichen Hand und einer Entlastung der Bank Austria. Das ASVG sieht zur Übertragung als Tatbe­standsvoraussetzung, wie gesagt, das Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Arbeits­verhältnis ohne Ruhegenuss vor. Bei der Bank Austria liegt eben kein Aus­scheiden der Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis vor! Man kann daher sagen, dass der Fall der Bank Austria – noch einmal – nicht unter diesen § 311 zu subsu­mieren ist.


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Auch der mögliche Verweis auf eine bereits länger bestehende Praxis zur vorliegenden Problematik überzeugt nicht, denn bisher hat bei allen Veränderungen in solchen Dienstverhältnissen – ich erinnere nur an die Post und andere Bereiche – immer der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung getroffen.

Im Ergebnis führt das zu folgender Beurteilung: Nur eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Grundlage verhindert für Mitarbeiter der Bank Austria massive Rechts­unsicherheiten und damit einhergehende Prozessrisiken. Die gesetzliche Grundlage muss vor allem dem Grundsatz der Beitragswahrheit des ASVG entsprechen. Das heißt, dass das Gesetz die Mitarbeiter der Bank und die Bank Austria als Dienstgeber so stellen müsste, als wären diese immer im ASVG einbezogen gewesen.

Ich bekenne mich ganz klar zu diesem Gedanken der Beitragswahrheit und sage daher abschließend: Ich stelle hier klar und deutlich die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt. Wenn der Gesetzgeber die kündigungsfreigestellten Arbeitnehmer der Bank Austria aus dem ASVG ausgenommen hat und es zu einer Änderung kommen sollte, dann muss das der Gesetzgeber der Republik Österreich tun, dann ist der Nationalrat hier gefordert. Sie im Bundesrat müssten über eine derartige Regelung auch befinden. Ohne eine gesetzliche Regelung kann § 311 nicht angewendet werden. Daher sage ich ganz klar: Das kann so nicht sein.

Im Übrigen, um das auch deutlich zu sagen, das sicherste Pensionssystem ist das des ASVG. Und wenn es Wünsche vonseiten der Bank Austria gibt, das umzusetzen, dann müsste der Gesetzgeber der Republik in Ziehung genommen werden und dann müsste das auch in diesem Haus beschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.22


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


16.23.09

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also, Herr Minister, ich sage Ihnen jetzt schon was: Ich bin wirklich fassungslos! So etwas habe ich noch nicht erlebt, dass ein Minister – Sie sind eines der höchsten Organe dieser Republik – sich schlicht und ergreifend weigert, die Fragen zu beantworten, und uns da mit einer Rechtsmeinung abspeist … (Bundesminister Stöger: Es sind 84!) – Na und?! Sie bestimmen jetzt, wie viele Fragen wir stellen dürfen, und weil es 84 sind, beantworten Sie sie einfach nicht, nicht eine einzige?! (Bundesrat Jenewein: Das ist ein Rechtsbruch!) Herr Minister, Sie treten das Interpellationsrecht der Mandatare und der Abgeordneten hier mit Füßen! Und das ist ein Skandal! (Beifall bei der FPÖ.)

Darüber hinaus ist es schön, dass Sie, wie Sie am Anfang gesagt haben, wenn eine Dringliche Anfrage zu einem Thema kommt, das natürlich für uns alle interessant ist, die Menschen in den Vordergrund stellen. Das tun wir auch. Sie sind ja offensichtlich drauf und dran, den Menschen, die Sie ja schützen wollen, den Beitragszahlern diese Übernahme der 3 000 Mitarbeiter der BA zuzumuten. (Bundesrätin Kurz: Genau das Gegenteil! – Bundesrätin Grimling: Genau das Gegenteil!)

Es ist immer ein Ausdruck der absoluten Hilflosigkeit, wenn ein Minister sich herstellt und sagt, das ist Wechseln politischen Kleingelds. Immer dann, wenn man nicht weiter­weiß und sonst keine Antworten hat, dann kommt so etwas.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 132

Und wir sind ja nicht die Einzigen, die sich da Sorgen gemacht oder ihren Widerstand schon angekündigt haben. Ihre eigenen Leute der Pensionsversicherungsanstalt haben schon gesagt, dass das so ganz sicherlich nicht gehen kann. (Bundesrätin Kurz: Ja eh!) – Ach so, und das ist Ihnen also egal?

Der Arbeitsrechtsexperte Robert Gerlach hat Ihrem Ministerium und der Bank Austria ausgerichtet, dass man sich diesen günstigen Pensionstransfer überhaupt nicht vor­stellen kann, schon gar nicht zu den Bedingungen von 7 Prozent. Der sagt, natürlich – und da haben Sie recht – muss da eine Gesetzesänderung her, und dann muss der Beitrag mindestens 22,8 Prozent sein.

Wir sehen das sowieso anders. Wir sind der Meinung, das kann nicht sein, dass eine Bank, um ihre Gewinne zu erhöhen und zu maximieren, hergeht und sagt, wir lösen den Pensionsfonds auf, halsen das alles dem Beitragszahler auf, und damit sind dann unsere Gewinne höher. Es kann nicht sein, dass die Aktionäre der UniCredit dadurch bedient werden, dass der österreichische Beitragszahler zur Kasse gebeten wird. Nicht mit uns, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir uns einmal ein bisschen die Geschichte an, wie diese UniCredit über­haupt entstanden ist. Die Bank Austria – eigentlich die Z – ist seit 2005 im Mehrheits­eigentum der UniCredit. 2008, auch so ein Schmankerl, sind die Minderheitsaktionäre mit einem Squeeze-out, das heißt mit einer minimalen oder für sie zu geringen Abfindung für die Aktien, abgefertigt worden. Das ist übrigens eine Geschichte, die bis heute, seit sieben Jahren noch anhängig ist. Da hat es Klagen gegeben, es gab wohl einen Schiedsspruch dazwischen, aber dagegen ist natürlich wieder Einspruch erho­ben worden. Das ist bis heute nicht ausgestanden, seit sieben Jahren, da sich natürlich auch die Minderheitseigentümer gewehrt und gesagt haben, das kann aber nicht sein, die Bank Austria wird an die UniCredit verkauft und wir werden mit einem Bettel abgespeist.

Erinnern wir uns noch ganz kurz, liebe ÖVP, an den Verkauf der CA. 1996 ist der 51-prozentige Staatsanteil zur Privatisierung ausgeschrieben worden. Da gab es ein Hin und Her und ein ziemliches Hickhack zwischen Rot und Schwarz, und die Bank Austria hat 1997 den Zuschlag bekommen, nach heutiger Währung 1,25 Milliarden €. Da hat die ÖVP damals gesagt – und nicht zu Unrecht –, dass sie von der SPÖ über den Tisch gezogen worden ist. Wir waren da alle mehr oder weniger live dabei und haben uns das damals anschauen können, was da passiert ist. Es wäre ja fast zum Bruch der Koalition gekommen, da sich die ÖVP über den Tisch gezogen gefühlt hat – und sicherlich nicht ganz zu Unrecht.

1998 ist dann die Bank Austria mit der CA verschmolzen. 2001 hat die Bayerische Hypobank – die ist ja immer überall dabei, wo es irgendetwas gibt, die Bayerische Hypo- und Vereinsbank – die Bank Austria gekauft und damit auch die Creditanstalt, wo es 2002 dann eine Fusion gegeben hat. Das war dann die Bank Austria Credit­anstalt. 2005 ist die BHV, also die Bayerische Hypo- und Vereinsbank, und damit auch die BA-CA an die UniCredit verkauft worden. Da sind dann die Minderheitsaktionäre zum Handkuss gekommen, die sich das aber so nicht gefallen lassen wollten. Und damals ist das Osteuropageschäft noch in Wien geblieben.

Das wandert aber jetzt nach Mailand. Und das war eigentlich vielen Insidern damals schon, ich will nicht sagen, klar, aber man hat es damals schon geahnt, dass es so kommen wird, wie es gekommen ist, da es ja oft so ist: Es wird etwas verkauft, und nach ein paar Jahren wandert dieses Geschäft, das zuerst das Zuckerl war, damit dem Verkauf zugestimmt wird, wieder weg. Und so ist es jetzt: Es wandert von Wien nach Mailand – alles immer unter dem Titel der Verschlankung, der Straffung und so weiter.


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Unterm Strich der Rechnung steht aber immer Gewinnmaximierung, um auch die Aktio­näre entsprechend bedienen zu können.

Da dem Herrn Minister ja die Leute so wichtig sind, möchte ich nur anmerken: Davon sind 48 000 Mitarbeiter betroffen. Das sind jetzt nicht ein paar, aber selbst wenn es nur ein paar wären, wäre es schlimm genug, da es ja immer Einzelschicksale sind. 48 000 Mitarbeiter sind betroffen. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt können wir darüber streiten, ob diese Regelung, dieser § 311, den die UniCredit jetzt hernimmt und damit herumtrickst, aus dem Jahr 1953, 1955 oder 1956 stammt. Da hat offensichtlich jeder etwas anderes gelesen. Das ist aber völlig egal. Tatsache ist, dass es mehr als unappetitlich ist, wenn eine Bank glaubt, dass sie sich auf dem Rücken der Beitragszahler so quasi gesundstoßen kann. Das ist unappetitlich und das ist abzulehnen! Und dass Sie da noch irgendwo eine Sympathie haben und auch noch versuchen zu verhandeln, ist für mich im Sinne des österreichischen Steuerzahlers und Bürgers wirklich unfassbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Jenewein und Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung des Bank-Austria-Pensionsdeals zwischen SPÖ-Wien und dem BMASK unter der Feder­führung von Ex-Minister Rudolf Hundstorfer

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird ersucht, dem Bun­desrat einen Bericht über die Vorkommnisse rund um die beabsichtigte Übertra­gung der Betriebspensionsverwaltung der Bank Austria an die Pensionsversicherungs­anstalt (PV) übermitteln. Dieser Bericht soll die ökonomischen und pensionsrechtlichen Auswirkungen dieser Übertragung sowohl für die betroffenen Betriebspensionisten der Bank Austria als auch die PVA und deren Versichertengemeinschaft detailliert auflisten und begründen. In diesem Bericht soll insbesondere detailliert der gesamte Vorgang inklusive des mutmaßlich stattgefundenen Lobbyings der Stadt Wien bzw. der SPÖ in diesem Zusammenhang gegenüber Beamten des BMASK und dem Management der PVA offengelegt werden.

Gleichzeitig wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz aufgefordert, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten und dem Parlament zuzuleiten, die eine entsprechende Änderung des § 11 Abs. 5 ASVG umfasst, um den bisherigen 7 % Überweisungsbetrag auf das Niveau des allgemein geltenden Beitragsniveaus anzuheben, und damit einen ökonomischen Schaden von der Versichertengemeinschaft der PVA und den Steuerzahlern abzuwenden.

Unter einem wird gemäß § 54(3) verlangt, über diesen Antrag eine namentliche Abstimmung abzuführen.“

*****

Herr Minister, da sind Sie jetzt wirklich gefordert! Sich herzustellen und zu sagen, ich bin immer für die Menschen und ich bin für die Versicherten – ja, natürlich ist es für diese nicht schlecht, ins allgemeine Sozialversicherungssystem zu kommen, aber zu welchem Preis, zu welchem Preis für die Allgemeinheit? Kollege Jenewein hat es ja schon völlig richtig gesagt: Was kommt denn da noch? Ist das jetzt der Auftakt? Dann kommen alle anderen und sagen: Das ist eigentlich eh ganz lässig im ASVG-System,


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da wollen wir auch hin! Zu dem Preis ist das jetzt wohlfeil, daher machen wir es, solange es noch geht! – Das kann es nicht sein!

Herr Minister, ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie bitte Ihren Job im Sinne der Bevölkerung! (Beifall bei der FPÖ.)

16.33


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Der Entschließungsantrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Jenewein, Mühlwerth, Rösch und Kollegen betreffend Offenlegung des Bank-Austria-Pensionsdeals zwischen SPÖ-Wien und dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz unter der Federführung von Ex-Minister Rudolf Hundstorfer ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kern. – Bitte.

 


16.33.41

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Arbeitnehmervertreterin darf ich mich bei diesem Antrag kurz zu Wort melden.

Die betroffenen Bank Austria-Mitarbeiter dürfen nicht diejenigen sein, die wegen Sparzwängen durch die Finger schauen. In Österreich gilt noch immer ein Vertrauens­schutz, der auch für die Bankmitarbeiter gilt. Die Verunsicherung der Bediensteten muss ein Ende haben, daher ein Danke an den Herrn Minister für seine Klarstellungen.

Ich glaube, wir alle sind hier der gleichen Meinung: Eine Bank darf sich weder auf dem Rücken der Mitarbeiter noch auf dem Rücken der Steuerzahler sanieren. Wenn man den Medienberichten Glauben schenkt, gibt es hier ein paar Ungereimtheiten, und die gilt es zu prüfen.

Arbeiterkammer, PVA und Sozialministerium meinen alle, dass dieser Pensionsübertritt nicht möglich sei. Gleichzeitig liest man, dass die Auflösung des bankeigenen Pen­sionssystems zentraler Sparplan der Bank Austria ist. Auch ich bin der Meinung von Direktor Winfried Pinggera, dass sich eine Bank nicht auf Kosten der Steuerzahler sanieren darf. Gleichzeitig ist die PVA der Ansicht, dass es sich in diesem Fall – so, wie es der Herr Minister schon angesprochen hat – nicht um ein Ausscheiden der Bediensteten aus dem Dienstverhältnis handelt. Somit fehlt dieser Gesamtumstellung von 3 300 Mitarbeitern die Rechtsgrundlage.

Wir müssen uns das genau anschauen. Sollte es eine Gesetzeslücke geben oder un­klare Definitionen, müssen wir gemeinsam mit Sozialministerium, Finanzministerium und auch der PVA für Klarheit sorgen. Wenn 3 300 Beschäftigte in einem Schwung ins ASVG-System transferiert werden und sich dann die Bank zig Millionen erspart, muss man einfach genauer hinschauen. Ich halte es auch mit unserem Finanzminister: Auch das Finanzministerium hat angekündigt, den Transfer genau zu prüfen. – Danke. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

16.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte.

 


16.35.48

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Ich schließe mich auch unserem Minister an, der eingangs erwähnt hat, dass es hier nicht nur um Zahlen und Fakten, um eine Bank, ein Unternehmen geht, es geht hier vor allem um Schicksale von Menschen, es geht um Beschäftigte


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und es geht vor allem um Beschäftigte, die es nicht verdient haben, dass wir sie durch so eine Diskussion noch mehr verunsichern, als sie es ohnehin schon sind.

Sehr geehrte Frau Betriebsrätin Mühlwerth (Heiterkeit bei der FPÖ) – Verzeihung, Bundesrätin; das ist bei der Gewerkschaft so, das wird verziehen, hoffe ich als Gewerkschafterin –, Frau Bundesrätin Mühlwerth, wenn Sie sagen, auch Ihnen geht es hier um die Beschäftigten, dann ist mir schon aufgefallen, dass weder in der Wortmel­dung von Herrn Bundesrat Jenewein noch bei Ihnen wirklich die Beschäftigten erwähnt worden sind. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Was aber vor allem, liebe Frau Bundesrätin, schon erwähnt worden ist, sind Aktionäre. Und ich sage ganz ehrlich, als Gewerkschafterin habe ich jetzt wenig Mitleid mit Aktionären, sondern mir geht es hier um die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, mir geht es hier um die Beschäftigten.

Ich finde es auch nicht ganz fair, wenn hier der ehemalige Bundesminister Rudolf Hundstorfer erwähnt wird, der weder hier steht und sich verteidigen kann noch derzeit in dieser Funktion tätig ist. Herr Bundesminister Stöger ist jetzt hier, gibt Antwort und ist auch jetzt der zuständige Minister.

Es ist auch für uns klar, dass nicht alles auf dem Rücken der Beschäftigten ausge­tragen werden kann, auch das ist, glaube ich, eingangs von unserem Herrn Minister ein­deutig klargelegt worden.

Was wir schon dazusagen müssen, ist, dass es auch darum gegangen ist, dass ver­hindert worden ist, dass diese Bank verkauft worden ist, und dass verhindert worden ist, dass hier tausende Beschäftigte, von denen wir jetzt sprechen, arbeitslos geworden wären. Für uns ist es ganz besonders wichtig, dass für diese Beschäftigten der Sozial­versicherungsschutz durchgängig gesichert ist. Für unsere Fraktion ist klar, dass man die Bank nicht aus der Verantwortung lassen kann und die Versicherten nicht belastet werden dürfen. Aber ich glaube, dass auch das eingangs klar und deut­lich herausge­kommen ist.

Ich ersuche Sie nur, dass wir wirklich hier gemeinsam schauen, wie es weitergeht, denn im Moment wird hier spekuliert (Bundesrat Jenewein: Das hätte der Herr Minister beantworten können! Hat er aber nicht!), indem auch der Herr Bundesrat schon spekuliert hat, dass die Gemeinde Wien vorhat, in Zukunft alle Gemeindebediensteten zu überführen. Ich finde es schon etwas sonderbar, das hier in den Raum zu stellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

16.39


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


16.39.27

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss einmal eines vorwegnehmen: Das Interpellationsrecht finde ich schon ganz, ganz wichtig. Das ist in diesem Haus ein Recht, das wir als Bundesräte haben und auch ernst genommen werden soll. Die Antwort ist schon sehr fraglich, Sie haben es sich hier etwas einfach gemacht, wobei ich jetzt nicht nur Sie kritisieren möchte, sondern ein bisschen auch die FPÖ und die Fragestellung.

Wenn man sich das durchschaut, dann erkennt man, dass der Aufbau dieser Fragen­liste großteils einer Verschwörungstheorie dient. So betreffen zum Beispiel von den 84 Fragen die Fragen 68 bis 71 wirklich die Klärung dieses Sachverhaltes, 72 und 73 kann der Minister gar nicht beantworten, weil sie sich auf Interna der Bank Austria


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 136

beziehen. Das sind Fragen, die eher einer Verschwörungstheorie gleichkommen. (Bun­desrat Jenewein: Wird schon werden!) Es wird nicht so werden, es ist so.

Worum geht es uns? Wo ist das Problem? – Grundsätzlich ist gegen einen Wechsel von Menschen in das ASVG-System nichts einzuwenden. Wir Grünen wollen ohnehin für ein einheitliches Pensionssystem für alle eintreten, das darf allerdings nicht zulasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler gehen; nach Vorstellung der Bank Austria soll dies aber zulasten der BeitragszahlerInnen gehen. Der für derartige Über­tra­gungen vorgesehene § 311 ASVG sieht nämlich einen Überweisungsbetrag von nur 7 Prozent des aktuellen monatlichen Bruttolohnes vor. Das ist definitiv zu wenig. Ge­nauere Berechnungen sind nur möglich, wenn auch konkrete Daten vorliegen, aber die durch den Übertrag verursachten Gesamtkosten werden bei 1,3 bis 1,4 Milliarden € liegen. Der tatsächliche Übertrag soll dann in etwa bei 300 Millionen € liegen.

Was wollen wir? – Ein Übertrag ist denkbar und sinnvoll, muss aber die Kosten weitge­hend abdecken. Unserer Ansichten nach müssen nicht alle Kosten der Übertragung abgedeckt werden, da die PVA derzeit zirka 19 Prozent aller für Pensionen aufge­wandten Mittel aus Steuern zugeschossen erhält.

Wir Grünen wollen für ein einheitliches Pensionssystem eintreten, somit ist ein Übertritt in das ASVG-System sogar zu begrüßen, aber nicht zu den derzeitigen Konditionen. Die Anwendung von § 311 ASVG ist leider denkbar, aber unsachlich. Der Paragraf ist ausdrücklich für Einzelfälle ausgelegt, die Übernahme ganzer Belegschaften war nicht Intention des Gesetzgebers. Hintergrund des Paragraphen war es, einen Wechsel einzelner Beschäftigter in ein BeamtInnen-Verhältnis oder aus einem BeamtInnen-Verhältnis in ein System der gesetzlichen Pensionsversicherung zu ermöglichen. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!)

Der Vorgang ist europarechtswidrig. De facto subventioniert Österreich unfreiwillig eine Bank, das ist wettbewerbswidrig und verletzt europäisches Recht. Der in § 311 ASVG genannte Prozentsatz für den Überweisungsbetrag von 7 Prozent muss unserer Ansicht nach angehoben werden. Das haben die Grünen übrigens schon bei der letzten Änderung des § 311 angemerkt. Die Relevanz dieser Höhe war gering – sofern es um das Hin- und Herschieben von Bundesmitteln zwischen BeamtInnen-Pensionen und Bundeszuschuss für gesetzliche Pensionen geht. Hier wird aber nur mehr ein internationaler Konzern, der noch dazu Gewinne bringt, mit etwa einer Milliarde Euro subventioniert.

Was ist die Lösung? – Das Parlament müsste rückwirkend eine Anhebung des Pro­zent­satzes für den Überweisungsbetrag mit 1. Jänner 2016 beschließen, da die Bank Austria derzeit mit dem Zeitdruck spielt. Das würde zwar einen Rechtsstreit auslösen – und wahrscheinlich sogar bis zum VfGH gehen –, der aber aufgrund des wettbewerbs­verzerrenden Charakters in der geltenden Bestimmung sehr wahrscheinlich gewonnen werden würde.

Zu dem Entschließungsantrag der FPÖ möchte ich noch kurz zwei Sachen sagen. Wir werden diesen Entschließungsantrag heute unterstützen. (Wow-Rufe bei der FPÖ.) Ja, wir unterstützen ihn, weil wir auch wissen möchten, was hier vorgeht. Eine Sache möchte ich aber noch anmerken, nämlich zum Vorgang inklusive des mutmaßlich stattgefundenen Lobbyings der Stadt Wien beziehungsweise der SPÖ in diesem Zusammenhang gegenüber Beamten. Das Wesen von Lobbying ist, dass es meistens nicht so offen stattfindet – das ist Lobbying. Das ist ein Punkt, aber darüber hinaus werden wir dem heute zustimmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Weil uns interessiert, was wirklich abgeht!) Ja, ich weiß, aber das ist eben Lobbying. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Novak.)

16.44



BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 137

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Rösch. – Bitte.

 


16.44.41

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ob der Beantwortung durch den Herr Minister noch immer irgendwie fassungslos, denn ich habe mir an und für sich so viel Respektlosigkeit in diesem Haus nicht erwartet. Ich habe auch nicht geglaubt, dass das sein kann. Ich kann mir nur vorstellen, dass das jetzt eben das neue Amt ist, dass man sich vielleicht von den Beamten, die man hinter sich hat, noch nicht so gut hat beraten lassen. Ich hoffe, dass das wirklich nicht mehr so vorkommt, denn der ganze Parlamentarismus würde sich dann ad absurdum führen, wenn der Minister einfach sagen würde: Die Frage gefällt mir nicht, ich beantworte sie dir nicht! und man überbleibt. – Das geht nicht! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Todt: Das hat er nicht gesagt!)

Wenn er dann immer wieder darauf verweist, dass man dazu ein Gesetz braucht, dann antworte ich, dass wir das auch wissen, denn deswegen sind wir da, deswegen reden wir. Wir sehen nämlich, dass da etwas auf uns zukommt. Da gibt es die Bank Austria, da gibt es die UniCredit, da gibt es bereits Vorkehrungen in den Büchern, sodass man Rücklagen auflöst, sodass man dies und jenes macht; da ist Feuer am Dach. Man kann nicht einfach sagen, man warte lieber bis der Zaun da ist, obwohl schon alle gesagt haben, dass man Zäune brauchen wird – auch hier werden wir nämlich Zäune brauchen, nicht nur beim Gate in Spielfeld –, wir brauchen nicht nur Ohrwascheln, sondern wir werden Zäune brauchen, denn da geht es um viel.

Wenn man zu den 3 300 Mitarbeitern politisches Kleingeld sagt, dann sei gesagt: Da geht es nicht nur um die 3 300 Mitarbeiter, die es betrifft, da geht es um alle Steuer­zahler, denn es wird sich, wenn ich das zulasse, um ungefähr – wir haben es ausge­rechnet, aber da wir die Unterlagen nicht haben, können wir es nicht genau sagen – 700 Millionen € drehen.

Wenn Sie sagen, 700 Millionen € sind politisches Kleingeld, dann sagen Sie es da in die Kamera den Bürgern! Sagen Sie gleich dazu, dass das für Sie politisches Kleingeld ist, das Sie noch auf das Pensionskonto draufgeben können, dass Ihnen das egal ist und dass Sie vielleicht wieder ein Gesetz machen und wir damit vielleicht wieder überbleiben. Wir sind gelernte Österreicher, deswegen sind wir da und nehmen das auch persönlich, denn wir haben eine Panne nach der anderen. Die kosten uns Geld, Geld, Geld, Geld.

Die Geschichte der AVZ will ich gar nicht aufrollen, aber da hat das „profil“ einmal von einem Madoff-System gesprochen. Wir wissen wer Madoff war. Ich will gar nicht zu tief in die Materie hineingehen, weil ich zugebe, dass ich mich mit Madoff-Systemen nicht so gut auskenne und sich da anscheinend andere besser ausgekannt haben.

Warum aber ist die AVZ denn damals gegründet worden? Warum ist die Bank Austria denn verkauft worden? – Sie wurde verkauft, weil man sich in Russland ein bisschen verspekuliert hat – oder liege ich da falsch? –, und wenn das alles politisches Kleingeld ist, das der Steuerzahler zahlen muss, dann sagen wir, dass Sie rücktrittsreif sind. Bevor Sie noch angetreten sind, sind Sie schon rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

Da die Kollegin Anderl natürlich in vorauseilendem Gehorsam den Minister aus der eigenen Fraktion in Schutz genommen hat, frage ich, warum wir nicht über Aktionäre geredet haben. Die Aktionäre waren gescheit, die haben nämlich bei der Übernahme schon vorher geschaut, dass sie die Punkte draufgeben. Man braucht es nur nachzu­lesen, dass die SPÖ die AVZ führt – vielleicht zufällig, vielleicht nicht zufällig –, aber zumindest sitzen da lauter SPÖ-nahe Vorstände, die da drinnen die Haftung haben.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 138

Jetzt ist einmal die Frage – das ist nämlich das am besten gehütete Geheimnis, das wir in Wien haben –: Wie steht denn das Verhältnis zwischen Vermögen und Haftung? Haben wir bereits mehr Haftungen? Wir wissen, dass das, was die AVZ nicht bezahlen kann, die Gemeinde Wien wird übernehmen müssen – und das sind wieder die Steuer­zahler. Wenn das politisches Kleingeld ist, wenn wir da nicht schon einen riesigen Zaun brauchen, um das einmal aufzuhalten, dann wird es zu spät und wir pleite sein. Es geht nicht, dass wir so weitermachen.

Die Bevölkerung muss den Eindruck haben, dass die Regierung nur mehr wurschtelt, wenn man das einfach lapidar abtun, das nicht ernst nehmen und auf Fragen einfach keine Antworten geben will. Für die 3 300 Verträge, die es betrifft, kann ich mir das schon vorstellen, denn ich komme aus der Versicherungsbranche und habe es erlebt, wie das Definitivum und alles abgebaut wird.

Man kann jetzt fragen, ob das gescheit oder nicht gescheit ist, wie wir im Wettbewerb ausschauen und ob die Gewerkschaft zu voreilig gehandelt hat oder nicht. Das ist wurscht, das ist alles Geschichte. Dort gibt es aber noch Verträge. Da gibt es zwei Teile, nämlich den einen Teil, der das unterschreibt, und den anderen Teil, der das unterschreibt, und wenn ich dann das Definitivum und solche Sachen einfach auflösen möchte, dann kann man das einfach nicht einseitig machen. Wenn ich das schon plane und wenn ich das in den Büchern vermuten muss, weil sich da schon etwas tut, dann ist Feuer am Dach, dann muss ich einfach eintreten.

Durch meine Erfahrungen in der Versicherungsbranche kann ich Ihnen sagen, dass wir die letzten 30 Jahre sukzessive gestrichen haben. Und was ist herausgekommen? – Wir haben insgesamt sogar einen Kaufkraftverlust hinnehmen müssen. Das erkennt man, wenn man es sich für die Versicherungsbranche über die letzten 30 Jahre durch­rechnet.

Jetzt kann man sagen, dass es sonst wahrscheinlich keine Versicherungen mehr geben würde oder sonst irgendetwas. Das ist alles ein Blödsinn. Man muss dann irgendwann das Korrektiv machen und einmal sagen, dass es wieder in die andere Richtung geht. Wenn wir den Markt nicht mehr bedienen können, bei den Mitarbeitern nur sparen und immer nur sagen, dass alles zu teuer ist, die und die müssen weg und die Verträge brauchen wir nicht mehr, und wenn wir überall wegschauen, dann werden wir niemanden mehr haben, der die Produkte, die produziert werden, kaufen kann.

Ich hoffe wenigstens, dass mir die Gewerkschaft da recht gibt. Ich habe auch gestern mit Rudi Kaske telefoniert, und er hat auch gesagt, dass man sich das ganz genau anschauen muss. Ich wollte nämlich auch seine Meinung und seine Einschätzung wissen, wie es darum steht. Er hat sich natürlich nicht sehr verbreitert, weil er auch sehr vorsichtig ist, wenn er dazu ein Statement herausgibt, weil das eben so eine heikle Sache ist; aber er hat mir wenigstens Antworten auf meine Fragen gegeben.

Wenn ich da auf meine Fragen keine Antworten bekomme, muss ich ganz ehrlich sagen, dass da bei mir die Fassungslosigkeit regiert. Wenn ich Sie wäre, würde ich es mir wirklich überlegen, ob ich jetzt noch die Gelegenheit wahrnehme, auf das eine oder andere zu replizieren, denn wir werden sicher nicht lockerlassen. Wir können also versprechen, dass wir dem ganz genau zusehen werden und dass wir das nicht dem Zufall überlassen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

16.51


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster und vorläufig Letzter dazu zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 139

16.52.04

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dagegen, hier jetzt Personen, die sich nicht rechtfertigen und die hier leider keine Antwort geben können, zu diffamieren und ihnen Dinge zu unterstellen.

Da sich der überwiegende Teil der Fragen in Wirklichkeit eigentlich auf ein Bewe­gungs­protokoll bezieht, gebe ich unserem Herrn Bundesminister und meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon recht. Es wird hier ein Bewegungsprotokoll darüber gefordert, wann er welchen Schritt wie getan hat oder welchen er nicht getan hat.

Ich glaube, das war eine ehrliche und grundlegende Klarstellung, die der Herr Bun­desminister da gemacht hat, die rechtlich einwandfrei und in Ordnung ist, sodass sich die Leute auskennen, weil es eine klare Auskunft war. (Bundesrätin Mühlwerth: Nichts hat er getan! – Bundesrat Jenewein: Klassische Arbeitsverweigerung!)

Ihm werden da irgendwelche Dinge vom Herrn Rösch oder der Frau Mühlwerth unterstellt, die sich da in Wirklichkeit nicht entblödet, den Herrn Bundesminister zu diffamieren und ihm Untätigkeit, Unfähigkeit und weiß Gott was zu unterstellen. Also ich glaube nicht, dass das in Ordnung ist, da es hier um über 3 300 Beschäftigte geht. (Bundesrat Samt: Uns geht es um die! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Euch geht es immer nur dann um die Beschäftigten, wenn ihr daraus politisches Kleingeld schlagen wollt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich sage euch schon, dass ich mich auch freue, dass ich das bei der Frau Mühlwerth heute vernommen habe, dass Sie, die Freiheitlichen, in Zukunft, wenn es um die Vermögensbesteuerung und die Frage geht, ob man die, die viel haben, auch zur Kasse bittet, da immer dabei sein werden. Das nehme ich heute von der Wortmeldung von der Frau Mühlwerth schon auch mit. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Na, Na, Na! – Bundesrätin Mühlwerth: Er hört immer nur, was er hören will!)

Der Betriebsrat, die Gewerkschaften, die Arbeiterkammern, alle arbeiten da an einer Lösung; und ich gebe euch hundertprozentig recht – das unterstütze ich auch –, dass es nicht sein kann, dass die Bank und wenige Manager da um erfolgsmindernde Bestandteile herumkommen, um dort dann einfach die Gewinne zu privatisieren, die Verluste zu sozialisieren und zu sagen, dass die Allgemeinheit dafür einspringen soll.

Wenn sich das Management der Bank Austria von dieser Verantwortung zurückziehen möchte, um sich des Ganzen zu entledigen, dann gibt es da klare Prüfungen, die die Pensionsversicherungsanstalt, das Sozialministerium und das Finanzministerium vornehmen. All diese Prüfungen haben rechtlich eine klare Regelung, und sie werden in diesem Fall auch durchgeführt werden. Ich halte es für nicht in Ordnung und für eine Diffamierung, die man so nicht im Raum stehen lassen kann, wenn man jetzt hergeht und sagt, dass alles im Argen liegt und nichts passiert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Der Wunsch der Beschäftigten und des Betriebsrates war immer, eine Universalbank zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Ich bin davon überzeugt, dass es für uns, für die Kolleginnen und Kollegen, immens wichtig ist, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank Austria Krankenversicherung, Pensionsversicherung und Unfall­ver­sicherung nicht nur als Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bank zu erhalten, sondern auch abzusichern und klarzustellen, dass man das nicht einfach an irgendjemanden auslagern kann und dann die Allgemeinheit auch dafür bezahlt. Das Bankmanagement – wie gesagt – kann sich nicht aus dieser Verant­wortung stehlen.

Ich sage jetzt nur zur Klarstellung, dass das ASVG – das hat der Herr Minister schon gesagt – 1955 beschlossen und 1957 dann auch eingeführt und umgesetzt wurde. Nur


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 140

die Haftung, von der Sie immer sprechen, kam da noch um über 30 Jahre früher. Die kommt mit einem Gesetz aus dem Jahre 1920, das heute noch immer seine Gültigkeit hat, und daher ersuche ich Sie auch da, nicht alles zu vermischen und zu sagen, die Verantwortung hängt ganz alleine beim Sozialminister, sondern diese gesetzliche Regelung besteht seit dem Jahr 1920.

Für uns ist es klar, dass wir nicht nur mit aller Vehemenz und mit aller Kraft die Beschäftigten, den Betriebsrat und die Verhandlungsführer in der Bank Austria in ihren Vorhaben unterstützen, sondern natürlich auch der Führung der Bank ganz klar sagen, dass sie sich nicht aus der Verantwortung wegstehlen oder sich aus dieser Verant­wortung entlassen kann, wodurch die Versicherungsgemeinschaft dann belastet würde.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Herr Bundesminister und alle, die daran arbeiten, werden das auch in Zukunft mit Vehemenz tun. Ich glaube auch, dass der Herr Minister, den ich persönlich sehr schätze und auch als verlässlichen, genauen und akribischen Arbeiter, als genauen und akribischen Bundesminister kenne, der seine Tätigkeit ernst nimmt und voll ausfüllt (Ruf bei der FPÖ: Wunderwuzzi!), die Interessen der Beschäftigten nicht nur vertritt, sondern auch dem Management ganz klar kommuniziert, dass es sich nicht machen lassen wird, dass man vielleicht eine gesetzliche Regelung über eine Hintertür irgendwie ausnützt, weil das rechtlich bedenklich ist, sondern dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin einen klar definierten Schutz in der Krankenversicherung, der Pensionsversicherung und auch der Unfallversicherung haben werden.

Lieber Herr Minister! Das ist eine Mammutaufgabe, aber ein Herr Minister Stöger ist es gewohnt, Mammutaufgaben auch zu lösen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


16.58.23

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Meinung der ÖVP ist klar. Das hat man nicht nur über den Finanzminister verlauten lassen, sondern es gibt auch ent­sprechende Aussendungen. Sandra Kern hat unsere Position klar dargelegt, da gibt es nichts hinzuzufügen. Wir sind gegen diesen Deal, und wir haben, wie gesagt, unsere Meinung hier ganz klar kundgetan.

Um es nicht zu lange werden zu lassen, komme ich dazu, was diesen Entschließungs­antrag anbelangt: Grosso modo ist der Text nachvollziehbar. Wir wären auch froh darüber, es würde eine gesetzliche Lösung geben, sodass man das ausschließen kann. Der Entschließungsantrag ist aber – und das ist von uns abzulehnen – auf Spekulation aufgebaut. Wenn in diesem Bericht insbesondere der gesamte Vorgang inklusive des mutmaßlich stattgefundenen Lobbyings der Stadt Wien – beziehungs­weise der SPÖ – gegenüber den Beamten des BMASK und dem Management der BVA in diesem Zusammenhang so detailliert offengelegt wird, dann kann ich nur sagen, dass das eine reine Spekulation ist. Ich verteidige jetzt auch nicht den Koalitions­partner (Bundesrätin Mühlwerth: Ach nein?!), aber auf diese Art und Weise kann man einen Entschließungsantrag nicht aufbauen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir sind uns der Sachlage bewusst, dass es da wahrscheinlich nach der Prüfung oder nachdem die Bank versuchen wird, diese Leute umzumelden, einen ablehnenden Bescheid geben wird. Dann wird es vermutlich auch eine Entscheidung eines obersten


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 141

Gerichtshofes geben, dann in weiterer Folge eines Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes, und dann wird das abgeklärt sein. Und deshalb sind wir auch dafür, dass das alles seinen ordentlichen, rechtlichen Weg geht. Wir sind also gegen diesen Entschließungsantrag und werden diesem nicht zustimmen.

Wenn ich aber jetzt noch einmal mit einem letzten Satz auf eure Anfrage, auf eure Dringliche Anfrage eingehen darf: In diesen 84 Punkten ist so viel hineinformuliert, da würde sich meiner Meinung nach sogar ein Untersuchungsausschuss anbieten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.00


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Noch einmal zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rösch. Die verbleibende Redezeit beträgt 14 Minuten. – Bitte.

 


17.00.47

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): So lange werde ich nicht brauchen!

Die Argumentation verstehe ich nicht ganz, denn der Prozess ist ja schon am Laufen, und mittlerweile wissen wir ja, dass 7 Prozent vom letzten Gehalt, von diesem definitiven, praktisch ins Pensionssystem eingezahlt werden. Vor etlichen Jahren sind wir von 17,8 Prozent – glaube ich (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), ich weiß jetzt den genauen Wert nicht mehr – dann auf 22,8 Prozent gegangen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) 

Wir haben uns das ausgerechnet, das müssten 20 Prozent sein. Und es muss doch möglich sein – wenn etwas so eine Dimension erreicht, wie eben dieses Vorhaben dort –, dass man in der Politik schon vorher darüber nachdenkt, was auf uns zukom­men kann, und auf alle Eventualitäten auch eine Antwort hat.

Und wir haben es gesehen, im KEC, wie das bei der Post geheißen hat, das Karriere- und Entwicklungs-Center. Zu mir sind die Leute in Scharen gekommen, mit Tränen in den Augen, sie wollten sie wirklich erpressen, dass die Leute die Verträge unterschrei­ben. Die haben zwar einen Golden Handshake bekommen. Hat man sich diese Summen angeschaut – so drei, vier, fünf Jahresgehälter –, war alles super, nur wenn man gesehen hat, was dann nach Abzug der Steuern bleibt, und dass man die Betroffenen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dann arbeitslos sein werden, dann konnte man diesen Mitarbeitern nicht dazu raten.

Ich weiß nicht genau, wie das bei der BAWAG jetzt momentan so ist, aber allein der Name der Abbaumaßnahmen – „Bolero“ – lässt ja schon viel hineingeheimnissen, aber da möchte ich jetzt nicht ungerecht sein und bei den Fakten bleiben. Und natürlich sehe ich auch, dass beim öffentlichen Dienst, bei den Wiener Linien, geschaut wird, dass die Altbediensteten wegkommen.

Ich bin in der Personalkommission gesessen, wir hatten lange Listen, Mitarbeiter über 50 wurden da hinauspensioniert, was gegangen ist. Den einen hat es gefreut, den anderen hat es vor ein echtes Problem gestellt.

Und das, was wir da heute gemacht haben, zielt nur darauf ab, dass wir vorher nach­denken, dass wir uns im Vorhinein schon ein Gesetz ausdenken, das für alle Eventu­alitäten, die nämlich nicht nur da kommen werden, vorgesorgt haben. Es gibt auch noch eine Salzburger Sparkasse, die ist zwar klein, sie wird kein großes Problem sein, die werden das selber schaffen, sage ich jetzt einmal, ich habe mir nämlich Gedanken gemacht, was da alles auf uns zukommen könnte.

Aber ja, wenn wir da nicht darauf schauen, brauchen wir dann ein Notgesetz, damit wir irgendwie doch noch über die Runden kommen und die Leute nicht unter die Räder kommen. Dann kommen wir unter Druck und haben keine Zeit mehr zum Nachdenken.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 142

Dann kann man eigentlich für den ganzen öffentlichen Dienst, der sich noch nicht so vorbildlich wie der Bundesdienst gestaltet hat, sagen: Okay, machen wir geschwind einen Ausgleich!, und der Bund zahlt wieder.

Ich meine, das geht von der rechten in die linke Tasche, aber das ist auch nicht befrie­digend. (Beifall bei der FPÖ.)

17.03


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


17.04.17

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Kollege Pfister, es ist schon sehr mühsam, wenn man Ihre Eigeninterpretationen aufgrund Ihrer Selbstwahrnehmungen, die mit den Darstellungen unserer Fraktion in keinem Einklang sind, hier wahrnehmen muss. (Bundesrätin Mühlwerth: Selektiv!) Aber dass Sie dann auch noch beleidigend werden in Richtung unserer Fraktion, also das ist wohl nicht notwendig. Das muss nicht sein, und das möchte ich in dieser Sache schon einmal festgehalten haben.

Zu Ihnen, Herr Bundesminister, noch eine kurze Nachfrage. Sie haben gesagt, dass Sie aus datenschutzrechtlichen Gründen die Fragen hier nicht wunschgemäß beant­worten können.

Also ich kenne im österreichischen Datenschutzrecht oder im Datenschutzgesetz, das ja den Umgang mit personenbezogenen Daten regelt, keine Bestimmung, die es einem Minister verbietet, dem Interpellationsrecht Genüge zu tun. Es wäre etwas anderes, hätten wir gefordert, dass Sie uns personenbezogene Daten nennen oder bekannt geben. Das haben wir nicht gefordert, sondern wir haben einfach allgemeine Daten gefordert.

Sich darauf zurückziehen, dass das dem Datenschutzrecht widerspricht, kann man sich nicht. Zumindest ist mir als stellvertretendem Vorsitzenden des Datenschutzrates so eine Bestimmung nicht bekannt.

Da würde ich Ihnen raten: Reden Sie doch einmal mit Ihren Leuten vom Ministerium, die Sie datenschutzrechtlich beraten, darüber, ob das eine gescheite Argumentations­linie für den Bundesrat ist! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Pfister meldet sich zu Wort.) – Bitte, Herr Bundesrat Pfister.

 


17.06.04

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Lieber Kollege Herbert! Nur zur Klarstellung: Wenn ich hier eine Wortmeldung abgebe, geht es mir persönlich und meiner Fraktion darum, dass den Menschen geholfen wird, dass die Menschen Sicher­heit haben, dass die Menschen wissen, worum es geht, und nicht um eine Unter­stel­lung. (Bundesrat Herbert: Haben wir was anderes behauptet? Bundesrätin Mühlwerth: Uns auch!)

Ich erinnere mich nur zurück, und das ist noch keine acht Stunden her, dass da jemand aus Ihrer Fraktion nicht sehr zimperlich mit Dingen war, die er hier vom Rednerpult ausgeteilt hat, ohne sich irgendwie zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. So viel dazu, was da vor knapp acht Stunden passiert ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 143

Ich wünsche mir schon, dass wir hier diese Diskussion führen, und ich wünsche Ihnen, auch einmal die Möglichkeit zu haben, Verhandlungen zu führen (Bundesrat Jenewein: Nach der nächsten Wahl!), wenn es darum geht, ob ein Unternehmen, ob die Beschäf­tigten morgen einen Job haben oder nicht. Ich wünsche Ihnen das einmal. Machen Sie das einmal, führen Sie diese Verhandlungen und seien Sie da einmal dabei! (Bundes­rat Herbert: Sie überschätzen Ihre Position!)

Berichten Sie nicht immer von irgendwelchen Schauergeschichten, die Ihnen irgend­wer erzählt hat, wo Sie selber keine Ahnung haben, wie es den Beschäftigten in Unter­nehmungen geht. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wie gesagt, diese Unterstellungen und diese Wortwahl kommen nicht von mir, die haben ganz andere in der Früh schon gewählt. (Bundesrätin Mühlwerth: Denk an deine eigene Wortwahl!) Ich bitte nur darum, dass wir das auch ernst nehmen, wenn wir hier in der Runde diskutieren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.07

17.07.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Gibt es dazu noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Offenlegung des Bank-Austria-Pensionsdeals zwi­schen SPÖ-Wien und dem BMASK unter der Federführung von Ex-Minister Rudolf Hundstorfer vor.

Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um deutliche Antworten.

Ich ersuche nunmehr die Frau Schriftführerin um den Aufruf der Bundesräte in alpha­betischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Junker geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Schriftführerin Anneliese Junker: Herr Präsident! Machen Sie von Ihrem Stimmrecht Gebrauch?

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 144

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Die Sitzung wird um 17.11 Uhr unter­brochen und um 17.13 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Offenlegung des Bank-Austria-Pensionsdeals zwischen SPÖ-Wien und dem BMASK unter der Federführung von Ex-Minister Rudolf Hundstorfer bei 56 abge­ge­benen Stimmen 18 „Ja“- und 38 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Dörfler, Dziedzic;

Ecker;

Herbert Werner;

Jenewein;

Krusche;

Längle;

Meißl, Mühlwerth;

Pisec;

Raml, Reiter, Rösch;

Samt, Schererbauer, Schreyer, Stögmüller;

Zelina.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Anderl;

Beer, Blatnik, Bock, Brunner;

Ebner Adelheid;

Forstner, Fürlinger;

Gödl, Grimling, Gruber-Pruner;

Hackl, Heger;

Junker;

Kern, Köck, Koller, Kurz;

Ledl-Rossmann, Lindner Mario, Lindner Michael;

Mayer;

Novak;


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 145

Oberlehner;

Pfister, Poglitsch, Posch-Gruska, Preineder, Pum;

Saller, Schennach, Schödinger, Stöckl;

Tiefnig, Todt;

Weber, Winkler;

Zwazl.

*****

17.13.51Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlung über die Tagesordnungspunkte 7 und 8 betreffend 1. und 2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016 fort.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Reiter. – Bitte.

 


17.14.17

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen und all die Menschen, die noch immer vor den Bild­schirmen ausharren oder sich vielleicht wieder zugeschaltet haben.

Zurück zur Umsetzung von EU-Richtlinien im Bereich Berufsanerkennung und Berufs-zugang im Gesundheitsbereich. Diese Richtlinien sind umzusetzen. Ich finde das natürlich auch richtig, denn der Arbeitsmarkt innerhalb der EU ist mobil, die Menschen gehen ins Ausland, um zu arbeiten, um zu lernen, kommen wieder zurück, und dem muss natürlich auch entsprechend Rechnung getragen werden.

Wie es genau werden wird, weiß man noch nicht. Der Bundesgesetzgeber macht hier einmal seinen Teil, wie es aber genau in der Umsetzung wird, lässt sich offensichtlich nicht wirklich abschätzen. Da haben noch viele mitzureden oder versuchen es zumin­dest – wie bei der nächsten Bestimmung –, also Länder, Kammern, Interessenvertre­tun­gen.

Und ich frage mich, ob ich da wirklich bei der richtigen Veranstaltung bin. Wir haben enorme Probleme im Gesundheitswesen, über die – natürlich auch um die Menschen nicht zu verunsichern – eigentlich kaum gesprochen wird. Vor allem in den Parla­menten wird darüber nicht gesprochen und nichts Substanzielles verhandelt.

Aber die Menschen draußen sind verunsichert. Sie erleben bereits eine beinharte Zweiklas­senmedizin, sie erleben Fehlleistungen. Noch viel erschütternder finde ich aber ganz persönlich den großen Frust unter den Menschen, die in Gesundheits­berufen, die in diesem Bereich tätig sind, und das praktisch auf allen Ebenen.

Am Geld kann es aber nicht liegen. Also zu sagen, pumpen wir noch mehr Geld ins Gesundheitssystem, das kann es eigentlich nicht sein, denn der Anteil der Gesund­heits­ausgaben am BIP beträgt bei uns 10,8 Prozent und liegt dabei ganz deutlich über dem OECD-Schnitt.

Die Menschen gehen bei uns mit 6,9-mal im Jahr nicht öfter zum Arzt als in anderen OECD-Ländern, das ist Durchschnitt. Aber wo wir absolute Spitze sind, das sind die Spitalsaufenthalte. Wir liegen mit 273 je 1 000 Einwohner deutlich vor Deutschland, um


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70 Prozent über dem OECD-Durchschnitt, und wir haben, um das auch handeln zu können, um 60 Prozent mehr Spitalsbetten als der OECD-Durchschnitt.

Laut Rechnungshof können im Spitalswesen 4,75 Milliarden € eingespart werden, und er meint damit nicht eine Qualitätssenkung für die Menschen in diesem Land. Diese Problematik ist schon lange bekannt. Und die Stärkung des extramuralen Bereichs: Das ist ein Schlagwort, das ich kenne, seit ich politisch tätig bin, geschehen ist praktisch nichts.

Wenn es stimmt, was viele sagen, dass die Spitäler die Spielwiese der Länder sind, der Bund wenig Einflussmöglichkeiten hat und diese nicht einmal optimal nutzt: Kann da der Bundesrat in diesem Bereich nicht mehr tun, um substanzielle Lösungen und Wege in diesem Bereich zu finden, welche die akuten Probleme auch tatsächlich angehen? Denn: Zuschauen ist meiner Meinung nach nicht mehr lange möglich, es gehen uns die Ärzte aus!

Und das ist eigentlich eine paradoxe Situation, denn Österreich hat pro Kopf mehr Ärzte als andere Industrienationen. Nirgendwo in Europa werden mehr Ärzte ausge­bildet als bei uns, aber mehr als jeder Zweite will hier nicht arbeiten! Bis zu 8 000 Ärzte sind laut Schätzungen in den letzten zehn Jahren ins Ausland gegangen, für den Steuerzahler bedeutet das jedes Jahr einen Verlust von 250 Millionen €. (Bundesrat Schennach: Sind ja viele deutsche Staatsbürger dabei!)

Und die Kur dafür? Man hält das lecke Fass voll, indem man oben noch mehr nachfüllt. (Bundesrat Schennach: Die deutschen Staatsbürger nicht vergessen!) – Wir haben sie trotzdem nicht hier! Sie bleiben eben nicht, und die Österreicher gehen auch. (Bundes­rat Schennach: Die kommen studieren!) Aber wie gesagt, wir füllen also in dieses lecke Fass noch mehr nach. Die neue Uni wird bis 2027 630 Millionen € kosten. Die medizinischen Universitäten verbrauchen ein Drittel des gesamten Unibudgets, und die Grenzen der Finanzierbarkeit sind insbesondere im Investitionsbereich eigentlich überschritten.

Ärzte wandern ins Ausland, in die Privatwirtschaft ab, als zweiten Fluchtweg oder als weiteren Fluchtweg in die Wahlarztpraxis. Die Patienten, die es sich leisten können, folgen ihnen dorthin oder gehen in die Privatordination des Herrn Primars. Diese Zwei-Klassen-Medizin bringt aber auch viele Ärzte in Gewissensnöte. Ein Originalzitat eines solchen Arztes:

Die Wahlarztpraxis war für ihn die Lösung, weil er sich dort den Patienten wieder so widmen kann, wie er sich das vorstellt, aber er hat ein schlechtes Gewissen, weil durch schlechte Rahmenbedingungen die Versorgung der sogenannten „Holzklasse“ immer schwieriger wird. – Zitatende.

(Bundesrätin Kurz: Was ist denn das für ein Ausdruck?!)  Das ist, wie gesagt, ein Originalzitat eines Arztes.

Werte Kollegen und Kolleginnen, ich führe bewusst keine Einzelfälle auf, die zu finden sind, um das dramatisch zu unterstreichen, aber ich bitte Sie dringend, lassen Sie uns die Strukturen ändern, um die Versorgung dieser sogenannten „Holzklasse“ sicherzu­stellen (Bundesrätin Kurz: Das ist wirklich ein blöder Ausdruck!) und die Arbeitsbedin­gungen im Gesundheitswesen so zu verändern, dass die Menschen dort ihrer Beru­fung – und für die meisten ist es eine Berufung! – mit Freude folgen können.

Die Bestimmungen, die wir heute beschließen, sind dafür nicht ausreichend, und es ist auch nicht das neue Arbeitsgesetz schuld und damit die EU. Damit hat sich eigentlich nur ein gewachsenes Problem zugespitzt, zum Beispiel dass Ärzte bei uns Dinge machen, die international Aufgabe von Pflegern und administrativem Personal sind, und dass die Grundgehälter der Ärzte schlicht zu niedrig sind. Da kommt mit dem euro-


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 147

päischen Berufsausweis vielleicht ein bisschen Bewegung hinein, denn man wird draufkommen, dass es auch Bereiche gibt, wo im Ausland besser ausgebildet wird, und die Ärzte werden dann auch bei uns entsprechend tätig sein wollen, im Bereich der Zahnärzte zum Beispiel.

Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Bewegung sollten wir hineinbringen, denn ich glaube, gerade der Bundesrat – wir, die wir von den Ländern kommen und sehr betrof­fen von diesen Problemen sind – wäre das geeignete Gremium, um mit offenen Augen und mit großem Engagement diese Probleme anzugehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.22


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


17.22.52

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minis­terin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung beinhalten die Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Zuvor will ich jedoch noch zu den Worten von Kollegin Reiter sprechen. Sie haben Themen angesprochen, die, so glaube ich, in diesem Hause noch nie angesprochen worden sind. Diese Themen sind sehr wichtig für die Zukunft der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, aber auch besonders wichtig in Grenzregionen, wie teilweise eben für uns mit der Nähe zu Bayern, damit auch Deutsche die Möglichkeit haben, in Österreich ihre Ordinationen zu eröffnen.

Besonders wichtig bei der Umsetzung dieser erwähnten Richtlinie ist der Berufs­anerkennungsausweis, in dem fünf Gesundheitsberufe angeführt sind. Dies trägt zur Patientensicherheit bei. Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass diejenigen, die teilweise, wie es im Grenzgebiet zu Bayern bei uns ist, in der FH Deggendorf in Gesundheits­berufen ausgebildet werden, auch in Österreich eine Berufsanerkennung erlangen. Gleiches gilt für die Medizinstudenten aus dem Bezirk Braunau oder aus dem Salz­burger Raum, die in München studieren – auch ihr Medizinstudium sollte mit seinen Praxisnachweisen entsprechend in Österreich anerkannt werden.

Wichtig ist auf jeden Fall in Bezug auf dieses EU-Berufsanerkennungsgesetz auch, dass Warnhinweise für nicht geeignete Personen eingezogen sind, damit man weiß, welche Berufe den Berufskriterien dieser Gesundheitsberufe eben nicht entsprechen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den auch ich ansprechen will, ist das Zentralregister für die Gesundheitsberufe, das wirklich bei Ihnen (in Richtung Bundesministerin Oberhauser) angesiedelt sein sollte und auch wichtig für die Patientensicherheit ist. Wir werden natürlich der Richtlinie gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

17.24


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser. – Bitte.

 


17.24.59

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist über die Gesetze, die wir hier abstimmen, schon viel gesagt worden. Den einen ist es zu ausländerfreundlich, die anderen sehen eher die Chance darin, dass auch unsere jungen Menschen ins Ausland gehen können. Da die Kritik von beiden Seiten kommt, liegen wir, glaube ich, ganz richtig. Wir


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schauen auf die Sicherheit der Menschen in Österreich, das heißt: Es muss klargestellt sein, welche Ausbildung jemand hat, und das muss auch klar gekennzeichnet sein. Da braucht man sich nicht wirklich zu fürchten.

Worauf ich aber eingehen möchte, sind Dinge, die Kollegin Anderl angesprochen hat, nämlich die Frage der Registrierung der Gesundheitsberufe. Von Kollegin Zwazl kam dann die Erklärung, warum denn das nicht stattfindet. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen schon im Bundesrat waren – die meisten wahrscheinlich –, als wir damals dieses Gesetz im Ministerrat, im Nationalrat und im Bundesrat beschlossen haben. Der Bun­desrat hat dem zugestimmt, dass eine Registrierung der Gesundheitsberufe stattfinden soll, und zwar über die Arbeiterkammer. (Bundesrat Schennach: Das haben wir so gesagt!) Warum die Arbeiterkammer? – Weil sie relativ nahe an den Personen ist, dort, wo sie arbeiten. Sie kann an die Schulen gehen, sie hat viele Zweigstellen, all diese Dinge. (Bundesrat Schennach: Ja!)

Das heißt, ein Ministerrat, ein Nationalrat und ein Bundesrat – dem Sie angehören – haben etwas beschlossen, und dennoch können zwei Länder einfach sagen: Das gefällt uns nicht – die Kollegin Zwazl hat es gesagt –, wir hätten das gerne woanders, und dann geschieht es nicht.

Also ich hätte mir von einer Bundesrätin – die Sonja ist jetzt nicht da, aber ich nehme an, Sie werden es ihr sagen – erwartet, dass die eigentlich auf ihre eigenen Leute sauer ist, dass sie sich denkt: Wie komme ich dazu, dass ich meine Zeit hier absitze, gewählt bin, etwas beschließe und dann zwei Länder, die mitstimmen, einfach sagen können: Das gefällt uns nicht!? (Bundesrat Preineder: Nein, Frau Zwazl hat nicht mitgestimmt!)  Das macht ja nichts, aber das ist trotzdem vom Bundesrat beschlossen worden.

Also meiner Meinung nach sollte man sich diese Dinge überlegen, auch in der Wertig­keit, die man selber hat, wenn man hier sitzt, ob einem das jetzt gefällt oder nicht. Aber das kann man ihr ohnehin sagen, das sage ich ihr auch persönlich, das ist ja nicht böse gemeint – ich sage nur: Diese Dinge sollte man sich schon überlegen. (Bundesrat Schennach: Wenn man schon bei … nicht mitstimmt!)

Zur Frau Kollegin Reiter, die nicht zum Gesetz, aber zum österreichischen Gesund­heits­system sehr vieles gesagt hat. Ich möchte Sie nur in Bezug auf ein paar Zahlen korrigieren. Sie haben gesagt, Sie haben die OECD-Daten, die zeigen, wie viel Geld in Österreich für das Gesundheitswesen ausgegeben wird.

Ich habe Gott sei Dank immer mein Handy dabei, daher ist auch „Dr. Google“ immer mit dabei. Ich habe mir jetzt die aktuellen Daten von 2015 angeschaut: Da liegt Öster­reich mit 10,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes über dem OECD-Schnitt von 8,9 Prozent. Österreich hat 10,1 Prozent, Deutschland hat 11 Prozent, und die USA haben 16,4 Prozent. Das heißt, wir liegen zwar über dem OECD-Schnitt, aber deutlich unter den Ausgaben der USA, wobei bei uns jedoch nahezu 100 Prozent der Men­schen versichert sind und wir – und darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig, trotz aller Schwierigkeiten, die wir haben und die Sie ja auch genannt haben – ein wirklich gutes Gesundheitssystem haben, über das eigentlich jeder versichert ist.

Wenn wir uns die Mindestsicherung und all diese Dinge nicht noch schlechtreden lassen, dann haben wir es auch weiterhin, denn es ist uns mit der Mindestsicherung auch gelungen, diese wirklich vermaledeite Geschichte des gelben Scheines abzu­schaffen, mit dem die Menschen, die Sozialhilfeempfänger waren, zum Arzt gehen mussten – wo jeder gewusst hat: Hui, der ist arbeitslos und kriegt Sozialhilfe! Das haben wir mit der Mindestsicherung abgeschafft, und die Menschen sind alle kranken­versichert.


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Ich gebe Ihnen recht, es ist vieles zu tun. Es ist vor allem in der Frage der Spitäler vieles zu tun, auch in Bezug auf die Berufszufriedenheit von Ärztinnen und Ärzten, des Krankenpflegepersonals und all jenen, die es in dem Bereich gibt. Ich sage Ihnen nur, denn ich habe lange als Ärztin gearbeitet und fühle mich natürlich immer noch als Ärztin: „Holzklasse“ sagt kein Arzt (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter), dem das, was er macht, dann zuwider ist. Das ist ein Thema, das wir nicht haben.

Es gibt – beispielsweise MR/CT, viel zitiert – noch Schwierigkeiten in der Frage: Wie komme ich zu meiner Leistung? Das hat mit Sonderklasse oder sonst irgendwelchen Dingen gar nichts zu tun. Beim MR/CT heißt es: Zahlst du, und zwar bar, kriegst du es – zahlst du nicht, musst du warten! Das gefällt mir gar nicht, und da habe ich mir auch beide Vertragspartner an den Tisch geholt. Sie wissen, als Gesundheitsministerin kann man versuchen, auf den Tisch zu hauen, oder sie an den Tisch holen und mit ihnen reden. Zweiteres werden wir auch weiterhin tun. Ich lasse mich nicht damit abspeisen, was gesagt wurde, weil ich auch glaube, dass die Menschen in Österreich großes Vertrauen ins Gesundheitssystem haben und dass es uns gut ansteht, zu versuchen, dieses auch wirklich auf dem Level zu halten, auf dem wir es bis jetzt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Schreyer.)

17.29

17.29.20

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Punkt getrennt vornehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend 1. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend 2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Ge­sundheitsberufe 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.30.479. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (912 d.B. und 974 d.B. sowie 9531/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich bitte um den Bericht.

 


17.31.04

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Liebe Frau Minis­terin! Werte KollegInnen! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Jänner 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich zur Antragstellung:


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Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


17.31.49

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher vor den Bildschirmen! Bei dieser Änderung des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes gibt es sicherlich einige Punkte, gegen die nichts einzuwenden ist, beispielsweise die Möglichkeit zur Mitnahme von Assistenzhunden dann, wenn das ratsam und auch mit den hygienischen Bedingungen vereinbar ist. Auch die Verankerung militärischer Krankenanstalten ist kein großer Aufreger.

Anders verhält es sich mit der sogenannten fachärztlichen Rufbereitschaft. Auch diesbezüglich hat es wiederum, wie bereits vorhin, eine Reihe von negativen Stellung­nahmen gegeben. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese fachärzt­liche Rufbereitschaft, wie sie da geregelt werden soll, eine Reaktion auf das vor einem Jahr beschlossene Arbeitszeitgesetz ist, und dass man verzweifelt versucht, diese katastrophale Situation, die dadurch geschaffen wurde, irgendwie in den Griff zu bekommen und Entlastung zu bieten.

Dass die Situation nicht rosig ist, das beweist ja, so glaube ich, gerade eine aktuelle Umfrage – gestern ist diese Umfrage publik geworden – der Wiener Ärztekammer unter Ärzten. Mir ist schon klar, dass diese Umfrage ein bisschen umstritten ist und dass viele sagen, so könne man das nicht machen, dennoch, so glaube ich, wird damit ein Stimmungsbild in der Ärzteschaft – zumindest in der Wiener Ärzteschaft – vermittelt, das eigentlich sehr bedenklich ist.

Ich frage mich: Wie sollen unzufriedene Ärzte, die mit Ihrer Arbeitssituation unzufrieden sind, dann die entsprechende Motivation aufbringen, eine wirklich optimale Leistung für die Patienten zu erbringen? Die Zweiklassenmedizin wurde in dieser Umfrage eben­falls bestätigt – Frau Kollegin Dr. Reiter hat sie ja bereits mit krassen Worten ange­sprochen. Ob man jetzt „Holzklasse“ oder wie auch immer sagt, sei dahingestellt, aber es gibt sie, das wird eigentlich jeder zugeben. Sie selber, Frau Ministerin Oberhauser, haben es auch irgendwie zugegeben: Gerade bei den Wartezeiten gibt es eine äußerst unbefriedigende Situation.

Mit diesem Gesetz, mit dieser Möglichkeit der Rufbereitschaft, wo also Fachärzte einzelner Krankenhäuser nicht mehr anwesend sein müssen, sondern nur eine Ruf­bereitschaft haben sollen, geht man jetzt ein bisschen hin zu einer Art – ich möchte fast sagen – 18-Klassen-Medizin. Wir haben neun Bundesländer, und wenn wir in jedem jetzt schon eine Zweiklassenmedizin haben, dann multipliziert sich das (Bundes­ministerin Oberhauser: Aber so viele Zentralkrankenanstalten haben wir nicht!), und zwar deshalb, weil es den Bundesländern dann überlassen ist, diese Regelungen im Detail festzulegen. (Bundesministerin Oberhauser: So viele Zentralkrankenanstalten haben wir nicht, bei den anderen gibt’s das nicht, da ist noch nichts geschehen!)

Dann sind es halt zehn, aber jedenfalls schwant mir Fürchterliches, gerade als Steirer, wo wir finanziell sowieso wie eine Kaisersemmel krachen. Wir wissen auch, dass eine Spitalsreform ins Haus steht, und der zuständige Landesrat hat bereits angekündigt, dass diese eher schmerzhaft ausfallen wird. Man kann also davon ausgehen, dass mit allen Mitteln versucht wird, Kosten einzusparen. Das heißt, dass man möglichst ver-


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sucht, eine billigere Rufbereitschaft – und in der Steiermark haben wir diese Zentral­kran­kenhäuser – zu verankern und dadurch Kosten zu sparen. Dieses Sparen geht natürlich, das kann man drehen und wenden, wie man will, zulasten der Qualität und zulasten der Patientensicherheit.

Das ist der Hauptpunkt, warum wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen werden. Am Rande sei noch erwähnt, dass es uns auch nicht besonders gefällt, dass dadurch wieder eigens eine Parallelstruktur für Asylwerber geschaffen wird (Heiterkeit bei Bun­desministerin Oberhauser), aber der wesentliche Punkt ist diese Rufbereitschaft, die äußerst unklar ist und bei der man wirklich nicht weiß, was dann dabei herauskommen wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Wie hoch …? – Bundes­rat Krusche – das Rednerpult verlassend, in Richtung Grüne –: … Lazarettklasse!)

17.37


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Ebner zu Wort. – Bitte.

 


17.37.18

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Novelle, die heute zur Beschlussfassung vorliegt, wird es einerseits eine Klarstellung und auch eine Anpas­sung im Kranken- und Kuranstaltengesetz geben, andererseits soll mit diesem Gesetz auch der Rahmen der Gesundheitsstruktur festgelegt werden, damit eine qualitätsge­sicherte, flächendeckende, leicht zugängliche und solidarisch finanzierte Gesundheits­ver­sorgung für die Bevölkerung sichergestellt wird.

Österreich kann wirklich sehr stolz auf sein Gesundheitssystem sein: Wir haben eine der besten Gesundheitsversorgungen weltweit, und ich glaube, auch die Bevölkerung weiß diese Gesundheitsversorgung in Österreich zu schätzen. Dass natürlich über die Jahre Änderungen in den unterschiedlichsten Bereichen notwendig sind, das steht außer Streit, und das gilt auch für die Rufbereitschaft.

Die Rufbereitschaft in den Zentralkrankenanstalten ist neu zu organisieren, sodass in gewissen Fachgebieten und in gewissen Bereichen ohne Fachärzte, nur mit einer Rufbereitschaft, auszukommen sein sollte. Es ist auch notwendig, dass in Zukunft in den klinischen Sonderfächern – das betrifft sowohl Nacht- als auch Tagdienste – die Anwesenheit dieser Fachärzte in gewissen Bereichen verlangt wird und in gewissen Bereichen, für die dann, wie gesagt, eine Rufbereitschaft eingerichtet werden sollte, nicht mehr notwendig sein wird. Ausgenommen sind ohnehin Situationen, in denen Patienten eine laufende Therapie benötigen, die auch die Anwesenheit eines Fach­arztes erforderlich machen, oder wenn unerwünschte Entwicklungen in einem Krank­heitsverlauf auftreten beziehungsweise auch bei einem erschwerten Krankheitsverlauf, wo dann ebenfalls ein Facharzt anwesend sein muss.

Ich denke, es ist eine Maßnahme, ein Schritt, wodurch wir mit strukturiert kleinerem finanziellen Aufwand eine Gesundheitsversorgung noch effizienter ausrichten können.

Ein weiterer Vorteil werden auch die Videoaufnahmen sein. ELGA ist diesbezüglich schon ein begrüßenswerter Schritt, und die Videoaufnahmen der Krankengeschichten sind zielführend, um den diesbezüglichen Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Der Landesgesetzgeber kann natürlich die Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren für diese Videoaufnahmen verkürzen, mindestens zehn Jahre müssen jedoch abverlangt wer­den.

Die Assistenzhunde sind schon angesprochen worden. Gerade für Menschen mit Ein­schränkungen und Behinderungen ist es notwendig, dass ihr – unter Anführungs­zeichen – „Partner“, der sie begleitet und besser durch das Leben führen kann, auch in


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die Krankenanstalten mitgenommen werden darf. Hier muss der Landesgesetzgeber die Richtlinien, wo Assistenzhunde zugelassen sein können, schaffen. Seit 1. Jänner 2015 ist der Assistenzhund im Bundesbehindertengesetz vorgesehen. Ich denke, neben dem Zutrittsrecht, das jetzt schon für öffentliche Gebäude wie Amtsgebäude, Kino, Lebensmittelhandel und Kirchen besteht, ist der nun vorliegende Entwurf ein bedeutender Schritt für diese Menschengruppe.

Ein weiterer Punkt ist die Neuregelung für die Abgabe von Muttermilch, die von Müttern zur Verfügung gestellt wird. Die Novelle regelt nun, dass Muttermilch nur in Kran­kenanstalten, die eine Abteilung für Frauenheilkunde und eine Geburtenabteilung be­treiben, sowie in Sonderkrankenanstalten für Geburtshilfe abgegeben und gesammelt werden darf. Diese Maßnahmen sind aus Sicherheits- und Hygienegründen notwendig, sollen Missstände verhindern und werden zum Wohl des Kindes ergriffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den vorliegenden, notwendig gewor­de­nen Gesetzesänderungen nimmt Österreich im Gesundheitsbereich wieder eine Vor­reiterrolle ein. Unsere Fraktion wird dieser Novellierung die Zustimmung erteilen. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.42

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Köll das Wort. – Bitte.

 


17.42.28

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir schon von unseren Vorrednern gehört haben, hat Österreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Dies dokumentiert sich nicht nur in einer der höchsten Spitalsbettendichten weltweit – das muss nicht immer ein positiver Parameter sein –, sondern auch in den höchsten Ausgaben pro Kopf für Gesundheit.

Ich glaube, innerhalb der EU 28 liegen wir an zweiter Stelle, wenn ich das richtig gesehen habe – aber Sie werden mich sicher noch entsprechend korrigieren, ge­schätz­te Frau Bundesministerin. Ich bin nur ein bescheidener kleiner Obmann eines Gemeindeverbandes im Bezirkskrankenhaus Lienz, in einem kleinen peripheren Bezirk, aber ich bin gespannt auf Ihre Ausführungen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich darf hier festhalten – so wie es auch schon meine Vorrednerin getan hat –, dass es um positive Veränderungen, um Verbesserungen im Rahmen dieser Novelle geht. Es wird also kein großes Problem sein, die Mitnahme von Assistenzhunden im Sinne einer entsprechenden Hygiene so zeitgemäß zu regeln, dass man mit einem Assistenzhund beispielsweise nicht in einen orthopädischen OP gehen wird, der über die höchste Sterilitätsklasse verfügen sollte. Es wird auch kein Problem sein, die Militärspitäler besser zu regeln.

Auch andere Bereiche wurden angesprochen. Die formalrechtliche Anpassung im Universitätsgesetz 2002, die jetzt im Rahmen dieser Novelle angestrengt wird, ist ebenfalls ein wichtigerer Bereich, der einer kontinuierlichen Verbesserung bedarf, hat er doch mit dem Ärztemangel zu tun, der uns immer wieder beschäftigt.

In Bezug auf die Rufbereitschaft, lieber Kollege Krusche, geht es lediglich um eine Präzisierung im Bereich der Zentralkrankenanstalten. Im Ausschuss haben wir versucht, über diesen Punkt Näheres zu erfahren – auch meine Anfrage ging in diese Richtung. Die Experten bemühten sich, etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Die Rede ist also nicht von Schwerpunkt-Krankenanstalten und auch nicht von Bezirksspitälern.

Dennoch könnte eine weitere Novellierung, um die ich Sie, geschätzte Frau Bun­desministerin, ersuche, in diesem Zusammenhang auch etwas regeln, das in Deutsch-


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land sehr gut geregelt ist. Es gehört vielleicht nicht in dieses Gesetz hinein, mög­lichweise aber passt es in das Ärztearbeitszeitgesetz. Es betrifft Ersatzruhezeiten. In Deutschland wurde als Folge dieser Rufbereitschaften auch eine klare, präzise Regelung, was die Ersatzruhezeiten betrifft, gefunden, die etwas flexibler ist als jene in der Republik Österreich.

Das alles ist natürlich auch Ausdruck des permanenten Ärztemangels, an dem auch die Bundesrepublik Deutschland nicht ganz unschuldig ist. Es sind Probleme, die wir bekommen, wenn beispielsweise Hunderte deutsche Studentinnen und Studenten nach Innsbruck kommen, um dort den berühmten Bergdoktor zu machen, und wir beobachten, dass über die Hälfte der in Österreich ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte die Republik wieder verlassen. Das zwingt uns natürlich zu Gesetzesanpassungen wie der vorliegenden.

Meine konkrete Bitte an Sie, Frau Bundesministerin Oberhauser, ist, dass Sie sich entweder für dieses Gesetz oder für das Ärztearbeitszeitgesetz vielleicht einmal die Regelung in Deutschland anschauen, um auch diese Verbesserung noch zu erreichen. Grundsätzlich kann man natürlich unserer Fraktion und dem gesamten Hause empfehlen, dieses Gesetz des Nationalrates nicht zu beeinspruchen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.46


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.46.13

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Gesundheitsministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon relativ viel zu dieser Gesetzesnovelle gesagt worden, ich möchte dennoch auf einige Punkte eingehen.

Zum einen finden wir es sehr positiv, dass ab Inkrafttreten dieser Novelle die Mitnahme von Assistenzhunden ins Krankenhaus erlaubt ist. Das ist ein sehr großes Anliegen von Behindertenbewegungen. Es ist auch erfreulich – das ist noch gar nicht so ange­sprochen worden –, dass im Nationalratsausschuss unser Antrag auf die Erweiterung für Therapiehunde ergänzend miteingeflossen ist. Damit ist man bei dieser Novelle auch dem Bundesbehindertengesetz gerecht geworden, was auch sehr zu begrüßen ist.

Eine weitere positive Neuerung ist jene, mit der sichergestellt werden soll, dass der Umgang mit Muttermilch fachlichen und insbesondere hygienischen Anforderungen entspricht und daher auf allgemeine Krankenanstalten und Sonderkrankenanstalten, an denen auch Abteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe betrieben werden, beschränkt wird. Somit wird die kommerzielle Verwendung von Muttermilch vermieden oder – hoffentlich – komplett verhindert.

Ein Punkt, den meine Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat kritisiert haben, ist die fachärztliche Rufbereitschaft in den Zentralkrankenhäusern, zum Beispiel dem AKH Wien. Ich habe mir den Gesetzestext durchgelesen und finde ihn sehr schwammig. Da gibt es in den Stellungnahmen unter anderem Formulierungen, die von akutem Kompli­kationsgeschehen sprechen. Akutes Komplikationsgeschehen kann schon sehr viel sein. Es wird nicht genau darauf eingegangen, welche Bereiche betroffen sind, wann ein Facharzt hinzugezogen werden muss, wann einer anwesend sein muss.

Etwas unklar ist mir auch die Umsetzung durch Länder beziehungsweise Krankenan­stalten hinsichtlich des Arbeitszeitgesetzes. Das ist jedoch Ländersache. Ihre Beam­ten, Frau Bundesministerin, haben mir dazu im Ausschuss erklärt, dass es sich bei


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dieser Novelle um einen generellen Rahmen handelt und nicht um die konkrete Umset­zung im Arbeitszeitgesetz. In diesem Abschnitt hätte ich mir eine Konkretisierung gewünscht.

Ich sehe aus Sicht der Länderkammer die positiven kleinen Schritte. Es fehlt mir immer noch der große Schritt für ein modernes Gesundheitssystem, den wir in Österreich ganz dringend brauchen. Wir werden aber dennoch heute dieser Novelle im Bundesrat zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.48.57

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die am häufigsten zitierten Punkte eingehen.

Die Sache mit der Muttermilch klingt auf den ersten Blick so, dass man sich denkt: Ja, na und? Als ich noch als Kinderärztin gearbeitet habe, gab es in Wien die zentrale Milchsammelstelle in der Semmelweis-Klinik. Dort konnten Mütter, die keine eigene Milch hatten, Muttermilch beziehen. Wenn Sie sich heute den Spaß machen und im Internet „Muttermilch kaufen“ eingeben, entdecken Sie, dass sich ein florierender Handel entwickelt hat, und zwar nicht für Mütter, die keine Milch haben, sondern für Bodybuilder, die glauben, dass man mit Muttermilch ganz besonders viel Muskelmasse aufbauen kann. Das heißt, diese Änderung ist eine Reaktion dagegen, um der Kom­merzialisierung für etwas, das wirklich unnötig ist, einen Riegel vorzuschieben. Damit hat diese Geschichte neben dem Handelsaspekt für Mütter noch eine andere Dimen­sion.

Zur Frage der Schaffung der Rufbereitschaft in Zentralkrankenanstalten: Das war natürlich bei uns auch ein viel diskutierter Punkt, hinter dem die Frage stand: Ist das eine neue Möglichkeit oder etwas, das die Länder wollen, um sparen zu können?

Das habe ich schon bei Zwischenrufen gesagt: Es handelt sich um Zentralkran­kenanstalten, die es nicht überall gibt, von denen es also ganz wenige gibt. In einer Feststellung des Ausschusses haben wir zudem klargestellt, dass Rufbereitschaft nirgends sein kann – zumindest nicht im Sinne des Gesetzes –, wo Patienten in Gefahr kommen können. Wenn man das Gesetz, wie es bis jetzt war, getreu auslegt, so war es notwendig, dass jemand zum Beispiel auf der experimentellen Tropenmedizin einen Facharzt in der Nacht vorhalten muss, was unnötig ist. Überall dort, wo eine akute Komplikation auftreten kann, ist es völlig klar: Es muss ein Facharzt da sein. Das heißt: Die Änderung war eine Klarstellung und bezieht sich auf etwas, das es in den anderen Krankenanstalten bereits gibt. In jeder anderen Krankenanstalt, außer in der Zentral­krankenanstalt, war das bereits möglich.

Herr Bundesrat Krusche, was Sie noch gesagt haben, gefällt mir: Sonderkranken­anstalt für Flüchtlinge. Ich hätte Sie gerne gehört, wenn wir diesen Paragraphen nicht vorgesehen hätten. Mit diesem Paragraphen soll klargestellt werden, dass die medizi­nische Versorgung in einem Flüchtlingslager nicht den Kriterien des Spitalsrechtes entsprechen muss. Wäre dies nicht ausgenommen, hätte überall dort, wo Flüchtlinge zu versorgen sind, ein Spital aufgebaut werden müssen. Wir haben gesagt: Es handelt sich dabei mehr oder weniger um Lazarette, wo ich nicht eine Hygienefachbeauftragte oder komplizierte Standards brauche. Es soll so gemacht werden, dass Menschen, die dort akut Hilfe brauchen, auch akut versorgt werden können. Das heißt, dem hätten Sie


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eigentlich zustimmen und es positiv bewerten müssen, und uns nicht dafür kritisieren. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Zum Beitrag des Kollegen Köll: Herr Kollege, wir sind ja da, um voneinander zu lernen, oder? Ich glaube, ich bin im Dozieren ohnedies relativ schlecht, aber im Googeln relativ gut und schnell. (Bundesrat Köll: Okay!) Das heißt, ich kann auf solche Dinge rasch reagieren.

Mir gefällt, wenn gerade in der Länderkammer über die große Spitalslastigkeit in Öster­reich diskutiert wird und darüber, dass man dem doch wirklich Abhilfe schaffen muss. Andererseits höre ich auch, welche Schreierei losgeht, wenn ein Landeshauptmann nur daran denkt, ein Krankenhaus zuzusperren. Man hört Argumente, dass das in die schlechte Versorgung hineingehe und Ähnliches. – Ja, jeder, der krank ist, ist froh, wenn er ein Spital in der Nähe hat!

Um in diesem Bereich abbauen zu können, muss man andere Strukturen aufbauen. Dabei versuchen wir, in die Gänge zu kommen. Wir beschäftigen uns mit der Frage der Primärversorgungszentren, längerer Öffnungszeiten, von Netzwerken mehrerer Kolle­gen, die sich die Rufbereitschaften teilen. Im Prinzip sollte man dorthin kommen, was wir derzeit haben: das Wissen darum, dass man nicht schauen muss, wann die Arzt­praxis geöffnet hat, sondern darum, dass es eine Ambulanz im Ort gibt oder Ähnliches. Vielleicht befindet sich diese Ambulanz dann auch in einem Spital, das zugesperrt werden musste, mit dem Vorteil, dass es bereits Räumlichkeiten und Strukturen gibt. Dazu gibt es in Oberösterreich Beispiele, wo das gemacht wurde.

Noch einmal zu den Kosten des Gesundheitswesens: Ich glaube, dass wir alle froh sind, dass wir dieses Gesundheitssystem haben. Es ist keine Frage, dass man immer optimieren kann. Aber das Geld, das wir dafür ausgeben, ist – glaube ich – gutes Geld.

Aus der Länderkammer kommend müssen Sie wissen, dass das meiste Geld, das dafür ausgegeben wird und auch vom Bund hineinfließt, in die Länder fließt, die Spitals­erhalter sind. Ich habe hier ein deutsches Papier, das die aktuellsten Zahlen bezüglich der Gesundheitskosten ausweist.

Der OECD-Schnitt liegt bei 8,9. Ansteigend kommen Norwegen, Spanien, Portugal, Griechenland, Neuseeland – gehört nicht wirklich zu Europa –, Austria, also Österreich, dann Kanada, Belgien, Japan, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Schweden, Schweiz, die Niederlande und die Vereinigten Staaten.

Das heißt, wir liegen relativ nahe am OECD-Schnitt und nicht an der Spitze und damit dem, was andere Länder ausgeben. Noch dazu muss ich sagen, dass wir einen Großteil der Ausgaben im öffentlichen Gesundheitssystem haben. Das heißt auch, dass wir ein gutes System haben, von dem sehr viele Menschen profitieren, ganz im Gegensatz zu den Gesundheitsausgaben, die ja da mit hineingerechnet sind, die zum Teil im privaten Sektor laufen, wie zum Beispiel in den Vereinigten Staaten. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.54

17.54.20

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 156

17.54.3910. Punkt

Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner betreffend Änderung des Ehegesetzes und des Strafgesetzbuches zur Verhin­derung von Zwangsehen (169/A-BR/2008 sowie 9533/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte um den Bericht.

 


17.54.55

Berichterstatter Gerhard Schödinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Bericht des Justizausschusses über den Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner betreffend Änderung des Ehegesetzes und des Strafgesetzbuches zur Verhinderung von Zwangsehen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, dem Antrag 169/A-BR/2008 keine Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.55.52

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Antrag haben wir letztes Mal schon kurz gesprochen, da wir einen Fristsetzungsantrag gestellt haben, weil wir der Meinung waren, dass es nicht üblich sein sollte, im Jahr 2008 einen Antrag zu stellen und ihn im Jahr 2015 – wir haben ja 2015 darüber gesprochen – noch immer in der Schublade zu finden.

Jetzt hat mir gestern Kollege Mayer in der Präsidiale en passant gesagt, das sei alles schon erledigt. – Ja, das ist sehr nett, und ich freue mich ja auch, wenn die Intentionen erledigt sind. Er hat auch gemeint, er freue sich, dass sich die Freiheitlichen um Vorarlberg so große Sorgen machen. – Ja, Vorarlberg gehört ja auch zu Österreich und wir machen uns natürlich Sorgen um Gesamtösterreich (Bundesrat Mayer: Wir sind Nettozahler! Wir sind geblieben!), daher auch um Vorarlberg (Heiterkeit) – auch wenn es ab und zu schon mal Bestrebungen gab, zur Schweiz abzuwandern, aber ihr seid bei Österreich geblieben.

Bleiben wir beim Ernst der Sache. Es geht nämlich um ein wichtiges Thema, das uns damals alle beschäftigt hat und uns zum Teil heute noch beschäftigt. Die Tatsache, dass es jetzt im Strafrecht und auch im Ehegesetz zu Veränderungen durchaus im Sinne des Antrags gekommen ist, bedeutet ja noch nicht, dass damit alles erledigt ist, weil es immer noch Fälle gibt.

Ich habe gestern noch einmal nachgeschaut, wie viele Beschwerdefälle es diesbe­züglich gibt. Dazu gibt es ja von offizieller Seite leider kein statistisches Material, aber von den diversen Vereinen, die sich mit dem Thema beschäftigen, gibt es solche Anga­ben, die besagen, dass es immer noch zwischen 30 und 50 Fälle sind, in denen Beschwerde eingelegt wird. Das heißt, das Thema wird uns noch länger beschäftigen.

Der Grund, warum wir uns heute gegen den Antrag wenden, ist nicht, weil in Bezug auf das Strafrecht und das Eherecht Änderungen im positiven Sinn erfolgt sind, sondern weil wir damit unserem Protest Ausdruck verleihen wollen gegen die Art und Weise, wie man in diesem Haus mit einem eigenen Antrag umgeht.


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Es war die ÖVP, die diesen Antrag richtigerweise eingebracht hat. Ich frage mich jedoch schon, nachdem er sieben Jahre abgelegen ist, ob man sich dabei selbst noch ernst nimmt oder ob man meint: Na gut, wir haben eben sieben Jahre gebraucht, um das zu verhandeln.

Dazu muss ich aber sagen, dass das auch kein gutes Zeugnis für die Regierung ist, wenn man in so einer wichtigen Frage sieben Jahre braucht, um zu einem Ergebnis mit dem Koalitionspartner zu kommen.

Somit komme ich zum Fazit: Dass die Sache weitestgehend erledigt ist, ist positiv, der Umgang mit solchen Anträgen negativ. Daher werden wir den Antrag ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.58


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich das Wort Herrn Bundesrat Mayer erteilen. – Bitte.

 


17.58.57

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, ja, acht Jahre ist eine lange Zeit, aber dazu fällt mir halt ein: Was lange währt, wird endlich gut.

Ich bedanke mich aus Vorarlberger Sicht auch für die Fürsorge und für die Unterstüt­zung der Freiheitlichen Partei, dass sie diesen Gesetzesantrag und diesen Gesetzes­be­schluss vor den Vorhang hebt. Wir Vorarlberger wären in aller Bescheidenheit schon mit dem Gesetzesbeschluss zufrieden gewesen. Es geht uns natürlich auch nicht um Öffentlichkeitsarbeit, sondern um die Frauen.

Und unserer Meinung nach, und das ist auch die Meinung des Bundesministeriums für Justiz, wurde das Anliegen des Antrags im § 106a StGB umgesetzt – das haben die beiden Sektionschefs Kathrein und Pilnacek im Ausschuss auch klar dokumentiert. Deshalb ist einfach nur anzufügen: Selbstverständlich sind wir auch der Meinung, dass es zu verurteilen ist, wenn es durch Drohung zu einer Eheschließung kommt oder eine Nötigung vorliegt. Man muss jedoch respektieren, dass sich eine Situation auch ändern kann und unter Umständen der Wunsch besteht, die unter Drohung zustande gekommene Ehe fortzusetzen.

Unter diesen Gesichtspunkten haben die beiden Sektionschefs auch erwähnt, dass es tatsächlich eine Statistik gibt, und zwar wurden die Jahre 2001 bis 2009 erhoben: Da gab es 180 000 Scheidungen, 15 in diesem Zeitraum wurden tatsächlich aufgrund der Tatsache einer Zwangsehe aufgehoben. Man kann jetzt trotzdem sagen, 15 sind genug oder es sind zu viel, aber der Wert, der sich daraus ergibt, ist nicht in dieser Größenordnung, dass man sagen möchte oder könnte, dass dies eine alltägliche Geschichte ist. (Präsident Saller übernimmt wieder den Vorsitz.)

Also insgesamt sind wir Vorarlberger – Jürgen Weiss haben wir inzwischen in die Pension verabschiedet und den Kollegen Einwallner in den Landtag entsorgt (Ruf bei der SPÖ: Hallo, hallo, hallo!) –, also insbesondere was meine Person und den Kolle­gen Brunner anbelangt, vielleicht auch den Kollegen Christoph Längle, mit der gesetz­ichen Umsetzung zufrieden. Wir danken dem Ministerium für die Umsetzung dieses Paragraphen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das „Entsorgen“ solltest du zurücknehmen! – Herr Präsident, bitte rüffel ihn wegen dem „Entsorgen“!)

18.01


Präsident Josef Saller: Frau Bundesrätin Mag. Kurz ist als Nächste zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 158

18.01.43

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich richtig, dass es nicht vorkommen sollte, dass ein Antrag acht Jahre lang irgendwo liegt und nicht behandelt wird. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das ist zu lange!) Kollegin Mühlwerth, ich bedaure natürlich, dass du nicht auch ein bisschen mehr auf den Inhalt eingegangen bist. Ich werde das jetzt durchaus machen, da es ja um ein Thema geht – das ist schon richtig –, das uns auch heute noch beschäftigt.

Klar ist, dass Zwangsverheiratung zwar mit kulturellen Traditionen in Zusammenhang steht, dass sie aber in unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen vorkommt. Zwangsheirat überschreitet die Grenzen von Schichten und Kasten und betrifft reiche Familien und arme Familien gleichermaßen. Es geht zumeist um kulturelle Wertvorstel­lungen, um patriarchalische Machtverhältnisse, aber auch oft um wirtschaftliche oder ethnische Gründe. Nicht die Religion ist es, darauf lege ich Wert, sondern die Tradition, sie setzt Zwangsverheiratung und arrangierte Ehen als Machtmittel ein und verfestigt sich dadurch.

Zwangsheirat – und darunter verstehen wir die Eheschließung, bei der eine Ehepart­nerin beziehungsweise ein Ehepartner oder beide durch massiven Druck, Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Zustimmung bewegt werden – ist eindeutig eine Menschenrechtsverletzung und stellt einen massiven Verstoß gegen Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO dar, der ja festlegt, dass eine Ehe nur aufgrund der freien und uneingeschränkten Willenseinigung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden darf.

Um Bedrohte und Betroffene besser zu schützen, wurden ja in Österreich einige Maß­nahmen, auch rechtliche, ergriffen, auf die letzte ist mein Kollege Mayer schon einge­gan­gen. In der Zwischenzeit, seit diesem Antrag, hat es ja auch die Novelle des Nie­derlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2009 gegeben. Seit dieser Zeit erhalten Opfer von Zwangsehen oder Zwangspartnerschaften ein eigenes, eigenständiges Aufent­halts- und Niederlassungsrecht, und mit der Strafrechtsnovelle 2011 ist die Zwangsehe unabhängig vom Tatort strafbar.

Auf die letzte Novelle 2015 ist mein Kollege auch schon eingegangen. Zwangsheirat ist jetzt ein eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch, und ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass dort festgeschrieben wurde, dass auch die Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte als Nötigung anzusehen ist. Obwohl nun Zwangs­heirat eine Straftat ist, bei der eine Verurteilung zu bis zu fünf Jahren Haft droht, schätzen ExpertInnen und Vereine, dass es in Österreich nicht nur die von der Kollegin Mühlwerth angesprochenen 30 bis 50 Betroffenen gibt, sondern dass es jährlich in etwa 200 Mädchen und junge Frauen in Österreich gibt, die von Zwangsheirat betroffen sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich hab’ das vom Verein …!)

Dabei handelt es sich meistens um Mädchen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die bereits in zweiter oder dritter Generation hier leben. Aber es gibt auch Mädchen, die aus dem Heimatland einem in Österreich lebenden Mann zugesprochen werden. Die sind auch besonders davon betroffen, da sie meist ohne Ausbildung, ohne Deutschkenntnisse in einem fremden Land leben müssen und die Abhängigkeit natürlich dann besonders groß ist. Es geht in den meisten Fällen um Frauen, aber es geht durchaus auch um junge Männer, die von ihren Eltern ungewollt verheiratet werden. Meist ist aber der Spielraum der Männer in diesen Familien doch um einiges größer als der von Mädchen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, im Regierungsprogramm 2008 bis 2013 wurde ja schon festgelegt, dass es Betreuungsmaßnahmen geben soll, insbesondere Notwoh-


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nun­gen für Betroffene, und das ist auch seit dem Sommer 2013 realisiert. In diesen Notwohnungen werden Mädchen und junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren aus ganz Österreich aufgenommen, sofern sie von Zwangsheirat betroffen sind. Sie befinden sich derzeit, glaube ich, nur in Wien. Sie werden dort anonym untergebracht, die Adresse wird keinem Dritten mitgeteilt, und sie werden intensiv betreut, beraten und begleitet. Diese Einrichtung wird vom Frauenministerium in Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres finanziert und vom Verein Orient Express betreut, der auch die Aufnahme vornimmt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, zuletzt möchte ich noch darauf hinweisen – einige von Ihnen wissen das ja –, dass ich als langjährige Vorsitzende des Vereins VIELE in Salzburg, eines Vereins, der sich mit der Integration von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund beschäftigt, durchaus weiß, um welche Problemstellungen es sich da im Einzelnen handeln kann. Wir führen in diesem Verein auch eine Familien­beratungsstelle, in der Zwangsheirat durchaus ein Thema ist, und wir wissen, dass die Dunkelziffer hoch ist. Wir versuchen dort, wenn wir rechtzeitig von so einer Geschichte erfahren, mit den Familien Kontakt aufzunehmen. Im einen oder anderen Fall ist es uns auch gelungen, so eine geplante Heirat zu verhindern, und zwar im Konsens mit der Familie, und das sollte eigentlich das Ziel sein.

Nicht immer gelingt es natürlich, und ich bin davon überzeugt, dass gerade in diesem Bereich noch einiges getan werden kann, ja getan werden muss, was Aufklärung betrifft, aber auch Hilfestellung für die Betroffenen. Darauf sollten wir uns in Zukunft noch vermehrt konzentrieren. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.07

18.07.10

Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Antrag keine Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Antrages ist somit angenommen.

18.08.3511. Punkt

Petition betreffend „Fairer Umgang mit Vereinen bei der Besteuerung von Vereinsfesten“ (32/PET-BR/2015 sowie 9534/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte um den Bericht.

 


18.08.48

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­gen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über die Petition betreffend „Fairer Umgang mit Vereinen bei der Besteuerung von Vereinsfesten“.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Februar 2016 den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Josef Saller: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


18.09.31

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Sitzungssaal! Verehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! 2011 hat die Europäische Union das Jahr der Freiwilligkeit ausge­rufen, und wir wissen, in Österreich sind zirka 20 Prozent der Menschen in Vereinen aktiv.

In 120 000 Vereinen leisten die Menschen freiwillig 15 Millionen Arbeitsstunden für die Gesellschaft. Dabei geben sie das Wichtigste, das sie haben, sie geben ihre Zeit, und besonders wichtig ist auch, sie machen Jugendarbeit. In den vergangenen Jahren ist es besonders oft vorgekommen, dass Finanzämter Vereine wegen der Steuerrichtigkeit geprüft haben. Hier lag ein größeres Problem vor, da besonders bei Musikkapellen, die überregional bekannt waren und von Vereinen für ein großes Vereinsfest herange­zogen wurden, eine andere Besteuerung vorlag.

Meine Vereine im Bezirk Braunau haben mir eine Petition mit 2 300 Unterschriften mitge­geben, um diese Missstände dementsprechend zu beseitigen. Das Finanzminis­te­rium hat Ende Oktober diese Gesetzespassage in eine andere umgewandelt, in der niedergeschrieben ist, dass Feste mit Musikkapellen, die einen Stundensatz von 1 000 € nicht überschreiten, als kleine Vereinsfeste abgehalten werden dürfen und damit so angerechnet werden. Das ist besonders für uns in der Grenzregion ein Riesenvorteil, wo wirklich viele Vereine – dann auch besonders Musikkapellen – nach ihren Veranstaltungen zu den Gastwirten gehen und auch dementsprechend bei den Gastwirten konsumieren.

Es ist auch ein Vorteil, wenn die Musikvereine ein zehnjähriges Vereinsjubiläum haben, dieses Jubiläum auf einmal in ein großes Vereinsfest umgewandelt wird und sie die Einnahmen dementsprechend versteuern müssen. Sie brauchen Gelder für die Uniformen, für die Instrumente, und daher ist es wichtig, dass wir die Vereine dement­sprechend unterstützen. Daher danke ich Ihnen allen, dass Sie der Petition zugestimmt haben und dass wir hier die Vereine für die Zukunft auch wirklich gestärkt haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.11


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich erteile es ihr.

 


18.12.17

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das nur etwas verstärken, was Kollege Tiefnig vorher gesagt hat: Wir haben im Burgenland und in den angrenzenden Bundesländern – also Niederösterreich und Steiermark, von dort wissen wir es auch schon – die Situation, dass das Bündnis der Gastronomie Öster­reich die Vereine anzeigt. Wir hatten im Vorjahr im Burgenland eine Welle an Absagen von Vereinsfesten, von Vereinsaktivitäten, weil sich die Funktionäre und Funktionärin­nen nicht mehr getraut haben, Feste abzuhalten, da sie von einer Anzeigenflut überrollt worden sind.

Ich möchte jetzt gar nicht so stark ins Detail gehen, mir wäre nur wichtig, dass wir auch hier – und ich werde das sicherlich auch mit dem Herrn Finanzminister besprechen – die Situation klären, die für die Vereinsfunktionäre und -funktionärinnen undurchschau­bar ist. Ein Funktionär kann sich aufgrund der vielen Gesetze, die momentan im Rollen sind, überhaupt nicht mehr wirklich auf seine Vereinsarbeit konzentrieren, sondern er muss fast Jura studiert haben, um hier überhaupt mitzukommen. Es sind Bundesge-


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setze und es sind Ländergesetze, die hier zusammenwirken, und die einzelnen Vereine trauen sich einfach nicht mehr, Aktivitäten zu veranstalten. Für jedes Dorfleben ist das leider sehr, sehr schade, denn wir, in den Dörfern draußen, leben natürlich von den Vereinsaktivitäten, und diese sind auch enorm wichtig.

Das Bündnis der Gastronomie Österreich hat eine sechsseitige Presseaussendung gemacht – schon im August 2014 –, in der es aufgeführt hat, was alles geändert werden sollte. Es sind daraufhin auch seitens des Finanzministeriums einige Erlässe getätigt worden, mit denen das Vereinswesen noch mehr erschwert wurde. Das heißt jetzt übersetzt: Vereine können jetzt keine Dankesfeiern mehr für ihre Funktionärinnen und Funktionäre machen, denn dann wird ihnen der Titel Gemeinnützigkeit aberkannt.

Das kann es ja wirklich nicht sein, da es notwendig und wichtig ist, dass die Vereine auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Danke schön sagen. Also das ist ein Erlass, der leider so ist, dass sich auch unsere Vereine hier nicht mehr darauf verlassen können, dass die Politik hinter ihnen steht. Es gibt seitens des Burgenlandes eine Initiative, die heißt „Unsere Vereine schützen“, eine Kampagne, bei der es darum geht, dass unsere Funktionärinnen und Funktionäre klare Regeln haben, an denen sie sich auch orientieren können.

Ich würde mich freuen, wenn wir hier im Bundesrat auch gemeinsam zu einer Lösung kommen. Und weil ich dich gerade sehe, Kollegin Zwazl: Dieses Bündnis der Gastro­nomie Österreich geht leider von der Wirtschaftskammer aus. Vielleicht kannst du dich auch ein bisschen einsetzen. (Bundesrätin Zwazl: Gleiches Recht für alle! Keine Ausnahme!) – Keine Ausnahme? Es sollten auch die Leute, die wirklich ehrenamtlich draußen arbeiten, für unsere Dörfer arbeiten, das Recht haben, auch einmal zu feiern. Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam zusammenbringen, dass wir unsere Vereine so unterstützen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.15


Präsident Josef Saller: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. Ich erteile es ihm.

 


18.15.31

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Präsidium! Wenn die Frau Kollegin Posch-Gruska die Ausführungen von Herrn Tiefnig etwas verstärken wollte, möchte ich diese jetzt noch ein bisschen mehr verstärken. Herzlichen Dank für die Initiative! Ich möchte das jetzt nicht noch einmal alles ausbreiten. Ich glaube, wir sind uns Gott sei Dank alle hier einig, wie wichtig die Freiwilligkeit gerade in der ländlichen Region ist.

Das Problem, das sich ergibt, ist folgendes: Nehmen diese Absagen, die du ange­sprochen hast, überhand – sodass sich die Vereine so sukzessive aus dem sozialen Leben zurücknehmen –, dann haben wir gerade im ländlichen Bereich ein wirkliches Problem. Das ist im Umkehrschluss dann wesentlich teurer als das, was man hier vermeintlich vielleicht sogar erwirtschaften kann, denn wenn wir diese Leistungen, die da freiwillig erwirtschaftet werden, unterm Strich zahlen müssten, dann schauen wir schön aus der Wäsche, das kann sich kein Mensch mehr leisten. – Darum das Bekenntnis auch der Länderkammer zur Freiwilligkeit, zu den Vereinen, auch zur Möglichkeit, dass solche Vereine halt einmal feiern können und dass man da nicht unbedingt päpstlicher als der Papst sein muss.

Und darum: Danke für die Initiative! Selbstverständlich sind wir dabei. (Beifall bei der FPÖ.)

18.16

18.16.20

 


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 162

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Ausschuss­bericht zur gegenständlichen Petition zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständ­lichen Ausschussberichtes ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.18.10Einlauf und Zuweisung

 


Präsident Josef Saller: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Antrag 218/A(E)-BR/2016 der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 10. März, 9 Uhr, vorgesehen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchs­recht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 8. März 2016, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche allen einen schönen Nachhauseweg!

Die Sitzung ist geschlossen.

18.19.00Schluss der Sitzung: 18.19 Uhr

 

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