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853. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 12. Mai 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

853. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Mai 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Mai 2016: 9.02 – 20.50 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers zur Ernennung eines neuen Regierungs­mit­gliedes gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

2. Punkt: Bundesgesetz über die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsge­sell­schaften (Abschlussprüfer­Aufsichtsgesetz – APAG)

3. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft

4. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizei­ge­setz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das BFA-Ver­fahrensgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz) und das Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernährungssicherheits­gesetz – GESG), geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert wird

9. Punkt: Rahmenabkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen Republik über grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz über die Abwicklung des Krankenanstalten-Zusam­men­arbeitsfonds (KRAZAF-Abwicklungsgesetz)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2016 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der europäischen Kommission für 2016 und des Programms des Rates (Niederlande, Slowakei und Malta)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugs­gesetz und das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz geändert werden (Strafprozess­rechts­änderungsgesetz I 2016)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl. Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, die Rechts­an­walts­ordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz und die Notariatsordnung geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird

17. Punkt: Bundesgesetz über Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesell­schaf­tengesetz 2016 – VerwGesG 2016)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Handelsvertretergesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Geschäfts­ordnungsgesetz 1975, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (32. KFG-Novelle)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden

23. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2016 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vergleichbarkeit von Entgelten für Verbraucherzahlungskonten, den Wechsel von Verbraucherzahlungs­konten und den Zugang zu Verbraucherzahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Verbraucherzahlungskontogesetz – VZKG) erlassen wird und das Konsumenten­schutz­gesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden

25. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorrang für österreichische Arbeitnehmer (Burgenländisches Modell)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Re-


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publik über die Zusammenarbeit im audiovisuellen Bereich durch den Herrn Bundespräsidenten                         36

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und Ungarn zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen durch den Herrn Bundespräsidenten .................................... 37

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Natur­katastro­phen oder technischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prä­vention durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................................... 40

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ........................... 43

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend beabsichtigte Abgabe einer Erklärung des mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der Bundesregierung bis zur Bestellung eines neuen Bundeskanzlers betrauten Vizekanzlers Dr.  Reinhold Mitterlehner gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR ............................................................................................................................... 46

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 124

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 125

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Ingrid Winkler ................................................................................. 213

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 214

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 15

Ordnungsruf ................................................................................................................. 127

Aktuelle Stunde (42.)

Thema: „Stärkung der zeitgenössischen Kunst: Chancengleichheit, Mobi­lität, Vermittlung“      ............................................................................................................................... 15

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 15

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 17

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 19

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 21

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ...............................................................  22, 30

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 25

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ..... 27

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 29

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Enthebung der Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner vom Amt sowie Ernen-


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nung von Herrn Mag. Wolfgang Sobotka zum Bundesminister für Inneres durch den Bundespräsidenten ........................................... 33

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Betrauung des Vizekanzlers Dr. Reinhold Mitterlehner mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der Bundesregierung bis zur Bestellung eines neuen Bundeskanzlers durch den Bundespräsidenten             ............................................................................................................................... 35

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 47

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  31, 214

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers zur Ernennung eines neuen Regierungs­mitgliedes gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR ........................................................................................................................... 47

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 47

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ...................... 47

Redner/Rednerinnen:

Bundesminister Mag. Wolfgang Sobotka ...........................................................  50, 64

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 53

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 55

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 57

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 59

Arnd Meißl ............................................................................................................... ..... 61

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz über die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften (Abschlussprüfer­Aufsichtsgesetz – APAG) (1012 d.B. und 1018 d.B. sowie 9559/BR d.B. und 9577/BR d.B.) ........................................................ 67

Berichterstatter: Christian Poglitsch ............................................................................ 67

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 67

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 68

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 69

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 71

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................ ..... 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 73

3. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft (III-581-BR/2016 d.B. sowie 9578/BR d.B.)                  73

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 73

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 73

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 76

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 78


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 5

Stefan Schennach .................................................................................................  80, 92

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ..............................................................  82, 93

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 87

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 89

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 90

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine vorläufige Inkraftsetzung von CETA – Ablehnung ........................................  89, 95

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-581-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 95

4. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung (III-572-BR/2016 d.B. sowie 9583/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 95

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 95

Redner/Rednerinnen:

Rosa Ecker .............................................................................................................. ..... 95

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 97

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 98

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 100

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................ ... 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-572-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 102

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (996 d.B. und 1097 d.B. sowie 9555/BR d.B. und 9575/BR d.B.) ............................................... 103

Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ...................................................................... 103

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (1531/A und 1098 d.B. sowie 9576/BR d.B.) ............................................................................................................... 103

Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ...................................................................... 103

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ..................................................................................................  103, 123

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 106

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 108

Martin Weber ........................................................................................................... ... 110

Peter Samt ............................................................................................................... ... 112

Gerhard Schödinger ............................................................................................... ... 115

Monika Mühlwerth (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 118

David Stögmüller .................................................................................................... ... 118

Günther Novak ........................................................................................................ ... 119

Bundesminister Mag. Wolfgang Sobotka ............................................................ ... 122

Christoph Längle .................................................................................................... ... 124


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Rückübernahmen forcieren – straffällige Asylwerber ab­schie­ben – Ablehnung  115, 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) .................... 124

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 126

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehr­bringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz) und das Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH errich­tet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernäh­rungs­sicherheitsgesetz – GESG), geändert werden (1056 d.B. und 1088 d.B. sowie 9556/BR d.B. und 9569/BR d.B.) ................................................................................. 126

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 126

Redner/Rednerinnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 127

Renate Anderl ......................................................................................................... ... 128

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 130

Angela Stöckl .......................................................................................................... ... 132

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 134

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 135

Antrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und das Inver­kehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeug­nisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz) und das Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bun­desamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG), geändert werden, Einspruch zu erheben – Ablehnung  132, 136

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 137

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert wird (1013 d.B. und 1087 d.B. sowie 9570/BR d.B.) ............................................................................................................... 137

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 137

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend Rahmen­abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik


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über grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst (1000 d.B. und 1086 d.B. sowie 9571/BR d.B.) .................................. 137

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 137

Redner/Rednerinnen:

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 138

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ... 139

Arnd Meißl ............................................................................................................... ... 140

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 143

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 144

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 144

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, 1. gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 145

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1601/A und 1089 d.B. sowie 9572/BR d.B.) ........... 145

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 145

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 145

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 146

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 147

Rosa Ecker .............................................................................................................. ... 148

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 150

David Stögmüller .................................................................................................... ... 152

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 153

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 155

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz über die Abwicklung des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds (KRAZAF-Abwicklungsgesetz) (1617/A und 1091 d.B. sowie 9573/BR d.B.) ............................................................................................................... 155

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 156

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 156

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 156

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 157

Sonja Ledl-Rossmann ............................................................................................... 158

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 160

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 160

12. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2016 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der europäischen Kommission für 2016 und des Programms des Rates (Niederlande, Slowakei und Malta) (III-575-BR/2016 d.B. sowie 9574/BR d.B.) ....................................................................... 161


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 8

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 161

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 161

Mario Lindner .......................................................................................................... ... 162

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 163

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 163

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................ ... 164

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-575-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 165

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz und das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz geändert werden (Strafprozess­rechts­änderungsgesetz I 2016) (1058 d.B. und 1072 d.B. sowie 9557/BR d.B. und 9561/BR d.B.) ............................................................................................................... 165

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 165

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 166

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 167

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 167

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ... 168

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 170

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl. Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird (1613/A und 1075 d.B. sowie 9562/BR d.B.) ................. 170

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 170

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 170

Armin Forstner, MPA ............................................................................................. ... 172

David Stögmüller .................................................................................................... ... 173

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 174

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ... 175

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 177

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz, das Richter- und Staatsan­walt­schaftsdienstgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, die Rechtsan­waltsord­nung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz und die Notariatsordnung geän­dert werden (1028 d.B. und 1077 d.B. sowie 9563/BR d.B.)                         177

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 177

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und die Gerichts-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 9

organisationsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird (1614/A und 1083 d.B. sowie 9564/BR d.B.) ................................... 177

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 177

Redner:

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 178

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 178

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaften­ge­­setz 2016 – VerwGesG 2016) (1057 d.B. und 1078 d.B. sowie 9558/BR d.B. und 9565/BR d.B.) ...................................................... 178

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 178

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas Köll ......................................................................................................... 178

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ... 179

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 179

David Stögmüller .................................................................................................... ... 180

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ... 180

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 180

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsvertretergesetz geändert wird (1489/A und 1079 d.B. sowie 9566/BR d.B.)                         181

Berichterstatter: Martin Weber .................................................................................... 181

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michael Raml ..................................................................................................... 181

Christian Poglitsch .................................................................................................... 182

Peter Heger .............................................................................................................. ... 182

David Stögmüller .................................................................................................... ... 183

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 184

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Geschäftsordnungs­gesetz 1975, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Nationalrats-Wahlord­nung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (1470/A und 1081 d.B. sowie 9560/BR d.B. und 9567/BR d.B.) ................................................................................. 184


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 10

Berichterstatter: Martin Weber .................................................................................... 184

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1082 d.B. sowie 9568/BR d.B.)                        184

Berichterstatter: Martin Weber .................................................................................... 184

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 185

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 186

Peter Heger .............................................................................................................. ... 188

Mag. Michael Raml .................................................................................................. ... 188

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 190

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 190

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (32. KFG-Novelle) (1054 d.B. und 1062 d.B. sowie 9580/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 190

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 190

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 191

Günther Novak ........................................................................................................ ... 191

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 192

Christoph Längle .................................................................................................... ... 193

Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ... 193

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 194

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden (1055 d.B. und 1066 d.B. sowie 9581/BR d.B.) ............................................................................................................... 194

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................. 194

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 194

Mag. Michael Lindner ............................................................................................. ... 195

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 196

Dr. Andreas Köll ......................................................................................................... 197

Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ... 198

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 199

23. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2016 auf der Grundlage des Arbeits­programms der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates (III-578-BR/2016 d.B. sowie 9582/BR d.B.)                  200

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................. 200

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 200

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 201


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 11

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 202

Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ... 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-578-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 204

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vergleichbarkeit von Entgelten für Verbraucherzahlungskonten, den Wechsel von Verbraucherzahlungskonten und den Zugang zu Verbraucherzahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Verbraucherzahlungskontogesetz – VZKG) erlassen wird und das Konsu­men­ten­schutzgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1059 d.B. und 1095 d.B. sowie 9579/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 204

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 204

Redner:

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 205

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 205

25. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Vorrang für österreichische Arbeitnehmer (bur­gen­ländisches Modell) (219/A(E)-BR/2016 sowie 9584/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 205

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 205

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 206

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 207

David Stögmüller .................................................................................................... ... 209

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 211

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 211

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag 219/A(E)-BR/2016 keine Zustimmung zu erteilen ....................................................................... 213

Eingebracht wurden

Petition ........................................................................................................................ 214

Petition betreffend Schließung der Sonderbetreuungsstelle Steiermark für Asyl­werber in Spital/Semmering (Ortsteil Steinhaus) (Ordnungsnummer 33/PET-BR/2016) (überreicht von Bundesrat Arnd Meißl)

Anfragen der Bundesräte

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die rechtsextreme Bewegung „Graue Wölfe“ (3141/J-BR/2016)

Mag. Klaus Fürlinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Erwähnung von ATTAC-Mitglied Christian Felber in einem Schulbuch (3142/J-BR/2016)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 12

Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Asylheim in der Nordberggasse 8 in Andritz (Bezirk Graz Umgebung) (3143/J-BR/2016)

Mag. Michael Raml, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend verbotenen Import von Edelmetallen und Kulturgütern (3144/J-BR/2016)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Ausbildung von Rettungs- und Notfallsanitätern/innen und Sanitätergesetz (3145/J-BR/2016)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ÖBB im Innviertel und die Umsetzung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (3146/J-BR/2016)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaftzentrum Vordernberg (3147/J-BR/2016)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend „Lehre mit Matura“ (3148/J-BR/2016)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend rechtsextreme Straftaten in Oberösterreich im Jahr 2015 (3149/J-BR/2016)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Exekutive – Planstellen und Überstunden 2015 (2883/AB-BR/2016 zu 3109/J-BR/2016)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend roten Pensionstransfer zwischen Bank-Austria und Pensionsversicherungsanstalt (2884/AB-BR/2016 zu 3113/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsstandards für Asylver­fahren“ (2885/AB-BR/2016 zu 3112/J-BR/2016)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖBB Mattigtal­bahn (2886/AB-BR/2016 zu 3111/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Schubhaftzentrum Vordernberg (2887/AB-BR/2016 zu 3114/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Michael Raml, Kolleginnen und Kollegen betreffend Medienberichterstattung über ausländische Straf­täter (2888/AB-BR/2016 zu 3115/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Peter Samt, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Asylheim im ehemaligen Andritzer Seniorenzentrum (Bezirk Graz) (2889/AB-BR/2016 zu 3117/J-BR/2016)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Mitteln der Breitbandmilliarde in der Steiermark (2890/AB-BR/2016 zu 3116/J-BR/2016)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 13

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld des Rudolf-Sallinger-Parks (2891/AB-BR/2016 zu 3124/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld des Willi-Frank-Parks (2892/AB-BR/2016 zu 3123/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld des Bruno-Kreisky-Parks (2893/AB-BR/2016 zu 3122/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld der Wiener U-Bahnstation „Margareten Gürtel“ (2894/AB-BR/2016 zu 3121/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld des Einsiedlerparks (2895/AB-BR/2016 zu 3120/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld des Platzes „Am Hundsturm“ in Wien-Margareten (2896/AB-BR/2016 zu 3119/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld des Bacherplatzes (2897/AB-BR/2016 zu 3118/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Landesstraße B 148 und polizeiliche Kontrollen (2898/AB-BR/2016 zu 3126/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Community Bürger“ – im Bezirk Schärding (2899/AB-BR/2016 zu 3127/J-BR/2016)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend denkmalge­schützte Objekte (2900/AB-BR/2016 zu 3125/J-BR/2016)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Benachteiligung von Kindern in ge­trennten Regenbogenfamilien (2901/AB-BR/2016 zu 3128/J-BR/2016)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reinigung Flüchtlingsunterkünfte (2902/AB-BR/2016 zu 3132/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebenssituation von lesbi­schen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter* (LSBTI) Jugendlichen und jungen Er­wachsenen (2903/AB-BR/2016 zu 3135/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend psychische Gesundheit und Lebens­welten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter* (LSBTI) Jugendlichen und jungen Erwachsenen (2904/AB-BR/2016 zu 3134/J-BR/2016)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 14

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Ferdinand Tiefnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hausapotheken (2905/AB-BR/2016 zu 3129/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bestellung einer Schuldirektorin der HLW Rankweil: Warten auf Godot? (2906/AB-BR/2016 zu 3131/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebenssituation von lesbi­schen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter* (LSBTI) Jugendlichen und jungen Er­wach­senen (2907/AB-BR/2016 zu 3133/J-BR/2016)

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 15

09.01.40Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Josef Saller: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 853. Sitzung des Bundesrates und begrüße alle Bundesrätinnen und Bundesräte und Gäste sehr herzlich, im Besonderen Herrn Bundesminister Dr. Josef Ostermayer. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 852. Sitzung des Bundesrates vom 31. März 2016 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Hans-Jörg Jenewein.

09.02.23Aktuelle Stunde

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Stärkung der zeitgenössischen Kunst: Chancengleichheit, Mobilität, Vermittlung“

mit dem Herrn Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer, den ich noch einmal recht herzlich begrüßen darf.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen/deren Rede­zeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann erfolgt die Stellungnahme des Herrn Bun­desministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend je eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkon­ferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 


9.03.45

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Das heutige Thema befasst sich mit der Aufgabenstellung, wie das zeitgenössische Kunstschaffen infolge der gesellschaftlichen Veränderungen durch öffentliche Förderungs- und Lenkungsmaßnahmen gestärkt werden kann. Durch Glo­balisierung, Vernetzung und Digitalisierung, aber auch durch die zunehmende Migra­tion ist eine Veränderung der kulturellen Bedürfnisse entstanden.

Es braucht daher Maßnahmen der öffentlichen Hand, die überwiegend im Zuständig­keitsbereich des Bundeskanzleramtes zu setzen sind. Die Sektion Kunst und Kultur im BKA fördert gezielt Projekte, die sich mit den neuen Wirklichkeiten auseinandersetzen und die interkulturelle Kompetenz der Projektteilnehmenden erhöhen.

Im Jahr 2016 sollen rund 15 Projekte unterstützt werden, die nach einer Ausschreibung demnächst von einer Jury ausgewählt werden.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 16

Im Zuge der Globalisierung rückt die Welt immer näher zusammen. Das zeigt sich auch im Kulturbereich. In den letzten zehn Jahren hat sich der weltweite Handel mit kulturellen Gütern und Dienstleistungen mehr als verdoppelt.

Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hat einen internationalen Fonds für kulturelle Vielfalt geschaffen, an dem sich auch das BKA beteiligt.

Angesichts der rasanten Entwicklung der Informationsmöglichkeiten durch Internet und Digitalisierung bedurfte es in den letzten Jahren erheblicher Anstrengungen von Kunst‑ und Kulturinstitutionen im Zuständigkeitsbereich des BKA, um die einzigartigen Kunstwerke und künstlerischen Darbietungen Österreichs online verfügbar zu machen. Diese Nutzung unseres kulturellen Erbes durch die neuen Möglichkeiten ist von zen­traler Bedeutung für den gesamten Bildungsbereich. Dabei sind aber die rechtlichen Rahmenbedingungen wie das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte an die neuen Realitäten anzupassen, um die Interessen der Künstlerinnen und Künstler sowie der interessierten Gesellschaft gleichwertig zu berücksichtigen. Zur Förderung des österreichischen Kunstschaffens gehören aber auch all jene Maßnahmen, die die Verbesserung der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler zum Ziel haben.

Mit der Novelle des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes 2015 wurde ein Unter­stützungsfonds für in Not geratene Kunstschaffende eingerichtet, der die Vergabe einer nicht rückzahlbaren Beihilfe durch eine Beiratsentscheidung vorsieht. Dieser Beirat hält seit Oktober 2015 monatlich Sitzungen ab, um rasch auf Notfälle reagieren zu können. Besonders Alleinerziehende empfinden die unsicheren Beschäftigungs- und Einkom­mens­perspektiven als eine sehr schwierige Lebensphase. Zwar gibt es je nach Kunst­richtung bereits verschiedene Stipendieneinrichtungen, doch sollen Bezieherinnen und Bezieher eines solchen Langzeitstipendiums, sechs Monate und länger, zusätzlich zum jeweiligen monatlichen Stipendienbetrag einen Bonus von 200 € pro Monat erhalten. Hinsichtlich der sozialen Lage der Filmschaffenden wird überlegt, wie die Arbeitsbedin­gungen zum Beispiel durch stabile finanzielle Förderungen oder Mehrjahresverträge verbessert werden können.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Unterstützung zeitgenössischer Filmschaffender und des österreichischen Films. Durch Einführung von Arbeitsstipendien beim innova­tiven Film wird die Möglichkeit gegeben, einige Monate an einem Projekt zu arbeiten, bevor es für eine Entwicklungsförderung eingereicht wird.

Für das filmkulturelle Erbe soll bei der Archivierung eine Langzeitsicherung garantiert werden. Gleichzeitig sorgen Umkopierungen in den jeweiligen Vorführformaten für die Verfügbarkeit der Filme.

Die Frauenförderung liegt der Sektion für Kunst und Kultur, Abteilung Film besonders am Herzen. Durch Gender Budgeting werden die Förderungen möglichst ausgeglichen vergeben. Ab 2016 sind bei der Vergabe von Arbeitsstipendien für Filmkunst mindes­tens 50 Prozent des Stipendienbudgets für weibliche Filmschaffende vorgesehen. Bei der Besetzung von Gremien wie der Beiräte im BKA sowie der Projektkommission im Österreichischen Filminstitut wird immer auf ein ausgewogenes Verhältnis geachtet.

Was die Bundesmuseen und Nationalbibliothek betrifft, ist – abgesehen von den diesbezüglichen Gesetzesnovellen 2015 und 2016 – besonders auf die Erfolgsstory des freien Eintritts für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre hinzuweisen. 2015 haben 5 Millionen Personen die Bundesmuseen und die Österreichische Nationalbibliothek besucht. Das waren um 5 Prozent mehr als 2014 und war zugleich die höchste Zahl an Besucherinnen und Besuchern seit Ausgliederung der Bundesmuseen. Rund 21 Pro­zent entfielen auf die Gruppe der unter 19-Jährigen, deren Besuchszahlen sich konti­nuierlich positiv entwickeln.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 17

Alles in allem zeigt diese Bestandsaufnahme das stetige Bemühen des zuständigen Bundesministers Dr. Ostermayer und seiner kompetenten und ambitionierten Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter, die die inländische Kunstlandschaft mitgestalten und verwal­ten und damit auch das internationale Ansehen Österreichs sichern. Meine Fraktion wird daher all diese Bemühungen mit Freude unterstützen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

9.11


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile es ihm.

 


9.11.31

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Die Wirtschaft ist für das Leben, die Kultur für das Erleben.“ – Nicht mein Zitat, sondern das eines maßgeblichen Landeskulturpolitikers namens Dr. Josef Pühringer, der aber, wie ich meine, damit eine Richtung vorgibt, was die Positionierung der Kultur in dieser Republik betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme mit meiner Vorrednerin überein, wenn sie sagt, dass gesellschaftliche Veränderungen und vor allem auch, möchte ich ergänzen, wirtschaftlicher und technischer Fortschritt immer wieder eine Neupositionie­rung von Kunst und Kulturpolitik erfordern. Selbstverständlich. Sie hat auch einige Fakto­ren genannt. Deshalb begrüße ich es, dass unsere heutige Aktuelle Stunde dem Thema Stärkung der zeitgenössischen Kunst in Österreich, wobei ich die Bundesländer mit einschließe, gewidmet ist. Ich glaube, an diesen Rädern muss man immer wieder drehen. Da ist nichts in Stein gemeißelt, da muss man immer wieder auf neue Heraus­forderungen und Anforderungen reagieren.

Das Regierungsprogramm ist, wie ich meine, was diese Themen betrifft, sehr ambi­tioniert und sehr fordernd. Und es ist hin und wieder richtig und wichtig, die Ergebnisse an den Ansprüchen, die wir an die Kulturpolitik zu Beginn der Periode gestellt haben, zu messen.

Natürlich geht es bei der Förderung von zeitgenössischer Kultur immer wieder auch ums Geld – ja wo geht es nicht ums Geld? –, es geht um bessere Rahmenbedin­gun­gen für Kunstschaffende, es geht um die Weiterentwicklung der zeitgenössischen Kunst und immer wieder um die Förderung des Menschen, der Kunst kreiert, der Kunst schafft, der Persönlichkeit des Kulturschaffenden, dies ist also sehr stark auch menschen- und persönlichkeitsbezogen.

Es geht aber auch um eine zielgerichtete Förderung der Kunst bei den regionalen Kulturinitiativen. Es geht nicht nur um die Bundesmuseen und die Bundestheater, um die Nationalbibliothek, sondern es geht auch – und das sei auch in der Länderkammer zu sagen erlaubt – um die kleinen regionalen Kulturinitiativen in den Bezirken, in den Gemeinden, die das Mosaik bilden, das die Gesamtkulturlandschaft unserer Republik darstellt. Es geht um Literatur, Musik, bildende und darstellende Kunst, natürlich um den Film, um Architektur, Baukultur und so weiter. Ausbau des Film- und Musikstand­ortes und Erhöhung des Anteils der österreichischen Film- und Fernsehproduktionen, auch was die Kooperation und die Arbeit im ORF betrifft, wo in letzter Zeit wirklich auch Fortschritte erzielt wurden. Es geht um den Ausbau der Kulturvermittlung, es geht um die Erreichung des Ziels, alle Menschen, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Position, von ihrer sozialen Stellung an der kulturellen Entwicklung und an der zeitge­nössischen Kunst und Kultur teilhaben zu lassen, also für alle dieses Angebot zu sichern, die es haben wollen. Man kann ja niemanden dazu zwingen, aber jenen, die es in Anspruch nehmen wollen, soll das auch entsprechend offenstehen.


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Es ist die Frage zu stellen: Wie weit sind wir bei der Erfüllung dieser Ansprüche fort­geschritten? Wie weit sind wir zum Beispiel beim österreichischen Bibliothekenplan? Wie weit sind wir beim Büchereinetz? Wie weit sind wir bei den elektronischen Medien? Von meiner Vorrednerin wurde auch schon die Digitalisierung genannt, die ein ganz wesentlicher Partner ist und eine Chance für die Optimierung von Kulturpolitik darstellt, nämlich was den Zugang und die Vermittlung betrifft, und das ist ja das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde.

Im Regierungsprogramm ist der ehrgeizige Anspruch festgehalten, das Kunst- und Kulturland Österreich international sichtbar zu machen und zu vermitteln. Da gibt es wirklich tolle Initiativen, Auslandsstipendien für zeitgenössische Künstler, die ihre Netzwerke auf allen Kontinenten und Erdteilen so ausbauen können, um dann in der ganzen Welt tätig sein zu können. Die Mobilität der österreichischen Künstlerinnen und Künstler soll, wie ich meine, weiter gefördert werden, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch im globalen Sinne.

Wie weit ist die „Kulturland Österreich-Strategie“ gediehen? Da wird uns, glaube ich, der Herr Bundesminister Auskunft geben können, wie da der letzte Stand ist, wie ein Röntgenbild des gegenwärtigen Standes der Kulturpolitik in Österreich aussieht.

Am Budget liegt es nicht. Ich gratuliere, Herr Bundesminister, Sie haben bei den letzten Budgetberatungen gut verhandelt. Es ist auch die Finanzierung von einigen langfris­tigen Projekten weggefallen, sodass Sie Spielräume bekommen haben. Einerseits wurde das Budget für Kunst und Kultur nicht gekürzt, Spielräume sind damit offen geworden, weil eben bestimmte Verpflichtungen ausgelaufen sind. Meiner Meinung nach muss man natürlich immer mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auskommen, wenngleich in der Kultur der Plafond sehr schwer festzulegen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig ist auch die Förderung der freien Sze­ne, die Nachwuchsförderung Literaturschaffen, Buchpreise et cetera. Im Regierungs­pro­gramm wird das Thema Forcierung der Digitalisierung im Kunst- und Kulturbereich bereits genannt. Wenn man sich die Unterlagen anschaut, dann sieht man, es gibt zwar tolle elektronische Datenbanken und Plattformen, wie zum Beispiel die Euro­pe­ana, wo europäische Kunst und Kultur angeboten wird und wo man jederzeit einsteigen kann. Aber wenn man sich die Frequenz dieser Plattformen ansieht, die mit großem Aufwand an europäischen Mitteln und auch mit österreichischer Unterstützung errichtet wurden, dann, glaube ich, ist das etwas ernüchternd. Man muss meiner Ansicht nach mehr in die Bewerbung dieser Portale investieren, damit eben das Ziel Vermittlung für die, die es haben wollen, auch erreicht wird, damit die Zugriff haben und das auch entsprechend in Anspruch nehmen können. Das, glaube ich, ist ein offener Punkt, wo wir noch daran arbeiten müssen.

Ich glaube, dass Kulturpolitik ohne Ergänzung durch die Landeskulturpolitik unvoll­ständig ist. Kulturpolitik soll sich an Offenheit für das Neue und Kontroversielle orien­tieren, eine gewisse Liberalität und Ausgewogenheit anbieten, das Wertbewusstsein für Kultur insgesamt wecken, also nicht nur für ein bestimmtes Projekt oder für ein Kunstobjekt, sondern für Kultur insgesamt werben. Das Gegenteil von Kultur nämlich ist Unkultur – und das, glaube ich, können wir am allerwenigsten brauchen.

Im operativen Bereich heißt das auch eine Dezentralisierung des Kulturangebotes – gerade hier in der Länderkammer –, Dezentralisierung, kurze Wege zu Kulturan­ge­boten, Erleichterungen des Zugangs zur Kunst, Förderung des gesamten Spektrums zwischen Basis und Hochkultur mit besonderer Betonung der zeitgenössischen Kultur.

Wenn man sich, sehr geehrte Damen und Herren, am Beispiel des Landes Ober­österreich das Kulturangebot und die Kulturinitiativen anschaut, und die stehen sicher


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auch im Kontext zu den Bundesinitiativen, dann kann man nur sagen, dass die zeit­genössische Kultur sehr gut betreut wird.

Beispiele: die Ensemble- und KomponistInnenförderung des Landes Oberösterreich unter dem Projekt KlangFluss, das OÖ Kulturquartier als gemeinsame Klammer aller Kultureinrichtungen, die Anton Bruckner Privatuniversität, die Landesmusikdirektion mit dem Landesmusikschulwerk, die mit 68 Hauptanstalten und 87 Zweigstellen einen flächendeckenden Zugang zum Erlernen von Instrumenten ermöglicht, das Landes­theater, das Musiktheater, die Oberösterreichische Landesausstellung Mensch & Pferd in Stadl-Paura – die kann ich nur empfehlen, ich habe sie am vergangenen Wochenende besucht; es sind alle herzlich willkommen, die sich informieren wollen –, das Adalbert-Stifter-Institut und so weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 10 Minuten sind wesentlich zu wenig, um die Kulturpolitik Österreichs betreffend Anspruch und Wirklichkeit zu durchleuchten, aber ich glaube, das wird nie ganz vollkommen sein. Der Weg ist das Ziel in der Kultur­politik – und ich glaube, wir sind in Österreich auf einem guten Weg! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

9.22


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


9.22.49

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus und vielleicht auch zu Hause, die sich unsere Sendung via Internet anschauen, da wir ja heute wieder einmal keine ORF-Übertragung haben! Herr Minister, Sie gelten ja einerseits als durchsetzungsfähiger Politiker, andererseits aber auch als Schöngeist, und daher verstehe ich natürlich, dass Sie sich als solcher heute das Thema zeitgenössische Kunst, die Mobilität, Anwendung, Vernetzung et cetera gewählt haben. In Zeiten wie diesen kann ich das durchaus verstehen. Sie sind aber nicht nur Kulturminister, sondern Sie sind auch Kanzleramtsminister der Regierung Faymann II gewesen, der Ihnen jetzt allerdings abhandengekommen ist. Sie galten in den Medien immer als sein alter Ego, man hat immer gesagt: Ohne den Ostermayer geht überhaupt nichts! Wir wären somit der Meinung gewesen, dass man angesichts der jüngsten Ereignisse nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen kann und sich über zeitgenössische Kunst unterhalten sollte.

Kunst und Kultur sind durchaus wichtig, darin sind wir uns einig. Kollegin Grimling hat uns soeben genau erklärt, welche Förderungen es gibt, welche Projekte gefördert werden, Anzahl und Art und Weise. Gerade bei diesen Förderungen steht auch immer wieder der Vorwurf im Raum, dass viele der geförderten Künstler als Staatskünstler zu bezeichnen sind, die dann natürlich nach dem Motto vorgehen: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!, und das ist etwas, das nicht sein sollte; ob jetzt berechtigt oder unbe­rechtigt. Sie wissen, wir haben immer wieder der Absetzbarkeit des privaten Spon­so­rings das Wort geredet, wir sind überhaupt mehr dafür, dass sich Kunst privat vermarkten muss, versuchen muss, Kunstliebhaber zu finden, die bereit sind, Kunst­werke zu kaufen oder auch Künstler zu fördern. Wir wollen nicht in das Mäzenatentum zurückverfallen, wie das vor 500 Jahren üblich war, aber ich glaube trotzdem, eine gewisse Unabhängigkeit der Künstler, und zwar mehr als jetzt, sollte gegeben sein.

Herr Minister, Sie sind, wie gesagt, nicht nur für Kunst, sondern eben auch für Medien zuständig, und das wäre jetzt zum Beispiel ein Thema, über das ich mich gerne unterhielte, denn wenn man sich angesichts der Bundespräsidentenwahl – beim ersten Wahlgang und jetzt auch vor dem zweiten Wahlgang – anschaut, was der sogenannte


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unabhängige ORF macht, dann muss man sagen, das ist wirklich beschämend und überhaupt nicht im Einklang mit seinem Auftrag, nämlich einerseits dem Bildungs­auftrag und andererseits dem Auftrag zur Verpflichtung zu Objektivität.

Ich nehme jetzt als Beispiel – weil es auch in den Medien in den letzten Tagen so groß herausgebracht wurde – Dittlbacher, der im Rahmen einer ORF-Sendung einfach eine persönliche Meinung kundtut. Dittlbacher kann privat denken, was er will, er kann wählen, was er will, das ist ja selbstverständlich und muss nicht besonders erwähnt werden, aber es hat nichts in einer ORF-Sendung verloren, wenn er seiner Präferenz Ausdruck verleiht. Und dieser Vorwurf kommt nicht zum ersten Mal, da sollte man dringend etwas tun.

Gerade dazu passend, zur Unabhängigkeit des ORF und der Medien insgesamt: Der Radiotest wurde jahrelang manipuliert, damit im Zusammenhang steht ein finanzieller Schaden von bis zu 20 Millionen € im Raum. Worum geht es? – Es geht um die Tages­reichweite und den Marktanteil der beteiligten Radiostationen. Da wurden, so ist der Vorwurf, Manipulationen vorgenommen.

Beispiel Steiermark: Im zweiten Halbjahr 2015 wurden für Antenne Steiermark 24 Pro­zent Marktanteil ausgewiesen, sie hatte aber 31 Prozent. 5 Prozent dieser Differenz flossen zu Ö3 – Ö3 hatte somit 37 statt 32 Prozent –, 2 Prozent zu Radio Steiermark des ORF.

Das Gleiche gilt für Kärnten: statt 26 Prozent nur 22 Prozent für den Privatsender.

Das ist schon auch ein Sittenbild der Medienlandschaft, muss man schon sagen. Dass da Marktanteile manipuliert werden, ist ungefähr so wie der Abgasskandal, der ja auch noch nicht so lange her ist. Ich meine, da gehört dringend etwas getan, und ich denke, Sie als für die Medien zuständiger Minister sollten sich da vielleicht stärker einbringen!

Etwas, das Ihnen als Kulturminister auch sehr am Herzen liegt, ist das Haus der Geschichte, über das wir uns ja auch schon öfter unterhalten haben. Dazu möchte ich Ihnen nur sagen, wir haben vergangenen Montag eine wirklich tolle Veranstaltung am Cajetan-Felder-Institut gehabt, wir haben mit  Oliver Rathkolb, Kurt Scholz, Lothar Höbelt und anderen diskutiert. Natürlich hat es unterschiedliche Meinungen gegeben, wobei – das sage ich Ihnen auch durchaus gerne – sich dann alle, inklusive Walter Rosenkranz, doch irgendwie einig darin waren, dass man, wenn man etwas will, das in einer Regierung vorantreibt, und das haben Sie ja getan. Das ist etwas, wofür ich Ihnen Respekt zolle, auch wenn ich jetzt mit dem Haus der Geschichte, so wie Sie es planen, nicht einverstanden bin, aber ich bin an sich grundsätzlich der Meinung, wenn sich eine Regierung – jede Regierung – etwas vorgenommen hat, dann sollte sie das auch wirklich durchsetzen und auch wirklich machen. Dass Sie das beim Haus der Geschichte nicht getan hätten, kann man Ihnen nicht vorwerfen, wiewohl es dazu unterschiedliche Meinungen quer durch die Parteien gibt; wir sind nicht die Einzigen, die da kritisch sind.

Ich glaube trotzdem, in Zeiten wie diesen müssen wir uns viel mehr und dringend über die Probleme in unserem Land unterhalten. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in der gesamten Zweiten Republik, unser Budgetdefizit explodiert. Andere Staaten haben einen Budgetüberschuss, bei uns steigt das Budgetdefizit. Wir haben die Flüchtlings- und Zuwanderungswelle zu verkraften, und wir wissen nicht, wo wir sie unterbringen, wie wir sie unterbringen, weil uns die Wohnungen fehlen. Wir wissen nicht, wo sie arbeiten können, weil uns die Arbeitsplätze fehlen – 500 000 eigene Arbeitslose, eh schon eine Katastrophe –, und wir wissen auch nicht, wie wir sie in den Schulen unterbringen sollen. Darauf hatte die Regierung bislang keine richtige Antwort. Man hat sich darüber gestritten, ob der Zaun anders genannt werden muss, etwa Tür mit


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Seitenteilen, oder ob er doch Zaun genannt werden darf, und ähnliche Nebensäch­lichkeiten mehr. (Bundesrat Mayer: Zeitgenössischer Zaun!)

Das wären die wesentlichen Dinge, über die wir uns unterhalten sollten, und ich denke, dass Sie als Kanzleramtsminister dafür nicht ganz unzuständig sind!

Für Kunst und Kultur interessieren sich die Leute gerne dann, wenn alle anderen Probleme einigermaßen gelöst sind oder man das Gefühl hat, dass sie einer Lösung zugeführt werden. Aber solange das nicht passiert, wird man, glaube ich, mit dem Thema Kunst nicht wirklich einen Blumentopf gewinnen. Daher würde ich sagen: Nehmen wir uns zuerst einmal die ganz wichtigen Dinge vor und unterhalten wir uns dann gerne auch über Kunst – aber erst danach und nicht so quasi nach dem Motto: Ich leg’ alles andere weg, mach’ weiter wie bisher!

Das Kunstthema ist ein schönes Thema und durchaus auch ein wichtiges Thema, aber es lenkt halt von allem anderen, was im Moment tatsächlich im Brennpunkt steht, ab. Daher sagen wir, das Thema für diese heutige Aktuelle Stunde ist aus unserer Sicht einfach falsch gewählt. (Beifall bei der FPÖ.)

9.30


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


9.30.52

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte ZuhörerInnen hier und zu Hause vor dem Bildschirm! Gleich­behandlung, Mobilität und Vermittlung in der zeitgenössischen Kunst als Thema der heutigen Aktuellen Stunde lassen sehr viel Spielraum zu. Ich habe mir das Thema Gleichbehandlung im Film herausgesucht, das den zeitgenössischen Film natürlich miteinschließt. Kollegin Grimling ist vorhin schon darauf eingegangen, ich werde auch noch auf ein paar Punkte dazu zu sprechen kommen.

Im Vergleich zu vielen anderen Branchen ist gerade im Kunst- und Kulturbereich die Gleichbehandlung – Gott sei Dank! – in den meisten Bereichen schon sehr gut um­gesetzt. Ich rede von den meisten Bereichen, und das impliziert ja auch schon, dass es noch Bereiche gibt, wo Aufholbedarf besteht, und das ist einerseits im Bereich der E-Musik der Fall und andererseits eben im Bereich Film. Filmfördergelder werden bis jetzt nicht gendergerecht verteilt. Die österreichische Filmbranche ist generell und auch traditionell sehr stark männlich dominiert. Wir kennen das auch aus anderen Studien­richtungen: obwohl – auch im Bereich Film seit ungefähr zehn Jahren – gleich viele Männer wie Frauen studieren, sind weit weniger Frauen als Männer dann auch in führenden Positionen, in starken Positionen tätig; so auch in der Filmbranche.

Ich habe ein paar Zahlen, Daten und Fakten, um das ganze Dilemma ein bisschen auf­zuzeigen. Es gibt im Moment zum Beispiel überhaupt nur eine Professorin an der Wiener Filmakademie, alle künstlerischen Professuren sind schon lange von Männern besetzt. Es gibt nur sehr wenige heimische Produktionsfirmen, die von Frauen geleitet werden; wir reden da wirklich von einem kleinen, einstelligen Prozentsatz. Es fehlen festgeschriebene Quoten in wichtigen Entscheidungsgremien. Generell arbeiten in der Filmbranche schon sehr viele Frauen, aber eben trotz guter Ausbildung nur sehr wenige als Produzentinnen oder Regisseurinnen. Der FC Gloria – das ist eine seit 2010 existierende Interessenvertretung von und für Frauen in der Filmbranche – hat auf­gezeigt, dass bis jetzt etwa nur ein Viertel der gesamten Filmförderung in Österreich – das sind jährlich rund 55 Millionen € – an weibliche Filmschaffende vergeben wird.

Ich zitiere jetzt diese Zahlen vom FC Gloria, weil es nämlich genau solche Erhebungen seitens des Ministeriums nicht gibt, und das ist einfach ein sehr großes Defizit. Die


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Verteilung der österreichischen Filmfördermittel auf die Geschlechter wird vom Minis­terium nicht detailliert genug erhoben, und das macht es natürlich auch extrem schwer, die Ursachen für diese männerlastigen Förderungen im Filmbereich zu finden.

Wie meistens in solchen Fällen gibt es dann andere europäische Länder als Vorbilder, weil man dort auf diese Ungleichverteilung schon reagiert hat. Seit Jahren gibt es zum Beispiel in Schweden ein Quotensystem für Filmförderung, das eine gerechtere Ver­teilung der Fördermittel auf beide Geschlechter vorsieht, und zwar derart, dass in den verschiedenen Bereichen der Förderung – also Drehbuch, Produktion, Regie – im Jahresschnitt nie ein Geschlecht mehr als 60 Prozent der Fördermittel erhält. Also man behält sich dort eine kleine Schwankungsbreite vor, man gibt nicht genau 50 Prozent vor, weil das auch schwierig einzuhalten ist.

Es ist auch gerade in Österreich sicher nicht die Qualität, an der es liegt, dass Frauen weniger Fördermittel bekommen, ganz im Gegenteil! Filme von österreichischen Regis­seurinnen schneiden bei internationalen Filmfestivals meistens sehr, sehr gut ab, wer­den sehr hoch gelobt, und das, obwohl sie auch meistens mit viel weniger Budget auskom­men als Filme ihrer männlichen Kollegen. Uns ist es ein ganz großes Anliegen, dass Frauen im heimischen Filmschaffen mehr gestärkt werden, gerade weil der Film gesell­schaftspolitisch eine so wichtige Rolle einnimmt und einfach ein sehr relevantes Medium dafür ist. Kulturförderung sollte unserer Meinung nach im Filmbereich die Rah­men­bedin­gun­gen dafür schaffen, dass weibliche Filmschaffende ihr Potenzial voll ausschöpfen können und es sozusagen auch zu einer echten Gleichbehandlung kommt.

Im Nationalrat haben die Grünen im Kulturausschuss einen Entschließungsantrag genau zu diesem Thema Frauenförderung in der Filmbranche eingebracht. Als erster Schritt ist darin vorgesehen gewesen, dass es eine wirklich umfangreiche Evaluierung durch das Ministerium gibt und dann darauf aufbauend im Sinne des Gender Bud­ge­tings bei der Mittelvergabe die Geschlechter berücksichtigt werden. Es hat damals eine allgemeine Zustimmung gegeben, und der Antrag ist vertagt worden mit der Ankün­digung, dass das Ministerium bis Juni selbst etwas in diese Richtung erstellen wird.

Ich wollte Sie, Herr Minister, jetzt eigentlich fragen, wie weit das Projekt schon fortge­schritten ist, weil wir dazu noch keine Details haben. Kollegin Grimling ist mir jetzt ein bisschen zuvorgekommen und hat schon angekündigt, dass die Arbeitsgruppe im Ministerium zu diesen Themen schon gearbeitet hat und Gender Budgeting ab 2016 auch wirklich umgesetzt werden soll – also bis jetzt ist noch nichts davon zu sehen, und jetzt haben wir schon fast Mitte 2016 – und dass diese Arbeitsgruppe auch schon eine Quotenregelung für Gremien erarbeitet hat. Auch das ist bis dato noch nicht umgesetzt worden.

Also ich freue mich, dass das erarbeitet worden ist, nur ist bis dato noch nichts davon umgesetzt worden. Ich hoffe, dass das sehr bald in Kraft tritt, damit es auch wirklich zu einer Gleichbehandlung der Geschlechter kommt. Ich hoffe, dass das komplett umgesetzt wird und die von mir gerade aufgezählten Defizite dann auch sehr bald der Vergangenheit angehören. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

9.36


Präsident Josef Saller: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


9.36.54

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident, das ist jetzt die größte Herausforderung, die Sie an mich stellen, aber ich werde mich bemühen, die Redezeit einzuhalten.


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Sehr geehrte Bundesräte und Bundesrätinnen! Sehr geehrte Frau Mühlwerth! Wir haben in einem Punkt – vermutlich nicht nur in einem Punkt – halt ab und zu, immer wieder, sehr oft, wie immer man das jetzt sagen will, unterschiedliche Positionen. Wenn Sie sagen, mit Kunst kann man keinen Blumentopf gewinnen und Kunst und Kultur sollen sozusagen erst Thema sein, wenn alle anderen Probleme gelöst sind, dann haben wir einen fundamentalen Auffassungsunterschied, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: nicht nur, dass ich, solange ich mich zurückerinnern kann, an Kunst und Kultur interessiert war, ich bin auch ganz felsenfest davon überzeugt, dass es eine Essenz, ein Kernelement einer aufgeklärten Gesellschaft ist, dass man Kunst und Kultur wertschätzt.

Es ist übrigens auch ein Gradmesser für die Reife einer Demokratie, wie man mit Kunst und Kultur umgeht, also welches Ausmaß an Freiheit man Kunst und Kultur und übrigens auch Medien gewährt. Man sieht überall dort, wo Tendenzen sind, Demo­kratie einzuschränken, dass man das zuerst in diesen beiden Feldern, die ich genannt habe, tut. Deshalb bin ich der Auffassung, dass es ganz wichtig ist, den Bereich von Kunst und Kultur zu stärken und nicht ganz hintanzustellen.

Abgesehen davon: Das Haus der Geschichte ist auch ein wesentliches Konjunktur­projekt, weil es auch Arbeitsplätze sichert oder vielleicht auch Arbeitsplätze schafft – nein, nicht nur vielleicht, sondern weil es Arbeitsplätze schafft, wenn es realisiert ist. Also es hat auch mit dem Thema Bekämpfung von Arbeitslosigkeit etwas zu tun, aber auch mit dem Thema Umgang mit der Vergangenheit und so weiter, und damit: Wie bringen wir die Erkenntnisse aus der Vergangenheit an die jungen Menschen, an die nächsten Generationen weiter?

Ich danke auch für Ihren Hinweis auf die Veranstaltung im Cajetan-Felder-Institut. Mir wurde auch erzählt, dass es eine sehr gute Diskussion war, und das ist schon viel wert. Also wenn man sagt, es war eine gute Diskussion, dann haben wir für die Demokratie sozusagen wieder ein Stück Absicherung erreicht.

Also weil ich der Auffassung bin, dass Kunst und Kultur etwas ganz Wesentliches ist in einer entwickelten, in einer aufgeklärten Gesellschaft, habe ich auch intensiv darum gekämpft – und danke, Gottfried Kneifel, für die Anerkennung, dass ich gut verhandelt habe –, dass das Budget für Kunst und Kultur nicht reduziert wird, sondern trotz im letzten Jahr weggefallener Belastungen für Museumsquartier, für Erl gleich bleibt und es zusätzliche Mittel gibt.

Ich möchte dafür auch ganz ausdrücklich Herrn Bundesminister Schelling danken, dass er das verstanden hat, und ganz besonders – Sie werden, nehme ich an, ver­stehen, dass das für mich jetzt nicht eine ganz leichte Situation ist –, ganz besonders auch Bundeskanzler Faymann. Er hat es mir ermöglicht, er hat mir die Rückendeckung gegeben, dass ich eben auch so verhandeln konnte und dass wir erfolgreich für den Bereich Kunst und Kultur in der Regierung jedenfalls schon einen Finanzrahmen verabschiedet haben – im Parlament muss es noch beschlossen werden –, wo wir zusätzliche Mittel vorsehen, wo das Budget für Kunst und Kultur steigt, wo für das Leopold Museum zusätzliche Mittel vorgesehen sind, wo die ersten Mittel für die Abwicklung der Ausschreibung auch des Wettbewerbs der Baumaßnahmen für das Haus der Geschichte enthalten sind, wo wir zusätzliche Mittel haben, um im Bereich der zeitgenössischen Kunst und Kultur Gelder zur Verfügung zu stellen.

Und dabei geht es auch um Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit. Es geht um soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern. Wir haben in der Vergangenheit


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den großen Schritt zustande gebracht, Verbesserungen im Bereich der Künstlersozial­versicherung zu realisieren. Wir haben jetzt vorgesehen, dass wir bei Gewährung von Stipendien, zum Beispiel im Fall von AlleinerzieherInnen, zusätzliche Beträge zur Verfügung stellen. Wir haben abgesichert, dass die Bundestheater, dass die Bundes­museen die jetzt notwendigen Beträge erhalten. Und wir müssen natürlich – ich oder wer immer es ist – dann im Herbst auch verhandeln, dass es zusätzliche Mittel für die Bundesmuseen gibt, damit die Kostensteigerungen, die durch Gehaltserhöhungen für das Personal eintreten, auch entsprechend abgegolten werden.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass nicht nur die großen Einrichtungen die notwendigen Mittel haben, sondern dass auch die kleinen Initiativen, Kulturinitiativen, regionale zeit­ge­nössische Kulturinitiativen entsprechende Unterstützung erhalten, weil im Unter­schied zum amerikanischen System, das sozusagen davon abhängig ist, dass private Personen Geld zur Verfügung stellen, wir in Europa ein grundsätzlich anderes System haben, nämlich es als staatliche Aufgabe erachten, dass auch zeitgenössische Kunst entsprechend unterstützt wird.

Ehrlich gesagt: Dass dann Menschen, die Stipendien erhalten, Auslandsstipendien erhalten, die in Kultureinrichtungen, die staatlich unterstützt werden, gefördert werden, immer als Staatskünstler bezeichnet werden – und Sie meinen es ja, wie ich annehme oder vermute, negativ –, ist eine Verunglimpfung, und die will ich wirklich ganz dezidiert zurückweisen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Auf das „Haus der Geschichte“ gehe ich jetzt nicht näher ein. Wir haben das auch hier schon intensiv diskutiert. Ich möchte mich aber bei dieser Gelegenheit bei allen bedanken, die so intensiv mitgewirkt haben, auch beim Koalitionspartner, bei meinem Koordinationskollegen Harald Mahrer, dass wir jetzt so weit sind, dass einerseits das Gesetz beschlossen wurde, andererseits jetzt auch die notwendigen Mittel zur Verfü­gung stehen, um die Ausschreibungen vorzunehmen.

Ich lasse jetzt die Details aus, wo wir im zeitgenössischen Bereich jetzt zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Auslandsstipendien habe ich schon erwähnt. Digitalisie­rung wurde angesprochen als einer der wesentlichen Faktoren bei der Vermittlung des Zuganges. Gratiseintritt für Kinder und Jugendliche ist ohnehin bekannt, wird natürlich fortgeführt, weil es zu einem verbreiterten Zugang zu Kunst und Kultur geführt hat.

Wir haben einige weitere Initiativen gestartet: den Österreichischen Buchpreis, um österreichische Autoren, Autorinnen, Verlage zu unterstützen, die Wichtigkeit des Mediums Buchs zu unterstreichen. Es hat 119 Einreichungen gegeben. Ich denke, das ist ein Beweis dafür, dass es ein richtiger Schritt war, auch einen Österreichischen Buchpreis ins Leben zu rufen.

Wir haben einen Wettbewerb zum Thema „zusammen:wachsen – Kunst und Integra­tion“ ausgeschrieben: Welche Initiativen können wir unterstützen, die das Thema Integration fördern, unterstützen? Das wird übrigens auch ein Thema bei der Architek­turbiennale in Venedig sein: Wie kann man innovativ Räumlichkeiten für Asylwerber und Asylwerberinnen, für Asylsuchende zur Verfügung stellen?

Auf den österreichischen Film möchte ich noch kurz eingehen. Wir haben auch das Budget für den sogenannten innovativen Film erhöht. Dort ist übrigens die Verteilung Männer/Frauen eine ganz andere. Da sind es nämlich überwiegend Frauen, an die die Fördermittel gehen. Wir sind gerade dabei und haben uns das mittlerweile auch schon intensiv angeschaut, wie das funktioniert. Filmakademie ist nicht meine Zuständigkeit,


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aber ich will mich gar nicht wegbewegen von dem ganzen Thema und der Wichtigkeit dieses ganzen Themas. Ich habe auch mit der Rektorin schon ein Gespräch geführt. Und was wir jetzt gerade ganz intensiv diskutieren mit der Filmbranche, mit den Regisseuren, mit den Produzenten et cetera, das sind die Gremien, die Gremien im Filminstitut, deren Zusammensetzung, die Projektkommissionen, wo es darum geht, wie wir da besser werden können. Da gibt es einige Vorschläge, die wir mit den Akteuren aus der Branche ganz intensiv diskutieren.

Als letzten Punkt will ich noch anführen, was auch zum Thema zeitgenössische Kunst, Vermittlung und so weiter gehört: Wir haben in Österreich eine intensive Tradition und eine sehr lebendige Szene im Bereich der Fotografie. Wir haben eine Sammlung des Bundes, die in Salzburg ist. Es gibt auch viele Aktivitäten in Graz, in Salzburg mit dem Fotohof und so weiter. Wir diskutieren aber auch mit unterschiedlichen Personen über ein Museum für Fotografie in Wien, weil es, glaube ich, ein großes Interesse daran gibt und da eine gewisse Lücke besteht. Das ist aber erst am Beginn der Diskussion, wo natürlich noch alle möglichen Fragen, Fragen der Finanzierung und so weiter, zu klären sind.

Es gibt einige Dinge, die im Laufen sind. Ob und wer das dann umsetzt, wird sich nächste Woche weisen. Ich danke jedenfalls allen meinen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett, in der Sektion, auch den vielen Künstlerinnen und Künstlern und Kulturschaf­fenden für all das, was sie bisher im Bereich von Kunst und Kultur geleistet haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

9.48


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach Beratung in der Präsidialkonferenz die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


9.48.42

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ich möchte in meiner Rede vor allem auf die Bedeutung von Kunst und Kultur eingehen, aber auch darauf hinweisen, dass zeitgenössische, moderne, kritische Kultur auch und vor allem im ländlichen Raum auf Widerstand stoßen kann.

Kultur ist etwas, was mit Demokratie zu tun hat. Kultur hat sehr viel mit Identität zu tun; deswegen ist Kunst und Kultur jederzeit und alltäglich wichtig und notwendig, weil Kunst und Kultur eine Frage der Teilhabe an unserer Gesellschaft ist. Ich verknüpfe Kunst und Kultur mit der Identität eines Landes. Es ist für mich ein Stück Geschichte. Es ist für mich etwas, was auf Erlebnissen und Erkenntnissen aufgebaut ist. Kunst und Kultur zeugt von früheren Zeiten und gesellschaftlichem Wandel und überdauert die Jahrhunderte, daher ist Kunst und Kultur auch ein Stück Gegenwart, und deswegen muss man das stärken, muss man das schützen und bewahren. Und man muss auch Maßnahmen setzen, damit das auch erfolgen kann.

Als Lehrerin bin ich immer sehr bedacht, dass nicht nur getadelt, sondern auch gelobt wird. – Ich möchte mich bei dir, lieber Herr Minister, recht herzlich bedanken; bedanken dafür, dass du im Bereich der Kunst und Kultur, mit der Ausnahme Film zum Beispiel, was Nicole Schreyer schon gesagt hat, bei der Kulturförderung das Gender Budgeting


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berücksichtigt hast. Das heißt, seit 2014 ist die Kunstförderung als Ganze zu 51 Pro­zent an die Männer und zu 49 Prozent an die Frauen gegangen. Das ist ein richtiger Schritt, das ist fast das gleiche Ausmaß für beide Geschlechter, das ist praktisch halbe-halbe, so wie wir uns das vorstellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aber nicht nur in der finanziellen Sache, sondern auch bei der Personalpolitik hast du Geschlechtergerechtigkeit verlangt und auch durchgesetzt. Für die Alleinerziehenden hast du praktisch eine Erhöhung der Stipendien bewirkt, mit deiner Konsequenz, mit deiner Hartnäckigkeit – und wir wissen, dass gerade Alleinerziehende große Herausfor­derungen meistern müssen. Auch die geförderten Einrichtungen wurden aufgefordert, bei Auftragsvergabe, bei Veranstaltungsprogrammen Geschlechtergerechtigkeit zu berücksichtigen. 2015 haben Komponistinnen gesagt, dass ihre Arbeit stärker wahr­genommen worden ist. Es wurden auch mehr Kompositionsaufträge an Frauen erteilt. Und im Bereich der Moderne gibt es mehr Kuratorinnen als Kuratoren. Das ist ein richtiger Schritt, ein Weg, der fortgesetzt werden muss – vor allem auch hinsichtlich Einkommensungleichheit, die es noch immer gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur diese finanzielle Förderung ist ein ganz wichtiger Punkt, ich meine, dass Kunst und Kultur auch geschätzt und akzeptiert werden muss. Wertschätzung, Akzeptanz, Offenheit, etwas anderes zuzulassen, sich für etwas anderes einzusetzen, das ist der Weg, den wir gehen sollen – und zwar nicht nur vonseiten der Politik, sondern auch vonseiten der Förderstellen, vonseiten des Publikums, der Medien und der Meinungsmacher und Meinungsmacherinnen, denn ich glaube, dass bestehende Vorurteile gegenüber Kulturschaffenden und Künstlerinnen und Künstlern das Kulturschaffen erschweren. In einem Klima, in dem generell wenig Akzeptanz, wenig Wertschätzung, wenig Interesse entgegengebracht wird, ist es sehr schwierig, eine kontinuierliche Arbeit und das Engagement aufrechtzuerhalten.

Ich habe schon gesagt, dass zeitgenössische Kunst und Kultur auf Schwierigkeiten stößt. Während Volks- und Traditionskultur häufig konventionelle Themen bevorzugt, zeichnet sich Zeitgenössisches in Kunst und Kultur dadurch aus, dass es in Bezug auf Inhalt ein gewisses kritisches Potenzial beinhaltet. Zeitgenössisches kann eine Irrita­tion traditioneller Werte, Wahrnehmungen, Ästhetiken darstellen und ist oft mit Wider­ständen und besonderen Herausforderungen konfrontiert. Das kann so weit führen, dass Projekte sogar eingestellt werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, als Kärntnerin möchte ich ein positives Beispiel nennen, und zwar die Kulturinitiative Gmünd in Kärnten. Die Kulturinitiative Gmünd und die Stadtgemeinde nützen die Chance, diesen kulturellen Mehrwert, diesen wirtschaft­lichen Mehrwert zu leben, die ganze Stadt lebt Kunst. Die Kulturinitiative Gmünd und die Stadtgemeinde sehen die KünstlerInnenstadt als Chance für eine positive Stadtent­wicklung. Es ist für unser Land Kärnten ein Bildungszentrum, und ich möchte euch heute schon einladen: Versäumt es nicht, besucht Gmünd! Ihr werdet eine Atmosphäre spüren, ein Zusammenspiel von Alltag, Kunst, Demokratie und Gesellschaft.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)


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9.55


Präsident Josef Saller: Herr Bundesrat Mag. Gödl ist als Nächster zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


9.55.56

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich in der gebotenen Kürze dem Thema Vermittlung von Kunst und Kultur widmen werde, um auch den Bogen abzurunden, möchte ich noch zwei Anmerkungen machen.

Herr Minister, ich bin dankbar für Ihre Klarstellung gegenüber Kollegin Monika Mühlwerth, dass Kunst und Kultur nicht ein Anhängsel einer Gesellschaft oder einer Demokratie sein darf – so, als dürfte das nur dann besprochen werden, wenn alles andere geregelt wäre, denn dann hätte man wahrscheinlich beziehungsweise ganz sicher nie Zeit dafür. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie das klargestellt haben, und teile da auch komplett Ihre Ansicht, Herr Minister.

Am Schluss Ihrer Rede haben Sie sich ausführlich bedankt, das hat so ein bisschen – wir haben in den Reihen darüber auch gescherzt – nach Abschiedsrede geklungen. Jetzt weiß ich nicht, ob Sie schon mehr wissen als wir, dass die Regierungsumbildung auch in diesem Bereich Neues bringt.

Danke auch für deine Worte, Kollegin Blatnik! So sehen wir es auch: Kunst und Kultur hat unweigerlich mit Identität zu tun, mit Betrachtung der Vergangenheit, mit Schlüs­sen, Ergebnissen für die Gegenwart und natürlich auch für die Zukunft einer Gesellschaft. Als Vertreter der Steiermark, glaube ich, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass gerade in der Steiermark zeitgenössische Kunst und Kultur einen ganz fruchtbaren Boden hat. Das Festival steirischer herbst – ich darf auch Werbung machen wie Kollege Kneifel vorhin oder wie auch du – wurde bereits 1968 ins Leben gerufen, von einem in der Steiermark und auch darüber hinaus sehr bekannten Kultur­politiker, von Hanns Koren.

Es war insofern, finde ich, bemerkenswert, als ausgerechnet eine konservative Partei – das war ja die Steirische Volkspartei, die innerhalb der Volkspartei immer als sehr innovativ gegolten hat – diesen steirischen herbst damals ins Leben gerufen hat und dadurch auch sehr viel Widerspruch geerntet hat. Es benötigt aber eben auch Wider­spruch, um Raum für neue Entwicklungen, neue Gedanken, neue Ideen aufzumachen.

Der steirische herbst findet übrigens jedes Jahr im September und Oktober statt. Ich darf alle herzlich einladen, ihn zu besuchen. Sein zentrales Merkmal ist die Vernetzung von verschiedenen Kunstdisziplinen: Theater, bildende Kunst, Film, Literatur, Tanz, Musik, Architektur, Performance, Neue Medien und Theorie; deswegen wird er auch als ein Mehr- oder ein Allspartenfestival bezeichnet – aber die Werbeeinschaltung soll jetzt damit abgeschlossen sein.

Ich möchte die heutige Aktuelle Stunde aber auch ein bisschen anders sehen, weil im Titel der Aktuellen Stunde auch das Wort „Vermittlung“ steht. Ich möchte ein bisschen von der zeitgenössischen Kunst weggehen und die Betrachtung auf eine generelle Frage lenken: Was heißt Kunstvermittlung in Zeiten wie diesen? Kollegin Grimling und auch Kollege Kneifel haben schon darauf hingewiesen, dass es ja eindeutig ist, dass Digitalisierung alle Lebensbereiche erfasst und auch viele Verhaltensmuster, auch des Publikums, verändert. Kunst findet ja nur dann statt, wenn es auch ein Publikum gibt, das Kunst konsumiert; diese gegenseitige Anerkennung gehört dazu. Und da stellt sich die Frage – ich denke, Herr Minister, Sie werden sich noch einmal zu Wort melden –: Wie sieht es mit der Stärkung der Kunst gerade im Sinne eines Vermittlungsauftrags der öffentlichen Hand aus, dass Kunst vermittelt wird?

An den Spielstätten in Graz – Oper, Schauspielhaus, also bei der Theaterholding Graz/Steiermark GmbH – machen sich die Verantwortlichen unter der Geschäfts-


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führung von Mag. Bernhard Rinner gerade Gedanken über die Frage: Wie geht man damit um, dass sich auch das Publikum an sich sehr stark verändert? Es ist nämlich irgendwie zu bemerken, und das sagt auch eine Studie aus, dass das klassische Bildungsbürgertum – das aufgebaut ist auf einem humanistisch geprägten Bildungs­ideal mit einem klar abgegrenzten Kanon aus klassischen Formaten der Hochkultur im Bereich Literatur, Musik, bildender Kunst et cetera – in Summe gesehen auf dem Rückzug ist und das Bildungsbürgertum heute nicht mehr so eindeutig definiert werden kann, wie es einst war.

Was meine ich damit? – Das Bildungsbürgertum zerfranst quasi, und der Journalist Ulf Poschardt, ehemaliger Chefredakteur von „Vanity Fair“, hat vor einigen Jahren quasi als Gegenpol zum Begriff des Bildungsbürgers, oder als Weiterentwicklung von die­sem, den Begriff des Geschmacksbürgers geprägt. Er hat das recht anschaulich gegenübergestellt, deswegen möchte ich hier die Gelegenheit nutzen – auch wenn das Licht auf dem Rednerpult schon leuchtet –, diese neue Stilrichtung des Bürgers auch ein bisschen zu beschreiben.

Die Bildungsbürger hat er so beschrieben: Sie konsumieren Kunst, weil es von ihrer Identität und dem dazugehörigen Bildungskanon vorgegeben ist. Übertrieben kultur­interes­siert, bauen sie Sprach- und Bildungsbarrieren auf, um ihren Status zu sichern. Motto: Lernen aus der Vergangenheit. – Die Geschmacksbürger konsumieren Kunst, wenn es ihr individuelles Identitätsprojekt unterstützt. Sie kaufen nicht ein, sie wählen vielmehr aus; auf diese Art und Weise kuratieren sie ihren Lebensstil. Motto: Man gönnt sich ja sonst auch alles.

Die folgenden sichtbaren Merkmale unterscheiden Bildungsbürger und Geschmacks­bürger. Bildungsbürger: die Bibliothek zu Hause, gefühlte intellektuelle Überlegenheit, das Oper- und Theaterabonnement und ein hohes Standesbewusstsein. Die sichtbaren Merkmale des Geschmackbürgers: die Designerküche, hoher ästhetischer Anspruch, der persönlich bekannte Starwinzer, Stararchitekt, Starkoch. (Bundesrat Mayer: Und voller Kühlschrank!) – Voller Kühlschrank vielleicht auch, ja.

Also diese Neudefinition ist ganz interessant, und einhergehend damit auch die Frage: Wie wird in Zukunft Kunst vermittelt? – Der Opernchef von Lyon Serge Dorny hat, als positives Beispiel, bei der Oper in Lyon – ich komme schon zum Schluss – im Rahmen seines Ensembles vier Pädagogen angestellt, um etwa Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen aktiv bei der Kulturvermittlung zu unterstützen, weil einfach sichtbar wird, dass in dieser neuen Zeit der Digitalisierung, in dieser Multioptionsgesellschaft, gerade auch der Kulturvermittlung für den Kulturerfolg eine besondere Bedeutung zukommt.

Daher möchte ich Sie fragen, Herr Minister, im Lichte dessen, was ich jetzt ausgeführt habe: Welche Strategien der Kunst- und Kulturvermittlung verfolgen Sie gerade, ange­sichts dessen, dass die Zugänge und die Ansprüche des Publikums heute durchaus sehr stark in Veränderung begriffen sind? Ob Bildungsbürger oder Geschmacksbürger, das Publikum und der Konsument sind wählerischer denn je.

In diesem Sinne danke auch für Ihre Arbeit, aber vielleicht können Sie noch eine kurze Replik auf die Frage, wie Kulturvermittlung in Ihrem Sinne auch in Zukunft betrieben werden soll, geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

10.03


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 29

10.03.25

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Ich möchte die Aktuelle Stunde dazu verwenden, um von der zeitge­nössischen Kunst zur zeitgemäßen politischen Kunst, die Zukunft zu gestalten, zu kommen, und darf dazu ein Zitat von Goethe anführen:

„Wer lebt, muss auf Wandel gefasst sein.“ „Es gibt kein Vergangenes, das man zurück­sehnen dürfte, es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen des Vergangenen gestaltet, und die echte Sehnsucht muß stets produktiv sein, ein neues Beßres erschaffen.“

Ich meine, wir sollten auch über eine neue, bessere politische Kultur diskutieren. Ich bedanke mich bei Ana Blatnik, dass sie Gmünd erwähnt hat, und damit ein Kärntner Vorzeigeprojekt. Ich möchte aber auch festhalten, dass ein freiheitlicher Bürgermeister dort auch ein wesentlicher Motor dieses Projekts ist. Ich darf aber auch festhalten, dass ein SPÖ-Bürgermeister in Bleiburg/Pliberk im Zweisprachengebiet ein wesent­licher Motor für die Volkskunst und für die Kunst insgesamt im Werner-Berg-Museum mit Kiki Kogelnik ist. Das heißt, wir sollten in Österreich keine politischen Ansprüche stellen, dass Politik beziehungsweise Kunst politisch gefärbt ist.

Ich würde mir aber auch wünschen, dass wir die Kunst, die Zukunft zu gestalten, vielleicht doch auch neu definieren, und ich bewerte die Abhaltung dieser Aktuellen Stunde durchaus auch als einen Stil, der nicht immer in diesem Haus stattfindet.

Ich glaube, dass gerade Josef Ostermayer und ich bewiesen haben, dass wir eine de facto unlösbare Frage, den Kärntner Volksgruppenstreit, erledigen konnten, weil wir eine Kultur des Diskutierens, des Verhandelns, des Abwägens, des Respektierens, aber letztendlich auch des Umsetzens ins Ziel gebracht haben. Wir haben nicht vorher Interviews gegeben und Aussagen darüber gemacht, was geht oder nicht geht, sondern wir haben vorher verhandelt und gemeinsam mit allen Verhandlungspartnern die Kultur der Mitteilung sozusagen vollzogen, um damit auch zu zeigen, dass man vielleicht wirklich eine neue Kultur braucht, um die Zukunft zu gestalten, ein neues Besseres zu erschaffen. Ich glaube, das muss uns politisch, egal, ob Regierung oder Opposition, alle beseelen.

Dazu gehört aus meiner Sicht jedenfalls auch, dass Ausgegrenzt-Werden oder Aus­grenzen keine politische Kultur ist. Es kann nicht sein, wenn 78 Prozent der Arbeiter einen blauen Kandidaten wählen, dass diese auf einmal, von gestern auf heute, schlechte Menschen sind. Die haben ihre Gründe, und ich habe zu akzeptieren, was der Wähler für richtig hält. Und ich denke mir, dass die Zeit des Ausgrenzens auch eine Unkultur ist, die in Österreich keinen Platz haben darf. Es muss ein offenes Miteinan­der geben. Wir sind Vorbilder! Das erwarten sich die Menschen von uns, dass es uns gelingt, politische Kultur neu zu definieren. Lassen wir uns nicht von täglichen Umfra­gen treiben, lassen wir uns nicht von Schlagzeilen treiben, die dazu führen, dass man wieder ein paar Inserate schaltet und wieder der eine dem anderen erklärt, was er falsch macht, sondern leben wir eine neue politische Kultur! (Bundesrat Todt: Was ist das jetzt für eine Rede? Was ist das?)

Herr Kollege, du brichst die neue Kultur schon! (Bundesrat Todt: Worum geht es? Geht es um Kunst und Kultur, oder geht es um Ihre Parteipolitik?)  Herr Kollege, Sie benehmen sich sehr unkulturell! (Bundesrat Todt: Das ist ja mir wurscht!) Sie kommen ja aus einer Partei, die meint, die Hochkultur gepachtet zu haben, und benehmen sich sehr unkulturell. Ich meine, die Kultur beginnt hier im Hohen Haus, damit, dass wir einander zuhören. Ich rede auch ab und zu dazwischen – ich werde mir, gerade auf-


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grund dieser Aktuellen Stunde, so manchen vielleicht spontanen Zwischenruf in Zukunft sparen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Mayer. – Bravoruf bei der SPÖ.)

Ich glaube, wir haben dafür Sorge zu tragen – und ich bin stolz auf das Kulturland Öster­reich. Ich war in der Karwoche auf dem Balkan unterwegs – in Kotor in Monte­negro: eine Handschrift der österreichisch-ungarischen Monarchie, die unglaublich ist! In Laibach, in Zagreb, in Sarajevo und in vielen anderen Städten ist österreichische Kulturgeschichte unauslöschbar, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Ich möchte aber schon auch in Bezug auf die Arbeitswelt, die für mich auch eine kulturelle Umgebung ist, sagen: Fangen wir mit der Bildung an! (Bundesminister Sobotka betritt den Sitzungssaal und nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Grüß Gott, Herr Minister! Ich freue mich, Sie das erste Mal hier zu sehen. Ich fühle mich sehr sicher, wenn Sie da sind. (Heiterkeit.) – Das Kulturverständnis fängt im Kindergarten und in der Schule an. Wenn 40 Prozent der Kinder nicht sinnerfassend lesen können, dann ist das auch ein kulturtechnisches Defizit. Wir müssen bereits in der Familie, in der Kinderbetreuung und in der Schule mit kultureller Bildung beginnen!

Es leuchtet leider schon das Lämpchen auf dem Rednerpult, ich hätte noch vieles zu sagen. Ich meine aber letztendlich, dass dieses Streben nach Besserem die gemein­same Aufgabe sein muss – und daher braucht es eine neue Kultur.

Herr Bundesminister, ich denke nicht, dass heute eine Art Verabschiedung stattgefun­den hat, aber ich darf dir schon auch sagen – und das hat schon Monika Mühlwerth gesagt –, auch wenn man in verschiedenen Dingen anderer Meinung ist – das ist ja auch politische Kultur –, spürt man bei dir, dass dir die Kultur wirklich ein Kernanliegen ist. Vieles ist gelungen, über vieles gibt es verschiedene Ansichten. Ich kann zum Beispiel mit dem Thema Gendern überhaupt nichts anfangen (Bundesrätin Neuwirth: Macht nichts! Das machen eh wir!), aber wenn einmal zufälligerweise 80 Prozent einer Förderung, oder sollen es 100 Prozent sein, einem Frauenprojekt zukommen, dann wird es halt auch einmal 60 Prozent für Projekte, wie etwa in der Filmförderung, geben, die eher männlich sind. Ich halte diese gegenderte Welt für eine nicht praxistaugliche Welt. (Bundesrätin Blatnik: Jetzt brauchen wir noch kulturelle Gespräche!) Da unter­scheiden wir uns mit Sicherheit von so manchen Standpunkten.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir die Kultur des Miteinanders in Zukunft besser schaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.09


Präsident Josef Saller: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals Herr Bundesminister Ostermayer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und bitte ihn, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit nicht zu überschreiten. – Bitte.

 


10.09.27

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Danke, Herr Präsident! Ich glaube, ich werde die 5 Minuten nicht brauchen.

Ich wollte zu Herrn Bundesrat Gödl sagen, ich danke immer am Schluss – das kann man wahrscheinlich bei allen Reden nachlesen –, weil ich es so gelernt habe. Der eine Dank an die Kulturschaffenden war vielleicht zusätzlich, weil ich es eher ungewöhnlich finde oder es in unserem Land nicht üblich ist, dass sich Menschen so dezidiert äußern, und das eben eine Gelegenheit war, sich auch dafür zu bedanken.


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Es war nicht als Abschiedsrede geplant – um es gleich auf den Punkt zu bringen und das gleich klarzustellen –, wenngleich ich weiß, dass sich aufgrund unserer Bundes­verfassung der nächste Bundeskanzler sein Team aussucht und dies seine vollkom­men freie Entscheidung ist.

Zu Ihrer Frage zum Thema Kulturvermittlung: Es ist natürlich wesentlich, dass das, was wir tun oder was wir fördern und was die Kulturschaffenden tun, auch konsumiert wird. Wären alle Theater, alle Museen ständig leer, dann hätten wir irgendwann einmal ein Legitimationsproblem, da bin ich ganz bei Ihnen. Die glückliche Situation ist, es ist nicht so, sondern die Häuser sind gut besucht. Wir haben auch bei den Museen zuletzt wieder steigende Besucherzahlen gehabt. Es sind verschiedene Maßnahmen gesetzt worden, einerseits betreffend das Thema, das ich vorhin schon angesprochen habe, nämlich die Frage des Gratiseintritts bis 19, also für Kinder und Jugendliche. Das hat natürlich zum Teil auch den Effekt, dass von den Kindern, die gratis reingehen könn­ten, auch Eltern mitgenommen werden.

Ein wesentlicher Punkt der Vermittlung und des Zugangs zu Kunst und Kultur ist natürlich auch das Thema Digitalisierung. Damit sind wir in etlichen Häusern fertig, bei manchen ist das Projekt im Laufen.

Und schließlich – da pflichte ich Ihnen bei – ist es Aufgabe jeder einzelnen Institution, sich ständig die Frage zu stellen: Wie kann ich die Dinge, die ich zeige, in einer Ausstellung beispielsweise, bestmöglich vermitteln? Wie kann ich bei komplexeren zeitgenössischeren Musikstücken dafür sorgen, dass sozusagen der Inhalt, der neu ist, daher üblicherweise auch fremd ist, auch entsprechend verstanden wird, wahrge­nommen wird, Feinheiten, Nuancierungen herausgehört werden?

Worauf wir aber achten müssen, ist – weil Sie sozusagen diese beiden Typen gegen­übergestellt haben; ich denke, es gibt viel mehr Typen in unserer Gesellschaft, da sind wir uns, nehme ich an, einig –: Wir müssen vermeintliche Schwellen senken, dies darf aber nicht zu einer Verflachung, zu einer Simplifizierung führen, das darf nicht dazu führen, dass populär mit populistisch verwechselt wird. Also wir brauchen die Spitze, und wir brauchen die Breite, und es ist auch unsere Aufgabe, dass wir uns dafür einsetzen.

Also nochmals – und, bitte, ohne Missverständnis –: Vielen herzlichen Dank und auf Wieder­sehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

10.12


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Bundesminister. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich begrüße in unserer Mitte Herrn Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner und Herrn Bundesminister Mag. Wolfang Sobotka. (Allgemeiner Beifall.)

10.13.09 Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Josef Saller: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2883/AB-BR, 2900/AB-BR bis 2907/AB-BR sowie der

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Amtsenthebung der Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG und gleichzeitige Ernennung von Mag. Wolfgang Sobotka zum Bundesminister für Inneres gemäß Artikel 70 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten sowie eines weiteren


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Schreibens des Bundeskanzlers betreffend die Betrauung des Vizekanzlers Dr. Reinhold Mitterlehner mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der Bundesregierung bis zur Bestellung eines neuen Bundeskanzlers gemäß Artikel 71 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Erklärung des mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und dem Vorsitz in der Bundesregierung betrauten Vizekanzlers gemäß § 37 der Geschäftsordnung. Diese Erklärung wird den Punkt 1 der heutigen Tagesordnung bilden.

Schließlich eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Nominierung eines stellvertretenden Mitglieds des Ausschusses der Regionen, das ebenfalls in den Mitteilungen gemäß § 41 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden, enthalten ist.

Eingelangt sind zudem ein Schreiben des Bundesministers für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft und Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegen­heiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die Zusam­menarbeit im audiovisuellen Bereich und die

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Naturkatstrophen und tech­nischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention sowie die

Aufnahme von Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Hinsichtlich des Wortlauts dieser Schreiben verweise ich auf die ebenfalls im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 12)

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Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesministerin für Inneres gemäß Artikel 74 Absatz 3 B-VG und gleichzeitige Ernennung des Bun­desministers für Inneres gemäß Artikel 70 Absatz 1 B-VG durch den Herrn Bundes­präsidenten:


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Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Betrauung des Vizekanzlers mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der Bundesregierung gemäß Artikel 71 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten:

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Schreiben des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG:

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Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG:


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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Erklärung gemäß § 37 GO-BR:


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Präsident Josef Saller: Eingelangt sind überdies der ORF-Jahresbericht 2015 gemäß § 7 ORF-Gesetz und der Datenschutzbericht 2015, die dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurden,

sowie der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht 2014, der dem Ausschuss für Ver­kehr zur Vorberatung zugewiesen wurde,

und der 39. Bericht der Volksanwaltschaft – 1. Jänner bis 31. Dezember 2015 –, der dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates und jene Berichte beziehungsweise jener Entschließungs­antrag 219/A(E), die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ebenso bildet die Erklärung des Vizekanzlers einen Gegenstand der heutigen Tages­ordnung.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Josef Saller: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 und 6, 8 und 9, 15 und 16 sowie 19 und 20 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

10.17.391. Punkt

Erklärung des Vizekanzlers zur Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Ich darf dazu den Herrn Vizekanzler und Herrn Bundesminister Sobotka nochmals sehr herzlich begrüßen.

Bevor ich dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Vizekanzler abge­gebene Erklärung zur Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Nun erteile ich dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe der Erklärung zur Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


10.18.32

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Lieber Kollege Wolfgang Sobotka! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie immer Sie jetzt die Interpretation des Artikels 71 vornehmen und dazu stehen, hat es für Sie jedenfalls einen Vorteil, nämlich dass Sie heute nur eine Rede und nicht zwei Reden hören. Ich


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hoffe, dass es damit auch, zumindest was den Zeitablauf anbelangt, zu einer Verkür­zung für Sie kommt, ohne dass damit der Inhalt geschmälert wird.

Meine Damen und Herren, es ist vom Herrn Vorsitzenden schon angesprochen worden, dass der Grund für diesen Tagesordnungspunkt eine Regierungsumbildung und die Neuvorstellung des neuen Ministers ist. Wir haben am 21. April die freiwillige Absicht der Frau Innenministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner umgesetzt und sie ent­sprechend ihrem eigenen Wunsch damit auch von ihrer Funktion befreit und entlassen, und sie hat die Tätigkeit in der niederösterreichischen Landesregierung bereits übernommen. Ich möchte mich aber trotz allem, obwohl der Zeitablauf sehr schnell ist, auch bei der heutigen Gelegenheit noch einmal bei ihr für ihre Tätigkeit bedanken, die sie in einer wirklich herausfordernden Zeit absolut engagiert und positiv und letztend­lich auch in der Situation, vor allem was die Entwicklung in der Flüchtlingspolitik anbelangt, so ausgerichtet hat, dass wir mittlerweile auch eine europäische Solidarität erreicht haben. Für diese Tätigkeit darf ich ihr danken und ihr für die kommende Tätigkeit, die sie schon aufgenommen hat, alles Gute wünschen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Zum Zweiten darf ich Ihnen den neuen Innenminister Mag. Wolfgang Sobotka vorstel­len. Vielen ist er schon aus früherer Tätigkeit und teilweise auch schon in der neuen Funktion bekannt.

Wie gesagt: Die Zeit läuft, was die Anforderungen anbelangt, sehr schnell. Mag. Sobotka hat sich langjährige politische Erfahrung, insbesondere im Rahmen der Tätigkeit in der niederösterreichischen Landesregierung als Landeshauptmannstell­vertreter, erwor­ben. – Ich glaube, es ist eine der wichtigsten Qualifikationen, wenn man die entsprechende Erfahrung gerade auch in diese Tätigkeit einbringen kann.

Außerdem ist der jetzige Innenminister von der Ausbildung her Dirigent, weshalb er, wie ich glaube, nicht nur die notwendige Sensibilität für die feinen Töne mitbringt, sondern gerade im Hinblick auf Teamorientierung und Orchesterklang das Richtige zu deuten und zu entwickeln weiß. Es kommt ja gerade bei der Polizei, einem großen Apparat, darauf an, stimmig und abgestimmt vorzugehen.

Von der Grundsatzthematik her ist Ihnen allen natürlich auch bewusst, dass Sicherheit eines der wichtigsten Themen der Österreicher ist und dass es für den Innenminister eine ganz schwierige Aufgabe ist, diesbezüglich auch immer die entsprechende Balance zu wahren, nämlich einerseits dem Sicherheitsbedürfnis der Österreicherinnen und Österreicher zu entsprechen, andererseits aber so balanciert vorzugehen, dass nicht der Eindruck beziehungsweise tatsächlich die Realität eines Überwachungs- oder Polizeistaates entsteht. – Dafür darf ich dir, lieber Wolfgang, auch unter dem Gesichts­punkt der Bewältigung der Migration, was sicherlich auch in Zukunft eine heraus­fordernde Aufgabenstellungen sein wird, alles Gute wünschen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Im Hinblick auf Bundesregierung und Parlament ist es unsere Aufgabe, in Absprache mit dem jeweiligen Innenminister die finanzielle Unterstützung beziehungsweise den finanziellen Rahmen für die entsprechenden Aktivitäten bereitzustellen. Ich glaube, dass man auch durchaus davon sprechen kann! Wir haben, was das Budget des Innen­ministeriums anbelangt, um 625 Millionen € aufgestockt. Wir nehmen bis zu 2 000 zusätzliche Polizisten auf, stocken auch das Personal für den Grenzeinsatz und für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf, was einfach die notwendige Voraussetzung dafür ist, den Aufgaben entsprechen zu können.

Betreffend die materielle Aufgabe habe ich davon gesprochen, dass wir auf euro­päischer Ebene selbstverständlich unsere Aufgabe, hilfsbereit und an den Problemen


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der Flüchtlinge ausgerichtet unterstützend tätig zu sein, wahrnehmen wollen. Wir haben das in den letzten Jahren getan. Das ist eine unserer Grundaufgaben.

Auf der anderen Seite haben wir aber bestimmte Beschränkungen hinsichtlich der Kapazitäten im Zusammenhang mit innerer Sicherheit und anderen Themen. Des­wegen haben wir uns, insbesondere auch durch Einbeziehung der Balkanstaaten, bemüht, eine Änderung der europäischen Politik in Richtung mehr Solidarität zu er­reichen, und das ist letzten Endes auch gelungen. Der Schutz der Außengrenzen war vorher nicht zufriedenstellend ausgerichtet. Das ist jetzt einigermaßen in Vorbereitung, wenn auch noch nicht in dem Ausmaß, in dem wir uns das vorstellen, weshalb es noch bestimmte Notwendigkeiten zur Abklärung im Innenbereich, ebenso wie in Deutsch­land, betreffend Grenzkontrollen und Grenzmanagement gibt.

Das ist keine erfreuliche Aufgabe, weil das natürlich in Konkurrenz zu den euro­päischen Freiheiten, wie insbesondere der Bewegungsfreiheit und anderen, steht. Aber das ist unabdingbar, denn tun wir nichts, dann werden die anderen alles unterlassen! Wir können ja derzeit schon sehen, dass gerade die Umsetzung beziehungsweise die mögliche Gefahr, dass am Brenner kontrolliert wird, auch Italien veranlasst hat, entsprechende Aktivitäten zu setzen. Genau das war eigentlich auch das Ziel, und es gilt, auch was Ungarn anbelangt, Ähnliches zu tun.

Die Voraussetzung dafür ist auch diesfalls ein rechtlicher Rahmen. Mit dem Beschluss der notwendigen Änderungen im Asylgesetz haben wir den rechtlichen Rahmen, was Richtwerte oder die Obergrenze anbelangt, geschaffen. Dieses Thema steht auch bei Ihnen heute auf der Tagesordnung: Auch der Bundesrat hat die entsprechende Be­schlussfassung vorzunehmen beziehungsweise sich mit dem Thema auseinan­derzu­setzen.

Wenn das erledigt ist, dann ist der nächste Schritt fällig, und der nächste Schritt ist die entsprechende Verordnung. Es ist klar, dass das Gesetz nicht dazu da ist, dass es dann in der Parlamentsbibliothek aufliegt, sondern das Gesetz ist dazu da, dann, wenn die Notwendigkeit besteht, mit der entsprechenden Verordnung angewendet zu werden. Dazu ist es notwendig, die internationale Kooperation zu verstärken. Das hat der Herr Minister so wie auch seine Vorgängerin bereits getätigt, und ich glaube, das ist auch eine wichtige Grundlage dafür, dass wir solidarisch agieren.

Last but not least haben wir auch in Österreich, was den internen Teil des Landes anbelangt, eine Entwicklung, die zur Besorgnis Anlass gibt, nämlich eine Zunahme von Straftaten, insbesondere von Körperdelikten und anderem. Auch diesbezüglich ist der Minister in Absprache mit dem Justizminister bereits tätig geworden. Auch in diesem Bereich ist mit der notwendigen Sensibilität und unter Rücksichtnahme auf andere gesetzliche, menschenrechtliche und sonstige Bestimmungen vorzugehen. Ich glaube aber, im Interesse der Bevölkerung und der inneren Sicherheit ist es ganz, ganz wichtig, sich auch diesem Thema entsprechend zu widmen.

In diesem Sinn möchte ich dem Minister und seiner Vorstellung nicht vorgreifen. Ich glaube aber, sagen zu können: Es ist einerseits die notwendige Kontinuität vorhanden, die für dieses Amt unerlässlich ist, andererseits agiert hier jetzt jemand, der mit seiner Erfahrung und mit seinen Vorstellungen auch eigene Schritte, was Sicherheit anbe­langt, setzen wird. – In diesem Sinn hoffe ich auf Ihre breite Unterstützung heute und auch in der Zukunft und danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

10.26


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Vizekanzler.


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Bevor wir mit den Wortmeldungen fortsetzen, begrüße ich Frau Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Bundesminister Mag. Sobotka. – Bitte, Herr Minister.

 


10.26.58

Bundesminister für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Liebe Gäste! Ich kann den Worten des Vizekanzlers, was meine Person anbelangt, nicht viel hinzusetzen; er hat einen breiten Bogen geschlagen.

Zu meinem Amtsverständnis erwähne ich drei wesentliche Punkte: Ich habe ein Haus übernommen, das von meiner Vorgängerin bestens bestellt wurde, und zwar hinsicht­lich der Ausrichtung und Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbe­sondere auch betreffend die Kooperation mit dem Parlament. Das möchte ich hier in dieser Form fortsetzen. Wir sind gerne bereit, Ihnen all das, was Ihre Anfragen betrifft und was Sie an Informationen und Unterlagen brauchen, von unserem Haus aus auch direkt zur Verfügung zu stellen, weil ich glaube, dass es für die parlamentarische Arbeit notwendig ist, dass man jene Fakten und jene Unterlagen für sich in Anspruch nehmen kann, mit welchen man auch draußen vor Ort in der Frage der Sicherheit bestens gerüstet ist.

Ich darf hier vor allem meiner Vorgängerin, Hanni Mikl-Leitner, ganz, ganz herzlich danken, die in einer schwierigen Zeit dieses Amt geführt hat. Sie alle kennen noch die Bilder aus dem Jahr 2015, in dem Österreich vor eine ganz große Herausforderung, insbesondere betreffend die Rechtsstaatlichkeit und die Durchsetzung der Rechts­staat­lichkeit, gestellt wurde. Von der Polizei und vom Staat erwartet man – und insbeson­dere das Parlament verlangt das –, dass seine Gesetze auch wirklich eingehalten werden können und dass vom Sicherheitsapparat alles unternommen wird, um zu dieser Einhaltung beizutragen.

Ich glaube, mit dem Grenzmanagement, das in den vergangenen Monaten aufgezogen wurde, ist das auch umfassend und durchgängig möglich geworden. Auch die Euro­päische Union hat sich in der Art und Weise damit auseinandergesetzt und erkannt, dass es sehr, sehr notwendig ist, diese Situation einer Lösung zuzuführen. Dass hier noch viel zu tun ist, ist gar keine Frage. Ich denke aber, dass diese Änderung auch in der Bewusstseinshaltung im Hinblick auf die Migrationsströme insgesamt dazu beige­tragen hat, dass man sich auf europäischer Ebene dieses Themas intensivst annimmt, und es ist unser wesentliches Verständnis, dass wir da europäische Lösungen brauchen, die wir auch unterstützen, dass wir aber, wenn solche nicht vorhanden sind, eigen­staatliche Maßnahmen ergreifen müssen.

Ich habe gerade eine Pressekonferenz mit Kollegen Brandstetter gegeben, in der es darum gegangen ist, was die Polizei, das Innenministerium und das Justizministerium in Zukunft tun werden, um den Anstieg der Kriminalität einzudämmen. Nach unserem Verständnis ist das Innenministerium vor allem dafür verantwortlich, die Kriminalitäts­entwicklung so sorgsam zu beachten, dass man sie beizeiten mit den unterschied­lichsten Möglichkeiten bekämpft, und somit zu deren Eindämmung beizutragen. (Vize­präsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Der Innenminister ist mit seinem Amt und seinen Mitarbeitern die zentrale Anlaufstelle für die innere Sicherheit. Hatten wir im Jahr 2004 in etwa 643 000 Straftaten zu ver­zeich­nen, so waren es 2015 517 000 Straftaten. Das ist eine deutliche Reduktion. Die konsequente Arbeit der Polizei und vieler in den Ländern befindlichen Organisationen hat es möglich gemacht, die Zahl der Straftaten deutlich zurückzudrängen.


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Wir sehen aber jetzt, dass die Zahl der Straftaten wieder im Ansteigen begriffen ist, und zwar vor allem in den Bereichen der Kleinkriminalität und der Suchtgifte. Neben der Schlepperkriminalität geht es vor allem um die Delikte der Körperverletzung und der Sachbeschädigung. – Das heißt: Insgesamt ist im ersten Quartal ein Anstieg dieser Delikte festzustellen.

Sie wissen, dass wir nur einmal im Jahr eine Statistik als solche letzten Endes in aller Tiefe präsentieren, weil viele dieser statistischen Aufzeichnungen noch abgeglichen werden müssen und erst dann valide Zahlen durch das Ministerium bekanntgegeben werden. Aber wir bemerken diesen Anstieg, und deshalb ist es notwendig, alle notwen­digen Maßnahmen zu setzen und gemäß dem „Aktionsplan Sicheres Österreich“ auf breiter Ebene auch im Zusammenwirken der Bundesländer Maßnahmen, insbesondere der Prävention und der Aufklärung, zu ergreifen, um das Ansteigen wieder einzu­dämmen.

Eine unserer Aufgaben ist insbesondere die Klärung der Frage, wie sich die Zahl der Straftäter zusammensetzt: Wir sehen, dass 60 Prozent der Täter aus dem Bereich junger Männer zwischen 15 und 40 Jahren kommen, und darauf haben wir daher das nötigste Augenmerk zu legen. Gleichzeitig sehen wir, dass in dieser Situation auch der Anteil der Asylwerber und Asylberechtigten, die straffällig werden, ansteigt.

Aus dieser Situation heraus ist es ganz notwendig, auch entsprechende Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Sicherheitspolizeigesetz zu setzen, das ins Parlament eingebracht wurde, das im Zuge der Lesungen auch hierher in den Bundesrat kommen wird und das, wie wir hoffen, bis zum 1. Juli auch in Rechtskraft erwachsen und in Umsetzung kommen wird. Demgemäß haben wir Maßnahmen zu setzen, damit Asyl­werber und Asylberechtigte, die straffällig geworden sind, was in den letzten Wochen immer wieder der Fall war, dementsprechend abgeschoben oder zurückgeschoben werden können.

Dazu auch ein aktuelles Wort: Wir haben im letzten Jahr 8 355 Leute zurückgestellt, und zwar etwa 60 Prozent freiwillig, was wesentlich erfolgreicher ist, und den Rest mit zwangsweisen Maßnahmen. Dieser Anteil der Rückstellungen hat sich wesentlich erhöht, nämlich um 33 Prozent. Wir konnten im ersten Quartal 2 785 Rückstellungen durchführen, und wir konnten in den heutigen Morgenstunden 43 Pakistani und gestern 59 Personen in den Kosovo zurückbringen.

Wir haben aber keine Rückführungsabkommen gegenüber Marokko und Algerien. Deren Schaffung ist eine Aufgabe der Europäischen Union. Es bedarf, gerade was die Maghreb-Staaten betrifft, einer europäischen Initiative auf breitester Ebene, um diese Rückführungen durchführen zu können. Wir müssen uns nämlich dessen bewusst sein, dass sich in der Instanz etwa 2 800 Menschen im Lande aufhalten, die keinen Aufenthaltstitel haben. Daher wird es unsere Aufgabe sein, alle Möglichkeiten zu nutzen, um auch diese Personen in die Rückführung zu bringen.

Sie können sich darauf verlassen, dass wir mit aller Konsequenz und auch in Koope­ration mit dem Landesverteidigungsministerium und mit Landesverteidigungsminister Doskozil alle Möglichkeiten prüfen und alles unternehmen werden, um diese Rückfüh­rungen zu ermöglichen. Die Bevölkerung verlangt nämlich von uns – und das ist ein entscheidender Punkt –, dass wir auch für das Sicherheitsgefühl ganz wesentlich Ver­ant­wortung tragen. Die Zahl der Straftaten ist, gemessen an der Zahl des Jah­res 2004, zwar nicht gestiegen, sondern gesunken, aber das Sicherheitsgefühl ist im Vergleich zu diesem Jahr deutlich schlechter geworden. Daher geht es nicht nur darum, in den objektiven Daten den Reduktionsbereich deutlich zu zeigen, sondern auch hinsichtlich des subjektiven Sicherheitsgefühls alles zu tun, was möglich ist, und das werden wir unternehmen.


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Deshalb hat schon meine Vorgängerin die Aktion „Gemeinsam Sicher“ ins Leben geru­fen, in deren Rahmen wir sehr intensiv versuchen, gemeinsam mit den Gemeinden und mit den Ländern im Kontakt mit den Bürgern das Sicherheitsgefühl zu stärken: Jede Gemeinde hat einen verantwortlichen Gemeinderat, der sich mit Sicherheitsfragen aus­einandersetzt, damit sich Menschen in der Zivilgesellschaft in besonderer Art und Weise befähigt fühlen oder auch ausgebildet und geschult werden, sich mit Sicher­heitsfragen zu beschäftigen und in besonderer Art und Weise in Zusammenarbeit mit der Polizei entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Es ist nämlich sicherlich nicht der passende Weg in die Zukunft, dass die ver­schie­densten Organisationen eigene Sicherheitseinrichtungen beschäftigen, sei es, dass die Gemeinden Polizeieinheiten aufstellen, sei es, dass Betriebe außerhalb ihrer unmittel­baren Schutzinteressen quasi Einheiten aufstellen, die in der Öffentlichkeit auftreten. Wir sehen nämlich, dass letzten Endes die öffentliche Ordnung in dieser Form nicht aufrechterhalten werden kann.

Daher ist es uns ein ganz großes Anliegen, dass die Sonderbestimmungen in der Novelle zum Asylgesetz, die der Nationalrat mit großer Mehrheit, mit 100 zu 65 Stim­men, in der vorletzten Woche beschlossen hat, mit der entsprechenden Verordnung ausgelöst werden, damit uns ein Instrument der Zurückweisung an der Grenze in die Hand gegeben wird. Erst als Konsequenz dieser Zurückweisungen wird es dann möglich sein, die von der Regierung beschlossene Obergrenze einzuhalten, die sich daran orientiert, dass wir bereit sind, 1,5 Prozent an Asylwerbern über einen vierjäh­rigen Zeitraum in Österreich aufzunehmen. Diese Zahl ist in Österreich für das Jahr 2016 mit etwa 37 500 festzumachen. Und diese Zahl ist nicht zu überschreiten! Im Wesent­lichen sind diese Mengengerüste über einen vierjährigen Zeitraum einzuhalten. – Das soll mit dieser Verordnung möglich sein.

Dafür brauchen wir nicht nur die Zustimmung unserer Nachbarstaaten, sondern auch die rechtlichen Instrumente in der Handhabung. Deshalb bin ich nach Italien und nach Deutschland gefahren, weil dort nach Art. 29 der Schengen-Grenzverordnung die Kontrollen weiterhin aufrechterhalten werden, sowohl in Kiefersfelden als auch am Walserberg und an anderen Grenzübergängen, und es für uns notwendig ist, dieses Schengen-Regime auch gegenüber unseren Nachbarstaaten, speziell gegenüber Ungarn und Slowenien, aufrechtzuerhalten.

Die Grenze am Brenner ist sicherlich eine sehr sensible, weil sie eine innersprachliche Grenze ist, also eine Grenze, die Österreich zwar staatsrechtlich akzeptiert hat, die aber von der Selbstbestimmung der Südtiroler her nie als das gesehen wurde und daher mit besonderer Sensibilität zu behandeln ist. Wir haben dort zwar alles Notwen­dige vorbereitet beziehungsweise sind entsprechend in Vorbereitung, wollen aber natürlich den fließenden Verkehr aufrechterhalten.

Diese Vorkehrungen haben dazu geführt, dass Minister Alfano die Binnengrenzstruk­turen, was die Kontrollen anbelangt, sehr deutlich verschärft und seine Verpflichtung gemäß dem Schengen-Regime, die Aufgriffe mit Eurodac, deutlich verbessert hat, sodass wir davon ausgehen können, dass gerade das Verhältnis zu Italien touristisch und dem Verkehr entsprechend ein durchgängiges ist, dass aber gleichzeitig verhindert wird, dass jene Personen ins Land kommen, die keinen Aufenthaltstitel haben. – Ich bin aber gerne bereit, nach einer Diskussion noch einmal zu den einzelnen Fragen Stellung zu nehmen.

Wir wissen aber, dass an den Grenzen zur Europäischen Union, etwa in Libyen, 200 000 bis eine Million Migranten sich quasi reisefertig gemacht haben. Davon sind 70 Prozent Wirtschaftsflüchtlinge oder Migranten aus wirtschaftlichen Gründen, wie uns der UNO-Hochkommissar sehr deutlich mitgeteilt hat. Daher sind alle Maßnahmen


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notwendig, um im Fall des Falles wirklich gerüstet zu sein, denn die Bilder von 2015 wollen wir 2016 und in den folgenden Jahren nicht mehr erleben.

Wir sind somit sehr daran interessiert, dass wir auf europäischer Ebene all die Maß­nahmen zur Umsetzung bringen können, die einen geregelten Zuzug und ein geregeltes Asyl- und Migrationswesen nach sich ziehen. – In dem Sinne richte ich an Sie ein herzliches Dankeschön für die Möglichkeit, mich hier vorzustellen. (Allgemeiner Beifall sowie Bravorufe bei der ÖVP.)

10.39


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke für die Ausführungen, Herr Bundesminis­ter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm dieses.

 


10.39.41

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Regierungschef! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär Mahrer ist – dritte Reihe fußfrei – auch im Saal, daher auch ihm: Ein herzliches Grüß Gott! Ich darf, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, eingangs im Namen meiner Frak­tion, aber auch persönlich der ehemaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sehr herzlich danken für ihre hervorragenden Bemühungen um die Sicherheit in Österreich und für ihren Einsatz und ihr Engagement in der Flüchtlingsfrage. Sie hat es verstan­den, Lösungen herbeizuführen, die jetzt für ganz Europa wirksam sind und die für ganz Europa einen Profit darstellen.

Besonders erwähnen möchte ich auch – und das ist mir wichtig – ihre Wertschätzung und ihren Respekt gegenüber dem Bundesrat und ihre Bereitschaft, Themen auch auszudiskutieren in einer sachlichen Diskussionskultur, die sie immer wieder positiv erwähnt hat. Dafür sage ich: Vielen Dank und auch alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir begrüßen gemeinsam im Bundesrat den neuen Innenminister Wolfgang Sobotka. Wer ihm heute zugehört hat, der hatte das Gefühl, als ob er schon zehn Jahre Innenminister wäre, so aktiv hat er sich bereits in die Materien eingebracht. Schon in den ersten Tagen seiner Regentschaft – sozusagen – als Innenminister hat er verstan­den, sich intensiv einzuarbeiten. Er wartet nicht, bis Arbeit auf ihn zukommt, sondern er geht aktiv auf die Situation zu und versucht, die derzeitigen Probleme zu lösen bezie­hungsweise Lösungen herbeizuführen.

Da darf ich schon die Kollegen der Freiheitlichen Partei sozusagen ein bisschen mit ins Spiel bringen und ihnen sagen: Dieser Minister braucht keine Schonfrist, so wie von euch angekündigt! Er braucht keinen Tag eine Schonfrist, keine Stunde, keine Minute und keine Sekunde, weil er sich schon vor dem Arbeitsantritt praktisch in diese Thematik eingearbeitet hat. Er hat sich zum Beispiel mit dem Bundespräsidenten ausgetauscht. Er hat vor seinem Amtsantritt Gespräche geführt, um in dieser schwie­rigen innerstaatlichen Situation, in der wir uns jetzt befinden, die erforderliche Kontinui-tät zu gewährleisten, denn Sicherheit ist ein ganz essenzielles Thema. Da braucht es wirklich Kontinuität, weil Sicherheit auch ein Grundbedürfnis der Bevöl­kerung ist, so wie es der neue Innenminister angesprochen hat. Das hat er sich ganz oben auf die Prioritätenliste geschrieben.

In diese Richtung geht Innenminister Sobotka auch beim Projekt „Gemeinsam Sicher“, das er angekündigt hat und das jetzt umgesetzt wird, bei dem es in jeder Gemeinde dann einen Gemeinderat gibt, der sich um diese Angelegenheit kümmert. Er hat darüber hinaus einen „Aktionsplan Sicheres Österreich“ mit auf den Weg gebracht. Das erfolgte noch in Absprache mit seiner Vorgängerin, aber es hat jetzt gleich am Beginn


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seiner Tätigkeit als Innenminister einen entsprechenden Impuls in diese Richtung gegeben.

Weil man so gerne den Leuten die Kompetenz abspricht, zitiere ich jetzt, liebe Kolle­ginnen und Kollegen von den Grünen, was eure Parteichefin im Nationalrat in diesem Zusammenhang gesagt hat, und zwar, dass es „keine Rolle spielt, welche politischen Zielsetzungen, welche Kompetenz, welche Erfahrung, welches politische Wollen ein Ministeranwärter hat, sondern ausschließlich Parteiproporz darüber bestimmt“. – Also da ist schon bei uns heftiges Kopfschütteln angesagt. Das muss ich euch von den Grünen in aller Deutlichkeit sagen.

Woher soll denn ein designierter Innenminister seine Kompetenz haben? Gibt es dafür vielleicht eine grüne Innenministerakademie? Gibt es bei euch Grünen so eine Akademie, wo man das lernen kann oder wo man das lernen könnte? Wo haben denn eure grünen LandesrätInnen zum Beispiel, die sich jetzt in vielen Ländern mit einigen Parteien, auch der unsrigen, in eine Koalition begeben haben, ihre Kompetenz her? Gibt es da ein Geheimrezept bei euch? Wird die Kompetenz den Grünen mit in die Wiege gelegt, in der Form, dass man sagt: Landesrätin: jawohl, wunderbar oder automatisch!? Also in unserer Partei wäre niemand auf die Idee gekommen, von vornherein jemandem mangelnde Kompetenz vorzuwerfen. Also das ist schon weit hergeholt. Das muss ich euch von den Grünen in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.) – Nein, das ist weit hergeholt!

Wie wir gesehen und gehört haben: Wolfgang Sobotka ist in seiner Arbeit ein politi­scher Profi, weil er die Abläufe von der Gemeindeebene bis zur Landesebene Jahr­zehnte hindurch gelernt hat, weil er das mit all seiner Emotion und mit all seiner Kraft gelebt hat. Er hat in vielen Bereichen für sein Land Niederösterreich erfolgreich verhan­delt, und das hat schlussendlich, was den Finanzbereich anbelangt, auch für die ande­ren Bundesländer und für ganz Österreich viele Vorteile gebracht. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Bundesminister Sobotka hat gleich am Anfang gezeigt, dass er an viele Sachaufgaben in entsprechender Weise herangeht. Seine Prioritätenliste, die er uns präsentiert hat, enthält unter anderem folgende Punkte: Bekämpfung des Schlepperunwesens und der Drogenkriminalität, Bekämpfung des Terrors. Er hat auch seine Bereitschaft bekundet, sich in der EU entsprechend für die Flüchtlingsangelegenheiten einzusetzen – ein ganz wesentlicher Punkt –, aber dabei ganz klar gesagt, dass die Sicherheitsinteressen des Landes Österreich auch sozusagen in die Waagschale zu werfen sind, dass sie vorgehen. Da bietet er seine Bereitschaft an. Das zeugt von großer Lösungsorientie­rung.

Wie sich das in der Praxis auswirkt, hat er uns in einem sensiblen Bereich gezeigt, und zwar bei den Verhandlungen mit den Italienern bezüglich der Situation am Brenner. Diesbezüglich gibt es bereits eine sehr gute Zusammenarbeit mit den politischen Vertretern, mit dem Landeshauptmann von Tirol und mit dem Landeshauptmann von Südtirol. Und da wird nichts übers Knie gebrochen. Alle Maßnahmen, die es dazu braucht, sind vorgezeichnet – ein entsprechendes Zaun- und auch ein Grenzmana­gement, wenn Sie so wollen –, das alles ist in Planung, aber derzeit noch nicht in Umsetzung, aber wenn es zu Problemen kommen sollte und dringender Handlungs­bedarf gegeben ist, dann kann auch rasch gehandelt werden.

Das ist, denke ich, eine Handlungsweise, die für uns Österreicher ganz wichtig ist, nämlich dass wir uns auch mit den Nachbarn, insbesondere natürlich mit den Südtiro­lern, für die wir immer wieder als Schutzmacht hingestellt werden, entsprechend ver­stän­digen.


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Wir wollen nicht gleich Südtirol übernehmen, so wie die Freiheitlichen. Also, ich meine, das war schon eine Spitzenaussage von euch. Das muss ich in aller Deutlichkeit hier anmerken, Frau Kollegin Mühlwerth!

Innenminister Sobotka braucht also keine Schonfrist und auch keinen Aufenthalt in einer Komfortzone, denn das ist eine hervorragende Arbeit, die da vom neuen Innen­minister geleistet wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und das sei euch von der Freiheitlichen Partei gleich am Anfang ins Stammbuch geschrieben. – Danke, dass Ihr das so zur Kenntnis nehmt.

Was Südtirol und Brenner anbelangt, sei mir schon noch ein Nachsatz erlaubt: Wenn uns die Deutschen ausrichten – und wir haben durchaus gute Beziehungen zu Deutschland –, dass sie das Grenzmanagement am Brenner infrage stellen, dann muss ich sagen: Bitte, wer kontrolliert denn seit Monaten die deutschen Grenzen? Wer kontrolliert am Walserberg? Wer kontrolliert in Passau? Wer kontrolliert in Kufstein? Wer erzeugt durch diese Kontrollen jeden Tag oder mehrere Tage in der Woche einen Megastau und schädigt so unsere Wirtschaft? – Ja, richtig, unsere geliebten deutschen Nachbarn. Und da kommt es uns aber nicht in den Sinn, das tagtäglich zu diskutieren und schlechtzureden. – Da mache ich jetzt schon einen Punkt und lasse das einfach so stehen.

Aus Sicht der Länder möchte ich noch einen Punkt vorbringen, Herr Innenminister Sobotka: Die neue Arbeitsweise, die neue Zusammenarbeit, das Miteinander des Innenministeriums und des Verteidigungsministeriums haben erste gute Früchte getragen. Wir hoffen alle, Herr Innenminister, dass sich diese gute Zusammenarbeit mit Minister Doskozil zum Wohle des Bundes, der Länder und der Gemeinden fortsetzt, denn Sicherheit braucht auch regionale Strukturen, Zentralismus ist in diesem Bereich fehl am Platz.

Ich weiß von dir, der du viele Jahre und Jahrzehnte ein Ländervertreter gewesen bist, dass du ein Föderalist von ganzem Herzen bist. Daher wissen wir, dass das Innen­minis­terium bei dir in guten Händen ist, denn die Bewältigung der Asylkrise, der Flüchtlingskrise braucht ein gutes Miteinander mit den Ländern und auch mit den Gemeinden. Da sind wir wirklich auf sehr gutem Wege.

Weil der Regierungschef auch den Dirigenten in dir angesprochen hat: Ja, das ist auch eine Besonderheit. Es braucht auch einen Dirigenten bei dem großen Polizeichor, im Verein mit dem Militär. Wenn sich der Militärkapellmeister oder der Polizeikapellmeister der Polizeimusik einmal verletzt, dann kannst du da auch kurzzeitig einspringen und auch bei der Polizeimusik noch dirigieren. Das ist auch eine besondere Qualität, die sonst in Europa sicher niemand anzubieten hat.

Ja, wir sind auf gutem Wege. Der Vorarlberger sagt: Gott gebe, dass es hebe! In die­sem Sinne, lieber Herr Innenminister Wolfang Sobotka, darf ich sagen: Wir stehen nach wie vor vor großen Herausforderungen im Sicherheitsbereich. Dazu braucht es Engage­ment und Durchsetzungsvermögen. Das ist bei dir in großem Maße vorhanden. Namens meiner Fraktion wünsche ich dir dazu alles Gute und viel Erfolg. Willkommen im Bundes­rat! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Schmittner.)

10.49


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


10.50.02

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekre­tärin! Wir befinden uns in spannenden politischen Zeiten.


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Am Montag hat Bundeskanzler Werner Faymann seine Funktion zurückgelegt. Ich möchte mich bei Werner Faymann ausdrücklich für seine Tätigkeit als Bundeskanzler bedanken. Er hat in schwierigen Zeiten Großes für die Österreicherinnen und Öster­reicher geleistet und unser Land insbesondere in der Europäischen Union hervorra­gend vertreten.

Mit der Fortführung der Geschäfte wurde einstweilen Herr Vizekanzler Mitterlehner be­traut. Die Sozialdemokratie hat nunmehr die Aufgabe, umgehend die Handlungs­fä­hig­keit der Regierung wieder voll herzustellen, und wird diesem Auftrag auch entsprechend nachkommen.

Nun möchte ich aber als Fraktionsvorsitzender der sozialdemokratischen Bundesrätin­nen und Bundesräte das neue Mitglied der Bundesregierung, Herrn Bundesminister Wolfgang Sobotka, herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) In den 15 Jahren, in denen ich nunmehr Bundesrat bin, ist es der sechste Bundesminister für Inneres, der für die Republik Österreich eine besonders sensible Aufgabe wahrzu­nehmen hat.

Ich möchte jedoch im Namen der sozialdemokratischen Fraktion auch Frau Bundes­ministerin a. D. Johanna Mikl-Leitner für ihre Arbeit, die sie in den letzten fünf Jahren geleistet hat, herzlich danken. Es war zweifelsohne eine schwierige Aufgabe, denn Österreich war im letzten Jahr in einem besonders hohen Ausmaß von den Migrations­strömen in Richtung Europa betroffen, und zwar einerseits in Form von Transitleis­tungen und andererseits auch als unmittelbar betroffenes Land.

Es wurden im Jahr 2015 in Österreich 90 000 Asylanträge gestellt, die es abzuarbeiten gilt. Es müssen daher rasch die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um dieser Lage und der Integrationsaufgaben, die noch folgen, Herr zu wer­den. Wir sind stolz darauf, dass Österreich bisher die Asylverfahren bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der hohen Qualität verkürzen konnte. Es ist sowohl für die Betroffenen wie auch für die österreichische Gesellschaft notwendig, rasch Gewissheit zu erlangen, ob eine Person in Österreich Asylstatus bekommt oder nicht. Durch die hohen Antragszahlen wird die Verfahrensdauer bedauerlicherweise verlängert werden. Ich danke jetzt aber schon allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichts, dass sie diese großen Herausforderungen auf hohem rechtstaatlichen Niveau erfüllen.

Die Bundesregierung hat im Rahmen des geplanten Bundesfinanzrahmengesetzes einen Schwerpunkt beim Thema Sicherheit gesetzt. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Ich vertrete im Rahmen meines Mandats insbesondere die ältere Generation. Für diese Generation ist es besonders wichtig, dass sie das Gefühl hat, in Sicherheit leben zu können. Ich möchte mich daher bei der Bundesregierung bedanken, dass es gelungen ist, wieder neue Polizistinnen und Polizisten zusätzlich in Dienst zu stellen. Die Prä­senz der Polizei ist für diese Altersgruppe, für die ältere Generation, besonders wichtig. Diese Menschen fühlen sich dadurch subjektiv sicherer.

Mir persönlich erscheint es auch ganz wichtig, dass die beiden Sicherheitsressorts gut zusammenarbeiten; Kollege Mayer hat ja bereits darauf hingewiesen. Dies ist zwischen Bundesministerin Mikl-Leitner und Herrn Bundesminister Doskozil gut gelungen. Ich bitte Sie, Herr Bundesminister Sobotka, diese Tradition weiter fortzuführen, denn das stärkt den Zusammenhalt zwischen den Regierungsparteien insgesamt.

Ich wünsche Ihnen, Herr Bundesminister Sobotka, alles Gute, das Beste, bei der Erfüllung Ihrer wichtigen staatspolitischen Aufgaben und möchte dabei auch auf die zu erwartende Debatte zu Tagesordnungspunkt 5 betreffend die Novelle zum Asylgesetz hinweisen, die die Sensibilität der gegenwärtigen politischen Herausforderungen unter Beweis stellt.


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Alles Gute für Ihre Tätigkeit! Ich hoffe, wir sehen Sie sehr lange hier im Bundesrat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.55


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Bundes­rätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.56.07

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kanzler – jetzt im Moment, denn Sie sind es ja jetzt interimistisch! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Kollege Mayer, Tatsache ist, dass die Regierung seit Beginn dieser Einwanderungs- und Flüchtlingswelle zwei Minister verbraucht hat. Das wollen wir nicht ganz vergessen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, verbraucht hat!

Der Erste war Verteidigungsminister Klug, der am Beginn seiner Amtszeit auch mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht worden ist, sich aber dann im Zuge dieser Krise offensichtlich nicht ganz so bewährt hat und dann abgezogen worden ist und durch Kollegen Doskozil ersetzt worden ist. Aber das ist ja bei der SPÖ nicht so schlimm, Herr Klug ist ja dann mit dem Verkehrsministerium belohnt worden.

Die Zweite ist die ehemalige Innenministerin Mikl-Leitner, bei der ich mich auch an dieser Stelle namens meiner Fraktion gerne bedanke, weil ich absolut davon überzeugt bin – eigentlich bin ich bei jedem Minister davon überzeugt –, dass sie sich wirklich bemüht hat, nach besten Kräften ihr Amt auszuüben. Dass wir das nicht immer alle so toll finden und nicht immer mit der Art und Weise einverstanden sind, ist eine andere Sache. Das ist aber auch eine Sache der Demokratie, denn es gibt nun einmal die Regierung und die Opposition, und beide kommen nicht in jedem Punkt zusammen. Das ist ein ganz normaler Ablauf. Das heißt aber nicht, dass wir nicht respektieren, dass die Minister ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen machen.

Daher an dieser Stelle ein Dankeschön an die ausgeschiedene Innenministerin Mikl-Leitner!

Da Kollege Mayer gesagt hat, Sie, Herr Minister Sobotka, seien erfahren auf Ge­mein­deebene und auf Landesebene: Ja, das glaube ich auch! Das hat aber noch keinen davor bewahrt, auf dem glatten Wiener Parkett auszurutschen. Und das ist schon einigen passiert. Ich erinnere nur an Ihre ehemalige Staatssekretärin Remler, die dort sehr schnell ausgerutscht ist: Kaum war sie da, war sie auch schon wieder weg! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ich hoffe, Herr Minister, dass das bei Ihnen nicht der Fall sein wird. (Heiterkeit der Rednerin. – Bundesrat Mayer: Da ist die Namensliste lang, was ...!)

Weil die Regierung so gut gearbeitet hat, wie Kollege Mayer meint, haben die Regie­rungs­parteien bei der Bundespräsidentenwahl dann auch „stolze“ 11 Prozent bekom­men. Nicht? Weil Ihre Arbeit so „gut“ war und von der Bevölkerung „honoriert“ worden ist, hat sowohl SPÖ als auch ÖVP mit 11, ... (Bundesrat Todt: Die Regierung ist nicht gewählt worden beim ersten Durchgang!) – Na geh! Herr Kollege Todt, jetzt geben Sie sich doch bitte nicht naiver, als Sie sind. Sie wissen doch ganz genau, dass Ihnen die Bevölkerung im Rahmen dieser Bundespräsidentenwahl gezeigt hat, dass die Art und Weise, wie Sie regieren, einfach unten durch ist. Sie brauchen nicht so zu tun, als ob das eine reine Bundespräsidentenwahl gewesen wäre, denn das würde ja im Umkehrschluss heißen, dass Sie einen superschlechten Kandidaten gehabt haben. Und das werden Sie doch wohl nicht sagen wollen: dass Kollege Hundstorfer und Kollege Khol aus Ihrer Sicht schlechte Kandidaten waren. (Zwischenruf des Bundes­rates Mayer.)


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Wir hören jetzt wieder das, was wir nach jeder Wahl, die Sie verloren haben – 19 von 21 –, hören: Es wird alles besser! Jetzt arbeiten wir ordentlich! Der Stil wird ein anderer werden!

Jetzt sind zwei Personen ausgetauscht worden, die vorerst einmal versprechen, dass es garantiert wieder anders werden wird. Aber das hören wir immer wieder, nach jeder Wahl, ohne dass sich irgendetwas geändert hätte.

Das Drama hat im letzten Jahr im Sommer begonnen, als die Menschen sich auf den Weg gemacht haben, um nicht nur hierher, sondern auch nach Deutschland und nach Schweden zu kommen. Sie haben sich alle Flüchtlinge genannt, wir haben es ja gerade gehört, davon waren die Mehrheit aber solche, die in ein besseres Leben aus­wandern wollten.

Jetzt kann man ja verstehen, dass Menschen in ein besseres Leben auswandern wollen. Das heißt aber nicht, dass Österreich alle aufnehmen muss. Und schon gar nicht kann es heißen, dass man sagt: Ich bin Flüchtling, aber eigentlich will ich nicht in einem sicheren Drittstaat wie Rumänien oder Bulgarien oder sonst irgendwo bleiben, sondern, nein, ich habe ganz klare Vorstellungen, ich möchte entweder nach Deutsch­land, nach Schweden und erst an dritter Stelle nach Österreich!

Da hat die Bundesregierung viel zu lange gewartet, bis sie endlich tätig geworden ist. Kanzler Faymann hat eine Willkommenskultur à la Merkel gemacht: Wir schaffen das, und es können alle kommen, und wir können sie ohnehin nach Deutschland durch­winken, und das ist alles ganz furchtbar. Die linke Reichshälfte, alle, auch diejenigen, die nicht in der Regierung oder auch keine Mandatare sind, haben gesagt: Refugees welcome!, und das war das Motto des Jahres 2015.

Was haben wir jetzt davon? Wir haben damals gewarnt und gesagt, das wird noch ganz furchtbar werden. – Nein, die sind alle ganz nett, und die werden sich integrieren, und wir sollen nicht immer Panik machen und nicht hetzen, und das, was wir sagen, ist sowieso rechtsextrem – wie wir es ja immer hören, vor allem aus der linken Reichs­hälfte!

Schauen wir uns doch einmal an, was jeden Tag in der Zeitung steht, das ist genau das, was die Bevölkerung verunsichert und auch verärgert! Leider gibt es allzu viele, die selber schon Opfer geworden sind:

„Einbrecher vergeht sich an 86-Jähriger im Altersheim!“ – Das muss man sich einmal vorstellen. „Statt ihr zu helfen: Passantin vergewaltigt“, „Multikulti-Gruppe attackierte Osttiroler vor seiner Freundin“ – ich lese jetzt einmal nur die Schlagzeilen vor –, „Ban­den­kriege in Wien eskalieren“, „Kommen drei Afghanen straffrei davon?“. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Und immer sind Zuwanderer daran beteiligt. (Bundes­rätin Dziedzic: Sie haben doch eine Anfrage gemacht, oder?) – Ja und, was hat das jetzt damit zu tun? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.– Das sind immer dieselben, Afghanen, Pakistani, dann streiten sich wieder Iraner mit Afghanen, so wie in Wien Mitte, und so weiter. Es gibt dann den einen oder anderen Europäer dabei, wie der eine Serbe.

„Täglich sieben Straftaten am Praterstern“, das sich jetzt schon in den Wurstelprater weiterverbreitet. Augenzeugen zählten bis zu 50 Schläger am Wiener Gürtel – das ist übrigens gleich bei mir. Und ich kann Ihnen sagen, ich bekomme irrsinnig viele Mails von Leuten – gerade im 7. Bezirk, weil ja dort die Drogenszene entlang der U6 aus­ufert –, die sich bedroht fühlen, von Frauen, die sich nicht einmal mehr am Nachmittag allein mit der U-Bahn zu fahren trauen, weil sie belästigt worden sind, und von Geschäftsleuten, die sagen: Ich kann bald einmal mein Geschäft zusperren, wenn das dort so weitergeht!


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Jetzt hat die Polizei zwar angekündigt, und sie macht es ja auch zum Teil, dass sie dort präsent ist, aber wir haben noch immer zu wenige Polizisten, und wir werden auch mit denen, die jetzt aufgenommen werden sollen, noch immer zu wenige haben. (Bun­desrat Mayer: Aber vom Maßnahmenkatalog hast du schon gehört?) – Ja, habe ich schon gehört, habe ich ja gerade gesagt. Man muss ja nur ein bisschen zuhören und aufpassen und mitdenken. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Aber es wird immer noch zu wenig sein, das sage ich Ihnen, denn das wird ja immer mehr, das wird ja nicht weniger.

Von der Millennium City, wo die Sittenwächter unterwegs sind, haben wir ja heute in der Zeitung gelesen, und von diesem Wrestler, der am Muttertag mit nacktem Oberkörper Rosen an die Frauen verteilt hat. Er ist von den Tschetschenen mit dem Messer attackiert worden, weil sie gesagt haben, das passt nicht zu unserer Religion.

Das sind schon die Dinge, die mit diesen Flüchtlingen, wie sie sich nennen und wie Sie sie immer nennen, immer wieder zu tun haben; denn das mit der Millennium City, das kenne ich schon länger, und zwar bei den Mädchen. Die Mädchen sitzen dort am Nachmittag im Café, dann kommt eine Gruppe Jugendlicher, und die Mädchen stehen auf und sagen, wir müssen weg, da kommen die Sittenwächter. Das sind die tschetschenischen Sittenwächter, die der Meinung sind, dass Mädchen am Nachmittag in einem Café nichts verloren haben.

Da frage ich Sie jetzt aber schon: In welche Welt steuern wir? – Das kann man nicht einfach ignorieren und so als Einzelfall abtun. Das ist mittlerweile die Mehrheit. Das sind mittlerweile die Dinge, die die Bevölkerung so maßlos stören. Diese sagt, wir können nicht jeden aufnehmen, wir müssen auch nicht jeden aufnehmen!

Dann ist eine Frau am Brunnenmarkt von jemanden ermordet worden, der polizei­bekannt war. Der „Falter“ hat ja geschrieben, dass es schon genügend Material gege­ben hätte, dass dieser Mann abgeschoben wird. Wir haben gehört, wie viele Leute es gibt, die eigentlich hätten abgeschoben werden sollen und immer noch im Land sind. Das sind alles Dinge, für die die Bevölkerung überhaupt kein Verständnis hat.

Und wenn der Herr Vizekanzler und jetzige Interimskanzler Mitterlehner auch darauf hingewiesen hat, dass der neue Minister ein ausgebildeter Dirigent ist, dann glaube ich, das wird Ihnen schon helfen. Ein Dirigent muss ein Orchester zusammenhalten, muss schauen, dass jeder im richtigen Gleichklang ist, aber man muss auch die richtigen Noten dazu haben, um das schaffen zu können. Ob das der Fall sein wird, werden wir sehen.

Wir wünschen Ihnen jedenfalls dazu alles Gute. Dort, wo wir die Maßnahmen als richtig erachten, werden Sie uns als Partner haben, dort, wo nicht, werden wir darüber dis­kutieren. – Alles Gute! (Beifall bei der FPÖ.)

11.06


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic. – Bitte.

 


11.06.21

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Wenn es nach der FPÖ geht, haben Sie alle Hände voll zu tun. Ich befürchte, dass wir jetzt öfter einen neuen Minister – ich bleibe bewusst in der männlichen Form – begrüßen werden. Ihre Amts­über­nahme war jedenfalls nicht minder überraschend als des Bundeskanzlers Rücktritt.

Nun stellt sich natürlich die Frage, was denn die Erwartung an Sie war, um Sie als neuen Innenminister zu berufen. Sie sollten wohl nicht nur die strenge Linie Ihrer Vor­gängerin fortführen, sondern als neuer Innenminister auch die restriktive Asylpolitik


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samt allen Verschärfungen propagieren und verteidigen. Ich muss sagen, das ist Ihnen bisher schon ganz gut gelungen.

In Ihrem gestrigen „Standard“-Interview haben Sie jedenfalls Aussagen getroffen, die die aufgeheizte Stimmung in Österreich recht gut treffen. Sie verteidigen da nicht nur – klarerweise, könnte man meinen – alle Sonderregelungen, die das Asylrecht untergra­ben – das wird uns später, wie gesagt, nochmals beschäftigen –, sondern Sie pau­scha­lisieren und generalisieren, wo Sie können. Ich glaube, Ihnen ist das auch sehr wohl bewusst. So sind laut Ihren Aussagen die Asylwerber besser vernetzt als jeder andere, und sobald sie in Europa sind, wollen Sie ans Handy, und zwar nicht, um ihre Familien darüber zu informieren, wo Sie angekommen sind, sondern natürlich um die Schlepper darüber zu informieren, wie diese am besten vorwärtskommen. Die Schlep­per werden im Übrigen in Zukunft noch mehr Arbeit haben, wenn wir das Asylrecht außer Kraft setzen und die legalen Einreisemöglichkeiten so verunmöglichen.

Arbeiten wollen Sie die Asylwerber – man könnte auch da sagen: klarerweise – nicht las­sen, außer vielleicht beim Unkrautpflücken an den Flussufern. Und wenn Sie Ver­waltungsdelikte in strafrechtliche Tatbestände verwandeln wollen, bedenken Sie nicht, dass es auch Einheimische treffen würde, außer Sie haben auch da vor, Sonder­gesetze zu unterstützen. Jedenfalls klingt das eher nach einer Drohung. Ich selbst finde es sehr bedrohlich, wenn man sehr pauschalisierend Aussagen über den Islam, über die Asylwerber oder die muslimischen Männer trifft, als wäre das alles ein und dasselbe. Ich denke, man kann als Politiker und Politikerin auch handlungsfähig sein, wenn man differenziert, ohne permanenten Generalverdacht.

Gerade beim Thema Gewalt sind wir aber einer Meinung. Da gehört nämlich dringend etwas getan, weil nämlich nicht erst 2015, sondern schon davor jede dritte Frau in Europa von Gewalt betroffen war. Das sind 62 Millionen Frauen in Europa. Das bedeutet auch für Österreich, dass es viele Übergriffe schon vor 2015 gab. Das heißt im Klartext, dass diese Übergriffe vorher einfach nicht die mediale Aufmerksamkeit hat­ten, die sie jetzt haben. In Österreich wird nicht einmal eine von zehn Vergewal­tigun­gen zur Anzeige gebracht, und nicht einmal jede fünfte Anklage führt zu einer Verur­teilung. Tagtäglich werden etwa 20 Betretungsverbote bei Polizeieinsätzen ausge­sprochen, das sind jährlich mehr als 7 000 Wegweisungen und Betretungsverbote, und jährlich suchen Tausende Frauen und Kinder Schutz in Österreichs Frauenhäusern. Ich habe schon öfter erwähnt, dass die Frauenhäuser dringend mehr Finanzierung bräuchten, weil diese überfüllt sind.

Die Medien könnten – das wissen wir – eigentlich täglich von einem brutalen Gewaltakt berichten, von einer Vergewaltigung oder von einer Straftat; sie tun es aber meist nur, und das auch erst seit Silvester, wenn es sich um Asylwerber handelt. Das finde ich sehr bedenklich, denn wenn wir tatsächlich etwas gegen Gewalt an Frauen und Mädchen tun wollen, dann dürfen wir das nicht nur dann tun, wenn es sich um sogenannte Fremde handelt.

Und ja, es stimmt, die Frauenbewegungen in Europa haben viel dazu beigetragen, dass sich Frauen in Europa den patriarchalen Strukturen mehr entziehen können als womöglich in anderen Ländern, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht auch hier nach wie vor viel zu tun hätten.

Daher ein Appell an Sie: Wenn Sie das Thema tatsächlich beschäftigt, kann ich sagen, dass wir auf jeden Fall durch intensive Öffentlichkeitsarbeit ein Bewusstsein dafür schaffen müssen, dass Frauen und Mädchen von Gewalt betroffen sind. Wir brauchen auf jeden Fall Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche in Schulen. Wir brauchen finanzielle Unterstützung für Frauenhäuser, wir brauchen eine kontinuierliche und flächendeckende Aufklärung, Information und Sensibilisierung über alle Formen von


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Gewalt sowie verbesserte gesetzliche Maßnahmen und auch einen Ausbau an Schutzeinrichtungen und Hilfsangeboten. Und wir brauchen vor allem – da wird meistens ein finanzielles Defizit sichtbar – Geld für Männerberatungen und Geld für Präventionsarbeit, und zwar für alle Männer, für die österreichischen genauso wie für die nicht österreichischen.

Wir müssen und können nur dann in aller Klarheit kommunizieren, dass Gewalt an Frauen kein Kavaliersdelikt ist, sondern dass es ein No-Go ist, und zwar immer und überall und egal, von wem sie ausgeht, wenn diese Allianz, wenn unser Selbst­ver­ständnis darüber sehr klar ist. Dann wird es nämlich auch besser gelingen, Männern, die in unser Land kommen, besser zu kommunizieren, dass es eben ein No-Go ist, dass es strafrechtlich verfolgt wird. Wenn wir uns hier nicht einig sind und wenn wir das nicht kontinuierlich tun, dann wirkt das eher wie eine Pauschalisierung und nicht wie eine ernst gemeinte Maßnahme. – So viel jetzt für den Anfang. Das Thema Asyl, wie ich vorhin erwähnt habe, wird uns heute noch beschäftigen.

Eines ist mir bei Ihnen jedenfalls schon aufgefallen: Sie sind, glaube ich, nicht nur ein guter Musiklehrer gewesen, sondern jedenfalls auch ein politischer Musterschüler. Ich will Ihnen nicht die Kompetenz absprechen, sondern bin davon überzeugt, dass Sie das mit gutem Wissen und Gewissen tun werden, auch wenn unsere Vorstellungen davon diametral gesetzt sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

11.13


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meißl. – Bitte.

 


11.13.42

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Herr Kollege Todt, du hast vorhin gesagt, ihr möchtet die volle Handlungsfähigkeit wieder herstellen – vielleicht ist die Bundesregierung aber jetzt handlungsfähiger denn je, vielleicht gehen ihr die Sachen jetzt leichter von der Hand, wenn man nicht so viel untereinander abstimmen muss.

Wir haben in den letzten Monaten viele Regierungsumbildungen erlebt, die, mit Aus­nahme des Kollegen Doskozil, nur eines hinterlassen haben, nämlich die Bemerkung, dass es ab sofort einen neuen Stil in der Regierung gibt und dass ab sofort für die Menschen gearbeitet werde. Geändert hat sich danach de facto nie etwas. So wurden die Probleme, die diese völkerwanderungsähnliche Zuwanderungswelle in puncto Kriminalität, Rekordarbeitslosigkeit und Ausnützung unseres Sozialsystems mit sich gebracht hat, immer wieder vor sich hergeschoben, ohne wirklich darauf zu reagieren. Die Wut der eigenen Bevölkerung auf dieses Nichtreagieren hat sich bis zur Ohnmacht gesteigert, und der Vertrauensverlust in die Arbeit der Regierung hat sich im Ergebnis der Präsidentenwahl auch eindeutig widergespiegelt.

Tatsache ist, dass die Regierungsumbildungen nichts gebracht haben – auch Kollege Doskozil muss sich ja erst beweisen – und der Stillstand das eigentliche Regierungs­programm ist. Wenn Sie wirklich aufrichtig etwas ändern wollen, um diesen politischen Stillstand endlich zu beenden, dann sollten Sie eine Regierungsumbildung in der Form vollziehen, dass Sie Neuwahlen ausrufen und damit zu einer echten Regierungs­um­bildung kommen.

Nichtsdestotrotz wünsche ich Ihnen, Herr Minister Sobotka, alles Gute für Ihre Arbeit, die angesichts der Probleme Grenzsicherung, Ausländerkriminalität, Asylmissbrauch und so weiter keine leichte wird. Ihre Vorgängerin hat – sagen wir es einmal so – sehr glücklos agiert. Einerseits hat sie sich als Ankündigungsweltmeisterin hervorgetan, und andererseits hat sie falsche Versprechen abgegeben und die Bevölkerung dadurch


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massiv verärgert; ich werde später noch darauf zu sprechen kommen. Manchmal ist sie wohl auch an der eigenen Partei gescheitert, die ihr in ihren Abstimmungen auf allen politischen Ebenen oft nicht den Rücken gestärkt hat, sondern des Öfteren in denselben gefallen ist.

Sehr geehrter Herr Minister Sobotka, Tatsache ist jedenfalls, dass die Sorge in der Bevölkerung um die Sicherheit im Land rasant wächst. Das ist allerdings nichts Neues, sondern das geschieht seit Längerem. Während man in den letzten Jahren versucht hat, die Bevölkerung durch geschönte Statistiken in falscher Sicherheit zu wiegen, und immer wieder getrommelt hat, dass die Kriminalität ohnehin zurückginge, so lässt sich auf diese Art heute kein Mensch mehr an der Nase herumführen. Das Gefühl, das die Bevölkerung schon lange hat, täuscht nämlich nicht. Und jetzt zeigt sich – da schau her! –, es gibt immer mehr Einbrüche, es gibt immer mehr Sexattacken, und es gibt regelrechte Bandenkriege. Zu lange hat man die Sorgen der Menschen nicht ernst genommen und mit geschönten Anzeigenstatistiken hantiert.

Der Ruf der Bevölkerung, endlich geeignete Maßnahmen zu setzen, wird jedenfalls immer lauter, was auch auf die Häufung der von Asylwerbern – oder sagen wir in diesem Fall besser Asylbetrüger – begangenen Sexualdelikte zurückzuführen ist. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, dass die Kriminalstatistik für 2014 zeigt, dass 40,8 Prozent der Vergewaltigungen durch ausländische Täter begangen wurden. Das wird wahrscheinlich auch 2015 nicht anders gewesen sein. Da ist es verständlich, dass gerade Frauen überdurchschnittlich um ihre und die Sicherheit ihrer Kinder besorgt sind. Frauen und Kinder werden in öffentlichen Bereichen, wie zum Beispiel in Bädern, Opfer von sexueller Gewalt; und niemand hat das geringste Verständnis dafür, wie mit Tätern und Opfern in Österreich umgegangen wird.

Beispielhaft ist der Fall der Vergewaltigung eines Zehnjährigen im Wiener Theresien­bad. Wenn man sich einen Artikel der „Kleinen Zeitung“ zu Gemüte führt – die „Kleine Zeitung“ ist jetzt nicht unbedingt das, was Sie immer in der „Kronen Zeitung“ sehen, eine rechtspopulistische Zeitung –, muss man lesen, der Angeklagte „‚(...) ist zu sämt­lichen Anklagepunkten geständig‘, sagte Verteidiger Roland Kier. Und verlangte eine Verhandlung hinter verschlossenen Türen, ‚im Interesse des Angeklagten‘“. Seine „sexuelle Orientierung“ dürfte „nicht medial breit getreten werden“. – Jetzt weiß ich nicht, ob Vergewaltigung eine sexuelle Orientierung ist; das ist ja pervers.

„Der Prozess wurde rasch vertagt. Da der Bub eine posttraumatische Belastungs­stö­rung erlitten haben soll, wird eine Kinderpsychiaterin ihn im Auftrag des Gerichts untersuchen. Sollte sie diese bestätigen, drohen dem Iraker bis zu zehn Jahre Haft.“ – Jetzt kommt es: „Dieser wartet auf die Bearbeitung seines Asylantrags: ‚Ich will Frau und Tochter nachkommen lassen.‘“

Genau für diese Dinge fehlt der Bevölkerung jedes Verständnis, das ist nämlich unfass­­bar. Der Bub, das muss man auch ganz offen sagen, ist im AKH behandelt worden, und dieser Eingriff war offensichtlich nicht so einfach. Warum man jetzt noch Untersuchungen darüber braucht, wie schwer traumatisiert er ist, das ist mir sowieso ein Rätsel. Ein zehnjähriger Bub, der auf brutalste Art und Weise vergewaltigt worden ist – no na ist der für sein Leben gezeichnet! Und das will die Bevölkerung ganz einfach nicht mehr hinnehmen.

Es muss auch etwas geschehen, damit die Kriminalitätshotspots – sie sind schon angesprochen worden –, die ohnehin bekannt sind, endlich einmal bereinigt werden. So wird im gesamten Bereich der U6 ungeniert und unter den Augen der Polizei gedealt, was das Zeug hält, und auch am Praterstern fühlt sich niemand mehr sicher. Für Wien ist das sicher nur ein Ausschnitt aus einer langen Liste, aber auch in den Landeshauptstädten wie Graz oder Salzburg gibt es Parks und Plätze, wo sich nach


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Sonnenuntergang kein normaler Mensch mehr hintraut. Da übernehmen dann Drogen­banden das Kommando, die sich zu einem großen Teil aus Personen rekrutieren, die unter dem Deckmantel des Asyls zu uns gekommen sind und dieses ganz eindeutig missbrauchen und eigentlich sofort abgeschoben gehören.

Dieselben Probleme zeigen sich aber auch auf dem Land. Beispielhaft für viele klei­nere Städte stehen Knittelfeld, Kapfenberg und Mürzzuschlag, wie auch folgendes Beispiel zeigt; dabei geht es um Drogendealer, vorbestrafte Afghanen belästigten in Knittelfeld vier Jugendliche:

„Elf Dealer wurden vergangenes Jahr von der Polizei aufgegriffen, einige davon sind bereits wieder auf freiem Fuß.“ – Das ist offenbar die übliche Vorgangsweise. – „Darunter auch jener 21-jährige Afghane, der am Samstag mit zwei Landsmännern (...) zwei Buben und zwei Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren im Park belästigte. Seit dem Jahr 2013 konnte ihm die Polizei immer wieder das Dealen mit Marihuana nachweisen, nach dem Erhalt eines negativen Asylbescheids war er aber unterge­taucht – um (...) an besagtem Tag wieder in Erscheinung zu treten. Auch sein 26-jäh­riger Komplize ist vorbestraft.“

Diese Dinge ziehen sich also durch ganz Österreich, und deswegen ist die Bevöl­kerung verärgert und erkennt auch den Stillstand. Die Versprechungen helfen nichts mehr, es muss endlich gehandelt werden.

Ganz kurz möchte ich noch zwei Dinge aus meiner direkten Umgebung ansprechen. Heute ist schon wieder das Versprechen gekommen: Es gibt zusätzliche Polizisten. – Dieses Versprechen hören wir seit Jahren, nur ist das de facto eine Lüge – und zu diesem Wort stehe ich jetzt hier –, denn es sind keine zusätzlichen Polizisten, sondern es werden einfach Abgänge nachbesetzt, und diese nicht einmal zur Gänze.

Die Wirklichkeit am Beispiel eines Polizeipostens sieht so aus – und es geht dabei um meinen Heimatort Mürzzuschlag –: Von 43 Planstellen waren im Februar nicht einmal 30 besetzt. Von den 30 Beamten wurden wiederum einige regelmäßig an die Grenze nach Spielfeld oder in das Schubhaftzentrum nach Vordernberg dienstzugeteilt, um die vier bis fünf dort aufhältigen Schubhäftlinge zu bewachen. Der dienstbare Stand an besagtem Polizeiposten lag daher bei rund 20 Beamten. Ich nehme nicht an, dass diese Situation nur auf Mürzzuschlag beschränkt ist. Bitte sorgen Sie dafür, dass wenigstens der Normalstand an Polizisten wieder erreicht wird! Von zusätzlichen Poli­zisten wage ich ohnehin schon nicht mehr zu träumen.

Ich habe zu Beginn, lieber Edgar, von gebrochenen Versprechen der Vorgängerin des neuen Ministers gesprochen. Das Innenministerium hat vor eineinhalb Jahren in Spital am Semmering ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Bürgermeister eine Sonder­betreuungsstelle für bis zu 300 Asylwerber eingerichtet – das in einem Ortsteil, der gerade einmal 280 Einwohner hat, und in einer Gemeinde, die zu diesem Zeitpunkt bereits 70 Asylwerber in Landesbetreuung problemlos beherbergte und die Quote locker erfüllt hat.

Nach heftigen Protesten ... (Bundesrat Mayer: Es geht um Landes- und Bezirks...!) – Jetzt lass mich ausreden! Einfach zurücklehnen und zuhören, lieber Edgar! Nach heftigen Protesten hat die damalige Ministerin Mikl-Leitner, also Ihre Vorgängerin, Herr Minister, öffentlich versprochen, die Anzahl der Asylwerber in dieser Unterkunft mit 50 zu beschränken. Kaum waren dann die Gemeinderatswahlen und die Landtagswahlen in der Steiermark vorbei – es ist nämlich ein Bundesquartier, von dem wir da sprechen –, schnellte die Zahl wieder auf 200 hinauf.

In den Nachbargemeinden, zum Beispiel in Neuberg an der Mürz im Ortsteil Mürzsteg, um den es jetzt auch geht, sind bereits 200 untergebracht, ebenfalls bei 350 Einwoh-


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nern. Die Nachbarstadt Mürzzuschlag beherbergt auch 150 Asylwerber. Mittlerweile hat es in der Unterkunft in Steinhaus bereits mehrere Großeinsätze der Polizei gegeben. Dass die Bevölkerung ob des gebrochenen Versprechens Ihrer Vorgängerin wütend ist, ist logisch, und das hat auch der Bürgermeister – es ist ein SPÖ-Bürger­meister – schon mehrmals kundgetan. Ich hege aber die Hoffnung, dass Sie die Ver­sprechen Ihrer Vorgängerin doch noch halten und umsetzen.

Wenn Ihnen, Herr Minister Sobotka, die Sicherheit der Menschen ein ehrliches Anlie­gen ist – und davon gehe ich aus –, dann finden Sie in uns einen verlässlichen Partner. Lassen Sie es nicht zu, dass sich die Bevölkerung nicht mehr auf die Straße traut, weil sie um ihr Leben fürchtet, und so ihrer Freiheit beraubt wird!

Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg für Ihre Arbeit und freue mich schon sehr auf ein baldiges Wiedersehen bei der Eröffnung des neuen Polizeipostens in meiner Heimatstadt Mürzzuschlag. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.23


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor ich den zu Wort gemeldeten Bundesminister um seine Ausführungen bitte, darf ich Herrn Staatssekretär Dr. Mahrer recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundesminister Sobotka. – Bitte.

 


11.23.47

Bundesminister für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich darf mich herzlich für die Debatten­beiträge bedanken, die mir zeigen, dass das Sicherheitsbedürfnis unserer Landsleute allen ein großes Anliegen ist.

Es ist selbstverständlich, dass sich diesbezüglich unterschiedliche Sichtweisen auftun. Ein Innenminister ist letzten Endes auch dafür verantwortlich, dass man in der öffent­lichen Diskussion unterschiedlichen Meinungen mit Respekt begegnet und sie zusam­menführt, denn ich denke, niemand von uns will das, was in Deutschland passiert ist, in Sachsen, wo ich Verwandte habe, die sich mit der Situation schwer abfinden können, dass Flüchtlingsheime brennen, dass noch Öl ins Feuer gegossen wird. Es ist nicht notwendig, dass wir Situationen erleben, die ein gesellschaftliches Auseinander­brechen nach sich ziehen. Daher wird uns der Generalverdacht mit Sicherheit nicht helfen.

Ich kann Ihnen heute keine statistische Darstellung in allen einzelnen Deliktsfällen präsentieren; dazu gibt es den Sicherheitsbericht, der uns dann auch die langfristigen Maßnahmen setzen lässt. Es zeigt sich aber – und darum haben wir jetzt mit diesem Aktionsplan für Österreich begonnen –, dass wir eine Tendenz feststellen können, dass die Zahl der Kriminalitätsfälle steigt. Festzuhalten ist jedoch: 2004 hatten wir 643 000 De­likte, und 2015 ging die Kriminalität im Vergleich zum Vorjahr wiederum um 1,9 Prozent zurück, da hatten wir 517 000 Delikte zu verzeichnen.

Dabei sehen wir vermehrt ein Täterprofil: 60 Prozent der Täter sind Männer im Alter von etwa 14 bis 40 Jahren. Es zeigt sich ebenfalls eine Häufung – ich habe es auch heute der Statistik des Bundesministers für Justiz entnehmen können –, dass die Inhaftierten, die aus EU-Ländern beziehungsweise aus Nicht-EU-Ländern kommen, in unseren Gefängnissen etwa 50 Prozent ausmachen und 50 Prozent aus Österreich sind. Es nützt niemandem etwas, Zahlen, die auftauchen, nicht zur Kenntnis zu neh­men, und es geht nicht um Vorverdächtigungen und Pauschalisierungen, sondern es geht ganz klar darum, die Sache beim Namen zu nennen und die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.

Derzeit schon finden Sie Maßnahmen gegen Gewalt im Sicherheitspolizeigesetz. Die Situation, die wir seinerzeit bei Fußballhooligans hatten, hat sich durch die Maßnahme


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der Meldepflicht und der damit einhergehenden Belehrung, wie im Sicherheitspolizei­gesetz vorgesehen, in den Szenen an unseren Fußballplätzen wesentlich verbessert. Diese Maßnahme muss ganz wesentlich zur Prävention getroffen werden, um keine kriminelle Karriere zu starten. Wir wissen, das beginnt mit kleinen Fällen, mit kleinen Delikten des Diebstahls und des Verletzens des Suchtmittelgesetzes, und geht dann leider Gottes, das zeigt eben die Statistik, weiter, sodass am Ende auch schwere Delikte nicht nur der Körperverletzung, sondern der Vergewaltigung und des Tod­schlags stehen, und daher ist jetzt auf mehreren Ebenen anzusetzen.

Es geht um eine Präventionsebene. Daher habe ich auch gebeten, dass wir die Inte­grations- und Asylbeauftragten der Länder zu uns bitten, um gemeinsam einen Maß­nah­menplan zu erarbeiten, wie wir mit den Asylwerbern umgehen. Dabei geht es nicht darum, sie auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren – bei einer steigenden Arbeits­losigkeit ist das auch nicht möglich. Es geht darum, einen geordneten Alltag für sie zu ermög­lichen. Der geordnete Alltag jener, bei denen wir sicher annehmen können, dass das Asylrecht in die Anwendung kommen und Asyl ausgesprochen wird, besteht darin, dass mit Deutsch- und Wertekursen begonnen wird, damit wir eine Möglichkeit haben, auch eine gelingende Integration sicherzustellen.

Warum die Verfahren so lange dauern, liegt ganz einfach an der Zahl der Mitarbeiter. Sie können heute einen Mitarbeiter nicht per Mausklick oder Schnipsen bestellen, da bedarf es einer Ausbildung, und das BFA hat nach dem Finanzrahmen 400 Dienst­posten zusätzlich zugestanden bekommen, weil es für uns notwendig ist, diese Verfah­rensdauer wieder zu reduzieren.

Wir hatten vor wenigen Jahren eine Verfahrensdauer von drei Monaten. Heute liegen wir bei siebeneinhalb Monaten, und wir werden uns dementsprechend in der Situation, in der etwa 65 000 Asylanträge – ich kann die genaue Zahl nicht sagen – in Bear­beitung sind, ganz einfach hinsichtlich der Zeitdauer, um das Verfahren ordnungs­gemäß abzuschließen, auch zweitinstanzlich, mit längeren Verfahren auseinander­set­zen müssen.

Es ist aber in der gleichen Situation ganz klar, dass wir, was die Rückkehr anlangt, sehr erfolgreich sind. Wenn Sie sich das EU-Programm des Resettlements mit 22 500 Plätzen im Gegenzugverfahren, in dem wir Leute in geordneten Bahnen nach Österreich herein­­nehmen beziehungsweise die Abschiebungen auf der anderen Seite durch­führen, ansehen, so sehen Sie, der erste Block hat etwa 5 600 Resettlement-Fälle ge­bracht. Das österreichische Kontingent beträgt 1 900 Resettlement-Plätze, und Österreich hat zum aktuellen Zeitpunkt – das ist etwa zwei Wochen her – bereits 1 425 Fälle durch­geführt. Das heißt, dort, wo es um ganz konkreten Resettlement-Zuzug geht, erfüllt Österreich mehr denn je im Vergleich zu allen anderen Staaten auch seine internatio­nalen Verpflichtungen.

Es geht auch nicht um eine Pauschalisierung des Islam oder der Männer als solcher, sondern wir sehen ganz einfach, dass wir in Österreich in etwa von einer Zahl von 280 Dschihadisten ausgehen können. Wir wissen nicht, wie viele sich tatsächlich hier aufhalten; jene, von denen wir wissen, dass sie aus dem Dschihad zurückgekommen sind, werden auch observiert. Wir wissen auch nicht genau, wie viele bereits in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen gestorben sind; man schätzt, etwa 43, 44 Fälle, schlussendlich hat man aber keine verlässlichen Informationen.

Das heißt, es geht hier nicht um ein Pauschalisieren des Islam, ganz im Gegenteil. Mit den Religionsgesellschaften pflegen wir einen intensiven Kontakt, damit sie auch selbst einen Beitrag dazu leisten, dass diese Radikalisierung im Islam nicht Fuß fasst. Aber Parallelgesellschaften zuzulassen, die die Frauenrechte massiv beschneiden – das


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wird ein Innenminister nicht dulden können. Wir müssen alle Maßnahmen setzen, die das auch schon vorab, in dieser Situation der Prävention, ermöglichen.

Daher wollen wir die Meldepflicht für straffällige Täter im Sicherheitspolizeigesetz einführen, damit wir ihrer habhaft werden, damit wir sie im Zuge der Meldever­pflich­tung – so wie bei Hooligans auch – mit unseren Wertvorstellungen konfrontieren und ihnen aufzeigen, wohin diese Täterschaft, die da mit einem eigentlich nur geringfügigen Rechtsbruch begonnen hat, führen kann. Ich glaube, es ist notwendig, junge Men­schen, egal, woher sie kommen, mit dieser Materie zu konfrontieren, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auch an unsere gesetzlichen und kulturellen Normen zu gewöhnen beziehungsweise sie zur Kenntnis zu nehmen.

Was den Polizeistand anlangt, darf ich Ihnen versichern, dass das keine Nachbe­set­zungen der Pensionierungen sind, sondern zusätzliche Stellen geschaffen werden. Sie können das nicht nur im Dienststellenplan, sondern tatsächlich in der Mannschaftszahl des Innenministeriums sehen. 2015 sind 1 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu­gekommen – nur die Aufgaben werden auch mehr. Es wird bei den zusätzlichen 2 000 Mitarbeitern, die in einem Zeitraum von vier Jahren aufzunehmen sind, notwen­dig sein, dass vor allem die Dienstposten draußen nach ihren Gefahrenpotenzialen oder ihren Aufkommen bewertet und dort die Dienstzuteilungen stattfinden werden. Dass bei einem Mannschaftsstand von einer Zahl X nicht alle immer dort den Dienst versehen, liegt an den Sondereinheiten und an den besonderen Verwendungen.

Denken Sie nur an die Demonstrationen, die am Brenner stattgefunden haben: Wenn wir mit den Identitären und den Linken rechnen, die dort aus Italien aufeinandergeprallt sind – das waren etwa 600 an der Zahl –, dann waren von österreichischer Seite mehr als 400 Polizisten, auch aus den anderen Bundesländern zusammengezogen, in den Einsatzeinheiten. Das heißt, sie können den Dienst dann nicht am Posten versehen.

Aber auf der anderen Seite sind sehr viele in Spezialausbildungen – als Hundeführer, im Tauchbereich, in der Cobra – letzten Endes auch im Dienststand vermerkt, die dann, wenn sie wieder den Normaldienst versehen, der Polizeiinspektion auch sehr viel Wissen mitgeben. Das ist, glaube ich, eine gute Praxis, um nicht Sondereinheiten aufzustellen, die nur per se stehen, sondern die immer auch in den Normaldienst zurückkehren, um auf der einen Seite das Wissen auf den Polizeiinspektionen und die breite Verbrechensbekämpfung zu intensivieren und auch die anderen Kollegen dabei mitzunehmen und auf der anderen Seite die Effizienz und Schlagkraft unserer Polizei zu erhöhen, die durchaus – und das können wir nicht leugnen – in den letzten zehn Jahren eine wirklich hervorragende Arbeit geleistet hat; sonst wären nicht aus 643 000 Delikten nur mehr 517 000 geworden.

Das ist sicherlich auch zu viel, aber es wäre eine Illusion, zu glauben, wir könnten, wenn wir genügend Polizisten hätten, alle diese Straftaten zur Gänze verhindern. Das wird uns auch mit den besten Strukturen in polizeilicher Hinsicht nicht gelingen. Daher ist es notwendig, das Sicherheitsbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher zu treffen. Wir sehen ganz deutlich, dass die Einbruchsdiebstähle dort zurückgehen, wo die Umgebung auch sensibel ist und bemerkt: Welches Auto gehört dort nicht hin? Wer befindet sich in einer Wohnhausanlage, der nicht dorthin gehört?

Es ist notwendig, die Gesellschaft vom Wegschauen zum Hinschauen zu bringen. Daher hat meine Vorgängerin die Aktion „Gemeinsam sicher“ ins Leben gerufen, von der ich mir, wenn sie sich wirklich in der Ausrollung befindet – das wird einige Zeit in Anspruch nehmen –, auch sehr viel erwarte.

Ich sehe, das Interesse in der Diskussion ist ein sehr großes, und wir sind in unserem Haus gern bereit, Ihnen alle Daten und Fakten für die parlamentarische Arbeit zur Verfügung zu stellen. Uns liegt die Sicherheit der Landsleute am Herzen, und da geht


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es nicht um die Person Sobotka oder die Regierung, sondern es geht um die Sicherheit unserer Landsleute. Von ihnen sind wir gewählt worden, und für sie haben wir unsere Arbeit zu erbringen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)

11.35


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

11.36.192. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften (Abschluss­prüfer-Aufsichtsgesetz – APAG) (1012 d.B. und 1018 d.B. sowie 9559/BR d.B. und 9577/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um den Bericht.

 


11.36.45

Berichterstatter Christian Poglitsch: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungs­gesell­schaften.

Die wesentlichsten Neuerungen durch den gegenständlichen Beschluss des Natio­nalrates im Bereich der Abschlussprüferaufsicht sind die Schaffung einer einzigen, letztverantwortlichen und vor allem unabhängigen Behörde sowie die Einführung von Inspektionen bei Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen, zusätzlich zu Qualitätssicherungsprüfungen, die für alle Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften gelten. Die Abschlussprüferaufsichts­be­hörde wird als weisungsfreie Organisationseinheit errichtet. Sie ist außerdem Verwal­tungs­strafbehörde.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile ihr dieses.

 


11.37.53

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz, das uns hier heute vorliegt, ist ja nur ein Teil der Umsetzung einer EU-Richtlinie beziehungsweise EU-Verordnung, die die spezifischen Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse betrifft. Es handelt sich dabei um das APAG, das Abschluss­prüfer-Aufsichtsgesetz – ich liebe die deutsche Sprache, da kann man solche Unge­tüme sehr erfolgreich bilden.

Das heißt, die Prüfer werden in Zukunft mithilfe einer neu geschaffenen Behörde – der APAB, der Abschlussprüfer-Aufsichtsbehörde – geprüft, die wiederum der Aufsicht des Finanzministeriums untersteht. Diese besteht aus Aufsichtsrat, Vorstand und einem Beirat, einer Qualitätsprüfungskommission, die 14 Mitglieder umfasst – es waren ur-


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sprünglich mehr, die Zahl ist im Zuge der Verhandlungen etwas geschrumpft –, welche sich aus Kammern, der Vereinigung österreichischer Revisionsverbände, Ministerien und so weiter rekrutieren, wobei acht der 14 Mitglieder dem Berufsstand zuzurechnen sind. Das widerspricht unserer Meinung nach tendenziell der Grundvoraussetzung für die EU-rechtskonforme Arbeit der öffentlichen Aufsicht, nämlich der Unabhängigkeit vom Berufsstand.

Die Behörde hat einen Finanzbedarf von 2,5 Millionen € im Jahr. Es wird zwar eine andere Behörde, der AeQ, abgeschafft, aber trotzdem: Inwieweit das eigentlich dem Erfor­dernis einer Verwaltungsvereinfachung, einer Regulierungsvereinfachung ent­spricht, ist nicht unmittelbar ersichtlich.

Das Ganze hat, wie gesagt, eine zweite Seite, nämlich das Abschlussprüfungsrechts-Änderungsgesetz, in dem es auch darum geht, wie lange Wirtschaftsprüfer tätig sein können. Dieser Zeitraum hätte unserer Meinung nach massiv reduziert werden müs­sen. Diese Meinung resultiert insbesondere aus Erfahrungen aus dem Hypo-Unter­suchungsausschuss, aber auch aus anderen Finanzskandalen, die zeigen, dass positive Testate von Wirtschaftsprüfern die Aufdeckung doch in vielen Fällen massiv hinauszögern.

Das geht so weit, dass der Gutachter aus dem Hypo- und BAWAG-Bereich, Fritz Kleiner, gesagt hat, dass man, wenn man noch ein bisschen mehr Beweise hätte, auch die Bank- und Bilanzprüfer vor den Kadi stellen müsste. Das liegt nun nicht am Unvermögen, an der Böswilligkeit oder an der kriminellen Energie dieser Menschen, sondern ist unserer Meinung nach ein Systemversagen. Da gibt es Abhängigkeiten zwischen Prüfern und zu Prüfenden, die entstehen und die zu groß sind.

Jetzt wäre eben die Chance da gewesen, dieses System nachhaltig zu verbessern, und zwar mit einer billigen und relativ einfachen Maßnahme, nämlich der Rotation mit kürzeren Zeiträumen. Diese Möglichkeit wird leider nicht wahrgenommen, sondern es werden die auch von der EU gestatteten langen Zeiträume beibehalten. Ich darf wieder auf Fritz Kleiner verweisen: Er hält diese Reform aus diesem Grund für eine absurde Alibiaktion.

Aus diesen Gründen stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zu. Wir glauben, dass durch das Aufsplitten die Verfassungsmehrheit für die Implementierung der Behörde billiger wurde und dass eine Chance versäumt wurde, die Kontrolle unabhängiger und besser zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.42


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir in der Debatte fortsetzen, sei es mir gestattet, die Pensionistengruppe der Gemeinde Gutau aus dem Mühlviertel und deren Obmann recht herzlich bei uns im Bundesrat zu begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile ihm dieses.

 


11.42.47

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg)|: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Staatssekretär! Die Kollegin hat eigentlich bereits ausgeführt, warum diese Behörde geschaffen wird, dennoch werde ich jetzt noch kurz auf einen die Behörde betreffenden Punkt eingehen.

Es hat in zweiter Lesung einen Abänderungsantrag gegeben, und die Behörde bezie­hungsweise die Aufsicht sieht nicht mehr so aus, wie Sie sie jetzt dargestellt haben, sondern es gibt nur noch sieben Mitglieder. Die zweite Lesung hättest du dir, glaube ich, noch anschauen sollen, da hat sich doch noch einiges geändert. Also man ist von acht Mitgliedern – ursprünglich im Ministerratsvortrag – rauf auf 16, dann aber wieder


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zurück auf sieben; das ist der Letztstand. Dazu wird uns dann aber der Herr Staats­sekretär sicher auch noch im Detail etwas sagen können.

Diese Behörde soll Probleme, die in der Vergangenheit bekanntermaßen aufgetreten sind – wir müssen nur nach Kärnten blicken –, in Zukunft bereits von Anfang an verhindern. Herr Kollege, du lachst, aber dieser Seitenhieb sei mir schon erlaubt, weil das natürlich schon einer der zentralen Punkte ist.

Wir schaffen heute diese neue Behörde. Zugegebenermaßen wird sich wohl jeder wirtschaftlich orientierte Mensch auf den ersten Blick fragen, warum es wieder eine neue Behörde gibt, warum wieder etwas Neues geschaffen wird. Da wird jedoch zumindest eine andere Behörde – der von meiner Kollegin vorhin erwähnte AeQ –, die bisher die Wirtschaftsprüfer prüfte oder bis jetzt prüft, abgeschafft beziehungsweise in diese neue Behörde, in die APAB, überführt.

Der große Unterschied ist auch, dass in dieser neuen Behörde unterschiedliche Qua­lifikationen von Unternehmen, aber auch von Wirtschaftsprüfern dargestellt werden; und ein wichtiger positiver Effekt in dieser Regelung ist für mich – und das kommt auch nicht täglich vor –, dass wir heute sogar ein Gold Plating zurückführen. Das kommt, wie gesagt, leider äußerst selten vor. Wir definieren nämlich mit dieser Regelung den Anwendungsbereich neu, damit wir nicht mehr machen, als die EU uns eigentlich vorschreibt. Wir nehmen mit dieser Regelung auch kleine Vereine, kleine Privatstif­tungen oder auch Prüfungen, die aufgrund von rein landesgesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden müssen, von dieser Prüfung durch die Behörde aus.

Dieses Gesetz ist vielleicht auf den ersten Blick nicht wahnsinnig spannend und wird vielleicht auf den ersten Blick auch nicht wahnsinnig viele interessieren, aber die Aus­wirkungen interessieren uns sehr wohl, denn wenn wir dieses Gesetz vor 20 Jahren bereits gehabt hätten, dann wäre wohl einiges nicht passiert und dann wären uns so manche Schwierigkeiten der Vergangenheit wohl auch erspart geblieben. Es ist nämlich wichtig, dass die Darstellungen eines wirtschaftlichen Ergebnisses sehr genau sind und auch haltbar sein müssen; und das gilt, bitte schön, in allen Bereichen, eben bei Banken, bei Versicherungen, aber auch bei Genossenschaften. Die Ergebnisse von Prüfungen müssen vor allem bei Unternehmen im öffentlichen Interesse – um diese geht es heute – halten und auch transparent sein.

Wir beschließen heute eine Qualitätssicherung, sozusagen eine Prüfung des Prüfers, und dann werden wir beim nächsten Mal – du hast es angesprochen, Frau Kollegin – auch über die Inhalte diskutieren, wenn der Nationalrat das Abschlussprüfungsrechts-Änderungsgesetz zuerst im Justizausschuss und dann hoffentlich auch im Plenum beschlossen hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.46


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Da der zweite Teil der Pensionistengruppe aus dem Mühlviertel erst jetzt den Saal betreten hat, bitte ich, es mir zu gestatten, auch diesen Teil der Abordnung recht herzlich bei uns im Bundesrat zu begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bock. Ich erteile ihm dieses.

 


11.47.09

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätztes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich haben wir bereits gehört, dass es sich dabei um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, bei der die Aufsichts- und die Sorgfaltsmaßstäbe bei Abschlussprüfern neu geregelt und organi­siert werden.


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Beim Wirtschaftsministerium wird eine neue, unabhängige und – wie wir schon gehört haben – nicht weisungsgebundene Behörde eingerichtet, welche besonders die Qua­lifikation, die Registrierung und die Fortbildung von Abschlussprüfern neu reguliert. Das bisher gültige Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz tritt damit außer Kraft. Da in diesem Gesetz auch Verfassungsbestimmungen enthalten sind, ist es nach mehre­ren Verhandlungen im Nationalrat auch gelungen, dieses mit entsprechender Mehrheit zu beschließen.

Von diesen EU-Richtlinien sind alle großen Unternehmungen im öffentlichen Interesse betroffen. Die Prüfungen von kleinen Vereinen und Stiftungen sind damit also nicht erfasst. Diese neue Behörde finanziert sich mit bis zu 500 000 € aus Mitteln des Finanz­ministeriums, aus Steuermitteln; der Rest ist von den geprüften Unter­neh­mungen je nach abgerechneten Prüfhonoraren und der Wirtschaftskammer oder den entsprechenden Kammern aufzubringen.

Die neue Behörde – das haben wir auch schon gehört – besteht aus einem zweiköp­figen Vorstand, einem sieben Personen umfassenden Aufsichtsrat und einem sieben­köpfigen Beirat, der sogenannten Qualitätsprüfungskommission. Die Bestellung des Vorstandes erfolgt durch die Bundesregierung, wobei die Aufsichtsratsmitglieder vom Finanzminister und vom Wirtschaftsminister bestellt werden. Die APAB, also die neue Behörde, ist auch für die Kontrolle der vorgegebenen Weiterbildungsmaßnahmen zuständig; ebenso werden von ihr Sanktionen und Strafen – sie ist also auch Straf­behörde – bis zu 350 000 €, ursprünglich hatte man 1 Million € angedacht, verhängt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mit der Umsetzung dieser Richtlinie sollten wir dem Ziel, dass es keine bösen Überraschungen durch große Firmenpleiten mehr gibt, näherkommen. Wir wissen alle, dass das mit noch so vielen strengen Gesetzen auch in Zukunft nicht erreichbar sein wird. Neben tollen Unternehmerinnen und Unterneh­mern ist die kriminelle Energie und der Größenwahnsinn weltweit genügend vorhan­den, denn es fehlt bei einigen an Charakter, Gerechtigkeitssinn und auch an Ehrlich­keit.

Da es bereits seit vielen Jahrzehnten vergleichbare Einrichtungen für Banken und Börsen gibt, bin ich der Meinung, dass es gerade bei großen internationalen Unterneh­mungen mit Umsätzen, die weit höher als unser Bruttoinlandsprodukt sind, noch weitere Maßnahmen braucht.

Als ein sehr großes Problem erscheint mir dabei meistens die Zeit. Bei Unternehmen, die wirtschaftliche Probleme haben, sind eine einmalige jährliche Prüfung und auch Quartalsprüfungen zu wenig, um große Schäden von Anlegern abzuwenden. Ob bei der Hypo in Kärnten, bei der BAWAG oder bei der Pleite von Lehman Brothers in den USA mit einem Schaden von über 75 Milliarden US-Dollar, überall musste der wirt­schaftliche Schaden von den Steuerzahlern und von den Anlegern beglichen werden.

Mithilfe von Steuerberatern und geschönten Bilanzen, durch falsche Bestände, falsche Bewertungen und falsche Abgrenzungen wurden Milliardenbeträge vernichtet oder wird, wie wir spätestens seit dem Datenleck bei dem panamaischen Offshore-Dienstleister Mossack Fonseca wissen, jede Menge Geld in Steueroasen verschoben und geparkt. 14 000 Klienten aus aller Welt wurden dabei betreut und 15 600 Brief­kastenfirmen eingerichtet. 500 Mitarbeiter in 40 Ländern waren dabei im Einsatz. Selbst hochrangige Politiker und Sportler bedienten sich dieser Einrichtungen, und dabei war Mossack Fonseca nur die viertgrößte Einrichtung dieser Art auf der Welt.

Ohne gemeinsame Lösung in der Europäischen Union werden wir dieser Machen­schaften nicht Herr werden. Die Macht der Großkonzerne können wir nur gemeinsam mit der EU brechen. Lassen wir uns durch Verträge wie TTIP, durch die Ausbeutung


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der Ärmsten in Südamerika und Afrika, durch Großkonzerne, durch Kapitalver­schiebungen und Steueroasen unsere mühsam aufgebaute Welt nicht gefährden!

Diesem Gesetz, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, werden wir von der Sozial­demokratie gerne zustimmen. Damit kommen wir auch einen kleinen Schritt weiter, aber um uns selbst und unsere kleinen und mittleren Unternehmungen – auch die Land­wirtschaft – zu schützen, braucht es noch weitere Anstrengungen in der euro­päischen Gemeinschaft, aber auch bei uns in Österreich. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.52


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile ihm dieses.

 


11.53.07

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Bock, wenn man so eine Einstellung gegenüber den österreichischen Unternehmen, Konzernen und der gesamten Unternehmenslandschaft hat, dann ver­wundert es mich nicht, dass viele Unternehmen Österreich einfach den Rücken kehren, auswandern, Betriebsstätten an einem anderen Ort gründen und dadurch die Arbeits-losigkeit steigt. Das möchte ich einmal betonen. Das haben wir Unternehmer sicher nicht verdient, hier mit dieser Meinung konfrontiert zu werden.

Wir von der FPÖ haben dieser Materie zugestimmt, weil sie Sinn macht. Das ist eine Verfassungsmehrheit, eine Zweidrittelmehrheit. Prüfung und Kontrolle sind wichtig, und Transparenz und Veröffentlichung von börsennotierten Unternehmen sind ganz besonders wichtig. Daher stimmen wir dem gerne zu.

Ich möchte hier aber trotzdem auf drei Punkte, die mir aufgefallen sind, hinweisen. Das ist eine EU-Verordnung, die von April 2014 stammt, und sie ist an alle 27 Mit-gliedsländer gleichzeitig ausgesendet worden. In Deutschland wurde dieses Gesetz bereits im Dezember 2015 beschlossen, bei uns passiert das ein Vierteljahr später. Das zeigt auch, dass die Bundesregierung offensichtlich einen anderen Arbeitsstil als die deutsche hat. Dort ist es ja auch eine rot-schwarze oder schwarz-rote Koalition. Was das Arbeitsethos der Bundesregierung betrifft, zeigen sich da doch Differenzen zwischen Österreich und Deutschland.

Punkt zwei: Herr Kollege Brunner, ich darf das, was das Gold Plating betrifft, in einen anderen Fokus stellen. Gold Plating heißt nichts anderes, als dass sich die National­staaten praktisch über die EU-Verordnung hinauslehnen und diese Regulierungen verstärkt und ausgeweitet zur Anwendung bringen. Dieses Gesetz ist schon Gold Plating! Das heißt eigentlich nichts anderes, als dass die Bundesregierung – und das lehnen wir Freiheitliche besonders ab – wieder vor Brüssel in die Knie geht, um praktisch eine Sonderstellung und das Attribut des Musterschülers zu bekommen.

Warum? – Es besteht die Möglichkeit, dieses externe Rotationsprinzip für zehn bis 20 Jahre abzuschließen, und Deutschland, das Vereinigte Königreich und Frankreich, die drei Hauptstandorte, die Wirtschaftstreiber der Europäischen Union, haben das auch gemacht, nämlich diese Periode von 20 Jahren für das externe Rotationssystem ausgenützt. Bei uns hat man das auf zehn Jahre minimiert. Das sehen wir eher kritisch. Da sollte man sich an die großen Standorte, an die großen Wirtschaftstreiber Europas angleichen.

Der dritte Punkt betrifft die Aufsichtsbehörde; weil diese Aufsichtsbehörde installiert wird, ist es ja ein Verfassungsgesetz. Diese ist sicherlich gut, es ist sinnvoll, wenn man – wie schon erwähnt – im Sinne der Transparenz eine Verlagerung von öffent-


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lichen, also der auf dem Kapitalmarkt notierten Unternehmen schafft, aber – und das ist interessant – diese Unternehmen, diese Wirtschaftsprüfungsgesellschaften müssen sich ihre eigene Behörde selbst bezahlen.

Die Gelder für die Wirtschaftsprüfungsbehörde kommen auch wieder von den ge­prüften Unternehmen, und es ist nicht einzusehen, dass der Staat mit einer Abga­benquote, die praktisch schon an die 50 Prozent heranreicht, nicht einmal mehr das Geld aufbringt, eine Behörde, die selbst von der EU vorgeschrieben ist, zu finanzieren. Oder ist das das erste Anzeichen dafür, dass Österreich, trotz dieser Staatsver­schuldung, offensichtlich wieder einmal das Geld ausgeht? – Nein, das lehnen wir ab. Der Staat soll seiner Kernaufgabe nachkommen und diese Behörde selbst bezahlen.

Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind bekanntlich Deloitte, KPMG, PricewaterhouseCoopers und Ernst & Young – die Big Four. Früher waren es die Big Five. Ich darf daran erinnern, dass der große Enron-Skandal 2001 in Amerika die fünfte große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Arthur Andersen, praktisch in die Liquidation getrieben hat. Auch in diesem Sinne ist es wichtig, dass diese Wirtschafts­prüfungs­gesellschaften auch selbst geprüft werden. Daher stimmen wir diesem Gesetz gerne zu. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

11.57


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Heute gibt es hier eine extrem starke Präsenz von PensionistInnen aus Oberösterreich, aber es soll kein Besuch in diesem Bundesrat ohne Begrüßung sein. – Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


11.57.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte eigentlich nur mehr eine Kleinigkeit ergänzen; es ist ange­sprochen worden.

Sie wissen, ich begleite diesen Gesetzentwurf seit dem Wirtschaftsausschuss. Es ist im Plenum berichtet worden, dass er auch im Wirtschaftsausschuss intensiv debattiert worden ist. Es gab im Plenum des Nationalrates in zweiter Lesung einen Abände­rungs­antrag, und man sieht, wie intensiv auf parlamentarischer Ebene über diesen Entwurf debattiert wurde. Es ist eigentlich wiederum ein positives Beispiel, wenn Abgeordnete und Bundesräte unterschiedlicher Fraktionen inklusive der Experten unterschiedliche Regelungen intensiv debattieren. Das ist ja immer der Wunsch des Nationalrates und des Bundesrates.

Ich glaube, es ist auch sehr gut, wenn man dann in der gemeinsamen Abwicklung noch einmal feststellen kann, ob denn die eine oder andere Regelung praxisnah und bestens ausgeführt ist sowie tatsächlich dem eigentlichen Zweck und Ziel des Geset­zes dient. Transparenz und höchste Qualität im Sinne einer vernünftigen Aufsicht wurden vom Mitglied des Bundesrates gerade angesprochen. Ich glaube, das können bei diesem Gesetzentwurf nahezu alle unterschreiben.

Daher weise ich noch einmal darauf hin, dass in der zweiten Lesung noch eine Verän­derung bei den Beiratsmitgliedern, also den Mitgliedern der Qualitätsprüfungs­kom­mission, vorgenommen wurde. Da heißt es konkret in § 12 Abs. 2, dass die Zahl von 14 Mitgliedern wieder auf sieben verringert wurde – es sind jetzt also sieben plus eins –, und sie entspricht damit in Wirklichkeit dem ursprünglichen Vorschlag unseres Ministeriums und der Experten, die das ausgearbeitet haben.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 73

Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht nur allen Abgeordneten des Nationalrates und den Mitgliedern des Bundesrates danken, die sich in intensiven Debatten mit der Fertigstellung des finalen Gesetzentwurfs beschäftigt haben, sondern explizit auch den Mitarbeitern unseres Hauses, Herrn Sektionschef Tschirf und den beiden dafür zu­ständigen leitenden Beamten. Ich glaube, es ist in Summe ein ausgezeichnetes Ge­setz, das nun vorliegt.

Ein letzter Kommentar sei mir gestattet: Neben Spanien, Portugal und der Slowakei, wo das Gesetz bereits in Umsetzung befindlich ist, haben das die Deutschen im Dezember im Bundesrat beschlossen. Alle anderen Mitgliedstaaten befinden sich in der Umsetzungsphase. Es ist ein ganz normaler Prozess. Es braucht da also auch von dir, lieber Kollege Pisec, keinen Seitenhieb auf die Arbeitsweise der Bundesregierung, sondern ganz im Gegenteil, das ist auch sehr lange im Parlament behandelt worden. Es ist gut so, wie es im Detail im Parlament behandelt worden ist. Dieser Hinweis sei mir noch gestattet. – Vielen herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit bei diesem Gesetz. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Koller.)

11.59

12.00.01

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.00.483. Punkt

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft (III-581-BR/2016 d.B. sowie 9578/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hackl. Bitte um den Bericht.

 


12.01.20

Berichterstatterin Marianne Hackl: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über die EU-Vorhaben  Jahresvorschau 2016 des Bundesminis­teriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft.

Da Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, komme ich sogleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 den Antrag, die EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft (III-581-BR/2016 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


12.02.03

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht ist


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 74

gut, er ist gut geschrieben, er ist gut zusammengefasst, und er ist auch in einem guten Deutsch geschrieben – das kommt bei dieser Regierung nicht so oft vor, und da möchte ich dem Wirtschaftsministerium wirklich meine Gratulation zum Ausdruck bringen. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Der Grund, warum wir dennoch nicht zustimmen können, ist in erster Linie das Vorwort. Auch wenn da das Konterfei des Herrn Vizekanzler drauf ist: Ich glaube nicht, dass er das geschrieben hat, aber ich muss trotzdem darauf eingehen, denn es ist ja seine Unterschrift darunter gesetzt.

Im dritten Satz kommen bereits die berühmten österreichischen Mantras vor: WIFO und IHS. Ich muss ganz ehrlich sagen, das kommt mir manchmal wie in Büchern aus der DDR-Zeit vor, die jetzt auf der Universität aussortiert werden, die wissenschaftlich exakt sind, aber wenn man sich da, ich weiß nicht, etwas über die Gartenbeschaffung durchlesen will, geht es in den ersten zwei Sätzen über Karl Marx und Friedrich Engels. Also daran erinnert mich das immer: immer IHS und WIFO.

Vielleicht wird das WIFO mit Badelt, dem ehemaligen Rektor der Wirtschaftsuniversität, besser. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber das IHS ist wirtschaftswissenschaftlich unten durch, das muss man ganz offen sagen, und da ist auch keine Besserung in Sicht. Daher weiß ich auch nicht, warum man sich immer auf diese zwei kapriziert. Da sollte einmal die Wettbewerbsbehörde, das Kartellamt in Österreich einschreiten. Es gibt unzählige sehr gute Institute, man könnte auch einmal über den Tellerrand blicken und ins Ausland gehen. Vielleicht holt man sich einmal ein deutsches oder ein Schweizer Institut und schaut, welchen Fokus die haben.

Punkt zwei, die Steuerreform, die da genannt wird: Nicht schon wieder! Nicht schon wieder! Sie ist ein Belastungspaket für viele Unternehmen – es ist ein Wirtschafts­bericht, deswegen muss ich über die Unternehmen sprechen –, sie ist ein Belastungs-paket! Ich möchte das hier nicht wieder betonen. Die KESt-Erhöhung, die Abschrei­bungsverlängerung, die Erhöhung des Sachbezugs für Autos, die Grunderwerbssteuer, die Registrierkasse, über die wir jetzt täglich in den Zeitungen lesen: Das sind alles, alles Belastungen für die Unternehmer, die Kosten, Kosten, Kosten verursachen und die Wettbewerbskraft der österreichischen Unternehmer reduzieren. Darum geht es: Es geht um die Kosten der Unternehmer. Die kommen einfach nicht mit.

TTIP, CETA – darauf komme ich später noch zurück – helfen nichts, wenn wir die Kosten nicht reduzieren. Wir kommen international einfach nicht mit, wir sind nicht wettbewerbsfähig. Darum geht es, sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Harald! Darum geht es, wenn ich das so erwähnen darf. Es geht also darum, den Wettbewerb zu stärken.

Ich komme kurz zu den Kosten. Was betrifft uns Unternehmer? Wir können ja dieser internationalen Globalisierung nicht davonlaufen, wir müssen uns ja angleichen. Industrie 4.0, wir müssen das implementieren, wir müssen das machen. Da geht es aber nicht so sehr um die Automatisierungsprozesse innerhalb eines Betriebes, da geht es um Automationsprozesse zwischen den Unternehmen. Da kommt man nicht heraus. Da geht es um Warenketten, da geht es um die berühmte Chain-of-supply, von der Produktion über die Distribution bis zur Konsumtion. Das macht diese Industrie 4.0 aus. Das verursacht Kosten, denn das muss für die Unternehmen einmal programmiert werden. Da müssen wir mitmachen, da kommt keiner daran vorbei, sonst stehen wir international hinten an.

Damit wir uns diese Neuerung, diese Innovation, diese Forschung und diese Tech­nologie leisten können, brauchen wir woanders eine Kostenreduktion, und das sind einmal die Steuern, das sind die kompletten Abgaben, das ist die Deregulierung, die uns und den Unternehmern wichtig ist. Wichtig ist, dass wir in diesem Bereich mehr


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 75

Freiheit haben und den Fokus auf einen anderen Blickwinkel richten können, denn da kommen wir einfach nicht aus, wollen wir international mitmachen und wettbewerbs­fähig bleiben.

Das macht dann auch das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze aus, auf die es ja der Bundesregierung so ankommt. Wir alle wissen: Die Arbeitslosigkeit steigt, steigt und steigt. Wir sind jetzt praktisch bei einer halben Million Arbeitsloser. Das muss man sich einmal vorstellen! In dem kleinen Land Österreich sind eine halbe Million Men­schen arbeitslos. Ich meine, wenn das nicht eine negative Auslage für die Bundes­regierung ist, dann weiß ich nicht. Daher gehört alles dafür getan, in erster Linie den Wettbewerb zu stärken. Das ist für uns Freiheitliche besonders wichtig.

Wenn ich einen Exkurs machen darf, wie ein anderes Denken funktioniert: In der Schweiz heißt es nicht Steuerreform, sondern – zu Recht Unternehmens­steuer­reform, denn die Schweizer wissen genau, sie müssen die Unternehmer fit machen (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), sie müssen die Unternehmer wettbe­werbs­fähig machen, damit alles andere funktioniert. Wenn das nicht funktioniert, funktioniert das andere auch nicht.

Unternehmer, sehr geehrter Herr Staatssekretär, lassen sich das schon lange nicht mehr gefallen, siehe Voest, die gehen in die USA, siehe AT&S, die gehen nach China. Die Sorgen und die Ideen und Neuerungen, die die Leitbetriebe Österreichs haben und vorschlagen, wurden – so steht es hier – umgesetzt. Nein, die wurden nicht umge­setzt! Ich ersuche, dass das gemacht wird.

Jetzt ein kurzer Exkurs zu TTIP. TTIP, meint man, betreffe den freien Handel, den Freihandel. Aber der Handel wurde, das ist schon lange her, durch Zölle, durch die Einfuhrzölle, durch Importsperren reguliert. Wenn ich kurz erinnern darf: Dieser be­rühmte Manchester-Liberalismus, den ich jetzt nur wertfrei replizieren möchte, hat damals bewirkt, dass die weltweiten Importzölle von Getreidelieferungen, die damals gerade angeworfen wurden, abgebaut wurden, und so wurde die Hungersnot in England verhindert. Darum geht es, aber das Thema ist lange vorbei, denn der Handel ist bereits frei.

Die Zölle, um die es da geht: Wir haben Zölle zwischen 0 und 10 Prozent, das macht einem Wettbewerb nicht so viel aus, siehe China: Wir haben kein Freihandels­abkom­men, aber die chinesischen Waren haben, was den Spielzeughandel betrifft, fast eine Deckung von 100 Prozent. Es gibt kaum Spielzeuge, die nicht aus China stammen.

Also da geht es um was anderes. Bei TTIP geht es – und das wäre ein besserer Terminus – um die Internationalisierung von Normen und Standardisierungen. Das ist nämlich das Problem. Das sind die Themen, mit denen sich Unternehmer auseinan­dersetzen müssen: Können meine Produkte auf dem amerikanischen Markt oder umgekehrt überhaupt angeboten, feilgeboten werden?

Ich war im TTIP-Leseraum: Also, ob ich das Handy abgeben muss, ist mir eigentlich egal, und wenn mir jemand über die Schulter schaut, ist mir das eigentlich auch vollkommen egal, ich bin transparentes Arbeiten gewohnt. (Heiterkeit des Bundesrates Mayer.) Aber was ich nicht verstehe, ist: Das ist Copy-and-paste der WTO-Abkommen, da ist nichts Neues drinnen. Ich hatte die Kontraktspezifikationen gesucht, um die geht es den Unternehmen. Ein Unternehmer möchte ja Geschäfte machen, der möchte wissen, ob er seine Produkte in den USA anbieten kann. Das habe ich nicht gefunden.

Es gibt überhaupt keine Kontraktspezifikationen. Wollen Unternehmen, dass ihre Warengruppe an einer Börse notiert, braucht man eine Kontraktspezifikation. Die gibt es nicht! Das ist aber die Basis der Geschäfte. Wir alle wissen, Streitereien finden


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wegen vernachlässigbarer 0,01 Prozent statt. Es geht um das tatsächliche Geschäft, und das wird nicht transparent gestaltet. Das ist eine Kritik, und darum geht es.

Ich glaube auch, dass das Abkommen viel zu voluminös ist, um das in einem Zug durchzubringen. Das ist eigentlich auch gar nicht gewünscht. Wir von der FPÖ sehen das vollkommen anders. Wir wollen Transparenz und Klarheit haben, die aufgrund der fehlenden Kontraktspezifikationen bis heute nicht geliefert wurden.

Die Voest hat sich anders entschieden. Die hat ihre Betriebsstätte gleich in die USA gelegt, denn dort ist alles billiger. Offensichtlich gibt es dort viele Fachkräfte, die in Österreich bereits fehlen. Darunter leidet die Industrie. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das verursacht der Industrie auch Kosten, da sie mittlerweile selbst dafür verantwortlich ist, ihre Fachkräfte auf den Maschinen – es geht vor allem um tech­nische Berufe – für ihre eigene Produktion auszubilden. Da ist der Staat absolut säumig, trotz der hohen Steuerquoten, trotz der Abgabenquote, trotzdem hier im Parla­ment immer wieder Bildung, Wissensgesellschaft rauf und runter diskutiert werden. Aber es geht nicht durch bis zu den Arbeitskräften, es geht nicht durch zu Fachaus-bildern und die Industrie leidet eminent darunter.

Zusammengefasst möchte ich darstellen, dass der Bericht in Ordnung ist, die Probleme auch erkannt wurden, wie auf Seite 12 vollkommen richtig zu lesen ist: „Ent­scheidend sind insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung des Unternehmertums, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, für verbesserte Finanzierungs-möglichkeiten vor allem für Start-ups und KMU sowie ein unternehmensfreundliches und bürgernahes Regelungsumfeld.“

Ein perfekter Satz, er könnte nicht schöner sein, das könnte von einem Freiheitlichen geschrieben worden sein. (Bundesrat Mayer: In aller Bescheidenheit!) Leider ist das Vorwort ein anderes, daher müssen wir das ablehnen. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.11


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


12.11.32

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde auch, dass diese Vorlage kurz ist, aber sie beinhaltet das Wesentliche, und das ist wichtig.

Ich beginne auf der anderen Seite – wie am Montag bei der Zeitung, da sah ich auch lieber die Ergebnisse der Spiele der Bundesliga und nicht vorne die Titelseiten an –, und die Ergebnisse dieses Vorhabens sind eigentlich sehr beeindruckend, denn wir sind zurzeit in einer sehr gespannten globalen Situation.

Wir sind auf der einen Seite mit den Sanktionen gegenüber Russland verhaftet – mit der Europäischen Union –, auf der anderen Seite wollen wir kein Abkommen mit den Kanadiern, kein Abkommen mit den USA, aber irgendwo wollen wir doch Handel in der Welt betreiben. Mit China führen wir zurzeit kein Handelsabkommen, und ich bin überzeugt davon, dass in Zukunft nur Handel Wirtschaftswachstum dementsprechend beschleunigen oder Wirtschaftswachstum herbeiführen kann.

Ein wichtiger Punkt ist sicherlich auch der Binnenmarkt in Europa, aber im Binnenmarkt sehen wir zurzeit auch Probleme. Es wird wichtig sein, wie es auch hier im Bericht steht, sich am strategischen Binnenmarkt auszurichten und bessere Rechtssetzungen zu finden, denn besonders unsere Rechtssetzungen hemmen uns in der Europäischen Union oft durch zu hohe Bürokratie. Auch unser Bundesminister Mitterlehner hat ge­sagt: Ein Gesetz soll zwei Gesetze ersetzen. Das wäre, glaube ich, wichtig für die


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 77

Wirtschaft – für die zukünftige Strategie und die zukünftige Ausrichtung in der Euro­päischen Union sowie auch für das Wirtschaftswachstum in Europa.

Eines steht nicht drinnen, das hat auch nicht direkt mit dem Wirtschaftsbericht etwas zu tun, das ist die Zinspolitik der Europäischen Union, aber auch diese Zinspolitik ist sicherlich nicht unbedingt dazu geeignet, den Konsum anzuregen, sondern führt eher dazu, dass der Konsum zurückgeht.

Einerseits führen 0 Prozent Zinsen nicht zu zusätzlichen Pensionserhöhungen, auf der anderen Seite steht natürlich das Thema der Immigration und der Integration von Flücht­lingen, die ja in den letzten Jahren zu Hunderttausenden nach Europa gekom-men sind. Diese Kosten werden auch das Staatsbudget in Zukunft noch belasten. Wir brauchen auch in Zukunft ein dementsprechendes Wirtschaftswachstum, denn Wirt­schaftswachstum schafft Steuereinnahmen. Wenn wir aber keine Steuereinnahmen haben, wird sich der Kreis eher in die Gegenrichtung bewegen.

Aber ein wichtiger Punkt ist auch die Stimmung. Ich glaube, wir dürfen nicht eine negative Stimmung übermitteln, sondern sollten in solchen Situationen, wie wir sie zurzeit in Europa sehen, der positiven Stimmung den Vorrang geben. Es wird auch wichtig sein, diese Stimmung in den Unternehmungen zu verbreiten.

Ich glaube, mit dem 18-Monats-Programm der Europäischen Union wird durch Indus­trie 4.0, wo man mit der Lehrlingsausbildung Fachkräfte wieder an die Unternehmun­gen heranführen will, ein ganz wichtiger Punkt gesetzt.

Ein weiterer Punkt ist das FTI-Strategie Programm Österreichs bis zum Jahr 2020, wo wir hinsichtlich Innovation wieder zu den führenden Ländern der Europäischen Union vorstoßen wollen. Dieser Punkt wird uns natürlich auch fordern. Wir brauchen Bil­dungs­einrichtungen, die Ausbildungsmaßnahmen setzen, damit Österreich wieder ein globaler Akteur wird. Wir sind in den letzten Jahren im Ranking des Wirtschafts­wachs­tums zurückgerutscht, unser Ziel muss es sein, wieder in die vordersten Fronten zu kommen.

Sicherlich sind die europäische Energiestrategie oder die europäische Energieunion wichtige Themen. Einerseits wollen wir den Ausstieg aus der Atomenergie, auf der anderen Seite müssen wir uns danach ausrichten, mit welchen Energieformen wir in Zukunft das Wirtschaftswachstum werden anheben können. Dabei sind natürlich auch die Alternativenergien, der Energiemix von alternativer Energie, von Gas, von Was­serkraft zu begutachten.

Österreich hat bei einer europäischen Energiestrategie natürlich auch die Chance, die Speicherkraft der Erdgasbunker oder der Erdgasspeicher in Österreich zu nützen, wir haben aber auch die Speicherkraft im Wasserbereich. Es wird auch wichtig sein, dass man transnationale Stromleitungen durch Europa nicht verhindert, sondern unterstützt, dass sie auch weiter entwickelt werden.

In diesem Sinne finde ich, dass dieses Programm ein hervorragendes Programm für die Ausrichtung ist. Österreich wird dieses Programm sicherlich mitgestalten oder hat es mitgestaltet.

Unser Ziel muss es sein, durch die Wirtschaft Arbeitsplätze zu schaffen. Nicht die Politik kann Arbeitsplätze schaffen, sondern die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze. Un­sere Aufgabe ist es, auch in Zukunft Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass die Wirtschaft die Möglichkeit hat, Arbeitsplätze für die Zukunft zu errichten, die wir mehr denn je brauchen, einerseits für die Immigranten, die zu uns gekommen sind, und andererseits haben wir das Thema, dass die Menschen immer länger in der Arbeit bleiben sollen. Daher müssen wir uns für die Zukunft ausrichten und nicht in der Vergangenheit bohren.


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In diesem Sinne gratuliere ich allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen herzlich zu diesem hervorragenden Dokument, alles Gute. Wie gesagt, es liegt an uns, wie wir mit diesem Dokument umgehen und ob wir eine positive oder negative Stimmung nach außen tragen. Ich bin dafür, dass wir positiv in die Zukunft gehen. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.17


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


12.17.48

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir werden diesen Bericht auch nicht zur Kenntnis nehmen, allerdings nicht wegen des Vorwortes, sondern aus inhaltlichen Gründen, wobei ich nur einiges anführen möchte.

Zum Beispiel EFSI: In dieses Programm werden ja viele Hoffnungen gesetzt, es soll in der Zukunft als Turbo für die Wirtschaft dienen. Aber wenn man liest, was da tat­sächlich in Österreich geschieht, dann ist es mit diesem Turbo eigentlich vorbei. Es fehlen nachhaltige Investitionen bei den Projekten, die nominiert werden, die Inves­titionen, die „Green Jobs“ schaffen würden.

Die nominierten Projekte sind von erschreckend schlechter Qualität, teilweise auch kontraproduktiv unter dem Gesichtspunkt Klimawandel und Jobs. Ein Beispiel ist der Gitzentunnel in Salzburg, ein Umfahrungstunnel, also sicher nicht innovativ oder neu. Es ist auch weder der Vorlauf für den Verkehr noch der hintere Teil geklärt, und sicher bringt es eines nicht, nämlich eine nachhaltige Entlastung des Luftsanierungsgebietes in dem Bereich der Nordautobahn. Oder die zweite Röhre für den Karawankentunnel, für eine Verkehrsfrequenz, die das schlicht und einfach nicht rechtfertigt. (Bundesrat Dörfler: Falsch! Sicherheit ist wichtig!)

Oder der Breitbandausbau: Auch das ist ja natürlich nicht abzulehnen, sondern ein notwendiges Projekt, aber daran ist nichts neu. Also das müsste endlich in die Umsetzung gehen. Was aber uns besonders fehlt, ist, dass es keinen Turbo für die Erneuerbaren, für die Effizienz und so weiter gibt. Da fehlen auch die entsprechenden Projekte.

Ein Beispiel, weil hier schon erwähnt wurde, dass wir solche Dinge brauchen: die 380-kV-Leitung. Diese Technik ist wirklich altvaterisch. Man setzt da 500 Riesenmasten mit einem Leitungsvorhang dazwischen in die Landschaft hinein, in Naturschutzgebiete und auch andere Gebiete, notwendigerweise auf der Länge der Leitung. Man lehnt es schlicht und ergreifend ab, sich in diesem Bereich mit innovativeren Projekten zu beschäftigen und hierbei vielleicht Vorreiter zu sein, einen Leitungsausbau zu bewerk­stelligen, der effizienter ist und nicht derartig umweltschädlich, landschaftsver­brauchend und so weiter. Stattdessen hängt man an dieser Uralt-Technologie und führt dazu die entsprechenden Genehmigungen durch. Von Innovation gibt es keine Spur. Das ist aus meiner Sicht der Hauptvorwurf in diesem Bereich. (Beifall bei den Grünen.)

Binnenmarkt und KMU: Die grundsätzliche Zielrichtung ist begrüßenswert, aber in vielen Fällen handelt es sich bei dem, was da drinsteht, um wirklich inhaltlose Lippen­bekenntnisse, beziehungsweise wird so manches auch durch aktuelle Handlungs­weisen konterkariert, blicken wir beispielsweise auf die gegenwärtigen Diskussionen um die Grenzschließungen. Es gibt weder weitreichende noch konkrete Maßnahmen, COSME ist wirklich der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Dabei ist bekannt und wird auch zitiert, dass eine ambitionierte Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie zum Beispiel zu einer Steigerung des BIP für Österreich um 0,2 Prozent führen würde.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 79

Das findet aber in der konkreten Politik keinen Niederschlag. Das Gegenteil ist der Fall, wenn wir uns Entsenderichtlinien, die Starre bei der Gewerbeordnung und Ähnliches vor Augen führen. Dass es bei den Rauchfangkehrern jetzt eine Reform gegeben hat, ist schlicht und ergreifend zu wenig.

Angeführt wird in diesem Zusammenhang die Gründerland-Strategie, dazu wird es auch einen Bericht geben, wir sind schon neugierig darauf. Aber das, was in dem Bericht steht, klingt bei der derzeitigen Situation eigentlich zynisch: „Durch ein konzer­tiertes EU-Handeln wird hier zusätzlicher Mehrwert und Anschub, insbesondere für junge KMU und Start-Ups, erwartet.“

Dass wir derzeit unter diesen Bedingungen zu einem konzertierten EU-Handeln kom­men werden, bezweifeln wir.

Leider werden die Zielvorgaben für die Exportquoten den Zuständen angepasst, das heißt, massiv gesenkt. Ich glaube, es ist uns klar, dass die KMUs der Schlüssel zum österreichischen Arbeitsmarkt und zum österreichischen Wohlstand sind und dass EPUs die Basis der Gründungsszene sind. Es muss uns auch klar sein, dass diese kein zeitlich begrenztes Phänomen sind. Da sehen wir schlicht und ergreifend massiven Handlungsbedarf – das wurde schon angemerkt – in der Entbürokratisierung, in einem Vereinfachen des Arbeitens für diese Unternehmen, für Förderungen, die ökologisch und dieser Kleinstruktur auch entsprechend angepasst sind.

Es geht natürlich darum, dass Unternehmen und Unternehmer entlastet werden müs­sen, dass es Erleichterungen im Steuersystem geben muss und dass aber eben auch gerade die soziale Absicherung der EPUs reformiert werden muss.

Noch kurz zum Thema Energie, weil das auch von einem Vorredner angeschnitten wurde: Da agiert man nach wie vor so, als hätte es das Pariser Abkommen nicht gegeben. Nach wie vor wird Gas – einem fossilen Energieträger, auch noch besonders klimawirksam aufgrund der hohen CO2-Last, die Methan tatsächlich bedeutet – eine prominente Stellung eingeräumt, und man geht unter dem Titel Versorgungssicherheit in den Ausbau der Infrastruktur für Gas. Man hat dieses Geld nur ein Mal. Versor­gungssicherheit kann nur bedeuten, möglichst schnell die Abhängigkeit zu reduzieren und in den Ausbau von Erneuerungen und dezentraler Energie zu gehen, aber nicht wieder massiv in die Infrastruktur zu investieren.

Es wird von der Bundesregierung nach wie vor der Mythos genährt – leider auch in diesem Bericht –, dass eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik dem Industrie­standort Österreich schade und dass die hohen Energiekosten ein Problem für die Wirtschaft wären. Werte Kolleginnen und Kollegen, dann müsste sie ja jetzt boomen, so niedrig waren die Energiekosten schon lange nicht mehr! – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Das ist ein Mythos, und diese Korrelation gibt es in dieser Form nicht. Leider werden die derzeit niedrigen Energiekosten nicht genutzt, um durch Energie­steuern entsprechend umzusteuern. Es gäbe gegenwärtig natürlich die Gelegenheit, das zu tun, die wird aber nicht genutzt. Lieber bleibt man bei diesem Mythos.

Zum Energiebinnenmarkt: Da hat die Kommission den nächsten Schritt im Vertragsver­letzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der Energiebinnenmarkt-Richtlinie gesetzt. Im Bericht ist leider nichts zu einer Lösung dieser Causa zu finden.

Noch kurz zu TTIP, auch das ist ein Mythos: dass der Handel das Wachstum herbei­führt und dadurch eine Form des Freihandels entsteht, wodurch Wachstum, Wohlstand und Jobs geschaffen würden. Selbst Experten – und ich war bei einem Symposium in Salzburg, wo sich europaweit Experten getroffen haben – waren sehr vorsichtig im Umgang mit der Frage, ob dadurch überhaupt ein Wachstum entsteht, in welchem Maß dieses für uns herbeigeführt werden kann und ob das darin resultieren würde. Für


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 80

unsere KMUs ist es eine Bedrohung, denn alles, was in diesem Bereich reguliert wird oder worüber gesprochen wird, betrifft große und größte Unternehmen und nicht die KMUs. (Bundesrat Pisec: Das stimmt aber nicht!) Allein, wenn man sich die Zugäng­lichkeit zum Rechtssektor vorstellt – die KMUs können sich das ja gar nicht leisten, entsprechend einzusteigen. (Bundesrat Pisec: Der Welthandel ist ein Hauptindikator für das Wirtschaftswachstum!)

Die KMUs und insbesondere die Landwirtschaft – und da verstehe ich Sie überhaupt nicht, Kollege Tiefnig – sind durch diese Abkommen massiv gefährdet! Nehmen Sie nur die Herkunftsbezeichnungen bei CETA: 15 Herkunftsbezeichnungen, die in Europa noch gelten, drei haben wir bei CETA durchgebracht – drei von 15.

Also gerade für KMUs und unsere Landwirtschaft halten wir das für eine massive Bedrohung, und die positiven Effekte halten wir für einen Mythos, der eigentlich schon von NAFTA und ähnlichen Abkommen konterkariert wurde. Aber da wird sich noch die Gelegenheit ergeben, das eingehender zu debattieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schennach zu Wort. – Bitte.

 


12.28.03

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Ich kann durchaus die kritischen Kommentare zu den EU-Vorhaben im Bereich der Wirtschaft verstehen – durchaus! Und vieles, was hier an Kritik geübt wurde, ist auch richtig. Aber zuerst ein paar kleine Korrekturen oder das, was mir zumindest aufgefallen ist: Kollege Pisec hat gesagt, wir sollten doch eine Unternehmenssteuerreform machen und die Unterneh­men fit machen. – Ja, und zahlen dürfen es die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, denn diese können nicht jonglieren wie die Firmen. Ich würde mir wünschen, dass Sie im EU-Ausschuss beim Thema Ertragssteuer-Richtlinie genauso tapfer sind, bei der es nämlich um die Transparenz bei den großen multinationalen Konzernen, die in Europa ihre Erträge verschleiern, geht.

Zum Zweiten: Ich hoffe, das war ein kleiner Fehler. Aber zumindest kann ich das, was Sie gesagt haben, unterstreichen – Sie wollten es wahrscheinlich nicht so sagen –: Der Bundesregierung geht es ja um die Arbeitsplätze. – Ja, richtig, es geht uns um die Arbeitsplätze. Es geht um die Konjunktur und die Wirtschaft. Sie haben es aber als Kritik angebracht.

Zum Schluss möchte ich dem Kollegen Tiefnig noch etwas sagen. Er hat gesagt: Wir schultern die Last der Flüchtlinge. – Also mittlerweile liegen sehr viele Zahlen vor, die nahelegen, dass die Flüchtlinge ein enormer Konjunkturmotor für Europa sind, damit die Kommunen investieren können. In Deutschland liegen dazu schon unglaubliche Zahlen vor, also nicht alles ist eine Last, manches entwickelt sich ... (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Ja, die Städte und Gemeinden werden plötzlich von der Investi­tionsknebelung befreit und können entsprechende Unterkünfte und so weiter bauen; das löst Effekte aus.

Aber gehen wir zurück: Juncker will auch Effekte auslösen. Und jenen, denen das Wirt­schaftsprogramm heute zu dünn ist, können sich das Programm des Bundesminis­teriums für Infrastruktur anschauen, das im Wesentlichen ungefähr 80-prozentige Deckungs­gleichheit aufweist, nur wesentlich ausführlicher ist, aber beides zielt auf dasselbe ab.


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Nur, Herr Staatsekretär – wir haben es auch im EU-Ausschuss gesagt –: Beim Juncker-Paket setzen wir schon ein bisschen auf das Prinzip Hoffnung. Ich meine, ich war in meiner Kindheit Ministrant und weiß, was das Wunder von Kana und der Effekt der Bergpredigt sind, nämlich nahrungsmittelmäßig und dass Wasser zu Wein gemacht wurde. Aber derzeit sind wir bei 21 Milliarden €, die real 315 Milliarden € werden sollen. Da bin ich noch neugierig, ob das tatsächlich so kommt. Wenn es kommt, dann sind wir ja alle glücklich, selbst Herr Kollege Pisec ist glücklich, wenn das Wachstum, die Beschäftigung und die Konjunktur entsprechend angekurbelt werden. (Bundesrat Pisec: Eine halbe Million Arbeitslose!) – Ja, deshalb müssen wir ja ankurbeln!

Und wir reden hier ja nicht nur sozusagen über die Rückkoppelung, was Österreich betrifft. Die Kollegin Reiter hat richtig gesagt: COSME ist natürlich etwas Wichtiges, es hilft den KMU und Start-up-Unternehmen. Das heißt, es gibt dort Kreditbürgschaften, wo wir in echten Kreditklemmen stecken.

Den Breitbandausbau so beiseitezuschieben, ist wirklich unrichtig. Das ist eine Milliar­deninvestition. Diese macht das Land, die Wirtschaft und die Möglichkeiten fit, und das sollte man nicht als ein Na-ja-Projekt darstellen. (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.)

Kommen wir nun auf etwas zurück, was mir ein bisschen mehr Sorgen bereitet: Natür­lich sind wir alle für den digitalen Binnenmarkt, für die Vertiefung des Binnenmarktes. Wir haben die Digital Roadmap der Bundesregierung, wir haben die unglaublich gute Arbeit des Bundesrates mit dem Grünbuch und wir erwarten uns in Europa vier Millionen Arbeitsplätze und jährlich 520 Milliarden € zum BIP der 28 Staaten.

Aber wir brauchen – und das sage ich jetzt den lieben Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer hier in unserer Mitte – Vorkehrungen. Wir brauchen Vorkehrungen, denn überall dort, wo Industrie 4.0 möglich ist, müssen wir auch Riegel vorsetzen.

Wir wundern uns alle, dass die Banken aufgrund der Automatisierung und des E-Banking keine Filialen mehr brauchen und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ab­bauen. Aber ich sage Ihnen: In den nächsten fünf Jahren haben unsere Supermärkte nur mehr Selbstbedienungskassen mit einem Supervisor. Solche Supermärkte gibt es bereits. Irgendwo brauchen wir auch Gesetze, die sagen, wie viel Personal bei welchen Möglichkeiten in einem Supermarkt, zum Beispiel in einem Lebensmittelsupermarkt, vorhanden sein sollen. Ich war kürzlich in einem Supermarkt: acht automatische Kassen, eine Supervisorin. Ich habe gesagt: Sie können mein Wagerl wiederhaben. Ich möchte eine Kassa mit Menschen. – Aber: Das kommt! Und jetzt ist die Frage: Ist alles, was möglich ist, möglich, oder haben wir damit nicht einen ganz sensiblen Bereich?

Es kommen vier Millionen Arbeitsplätze, aber die verlangen andere Qualifikationen. Und wir sollten nicht vergessen, dass wir die Menschen aus dem Handel, die vielleicht ein bisschen weniger ausgebildet sind, nicht einfach in die Arbeitslosigkeit schieben können. Welche Ersatzarbeitsplätzen haben wir denn, falls 20 000, 30 000 Handels­ange­stellte ohne Arbeitsplätze sind? Wer von uns hätte gedacht, dass QUELLE und Otto Versand von einst heute eine Wiederkehr feiern (Zwischenruf des Bundesrates Preineder) und in den Einkaufsstraßen immer mehr kleine Handelsgeschäfte schließen? Diese Entwicklungen müssen wir mitberücksichtigen.

Kommen wir zum nächsten großen Punkt in diesem Bericht: die Energiegeschichte. Wir, der Bundesrat, haben das ja schon sehr kritisch gewürdigt. Wir haben die Gesamt­ausrichtung der Energieunion, die einseitige Gesamtausrichtung, kritisiert. Wir haben auch Zwischenschritte kritisiert. Derzeit sind wir nur im Bereich der Strategie.

Wir haben gestern gesagt, dass wir uns zum Beispiel das Cooling und die Wärme­beschaffung eigens vornehmen, denn das ist wiederum die Hintertür zur Atomtech-


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nologie, wenn sie einseitig auf Elektrizität basiert. In dieser ganzen Strategie kommen weder regionale Energieträger noch Energieeffizienz, noch erneuerbare Energien, noch Energiesubstitutionsmöglichkeiten vor, diese fehlen, aber man beschäftigt sich ganz schnell mit Gasversorgungseinheiten und so weiter. – Die Lampe leuchtet schon, jetzt muss ich schneller sein.

Freihandelsabkommen – also ich sage das hier, und wir können das gerne über­prüfen –: TTIP ist tot. TTIP wird es, meiner Meinung nach, nicht geben. Da rinnt Gott sei Dank die Zeit davon.

Es bleibt CETA: Die Landeshauptleutekonferenz hat gestern etwas getan, was, glaube ich, sehr beeindruckend ist. Es gibt keine Paraphierung vorab und damit keine Chance des vorzeitigen Inkrafttretens von Teilen von CETA. Das wurde uns auch gestern im EU-Ausschuss bestätigt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich denke, wir haben eine gute Vorgangsweise gefunden, indem wir dieses Gutachten abwarten. Es ist ja nicht so, dass der Bundesrat nicht schon Stellungnahmen abge­geben hätte, sowohl zu CETA als auch zu TTIP, nämlich sehr kritische – kritischer als der Nationalrat. Es ist auch nicht so – ich weiß nicht, wer das vorhin gesagt hat, ich glaube Kollege Tiefnig hat das gesagt –, dass wir ein Freihandelsabkommen brauchen, um Exporte zu tätigen. Die Exporte sind seit Jahrzehnten eine der größten Wirtschafts­leistungen Österreichs. Ob wir solche Freihandelsabkommen brauchen, ist eine ganz andere Frage.

Kommen wir zum letzten Punkt: Ich hoffe, dass diese Restriktionen für Russland Schritt für Schritt zurückgenommen werden, denn sie bringen nichts. Es gibt andere Mechanismen, um die Integrität der Ukraine wiederherzustellen und Russland an einen Verhandlungstisch zu bringen, als Sanktionen auszusprechen, die nur eines nach sich ziehen, nämlich dass sie Europa schaden und den USA nützen. Die Exporte der USA nach Russland sind um über 10 Prozent gestiegen, seit Europa Restriktionen einge­führt hat. Ein Schelm, wer nicht daran denkt, was dahintersteckt.

In diesem Sinne werden wir natürlich dem Vorhaben der EU im Bereich der Wirtschaft zustimmen, aber hoffen, dass die richtigen Weichen im Bereich der Energieunion, im Bereich des digitalen Binnenmarktes gestellt werden, und vor allem, dass das Juncker-Paket tatsächlich seine volle Wirkung zeigt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.38


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte.

 


12.38.49

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Gestatten Sie mir schon ein paar grundsätzliche Worte, bevor wir in eine planwirtschaftliche Überregulierungsdebatte abgleiten! Es handelt sich um den EU-Vorhabensbericht, der den Verwaltungsbereich Wirtschaft unseres Hauses betrifft.

Das heißt, ich gehe davon aus, dass Sie ihn alle im Detail gelesen haben. Es geht im Konkreten darum, wie unser Haus im Wirtschaftsbereich mit den Detailvorhaben auf europäischer Ebene, und zwar Kommission, Rat und Parlament, umgeht. Manche werden im Dialogverfahren durchgeführt, andere sind allein Vorhaben der Kommission, respektive der naheliegenden Institutionen der Europäischen Union. EFSI und EIB sind angesprochen worden. In Verbindung damit steht, welche Projekte gemeinsam ange­gangen werden, welche Auswirkungen Projekte auf europäischer Ebene, auf die öster-


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reichische Ebene und damit auf die Landes- und zum Teil regionale und kommunale Ebene haben.

Das ist sehr detailliert aufgeführt. Die Hauptbereiche sind Ihnen klar. Es ist ein strate­gisches Infrastrukturinvestment, und der EFSI ist – noch einmal zum Festhalten – kein Förderinstrument, er ist ein Finanzierungsinstrument, als Ersatzfinanzierungsinstru­ment für durchaus schwierige Finanzierungssituation in unterschiedlichen Ländern der Europäischen Union, vor allem im Bereich riskanterer Infrastrukturinvestments. Das war die Idee des Juncker-Fonds, nämlich nicht zu sagen, wir machen einen Zauber­fonds. Ich habe das am Anfang – es ist bekannt – öffentlich, auch auf europäischer Ebene im Rat gesagt: Wir sollten durchaus einmal kritisch sehen, was das bringt!, denn man geht dort ja von einer Multiplikatorwirkung aus. Also die gesamtinvestive Wir­kung – weil es ein Investitionsinstrument, Finanzierungsinstrument ist – ist ja nur dann zu erzielen, wenn Private in unterschiedlichen Modellen, da gibt es unterschiedliche Klassen, auch mitmachen.

Kommissionsvizepräsident Katainen hat das damals bei uns im Rat vorgestellt. Es gab damals im Winter 2014 auch eine intensive Debatte darüber, und jetzt ist man in den unterschiedlichen Formen der Ausrollung. Je nach Finanzierungssituation in den unter­schiedlichen Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Projekten versuchen natürlich die Mitgliedstaaten berechtigterweise dort Projekte anzuschieben, und da geht es gar nicht darum, ob die besonders nachhaltig sind – ja oder nein –, sondern es geht darum, Projekte anzuschieben, die vielleicht sonst schwierig zu finanzieren wären.

Ja, natürlich gibt es auch in den Kriterien einen speziellen Fokus auf besondere Projekte, die zum Beispiel im Bereich Alternativenergie und im strategischen Fokus der Europäischen Union in Summe dazu führen sollen – und Sie haben die Frage des Wachstums angesprochen –, Europa in Wirklichkeit weiterzuentwickeln, nicht wachsen zu lassen, sondern zu entwickeln. Es geht um einen gesellschaftspolitischen, wirt­schaftspolitischen Entwicklungsschritt, gar nicht um einen Wachstumsschritt. Es wird gesagt: Okay, wir wenden uns dem Bereich neue Technologien zu, wir versuchen der Herausforderung Digitalisierung gerecht zu werden, und wir versuchen auch einen gewissen Bereich in die Energiewende abzuschieben. Dazu gehört aber noch etwas. Sie wissen, dass in Deutschland ein meiner persönlichen Meinung nach sinnvoller Beschluss gefasst worden ist, nämlich aus dem Bereich Atomstrom auszusteigen, aber Sie wissen genauso, dass man für den Ausbau der erneuerbaren Energien auch den Leitungsnetzausbau braucht.

Im Übrigen braucht es den auch bei uns, wenn man im üppigen Sinne erneuerbare Energien möchte, egal, wie man die Smart Grids in Zukunft sehen mag. Von den Tausend-Dächer-Strategien im Bereich der Fotovoltaik über Windkraftparks – da kann man jetzt zu den Windrädern stehen wie man will –: Wenn man noch mehr erneuer­bare Energie haben will, und da sind wir in Österreich auf einem sehr guten Weg, dann braucht es auch das Leitungsnetz dazu. Da hilft es auch nicht, im Breitband­bereich einen Server hinzustellen, wenn man keinen Hochleistungszugang hat. Das Netz ist wichtig, und die Netze wachsen in Zukunft zusammen; und in dieser Zukunft reden wir ja von integrierten Netzen. Daher muss man diese Dinge bei so einer Debatte bitte immer differenziert sehen. Ich würde mir eine differenzierte Betrachtung wünschen.

Auch, Herr Kollege Schennach, wünsche ich mir eine differenzierte Betrachtung in der Frage: Was passiert mit den Arbeitsplätzen? – Arbeitsplätze sind uns wohl allen hier, in der Bundesregierung, den Koalitionsparteien, den Oppositionsparteien, in Natio­nalrat und Bundesrat, ein Riesenanliegen, denn am Ende des Tages ist die entschei­dende Frage: Haben die Menschen in diesem Land eine Beschäftigung, ein faires Arbeitseinkommen, von dem sie leben können? Uns allen hier ist lieber, die Menschen haben ein Arbeitseinkommen, als sie haben keines.


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Wir werden diese kritische Debatte in den nächsten Monaten sicher intensiv führen, wie denn der Unterschied zwischen dem Arbeitseinkommen und dem Arbeitslosenein­kommen ist und welche Leistungsanreize es gibt, aber wir müssen ein klares Bekennt­nis für ein Arbeitseinkommen, von dem man würdevoll leben kann und womit es sich sogar auszahlt, zu arbeiten, mit dem ewigen Anspruch, den auch ich sofort unter­schreibe, mehr Netto vom Brutto zu haben, ablegen Das gilt für den kleinen Selb­ständigen genauso – egal, in welcher Branche – wie für einen Großunternehmer und natürlich auch für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Was wir dafür aber nicht machen können – und da widerspreche ich Ihnen massiv –, ist, eine Regulierung zu schaffen, wie viele Kassenmitarbeiterinnen und Kassenmit­arbeiter es in einem Geschäft geben soll. Das entscheiden doch die Kundinnen und Kunden. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Wir hätten da ja vor 70, 80 Jahren sagen müssen: Niemand darf eine Waschmaschine kaufen, oder nur jeder zweite oder nur jeder zehnte Haushalt darf eine Wasch­ma­schine kaufen, weil wir die Jobs der Wäschermädel erhalten wollen. Oder wir geben staatlich vor, dass an jedem Hauseck ein Zeitungsverkäufer stehen muss, damit sich nicht jeder ein Radio und einen Fernseher kauft. Das hätten wir vor 70 Jahren auch machen können, aber es wäre falsch gewesen.

Haben wir Vertrauen in unsere eigenen Strategien, zum Beispiel in die Strategie des Infrastrukturressorts, im Bereich Industrie 4.0, denn da weiß ich, dass die letzten Minister, aber vor allem die dort federführenden Köpfe in Zusammenarbeit mit der Industrie, aber auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaft bislang sehr kluge Programme auf den Weg bringen, wie man die Betriebe erfolgreich in die Digitalisierung begleitet, die auch begleitet werden müssen! Es ist ein globaler Trend, der auch vor Österreich nicht haltmacht, und davor können wir unsere Grenzen nicht abschotten, dass alle physischen Daten, die da sind, digitalisiert werden.

Alles, was im Bereich der Sensorik vernetzt werden kann, wird vernetzt, und daher wird auch alles automatisiert, ob wir wollen oder nicht – und das lässt sich auch in Öster­reich allein mit einer gesetzlichen Regelung nicht behindern. Da müssten wir den Kopf in den Sand stecken und eine Vogel-Strauß-Strategie fahren. Da sind wir als kleine exportorientierte Volkswirtschaft verloren. Sie haben ja gesagt, der Export ist wichtig. (Bundesrat Schennach: Nur werden wir zu Hunderttausenden unbezahlten ehren­amtlichen Mitarbeitern ...!) – Nein, natürlich nicht! (Bundesrat Schennach: Das sind wir ja jetzt schon!) Wir haben den technologischen Wandel in drei industriellen Revolutionen erfolgreich gemeistert. Österreich war vor dem Ersten Weltkrieg das Land im Rahmen der Gründerzeit, das in Kontinentaleuropa ganz vorne mit dabei war. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Es ist uns gemeinsam gelungen – das ist sogar eine gemeinsame Errungenschaft der Sozialdemokratie und der Christlichsozialen –, dass Zustände, wie es sie bei den Ziegelarbeitern am Wienerberg gegeben hat, abgeschafft wurden. Da war Österreich Vorreiter. Da haben aber dann damals im Rahmen der Automatisierung, der ersten Automatisierungsschritte, der ersten industrielle Schritte in den 1880er, 1890er Jahren und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch viele Menschen ihren Job verloren und sind in andere Jobs gegangen. Das ist struktureller Wandel, das ist Alltag. Wir müssen diesen Wandel gemeinsam begleiten und den Leuten Mut und nicht Angst machen, ihnen Hilfe geben und sie nicht alleine lassen. Das ist unsere gemeinsame wirtschafts­politische Aufgabe, wenn wir neue Jobs schaffen wollen, und das werden neue Rollen­profile sein.

Denken Sie an den großen Bereich, der sich ergibt, weil die Bevölkerung älter wird. Das ist ein Riesenmarkt, der sich dort anbietet, nicht nur in der Pflege allein, sondern in


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Summe. Da entstehen viele neue Jobs, und wir werden auch viele neue Jobs im Bereich der gesamten sozialen Innovation haben, im Bereich der gesamten Innova­tionen im Umweltbereich, ich denke da jetzt an das Übereinkommen von Paris.

Damit komme ich gleich zum nächsten Punkt, nämlich Umwelt und Energie, der hier angesprochen worden ist. Natürlich reflektieren manche der Vorhaben auf euro­pä­ischer Ebene noch nicht genügend auf die neuen Vereinbarungen.

Wir in Österreich haben sofort gesagt: Wir fahren eine integrierte Klima- und Ener­giestrategie. Wir legen dazu in den nächsten Tagen und Wochen auch ein Grünbuch vor, es wird einen breiten Stakeholder-Prozess geben, und dann wird das mit allen Stakeholdern im Detail debattiert.

Wir in Österreich werden dann auch weiterhin, denn wir sind bereits jetzt ein Vorreiter­land in diesem Bereich, das Land in Europa bleiben, das mit einer Fackel voraus­gehen, anderen Ländern den Weg weisen und sagen wird: Das ist ein Weg in eine vernünftige, nachhaltige, energetische Zukunft, in der wir im Sinne einer ökosozialen Marktwirtschaft auch extrem verantwortungsvoll auf die Bedürfnisse der Umwelt und eine nachhaltige Perspektive eingehen werden.

Glauben Sie mir, das kann ich Ihnen blind unterschreiben, denn wir sind zutiefst davon überzeugt, dass das notwendig und wichtig ist. Sie wissen, wir sind im Rahmen der Union eines der Länder, das konsequent gegen einen Atomenergiekurs anderer Län­der auftritt. Wir sind fast das gallische Dorf in manchen EU-Räten. Das machen wir konsequenterweise und aus tiefer persönlicher Überzeugung aller politischen Verant­wortungsträger in diesem Land über die Parteigrenzen hinweg, und da gilt es auch, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Lassen Sie mich noch einen dritten Punkt ansprechen, der in dem Vorhabensbericht auch erwähnt wird, wobei es aber einige aktuelle Neuerungen auf Ratsebene und auf europäischer Ebene gibt: Die Digitalisierung ist tatsächlich – da ist die Frage des Binnenmarkts, dessen Vertiefung und die Vermutung, dass da zu wenig passiert, angesprochen worden – das große Um und Auf, das ist der Riesentreiber, der unser Land und die Union in den nächsten Jahren noch massiv beschäftigen wird.

Ich kann Ihnen versichern, dass mit den 28 Einzelregelungen, die wir auf unterschied­lichem Niveau haben, unsere Unternehmen mit ihren fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in keiner Art und Weise auf dem internationalen Markt erfolgreich sein werden. Wir schaffen es nicht einmal, erfolgreich von Österreich nach Deutschland zu gehen, weil die Regelungen unterschiedlich sind, geschweige denn ein Holländer nach Belgien. Das ist den Menschen, die in Singapur, in Hongkong, in Israel, in Südkorea, in Japan tätig sind, vollkommen egal. Der Markt im Digitalbereich ist aber global. Die entwickeln derweil ihre Produkte, ihre gesamten innovativen Wirtschaftssysteme, und wir schlafen in der Pendeluhr, weil wir dort zu langsam sind. (Bundesrat Tiefnig – zustimmend nickend –: Ja!)

Ich begrüße ausdrücklich und explizit – und das möchte ich hier erwähnen – die Initiative von Kommissar Oettinger, der sagt: Wir stellen 500 Millionen € für die Etablierung digitaler Innovationsnetzwerke in allen Mitgliedstaaten zur Verfügung, um es vor allem den Kleinst- und Kleinbetrieben zu ermöglichen, möglichst schnell ihre Geschäftsmodelle dem Digitalbereich anzupassen. Das ist für Österreich besonders wichtig – da passiert schon sehr viel, aber trotzdem immer noch zu wenig und zu langsam –, weil ja das Hauptrückgrat unserer Wirtschaftsstruktur die Kleinsten und die Kleinen sind.

Wir haben ja nicht 100 Prozent Industriebetriebe. Ja, wir haben die Industrie als Rück­grat mit sehr vielen Headquarterbetrieben, aber die große Mehrzahl unserer Betriebe in


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den Regionen und Bundesländern – Sie wissen das als Abgeordnete aus den Ländern zum Teil viel, viel besser als ich – sind Kleinst- und Kleinbetriebe; und denen müssen wir das Potenzial und die Möglichkeit eröffnen, auch den Anschluss im Bereich der Digitalisierung zu schaffen.

Und da gibt es vonseiten der Europäischen Kommission auf unseren expliziten Wunsch hin – und Österreich ist da federführend mit dabei, die Prototypen zu entwickeln, wir werden das auch in zwei Wochen beim Rat vorstellen – ein Programm, dass sich genau auf diese Herausforderung bezieht.

Glauben Sie mir also: Wir schlafen nicht in der Pendeluhr. In diesen Fragen sind wir ganz vorne mit dabei, Österreich ist dort sogar federführender Taktgeber, weil wir wissen, wie wichtig das für die österreichische Volkswirtschaft ist.

Herr Kollege Schennach, ich gebe Ihnen recht: Es geht um diese Jobs (Bundesrat Schennach nickt), aber ich werbe dafür ein, dass wir den Menschen Mut machen und schauen, dass wir möglichst schnell möglichst viele neue Rollenprofile definieren und neu in diese unterschiedlichen Richtungen gehen, dass wir unsere Energie und Aufmerksamkeit und Fördergelder, die wir haben, dass wir das alles für diesen Bereich und nicht für Debatten, wie wir etwas reglementieren, was nicht aufzuhalten ist, einsetzen.

Da würden wir uns – im betriebswirtschaftlichen Bereich heißt das Management Atten­tion, also Unternehmensleitungsaufmerksamkeit, in dem Fall politische Aufmerk­sam­keit – mit den falschen Dingen beschäftigen. Wir müssen diesen Menschen, die möglicherweise schneller, als es uns lieb ist, davon betroffen sind, möglichst schnell neue Potenziale eröffnen (Bundesrat Dörfler: Welche?), dass sie einen Job haben, von dem sie leben können. (Bundesrat Schennach: Dann gehen wir gemeinsam zu BILLA, zu MERKUR oder zu Hofer und reden mit den Damen an den Kassen, welche Perspektiven ...!) – Das ist mir vollkommen bewusst, aber Sie werden nicht durch eine Vorschrift: Es müssen so viele Kassen durch Menschen besetzt werden!, den technologischen Wandel aufhalten.

Ich verstehe die Problematik, ich teile sie sogar. Und ich könnte Ihnen jetzt aus unterschiedlichen Industrien, inklusive vor allem der Automobil- und Zulieferindustrie, viel dramatischere Beispiele von Menschen bringen, die besser qualifiziert sind, die auch bedroht sind. Umso mehr ist es unsere Aufgabe, mit der Union gemeinsam – weil das ein Problem ist, das Gesamteuropa betrifft – die Programme zu entwickeln und dort festzuhalten, wo man Menschen neue Beschäftigung in neuen Sektoren schafft – je schneller, je intensiver, desto besser.

Und da freue ich mich auf eine intensive Zusammenarbeit, mit wem auch immer – wir wissen nicht, wer der neue Bundeskanzler wird – und mit einem möglicherweise teilerneuerten Team. Das wissen wir noch nicht. Wir glauben, dass wir da gemeinsam an einem Strang in die richtige Richtung ziehen müssen, weil es ein zentrales Thema für die Menschen in diesem Land in Zukunft sein wird, Jobs zu erhalten, wo sie haltbar sind, aber dort neu zu schaffen, wo neue geschaffen werden müssen, damit es kein Arbeitslosigkeitsproblem gibt. Ich glaube, da sind wir uns in diesem Saal und im Saal des Nationalrats einig: Beschäftigung ist ein zentrales Thema für die Menschen in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.52


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat ... (allgemeine Heiterkeit) – Rösch. (Bundesrat Rösch – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das zeigt nur, dass ich bis jetzt noch nicht unangenehm aufgefallen bin!)

 



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12.52.24

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die Ausführungen, von der leeren Kasse hin zum 3-D-Drucker, der in Zukunft die Häuser bauen wird, waren jetzt wirklich interessant. Die Reise kann natürlich nur zur Frage führen, wie man neue Arbeitsplätze schaffen kann, die ganz anders ausschauen werden. Die Maschi­nen konnten nach 1800 nicht aufgehalten werden, auch wenn man sich gegen die Maschinen vereint und dagegen angekämpft hat, weil man geglaubt hat, dass sie Arbeitsplätze kosten werden, aber nein, man hat dann irgendwann begriffen, dass die Arbeitsplätze ... (Der Redner wendet sich an die Bundesräte Todt und Pfister, die miteinander sprechen.) – Es ist so laut, dass ich mich selbst nicht höre!

Man hat dann irgendwann begriffen, dass ganz einfach Arbeitsplätze dafür geschaffen wurden, dass Maschinen gebaut werden, und es wurden ganz viele Chancen damit eröffnet. Folgendes wurde auch hier schon angesprochen: Industrie 4.0, digitales Zeitalter. Das sind zwar noch Überschriften, die wir immer wieder hören, und die Inhalte sind ziemlich schwierig zu erfassen, weil das Ganze ja noch so neu ist, aber die Länder, die in Zukunft die höchste Beschäftigungszahl haben werden, werden die sein, die da am schnellsten mitkommen, die die Technologie am schnellsten haben.

Wir werden auch nicht wollen, dass der Strom wieder abgeschafft wird. Man braucht nur in sich zu gehen und darüber nachzudenken, was Strom alles bewirkt, wie viele Maschinen er betreibt – zum Beispiel den Kühlschrank, und, und, und. Die ganze Industrie lebt an und für sich vom Strom. Wir werden uns gesellschaftlich darauf einstellen müssen, dass wir ganz einfach einen Wandel in der Arbeitswelt haben; man weiß jedoch noch nicht, wohin die Reise genau geht.

Eines steht auf jeden Fall fest: Wir werden die Arbeit aufteilen müssen. 500 000 Ar­beitslose sind zu viel, auch wenn man sagt, dass das durch eine Krise bedingt ist, aber natürlich liegt sehr viel auch am Wandel. Man braucht sich nur die älteren Arbeitskräfte 50 plus anzuschauen: Wenn ihre Anzahl bei den Arbeitslosenzahlen wirklich Monat für Monat in die Höhe schnellt, dann ist das eine Katastrophe. Das sind halt diejenigen, die mit den neuen Technologien ein bisschen schwerer zu Rande kommen (Bundesrat Schennach: Geh! ... sollten Sie das wissen!), aber auch für diese Mitarbeiter werden wir Lösungen schaffen, damit auch sie in der Arbeitswelt noch Fuß fassen können.

Was mir in dieser ganzen Diskussion aber ganz wichtig ist und was mir gestern im EU-Ausschuss schon aufgefallen ist, das ist die Art, wie wir uns da gegenüber Ceta verhalten haben. Zum Freihandelsabkommen – und da gebe ich dem Kollegen Schennach hundertprozentig recht, oder wünsche mir, dass er recht hat –: TTIP ist tot. Man wird das Ganze auf Ceta aufhängen. Man wird versuchen, TTIP über die Hintertür Ceta hineinzubekommen.

Gestern haben wir gehört, dass es ist nicht dringlich ist, dass wir über Ceta sprechen, dass wir uns mit Ceta auseinandersetzen, denn das kommt alles erst. Das ist ja gar nicht wahr: In Wirklichkeit ist das Ganze schon abgeschlossen. In englischer Sprache liegt es schon vor. Die Übersetzungen kommen, im Juni sollen praktisch einige Teile in Kraft gesetzt werden. Vorläufige Inkraftsetzung ist etwas, was nicht unüblich ist, habe ich mir sagen lassen. Zu solch wichtigen Themen kann man nicht einfach sagen: Wir gehen da zur Tagesordnung über, lassen das Ganze einmal ruhen und schauen uns an, wie sich das Ganze entwickelt. – Das ist fahrlässig.

Wir haben den Bürgern ganz einfach genau in diesen großen Sachen reinen Wein einzuschenken. Die Bürger haben das Recht, zu wissen, was mit Ceta auf sie zukommt. Ich meine, dass ist nicht umsonst so. Schauen wir uns die Reihe der Kritiker aus Arbeiterkammer und Gewerkschaft an! Rudi Kaske hat sich da wirklich stark


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gemacht, als er gesagt hat: So kann das nicht kommen, wir brauchen da mehr Trans­parenz! Nur um einmal bei euch in das Lager (in Richtung SPÖ) hineinzuschauen.

Im Lager der ÖVP gibt es auch sehr viele Skeptiker, was man sieht, wenn man sich anschaut, was gestern von der Landeregierung Salzburg gesagt worden ist. (Bun­desrat Schennach: Landwirtschaftsminister!) – Ja, natürlich. Der Landwirtschafts­minister muss ja der Erste sein, der da hellhörig wird. Aber auch im Protokoll des Salzburger Landtages liest man, dass es mehr als fraglich ist und dass nicht alle Macht den Konzernen gegeben werden soll.

Da muss man schon sagen: Wir haben hier die Verantwortung. Es ist ja nicht einfach so, dass wir hier ein Gefühl ausdrücken und sagen: Na ja, machen wir es halt, schauen wir halt einmal. – Wenn das da ist, dann ist es da! Und ich erinnere an den Beitritt zur Europäischen Union. Da haben wir uns viel vorgenommen. Es wurde informiert: Leider Gottes müssen wir heute feststellen, dass – wie gesagt worden ist – die Übergangs­regelungen für den Arbeitsmarkt ausreichend sein werden, sodass dann die Mitglieds­länder 80 Prozent des Lohn- und Sozialniveaus haben werden. Wer hat das gesagt? – Nein, es fällt mir nicht ein, das sage ich dann später. (Bundesrätin Mühlwerth: Brigitte Ederer!) – Genau, das war Brigitte Ederer; das wäre mir jetzt nicht eingefallen. Ich glaube auch, dass sie es ernst gemeint hat. Der Unterschied ist leider Gottes wesent­lich größer, deswegen leidet ja auch der Euro.

Wir haben dabei gelernt, wenn man Sachen nicht ordentlich angeht, nicht ordentlich vorbereitet, wenn dann die Kluft zu weit geöffnet ist, dann kriegt man das nicht mehr zu. Wir erwürgen uns in Europa mit dem Euro, weil wir nicht wissen, wie wir die Südländer finanzieren sollen, weil die nichts bezahlen können. Wir wissen nicht, ob der Euro das überleben wird, ob die EU das überhaupt überleben wird. Und jetzt wollen wir in solch großen ... (Bundesrat Schennach: Herr Kollege, der Euro ist so stark wie nie zuvor!) – Ja, das glaube ich, und deswegen haben wir uns auch überall zurück­gezogen: Der Staat hat sich aus der Einlagensicherung zurückgezogen, und wir be­reiten uns schon an allen Ecken und Enden auf den Ausfall vor.

Aber es wird auf jeden Fall nichts passieren, bevor in Deutschland nicht gewählt wurde. Also wir können sicher sein, dass bis 2017, 2018 noch nicht viel passieren wird, aber dann werden wir schon sehen, wohin uns die Reise führt. Und da braucht man dann nicht noch Ceta, das uns sagt, welche Bedingungen wir von den anderen Ländern übernehmen.

Herr Kollege (in Richtung des lesenden Bundesrates Schennach), wenn ich Sie wäre, dann würde ich ein bisschen zuhören, weil dann kann man vielleicht auch wieder etwas einbringen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann kann man vielleicht einmal darauf eingehen und nicht immer nur dazwischenrufen, dass das alles nicht stimmt. Wir wer­den auf jeden Fall in vielen, vielen Bereichen der Pharmazie, aber auch bei den sozia­len Standards Probleme bekommen. Und deswegen bringen wir gleich einen Ent­schließungsantrag ein.

Ich hoffe, dass ihn sehr viele unterstützen werden, denn eines ist auch ganz klar, nämlich dass die Bevölkerung informiert werden muss. Die Gremien müssen hier damit befasst werden – ich sage „müssen“ und nicht „dürfen“; es ist halt Usance, dass man die Gremien damit befasst –, und dann soll es eine Volksbefragung geben, weil das Volk einfach das Recht hat, über so wichtige Sachen abzustimmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Antrag einbringen! – Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Brauchen wir Unterstützung?) – Ja, ja. (Der Redner blättert in seinen Unterlagen.) 

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesräte Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine vorläufige Inkraft­setzung von CETA

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene einheitlich und klar gegen eine vorläufige Anwendung von CETA auszusprechen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

13.00


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Der soeben von Bundesrat Rösch eingebrachte Entschließungsantrag betreffend keine vorläufige Inkraftsetzung von CETA ist aus­reichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Gibt es noch eine Wortmeldung? – Es gibt noch weitere Wortmeldungen.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.01.32

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ganz kurz zum Entschließungsantrag, den einzubringen Kollege Rösch fast vergessen hätte – so weit war sein Spektrum über CETA und ähnliche Handelsvorkommnisse –: Wir sind auch kritisch eingestellt, was die Materien anbelangt. Wir sind aber nicht per se gegen Han­dels­abkommen, das haben wir als Bundesrat schon mehrfach gesagt. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir auch nicht!)

Wir haben in der Bundesratssitzung gestern auch ganz klar festgelegt (Rufe bei der ÖVP: EU-Ausschuss!) – in der EU-Ausschusssitzung, Entschuldigung! –, dass wir ein Gutachten, das vom EU-Ausschuss des Nationalrates angefordert wurde, abwarten wollen. Dieses Gutachten soll vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments erstellt werden. Wie wir gestern gehört haben, wird das wahrscheinlich nächste Woche vorliegen. Das soll dann auch ausschlaggebend für die nächste EU-Ausschusssitzung am 31. Mai dieses Jahres, also in gut zwei Wochen, sein.

Da geht es auch, Kollege Rösch, um die Geschichte, die gestern in der Landes­hauptleutekonferenz beschlossen wurde, was CETA und TTIP anbelangt. Diesen Text haben wir noch nicht; es gibt wohl den Beschluss und natürlich auch die kritische Auseinandersetzung mit diesen Handelsabkommen. Das wird auch Gegenstand in der nächsten EU-Ausschusssitzung sein.

Wenn wir schon im EU-Ausschuss eine gemeinsame Vorgangsweise mehrheitlich beschlossen haben, dann soll diese auch Grundlage zu CETA sein, dass man sich dann mit CETA entsprechend intensiv auseinandersetzt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Und dann ist dieser Entschließungsantrag von euch einfach in dieser Form nicht anzunehmen, denn wir nehmen uns dann im EU-Ausschuss auch nicht mehr ernst. Der EU-Ausschuss hat seine Qualitäten – das wissen wir –, nicht nur hier im Parlament. Wir sind da weitaus besser als der Nationalrat – das kann man ganz klar mit Fakten unterlegen – und sind auch in Europa sehr anerkannt. (Bundesrat Rösch: Es geht ja nur um die vorläufige Anwendung!)


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Wir haben zu CETA bereits 2011 eine Stellungnahme abgegeben, in der wir uns auch kritisch mit dem öffentlichen Bereich auseinandergesetzt haben. Wir haben zu TTIP eine kritische Stellungnahme abgegeben. Und jetzt muss man dem EU-Ausschuss zugestehen, dass er dies auch bei CETA schaffen wird, und zwar mit den Unterlagen, die wir natürlich als Grundlage verwenden wollen: erstens das Gutachten des Parla­ments, das bei der Präsidentin angefordert wurde (Bundesrat Rösch: Das schließt sich nicht aus!), und zweitens die Stellungnahme der Länder – diesen Text haben wir noch nicht.

Man muss dazusagen – das ist auch ganz wichtig, Herr Kollege Rösch; das muss man wirklich auch noch einmal betonen, und das wird auch von anderen EU-Mitgliedstaaten geteilt –, aus unserer Sicht handelt es sich bei CETA um ein gemischtes Abkommen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es geht jetzt auch darum, diese Position in Europa entsprechend zu signalisieren und zu manifestieren. Morgen findet ein Han­delsministerrat statt, und unser Vizekanzler wird dort die österreichische Position sicher entsprechend vertreten. (Ruf bei der SPÖ: Welche?) Und dann – das muss man ein­fach sagen – haben wir schon Vorsorge getroffen, dass das auch in den ent­sprechen­den Bahnen richtig läuft.

Zu CETA noch zwei Sätze: Es wird in einem Vorschlag der Kommission, was so ein Abkommen anbelangt, auch die vorläufige Anwendung – so wie sie ja kritisiert wurde –, entsprechend angeführt und welche Teile des Abkommens einem Vorab-Inkrafttreten unterliegen würden. Bei einem gemischten Abkommen ist es ganz klar, dass dieses Abkommen, wenn es im Vorhinein angewendet wird, nur zum Beispiel hinsichtlich Zollabbau oder Beseitigung von Marktzugangshemmnissen angewendet werden kann – und für nichts anderes. Dennoch wird von euch immer wieder behauptet, dass diese vorläufige Anwendung schon ein Inkrafttreten bedeutet, dass das bereits am Freitag in Kraft treten wird. – Das ist nicht der Fall, das haben wir auch gestern von der Sektionschefin in der EU-Ausschusssitzung eindeutig gehört; sie hat eindeutig Stellung bezogen, Frau Kollegin Mühlwerth.

Wenn man das Ganze mit diesem Wissen aus der gestrigen EU-Ausschusssitzung betrachtet, muss man einfach sagen, dass der EU-Ausschuss seine Zuständigkeiten wahrnimmt, sie in großem Umfang wahrnimmt; deshalb würde ich ersuchen, dass man dem EU-Ausschuss auch die Möglichkeit gibt, das entsprechend abzuhandeln.

Wir werden deshalb diesen Entschließungsantrag ablehnen, weil wir die Kompetenz des EU-Ausschusses nicht untergraben wollen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.06


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Dörfler zu Wort. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Zettel verloren! – Bundesrat Dörfler – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, ist nicht meiner!)

 


13.06.52

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch auf die Diskussion, die es im Vorfeld zu diesem Tagesordnungspunkt gegeben hat, eingehen. Ich stehe so zwischen Staatssekretär Mahrer und Kollegen Schennach. Ich habe überhaupt nie geglaubt, dass ich mit Kollegen Schennach einmal so einig sein könnte, aber wenn es um Interessen der österreichischen Arbeitnehmer geht, dann muss es eine Gesamteinigkeit geben.

Natürlich brauchen wir Zukunft, natürlich haben wir industrielle Revolutionen sehr erfolgreich erleben können, aber schauen wir uns Studien an – und der „Kurier“ hat das veröffentlicht –: „Wie wir 2030 arbeiten werden“. Zwei britische Studien sagen, dass 45


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 91

bis 47 Prozent der derzeit bestehenden Arbeitsplätze in 20 Jahren nicht mehr vorhanden sein werden – und das ist die große Sorge. Dass wir einerseits eine Moder­nisierung nicht verhindern können und wollen, ist uns völlig klar. Du hast auch gesagt, dass man die Menschen begleiten muss, aber die Menschen fragen uns, und wir haben keine Antworten. Dazu braucht es sozusagen Pufferzonen, Übergangsmög­lichkeiten, damit wir den Menschen Sicherheit geben.

Freizeitforscher Zellmann sagt zum Beispiel laut diesem Artikel: „Jede Tätigkeit, die von Computern ersetzt werden könne, werde irgendwann verschwinden“.

Wir wissen – und da steht es auch –, die „Top 10 der gefährdeten Berufe“ sind: „Büro- und Sekretariatskräfte“, „Verkauf“, „Gastronomieservice“, „kaufmännische und techni­sche Betriebswirtschaft“ – also nicht nur, unter Anführungszeichen, „Ungebildete“ werden ihren Job verlieren –, „Post- und Zustelldienste“, „Köche/Köchinnen“, „Bank­kaufleute“ – wir wissen, dass Österreich massiv davon betroffen sein wird –, „Lager­wirt­schaft“, „Metallbearbeitung“, „Buchhaltung“.

Die höchste Automatisierungswahrscheinlichkeit bedeutet, dass Versicherungsvertreter zu 99 Prozent ihren Job verlieren werden, Kreditanalysten zu 98 Prozent und Kassierer zu 97 Prozent. Die möchten aber schon wissen, wie wir ihnen helfen. Das ist auch eine Aufgabe im Rahmen sozialpolitischer Verantwortung: einerseits einen Weg der Moder­nisierung zu gehen, aber andererseits auch zu schauen, wie die berufliche Zukunft ausschaut.

Die „Top 10 der ungefährdeten Berufe“: „Kinderbetreuung und ‑erziehung“, „Gesund­heits- und Krankenpflege“, „Aufsichts- und Führungskräfte“, „Maschinenbau, Betriebs­tech­nik“, „Kraftfahrzeugstechnik“, „Vertrieb“, „Sozialarbeit, Sozialpädagogik“, „Altenpflege“, „Hochschullehre und ‑forschung“, und so weiter.

Ich hätte gerne in jeder Kinderbetreuungsgruppe mit 25 Kindern drei Betreuer oder Betreuerinnen, ich hätte gerne in jeder Klasse ab einem gewissen Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache eine Doppelbesetzung der Pädagogen, nur: Wer wird das finanzieren?

Wir stehen da im Spannungsfeld, dass im internationalen Industriewettbewerb Europa zwar die Netze zur Verfügung stellt – da sind wir hochmodern –, aber wer erzeugt die Geräte? Ericsson und Nokia waren die Pioniere im Bereich der Handy-Kommunikation, aber kein einziges Handy wird in Europa produziert, kein einziger Laptop, kein Tablet – gar nichts. Wir müssen ja auch schauen, dass wir an dieser industriellen Wert­schöpfung teilnehmen und nicht nur die Netze zur Verfügung stellen, während Korea, China und andere das Geschäft machen. Das darf nicht sein.

Herr Kollege Schennach, da bin ich leidenschaftlicher Vertreter der Arbeitnehmer­inter­essen. Ich wundere mich, dass der ÖGB und die AK da relativ schweigsam sind. Wir müssen auch zugeben, dass wir noch kein Angebot haben; aber dafür braucht es sozusagen eine Art Geländer auf der Stiege in die Zukunft, damit wir den Menschen auch die Sicherheit geben können, dass wir eine moderne Zukunft nicht ablehnen, dass aber auf dem Weg dorthin die Menschen nicht alleine gelassen werden.

Wenn wir momentan schon 500 000 Arbeitslose haben, dann möchte ich nicht darüber reden müssen, dass in absehbarer Zeit 45 bis 47 Prozent dieser Jobs auch noch wegrationalisiert werden und wir menschenlose Handelsoutlets haben. Hartlauer hat vor Kurzem gesagt: Ich hätte gerne, dass auch Amazon die gleichen Steuern zahlt wie ich als österreichischer Unternehmer, wenn ich im Internethandel tätig bin!

Oder schauen wir uns die Stahlindustrie an: Die Chinesen machen alles hin. Tata Steel wird offensichtlich in Newcastle ein Werk mit 17 000 Beschäftigten zusperren; davon sind 40 000 Menschen in Großbritannien betroffen. Die Amerikaner schützen den


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amerikanischen Markt mit Strafzöllen. Die Australier werden auch Strafzölle einführen. Und Europa ist schön brav, weil wir Mercedes, BMW und Audi nach China verkaufen müssen.

Das ist keine Politik! Daher: ein Ja zur Zukunft, aber zur gesicherten Zukunft! Da bin ich mit Kollegen Schennach zu 100 Prozent einer Meinung, dass wir den Menschen auch sagen müssen: Frau Verkäuferin beim Billa, wie schaut es denn aus?, Herr Versicherungsberater, was wirst du übermorgen machen?, und so weiter.

Das, lieber Herr Staatssekretär, wird auch unsere gemeinsame Aufgabe sein: den Weg in die moderne Zukunft zu gehen – aber bitte so, dass die Geschwindigkeit der Veränderung nicht in dramatischer Arbeitslosigkeit und Ratlosigkeit mündet. Und da bin ich wieder bei Kollegen Schennach, denn da sind wir uns sehr nahe: Wir haben da eine Verpflichtung und Aufgabe, sozusagen soziale Arbeitsmarktverantwortung wahr­zunehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.11


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Da Kollege Schennach so oft genannt wurde, hat er sich nochmals zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat Schennach. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

 


13.12.02

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich sage nur ganz kurz etwas zum Antrag der freiheitlichen Fraktion.

Ich mache aus meinem Herzen niemals eine Mördergrube, deshalb sage ich hier ganz klar und deutlich: Wir haben in der Dramatik für die gestrige EU-Ausschusssitzung natürlich auch so etwas vorbereitet gehabt, aber das Wort von Sektionschefin Gierlinger ist ein Wort, auf das man sich verlassen kann. Sie hat uns, glaube ich, un­miss­verständlich zugesichert, dass es vor einem Beschluss des Europäischen Parla­ments zu keiner vorzeitigen Inkraftsetzung von Teilen dieses Abkommens kom­men wird.

Damit haben wir eine doppelte Sicherheit, denn, Kollege Bösch (Bundesrätin Mühlwerth: Rösch!) – Rösch –, von dieser Stelle aus habe ich immer gesagt, dass der erste Sündenfall das CETA-Abkommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Und ich bleibe dabei, dass das der erste Sündenfall ist, denn wesentliche Teile sind in TTIP gar nicht drinnen, weil sie in CETA drinnen sind und vice versa anzuwenden sind. Da geht es zum Beispiel um die Daseinsvorsorge.

Das CETA-Abkommen hat hier viel kritische Würdigung erfahren. Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der freiheitlichen Partei, weil das gestern so klar herausgearbeitet wurde, ist es nicht notwendig, heute auf die Schnelle, ohne vorherige Absprache und politische Befassung, weniger als 24 Stunden nach dem Beschluss, den wir gestern in der EU-Ausschusssitzung getroffen haben, davon Abstand zu neh­men.

Ich glaube deshalb: Halten wir diese Kritik an CETA aufrecht. Aber ein vorzeitiges Inkrafttreten der EU-Teile – es können nicht die nationalen Teile sein – kann es morgen nicht geben, das hat man uns gestern mit großer Zuverlässigkeit erklärt. Deshalb werden wir dem nicht folgen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

13.14


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Mag. Dr. Mahrer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 93

13.14.36

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Herr Präsident! Es bietet sich an, noch einmal ganz kurz einen Exkurs in Sachen Digitalisierung und Jobs zu machen.

Herr Bundesrat Dörfler hat diese Serie des „Kurier“ gemeint, „Österreich 2030“. Da gab es eine Grafik – ich kann mich gut daran erinnern, das war im Jänner –, wo diese zehn Jobs aufgezählt wurden, die am meisten nachgefragten und die am meisten gefähr­deten. Aber es sind schon am meisten gefährdete Jobs, die bereits heute gefährdet sind und heute schon stark reduziert wurden.

Viele europäische Unternehmen, und zwar nicht nur große Konzerne, sondern auch mittelgroße, auch viele österreichische, haben Buchhaltungstätigkeiten bereits weitest­gehend automatisiert oder in sogenannte Call-Center-Buchhaltungen über standar­disierte Buchhaltungsabrechnungsprogramme nach Indien, nach Irland oder in andere Länder verlegt, wo solche Angebote im großen Stil global durchgeführt werden.

Das ist eine Entwicklung, die ich seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre kenne. Da ist schon viel passiert. Ähnlich ist es in anderen Verwaltungsbereichen, wo man diese Effekte aufgrund der Automatisierung, der Vernetzung und der Digitalisierung überall beobachten kann – aber sie treten niemals so krass ein, wie das Weltverschwö­rungs­theoretiker oder Weltuntergangsmaler dann gerne darstellen. Sie treten ja ohnehin in reduzierten Effekten ein. Warum? – Weil auch die Konsumenten oder die Kunden sich wohl überlegen, ob sie diese Services eigentlich so nutzen wollen, ob sie bereit sind, für einen vielleicht günstigeren Preis auf einen gewissen Komfort zu verzichten.

Viele Unternehmen warten einmal ab, ob es klug ist, dass man in Indien anruft und dann dort vielleicht jemanden hat, der nur halbwegs gebrochen Deutsch spricht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ich kenne eine Vielzahl österreichischer Unternehmer – ich war in diesen Bereichen tätig –, die gesagt haben: Nein, wir machen das nicht, wir lassen das weiterhin von unseren österreichischen Buchhalterinnen und Buchhaltern, von unseren Steuerberaterinnen und Steuerberatern durchführen!

Es gab Ende der 1990er-Jahre schon einmal genau dieselbe Prognose, ich kenne das ganz genau. Da gab es Fachkonferenzen, bei denen sich alle die Haare gerauft und gesagt haben: Mein Gott, es wird da alles zusammenbrechen. – Es hat eine Abwan­derung gegeben, aber am Ende des Tages haben österreichische Qualitätsarbeit, Genauigkeit, Service, Komfort und regionale Nähe entschieden.

Und um das Beispiel des Lebensmitteleinzelhandels zu bemühen: Auch das wird eine Frage sein, wie sich der österreichische Lebensmittelhandel – oder in diesem Fall jener im deutschsprachigen Raum, weil Billa zum Beispiel zur REWE-Gruppe gehört – in Fragen des Komforts und der Kundenfreundlichkeit positioniert. Dann soll der regionale Kunde entscheiden, was er denn gerne hätte. Trotz aller technologischen Entwick­lung – ja, möglicherweise kann man kontaktlos bezahlen, das mag ein Effekt sein, das geht ja heute schon – glaube ich nicht an eine vollständig mitarbeiterfreie Lebensmittel­einzelhandelsfiliale; ich glaube auch persönlich gar nicht daran, obwohl ich ein großer Freund der Digitalisierung bin. (Bundesrat Schennach: Regalbetreuung wird es schon noch geben! Bei Apotheken!)

Entscheidend ist nur – das ist ein Punkt, den ich machen möchte; Sie beide haben da ja denselben heiklen Punkt getroffen –: Es braucht eine Begleitung der Menschen, die Sorge und Angst haben, und eine positive Zukunftsperspektive für diejenigen, von denen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich sagen können, dass in den nächs­ten fünf bis zehn Jahren ihre Arbeitsplätze gefährdet sind. Aber da haben wir eben noch ein bisschen Zeit, das geschieht nicht morgen; das geschieht nicht am 1. Jänner


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 94

2017. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Nein, wir haben in unterschied­lichen Branchen unterschiedlich viel Zeit.

Ich bemühe nun doch das Beispiel, das ich vorhin bemühen wollte, nämlich die Automobilindustrie. Ich darf in die Runde der Bundesrätinnen und Bundesräte inklusive des Präsidenten eine Schätzfrage stellen: Was, glauben Sie, zahlt die durchschnittliche europäische Familie für das durchschnittliche europäische Auto pro Monat, wenn man die Anschaffungskosten mit hineinrechnet; Anschaffungskosten auf das Monat herun­tergerechnet, inklusive Benzin/Diesel, Versicherung, Garagengebühr? (Die Bun­des­rätinnen und Bundesräte geben ihre unterschiedlichen Schätzungen bekannt.) – Ich habe es einmal gehört: Es sind 400 € im Durchschnitt – gut geschätzt!

Wir wissen – die Zahlen sind bei mehreren Veranstaltungen, Diskussionen, kleineren Treffen und großen Konferenzen transparent gemacht worden –: Google plant, das um zirka 200 € pro Monat anzubieten, selbstfahrend, elektrisch, und sagt noch froh­lockend, man könne noch um 200 € Services dazukaufen.

Wenn Sie sich aber die Bilder dieser Gefährte anschauen, die in ungefähr sieben bis zehn Jahren kommen sollen, dann sehen Sie, das hat nichts mehr mit der Idee des Autos des 20. Jahrhunderts zu tun – nach dem Zweiten Weltkrieg, die Idee des sozialen Aufstiegs; man kann sich ein eigenes Auto leisten und hat damit große persönliche Freiheit und Mobilität –, sondern das sind Transportmittel einer neuen Generation, eines neuen Zeitalters, für eine Person oder für vier – das sind dann so Lounge-artige Sessel –; es gibt da jede Menge Designs. Es gibt keinen Rückspiegel mehr, keinen Seitenspiegel, kein Lenkrad und keinen fetten Kühlergrill. Kennen Sie die Geschichte? – Ein fetter Kühlergrill dient dazu, dass man, wenn man ihn im Rück­spiegel sieht, auf die Seite fährt. Das sind neue Transportmittel, die vollauto­matisch fahren und Fahrslots zugewiesen bekommen werden – so wie heute im Übri­gen schon der Flugverkehr und der Bahnverkehr weitestgehend vollautomatisch funktionieren. Die Vielzahl der Autos kann das heute schon.

Überlegen wir uns nur theoretisch: Wenn 50 Prozent weniger solcher Gefährte in Euro­pa abgesetzt werden – da kommen Sie zur Ernsthaftigkeit der Frage –, wenn wir wissen, dass die Automobilindustrie und Zulieferindustrie ein industrielles Rückgrat nicht nur der deutschen, sondern auch der österreichischen Wirtschaft ist, dann sind wir natürlich angehalten, in den nächsten zehn bis 15 Jahren diesbezüglich Strategien zu entwickeln.

Noch einmal: Ich rede von hoch- und höchstwertigen Jobs, von sehr gut bezahlten Facharbeiterinnen und Facharbeitern, Ingenieurinnen und Ingenieuren in Zulieferbe­trieben, den produzierenden Betrieben und in der Forschung, die möglicherweise nicht mehr in diesem Bereich arbeiten werden. Wir reden also nicht von den berühmten Niedriglohnjobs oder Jobs mit einer geringen Ausbildungsnotwendigkeit, sondern wir reden wirklich von den Jobs, die heute gut bezahlt sind, wo man im Mittelstand gut verdient und auch mehr ins Sozialsystem einzahlt.

Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt der Debatte, die wir intensiv führen sollten – Arbeitnehmervertretung, Arbeitgebervertretung und alle politischen Kräfte –: Rahmenbedingungen zu schaffen, um diesen strukturellen Wandel herbeizuführen.

Ich wollte noch einmal darauf hinweisen: Ich glaube, wir meinen alle dasselbe, aber wir sollten ein positives Bild erzeugen und kein Bedrohungsbild und Angstszenario. Wir wollen die Leute ja begleiten.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal davor warnen, dass wir in eine Situation verfallen, in der wir eine Regulatorik erfinden und versuchen, einen Wandel aufzu­halten, anstatt ein Ermöglichungsrahmenbedingungsszenario zu entwickeln, in dem wir


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neue Sachen frei machen, denn ich glaube: Wenn man sich bewegen soll – und unsere Betriebe werden sich bewegen müssen, und wir werden ihnen dafür einen Freiraum geben müssen –, dann braucht man mehr Dynamik und nicht mehr Enge. Wenn darüber Konsens besteht, dann haben wir alle Chancen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.21

13.21.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Pisec, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend keine vorläufige Inkraftsetzung von CETA vor, und ich lasse über die­sen nun abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

13.22.144. Punkt

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung (III-572-BR/2016 d.B. sowie 9583/BR d.B.)

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Pum. Ich bitte um den Bericht.

 


13.22.29

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, die EU-Vorhaben – Jahresvor­schau 2016 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ecker. Ich erteile es ihr.

 


13.23.21

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! „Die Wissenschaftler bemühen sich, das Unmögliche möglich zu machen. Die Politiker bemühen sich oft, das Mögliche unmöglich zu machen.“ (Bundesrat Lindinger: Na, Sie sind ja auch Politikerin!) – Ich habe mich ja nicht ausgenommen. Noch dazu ist dieses Zitat nicht von mir, Sie brauchen sich nicht zu sorgen, das ist ein Zitat von Bertrand Arthur William


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 96

Russell, das zum heutigen Tagesordnungspunkt Wissenschaft (Bundesrat Lindinger: … damit identifizieren!) und auch zur tagesaktuellen Lage passt.

Zum Bericht über die Maßnahmen im Bereich Wissenschaft und Forschung, EU-Vor­haben 2016: Es gibt da einen eigenen Bericht zum Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung. Wir sehen es sehr positiv, dass unsere Anregung da aufgenommen wurde.

Wie so schön am Beginn des Berichtes formuliert, „versucht die EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker angesichts der massiven Herausforderungen wie (...) Wachstum, Arbeitslosigkeit, Flüchtlingsströme oder (…) Klimawandel die Kräfte zu bündeln und wenige“ – wenige – „zentrale Vorhaben mit verstärktem Engagement und“ – hoffentlich – „größerer Entschlossenheit zu verfolgen“. Leider sind im Bereich Wissenschaft und Forschung seitens der Europäischen Kommission keine neuen Initiativen geplant.

Betrachtet man den Europäischen Forschungsraum, der seit dem Jahr 2000 zwar Fortschritte gemacht hat und der 2014 eigentlich die Ziele erreicht haben sollte, so denken wir, es braucht einen Fahrplan zur Weiterentwicklung. Im Ausschuss wurde das auch angesprochen, und die Auskunft war eher so, dass quasi das, was jetzt geschehen ist, weitergeführt wird – „more of the same“. (Präsident Saller übernimmt wieder den Vorsitz.)

Bei Horizon 2020 hinterfragen wir die schlechte Performance der außeruniversitären Forschung – 2,1 Prozent sind einfach auffällig – und die massiven Unterschiede in den Bundesländern.

Die Mobilität der Lehrlinge in Bezug auf Auslandsaufenthalte ist stark ausbaufähig. Wir könnten uns vorstellen, da ein Anreizsystem für Firmen zu schaffen, damit es für beide Seiten zu einer Win-win-Situation kommt.

Die Mobilität der Studierenden nimmt ja zu. Allerdings habe ich gelesen, dass Minister Mitterlehner beabsichtigt, die nächste Leistungsvereinbarung und die Einführung der Studienplatzfinanzierung mit einem Entscheidungsprozess unter dem Titel „Zukunft Hochschule“ vorzubereiten. Dadurch sind die Studierenden mit Problemen konfrontiert, man denke nur an die Zulassung zum Studium, an einen Wechsel der Studienrichtung, an einen Wechsel des Studienortes – gerade haben wir etwas von Mobilität gehört.

Es gibt in Österreich sicher noch einiges, was diesbezüglich ebenfalls wichtig wäre. Wir haben eine Anhebung der Zuverdienstgrenze für die Studierenden angeregt, damit die Studienbeihilfe nicht so schnell gestrichen oder eingeschränkt wird. Leider waren andere Parteien der Meinung, dass das nicht notwendig ist. Unsere Meinung dazu ist, dass die leistungswilligen Studenten, die sich auf diese Weise ja auch Praxis – viel­leicht sogar in ihrer eigenen Studienrichtung – erarbeiten, dadurch einfach bestraft werden. Unserer Meinung nach sollte man die vorlesungsfreien Zeiten bei der Bemes­sung der Studienbeihilfe einfach unberücksichtigt lassen.

Abgesehen davon sind wir überzeugt, dass die Konzentration der Forschungsagenden im Wissenschaftsressort positive Auswirkungen hätte. Unsere Forderung dazu ist, im Wissenschaftsministerium einfach alle Zuständigkeiten für die Forschung zu konzen­trieren. Zudem ist der Bereich Wissenschaft und Forschung – und da werden mir, so denke ich, die meisten hier im Saal zustimmen – hoffnungslos unterfinanziert. Das ist schade, weil der Bereich Wissenschaft und Forschung untrennbar mit der Wett­be­werbs­fähigkeit und in weiterer Folge – das haben wir jetzt schon zur Genüge gehört – mit den Arbeitsplätzen in unserem Land verbunden ist.

Wenn wir in Hochschulen, in Forschung und Innovation zu wenig investieren, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir eine enorme Arbeitsplatzproblematik


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 97

haben. So werden wir als Land Österreich nicht in der Liga mitspielen, in der wir mitspielen sollten, nämlich in einer Liga mit der Schweiz, mit Deutschland, mit Finnland oder auch mit Schweden. Das sind die Länder mit einer führenden Position. Meiner Meinung nach muss es das Ziel Österreichs sein, auch so ein Innovationsleader zu werden.

Unser oberösterreichischer Wirtschaftslandesrat stellt fest, dass mehr internationale Forschungskooperationen ein Gebot der Stunde sind, und auch der IV-Oberösterreich-Präsident, Axel Greiner, fordert eine deutliche Aufstockung der Forschungsquote.

All das kann man meiner Meinung nach auf diesen Bereich anwenden. Mein Schluss­statement lautet daher: Wie in so vielen anderen Bereichen gibt es auch im Bereich der Wissenschaft und Forschung für unsere Bundesregierung viel zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


13.28.33

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich sehe die Weiterentwicklung in Wissenschaft und Forschung positiv. Eines ist unumstritten – wenn man die vorher­gehende Diskussion miterlebt hat, dann weiß man: Wir haben einen unheimlich starken Wandel bei den Unternehmen wie auch bei den Berufen.

Wandel hat es immer schon gegeben. Wir haben uns immer schon weiterentwickelt. Mag sein, dass es jetzt ein bisschen schneller geht, aber wir müssen darauf vorbereitet sein, und vorbereitet können wir nur dann sein, wenn wir Geld in Wissenschaft und Forschung stecken und da kontinuierlich weiterarbeiten.

Wie auch schon angeklungen ist, steuern die Länder das Ihre dazu bei. Tirol beispiels­weise schätzt Wissenschaft und Forschung und fördert das auch in verschiedenen Bereichen.

Die europäische Agenda für die neuen Kompetenzen, die zu erarbeiten sind, umfasst unter anderem die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen und andere Initiati­ven zur Modernisierung der Hochschulbildung. Insbesondere geht es um die Förde­rung der sozialen Gerechtigkeit, der sozialen Eingliederung und der gemeinsamen europäischen Werte.

Die niederländische Ratspräsidentschaft will 2016 die Hochschulbildung verstärkt in den Vordergrund rücken, was ja auch im Interesse Österreichs ist; ob das jetzt die Bundesregierung ist oder ob das die einzelnen Landesregierungen sind – auch diese stellen das in den Vordergrund. Dies ist eines der wichtigsten Ziele, die sie haben.

Was den Bereich Forschung und Innovation angeht, soll die nunmehr abgeschlossene Ex-post-Evaluierung des 7. Forschungsrahmenprogramms diskutiert werden. Die Schlussfolgerungen daraus sollen in die Umsetzung des laufenden Programms Horizon 2020 und in die Planung des nächsten Rahmenprogramms einfließen.

Also: Es geht ja nichts von heute auf morgen. Meiner Meinung nach braucht es immer eine Weiterentwicklung, und wenn man auf dem Bestehenden aufbaut, dieses fortsetzt und verbessert, Verbesserungen in das Programm einarbeitet, dann sind wir, glaube ich, auch auf einem sicheren Weg, denn wir brauchen eine Basis, es braucht ein festes Fundament. Wie jedes Haus ein festes Fundament braucht, so brauchen wir dieses auch in der Weiterentwicklung von Forschung.

Wenn manches im Europäischen Forschungsraum nicht so schnell geht, dann denken wir doch daran: Wenn man unsere Gemeinden zusammenlegen will, was auch seine


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 98

Vorteile hätte, dann geht auch nur eins nach dem anderen, das geht auch nicht so schnell. Das ist in vielen Dingen so, man muss sich vieles einfach auch erarbeiten und den Menschen die Ängste nehmen.

Vor etwa zehn Jahren wollte ich mit den kleinen Unternehmen, den KMUs, in meinem Bezirk eine Initiative starten, damit sie verstärkt mit der Universität Innsbruck zusam­menarbeiten. In der Grundlagenforschung sind wir in Innsbruck ja wahnsinnig gut, und da haben wir vom Wirtschaftsbund uns gefragt: Warum suchen sich unsere Unter­nehmer nicht einen starken Partner, denn sie müssen ja nicht alles neu erfinden, auch ihre Betriebe müssen weiterentwickelt werden, und ob das nicht in Form von Koope­rationen mit der Universität Innsbruck stattfinden könnte? – Ich habe Schiffbruch erlit­ten, denn die Unternehmer wollten nicht auf die Universität. Die haben einfach Angst gehabt.

Jetzt gibt es mit der Marktgemeinde Wattens, Swarovski und der Fraunhofer-Stiftung ein wirklich tolles Projekt; in der Zwischenzeit arbeiten 40 Unternehmen in dem alten Gebäude. Jetzt geht es! Es funktioniert – es braucht eben wirklich alles seine Zeit. Wichtig ist schon im Vorfeld, dass man die Menschen nicht mit Neuem überfordern darf. Es muss wachsen. Ich glaube, genau das kommt in dem Bericht durch: Es muss wachsen, und es muss weiterentwickelt werden.

Auch das Programm Erasmus+, mit dem Studierende ein Auslandsstudium absolvieren können, wächst jedes Jahr. In der Zwischenzeit nutzen es 6 600 Studierende. Auch in meinem Umfeld haben es etliche schon genutzt und haben Positives daraus gezogen, weil ihnen in ihrem Beruf einfach eine internationale Blickrichtung vermittelt wurde und sie auch mehr umsetzen können. (Bundesrat Schennach: Kurz …! Kurzfristig!)

Bei den Lehrlingen bin ich einfach draufgekommen: Die Unternehmer wissen es nicht. Es wird in den Berufsschulen zwar vorgestellt, aber wenn der Lehrling nicht zum Unternehmer geht und fragt, ob er das nicht machen könnte, dann kann er es nicht tun. Da müssen wir meiner Meinung nach auch selbst – mit unseren Lehrlingen und mit den Unternehmen – Werbung für das Projekt machen, dass auch Lehrlinge einen Aus­lands­aufenthalt machen können.

Meine Nichte ist die Einzige, von der ich bis jetzt weiß, dass sie diese Möglichkeit genutzt hat. Sie ist Friseurin, war in London und ist wirklich voll motiviert zurückge­kommen. Sie ist eine tolle Friseurin und jetzt auch Unternehmerin, weil sie sich dann auch selbständig gemacht hat. Sie hat gesagt, sie möchte den Aufenthalt im Ausland nicht missen, weil sie einfach viel gelernt und viel mitgenommen hat, unter anderem auch an Kreativität.

Das gilt für viele Berufe, und da liegt es meiner Meinung nach auch an uns, dass wir Werbung machen, dass wir auf die Menschen zugehen und ihnen das auch sagen. Arbeiten wir weiter an Wissenschaft und Forschung, denn das bedeutet auch wirt­schaftlichen Aufschwung und Fortbestand unseres Landes! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.34


Präsident Josef Saller: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.34.42

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Forschungsvorhaben und EU-Raum sind eigentlich auch ein Kapitel der Erfolge. Darum verstehe ich eine Ablehnung dieses Vorhabens­berich­tes, der im Wesentlichen den Berichtszeitraum von 2014/15 bis 2020 umfasst, über­haupt nicht, aber es findet ja trotz einer allfälligen Ablehnung einer Fraktion statt.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 99

Wir haben da zum Teil eine tatsächliche europäische Erfolgsgeschichte: Alles, was wir unter Erasmus, Leonardo in Europa geschaffen haben, bedeutet Mobilität – die Mobi­lität der jungen Menschen hinauszugehen, irgendwo ein Semester zu verbringen, und die Mobilität anderer, die zu uns kommen. Das ist eine gegenseitige Befruchtung.

Ich sehe das in meiner Fachhochschule, wenn die Studierenden zu mir kommen und sagen: Nächstes Semester bin ich in Amsterdam! Ich bin in Barcelona! – Das öffnet und gibt ganz andere Perspektiven. Immerhin ist das Programm Erasmus+ mit 14,8 Mil­liarden € dotiert; zusätzlich stehen noch 1,7 Milliarden € zur Verfügung.

Wir haben dabei die Bereiche Incoming und Outgoing, und wenn wir sehen, dass allein im Studienjahr 2014/15 6 600 junge Menschen in Österreich das in Anspruch genom­men haben, dann muss man sagen: 6 600 glückliche junge Menschen, die verstehen, was Europa ist. Wer einmal ein halbes Jahr an so etwas teilgenommen hat, der ist immunisiert, auch gegen nationalistische Tendenzen.

Gut ist auch, dass 70 Staaten außerhalb Europas teilnehmen und dass Österreich, die Schweiz – allerdings in Klammer – und das Vereinigte Königreich beziehungsweise deren Universitäten zu den attraktivsten innereuropäischen Incoming-Staaten gehören. Prag hingegen gehört, was ich immer ganz lustig finde, zu einem der stärksten Incoming-Staaten von außerhalb Europas. Das finde ich interessant. Die Schweiz habe ich in Klammer gesetzt, denn durch eine äußerst unglückliche Volksabstimmung nimmt die Schweiz zwar teil, aber muss jetzt alles selbst finanzieren. Wenn man sozusagen aus dem Populismus heraus eine Entscheidung trifft, die der eigenen Jugend die Chancen, nach Europa zu gehen, kappt, dann muss ein Staat dafür eben die Verantwortung tragen, auch wenn es der Staat selbst wahrscheinlich gar nicht gewollt hat.

Ich halte mich jetzt hier sehr kurz, möchte aber einen Punkt, den Kollegin Junker zum Schluss gesagt hat, noch einmal deutlich unterstreichen – ich glaube, ich habe hier diesbezüglich schon 20 Reden gehalten –: Es ist toll, dass unsere jungen Leute, die studieren, diese Mobilität haben. Ich wünschte, ich wäre noch einmal 20, ich würde ebenfalls sofort teilnehmen. Aber wir müssen auch an die Lehrlinge denken.

Es ist toll, dass mittlerweile 3 400 Lehrlinge von einem Praktikum Gebrauch gemacht haben, und dabei funktioniert es genau so, dass ein Lehrling, beispielsweise ein Mechanikerlehrling, in Amsterdam in einer Mechanikerwerkstatt vielleicht eine ganz andere Technologie sieht, dann in seinen Meisterbetrieb zurückkommt und sagt: In Amsterdam haben wir das aber viel geiler oder besser gemacht!, und außerdem lernt er auch noch eine andere Sprache. (Heiterkeit der Bundesräte Mayer und Köll.) – Man kann dieses Wort für Kollegen Mayer auch durch „interessant“ ersetzen; ich habe versucht, eine jugendliche Sprache als Retourbotschaft anzubringen. (Bundesrat Mayer: … nichts gesagt!)

Umgesetzt wird das aber noch zu wenig, und ich denke, Frau Kollegin Junker, dass wir irgendwann ein verpflichtendes Auslandspraktikum im Berufsschullehrplan unter­brin­gen müssen. Ich weiß, das geht nicht sofort, aber wir sollten es zumindest einmal branchenweise starten.

Ein zweiter Punkt, der mir ein sehr großes Anliegen ist, richtet sich an alle Bürger­meisterinnen und Bürgermeister, die hier vielfach versammelt sind: Ihr alle habt Lehrlinge, manche haben viele, aber die Gemeinden und Städte machen dabei nicht mit, und das ist bitter. Bitte, Städte und Gemeinden, lasst eure Lehrlinge ein halbes Jahr – ein halbes Jahr – an diesem Programm partizipieren!

Ihr werdet dafür glückliche, junge Lehrlinge bekommen, die noch einen Vorteil haben: Sie können auch eine andere Sprache als nur Deutsch. Schauen wir deshalb, dass wir


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bei den Lehrlingen ganz stark und ganz schnell das Programm ausweiten, denn bisher gab es nur 3 400 Praktika. Und seien wir uns ehrlich: Die Praktika dauern eher zwei Monate. Das ist etwas anderes als ein Semester, das dient auch nicht der Nachhaltig­keit der sprachlichen Erweiterung.

Ich glaube, das sollten wir tun. Insgesamt ist der europäische Raum der Raum der Forschung, der Innovation und des Wissens, und all diese Programme, die da laufen, unterstreichen und unterstützen das. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­räten der ÖVP.)

13.40


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


13.40.54

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte es nicht noch länger hinaus­zögern und deshalb nur ganz kurz anmerken: Wir werden den Bericht auch zur Kenntnis nehmen, es ist ja schon viel Positives berichtet worden.

Zu den Lehrlingen: Das ist auch ein wichtiges Anliegen, aber ich glaube, da gibt es schon Barrieren. Die Lehrlinge sind jünger als die Teilnehmer an Erasmus+, und das mit einer schlechteren Ausgangsposition, was Sprachen und so weiter betrifft. Das stelle ich mir schon auch für viele Lehrlinge als Hemmnis vor, in diesem Alter, in dieser Situation, mit Sprachkenntnissen aus der Neuen Mittelschule ins Ausland zu gehen. Da tun sich schon auch noch andere Barrieren auf.

Deshalb ist zu überlegen, ob man nicht für diese Berufsgruppen zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer Entwicklung, nach dem Lehrabschluss zum Beispiel, entsprechende Angebote gestalten könnte und sollte – das heißt eben, aus den Berufsgruppen, aus den Lehrberufen heraus zu einem späteren Zeitpunkt teilnehmen zu können. Das würde vielleicht die Situation verbessern und wäre auch für diese Berufsgruppen sehr hilfreich.

Ein kritischer Punkt betrifft die angestrebte Internationalisierung der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Österreich, die aber eigentlich damit unvereinbar ist, dass man es ausländischen Absolventen österreichischer Universitäten, insbesondere wenn sie aus Drittländern kommen, so schwer macht, nach Abschluss ihres Studiums in Österreich weiterzuarbeiten. Deutschland ist da weiter; ich denke, da müsste man mehr auf­machen, offener darauf zugehen und nicht in diesem Sinne zumachen. Man müsste es diesen Menschen, die natürlich perfekt integriert sind – was will man da noch mehr –, aber ihren internationalen Hintergrund mitbringen, entsprechend ermöglichen, anbieten und erleichtern, in Österreich weiterzuarbeiten.

Ein positiver Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist das neue Forschungs­pro­gramm Beyond Europe, das außereuropäische Partner sucht und bei dem für die erste Ausschreibungsrunde immerhin 4,6 Millionen € zur Verfügung stehen. Ich denke, das ist eine tolle Initiative, die eben über Europa hinausgeht und der Internationalisierung dient. Das freut mich sehr, und ich wünsche dem Ganzen auch Erfolg.

Wie gesagt, wir werden zustimmen, wobei natürlich immer klar ist, dass man in diesem Bereich noch mehr tun könnte, aber ich glaube, der Bericht enthält auch sehr viel Positives. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

13.44


Präsident Josef Saller: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte.

 



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13.44.16

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich kann es auch sehr kurz machen: Der Bericht ist wie immer von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses ausgezeichnet aufbe­reitet worden. Die beiden großen Themenbereiche Erasmus+ und Horizon 2020 sind von den Mitgliedern des Bundesrates auch ausreichend kommentiert worden. Ich darf noch drei kurze Anmerkungen machen.

Ich sehe den Punkt, den Bundesrat Schennach angesprochen hat, schon auch als sehr spannend an, nämlich diese Möglichkeiten für Lehrlinge zu öffnen oder zumindest mittelfristig zu entwickeln. Es stimmt natürlich auch, dass es gewisse Grundvoraus­setzungen geben muss, vor allem im Spracherwerb. Andererseits gibt es die Imple­mentierung eines Bildungskompasses, der bei den Kleinsten anfangen soll, sodass man also ab dem Kindergarten schaut, dass man sprachliche Talente mitentwickelt, und das über die jetzt neu zu implementierende Schnittstelle in die Volksschule und dann in die Neue Mittelschule hinein. Es müssen ja nicht nur Kinder aus der Neuen Mittelschule eine Lehrausbildung machen, es gibt ja auch welche, die aus dem AHS-Bereich umsatteln.

Aber wenn man so eine Art Zieloption sieht und sagt, man geht in der Berufs­aus­bildung auch bewusst den Weg, eine Art Semester oder einen von der Dauer her wie immer gearteten Aufenthalt im Ausland anzustreben – zumindest einmal im euro­päischen Ausland –, würde ich das als sehr wünschenswert erachten, denn wenn wir schon einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum haben und eine gemein­same europäische Idee verfolgen, dann macht das durchaus Sinn. Ich werde das aufnehmen und an die Kollegin Karmasin und die Kollegin Heinisch-Hosek weiter­geben, und wir werden das auch im Sinne unserer Bildungsspiegelaufgabe einmal mit­adressieren.

Es wäre durchaus eine spannende und interessante Projektierung, darüber nachzu­denken. Ich finde, das ist eine sehr gute Idee, mit all den Schwierigkeiten, die dahin­terstecken. Aber gute Ideen muss man anpacken, und man muss schauen, wie man sie vielleicht einmal sehr spezifisch, Schritt für Schritt, über Pilotprojekte weiter inten­sivieren kann.

Wir haben bereits jetzt im Bereich Erasmus Auslandspraktika für Lehrlinge; diese werden auch immer mobiler. Es sind im Jahr 2015 650 gewesen, immerhin um rund 10 Prozent mehr als im Jahr davor. Man sieht, es gibt dort eine verstärkte Nachfrage, aber ich glaube, wenn man versucht, es auszuweiten und über Pilotprojekte in spezi­fischen Branchen noch weiter zu entwickeln, dann ist das sicher eine sehr gute Ge­schichte.

Die zweite Frage, die Sie angesprochen haben, ist mir ein besonderes Herzens­anliegen. Ich habe das im Wissenschaftsausschuss vor einiger Zeit schon adressiert. Da hatten wir eine intensive Debatte mit den Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, denn ich habe gemeint: Natürlich, wenn jemand in Österreich ein Studium absolviert, vielleicht sogar das gesamte Studium absolviert und sich hier in einer bestimmten Form auch schon weitestgehend integriert hat – und ich will nicht davon ausgehen, dass das jemand ist, der danach einer kriminellen Betätigung nach­gehen will, sondern der ganz bewusst hier, bei uns, in unserem Hochschulraum auch arbeiten möchte oder an unseren Forschungs- und Hochschulinstituten mitgearbeitet hat –, dann sehe ich auch keine große Problematik, dass wir dort die Barrieren senken und dass diese Menschen, die eine sehr hohe Ausbildung haben – und wir brauchen diese qualifizierten Leute in vielen Bereichen –, auch in Österreich einer Beschäftigung nachgehen können und wir nicht die, die in Österreich ausgebildet sind, wieder wo­anders hinschicken.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 102

Ganz im Gegenteil: Ich fände das gut. Sie kennen unsere Abläufe, unsere Kultur und Lebensweise, haben unsere Sprache erlernt, könnten sonst in nahezu allen Studien­richtungen, die nach wie vor auf Deutsch unterrichtet werden, auch nicht dem Unter­richt folgen und die Prüfungen erfolgreich absolvieren. Darüber nachzudenken, im Ausländerbeschäftigungsgesetz etwas zu machen – Stichwort Weiterentwicklung der Rot-Weiß-Rot-Card –, wäre eine sehr gute Idee.

Wir sprechen eben nicht von jemandem, der aus rein ökonomischen Gründen von irgendwo auf der Welt kommt und sagt: Ich möchte jetzt in das Land herein, damit es mir besser geht!, sondern wir sprechen wirklich von Menschen, die bei uns eine Ausbildung absolvieren – teilweise den zweiten Studienabschnitt oder fertig studieren – und dann auch hier ihre Prüfungen machen.

Auch von dieser Stelle aus mein Appell an das Sozialministerium, mit dem wir schon seit mehreren Monaten und Jahren in intensiven Verhandlungen zu diesem Thema sind: Ich glaube, da sollten wir etwas machen, denn die Republik ist gut beraten, Men­schen, die in unserem Land eine derartige Ausbildung absolviert haben, auch hierzu­behalten.

Ein dritter Punkt – und damit bin ich fertig, und diese Ausführungen sind sehr aktuell – betrifft den Europäischen Forschungsraum an sich: Sie wissen, dass im Mai 2015 ein Fahrplan zur Weiterentwicklung der European Research Area beschlossen worden ist. Wir haben unseren Fahrplan im April 2016 festgelegt und dieses Mapping gemacht. Wir sind auch in guten Gesprächen mit der Kommission, sodass wir das als eines der wenigen europäischen Länder vermutlich am 27. Mai, beim nächsten EU-For­schungs­rat, präsentieren werden. Wir geben auch dort in diesem Bereich ein bisschen den Ton mit an und zeigen, wie man das nach Best Practice macht.

Ich kann nur sagen: Wir sind da sehr gut unterwegs, wir haben in Summe über alle Pro­gramme bislang rund 406 Millionen € zurückgeholt. Ich glaube, auf die Periode 2015 bis 2020 kann man, wie Bundesrat Schennach gesagt hat, zum jetzigen Zeitpunkt – man muss dazusagen, das ist eine Geschichte, die in Entwicklung ist – sehr zufrieden zurückblicken.

Ich glaube nur, dass noch sehr viel möglich ist und wir uns noch mehr anstrengen müssen, denn wir sehen, dass viele andere Länder, vor allem auch osteuropäische Länder, die im technologischen Bereich viel aufzuholen haben, sich jetzt mehr und mehr im Bereich der Forschung anstrengen und die Calls immer kompetitiver werden. Daher dürfen wir nicht auf unseren Sesseln sitzen bleiben, sondern müssen auch in den Bereichen, in denen wir bislang sehr gut unterwegs waren, weiter nach den Sternen greifen und uns strecken.

Der Wettbewerb um die Mittel nimmt zu. Bislang sind wir gut unterwegs, aber wir werden von unserer Seite aus, von der Seite der Republik aus, alles dafür tun, um unsere Forscherinnen und Forscher mit ihren Teams dabei bestmöglich zu unter­stützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.49

13.49.20

 


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 103

13.50.155. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (996 d.B. und 1097 d.B. sowie 9555/BR d.B. und 9575/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (1531/A und 1098 d.B. sowie 9576/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Nun gelangen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu den beiden Punkten ist Herr Bundesrat Forstner. Ich bitte um die Berichte.

 


13.50.48

Berichterstatter Armin Forstner, MPA: Ich erstatte die Berichte zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung.

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asyl­gesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des National­rates vom 27. April 2016 betreffend Bundesgesetz, mit dem das Grenzkon­trollgesetz und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Bevor wir in die Debatte einsteigen, begrüße ich sehr herzlich Herrn Bundesminister Mag. Wolfgang Sobotka. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


13.52.01

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor rund 20 Jahren gab es beim Wiener Gemeinderatswahlkampf einen Wahlkampfslogan, der da lautete: „Wien darf nicht Chicago werden!“

Liest man sich die tagesaktuellen Pressemeldungen durch, dann kommt man eigentlich zu der Erkenntnis: Wien ist schon Chicago!, oder anders gesagt: Wir haben eine


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 104

Sicherheitslage oder eine Verbrechenslage, die wohl eher an den Wilden Westen des vorigen Jahrhunderts als an eine geordnete und sichere Rechtsstaatlichkeit und das daraus resultierende Sicherheitswesen erinnert.

Wir haben aus dem Ansatz resultierend, dass es tatsächlich mit der Sicherheit in den letzten Monaten – wohl auch ein Ausfluss der Flüchtlingskrise – nicht zum Besten steht, ein extremes Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung, das wohl auch haupt­sächlich daraus resultiert, dass man nicht gerade den Eindruck gewinnen kann, dass diese Bundesregierung sich wirklich bemüht, mit legistischen, aber auch mit finan­ziellen Möglichkeiten dieser ausufernden Gewalt und dieser ausufernden Verbrechens­lage tatsächlich Einhalt zu gebieten.

Ich darf an dieser Stelle betonen, dass ich anerkenne, dass sich unsere Polizei redlich bemüht, diese Auswüchse, diese negativen Kriminalitätsauswüchse aus der Flücht­lings­lage einigermaßen im Zaun zu halten. Man muss aber schon erkennen, dass wir eine extrem dünne Personaldecke bei der Polizei haben. Die Personalknappheit ist allerorts spürbar. Wir haben auch die aktuelle Einsatzlage bei der Polizei nur mit einer extrem hohen Überstundenbelastung gerade noch aufrechterhalten können.

Ich darf an dieser Stelle feststellen, dass wir im vergangenen Jahr österreichweit im Exekutivbereich rund sieben Millionen Überstunden gemacht haben – sieben Millionen Überstunden, die nicht nur zeigen, wie sehr sich unsere Exekutive im Rahmen der dienstlichen Verfügbarkeit verwendet, um die Sicherheit trotzdem einigermaßen auf­rechtzuerhalten, sondern die auch einmal mehr einen klaren Blick darauf erlaubt, wie dünn die Personaldecke tatsächlich ist.

Ich glaube, vielen von Ihnen, die aus der Privatwirtschaft kommen, ist das klar: Wenn Sie einen Betrieb mit knapp 25 000 Beschäftigten, die im exekutiven Außendienst – in dem Fall bei der Polizei – Dienst versehen, und in Ihrem Betrieb eine Überstunden­anzahl von sieben Millionen Überstunden in einem Jahr haben, dann ist es mit der Wirtschaftlichkeit wohl bald vorbei.

Und in dem Fall ist nicht die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, sondern die Einsatz­möglichkeiten dieser Beamtinnen und Beamten, unserer Polizistinnen und Polizisten, denen ich an dieser Stelle auch – gerade, weil sie so viele Überstunden erbracht haben und weil das auch ein Beweis dafür ist, wie sehr sie sich im Rahmen ihrer dienstlichen Einteilung verwenden, die Sicherheit in Österreich aufrechtzuerhalten – meinen Dank und meine Anerkennung auch namens meiner Fraktion ausspreche.

Aber ich möchte doch auch ein bisschen in die Materie eingehen, denn gerade aus dieser Unsicherheitslage der Bevölkerung könnte man sich erwarten, dass die Bundes­regierung, der das ja nicht fremd ist – ich nehme ja an, Herr Bundesminister, Sie und Ihre Kollegen lesen auch Zeitungen, hören Nachrichten und nehmen auch Ihre sons­tigen Informationsmöglichkeiten wahr –, da bemüht ist, durch Personalgestel­lungen – die gibt es offensichtlich nicht, oder man ist nicht willens, diese auch tat­sächlich durch personellen Mehrwert in Form neuer Planstellen für die Exekutive zu schaffen – da den Zugang zu schaffen, aber zumindest, dass sie sagt: Wir wollen hier legistisch etwas ändern.

Und wenn man hört, was dieses neue hier in Rede stehende Asylgesetz bringen soll, und wenn man sich dann anschaut, was es tatsächlich bringen wird, dann ist es einmal mehr eine Enttäuschung, nicht nur für mich als Politiker, sondern wahrscheinlich auch für die Bevölkerung, denn vieles, was darin geschrieben steht, ist Makulatur. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier wohl um ein Placebogesetz handelt, das im Lichte der gerade stattfindenden Präsidentschaftswahl gerade noch auf Schiene gebracht wurde, damit man etwas zum Vorzeigen hat.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 105

Allerdings ist das, was hier vorgezeigt wird, alles andere als das, was sich die Bevölkerung wünscht. Ich darf hier ein paar Beispiele aus diesem Gesetz zitieren. Hier steht: Asyl ist ein Schutz auf Zeit. – Das brauche ich in keinem Gesetz niederzu­schreiben, da brauche ich nur in der Europäischen Menschenrechtskonvention nachzu­schlagen, in der das ja so drinnen steht. Es ist schön, dass wir das jetzt auch in einem Gesetz stehen haben, aber eigentlich ist das nicht notwendig.

Und dass man jetzt erkennt, dass man vielleicht auch nachschaut oder nachfrägt, sich Gedanken macht, ob die politische Situation in der Heimat des einen oder anderen Asylwerbers sich vielleicht doch zum Besseren gewendet hat, und dass man hier sagt: Okay, diesen zu Recht gewährter Schutz auf Zeit hast du jetzt genossen, aber die Gründe dafür sind weggefallen, und jetzt kannst du wieder nach Hause zurückkehren, denn jetzt bist du zu Hause wieder sicher!, das hätte man aber schon die ganze Zeit machen können. Dafür hätte man nicht bis zum Jahr 2016, kurz vor die Präsident­schaftswahl zu warten brauchen, sondern das wäre ja eigentlich ein Ansatz gewesen, den man schon voriges Jahr auf Schiene bringen können hätte – gerade damals, als die Flüchtlingswelle Österreich überschwemmt hat und damit auch diese Unsicherheit ins Land gebracht hat.

Der zweite Ansatz, den ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, ist das sogenannte Notverordnungsrecht. Ein Notverordnungsrecht ins Leben zu rufen, damit Sie dann, wenn es sein soll, dem Einreisewilligen an der Grenze Stopp sagen können, das brauche ich auch nicht wirklich, denn es gäbe schon jetzt die gesetzlichen Möglich­keiten, das faktisch umzusetzen. Auch das ist Makulatur.

Da darf ich Sie einladen, auf den bestehenden Gesetzesbestand zu schauen und das damit, was es jetzt schon an Möglichkeiten gibt, zu vollziehen. Also auch das ist nicht wirklich das, was man als Durchbruch und großen Wurf in diesem Gesetz nennen könnte.

Als Drittes darf ich hier noch die Verlängerung der Durchführungszeiten für das Verfahren beziehungsweise die Prüfung, sprich auch der Grundversorgung, von sechs auf 15 Monate anführen. Da darf ich Sie an die in der Begutachtung eingelangten Stellungnahmen erinnern, insbesondere an jene des Landes Wien, aber auch der Wirtschaftskammer, die nachdrücklich vor einer Kostensteigerung gewarnt haben, die diese Fristverlängerung mit sich bringt, auch unter dem Aspekt, dass die Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern nur 12 Monate lang gilt und die restlichen drei Monate im Prinzip voll auf Kosten des Bundes gehen. So gesehen erscheint auch dieser Schritt wieder höchst unlogisch. Außerdem wird dadurch ermöglicht, dass sich der Zeitraum des quasi ungeklärten Status eines Flüchtlings verlängert und dass sich damit auch die finanziellen Zugänge der Person zur Republik verlängern. Dieses Geld bezahlen nämlich unsere Österreicherinnen und Österreicher, die Sie mit Ihrer nicht vollziehbaren Gesetzeslage und Ihrem nicht erbrachten Eifer bei der Herstellung der Sicherheit derartig verunsichert haben.

Kurz gesagt: Dieses Gesetz mag vielleicht für Sie für die mediale Darstellung nach außen eine gute Grundlage sein, aber für die eigentliche Umsetzung ist dieses Gesetz höchst problematisch, zur eigentlichen Verbesserung der Lage trägt es nicht bei. Es trägt weder etwas zur Verbesserung der Sicherheit der Bevölkerung noch zur Ver­besserung der Lage für die Polizistinnen und Polizisten bei, die sich ja damit auseinan­dersetzen müssen, die das ja vollziehen müssen und die dann gefragt werden: Du, Herr Polizist, ich habe in der Zeitung gelesen, der Herr Innenminister – oder, besser gesagt, seine Vorgängerin – hat damals versprochen, dass ein neues, ein gutes und durchschlagendes Asylgesetz kommt, womit das alles viel leichter geht; und ich erkenne, dass nichts leichter geht, sondern dass alles beim Alten ist. – Ich sehe nicht


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ein, warum unsere Polizistinnen und Polizisten dafür geradestehen müssen, dass die Regierung wieder einmal versagt hat.

Ich darf vielleicht an dieser Stelle auch noch anmerken: Es wäre vielleicht auch klug, nicht jedes halbe Jahr die Fremden- und Asylbestimmungen aufs Neue zu ändern. (Bundesrat Mayer: Die Verschärfungsforderungen kamen hauptsächlich von euch!) Es ist einerseits für die vollziehenden Beamten ein großes Problem, sich ständig auf neue gesetzliche Grundlagen einstellen zu müssen. Dieses Fremden- und Asylrecht ist mittler­weile fast schon eine Wissenschaft. Man muss ja fast schon ein Studium absolvieren, um es einigermaßen rechtskonform über die Bühne bringen zu können. Damit wird es den Beamten des BFA einmal mehr schwierig gemacht, Bescheide zu erlassen, die dann auch in den weiteren Rechtsverfahren halten sollen. Andererseits wird durch die ständigen Gesetzesänderungen in diesem Bereich wieder einmal die Unsicherheit in dieser gesamten Rechtslage verstärkt.

Aus diesem Grund darf ich Sie, Herr Bundesminister, einladen – man sagt, neue Besen kehren gut –, sich in Ihrer zukünftigen Amtszeit darum zu bemühen, dass man da einerseits diese Rechtssicherheit bekommt und andererseits nicht ständig mit neuen Gesetzen konfrontiert wird. Ich sehe ja ein, dass bestimmten Lagen bestimmte legistische Veränderungen verlangen, aber wenn es selbst für einen gelernten Politiker schon schwer ist, das Fremden- und Asylrecht zu verstehen, ist es für Polizistinnen und Polizisten auf der Straße, die diesen Rechtszugang wie wir hier im Hohen Haus nicht haben, umso schwerer, das umzusetzen und zu leben.

In diesem Sinne werden wir dieses Asylgesetz ablehnen, da wird es keine Zustimmung geben. Ich hoffe aber – in der Hoffnung, dass neue Besen, wie ich schon ange­sprochen habe, gut kehren –, dass wir hier in nächster Zeit eine positive Kehrtwende erfahren werden. (Bundesrat Mayer: Positive Kehrtwende!)

Der ebenfalls hier mitverhandelten Änderung des Grenzkontrollgesetzes werden wir sehr wohl zustimmen, weil es eine sinnvolle Ergänzung ist, die Identitätsprüfung direkt an der Grenze vornehmen zu können, was ja bis jetzt ein bisschen ein Manko war. Das sehen wir positiv, daher wird es auch in dieser Frage die Zustimmung geben. Bei den Änderungen des Asylgesetzes muss ich Sie hingegen leider enttäuschen, da werden wir nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.05


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte.

 


14.05.27

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Warum braucht es solche Gesetze? – Nun, vor allem im letzten Jahr – auch ein bisschen in den Jahren davor – sind wir zum Traumland für Flüchtlinge geworden.

Nichts zeigt dies besser als die Situation in Idomeni in Griechenland. Dort verweilen Migranten in einem Lager, in dem es schlechte Ausstattung, schlechte Infrastruktur, schlechte Unterkünfte gibt, obwohl es nicht weit davon entfernt Lager mit guter Infrastruktur, mit guten Unterkünften gibt.

Sie kämpfen mit Polizisten, sie wollen Zäune niederreißen, weil sie nicht genau dort hinkommen, wo sie hinwollen. Wahrscheinlich haben sie schon Geld dafür ausge­geben. Da geht es nicht mehr nur um Hilfe für Schutzbedürftige, für Flüchtlinge, son­dern da geht es um Wanderung. Nichts zeigt dies deutlicher als dieses eine Lager.

Wie geht Europa damit um? – Ein paar Eindrücke aus der letzten Sitzung des Euro­parates: Sehr viele Länder wollen mit diesen Flüchtlingen nichts zu tun haben. England


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 107

rühmt sich damit, dass es beschlossen hat, in den nächsten drei Jahren insgesamt 20 000 Flüchtlinge aufzunehmen.

Es ist ein Bericht formuliert worden, in dem Österreich schlecht dargestellt wurde, nämlich als Verursacher dieser schlechten Situation in diesen Lagern in Griechenland und in der Türkei, weil wir die Balkanroute geschlossen haben. Da muss ich mich schon fragen: Was ist dann mit den anderen 20 Ländern, die da in diesen letzten Jahren, vor allem im letzten Jahr, überhaupt nicht geholfen haben? Sind die nicht die Schuldigen? Wir, die am allermeisten geholfen haben, sind laut diesem Bericht schuld an diesem Zustand.

Wir, die Vertreter der ÖVP haben uns gewehrt; leider waren die Vertreter der anderen Parteien nicht mehr anwesend oder haben sich nicht gewehrt. Und genau darum geht es: Wie wird Europa mit dieser Situation umgehen, und wie werden wir Europa zwin­gen, mit dieser Situation umzugehen?

Gestern haben wir im Fernsehen gesehen, dass der griechische Botschafter da war und gesagt hat, dass es eine richtige Maßnahme war, weil sie zur Verbesserung der Situation führt. Daran sehen wir, dass es oft nur um Kampfstimmung, um den Versuch, Arbeit, Belastung zu delegieren, an andere abzuwälzen, um selbst nichts tun zu müs­sen, geht. Deshalb müssen wir die richtigen und wichtigen Maßnahmen ergreifen.

Mir ist auch ein guter Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ untergekommen, nämlich von Frau Ayaan Hirsi Ali. Sie forscht an der Harvard University zu Fragen des Islams und des westlichen Freiheitsverständnisses. Sie zeichnet folgendes Bild über diese Zuwanderung – ich fasse zusammen –: Die Einwanderer kommen aus unfreien Gesellschaften. Deren Einstellung zu Religion, Gewalt, Sex, Geld und Zeit unter­schei­det sich radikal von der der Europäer. Sie teilt sie in vier Gruppen ein, einen Teil, der integrationswillig ist und sich integriert, einen Teil der religiösen Fanatiker, einen Teil der Gewaltopfer und einen Teil der Desinteressierten, die sich ein Sozialnetz aus­suchen und auch ihre Verwandten nachholen.

Sie hat auch eine Studie in den größten Aufnahmeländern durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass 65 Prozent sagen, die Vorschriften ihrer Religion sind wichtiger als die Gesetze jener Länder, in denen sie aufgenommen werden. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Wahnsinn!) Das beinhaltet auch ein gewisses Frauenbild, und da müssen wir uns schon die richtigen Gedanken machen. Und wenn es hier immer noch Gutmenschen gibt, die meinen, wir können hier alles offen stehen lassen und alle zu uns holen, dann frage ich gerade die Vertreter dieser Parteien, ob sie wirklich wollen, dass wir unsere Gesellschaft um 70, 80 oder 150 Jahre zurückentwickeln. Wir müssen hier ganz einfach restriktivere Maßnahmen umsetzen. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Zu welchem Ergebnis kommt sie? Was ist zu tun? – Dazu zählt sie auf: rasches Umdenken, Einwanderung begrenzen, eine neue Einteilung, nämlich nicht in Migranten oder Asylanten, sondern in Integrationswillige und solche, die sich nicht integrieren wollen, die ein anderes Weltbild haben, die ein anderes Frauenbild haben – die sollen dorthin gehen, wo sie das umsetzen können –, ein wirksames Abschiebeverfahren für Unwillige, bessere, wirksamere Strafverfolgung, Aufenthaltserlaubnis beschränken und in den Krisenherden intervenieren.

Genau darum geht es in diesen Gesetzentwürfen, die wir heute hier am Tisch haben und die, wie ich meine, sehr gut sind, um einerseits diese Ströme zu begrenzen und trotzdem jenen, die Hilfe brauchen, von österreichischer Seite Hilfe zu geben, und auf der anderen Seite aber auch den Druck dieser Zuwanderung auf ganz Europa zu verteilen, damit Europa endlich wach wird.


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Manchen gehen die Gesetze wieder zu wenig weit, aber man muss schon ganz klar sagen: Wir bewegen uns hier am Rande des Machbaren, was die Europäische Men­schenrechtskonvention zulässt. Diese haben wir 1958 ratifiziert und später sogar zu einer Verfassungsbestimmung erklärt. Wenn wir nicht nach dieser Menschenrechts­kon­vention handeln, könnten wir verklagt werden.

Darum sind diese Regelungen jene, die machbar sind, die jetzt gut sind, und es geht darum, dass sie auch ordentlich umgesetzt werden. Da habe ich größtes Vertrauen in unseren Innenminister und auch in die Regierung, wie sie jetzt handelt, dass das auch gut umgesetzt werden wird.

Aber wie gesagt, es geht vor allem auch darum, wie die EU handeln wird. Wird dieser Verteilungsmechanismus endlich greifen, der schon lange angekündigt worden ist? Wird es diese Strafzahlungen für Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen, geben? Das könnte auch einmal etwas in Bewegung bringen, denn eines muss uns klar sein: Viele sitzen auf gepackten Koffern, und wenn Europa nicht endlich klare Signale aus­sendet, dass wir keine Zuwanderung mehr vertragen, sondern nur mehr Hilfe für tat­sächlich Hilfsbedürftige geben können, dann wird diese Zuwanderung in diesem Ausmaß, wie im letzten Jahr geschehen, nicht gestoppt werden.

Wir müssen mit unseren Maßnahmen, wie vorher schon gesagt, Druck verteilen. Die Westbalkan-Konferenz war eine sehr gute, richtige und wichtige Maßnahme, weil diese Route geschlossen worden ist. Natürlich gibt es andere Routen, da kommt Druck auf andere Länder zu, die sich natürlich – so wie zuvor Athen – wehren, weil sie nichts damit zu tun haben wollen. Letzten Endes sehen sie aber ein, wie eben auch beim Schließen der Balkanroute, dass es richtig ist. Wir werden von sehr vielen Ländern in Europa für diese Maßnahme gelobt. Es ist richtig, dass der Druck auf andere Länder erhöht wird, damit Europa endlich wach wird und gemeinsam handelt, denn nur so kann dieser Flüchtlingsstrom bewältigt werden.

Schließen möchte ich mit einem Zitat von Richard von Weizsäcker: Das Asylrecht gilt für jene, die uns brauchen, und das Zuwanderungsrecht für jene, die wir brauchen. – Zitatende.

Angesichts der komplexen und zunehmenden Flüchtlingsherausforderung ist es ein Gebot der Stunde, entlang dieses Grundsatzes vorzugehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.13


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic. – Bitte.

 


14.14.14

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Wie sich die Grünen zu der unsäglichen Asylverschärfung, zu diesen Sondergesetzen, aber auch zum Grenzkontrollgesetz positionieren, dürfte weitgehend bekannt sein. In aller Kürze: Nur weil die Einstellung, wie Sie jetzt gesagt haben, in anderen Ländern zu diversen Sachen eine andere sein mag, gilt trotzdem: Der Zugang zu einem fairen Asylverfahren ist ein Grundpfeiler des internationalen Flüchtlings­schut­zes. (Beifall bei den Grünen.)

Die Novelle stellt nicht nur einen tiefgreifenden Einschnitt in ein Menschenrecht dar, sondern wurde auch noch im Eilverfahren und unter Außerachtlassung der parlamen­tarischen Gepflogenheiten durchs Parlament geschleust. Nicht nur der grüne Parla­ments­klub, sondern auch die Mitglieder der Grünen im Bundesrat sprechen sich vehe­ment gegen diese Vorgehensweise – kurzfristiges Zusenden eines 38-seitigen Antrags


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vor dem Innenausschuss, versuchtes Durchwinken gänzlich ohne Begutachtung und dann doch eine kurze einwöchige Begutachtungsfrist – aus.

Auch jene Teile des Gesetzesantrags, die bereits zuvor als Regierungsvorlage begut­achtet wurden, enthielten maßgebliche Einschnitte in das Recht auf Familienleben und sinnlose Verfahrensverschärfungen wie die dreijährige Überprüfungsschleife für aner­kannte Flüchtlinge. Zu diesen wurden dann in letzter Minute noch weitere Verschär­fungen wie die massive Ausweitung der Anhaltung von Schutzsuchenden in Landes­polizeidirektionen hinzugefügt.

Beim Grenzkontrollgesetz werden nun diverse Bestimmungen angepasst, weil es hieß, Polizisten und Polizistinnen dürften die Daten der Flüchtlinge nicht speichern. Im Jahr 2013 wurde bereits eine ähnliche Bestimmung zur Abfrage der Daten bei Zweifel an der Echtheit von Reisepässen eingeführt. Und jetzt, also nach dem Registrier­debakel in Spielfeld, meinte die SPÖ, dass der Zugriff bereits möglich ist, aber die ÖVP wollte unbedingt eine Gesetzesänderung, um, ich zitiere, „nunmehr für alle Fall­konstel­lationen bei der Einreise nach Österreich den Umfang der Identitätsfeststellung, den Abgleich mit den Datenbanken und die Speicherung einheitlich festzulegen“.

So sollten jetzt Bestimmungen gelten, die datenschutzrechtlich problematisch sind, weil die erfassten erkennungsdienstlichen Daten mit nicht näher definierten, „in zentralen Datenanwendungen gespeicherten, einschließlich biometrischen, Daten, mit Aus­nahme der DNA“, abgeglichen, und, was sich laut den Erläuterungen aus dem § 15 Grenz­kontrollgesetz ergibt, auch gespeichert und an das BFA übermittelt werden dürfen.

Voraussetzung für die Abnahme der erkennungsdienstlichen Daten ist lediglich, dass „bei einem Fremden (...) die Feststellung seiner Identität anders nicht möglich“ ist. Diese Ermächtigung wurde bereits 2013 von der Datenschutzkommission als bedenk­lich und nicht ausreichend präzise beurteilt.

Aber zurück zu den viel gewichtigeren Sonderregelungen im Asylgesetz: Die Fiktion, die hier immer wieder angeführt und breitgetreten wird, ist, wir befänden uns in einem Notstand, der Staat sei gefährdet, und das bei 90 000 Asylwerbern und -werberinnen im Jahr 2015. Ich denke, dass es ein Notstand ist, wenn wir das nicht bewältigen können und, ohne einen Notstand auszurufen, genau solche Sondergesetze erlassen, die vielleicht für Orbán oder Kaczyński vorbildhaft sind, aber Österreich noch mehr in der europäischen Landschaft isolieren – und das, obwohl hier eigentlich von allen vertreten wird, dass wir eine gemeinsame Lösung auf europäischer Ebene brauchen würden.

Da wir im Bundesrat sind, möchte ich vor allem auf die Stellungnahmen der Länder ... (Bundesrat Preineder: Wie viele haben die anderen Länder genommen?) – Ja, das ist ein großes Problem, steht aber jetzt nicht zur Debatte. Jetzt steht zur Debatte, was hier an Gesetzen, an Sondergesetzen im österreichischen Parlament beschlossen wurde. Darüber können wir gerne gesondert sprechen.

Ich möchte jetzt, weil wir im Bundesrat sind, viel eher auf die Stellungnahmen der Länder eingehen. Unter anderem hat die Wiener Landesregierung in ihrer Stellung­nahme darauf hingewiesen, dass die nun im Nostandsregime vorgesehene Überwäl­zung von Aufgaben an die Landespolizeidirektion, also die Registrierstellen, und von nachfolgenden Beschwerden über Zurückschiebungen an die Landesverwal­tungsge­richte eine Überwälzung von Bundesmaterien auf Landesgerichte darstellt. Daher bedürfte eine Kundmachung dieser Novelle, die hier eine abweichende Zuständigkeit der Länder vorsieht, gemäß Artikel 131 Absatz 4 B-VG, letzter Satz der Zustimmung der Länder. Ohne diese Zustimmung könnte demnach die Novelle verfassungswidrig sein.


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Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter sagt dazu: „Auch erscheint es (...) fraglich, ob das zuständige Landesverwaltungsgericht logistisch in der Lage wäre, über eine Vielzahl von Beschwerden innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden.“

Auch darauf hätte ich gerne eine Antwort vom Herrn Minister.

Auch in der Stellungnahme der Tiroler Landesregierung ist folgendes zu lesen: „Beschwerden gegen die Hinderung an der Einreise, eine Zurückweisung oder eine Zurückschiebung gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sollen nach § 41 Abs. 2 AsylG 2005 in der Fassung des vorliegenden Abänderungsantrages an das jeweils zuständige Landesverwaltungsgericht (...) erhoben werden. Seitens des Landes Tirol bestehen gegen diese Ausdehnung der Zuständigkeiten der Landesverwaltungsgerichte erheb­liche (...) Bedenken, weshalb diese abgelehnt wird“.

Sinngemäß: Diese Entscheidungen fallen eindeutig unter den Bundeskompetenz­tatbe­stand Asyl. Diese nun den Ländern und den Landesverwaltungsgerichten zuzuschie­ben, bräuchte also die Zustimmung der Länder selbst. Weiter heißt es in der Stellungnahme der Tiroler Landesregierung: „(...) so wäre eine entsprechende Zuständigkeitserwei­terung der Landesverwaltungsgerichte wohl dennoch nur unter der Voraussetzung des Art. 131 Abs. 4 Z 1 B-VG möglich, weil diese Maßnahmen dann immer noch dem (ebenfalls bundesunmittelbar vollzogenen) Bereich der Fremdenpolizei zuzurechnen sind.“

Da der Bundesrat bekanntlich für die Interessen der Länder eintritt, hat er diese Einwände zu berücksichtigen. Herr Minister, ich möchte wissen, ob die Regierung gedenkt, die Asylnovelle vor der Kundmachung den Bundesländern gemäß Artikel 131 Abs. 4 B-VG zur Zustimmung vorzulegen. Das würde ich jedenfalls empfehlen, denn laut der erwähnten Stellungnahmen bedarf diese Zuständigkeitsverschiebung zulasten der Landesverwaltungsgerichte auch der Zustimmung der Länder, um überhaupt verfassungskonform zu sein.

Ich bin der Meinung, dass genau dann, wenn es um Asyl geht, die Debatten noch lange nicht beendet sind, und ich glaube, dass wir weder im Parlament noch im Bun­desrat nur damit argumentieren können, dass die Leute sich unsicher fühlen, um hier nicht verfassungskonforme Gesetze zu erlassen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.22


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. – Bitte.

 


14.22.31

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner heutigen Rede möchte ich nochmals und wiederholt allen Einsatzkräften für ihre hervorragende und erstklassige Arbeit im letzten Herbst, im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik herzlich danken. Was unsere Einsatzkräfte der Polizei, der Rettung, des Roten Kreuzes, aber auch des Samariter-Bundes und so weiter und so weiter, und natürlich allen voran unser öster­reichisches Bundesheer, im burgenländischen Nickelsdorf, in Spielfeld oder in Bad Radkersburg geleistet haben, dem gebührt unser aller Respekt und besonderer Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Herr Kollege Werner Herbert, wenn Sie Ihr gezeigtes oder gespieltes Mitgefühl mit der Polizei (Bundesrat Herbert: Ehrliches Mitgefühl, ich bin seit 40 Jahren Polizist!), mit der Exekutive wirklich ernst meinen würden, dann würden Sie auch einmal zustimmen, wenn es wirklich um die Polizei und um die Exekutive geht, zum Beispiel beim Staatsschutzgesetz. Da waren Sie weit weg davon.


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Was die staatlichen Organisationen, ja die gesamte Republik Österreich hier geleistet hat, sollte eigentlich normalerweise beispielgebend für ganz Europa sein, ist es aber leider nicht – ich komme dazu später noch einmal. Wenn ich in diesem Zusammen­hang die ganze Republik nenne, so meine ich damit auch und ganz besonders deren Bürgerinnen und Bürger, die in einer sehr großen Anzahl ehrenamtlich und freiwillig, bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehend so viel Menschliches, ja fast Über­mensch­liches geleistet haben.

Diese große Solidargemeinschaft hat entscheidend mitgeholfen und dazu beigetragen, dass dieser große Zustrom an asylsuchenden Menschen bewältigbar blieb. Ich selbst war in meiner südoststeirischen Heimat auf der Grenzbrücke von Bad Radkersburg zu Gornja Radgona – das ist eine geteilte Stadt – und auch in Spielfeld mehrmals dabei, habe mir immer wieder persönlich einen Überblick verschafft, habe mit den Einsatz­kräften und den Freiwilligen gesprochen.

Daher weiß ich auch, dass diese große und großartige Solidargemeinschaft bröckelt. Das müssen wir sehen, das müssen wir auch anerkennen, da die Menschen, die Österreicher und Österreicherinnen, Ängste und Befürchtungen haben. Das müssen wir sehen, und diese Ängste müssen wir auch ernst nehmen und nicht weiter schüren, meine lieben Kollegen – in diesem Fall –, und nicht noch anheizen und sich freuen, wenn es wieder ein skandalträchtiges Posting oder eine skandalträchtige Schlagzeile gibt.

Herr Werner Beinhart (Ruf bei der FPÖ: Herbert!), die Sicherheitsmilliarde wird dazu beitragen, dass Österreich weiterhin als eines der sichersten Länder der Welt gilt. Wir müssen aber die Fragen beantworten und sehen: Können wir, das kleine Österreich, das alles in Europa beinahe allein – abgesehen von der Bundesrepublik, abgesehen von Schweden – bewältigen? Dazu muss auch gesagt werden, dass die Bundes­republik leider teilweise mit gezinkten Karten spielt. Frau Vorrednerin, die schwedische Vizekanzlerin war das, glaube ich, die mit Tränen in den Augen eine Verschärfung des schwedischen Asylgesetzes verkündet hat. Das ist meines Wissens eine grüne Kollegin.

Können wir 2016, 2017, 2018 noch einmal so viele Menschen in Österreich aufnehmen wie 2015? Können wir diese Menschen mit Arbeit versorgen? Können wir ihnen Arbeit geben? Können wir ihnen ausreichend Wohnraum zur Verfügung stellen? Können wir in ausreichender Zahl Deutschkurse anbieten? Können wir sie integrieren, ohne dass Ghettos entstehen? – Genau darauf wird gewartet, denn Probleme entstehen in Ghettos, Probleme entstehen in Großraumquartieren, wie zum Beispiel in Leoben. Wenn wir 400 österreichische Jugendliche in einer bauMax-Halle zusammensperren würden, würde es genauso Probleme geben. Diese Schlagzeilen dürfen wir jenen Personen und jenen Parteien nicht liefern, die nur darauf warten. Wo ist das solida­rische Europa in dieser wichtigen Frage? Gibt es das überhaupt noch?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist leider so: Wenn wir auf Europa warten würden, könnten wir noch sehr lange warten. Die österreichische Bundesregierung hat sich massiv für eine europäische Lösung eingesetzt, jedoch wurden wir von den meisten europäischen Ländern leider hängengelassen. Meiner Meinung nach könnten oder sollten sich viele europäische Partner nicht mehr in den Spiegel schauen, ohne sich dabei schämen zu müssen.

Österreich wurde von Herrn Ing. Köck heute auch schon als „Traumland“ bezeichnet. Als Transit- und Zielland waren wir daher besonders gefordert, diese gesetzlichen Maßnahmen zu setzen. Wir machen damit auch der deutschen Kanzlerin klar, dass Österreich weder Pufferzone noch das Wartezimmer für Deutschland werden kann.


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Ja, dieses Gesetz kann man auch mit der Überschrift „Ordnung und Sicherheit“ versehen, und das ist auch gut so, denn dieses Gesetz ist die Grundlage, damit diese Herausforderung bewältigbar bleibt, damit unsere Sozialsysteme weiterhin finanzierbar bleiben – jeder Bürgermeister, jede Bürgermeisterin, jeder, der in einer Kommune tätig ist, kann ein Lied davon singen, wie die Ausgaben in den Sozialhilfeverbänden steigen – und unsere Bildungseinrichtungen, Kindergärten, Schulen nicht kippen.

Selbst unser – Gott sei Dank noch, leider bald nicht mehr – Staatsoberhaupt Dr. Heinz Fischer meinte, Deutschland und Österreich sind an der Grenze der Belastbarkeit. Ich sage dazu: Diese Grenze darf nicht überschritten werden, und dieses Gesetz garantiert dies – Ordnung und Sicherheit. Ja, ich bin dafür, den Zustrom zu begrenzen, bekenne mich dazu voll und ganz. Für den Fall – wir sind davon noch weit entfernt –, dass Ordnung und Sicherheit in Gefahr sind, weil der Zustrom an Flüchtlingen größer wird, soll es Sonderbestimmungen geben, welche die österreichische Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates verordnen darf.

Ein ganz entscheidender und wichtiger Termin war für mich der Asylgipfel im Jänner. Alle neun Bundesländer stimmten dem zu, und vor allem die Vertreter der Ge­meinden – Städtebund und Gemeindebund – haben sich auf diesen Richtwert geeinigt. Der Richtwert wird heuer etwa 37 500 Menschen betragen, die zuwandern dürfen, im Vorjahr waren es in etwa 90 000. Gesamt gerechnet mit den Folgejahren werden es, gemessen an der österreichischen Gesamtbevölkerung, 2,5 Prozent sein, die in Öster­reich Heimat finden können und dürfen.

Wir sind damit europaweit positiver Spitzenreiter, und darauf können wir stolz sein. Wir zeigen damit ein großes, warmes Herz, wir zeigen damit, dass Österreich zu einer großen Menschlichkeit bereit ist – viel mehr als alle anderen europäischen Länder. Kritik vom Ausland ist deshalb völlig unangebracht, eigentlich gebührt uns Lob und Anerkennung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Zustimmung von Städtebund und Gemeindebund war für mich besonders wichtig: Letztlich sind es die Kommunen, die Gemeinden, die für Unterkünfte sorgen, die für Integration sorgen, die auch Deutschkurse anbieten, die die Bevölkerung informieren und einbinden, sodass es die heimische Bevölkerung der Inländer positiv aufnimmt und ein Miteinander auch möglich ist. Diese gute Stimmung darf nicht kippen, und wir dürfen die Bevölkerung auch nicht überfordern. Das sind wir auch den Zuwanderern, den Asylwerbern, die schon da sind, schuldig.

Schaffen wir es heuer nicht, die EM zu gewinnen: Wir werden trotzdem Europameister sein und wir sind es jetzt schon, was das Helfen betrifft. Im Erste-Hilfe-Kurs lernen wir schon: Helfen beginnt mit Selbstschutz und Eigenschutz! Wenn heute ein paar Kollegen und Kolleginnen aus unserer Fraktion diesem Gesetz nicht zustimmen kön­nen, so sehe ich das mit großem Verständnis. Wenn wir gleichermaßen Kritik von grüner und von blauer Seite bekommen, weiß ich, dass der rot-weiß-rote Mittelweg ein guter ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich werde diesem Gesetz mit gutem Gewissen zustimmen, weil ich sehe, dass darin hohe Verantwortung und große Menschlichkeit vereint sind. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.33


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Samt aus der Steiermark, aus Graz-Umgebung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.33.25

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Bundesratskollegen! Es ist schon sehr abenteuerlich, was man da heute so alles hört.


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Vielleicht meine erste und einzige Botschaft an die Grünen: Da passiert jetzt kein Rechtsruck. Da passiert jetzt kein Rechtsruck, weil Sie glauben, dass das Asylgesetz so grausam verschärft wird.

Ich denke, Kollege Herbert hat das schon sehr, sehr deutlich klargemacht. Wenn man sich dieses Gesetz wirklich ernsthaft anschaut, weiß man, dass das keine Verschär­fung ist. Es sind ein paar Paradigmen, die im Zuge der bereits vorhandenen Gesetz­gebung tatsächlich verfeinert werden. Ich will jetzt nicht wiederholen, was hier schon gesagt wurde, ich will vielmehr doch ein paar Kollegen hier – von denen ich in den letzten Minuten ein paar interessante Aussagen vernommen habe – daran erinnern, dass wir im September des vorigen Jahres hier in diesem Haus Grenzkontrollen verlangt haben.

Da hat es sich aber „schen obgspüt“ – um es auf steirisch zu sagen. Vor allem vonseiten der ÖVP gab es deutliche Reaktionen: Kollege Köck war einer, der uns schwerstens gegeißelt hat. Du, lieber Edgar, bist heraußen gestanden und hast uns mitgeteilt, wir dürfen die Grenzen jetzt nicht schließen, wir dürfen dort keine Grenzkon­trollen machen, da wir sonst noch mehr Asylanten im Haus, in Österreich haben. – Ich kann mich sehr gut erinnern.

Also das sind doch alles sehr, sehr abstruse Anschauungen, wenn Sie jetzt schwers­tens dieses neue Asylgesetz verteidigen, das, wie wir vorher schon gesagt haben, eigentlich kein Asylgesetz ist, weil es das alles schon gibt. Diese zwei Teile, Asyl auf Zeit plus Familiennachzug, sind eine geregelte Geschichte, der Kollege hat es schon erklärt. Wir brauchen nicht noch einmal auf die Genfer Menschenrechtskonvention hinzuweisen, dort steht das alles drinnen. Asyl ist Schutz auf Zeit, Punkt. Das hat sich ja nicht geändert, das wird sich auch jetzt, mit diesem neuen Gesetz, nicht ändern.

Der zweite Teil, diese Notfallsverordnung: Die Debatte zur Notfallsverordnung war recht interessant, ich bin in diesem Ausschuss auch dabei. Es schließt jetzt ein bisschen an die Rede von Kollegen Weber an: Ja, ja, wir können jetzt natürlich die EU geißeln, wir können die EU in die Pflicht nehmen und sagen: Warum haben die alle nicht geholfen? Diese Notfallsverordnung wäre und ist genau dann nicht nötig, wenn sich die EU-Mitgliedstaaten – vor allem im Süden, nämlich Griechenland, aber auch Italien – bisher schon an die Dublin-Verordnung und an den Schengen-Vertrag gehalten hätten. Hätten sie das, hätten wir heute dieses Problem nicht, und wir bräuchten auch diese Notfallsverordnung mit großer Gewissheit nicht, da es – und darauf möchte ich bitte doch hinweisen – im Rahmen der Richtlinie 2011/95 immer schon möglich gewesen ist, Grenzkontrollen auf Zeit – für 30 Tage, und sollte eine anhaltende Sicherheitsgefährdung vorhanden sein, auch länger – aufrechtzuerhalten und durchzuführen, mit Anhaltungen und mit direkten Zurückweisungen an der Grenze.

Was ist in Wirklichkeit geschehen? – Österreich hat nicht, wie es sich als ordentlicher Nettozahler eigentlich geziemt hätte, die EU massiv unter Druck gesetzt und gesagt: Freunde, wir müssen jetzt etwas tun! Im Gegenteil, geschätzte Herrschaften, vor allem von der SPÖ, ihr Kanzler Faymann hat gemeinsam mit Frau Merkel eine Willkom­menskultur eingeführt, die gesagt hat: Wir schaffen das! Herein mit allen! Wir kriegen das alles gereiht!

Was ist passiert? – Das einzige EU-Land, das den Verpflichtungen der EU nachge­kommen ist, war Ungarn. Geschätzte Damen und Herren, was man Orbán deswegen ausgerichtet hat, weil er seiner Verpflichtung nachgekommen ist, ist ja hochinteressant. Ich möchte es tatsächlich nicht hintenlassen. Herr Bundeskanzler Faymann hat im September mitgeteilt:

„Orbán handelt unverantwortlich, wenn er jeden zum Wirtschaftsflüchtling erklärt. Er betreibt bewusst eine Politik der Abschreckung. Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem


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Glauben, sie würden ganz woandershin fahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents.“

Das heißt, man hat ihn, wie es halt so üblich ist, offensichtlich auch in Österreich, mit der Nazikeule bedroht, und hat mitgeteilt, das geht so gar nicht. In Wirklichkeit macht Österreich jetzt das Gleiche, weil es gar nicht anders geht. Nur, wir sind halt jetzt, ein paar Monate später und ein paar Tausende, Zehntausende Flüchtlinge später, gescheiter geworden und wissen jetzt offensichtlich, was wir tun und machen.

Ich sage Ihnen trotzdem dazu, die Einzigen, die monatelang wirklich unverantwortlich gehandelt haben in diesem Land und in dieser EU, waren die Regierung Österreichs und auch die gute Frau Merkel in Deutschland, die gesagt hat: Alles herein! Diese Art der Politik der Willkommensklatscher ist nach dem Chaos, dem Asylchaos, das wir in der Steiermark, in Spielfeld, erlebt haben, und nach dem politischen Debakel, das darauf gefolgt ist, jetzt hoffentlich Geschichte.

Die Überlegungen jetzt – und das hat auch schon Kollege Werner Herbert mitgeteilt –, diese Asylverfahren, anstatt wie es überall gefordert wird, zu verkürzen, zu verlängern, nämlich von 6 auf 15 Monate, ist zwar natürlich vonseiten der Beamtenschaft verständ­lich, weil es ein Personalproblem gibt, aber es ist auch und vor allem ein Problem der Kosten, die auf uns weiter zukommen werden.

Die Kosten, die sich für zumindest diesen einen Teil des Gesetzes laut der wirkungs­orientierten Folgekostenabschätzung für die nächsten fünf Jahre darstellen – jetzt ausgehend von einem Szenario von 20 000 bis 25 000 positiven Erledigungen, also der Zu- und Aberkennung des Asylberechtigungsstatus –, belaufen sich mit den ver­schiedenen Szenarien, die hier durchgerechnet wurden, auf Beträge zwischen 2 und 10 Millionen €. Da geht es jetzt also nicht um die generellen Kosten, sondern nur um das Zu- und Aberkennen der Asylberechtigungen.

Spannend ist: In dem Zusammenhang ist auch aufgefallen, dass dieses Notverord­nungsrecht unter Hinweis auf haushaltsrechtliche Sonderbestimmungen keiner wirt­schaft­lichen, wirkungsorientierten Folgekostenabschätzung unterzogen worden ist. Das ist deswegen spannend, weil das Bundesministerium für Finanzen diese Meinung nicht teilt – so steht es auch in den Berichten – und vehement eine Darstellung der finan­ziellen Auswirkungen dieses Notverordnungsrechts fordert.

Geschätzte Herrschaften! Unser Resümee dieser Gesetzesänderung ist kein anderes als dieses: Die Regierung will die Missstände, die wir bereits haben, besser verwalten. Wir von der FPÖ wollen diese Missstände abstellen, geschätzte Damen und Herren!

Im Wesentlichen wird es sich natürlich auch – und da beneide ich den neuen Minister nicht besonders um seine Tätigkeit – darauf hinbewegen müssen, dass es nicht darum geht, wie wir die Flüchtlinge und Migranten hereinbekommen, sondern wie wir diese Herrschaften, sofern sie keinen Asylstatus haben, entweder von der Berechtigung her, weil sie nicht aus einem Kriegsland stammen, oder weil sie schlicht und ergreifend Wirtschaftsflüchtlinge sind, wieder hinauskriegen.

Dass das politisch und auch wirtschaftlich nicht verkraftbar sein wird, hat der Kollege schon im Vorfeld gesagt. Ich gebe Ihnen da jetzt vielleicht nur noch ein paar Zahlen mit, die interessant sind. Diese Zahlen kommen von der EU-Kommission. In den Jahren 2009 bis 2014 sind insgesamt 813 000 Menschen illegal in die Europäische Union eingereist. Im Jahr 2015, also in nur einem Jahr, waren es fast doppelt so viele Menschen, die hier in Europa gelandet sind!

Ich sage es Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit: Österreich hat sich da eindeutig mitschuldig gemacht, indem es Hunderttausende von illegalen Einwanderern unre­gistriert durch Österreich in Richtung Deutschland befördert hat! Wobei auch da wieder


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zu bemerken ist, dass Tausende dieser illegalen Migranten unterwegs auch noch sozusagen untergetaucht sind.

Also die Tatsache, die wir hier jetzt erleben, ist, dass wir heute vom Herrn Innen­minis­ter zwar gehört haben, dass alles anders werden wird. Aber wir vermissen derzeit immer noch die Initiativen, um illegal in Österreich aufhältige Fremde und vor allem Kriminelle wieder rückführen zu können.

Resümee: Die Regierung handelt jetzt zu spät, die Grenzen der Aufnahmefähigkeit von Österreich sind längst schon erreicht! Das sagte auch Ex-Innenministerin Mikl-Leitner im Innenausschuss. Sie, geschätzte Herrschaften von den Regierungsparteien, werden mit dieser populistischen Gesetzesänderung in Zukunft auch keine Wahlen gewin­nen! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schödinger. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Samt tritt, nachdem er das Rednerpult verlassen hat, zum Präsidium. – Bundesrätin Zwazl: Er hat etwas vergessen! – Bundesrat Samt: Ich muss den Antrag einbringen!) – Ach so, okay, das sei Ihnen noch gestattet. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

 


Bundesrat Peter Samt (fortsetzend): Das geht sich noch aus. Ich darf zusätzlich um Entschuldigung bitten.

Wir haben einen Entschließungsantrag zu diesem Thema einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Herbert, Samt und weiterer Bundesräte betreffend: Rückübernahmen forcieren – straffällige Asylwerber abschieben

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, straffällige Asylwerber konsequent abzu­schie­ben und diesbezügliche Rückübernahmen zu forcieren.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.44


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Der von den Bundesräten Herbert, Samt und weiteren Bundesräten eingebrachte Entschließungsantrag betreffend: Rückübernah­men forcieren – strafffällige Asylwerber abschieben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Jetzt erteile ich Herrn Bundesrat Schödinger das Wort. – Bitte.

 


14.44.00

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Placebo-Gesetz, sagt die FPÖ; unsägliche Asylverschärfung, sagen die Grünen. Ich sehe, dass wir mit dem Gesetz, das wir hier beraten, wirklich auf bestem Wege sind! Ich möchte das auch ein bisschen untermauern. (Bundesrat Samt: Eine sehr einseitige Sicht!)

Das Erste, was dieses Gesetz betrifft: Ich kann mich an keine Situation erinnern, wo die FPÖ jemals gesagt hätte, es geht oder etwas ist in Ordnung, sondern es wird wirklich kontinuierlich und ohne Unterbrechung alles, was in dieser Republik vor sich


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 116

geht, schlechtgemacht! Das möchte ich hier einmal vorausschicken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich denke, dass ich jetzt auch aufgefordert bin, als Polizist und als Dienststellenleiter eines zu sagen: Kollege Herbert hat gesagt, wir sollen tunlichst keine Gesetzes­änderungen machen, weil das die Kollegen auf der Straße überfordert. (Bundesrat Herbert: Habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, die vielen Novellierungen ...!) Das ist ein einziger Witz, weil ich der Meinung bin, dass die KollegInnen von der Polizei auf der Straße sehr wohl in der Lage sind, Gesetzesänderungen mitzuvollziehen, weil es ihr tägliches Brot ist. Wenn ich die Kolleginnen und Kollegen – und es sind nicht so wenige, die ich selbst ausgebildet habe –, die mir persönlich bekannt sind, einschätzen darf, dann kann ich von einer wirklich tollen Dienstleistung auf der Straße und im Dienst berichten! Und ich kenne diese Kollegen, die du hier angesprochen hast, persönlich nicht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn wir jetzt auf das Thema Placebo-Gesetz etwas näher eingehen wollen, dann gibt es, denke ich, zuerst einmal diese Bestimmung Asyl auf Zeit. Wir in Österreich haben im letzten Jahr eine wirklich tolle Leistung vollbracht, was die Aufnahmen, was die Betreuung von Asylwerbern betrifft, wobei noch sehr viele Asylverfahren offen sind. Ich denke auch, dass die Bevölkerung zu einem großen Teil bei dieser Aktion oder bei diesen Maßnahmen, die wir in der Regierung und auch als Bundesland Niederöster­reich und als Bundesstaat Österreich gesetzt haben, sehr wohl mitgegangen ist.

Nur wurde irgendwann ein Punkt erreicht, wo man sagt: Das können wir leisten, in diesem Punkt können wir dementsprechend unsere moralischen Verpflichtungen erfül­len. Aber es gibt den Punkt, wo dann die Bevölkerung gesagt hat: Das geht so nicht weiter, weil wir das auch alles aus finanzieller Natur nicht ertragen können. Das sehe ich auch so, und ich denke, dass wir kein zweites Jahr wie das vorige, in dem wir 90 000 Asylwerber aufgenommen haben, durchstehen können.

Aus diesem Grund haben die Bundesregierung und auch die Frau Ministerin, die jetzt in Niederösterreich ist, und unser neuer Innenminister dementsprechende Maßnahmen gesetzt und dementsprechend auch Gesetze vorgelegt und beraten. Das Ergebnis davon sind die Änderungen des Asylgesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes.

Mir ist es deswegen wichtig, das auch ein bisschen näher auszuführen, weil wir das nicht aus Jux und Tollerei gemacht haben, sondern weil wir versuchen, unserer mora­lischen und humanitären Verpflichtung nachzukommen, ohne die Bevölkerung im Vorgang dieser Maßnahme zu verlieren. Ich denke auch, dass das möglich ist. Ich bin selbst Bürgermeister einer Gemeinde, und ich weiß, was die Leute draußen reden. Viele Leute haben aufgrund dieser Anzahl und aufgrund dessen, was uns noch bevor­steht oder ohne Maßnahmen bevorstehen könnte, einfach nur Angst. Das haben wir von der Politik her auch dementsprechend zu berücksichtigen.

Ich kann es aber schon nicht mehr hören, wenn die FPÖ-Werbung – ich sage jetzt nicht Propaganda, sondern FPÖ-Werbung – ständig diesen Staat ins Abseits redet und uns ständig vorwirft, dass die Politik diesen Staat zugrunde richtet. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ja, ich denke, wenn wir einen Bundespräsidenten Hofer kriegen, wird sich das alles zum Besseren lösen, denn laut seinen Aussagen wird er nur noch Gesetze in Kraft setzen, die ihm genehm sind, und die Meinung des Nationalrates ist ihm wurscht! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Auf weitere Punkte, was diese Gesetze betrifft, möchte ich auch hinweisen: Wir haben dieses Gesetz ja nicht nur so beschlossen, dass wir da sagen, wir wollen das einfach, sondern wir haben auch internationale Verpflichtungen, die wir eingegangen sind und die wir nicht einfach über Bord werfen können. Mit diesen Verpflichtungen in Abstim­mung mit unserem Gesetz sind wir in der Lage, diese Situation auch dementsprechend


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in den Griff zu bekommen. Es wird noch die eine oder andere Schwierigkeit geben, davon bin ich überzeugt – aber ich bin auch davon überzeugt, dass wir das schaffen!

Dazu möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den der Vorredner genannt hat: Voriges Jahr haben wir gesagt, wir sind gegen Grenzkontrollen, weil das die Asyl­anzahl übersteigen sollte. – Ich wäre doch wirklich versucht, zu sagen: Es hat sich keiner darüber informiert, was wir hier heute beschließen! Sonst würde man wissen, dass diese Änderung des Grenzkontrollgesetzes und des Asylgesetzes eine Notwen­digkeit ist, damit wir die Einführung von temporären Grenzkontrollen überhaupt so machen können, dass wir die Asylwerber auch an der Grenze abweisen können. Das war nämlich der springende Punkt an dem Ganzen.

Wenn ich sage, ich habe die rechtlichen Möglichkeiten, um Zurückweisungen an der Grenze vorzunehmen – dazu brauchen wir dieses Gesetz –, möchte ich auch noch einen Punkt dazu ansprechen: Von der FPÖ werden Ungarn und Orbán immer so hochgehalten. Dazu sage ich schon: Es gibt ein OGH-Erkenntnis, in dem es uns untersagt wird, dass wir Asylwerber nach Ungarn zurückweisen, weil es vom OGH, von unserem Obersten Gerichtshof, nicht als sicherer Drittstaat anerkannt wird und weil es dort derart miserable Zustände gibt, dass wir das rechtlich nicht dürfen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich möchte noch etwas betreffend Panikmache von der grünen Seite sagen, zur unsäglichen Asylverschärfung: Ich habe eingangs schon gesagt, dass es auch der Bevölkerung bedarf, die da mitgeht. Es ist nicht immer leicht, und ich denke auch, dass wir da noch viel zu arbeiten haben. Aber die Identitätsfeststellung an der Grenze ge­nerell als Problem des Datenschutzes hinzustellen, halte ich für sehr fahrlässig, weil wir aus der Praxis heraus wissen, dass die wenigsten Flüchtlinge ihre wahre Identität bekannt geben.

Wir wissen aus der Vergangenheit auch, dass es den sogenannten Asyltourismus gegeben hat. Da wurden in jedem Land verschiedene Asylanträge gestellt, bis zu dem Zeitpunkt, als EURODAC eingeführt wurde und damit begonnen wurde, die Fingerabdrücke generell und zentral zu speichern. Das ist eine Notwendigkeit.

Es ist heute auch eine Notwendigkeit, die Fingerabdrücke mit den bestehenden Daten­banken abzugleichen, weil wir ja auch ein Problem mit dem Terrorismus haben und immer wieder Fingerabdrücke von Personen, die in terroristische Taten verwickelt sind, aufscheinen. Deswegen halte ich das für eine wirklich gute und notwendige Bestim­mung.

Als letzten Punkt möchte ich anführen, dass Österreich in der Europäischen Union mittlerweile, was diese Vorgangsweisen betrifft, eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Wir wurden in der Vergangenheit immer wieder stark kritisiert, aber es gibt mittlerweile eine Fülle von Staaten, die sehen, dass es eine Notwendigkeit ist, gewisse Untugen­den abzustellen.

Die temporären Grenzkontrollen, die wir haben, die wir einführen und für die wir heute stehen, sind ab dem Zeitpunkt obsolet, wo die Europäische Union ein geregeltes Grenz­management an den Außengrenzen hat, Hotspots hat, wo Asylanträge gestellt werden können, und ein Verteilungssystem über die komplette EU hat. Ab diesem Zeitpunkt, denke ich, werden wir hier über dieses Thema nicht mehr viel reden.

Ich verwehre mich auch gegen das Vorhaben der Freiheitlichen, diese Europäische Union trotz aller Nachteile und Schwierigkeiten so hinzustellen, als wenn wir hochweiß wären, wenn wir dort nicht mehr drinnen wären. Ich wage zu bezweifeln, dass wir ohne Europäische Union unseren Lebensstandard auch nur ein Jahr halten könnten. Des-


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wegen denke ich, dass wir alles gemeinsam abwägen sollten und in keine Extrempo­sition verfallen dürfen.

Als Letztes sage ich noch: Wir haben einen Innenminister – und das ist das, was wir am Vormittag schon gehört haben –, der Fakten, Zahlen und Wahrheiten auf den Tisch legt, ohne sie zu beschönigen. Ich glaube, dass diese Art der ehrlichen Politik für uns sehr viel Zukunft hat.

Als Letztes möchte ich noch sagen, es gibt eine Initiative unseres Innenministers, dass straffällig gewordene Asylwerber oder straffällig gewordene Fremde relativ schnell und zügig abgeschoben werden. Es ist so – und das muss man ehrlicherweise auch sagen –, dass es nicht an uns liegt, dass wir diese Leute teilweise nicht abschieben kön­nen, sondern an den Ländern, wo sie herstammen. In dem Fall bedarf es auch wei­terer Verhandlungen, die es uns in weiterer Folge erlauben, das auch dement­sprechend umzusetzen.

Aber dazu brauchen wir auch die Europäische Union, weil der kleine Staat Österreich allein wahrscheinlich in Pakistan nicht groß das Ansagen haben wird. Deswegen: Europäische Union! Aber unser Weg ist ein Weg der Mitte, und es ist der Weg, der wirklich richtig ist und für die Bevölkerung da ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.54


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken. – Damit bist du am Wort.

 


14.55.05

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Kollege Schödinger hat in seiner Rede behauptet, Norbert Hofer hätte gesagt oder angedeutet, dass ihm der Nationalrat wurscht sei. – Das ist einfach unrichtig, und Sie wissen auch, dass er das nicht getan hat!

Das Einzige, worüber er gesagt hat, dass er seine Unterschrift verweigern würde, wäre eben dieses Abkommen TTIP. Das ist aber kein Gesetz, das der Nationalrat beschlos­sen hat, sondern TTIP geht zuerst durch die Regierung, wird zuerst vom Ministerrat beschlossen, und erst dann kann es in den Nationalrat kommen. Hier hat der Präsident sehr wohl eine Ermächtigung, zu sagen: Ich möchte, da dies ein internationaler Vertrag ist, dass dem etwas vorangeht. Das ist in unserem Fall unsere Forderung nach einer Volksabstimmung.

Also hier zu sagen, Hofer hätte gesagt, der Nationalrat sei ihm wurscht – wie Sie es ausgedrückt haben –, ist nicht nur unrichtig, sondern wird von uns in aller Schärfe zurückgewiesen! (Beifall bei der FPÖ.)

14.56


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.56.00

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herzlich begrüßen möchte ich auch die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Saalfelden: Herzlich willkommen heute im Bundesrat – schön, dass ihr da seid! (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 119

Es ist ja auch eine spannende Diskussion für uns junge Menschen. Ich möchte viel­leicht auch ganz kurz auf die aktuelle Situation hinweisen, auf dieses 17. Asylverschär­fungsgesetz, das heute in diesem Bundesrat beschlossen wird – die 17. Asylverschär­fung, die wir hier in Österreich in den letzten Jahren schon erlebt haben!

Dieses Gesetz ist aus verschiedenen Gründen für uns Grüne eindeutig brisant und nicht unterstützenswert. Es ist auch keine Panikmache, werter Herr Kollege, einerseits, weil durch diesen Beschluss heute die Regierung ermächtigt wird, mit Verweis auf die innere Sicherheit das Asylrecht de facto auszuhebeln. Das ist der sogenannte Not­standsparagraf.

Ich möchte in diesem Haus einmal ganz klar feststellen: Es herrscht in Österreich kein nationaler Notstand! Es herrscht hier kein Notstand. Ein nationaler Notstand herrscht in den Ländern, aus denen diese Menschen herkommen, woher sie geflüchtet sind. Dort herrscht Notstand, nicht bei uns. Eher sind es die Menschen an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien, die Notstand leiden, ihnen muss man helfen. Hier in Österreich, hier in Europa, hier in Mitteleuropa haben wir de facto keinen Notstand. Hier brauchen wir solche Gesetze nicht, mit denen Asyl- und Menschenrechte ausge­hebelt werden!

Diese Gesetzesvorlage ist nichts anderes als ein Versuch dieser Bundesregierung, die FPÖ rechts zu überholen. Das ist der Versuch! Da ist nicht die Mitte gefragt, da ist es gefragt, rechter als die FPÖ zu sein – das ist es nämlich, was Sie machen. Ich weiß, das sehen Sie noch zu wenig, denn Sie würden ja das Gesetz vielleicht noch stärker verschärfen, aber hier sind wir schon sehr am rechten Rand. (Bundesrat Samt: Wollen Sie jetzt alle hereinlassen ...? – Weitere Zwischenrufe.)

Dass das gewaltig in die Hose gehen kann, sehen Sie am Ergebnis der Bundes­präsidentenwahl. Da sehen Sie ja, wer gewonnen hat: nicht Schwarz, nicht Rot, sondern andere Fraktionen, die heute hier sind. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Na ja, gewonnen ist sie ja noch nicht, aber schauen wir! Aber auch der ehemalige Bun­des­kanzler von der SPÖ ist jetzt aufgrund seiner Politik, die er vertreten musste – auch vonseiten der ÖVP und weil er für seine eigenen Ideen keinen Rückhalt mehr in der SPÖ hatte, also sozusagen die SPÖ nicht mehr überzeugen konnte –, zurückgetreten und gegangen.

Das zeigt eindeutig, dass die Sozialdemokratie wieder zurück zu ihrer Sozialpolitik, wieder zurück zu den Menschenrechten kommen soll, dorthin zurückkehren soll. Ja, liebe SPÖ, starten Sie einen Neuanfang! Schauen wir, wo es hingeht! Unterstützen Sie uns heute dabei, dieses Gesetz zu blockieren, und beginnen Sie wieder neu mit Sozialpolitik und Menschenrechtspolitik!

Daher stelle ich ein Verlangen gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden, eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.59

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Novak. – Bitte.

 


15.00.06

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Herr Stegmüller! (Bundesrat Stögmüller: Stögmüller!) – Herr Stögmüller, dass wir die FPÖ rechts überholen, werdet ihr uns wohl nicht zutrauen. Das werden wir auch nicht zusammenkriegen. (Bun-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 120

desrat Krusche: Euch ist alles zuzutrauen!) Das ist zwar Ihre Meinung, aber es ist schon sehr gewagt ausgedrückt, dass wir das zusammenkriegen sollten. (Vizepräsi­dentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Lieber Kollege Werner Herbert, ich muss schon sagen, dass es auch ein bisschen weit hergeholt ist, Österreich im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik als „Wilden Westen“ zu bezeichnen. Dass sich die Bundesregierung nicht bemüht, kann man beim besten Willen nicht sagen, denke ich. Dass es der FPÖ nicht so passt, wie wir uns bemühen und in welche Richtung es gehen soll, bleibt dahingestellt. Dass aber nicht alles in Ordnung ist, weiß ich persönlich auch. Das wissen wir alle, und deshalb gibt es auch dieses neue Gesetz, um gewisse Dinge zu verschärfen.

Denken wir zurück: Als vor 20 Jahren in Europa die Grenzen zwischen den jeweiligen Staaten gefallen sind, haben uns die Politiker und viele Menschen im Grunde genom­men versprochen, dass die so genannten Schengen-Außengrenzen künftig streng überwacht und kontrolliert werden. Das ist eigentlich nicht eingetreten, so wie wir uns das vorgestellt haben. Es war nicht möglich, den Wegfall der damaligen Grenzen zu kompensieren.

Ich möchte jetzt gar nicht auf die einzelnen Punkte dieses Gesetzes eingehen. Denken wir an das letzte Jahr zurück, was sich da an der Südgrenze Österreichs abgespielt hat! Heute haben auch Polizisten, die ihren Beruf ausüben oder im gewerkschaftlichen Bereich tätig sind, gesprochen. Wir haben gehört, dass die Polizisten eigentlich taten­los zusehen mussten, wie viele Migrantinnen und Migranten legal oder auch illegal nach Österreich oder durch Österreich marschiert sind. Die streng kontrollierten Außengrenzen haben also im Grunde genommen total versagt. Dieses Szenario haben wir alle noch im Kopf.

Mein Kollege und Vorredner Bürgermeister Schödinger hat das schon festgestellt, und ich sage Ihnen das auch: Wenn man als Bürgermeister in einer Gemeinde – so wie ich auch – Flüchtlinge beherbergt und im zweitgrößten Bezirk Österreichs, im Bezirk Spittal, unterwegs ist, dann hat man einfach das Gefühl, dass diese Bilder bei manchen Menschen einen gewissen Schock ausgelöst haben und dass sie total ver­unsichert waren.

Ich habe mir etwas herausgeschnitten – mittlerweile bin ich schon fast wie Kollege Dörfler –, an das Sie sich vielleicht auch noch erinnern: Es hat in der „Kronen Zeitung“ ein Voting gegeben, bei dem man die Menschen gefragt hat: Fühlen Sie sich wohl in Österreich? Fühlen Sie sich sicher in Österreich? – 85,5 Prozent haben das mit „Nein“ beantwortet und 14,5 Prozent mit „Ja“. Das ist im Grunde genommen die Auffassung jener Bevölkerungsteile, die denken, dass so etwas nicht mehr geschehen darf, dass der Staat eigentlich die Souveränität behalten sollte, und dass an den Grenzen die Möglichkeit geschaffen werden sollte, Überprüfungen durchzuführen. Es gilt dem also wirklich massiv entgegenzusteuern, und dazu sind wir als Politik aufgefordert.

Die österreichische Bundesregierung hat vielleicht aufgrund dessen, was auch heute schon gesagt worden ist – dass wir im ersten Jahr jenen 90 000 Menschen Asyl gegeben und viele nach Deutschland und Schweden durchgewinkt haben –, zur ge­samteuropäischen Situation beigetragen. In weiterer Folge ist die Initiative zur West­bal­kanroute eigentlich von Österreich ausgegangen, und im Grunde genommen genauso das Grenzmanagement am Brenner, das jetzt in Diskussion ist.

Ich denke da auch zurück, denn ich habe voriges Jahr auch zu diesem Thema ge­sprochen. Ich habe noch im Kopf, dass die Frau Innenministerin und der Justizminister eigentlich festgestellt haben: Wir müssen irgendetwas tun, wir müssen die EU verklagen, um eine gerechte Aufteilung von Flüchtlingen zu gewährleisten. – Zumin­dest der Gedanke war da.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 121

Die Kommissionssprecherin hat dann im Juli oder August festgestellt: Es ist definitiv nicht die Zeit, um gegeneinander vor Gericht zu gehen! – Damit hat sie vielleicht nicht unrecht gehabt. Der Nachsatz war aber, die EU-Kommission werde am Ende des Jahres einen Vorschlag für eine gerechte Verteilung im EU-Rat diskutieren. Man hat also die Verteilung der Flüchtlinge komplett vernachlässigt und bis heute noch keine Lösung gefunden. Das ist eigentlich der Schwachpunkt, den die EU heute noch hat.

In letzter Zeit ist innerhalb der EU darüber diskutiert worden, dass es für jeden Flücht­ling beziehungsweise für jede Person, die von einem einzelnen Land nicht aufge­nommen wird, 250 000 € Strafe geben soll. Das kann ich mir leider Gottes auch nicht vorstellen, weil das im Grunde einfach lachhaft ist.

Jetzt kommt das eigentlich auf uns zu, und da wird uns dieses Gesetz helfen. Heute und in den letzten Tagen sieht man in den Medien, dass Erdoğan in der Türkei mit seinen Aussagen im Grunde genommen ankündigt, dass er diesen Pakt zum Anti-Terrorgesetz, den man abgeschlossen hat, nicht erfüllen will. Dann wird es auch keine Visafreiheit für die Türken geben. Wenn er seine Ankündigungen wahr macht, dann werden viele, viele Menschen vor der Tür stehen. Genau zu diesem Zeitpunkt brauchen wir dann dieses Gesetz.

Ich habe mir noch etwas aus einer großen auflagenstarken Zeitung herausgenommen: Deutschlands Kanzlerin Merkel hat auf die Frage, was denn geschehe, wenn eine größere Zahl von Flüchtlingen über Italien kommen würde, geantwortet: „Dann macht Österreich den Brenner dicht.“ So leicht wird es wahrscheinlich nicht gehen, aber wenn wir das Gesetz nicht haben, das wir heute schlussendlich im Bundesrat beschließen, dann wird es überhaupt nicht funktionieren.

Etwas sollte man sich vielleicht auch noch vor Augen halten: Eine Person, die aus einem sicheren EU-Land – gemeint ist jetzt zum Beispiel Griechenland, obwohl das nicht mehr der Fall ist – unbedingt in ein Nicht-EU-Land will – gemeint ist in dem Fall Mazedonien, dort ist es nicht mehr möglich, aber das war so –, und von dort nach Durchquerung weiterer sicherer Staaten nach Österreich will, hat streng genommen eigentlich das Recht verwirkt, in Österreich noch als Verfolgter betrachtet zu werden.

Ich sehe die menschliche Komponente in der Argumentation von jenen, die gegen das heute zu beschließende Gesetz sind. Das ist keine Frage, aber es gibt keine stichhaltigen Argumente, wie wir das lösen können. Meine Damen und Herren hier im Bundesrat! Das Argument, dass allen Menschen geholfen werden müsste, ist hinfällig, weil es bisher schon nicht geschehen ist.

Denken Sie beispielsweise einmal an die brutalst vergewaltigten jesidischen Frauen, die wohl zu den schutzwürdigsten Menschen zählen! Sie sitzen nach ihrer Flucht aus den Händen der IS-Barbaren nach wie vor in Lagern im Nordirak fest und erhalten dort meines Wissens keine der so dringend benötigten Traumatherapien.

Das heißt: Die heute zu beschließende Notstandsregelung ist ein wichtiges Instrumen­tarium, um im Notfall die Handlungsfähigkeit zu bewahren und rasch reagieren zu können. Daher ist sie zu begrüßen, denn die primäre Aufgabe der Regierenden des Landes ist der Schutz der ihr anvertrauten Bevölkerung.

Natürlich wird man im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, zu helfen. Österreich hat, wie die Geschichte zeigt, immer geholfen. Allerdings ist es einfach etwas anderes, ob man Menschen aus den unmittelbaren Nachbarländern hilft oder Menschen, die meh­rere sichere Länder durchquert haben und sich das Land ihrer Wahl aussuchen möchten.

Trotzdem hat Österreich im letzten Jahr – wir haben es gehört – 90 000 Personen aufgenommen. Wir liegen im Ranking an der dritten Stelle. Aber so etwas, das wissen wir aus der Bevölkerung, wird nicht mehr möglich sein und ist auch nicht wiederholbar.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 122

Dafür fehlen uns nicht nur die Kapazitäten der Unterkunft – außer wir haben in jedem Ort die Möglichkeit, Flüchtlinge unterzubringen –, es fehlen vor allem die Arbeitsplätze. Zum Schluss sage ich es noch einmal: Es fehlt uns, und das ist nachweisbar, die Akzeptanz der Menschen, der Bevölkerung in Österreich. Das zu erkennen, werte Damen und Herren hier im Bundesrat, und entsprechend zu handeln, bedeutet Real­politik. (Beifall bei der SPÖ.)

15.10


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Sobotka. – Bitte, Herr Minister.

 


15.10.54

Bundesminister für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich darf an meinen ersten Debattenbeitrag anschließen: Die Aufgabe ist es, innerösterreichisch die gemeinsame Linie in einer sehr heiklen Situation zu suchen. Die Lage wird sich international gesehen nicht entspannen, sondern sie wird uns mehr Herausforderungen bringen. Das haben wir in den einzelnen Debattenbeiträgen ja auch gehört.

Die Gesellschaft hat im Jahr 2015 Enormes geleistet. Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Freiwilligenorganisationen, bei allen Menschen, die geholfen haben, die 90 000 Migranten zu betreuen, durchzubringen, insbesondere zu verpflegen, und auch die Menschen nach Deutschland zu bringen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Polizei, die Hervorragendes geleistet hat, die auch jetzt Hervorragendes leistet und auch in personeller Hinsicht zu leisten versteht.

Ich denke aber, dass es an der Zeit ist, mit Augenmaß eine Möglichkeit zu finden, Signale zu setzen. Letzten Endes hat der Beschluss, den Westbalkan zu schließen, die Europäische Union dazu gebracht, sich überhaupt mit dieser Thematik verstärkt aus­einan­derzusetzen. In der Zeit der Bankenkrise ist man wöchentlich zusammenge­kom­men, um diese Thematik zu besprechen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Bei der großen Migrationswelle hat man das Gefühl, dass man Schweden, Deutschland und Österreich alleine gelassen hat.

Österreich hat 19 Mal so viele Migranten aufgenommen wie andere Länder in der Europäischen Union, beziehungsweise so viele wie 19 andere Länder zusammen. Ich denke, dass wir mit 10,5 Migranten auf 1 000 Einwohner nach Schweden jenes Land mit der größten Anzahl sind. Daher wird im Bereich der Integration noch sehr, sehr vieles an gemeinsamer Leistung nötig sein. Ich darf alle aufrufen, ihren Beitrag dazu zu leisten.

Auf der anderen Seite denke ich, dass wir alles unternehmen müssen, damit wir nicht zusätzliche Belastungen auf uns nehmen. Dieses Gesetz soll dem Rechnung tragen, damit wir diese Möglichkeiten haben.

Zur Verordnung: Es ist keine Notverordnung. Eine Notverordnung ist eine Verordnung, die der Bundespräsident erlassen kann. Diese Verordnung ist nur im Zusammenwirken mit dem Hohen Haus, mit dem Hauptausschuss, überhaupt möglich. Sie kann nur auf sechs Monate beschlossen werden und bedarf immer wieder einer parlamentarischen Überprüfung. Daher wird damit weder etwas ausgehebelt, noch wird ein Placebo be­schlossen. Die Verordnung stellt eine Möglichkeit dar, und es gibt nicht eine, sondern viele Schrauben, an denen wir drehen müssen.

Wir müssen ein klares Signal senden, damit diese Menschen nicht von Schleppern missbraucht und an die österreichische Grenze gebracht werden. Das ist die Antwort, die wir geben müssen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 123

Es muss klar sein, dass es bei einer Arbeitslosigkeit von 10,5 Prozent und steigend – obwohl wir Höchstbeschäftigung haben – ganz schwierig sein wird, die Damen und Herren, die zu uns kommen, auch am Arbeitsmarkt zu integrieren.

Zur Frage der Schulbildung: Sehen Sie sich an, welche Anstrengungen unsere Päda­goginnen und Pädagogen unternehmen und wie schwierig es ist, das auch zu bewerk­stelligen! Dank des ungeheuren Einsatzes ist es möglich, nur eines muss klar sein: Die Kapazitätsgrenze ist nicht beliebig erweiterbar. Ich denke, da hilft dieses Gesetz mit der Verordnung.

Es ist klar zum Ausdruck gekommen, dass da mit großer Sorgsamkeit und mit Augen­maß gehandelt werden muss. Es ist leider Gottes auch so, dass die Kriminalität in letzter Zeit gestiegen ist. Ich habe das heute mit dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit sehr klar untermauern können. Daher sind auch Maßnahmen im Sicher­heitspolizeigesetz notwendig, um wirksam gegensteuern zu können.

Ich denke, das, was in einem wirklich guten Prozess auf die Reihe gebracht worden ist, verdient auch die Zustimmung. Ich darf mich für die Debattenbeiträge hier im Bun­desrat bedanken. Sicherlich kann man zu dem einen oder anderen Punkt eine andere Meinung, eine andere Haltung haben. Diese gilt es zu respektieren und mit der Zeit wieder neu zu gewichten.

Wir glauben auch nicht, dass mit dem Gesetz alle Probleme beseitigt werden, und es wird auch nicht alles anders. Wir haben große Anstrengungen zu unternehmen, dass wir mit dieser gesetzlichen Basis das erreichen, was wir uns vornehmen: die Wohl­standsstruktur Österreichs aufrechtzuerhalten; die ungebrochene Hilfsbereitschaft der Menschen nicht überzustrapazieren; das, was unsere Besonderheit im europäischen Konnex ausmacht, auch deutlich zu machen und für die Zukunft zu erhalten.

In diesem Sinne bitte ich Sie auch um die Annahme dieses Gesetzes. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.16


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Herbert zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

 


15.16.26

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Ausführungen des Kolle­gen Schödinger zum Anlass genommen, um noch einige Dinge richtig zu stellen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) Mit dem Kollegen Schödinger eint mich ja einiges: Wir sind nicht nur im gleichen Bezirk tätig – er ist ÖVP- und ich bin FPÖ-Bezirks­obmann –, sondern wir sind auch beide Polizisten, wenn auch auf unterschiedlichen Dienststellen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber, lieber Kollege Schödinger, wenn du vom Rednerpult aus behauptest, ich hätte gesagt, die Bundesregierung solle keine Gesetze beschließen, weil das die Kollegen auf der Straße nicht verstehen würden, dann ist das eine grobe Umkehr von dem, was ich tatsächlich zum Ausdruck gebracht haben. Ich habe vielmehr gesagt: Die Bun­desregierung soll nicht jedes halbe Jahr die Asyl- und Fremdengesetze novellieren, weil sie mittlerweile eine Komplexität haben, die kaum jemand mehr versteht. Die Kollegen auf der Straße verstehen sie nicht, und die Kollegen vom BFA auch nicht. Das ist der richtige Ansatz.

Wenn du meinst, die FPÖ rede die Regierung schlecht, dann ist das noch eine Sache, die man hinnehmen kann. Wenn du aber sagst, wir, also die FPÖ, wollen den Staat zugrunde richten, dann ist das schon eine Formulierung, die ich aufs schärfste zurückweisen muss.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 124

In diesem Sinne: Jeder in diesem Hohen Haus hat seine politische Heimat, jeder hat natürlich auch seinen Zugang zu den Gesetzen und den Beschlusslagen. Bleiben wir aber argumentativ immer auf einer solchen Ebene, dass man sich noch in die Augen schauen kann! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Bleiben wir auf dem blauen Teppich!)

15.18


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.18.45

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich mache es ganz kurz, aber eines kann ich mir einfach nicht verkneifen: Herr Kollege Schödinger, ich muss auf Ihre Ausführungen verweisen. Sie haben vorhin gesagt, dass der einzige Sinn und Zweck dieses Gesetzes sei, dass man an der Grenze Abweisungen durchführen kann.

Da darf ich Sie eines Besseren belehren: Das war nicht nur vor zehn Jahren schon möglich, sondern auch schon vor 15 Jahren, denn ich selbst bin 2002 ... (Ruf bei der ÖVP: Aber nicht bei einem Asylantrag! Dazu brauche ich das jetzige Gesetz! – Bun­desrat Stögmüller: ... Menschenrechte!) – Geh bitte! Da gab es ganz klar den Auftrag, dass die Menschen direkt an der Grenze abzuweisen sind. Was Sie hier gesagt haben, war einfach nicht richtig. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.19

15.19.30

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April dieses Jahres betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich lasse über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben, abstimmen.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alpha­betischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Junker geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 125

Die Stimmabgabe ist beendet. Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 15.24 Uhr unterbrochen und um 15.25 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005 und weitere Gesetze geändert werden, keinen Einspruch zu erheben, bei 57 abgegebenen Stimmen 37 „Ja“- und 20 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Anderl;

Beer, Blatnik, Bock, Brunner;

Ebner;

Forstner, Fürlinger;

Gödl, Grimling;

Hackl, Hammerl, Heger;

Junker;

Kern, Kneifel, Köck, Köll, Koller;

Ledl-Rossmann, Lindinger;

Mayer;

Novak;

Oberlehner;

Pfister, Poglitsch, Preineder, Pum;

Saller, Schödinger, Stöckl;

Tiefnig, Todt;

Weber, Winkler;

Zelina, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Dörfler, Dziedzic;

Ecker;

Gruber-Pruner;

Herbert;


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 126

Krusche, Kurz;

Längle, Lindner Mario, Lindner Michael;

Meißl, Mühlwerth;

Pisec;

Raml, Reiter, Rösch;

Schererbauer, Schmittner, Schreyer, Stögmüller.

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Be­schluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Es liegt der Antrag der Bundesräte Herbert, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend: Rückübernahmen forcieren – straffällige Asylwerber abschieben, vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

15.27.537. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nicht­raucherschutz (Tabakgesetz) und das Bundesgesetz, mit dem die Öster­reichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bundesamt für Sicher­heit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernährungs­sicher­heitsgesetz – GESG), geändert werden (1056 d.B. und 1088 d.B. sowie 9556/BR d.B. und 9569/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Bitte um den Bericht.

 


15.28.43

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz und das Bun­desgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden, geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 127

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

15.29.20*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir in die Debatte eingehen, muss ich noch etwas zu Tagesordnungspunkt 1 nachtragen. Nach Durchsicht des Stenographischen Protokolls ist Folgendes nachzutragen: Für das Wort „Lüge“ erteile ich Herrn Bundesrat Meißl einen Ordnungsruf.

*****

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schererbauer. – Bitte.

 


15.30.09

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über die Änderung des Tabakgesetzes. Diese Änderung beinhaltet doch einige, für mich sehr fragwürdige, Entscheidungen. Auch aus wirtschaftlicher Sicht sehe ich einige Probleme auf uns zukommen.

Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: In der Gastronomie mussten vor Jahren ein Raucher- und ein Nichtraucherbereich eingerichtet werden, was doch einiges an finanziellen Aufwendungen erforderte. Danach konnte der Gast frei wählen, ob er den Raucher- oder Nichtraucherbereich beansprucht. Dies ist jedoch bald Geschichte. Und ob und wie die angefallenen Investitionen der Gastwirte rückerstattet werden, ist ebenfalls noch unklar.

Der Gastwirt muss frei entscheiden können, ob in seinem Lokal geraucht oder nicht geraucht wird. Kein Nichtraucher wird gezwungen, in ein Raucherlokal zu gehen oder umgekehrt. In guten Restaurants wird und wurde ohnehin nie geraucht. Ein Aussterben der Wirtshauskultur ist die Folge. Stammtisch- und Freundesrunden treffen sich auf­grund dieser Verbotskultur in privaten Einrichtungen. Besonders stark zu beobachten war dies in meinem Heimatbezirk Schärding, der direkt an der Grenze zu Bayern liegt. Als in Deutschland das absolute Rauchverbot eingeführt wurde, kamen die deutschen Gäste scharenweise zu uns und hielten bei uns ihre Stammtische ab, weil sie eben, so wie die österreichische Bevölkerung, mehr Freiheit und Selbstbestimmung wollen und keine diesbezüglichen politischen Vorgaben.

Die EU-Richtlinie TPD II, die umgesetzt werden soll, wird sich aller Voraussicht nach auch negativ auf die heimische Wirtschaft auswirken. Die klassische Zigarette, die E-Zigarette und der Kautabak werden auf eine Stufe gestellt. Das ist jedoch fachlich falsch, was auch durch zahlreiche Studien belegt wird. Es gibt nach wie vor keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass das Dampfen, sprich Inhalieren einer E-Zigarette gesundheitsgefährdend ist, eine Gefährdung durch Passivrauchen sehe ich in diesem Fall überhaupt nicht; detto die Studie zum Kautabak, der ja auch abgeschafft und verboten werden soll.

In Österreich gibt es bis dato zirka 250 000 Personen, die Konsumenten von E-Zigaretten sind. Dies ist eine Möglichkeit, um vom Rauchen loszukommen, und ein wichtiger Schritt in ein gesünderes Leben. Nachweislich liegt die Erfolgsquote beim Umstieg von herkömmlichen Zigaretten auf die E-Zigarette bei zirka 50 Prozent – im


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 128

Gegensatz zu Produkten aus der Apotheke, wie zum Beispiel dem Nikotinkaugummi oder dem Nikotinpflaster, mit denen man sich bei zirka 2 bis 3 Prozent bewegt. Es wird fast der Eindruck erweckt, dass man die Menschen vom Dampfen der E-Zigarette abhalten möchte, um nicht auf die 1,7 Milliarden € an Einnahmen aus der Tabaksteuer verzichten zu müssen. Die Pharmaindustrie spielt da auch keine unwesentliche Rolle.

Weiters soll in diesem Gesetz den österreichischen Unternehmen der Versandhandel mit diesen Produkten verboten werden, egal, ob auf internationaler oder auf nationaler Ebene. Fakt ist, dass weltweit im Internet eingekauft wird. Auch die Menschen in die­sem Land werden dies weiterhin tun und diese Produkte kaufen, dann jedoch im Ausland, ohne Steuergeld hierzulande abzuliefern.

Sogenannte Schockbilder, die zukünftig auf den Verpackungen angebracht werden, halten sicherlich auch niemanden wirklich vom Rauchen ab. Informationen über Inhaltsstoffe wie Teer werden nicht mehr angegeben. Es gibt zukünftig ein Werbe-, Sponsoring- und Verkaufsförderungsverbot für Trafikanten. Die Gewinnspanne redu­ziert sich für die Trafikanten von 18 auf 13 Prozent. Gab es in Österreich vor 30 Jahren noch 11 000 Trafikanten, sind es heute nur noch 2 600. Dies ist zweifelsohne ein schwerer Schlag gegen diesen Berufsstand und die Nahversorgung im Allgemeinen.

Schwer vermisse ich in diesen 61 Seiten den Begriff Jugendschutz. Dabei wäre dies meines Erachtens ein extrem wichtiges Thema, das über alle Fraktionen hinweg von höchster Bedeutung wäre. Kein Schockbild und keine Verbotsflut wird dazu beitragen, Jugendliche vom Rauchen abzuhalten. Ich glaube, es muss in den Familien, Schulen und Vereinen präventiv entgegengewirkt werden. Stattdessen wird erwachsenen Men­schen vorgeschrieben, wie sie sich zu verhalten haben.

Es ist mit Sicherheit der falsche Weg, unsere Gesellschaft in Raucher und Nicht­raucher zu spalten, aber dieses Gesetz zielt doch sehr stark darauf ab. Raucher, gegen die hier massiv vorgegangen wird, werden sich aufgrund dieser Entwicklung zur Wehr setzen, ebenso E-Zigarettenhändler, Trafikanten und Gastronomen, wobei letz­tere die Registrierkasse noch nicht wirklich verdaut haben.

Wir alle kennen die Gefahren des Rauchens. Ich selbst bin begeisterter Nichtraucher, aber ich stehe eindeutig zur Wahlfreiheit von erwachsenen Menschen, die selbst entscheiden können und dürfen, was gut oder schlecht für sie ist, denn ob man raucht oder nicht, das ist meines Erachtens keine ideologische Frage. Der ideologische Zu­gang dazu ist für mich der Begriff der Freiheit und der persönlichen Entscheidungs­macht. Das ist für mich als Freiheitlicher ein unverzichtbarer Teil einer Demokratie, einer freien Gesellschaft – aber von dieser freien Gesellschaft bewegen wir uns immer wieder ein Stück weiter weg.

Dieses Gesetz bringt uns eben wieder ein Stück weiter zu einer Bevormundungs- und Verbotskultur, die ich so nicht haben will. (Beifall bei der FPÖ.) Daher werden wir diesem Antrag keine Zustimmung erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.35


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Liebe Frau Minister Oberhauser, ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich in der Hitze der Abarbeitung der Tagesordnung vergessen habe, dich zu begrüßen. Sei nunmehr auf das Herzlichste begrüßt im Bundesrat! (Allge­meiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte.

 


15.36.25

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Wir sprechen über die Änderung eines Gesetzes, über welches schon sehr häufig diskutiert wurde.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 129

Und bei vielen Diskussionen kam es gerade bei diesem Gesetz oft zu großen Emo-tionen.

Es wurde gerade von meinem Vorredner angesprochen, und wenn man nachliest, sieht man, dass es seitens der FPÖ immer um die Wirtshäuser geht: Es wird sehr häufig erwähnt, dass es um eine Wirtshauskultur geht. Ich finde das dramatisch, dass Kultur etwas mit Zigarettenrauchen zu tun hat, wie es sehr häufig in Aussendungen der Freiheitlichen erwähnt wird, und dass Menschen dann nicht mehr in ein Gasthaus gehen, nur weil man nicht mehr rauchen kann.

Herr Schererbauer hat es selbst jetzt eben erwähnt, dass die Menschen zu uns ge­kommen sind, als in Bayern das Rauchverbot eingeführt wurde. Ich glaube, auch das ist ein Grund, ebenfalls dieses Rauchverbot einzusetzen, dann können nämlich die Bayern auch nicht zu uns rauchen kommen. Ich gehe davon aus, dass der gesund­heitliche Aspekt bei all dem immer im Vordergrund stehen soll.

Es wurden auch die Trafikanten und Trafikantinnen erwähnt. Ich frage mich, wer laut aufgeschrien hat, als die Zeitungen begonnen haben, immer mehr online zu sein. Das heißt, auch die Trafikanten und Trafikantinnen haben eine Einbuße, weil wahrschein­lich nur mehr sehr wenige von uns die Zeitung in Papierform kaufen, da wir sie online kaufen. Das ist ein Problem, das ist richtig, aber ich glaube nicht, dass man das mit dem Zigarettenkauf argumentieren kann.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Egal, von welcher Seite wir es betrachten: Es geht bei diesem Gesetz vor allem darum, dass Maßnahmen gesetzt werden, damit Men-schen bis ins hohe Alter gesund bleiben. Ich finde, das ist unsere Verantwortung. Die negativen gesellschaftlichen wie auch individuellen Auswirkungen des Tabak-konsums sind uns – davon gehe ich jetzt aus, das wurde auch von meinem Vorredner ange­sprochen – bekannt und sind belegt, deswegen ist gesundheitspolitisch jede Ein­schränkung der Abgabe von Tabakerzeugnissen begrüßenswert.

Unterhält man sich mit Experten und Expertinnen, dann hört man immer wieder, dass über ein Drittel aller Krebserkrankungen als Ursache das passive und aktive Tabak­rauchen haben. Das sind die Ursachen für diese Krankheiten. Mir ist schon bewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass vielleicht nicht jeder diese gesundheitliche Beeinträchtigung erfährt, aber die Wahrscheinlichkeit, aufgrund des Tabakkonsums zu erkranken, ist natürlich sehr hoch.

Wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, dass in Österreich rund 14 000 Menschen pro Jahr an den Folgen des Tabakkonsums sterben; in ganz Europa, sagen uns die Zahlen, sind es ungefähr 800 000 Menschen. Experten fürchten aber, dass es nicht dabei bleibt, sondern dass es zu einer weiteren Zunahme der Todesfälle kommt, wenn wir nicht Maßnahmen setzen, um den Zigarettenkonsum beträchtlich einzu­schränken. Nach Untersuchungen der WHO resultieren bis zu 90 Prozent der Lungen­erkran­kungen und fast ein Drittel aller Herzerkrankungen aus dem Tabakkonsum.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich stehe hier und gehöre nicht zu den militanten Nichtrauchern. Ich kenne das, wenn man raucht. Aber ich kenne es auch, wenn man – und das sage ich an dieser Stelle – in eineinhalb Jahren drei gute Freunde verliert, alle an Lungenkrebs. Das ist dramatisch. Das ist schlimm. Das ist wahrscheinlich genauso dramatisch wie die Schockbilder auf den Zigarettenpackungen. Ich stehe hier und habe es miterlebt, sie waren alle in meinem Alter. Jetzt können wir diskutieren: jung oder alt?, aber alle sind an dieser Krankheit gestorben, und zwar in relativ kurzer Zeit. Und es war ganz klar ersichtlich, dass es bei ihnen von diesem Konsum von Tabak, vom Rauchen kommt.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 130

Mein Vorredner hat gesagt, dass es jedem selbst überlassen ist und dass jeder selbstbestimmt entscheiden soll. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass viele Kinder diese Entscheidungsfreiheit nicht haben. Ich glaube, dass wir auch eine große Ver­antwortung unseren Kindern gegenüber haben, und wir müssen uns eingestehen, dass rauchende Eltern ihre Kinder mit diesem Rauch gefährden; gerade bei Kindern, in deren Umgebung geraucht wird, kommt es sehr häufig zu Erkrankungen der Atem­wege. Es ist auch nachweisbar, dass Babys von rauchenden Müttern zum Zeitpunkt der Geburt ein weitaus niedrigeres Gewicht haben. Ist das fair? Haben diese Kinder eine Chance, wenn Eltern in das sogenannte Raucherabteil des Lokals gehen und ihre Kinder mitnehmen? – Ich glaube, das sollten wir bedenken.

Wir sollten auch bedenken, wie es den Beschäftigten geht. Ich kenne Beschäftigte in der Gastronomie, die sich persönlich eigentlich auch zu den sogenannten militanten NichtraucherInnen zählen, aber da auch in diesem Betrieb zwei Abteile geschaffen wurden, nämlich ein Raucher- und ein Nichtraucherabteil, ein sogenanntes halbes Rauch­verbot, werden diese Beschäftigten eigentlich zum Mitrauchen gezwungen. Ich glaube, es ist fatal, wenn man dann vielleicht behauptet: Sie haben sich den Job ausgesucht. Gerade in einer Arbeitsmarktsituation wie derzeit nehmen Menschen einen Arbeitsplatz an, damit sie ein Einkommen haben, damit sie leben, werden dann zum Mitrauchen gezwungen und haben auch diesbezüglich keine Entscheidungs­freiheit.

Das kann doch von uns nicht gewollt sein. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Ich glaube, unsere Aufgabe liegt ganz woanders. Es geht dabei auch nicht um Bevor­mundung. Es geht im Großen und Ganzen darum, Menschen zu unterstützen, damit sie entweder gar nicht zu rauchen anfangen – ich glaube, das ist etwas, was uns sehr am Herzen liegen sollte: dass Menschen, dass Jugendliche nicht zum sogenannten Glimmstängel greifen – beziehungsweise damit jene, die bereits rauchen, es auch leichter haben, von dieser Sucht wegzukommen.

Für mich steht fest, dass im Zentrum dieser Gesetzesnovelle nicht das Wohl des Einzelnen und auch nicht das Wohl einzelner Firmen stehen sollte oder muss, sondern es geht um das Allgemeinwohl. Es ist unsere Aufgabe, lenkend einzugreifen und darauf aufmerksam zu machen, wie schädlich manche Genussmittel sind – so wie auch Tabakkonsum.

Für mich persönlich ist es sehr zu begrüßen, dass dieses Gesetz nicht nur Regelungen für Zigaretten enthält, sondern auch verwandte Produkte miteinbezieht. Für mich ist es deswegen sehr zu begrüßen, denn ich möchte nicht, dass eine oder zwei Gene­rationen nach uns dann hier gestanden und über die nächste E-Zigarette diskutiert wird – ob sie gesund ist oder nicht; und ich bezweifle auch, dass sie überhaupt gesund ist.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich glaube, wir alle sollten gemeinsam mithelfen, damit die Menschen von dieser Sucht wegkommen beziehungsweise gar nicht erst in die Gelegenheit kommen, in diese Sucht hineinzufallen. Daher ersuche ich euch um Zustimmung zu diesem Gesetz. Meine Fraktion wird ihm zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

15.43


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


15.44.06

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wie die Vorrednerin bereits eindrucksvoll


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 131

betont hat, geht es bei diesem Gesetz vordergründig um den Schutz unserer Gesund­heit; das ist ja ein durchaus edles Anliegen, aber es stellt sich für uns schon die grundsätzliche Frage: Wie weit kann der Staat dabei gehen? Wie sehr kann er die persönlichen Freiheiten unter diesem Deckmantel des Gesundheitsschutzes ein­schrän­ken? Und wie weit kann er die Menschen unter diesem Vorwand bevormunden?

Frau Kollegin Anderl hat auch die Krebserkrankungen angesprochen, mit persönlichen Beispielen. Es gibt eine Liste der Top 10 der krebserregenden Nahrungsmittel. Ganz oben stehen da rohe Champignons, wenn sie unter 70 Grad erhitzt werden, Fisch und Meeresfrüchte, weil sie häufig mit Arsen belastet sind, Reis – vor allem aus China –, ebenfalls wegen Arsens, Bitterschokolade, Schwarztee, Erfrischungsgetränke – da ist häufig Benzol zu finden –, Pommes frites natürlich, Kartoffelchips, gegrilltes Fleisch, Schinken und Salami, wenn sie stark erhitzt werden, beispielsweise auf Pizzen und so weiter. Von den Gefahren, die durch Alkohol drohen, will ich gar nicht reden.

Ich stelle mir also die Frage: Was wird als Nächstes verboten werden, die Grillkohle oder irgendetwas aus dem Nahrungsmittelbereich? – Das würde gut in das Konzept der Bundesregierung passen. Lieblingsfeinde sind ja auch die Wirte, und denen könnte man damit eine weitere Ohrfeige verpassen. Zucker, Fette – das sind alles Dinge aus der Gastronomie, die äußerst gefährlich sind, da gäbe es also noch ein reiches Betätigungsfeld, Dinge zu verbieten und dem Bürger das Leben schwer oder fast schon lebensunwert zu machen. Ich bin neugierig, wo das noch hinführt.

Insgesamt aber ist dieser Krieg, der jetzt einmal auf die Raucher fokussiert ist, nicht ganz ausgewogen und scheint auch nicht ganz ehrlich zu sein. Das fängt bei der Aufklärung über die Gefahren des Rauchens an. Aufklärung ist im Prinzip etwas durch­aus Gutes. Ich glaube aber, mittlerweile können wir davon ausgehen, dass eigentlich jeder Mensch in Österreich weiß, dass Rauchen nicht gerade ein Jung­brun­nen ist.

Was diese Schockbildchen betrifft: An diese wird man sich gewöhnen. Das wird abstumpfen. Man sieht sie dann wahrscheinlich nach der fünften Packung Zigaretten gar nicht mehr, man nimmt sie gar nicht wahr. Ich wage die abschreckende Wirkung dieser Bildchen zu bezweifeln. Auf der anderen Seite streicht man aber die Angabe der Rauchinhaltsstoffe auf den Verpackungen, und da muss ich schon fragen: Was ist der Sinn einer solchen Maßnahme? – Jene, die zwar rauchen, aber bewusst sagen, sie wollen möglichst leichte oder an gefährlichen Inhaltsstoffen arme Zigaretten rauchen, werden dann nicht mehr aufgeklärt. Das ist alles nicht ganz nachvollziehbar.

Gänzlich dubios ist dieser Krieg gegen die E-Zigaretten. Kollege Schererbauer hat das bereits ausführlich erläutert. Wir wissen, dass das mittlerweile eigentlich die wirk­samste Methode darstellt, um vom Rauchen wegzukommen, als Zwischenschritt sozu­sagen vom Tabakrauchen hin zum Dampfen, um dann überhaupt aufzuhören. Diesen Zugang behindert man jetzt massiv. Die Frage, ob das mit den Einnahmen aus der Tabaksteuer zu tun hat, wurde bereits gestellt.

Wie einseitig offensichtlich die Denkweise ist, das sieht man auch an anderen Beispielen in Wien. Von der Stadt Wien gibt es Fahrräder mit Werbung für Hanfshops und Demonstrationen für die Freigabe von Cannabis – da wird, glaube ich, in den nächsten Tagen eine große Demonstration in Wien stattfinden. Was ist damit? – Schweigen im Walde, auch vonseiten Ihres Ministeriums. Das erscheint alles nicht ganz ehrlich.

Teilweise schüttet man das Kind mit dem Bade aus, zum Beispiel bei den Aroma­stoffen, die man verbietet. Auf meine Frage im Ausschuss, warum man das tut – Menthol ist ja per se nicht so ungesund –, hieß es: Das wird deshalb gemacht, weil das Menthol dazu verleitet, dass man tiefer inhaliert, und daher verbietet man es. Aber man verbietet es auch – es ist bekannt, dass ich ein Anhänger dieser Form des Tabakkon-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 132

sums bin – im Schnupftabak; dieser wird aber nicht inhaliert. Also da wird über das Ziel hinausgeschossen.

Frau Kollegin Anderl hat auch ausgeführt: Es geht um die Jugend und darum, dass die Jugend nicht zum Rauchen gebracht wird. – Leider ist aber vom Jugendschutz in diesem Gesetz überhaupt nicht die Rede. Da heißt es dann: Da kann man leider nichts machen, denn das ist Länderkompetenz.

Es handelt sich primär nicht um ein Anti-Raucher-Gesetz, sondern um ein Anti-Trafi­kanten-Gesetz, und auch wenn es in Österreich nur mehr ungefähr 7 000 gibt: Unter­schätzen Sie mir die Trafikanten nicht! Sie haben gerade in Randlagen, auf dem Land und auch in nicht innerstädtischen Bezirken eine sehr wichtige soziale Funktion. Da treffen sich die Menschen nicht nur beim Zeitung- und Zigarettenkaufen, da haben oft gerade Ältere den einzigen sozialen Kontakt am Tag. Auch diese Funktion sollte man nicht unterschätzen. Das wird mit diesem Gesetz natürlich weiter hintertrieben, und es wird wahrscheinlich in weiterer Folge wieder zu einem anhaltenden Trafiken­sterben kommen.

Aus den genannten Gründen bringen wir folgenden Antrag zu dieser Vorlage ein:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Gegen den Beschluss wird gemäß Art. 42 B-VG mit folgender Begründung Einspruch erhoben:

‚Die gegenständliche Novelle beinhaltet überschießende Verbote im Bereich des Rauchens bzw. in sachlich Hinsicht ungerechtfertigter Weise gleich behandelter ande­rer Formen des Nikotinkonsums, ja sogar des Konsums und Vertriebs ungiftiger Sub­stan­zen und greift damit in persönliche Freiheit der Bürger ebenso unvertretbar ein wie die Wirtschaft geschädigt wird‘.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.52


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Der von den Bundesräten Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nunmehr hat sich Frau Bundesrätin Stöckl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.53.14

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Printmedien wie zum Beispiel „Die Presse“ vom 27. Jänner 2016 titeln, „Schockbilder gegen das Rauchen“, dann haben sie wohl einen guten Teil unserer Aufgabe, mit dieser zu beschließenden Gesetzesnovelle präventiv zu handeln, verstanden.

Wie war es denn in unserer Jugend? – Ich bin ein Kind der siebziger Jahre. In unserem Umfeld wurde unentwegt und überall geraucht: daheim, in Büros, in Zugabteilen, bei Konferenzen, und, und, und. Uns heranwachsenden Teens in den Achtzigern suggerierte die Werbung, dass es cool sei, zu rauchen – ob es bei der Formel 1 zum Beispiel die fahrenden Marlboro-Boliden waren, ob es der Zusatzstoff Menthol war, der jeden Discobesuch zum Genusserlebnis machte. Ich erinnere mich selbst an diese Zeit zurück, an die erste Zigarette – es war eine Mentholzigarette, die in diesem Umfeld noch besser schmeckte.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 133

Ja, die Werbung hat damals ganze Arbeit geleistet, aber dann, Jahrzehnte später, kam bei vielen ein böses Erwachen: Lungenkarzinome, Herzinfarkte, COPD – darunter versteht man die chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen. Letztendlich folgten dann die Hilferufe in Arztpraxen: Hätte ich das gewusst! Warum war ich damals so dumm? Warum habe ich mit dem Rauchen begonnen? Ich möchte noch nicht sterben! – Wer raucht, stirbt im Schnitt acht Jahre früher. 30 Prozent aller Krebserkran­kungen sind durch Rauchen bedingt, 90 Prozent der Lungenkrebserkrankungen sind durch Zigaretten bedingt.

Jeder Mensch ist seines eigenen Glückes Schmied, jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Wir können jetzt über das Kulturgut Rauchen, dem schon die Urvölker huldigten, lange diskutieren. Natürlich werfen Kritiker gern Bevormundung durch den Staat vor und fragen: Wo sind die Grenzen? – Ich frage mich in diesem Zusammenhang immer: Wie sieht es mit jenen aus, die passiv mitrauchen müssen, mit Kindern, ob ungeboren oder bereits selbst die Giftstoffe einatmend? Wie können wir heute die Jugendlichen davon überzeugen, dass Rauchen uncool ist?

Die uns vorliegende und zu beschließende Novelle ist ein weiterer Schritt, um den Risikofaktor Rauchen zurückzudrängen. Es ist zwar die Entscheidung eines jeden Einzelnen, zu rauchen, aber die Gesundheit des Gegenübers ist schützenswerter. Wenn die nunmehrigen Schockbilder auf den Zigarettenverpackungen zum Nachden­ken bewegen, dann hat das Gesetz seine Wirkung erzielt.

Ganz generell muss ich in diesem Zusammenhang auch ein Anliegen, eine Anregung einbringen, die zwar nicht Gegenstand dieser Novelle ist, aber einen Konnex aufweist und mir thematisch absolut wichtig ist. Es gibt im Handel noch immer diese Schoko- und Kaugummizigaretten in täuschend echt imitierten Zigarettenschachteln – sogar mit nachgeahmter Steuerbanderole. Sie imitieren sogar die Marken mit Namen und Logo von Zigarettensorten. Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, da haben wir im Bereich der Prävention bei Kindern noch eine Herausforderung zu meistern.

Abschließend zum vorliegenden Gesetzesantrag: Tabakkonsum ist die größte vermeid­bare Ursache für chronische Erkrankungen. Die Novelle soll eine nachhaltige Reduk­tion von Erkrankungen, die durch das Rauchen bedingt sind, bringen, und zwar durch Verringerung der Attraktivität von Tabakerzeugnissen und auch verwandten Erzeug­nissen. Prävention ist für mich das Schlagwort und der Ansatz.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Noch einmal: Es geht nicht darum, dem lust­vollen Raucher das Rauchen zu verbieten, es geht um keine Verbotskultur, wie es die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ sehen. Es gilt, jenen zu helfen, die mit dem Rauchen aufhören wollen. Es gilt, jenen zur Seite zu stehen, die durch Passivrauchen geschädigt werden oder sich nur gestört fühlen, und es geht vor allem um Prävention im Allgemeinen, aber umso mehr bei Kindern und Jugendlichen. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie durch diese Gesetzesnovelle ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden.

Wir werden dem Antrag der FPÖ nicht zustimmen, da die Begründungen nicht stich­haltig sind. Es ist eine einseitige wirtschaftliche Sichtweise, der gesundheitliche Aspekt wird nicht berücksichtigt, und das sage ich nicht nur in meiner Funktion als Bundes­rätin, sondern auch in meiner Funktion als Physiotherapeutin. Ich habe während meiner Ausbildung ein Praktikum auf der Pulmologie gemacht und einige Lungenkar­zinom-Patienten behandelt. Ich kann nur sagen: Das sind schreckliche Schicksale.

Für mich gilt: Prävention ist das Schlagwort und der Ansatz. Die Gesundheit ist unser höchs­tes Gut. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schmittner.)

15.58



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 134

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Reiter. – Bitte.

 


15.58.57

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir stimmen diesem Gesetz zu. Wir haben in Österreich leider nach wie vor ein massives Problem in diesem Bereich. Wir sind EU-weit gesehen noch immer im Spitzenfeld, gelten als der Aschenbecher der EU. Das ist die andere Seite davon – wie angeführt wurde –, dass in den Grenzregionen zu Bayern die Wirte profitiert haben, weil die Leute nach Salzburg und Oberösterreich und so weiter zum Rauchen gekommen sind.

Wir haben vor allem ein massives Problem mit rauchenden Jugendlichen, insbe­sondere Mädchen. Dazu braucht es gar keine Statistik; wenn Sie bei uns zum Beispiel mit Besuchern aus Übersee unterwegs sind, fällt denen sofort auf, wie viele Men­schen – und gerade wie viele Jugendliche – auf der Straße rauchen und immer wieder auch mit Zigaretten anzutreffen sind. Wir haben da noch einen weiten Weg zu gehen, um das Rauchen wirklich erfolgreich zurückzudrängen, obwohl die Maßnahmen in den letzten Jahren ganz offensichtlich schon greifen. Es gibt einen gewissen Rückgang. Es ist also nicht umsonst; diese Maßnahmen greifen.

Das Rauchen – es wurde heute hier schon oft erwähnt – ist schließlich die größte vermeidbare Ursache für eine Vielzahl von Erkrankungen, die teilweise zu Invalidität, aber eben auch zu vielen, vielen Todesopfern führen: 14 000 Todesopfer im Jahr in Österreich, das sind über 38 jeden Tag; das muss man sich einmal vorstellen. Das muss doch der Aufruf sein, dagegen etwas zu tun. Jeder, der schon einmal in seinem Bekanntenkreis jemanden über viele Jahre an COPD leiden gesehen hat, wird doch sagen, dass man da präventiv etwas tun muss, um unsere Jugend und unsere Kinder davon abzuhalten.

Kollege Schererbauer, haben Sie noch nie davon gehört, dass Erwachsene schließlich die Vorbilder für die Jugend sind? Da geht es eben auch darum, diese Vorbildfunktion zu einer positiven zu machen, und nicht darum, zu sagen, dass die in aller Freiheit und Coolness vor sich hin rauchen sollen – und dann wundert man sich darüber, was die Kinder und Jugendlichen tun und welche Schäden sie durch Passivrauchen davon­tragen.

Stellen Sie sich vor, dass beim Rauchen einer Zigarette so viel Feinstaub frei wird, dass es mehr ist als der Output eines Dieselmotors in zwölf Stunden Laufzeit, obwohl man die Dieselmotoren sozusagen derartig angreift! Das sind keine Kleinigkeiten, und den Feinstaub werden Sie auf diese Weise auch nicht los. Wir haben da also ein Problem. Falls dieses Gesetz da hilft, in Richtung Prävention und Eindämmung etwas weiterzubringen, dann sollten wir auf alle Fälle dahinterstehen.

Die Tendenz geht dahin, Zigarettenschachteln überhaupt neutral zu gestalten, also sie nicht mehr als Reklamefläche und so weiter verwenden zu können. Ich meine, das ist vielleicht ein weiterer Schritt.

Kollege Krusche, hier über die soziale Funktion der Trafikanten, die uns da verloren geht, zu sprechen, ist schon ziemlich weit hergeholt. Es sind viele Institutionen ver­schwunden, die eine wichtige soziale Funktion hätten. Ich denke dabei zum Beispiel an die Briefträger, die früher eine wichtige soziale Funktion hatten und das auch ausleben konnten, aber eben auch an die Greißler, die uns verloren gegangen sind, und so weiter. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Zur Erhaltung der Trafikanten und ihrer sozialen Funktion das Rauchen sozusagen zu befördern und das auch ins Treffen zu führen, das, glaube ich, entspricht nicht der Dimension des Problems, das wir haben und gegen das es vorzugehen gilt.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 135

Um zum Abschluss noch etwas Netteres zu sagen – da wir hier im Bundesrat sind –: Die Statistiken geben ja auch ganz interessante Dinge her. Wissen Sie, wo die rück­sichtsvollsten Raucher in Österreich zu Hause sind? – Im Burgenland! Im Burgenland gibt es die rücksichtsvollsten Raucher (Bundesrätin Posch-Gruska: Ja, da siehst du es!), obwohl das Burgenland den höchsten Raucheranteil innerhalb von Österreich hat (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Posch-Gruska); daheim wird im Burgenland aber nur halb so oft mitgeraucht wie in Tirol. (Bundesrat Dörfler: Weil im Burgenland der Wein billiger ist! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Allgemeine Heiterkeit.) Die Tiroler sind die rücksichtslosesten Raucher, denn da ist fast jeder Siebte daheim der Rauchbelastung ausgesetzt. – Ich wollte nur sagen, dass Statistiken auch solche Dinge hergeben; und vielleicht erfreut das jetzt manche und andere nicht.

Ich glaube aber, wir sollten hier jede Chance und jede Möglichkeit ergreifen, das Rauchen einzudämmen, zurückzudrängen, die Leute auch nicht in diese Sucht fallen zu lassen oder mit Werbung in diese Sucht hineinzutreiben, weil es eben „so cool“ ist.

Es ist nicht nur eine Belastung für die einzelnen Menschen, wenn sie von den Krank­heiten, von Krebs und Lungendestruktion, betroffen sind, sondern auch eine riesige Belastung für das Gesundheitssystem, mit den Schäden und den Folgewirkungen des Rauchens fertigzuwerden. Wir werden diesem Gesetz gerne zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

16.05


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser. – Bitte.

 


16.05.28

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Frau Bundesrätin Stöckl besonders dankbar für das Bild, das sie gezeichnet hat. Wir sind alle – und ich habe mir das noch einmal überlegt – mit dem „Club 2“ groß geworden. Jeder von uns hat noch diese Sitzgarnitur im Kopf, auf der alle geraucht haben, man hat kaum durch den Dunst durchgesehen. Ich weiß, dass im Parlament noch geraucht wurde. Es wurde in vielen Ausschüssen noch geraucht. Wir sind damit aufgewachsen, dass die Boliden mit dem Marlboro-Schriftzug gefahren sind, dass die großen Kurven so bezeichnet waren.

Das heißt, man hat uns damit erzogen, dass Rauchen etwas ist, was die Großen und Erwachsenen machen, was besonders cool ist und was man auch machen könnte und auch tun sollte. Und dann hat man doch irgendwie gemerkt, dass der Marlboro-Mann zwar sehr nett in den Sonnenuntergang reitet, dass er aber relativ rasch vom Pferd fällt, wenn er sehr viele dieser Zigaretten geraucht hat. (Bundesrat Krusche: Er wird erschossen! – Allgemeine Heiterkeit.) – Erschossen wird er nur bei den sehr liberalen Waffengesetzen in Amerika, bei uns noch nicht!

Man hat einfach überlegt – und das ist keine österreichische Geschichte, sondern eine weltweite Geschichte –, wie man dem Rauchen als einer der wesentlichsten Ursachen für diverse Erkrankungen zu Leibe rücken kann.

Da sind es verschiedene Schritte. Sie haben gesagt, Sie kritisieren den Jugendschutz, Sie haben auch gesagt, dass das eine Ländersache ist. Wir würden uns auch wün­schen, dass man viele Dinge, wie den Tierschutz und das alles – das sage ich jetzt –, in Bundeskompetenz hätte, um diese Dinge dann auch einfacher zu entscheiden und da zu schauen, dass das das Gleiche ist, wenn es über die Ländergrenzen hinweg­geht.

Sie haben auch die Aromen genannt. Wir alle kennen das; geschmeckt haben sie nach Vanille und nach Kirschen – nach Schokolade haben nur die Kinderzigaretten ge-


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schmeckt –; das heißt, das waren schon so Sachen, mit denen man auch Frauen und jungen Mädchen – und das ist die Hauptzielgruppe gewesen, da es denen eigentlich vor dem Zigarettenrauch gegraust hat – im wahrsten Sinne des Wortes so ein bisschen den Geschmack versüßt hat. Das heißt, das Wegfallen von Geschmacksstoffen hilft natürlich auch, wie gesagt, dass es der, den es gleich im Hals kratzt, dann vielleicht doch bleiben lässt.

Zur Frage der Demonstrationen für die Freigabe von Cannabis: Für Cannabis können sie demonstrieren, aber bezüglich der Cannabis-Geschichten haben wir uns sehr klar festgelegt. Man muss es sich im medizinischen Bereich anschauen. Ich glaube, wenn man jetzt nach Deutschland schaut, ist das durchaus etwas, worüber man nachdenken muss, ob man in Österreich nachziehen soll, kann oder will. Das ist noch eine lange Diskussion, die wir vor uns haben. Zur Frage des öffentlichen Gebrauchs hat sich zumindest meine Fraktion festgelegt.

Das, was es hier zu beschließen gilt, ist nur ein weiterer Schritt. Das eine ist das Rauch­verbot in der Gastronomie, das wir jetzt – das sage ich jetzt einmal so – ein bisschen repariert haben.

Die Schockbilder, worüber Sie gesagt haben, dass man sich an die gewöhnt, rotieren halbjährlich, damit man sich eben nicht daran gewöhnt. Auch die Frage, wie die Packungen in Zukunft gestaltet werden sollen, ist in der Europäischen Union eine Diskussion gewesen. Es gibt zwei Möglichkeiten, das eine ist das Plain Packaging, bei dem gar nichts drauf ist, und das andere sind die Schockbilder, für die wir uns auch deshalb entschieden haben, weil die Wirtschaft darum gebeten hat, die im Prinzip lieber die Bilder als weiße Packerl hat.

Ich habe mir jetzt auch noch das angeschaut, was die Frau Bundesrätin Stöckl zu den Schokoladezigaretten gesagt hat. Die werden dann nicht zugelassen, wenn Marlboro, Schoko-Marlboro, Schoko-Camel oder Sonstiges darauf zu lesen wäre. Ich habe mir jetzt die Bilder angeschaut – ich habe versucht, zu googeln und Bilder anzuschauen –: Die heißen Farao oder haben sonstige Namen. Das heißt, sie haben zwar schon einen Konnex zu einer Zigarettenpackung, aber nicht zu konkreten Tabakprodukten, was unter das Sponsor- und Werbeverbot fallen würde.

Die Frage ist, wie lange Kinder es noch lustig finden, die Zigaretten zu rauchen, wenn der Papa oder die Mama es vielleicht nicht mehr tun. Deswegen haben wir auch auf den richtigen Zigarettenpackungen nicht nur Schockbilder drauf, sondern auch die Telefonnummer des Rauchfrei Telefons. Wir wissen aus dem europäischen Vergleich, dass die Frequenzen gestiegen sind, als das in den diversen Ländern neu angeboten wurde, und dass sehr, sehr viele Menschen, die rauchen, die Angebote, die dann gekommen sind, auch genützt haben.

Alles in allem bedanke ich mich, wenn Sie diesem Gesetz zustimmen, das heißt, wenn Sie das zur Beschlussfassung gelangen lassen. Ich glaube, dass es ein weiterer Schritt ist, was auch viele bereits gesagt haben, um zu versuchen, zu verhindern, dass viele Menschen durch aktives oder auch passives Rauchen an Krebs erkranken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.09

16.09.50

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt der Antrag der Bundesräte Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein


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Bundesgesetz, mit dem das Tabakgesetz und das Gesundheits- und Ernährungs­sicher­heitsgesetz, GESG, geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag die Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

16.11.278. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert wird (1013 d.B. und 1087 d.B. sowie 9570/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend Rahmenabkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über grenz­überschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst (1000 d.B. und 1086 d.B. sowie 9571/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um die Berichte.

 


16.12.18

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Öster­reich GmbH geändert wird. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht zu Tagesordnungspunkt 9, nämlich den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend Rahmenabkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen Republik über grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst. Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 138

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich erteile ihr dieses.

 


16.13.38

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Als Bürgermeisterin einer kleinen Waldviertler Gemeinde erfreut mich natürlich der Tagesordnungspunkt 9 ganz besonders, und zwar aus dem Grund, weil die Grenzverbindung zwischen der Tschechischen Republik und Österreich durch den Eisernen Vorhang immer behindert war und dieser eine Verhinderung in den unterschiedlichsten Bereichen dargestellt hat.

Ich wage einen Blick zurück: Es war eben aufgrund des Eisernen Vorhangs unmöglich, in den Grenzregionen diese Abkommen abzuschließen. Das Waldviertel war durch den Eisernen Vorhang immer von einer starken Abwanderung betroffen. Der Zaun ließ unsere Nachbarn eigentlich unerreichbar erscheinen. (Bundesrätin Posch-Gruska: Und den bauen wir jetzt wieder auf!)

Erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs setzte ein Grenzverkehr ein, der aber durch den Beitritt Österreichs zur EU beziehungsweise der dann folgenden Umsetzung des Schengen-Abkommens etwas eingebremst wurde, da immerhin auch unser Waldviertel ein Teil der Schengen-Außengrenze war. Das hat sich Gott sei Dank inzwischen erfreulicherweise zum Positiven verändert, seitdem auch die Tschechische Republik zur EU gekommen und in der Folge auch dem Schengen-Raum beigetreten ist. Dort, wo früher die Grenze alles eingebremst hat, herrscht heute ein reger Austausch zwischen den Regionen. Wir haben die unterschiedlichsten grenzüberschreitenden Vorhaben und Kooperationen, und dieses Abkommen betreffend Rettungsdienst ist eines davon.

Wir können in diesem Bereich auch sehen, dass unsere Grenze in diesem Sinne der Regionen auch zusammenwächst, was natürlich von der Europäischen Union ge­wünscht wird.

Es ist daher nur logisch und auch zu begrüßen, dass dieses Rahmenabkommen be­schlossen wird, welches Garant dafür sein wird und auch sein muss, dass die best­mögliche Versorgung durch den Rettungsdienst der Bürgerinnen und Bürger beider Regionen festgesetzt ist.

Zudem wird dadurch eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich des Rettungsdienstes gefördert, und die rechtlichen Fragen dieses Rettungseinsatzes werden geklärt. Es ist ein absolut sinnvolles und begrüßenswertes Abkommen, da einerseits gleiche Sonder- und Wegerechte sowie harmonisierte Formen der Haft­pflicht­versicherung vorliegen und andererseits Vergütungen auf beiden Seiten der Grenzen ermöglicht werden. Zeitnahe medizinische Versorgung wird damit, unab­hängig von der Staatsgrenze, auf klare rechtliche Grundlagen gestellt, und dies können wir vor allem im Sinne der Waldviertlerinnen und Waldviertler nur begrüßen.

Wie das erwähnte Abkommen zwischen Österreich und Tschechien ist auch die Novel­lierung des Bundesgesetzes über die Gesundheit Österreich GmbH sehr zu begrüßen. Diese Novellierung gewährleistet, dass das Register aller Stammzellenspender in Hinkunft von der öffentlichen Hand geführt wird. Durch diese Neuorganisation der Verwaltung der Stammzellenspender besteht auch die begründete Hoffnung, dass in diesem Bereich noch mehr Menschenleben gerettet werden können.

80 Prozent der betroffenen Menschen sollen innerhalb eines Monats einen Spender finden. Wir wissen aber auch, dass für die Menschen eine rasche Behandlung notwen-


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dig ist. Bei Krankheiten zählt jeder Tag, an dem eine zielführende Behandlung einge­setzt werden kann. Gerade bei Leukämie ist eine erfolgreiche Stammzell­trans­plan­tation oft lebensrettend, und sie kann den Menschen, die an dieser Krankheit erkrankt sind, viele Vorteile bringen.

Bisher gab es auch, wie wir im Ausschuss gehört haben, eine sehr geringe Nachfrage von Spendern aus Österreich, wobei sich auch der Fonds in der Vergangenheit aus Spendeneinnahmen selbst finanziert hat. Dies wird sich mit der Übertragung der Aufgaben des neuen Spenderregisters auf die Gesundheit Österreich GmbH verän­dern.

Auch das seit dem Jahr 2014 angebotene Programm zur Früherkennung von Brust­krebs sieht weitere Evaluierungsmaßnahmen vor. Im Rahmen dieses Programms können Frauen ab 40 Jahren alle zwei Jahre kostenlos zur Mammographie gehen. Das Ziel dabei ist, eine Krankheit früh zu entdecken, noch bevor Beschwerden auftreten beziehungsweise die Krankheit ausgebrochen ist.

Das österreichische Brustkrebs-Früherkennungsprogramm richtet sich daher an gesunde Frauen ohne Beschwerden und ohne familiär erhöhtes Brustkrebsrisiko, obwohl die Teilnahme an einem Screening nicht für alle Frauen gleich sinnvoll er­scheint. Angelehnt an internationale Studien wurden auch in Österreich Frauen im Alter von 45 bis 69 Jahren als Gruppe mit dem größten Nutzen an der Teilnahme an einem Brustkrebs-Screening-Programm definiert.

Leider nehmen viele Frauen dieses Angebot nicht immer in Anspruch, und auch die Zahl der untersuchten Frauen ist in den letzten Jahren doch etwas zurückgegangen. Brustkrebsuntersuchungen stellen bedeutende Maßnahmen dar, angefangen von der Diagnose bis hin zur Versorgung im Spital. Meine Fraktion stimmt beiden Gesetzes­vorlagen zu. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.19


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hammerl. Ich erteile ihm dieses.

 


16.19.39

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine geschätzten Damen und Herren! Heute liegt uns ein wichtiger Gesetzentwurf vor. Frau Bundes­minister, ich danke Ihnen besonders für die Vorbereitung.

Meine Damen und Herren, ich bin seit 25 Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender im Hilfswerk Steiermark, das mobile Hauskrankenpflege anbietet. Wir betreuen täglich über 3 000 Patienten in der Steiermark. Ich kann mich heute noch, es liegt Jahre zurück, an die Anfangszeiten erinnern: Die Diagnose Leukämie war in vielen Fällen ein Todesurteil. Eine solche Diagnose war mit Aussichtslosigkeit verbunden. Heute da­gegen gibt es wenigstens für die meisten Formen der Leukämie gute Heilungs­chancen. Die medizinische Forschung ist in einem rasanten Tempo vorangetrieben worden.

Damit aber Ergebnisse medizinischer Forschung bei der Heilung von Krankheiten nutzbar gemacht werden können, bedarf es der Schaffung einer Infrastruktur, damit die für die Heilung benötigten Substanzen auch sofort greifbar sind. Das gilt besonders auch in Bezug auf die Heilungsmöglichkeiten im Bereich der Leukämie.

Für eine Behandlung und Heilung bedarf es vor allem geeigneter und verträglicher Stammzellen. Eine erfolgreiche Stammzelltransplantation, die in vielen Fällen meist die einzig zielführende Behandlungsmethode darstellt, hängt wesentlich davon ab, dass möglichst schnell ein geeigneter Spender oder eine geeignete Spenderin gefunden wird. Die Suche und die Koordination der Suche wird mit dieser Änderung des Bun-


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desgesetzes über die Gesundheit Österreich GmbH in die Hände eben dieser Gesund­heit Österreich GmbH gelegt.

Mit der Schaffung dieser Infrastruktur kann der medizinische Fortschritt schneller und effektiver zum Menschen gebracht werden. Diese wichtige Aufgabe soll mit der Eingliederung in die Gesundheit Österreich GmbH nun noch effektiver bewältigt werden. Die Wichtigkeit dieser Maßnahme zeigt folgende Zahl: Im Jahre 2014 war die Suche nach geeigneten Spendern in 515 Fällen erfolgreich, was gemessen an den Anfragen einer Quote von über 80 Prozent entspricht. Diese Quote könnte durch diese neue gesetzliche Verordnung erhöht werden. Aber auch das Spenderaufkommen könnte durch diese neue Organisationsform angehoben werden, weil gezielter vorge­gangen werden kann.

Weiters soll die Gesundheit Österreich GmbH die laufende Evaluierung und Qualitäts­siche­rung des im Jahre 2014 gestarteten Brustkrebs-Früherkennungsprogramms vor­nehmen. Für die Durchführung ist es erforderlich, dass durch diesen Gesetzesbe­schluss entsprechende datenschutzrechtliche Grundlagen geschaffen werden. Solche Krebs-Früherkennungsprogramme sind im Sinne einer wirksamen Behandlung sehr wichtig und bedürfen einer besonderen Förderung, die im Rahmen dieser Gesellschaft geschaffen wird.

Meine Damen und Herren, Früherkennung bedeutet in vielen Fällen eine aussichts­reiche Behandlungsmöglichkeit. Deswegen gilt es, alles zu unternehmen, um Krebs so früh wie möglich zu erkennen oder, noch besser, präventivgegen diese Krebserkran­kung zu wirken.

Ein zweiter Punkt steht heute zur Diskussion, Kollegin Adelheid Ebner hat bereits darüber berichtet: das Rahmenabkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren, gerade angesichts „der zunehmenden Mobilität der Men­schen zwischen beiden Staaten und der Forderung nach einer ständigen Verbes­serung der Qualität, der Sicherheit und Verfügbarkeit der Gesundheitsversorgung“, wie es im Abkommen heißt, ist eine solche Zusammenarbeit äußerst begrüßenswert.

Dieses Abkommen zeigt zugleich deutlich eine Konsequenz der Zusammenarbeit in der EU, nämlich den Abbau behindernder Grenzen. Gerade angesichts der Diskussion über Grenzen und deren Funktion ist es wichtig, diesen Aspekt der Überwindung von Grenzen durch die EU zu erfahren.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich möchte mich wirklich für Ihren großartigen Einsatz für diese beiden Gesetze bedanken. Das ist – keine Frage – für Österreich eine große, große Errungenschaft, auch im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

16.24


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meißl. Ich erteile ihm dieses.

 


16.24.19

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Frau Minister, Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben (Bundesministerin Oberhauser: Schaut’s so aus?), ich bin nicht so böse, dass ich immer einen Ordnungsruf kriege. (Heiterkeit des Redners sowie der Bundesministerin Oberhauser.)

Das ist mir nur einmal passiert; das kommt halt vor. (Bundesministerin Oberhauser: Das trägt man wie einen Orden!) – Ja, genau! Das trägt man ganz stark und kräftig.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 141

Die vorliegenden Änderungen zum Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH sehen wir als durchaus klug an und werden dem auch zustimmen – das gleich vorneweg gesagt.

Wenn es nämlich in der Problemanalyse, zum Beispiel beim Stammzellenregister, heißt, dass die Versorgung mit Stammzellen in Zukunft in hohem Ausmaß gefährdet ist, dann muss man handeln. Deswegen sehen wir es auch als durchaus gescheit an, diesen Bereich in die Obhut des Bundes zu legen. Die öffentliche Hand soll ihre Verantwortung in diesem Bereich ganz einfach wahrnehmen.

Es ist ja nichts schlimmer, als wenn Menschen – der Kollege hat es auch kurz ange­sprochen –, die zum Beispiel an Leukämie erkranken, aus organisatorischen Gründen nicht oder nur verspätet geholfen werden kann, im Wissen, dass es aus medizinischer Sicht sehr wohl möglich wäre, organisatorisch aber einfach die Strukturen nicht passen.

Im Bereich Stammzelltherapie sollte man vielleicht eines noch ansprechen: Das ist die Einlagerung der Nabelschnurstammzellen bei der Geburt, und zwar im Sinne der Eigenvorsorge. Vielleicht könnte man da eingreifen; viele Eltern lassen das ja bereits machen. Es kostet einiges, aber ich denke, dass die öffentliche Hand und der Bund im Sinne der Gesundheit unserer Kinder durchaus eine Verantwortung hätten, auch deshalb, weil es aus Kostengründen und im Sinne einer schnellen Heilung eine sehr sinnvolle Maßnahme wäre. Vielleicht könnten Sie das auch mit auf den Weg nehmen, vielleicht gibt es da Möglichkeiten, aktiv zu werden.

Beim Brustkrebs-Screening ist es sicher so, dass das eine sinnvolle und erfolgreiche Maßnahme zur Früherkennung ist, die aus unserer Sicht möglichst vielen Frauen zugänglich sein sollte. Die grundsätzliche Einschränkung auf Frauen, die älter als 40 sind – wobei Frauen zwischen 40 und 44 und über 70 unnötige bürokratische Hürden auf sich nehmen müssen –, sollte man beseitigen. Diese halten wir nicht für besonders gescheit.

Die 2014 eingeführte Regelung zur Brustkrebs-Früherkennungsmammographie hat durch die damals abgeänderte Einladungspolitik zu den Untersuchungen übrigens dazu geführt, dass die Zahl der Mammographien um 15 Prozent zurückgegangen ist. Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern das sagt die Ärztekammer, die schon seit einiger Zeit auf dieses Problem hinweist. Ich denke, es würde Sinn machen, die Altersbegrenzung aufzuheben und die Teilnahme allen Frauen jeglichen Alters zu ermöglichen, ganz einfach deswegen, weil – wie schon erwähnt wurde – Früher­kennung hilft, Leben zu retten und die Folgen für die Betroffenen zu minimieren.

Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto geringer sind, nebenbei bemerkt, auch die Behandlungskosten. Es ist jedenfalls wichtig, das Screening-Programm im Sinne der Patientinnen immer weiter zu verbessern. Da für die Qualitätssicherung des Brust­krebs-Früherkennungsprogramms verschiedene Daten erforderlich sind, ist es wichtig, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen. Wir stimmen dem auch zu.

Eine Anmerkung habe ich noch als Mann: Rund 1 Prozent aller Neuerkrankungen bei Brustkrebs betreffen übrigens Männer – das wissen vielleicht wenige. Das sind in Österreich wahrscheinlich 50 bis 70 Personen. (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.) – Aber gerade weil es so wenige sind, Frau Kollegin, endet das sehr oft fatal. Ich rede jetzt gar nicht davon, dass man die alle zum Früherkennungsprogramm schicken sollte (Heiterkeit und Zwischenruf des Bundesrates Mayer), aber vielleicht wäre es möglich, im Zuge von Aufklärungskampagnen auch auf die Gefährdung von Männern hinzu­weisen, einfach um diese zu sensibilisieren und auch die Ärzte zu sensibilisieren, damit die Diagnose nicht zu spät gestellt wird. Frau Minister, vielleicht können Sie diese Anregung auch mitnehmen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 142

Das Rahmenabkommen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst ist auch eine gute Sache. Es stellt sich dabei eigentlich nur die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis es zu diesem Abkommen gekommen ist. Es steht außer Zweifel, dass es von größter Bedeutung ist, Patienten im Anlassfall so rasch wie möglich zu versorgen und in ein möglichst nahe gelegenes Krankenhaus zu transportieren.

Was für die Grenzregionen gilt, sollte aber auch innerösterreichisch umgesetzt werden. Da gibt es offenbar an verschiedenen Landesgrenzen noch immer Probleme. Zuneh­mende Probleme gibt es auch in den ländlichen Regionen, ganz einfach aus dem Grund, weil es immer weniger voll ausgestattete Spitäler gibt. In meiner Heimatstadt Mürzzuschlag wird gerade ein Krankenhaus scheibchenweise restrukturiert, wie es so schön heißt; in Wirklichkeit wird es geschlossen. Du brauchst nicht mit dem Kopf zu wackeln, Kollege von der ÖVP! Es ist so! Dieses Krankenhaus wird in eine Akut­geriatrie umgewandelt und hat schon lange keine vollwertige medizinische Versorgung mehr. Das betrifft viele ländliche Gebiete in Österreich.

Was man auch sagen muss: Eine Rettungsfahrt dauert nicht mehr nur ein paar Minu­ten, sondern bis zu 45 Minuten. Ich habe das selbst erlebt, als meine zweijährige Tochter kollabiert ist und die Einsatzfahrt von Mürzzuschlag nach Leoben – und da rede ich gar nicht von den Seitentälern – bei trockener Fahrbahn und geringem Verkehrsaufkommen 45 Minuten gedauert hat. Das ist nicht zumutbar! Da sollten wir uns schon unserer Verantwortung bewusst sein, innerhalb Österreichs bessere Rege­lungen zu schaffen und nicht jedes Krankenhaus mit der Begründung: Wir haben das Geld nicht mehr für die Medizin!, zuzusperren.

Es gibt zwei Zitate, die ich ansprechen möchte, die in diesem Zusammenhang durch­aus interessant sind.

„Derzeit werde nämlich nicht die Behandlung optimiert, sondern die Wirtschaftlichkeit“, sagt der Präsident des Hausärzteverbandes.

Dann gibt es ein zweites Zitat: „Ja, wir sind sicher, dass die Salzburger Bevölkerung Spitzenmedizin in ihrem Bundesland haben will. Aber Spitzenmedizin ohne qualitativ hochstehende wohnortnahe Angebote in Krankenhäusern und im niedergelassenen Bereich verfehlen die Erwartungen unserer Bevölkerung.“ – Das sagt der Ärztekam­merpräsident von Salzburg.

Das sind zwei Dinge, die ich voll und ganz unterstreichen kann und hinter denen ich auch stehe. Es kann nicht sein, dass ein großer Teil der Bevölkerung wegen seines Wohnortes von qualitativ hochwertigen medizinischen Leistungen ausgeschlossen wird, nur weil diese Menschen eben sehr peripher wohnen. (Vizepräsident Gödl über­nimmt den Vorsitz.)

Ich möchte zum Abschluss noch einen Gedankensprung machen. Es geht mir um den Selbstbehalt für Kinder bei Krankenhausaufenthalten. Da wäre vielleicht eine Streichung anzudenken, denn Familien werden dadurch sehr stark belastet. Diese Selbstbehalte sind vor allem für sozial benachteiligte Familien ein Problem. Ein entsprechender Antrag liegt seit einem Jahr im Ausschuss des Nationalrates. Vielleicht lässt sich das auch ein wenig beschleunigen, um zu einer Lösung zu kommen, auch wenn ich weiß, dass das in der Kompetenz der Länder und nicht in der des Bundes liegt. Aber vielleicht können Sie in diesem Punkt einwirken.

Die vorliegenden Änderungen des Bundesgesetzes über die Gesundheit Österreich GmbH begrüßen wir ebenso wie das Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit im Rettungsdienst mit der Tschechischen Republik und stimmen daher auch zu.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 143

Im Gesundheitswesen gibt es aber noch viel zu tun. Im Mittelpunkt aller Bemühungen müssen aber die Menschen und Patienten stehen und nicht die Gesundheitsökono­men. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.31


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


16.31.52

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich vom Kollegen Meißl nicht dazu ver­führen lassen, jetzt über die Probleme im Gesundheitswesen zu sprechen, was Län­der­kompetenzen, Bundeskompetenz, die Möglichkeit der Planung von Krankenhäusern – wo diese sind, wie man sie organisiert und wie man die Transporte durchführt – betrifft.

Ich werde nur ganz kurz auf die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe eingehen. Wir werden beiden zustimmen. Wir halten das für sehr sinnvolle Lösungen, weil wir auch der Überzeugung sind, dass die Fondskonstruktion eigentlich nicht mehr oder nicht in dem Maß geeignet ist, diese Aufgaben wahrzunehmen. Es ist daher gut, dass es einer Gesellschaft übertragen wird, die im Transplantationsbereich auch schon internationale Erfahrungen und Erfolge vorzuweisen hat.

Man muss sehen, dass es sich auch in diesem Bereich, nicht nur im Bereich Brust­krebs-Screening, immer wieder um sensible Daten handelt, Daten, die einerseits sensibel sind, aber andererseits auch sehr wertvolle Daten darstellen, mit denen gute und wertvolle Forschung gemacht werden kann und gemacht werden muss, natürlich auch in der Evaluierung all dieser Maßnahmen. Aber es braucht eben auch eine große Sensibilität, um mit diesen Daten entsprechend umzugehen. Leider ist das für uns in den vorliegenden Gesetzentwürfen nicht ausreichend geregelt. Aber ich vertraue darauf, dass es in Kooperation mit dem Datenschutzrat noch zu entsprechenden Verordnungen und Nachbesserungen kommt.

Wie gesagt, ich halte diese Daten für sehr wertvoll für die medizinische Forschung und für die weitere Entwicklung, aber eben auch für sehr sensibel, und das soll auch ent­sprechend qualitätsvoll geregelt sein. Das wäre uns noch ganz besonders wichtig.

Zum Brustkrebs-Screening: Ich glaube, die Regelung ist gut, so wie sie ist, weil es für gefährdete Gruppen – wenn es Vorbelastungen gibt und so weiter – natürlich die Möglichkeit der Untersuchung gibt. Das finde ich positiv.

Es ist ja auch so, dass natürlich auch das Screening eine Belastung für die Frauen darstellt. Das muss abgewogen werden, und es gibt wahrscheinlich auch schon ton­nenweise Untersuchungen und Evaluierungen darüber, was dabei klug ist: möglichst viel und regelmäßig und von früh an Screening-Programme zu fahren oder nicht. Durch das Screening kommen natürlich auch relativ viele falsch positive Ergebnisse zustande, und das stellt natürlich auch eine Belastung für die Frauen dar.

Ich denke, das muss klug abgewogen werden, und da ist es auch immer wieder wich­tig, dass man die Programme entsprechend evaluiert, um den richtigen Mittelweg zu finden. Aber wir werden, wie gesagt, beidem gerne zustimmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

16.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun darf ich der Frau Bundesministerin das Wort erteilen. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 144

16.35.47

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich bei der Frage der GÖG-Novelle bleiben, bei der Frage des Brustkrebs-Früherkennungsprogrammes.

Aufgrund des Datenmateriales wissen wir sehr genau, wie viele Frauen zur Mammo­graphie gehen. Das heißt, diese Zahlen haben wir. Wir wissen auch: Es ist ein quali­tativ sehr hochwertiges Programm, da es doppelt kontrolliert wird. Das heißt, wir ken­nen auch die Befunde der Ärztinnen und Ärzte von draußen genau, die dann die Patientinnen zur weiteren Abklärung in die Spitäler überweisen.

Was uns gefehlt hat, ist die Datengrundlage, die Gesetzesgrundlage dafür, diese Daten aus den Spitälern von den Ländern mehr oder weniger in die Gesundheit Österreich GmbH zu bringen, um zu wissen, was herausgekommen ist. Wir hatten zwar eine Verdachtszuweisung, wussten aber nicht, wie das wirklich ausschaut, ob es tatsächlich so ist. Das ist eine extrem wichtige Datengrundlage, die wir brauchen, um zu schauen, wie wir in diesem Screeningprogramm liegen. Wir benötigen die Daten gar nicht so sehr für die Forschung, sondern wirklich einzig und allein, um dieses Programm ordentlich zu evaluieren.

Die Ärztekammer sagt, dass die Frequenzen der Mammografie zurückgegangen sind. Das muss so sein, wenn ich davon ausgehe, dass viele Frauen bis jetzt jährlich beim Mammografiescreening waren. Wenn wir davon ausgehen, dass eine zweijährige Untersuchung gescheiter ist, müssen sich die Zahlen reduzieren. Wichtig ist – und auf das achten wir sehr stark –, dass die Köpfe mehr werden, das heißt, dass mehr Frauen zur Untersuchung gehen.

Da merken wir einen leichten Anstieg, aber nicht so weit, wie wir es gerne hätten. Mein Haus weiß das, da gibt es faktisch wöchentlich Besprechungen, um auch wirklich zu schauen, dass wir nichts übersehen und merken, sollte das Programm einen Einbruch haben. Diese Datenlage brauchen wir aber einzig und alleine, um zu verifizieren, ob das, was wir von draußen bekommen, stimmt.

Zur Frage Stammzellregister: Das hat bis jetzt ganz gut funktioniert, es ist aber sicher gescheiter, wenn es in öffentlicher Hand ist und von dort geführt wird. Deshalb haben wir auch versucht, dieses sehr sensible Register zu uns zu holen.

Zur Frage grenzüberschreitende Rettungstransporte: Man weiß, wie lange es oft dauert, bis die Rettung kommt. Gerade in diesen grenznahen Gebieten ist es so, dass man immer schon versucht hat, sich gegenseitig zu helfen, es aber aufgrund der feh­len­den Grundlage nicht möglich war. Jetzt ist es uns endlich gelungen, dieses Abkommen abzuschließen. Ich hoffe, das ist im Sinne der Patientinnen und Patienten und der betrof­fenen Regionen. Ich freue mich, wenn wir es damit ins Laufen bringen und vielleicht das eine oder andere Menschenleben damit retten können. (Allgemeiner Beifall.)

16.38

16.38.20

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 145

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend Rahmenabkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen Republik über grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungs­be­reiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.40.0010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1601/A und 1089 d.B. sowie 9572/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich bitte um den Bericht.

 


16.40.14

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin Oberhauser! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


16.40.54

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich werde entgegen der Meinung meiner Klubkol­legen und auch meiner KollegInnen hier in diesem Fall mein freies Mandat wahrneh­men und dem Gesetz zustimmen, und das aus ganz praktischen und pragmatischen Überlegungen heraus: aus meinen Erfahrungen als Mutter, als Oma-Transporteuse und als pflegende Angehörige. Wenn ein Hausarzt kommt, wenn der Hut brennt – und in meiner Gegend kommt er Gott sei Dank noch, und es gibt einen engagierten Hausarzt –, wie wunderbar ist es dann, wenn er das notwendige passende Medika-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 146

ment auch gleich dabei hat und man sich nicht nachher noch darum kümmern muss, dass jemand zur Apotheke fährt oder man selbst noch zur Apotheke fahren muss.

Das gilt natürlich auch, wenn ich die Oma zum Doktor fahre, dann ist es auch sehr angenehm, wenn man im Sinne eines One-Stop-Shop beim Arztbesuch gleich alles oder möglichst viel erledigen kann. Das wäre ja auch so die Idee für ein Primärver­sorgungszentrum, und das gilt auch für die Medikamentenversorgung.

Das heißt: Wie schön wäre es, in diesem Bereich Reformen ohne die Ärztekammer und ohne die Apothekerkammer und was da alles hereinspielt machen zu können? – Einfach aus dem Gedanken heraus: Was braucht der Patient oder die Patientin wirklich, und wie kann das auch möglichst einfach und straight organisiert werden?

Ich weiß ja nicht, wie Apotheken in Deutschland überleben oder bis zum heutigen Tag überlebt haben, ohne einen entsprechenden Gebietsschutz, wie es das in Österreich gibt. Die Probleme in diesem Bereich sind ja teilweise auch anders gelagert, wie jetzt zu vernehmen ist, zum Beispiel, dass es hier große Probleme mit der Konzentration im Großhandel gibt. Wir haben sicher grundsätzlich auch die Probleme mit der Pharma­industrie, mit den steigenden Preisen und so weiter, aber da sind viele andere Prob­leme.

Ich denke aber, die Vision wäre schon, dass Hausärzte oder dass Ärzte zumindest so etwas wie Notfallpakete haben oder mit den grundlegenden Medikamenten die Patienten auch jeweils versorgen können.

Es ist ja auch so, dass dank des Fortschritts der Medizin zum Beispiel auch viele Krebspatienten viele Jahre überleben. Das wird also teilweise wie eine chronische Krankheit. Diese Patienten müssen aber auch versorgt werden, und das ist nicht immer einfach. Aber auch, wie gesagt, gerade die häusliche Betreuung, die extramurale Betreuung, wäre sehr viel einfacher, wenn man mit der ärztlichen Leistung auch die Medikamente dazu bekäme, zumindest in einer gewissen Grundversorgung.

Das wäre so meine Wunschvorstellung für die Zukunft. Wir kommen dem mit diesem Gesetz zwar nur um zwei Kilometer näher (in ironischer Heiterkeit) – also nicht ganz, bevor es jetzt vielleicht wieder mit Schrittzählen weitergeht, ob das jetzt vier Kilometer sind oder 3,8 –, aber es ist, zumindest meiner Meinung nach, ein Schrittchen in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.44


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.44.46

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kollegin Reiter hat jetzt eigentlich schon sehr viel gesagt. Also diese zwei Kilometer, die wir jetzt mit diesem Gesetz ändern: Es ist nicht viel, aber es sind immerhin 90 Apotheken. Es ist also doch ein Schritt, der wichtig ist.

Bei meiner Vorbereitung fand ich eine Stellungnahme der Apothekerkammer, ich zitiere:

„Die Arzneimittelversorgung in Österreich war noch nie so gut und umfassend wie heute.“

Sie versteht daher überhaupt nicht, warum die Ärzte das fordern. Die „(...) Ärztever­treter verunsichern die Bevölkerung und fordern gesetzlichen Handlungsbedarf, um eigene finanzielle Interessen zu wahren.“


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 147

Die Ärztekammer hat daraufhin geschrieben, dass Ärzte im ländlichen Bereich immer weniger werden, „weil sie sich im Würgegriff zwischen dem Apothekengesetz und dem Willen einer einwandfreien Patienten-Versorgung sehen.“

Also es gibt sehr viele Meinungen, die hier auseinandergehen. Ich bin aber da ganz bei meiner Kollegin Reiter, das ist jetzt wirklich meine zweite, dritte oder vierte Sorge. Es soll um die Patienten und Patientinnen gehen, und das ist, denke ich, das Wichtige.

Bei diesem Beispiel aus Oberösterreich – im Ausschuss hat es, glaube ich, eh jemand aus Oberösterreich erzählt – ist es um 36 Meter (in Richtung der Bundesrätin Ecker) – ich glaube, du warst das (Bundesrätin Ecker: Ja!) – gegangen, ob jetzt die Haus­apotheke kommen darf oder nicht. Das sind natürlich alles Dinge, die sehr, sehr schwierig sind und die auch sehr unverständlich für die Menschen sind.

Mit diesem Gesetz haben wir jetzt die medikamentöse Versorgung der Bevölkerung in erster Linie verbessert. Es ist ja nicht so, dass mit diesem Gesetz das Apotheken­gesetz so geändert wird, dass sie nicht mehr die erste Versorgung, die öffentliche Versorgung hätten, sondern die haben die Apotheken ja noch. Es geht wirklich um diese Verbesserung.

Ich kann das aus meiner Erfahrung als Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde sagen, und ich glaube, Frau Ministerin, Sie haben im Nationalrat gesagt: Es gab keine Bun­desratssitzung, bei der Sie nicht von einem Bürgermeister oder einer Bürgermeisterin angesprochen wurden. Das stimmt ganz sicher. (Bundesministerin Oberhauser nickt zustimmend.)

Als Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde bin ich natürlich damit konfrontiert, ob meine Hausärztin und Gemeindeärztin eine Apotheke hat oder nicht. Wir haben eine neue Ordination für die Gemeindeärztin gebaut, und da war die Entscheidung – weil sie in einem Dorfzentrum drinnen ist –: Wenn die Hausapotheke kommt, muss man vom Dorfsaal ein Stück hergeben. Na, selbstverständlich ist die Entscheidung so ausgefallen, dass vom Dorfsaal einige Meter hergegeben worden sind, damit die Haus­apotheke bleibt. Das ist mehr als notwendig und wichtig, und wir wissen das.

Vor allem muss man sagen, dass der Pensionistenverband Österreichs schon im Jahr 2013 darauf aufmerksam gemacht hat und die Forderung aufgestellt hat, dass die Kilometergrenze zwischen den Apotheken flexibler gestaltet werden muss. Hiermit ist eine Forderung erfüllt worden, bei der ich mir denke, dass sie sehr, sehr wichtig ist.

Unsere Arbeit als Politiker und Politikerinnen ist es, für die Menschen zu arbeiten, und daher ist dieser Streit zwischen Apothekerkammer und Ärztekammer sicherlich zweit- oder drittrangig.

Ich bin sehr froh, dass wir dieses Gesetz heute beschließen, weil wir nicht nur für die Patientinnen und für die Patienten, sondern auch für den ländlichen Raum sehr viel Gutes damit tun. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

16.47


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Tiefnig zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.48.04

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Das Thema Hausapotheke hat fast das Ziel erreicht, sage ich. Der Bundespräsident muss nur noch die Unter­schrift darunter setzen, dann haben wir das Ziel wirklich erreicht.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 148

Seit 2006 geht es um diese Dimension der Hausapotheke, dass wir immer wieder dieses Problem der Kilometergrenze haben. 2006 gab es einen tödlichen Unfall eines Arztes bei uns in Ostermiething, danach wäre eine Nachbesetzung nicht mehr möglich gewesen. Nur die Intervention von Dr. Pühringer, mir und auch der damaligen Gesund­heits­ministerin Rauch-Kallat machte eine Hausapotheke wieder möglich. Aber in späterer Folge war wahrscheinlich die Bundeshymne für die Ministerin wichtiger als so manch andere Sache, und somit hat es bis heuer gedauert, dass wir wirklich jetzt dieses Ergebnis haben. Ich weiß noch ... (Bundesministerin Oberhauser – mit ironischer Heiterkeit –: ... die Töchter in der Hymne!) – Ja.

2008 war ich in Kopenhagen und in Malmö, und ich habe mir dort die Systeme ange­sehen. Ich dachte, ich kann irgendwo ein Beispiel finden, wie die ärztliche Versorgung mit Hausapotheken funktioniert. Es gibt in ganz Europa kein Beispiel, so wie wir es in Österreich haben. Das müssen auch die Ärzte jetzt so anerkennen, dass das wirklich eine sehr gute Ausnahme ist, auch für uns Patienten, weil die direkte Versorgung hier genauestens gegeben ist. Somit ist mit dieser Gesetzesänderung ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt, um auch in Zukunft dem Arzt wieder eine Perspektive im ländlichen Raum zu geben.

Auch unser Kollege Georg Keuschnigg hat hier einmal eine Enquete zum Bereich der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum abgehalten. Auch damals war das Thema die Hausapotheke ein ganz wichtiger Punkt. In späterer Folge sind dann der Abgeordnete zum Nationalrat Hermann Gahr und auch Helmut Mödlhammer aufge­sprungen, und alle haben in die gleiche Richtung gestoßen.

Heute führen wir, wie gesagt, die Vollendung dieser Periode herbei, und man kann wirklich sagen: Es ist eine Lösung, die brauchbar ist, aber wir müssen auch in Zukunft weiter überlegen, wie wir die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum aufrechterhalten können, denn die Ärztezentren allein werden das nicht leisten können.

Wir brauchen auch ein entsprechendes Umfeld. Es wird wichtig sein, welche Bildungs­einrichtungen in den Regionen vorhanden sind. Ich sehe das im bayerischen Raum immer wieder: Wo es gute Bildungseinrichtungen für die Kinder der Ärzte gibt, lassen sich Ärzte auch nieder, weil dann auch eine entsprechende Weiterbildung ihrer Kinder gewährleistet ist. Man muss also das gesamte Umfeld sehen, um den Arztberuf im ländlichen Raum weiter zu attraktivieren.

Stichwort Hausapotheke (in Richtung Bundesministerin Oberhauser): Da möchte ich noch einmal persönlich danke sagen. Wir haben öfter kommuniziert, und ich bin wirklich froh, dass diese Geschichte ein Ende gefunden hat, wenn die Apotheker auch nicht ganz zufrieden sind. Ich sage: Kompromisse tun weh, aber wenn sie beiden Seiten wehtun, sind es gute Kompromisse.

In diesem Sinne danke noch einmal und alles Gute. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

16.51


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Ecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.51.12

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Arzt ohne Medikamente ist wie ein Fotograf ohne Kamera, ein Bäcker ohne Mehl, ein Fleischer ohne Wurst, ein Fernseher ohne Strom. – Das ist nicht meine Erkenntnis, sondern der Kommentar eines Bürgers auf der Facebook-Seite der Bürgerbewegung der Hausapotheke Lasberg, von der wir heute schon gehört haben.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 149

Damit sind wir auch schon bei den Änderungen zum Apothekengesetz. Mit dieser Gesetzesänderung wird ein Zustand wieder hergestellt, der an sich schon einmal Gültigkeit hatte. 1985 wurde die 6-Kilometer-Entfernungsvoraussetzung für Hausapo­the­ken festgelegt und gleichzeitig die Nachfolgeregelung eingeführt. Diese Novellie-rung wurde 2006 revidiert, sodass Hausapotheken im 4- bis 6-Kilometerbereich mit der Pensionierung eines Arztes auslaufen sollten.

Es hat vieles gebraucht, um jetzt wieder einen zufriedenstellenden Zustand herzustel-len: hunderte Unterschriftenlisten, Petitionen, Bürgerinitiativen, Resolutionen, parlamen­tarische Anfragen und auch Bürgermeister-Kommentare – das haben wir schon gehört. Und das nicht ohne Grund! Immerhin ist die Zahl der ärztlichen Hausapotheken seit 2005 von 992 auf 871 zurückgegangen. In zehn Jahren 120 Hausapotheken weniger, jährlich sperrten zwölf Hausapotheken zu – da braucht man sich über den Unmut in der Bevölkerung nicht zu wundern!

Wenig zufriedenstellend ist auch die Situation für die betroffenen Ärzte, die aufgrund der Pensionierung die Hausapotheke verlieren und so nur schwer einen Nachfolger finden. Wir haben ja von diesem Fall gehört, den ich auch im Ausschuss geschildert habe: Man hätte das Arzthaus quasi um 36 Meter versetzen müssen, um die Hausapotheke zu erhalten. Die Lage hat sich noch zusätzlich verschärft, weil kurze Zeit davor auch noch die Hausärztin im Nachbarort abhandengekommen ist. Das heißt: keine Versorgung sichergestellt! In der heutigen Zeit, in der es kaum noch Ärzte für Kassenstellen gibt, brauchen wir ein Gesetz für Ärzte mit Hausapotheken, das sie schützt und nicht am Helfen hindert.

Warum bewegt dieses Thema so viele Menschen? – Es gibt nur noch 850 Hausärzte mit Hausapotheken, und die betroffenen Menschen wollen diese nicht auch noch verlieren, weil das für sie die beste medizinische Versorgung ist – patientenfreundlich, kostengünstig, am sinnvollsten eben. Die Kassenstellen sind nicht mehr zu besetzen, wenn die Hausapotheken fehlen, das heißt, wenn die Hausapotheken fehlen, ist auch kein Arzt mehr da, ist auch der Hausarzt weg. Und wenn eine Apotheke kommt, muss die Hausapotheke schließen, sagt das Apothekengesetz. Das verstehen die Menschen auch nicht. Warum können nicht beide nebeneinander existieren? Warum muss der Patient selbst, so er überhaupt noch kann, weite Wege bis zur nächsten Apotheke zurücklegen?

Ich bin ganz bei Frau Dr. Reiter, Mutter von vier Kindern, eine Oma im Haus – da ist es sehr mühsam, wenn man zu einem Arzt fahren muss. Bei uns kommt der Arzt nicht mehr ins Haus, auch nicht nachmittags oder abends, sondern man muss zum Ärztenotdienst und dann vom Ärztenotdienst zur nächsten Apotheke, natürlich in entgegengesetzter Richtung zum Heimweg, und dort zahlt man dann auch noch für diesen Bereitschaftsdienst extra Gebühren, zusätzlich zu den Medikamenten.

Ganz plakativ ist das Beispiel von der alten Dame in ländlicher Region, von der Dame von nebenan, von der Nachbarin, die jeder kennt, die vielleicht nur mit dem Rollator zum Hausarzt kommt. In den Zug einzusteigen, um in die nächste Stadt zu fahren und dort in die Apotheke zu gehen, das spielt es dann nicht mehr! Damit sind genau diese Menschen, die schon in vielen Bereichen Hilfe brauchen, auch wieder auf jemanden angewiesen.

Abgesehen davon müssen dringendst Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass die ärztlichen Planstellen besonders im ländlichen Raum nachbesetzt werden können. Der Beruf des Hausarztes ist mit Sicherheit nicht weniger attraktiv geworden. Ich stelle auch fest, dass sich die Arbeitszeiten verbessert haben. Viele junge Ärzte, die jetzt eine Stelle übernehmen, haben am Samstag geschlossen und haben dafür eine Nachmittagsordination oder eine Abendordination. Aber nicht nur die enorme


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 150

Bürokratie und die geringen Verdienstmöglichkeiten ohne Apotheke sind dafür verantwortlich, sondern man hört immer wieder, dass die Übernahme eines Patienten­stammes eine oft sehr hohe Ablösesumme für die jungen Ärzte bedeutet und dass die Ordination meist nach neuen Richtlinien umgebaut werden muss.

Ich denke, viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen hier herinnen haben in Wahl­kämpfen erlebt, dass sich die Gemeinde vom Bürgermeister erwartet, dass er die ärztliche Versorgung sichert. Jeder glaubt, das kann der Bürgermeister, aber dem ist nicht so. (Zwischenrufe des Bundesrates Beer und der Bundesrätin Grimling.) Wir erleben es bei uns in meinem Heimatort, dass man als Gemeinde für die Schaffung einer Arztordination keine Förderung mehr bekommt, dass im Nachbarort im Zuge der Errichtung eines Altersheimes der junge Arzt 400 000 € zuzahlen muss, damit er dort seine Ordination bekommt. Das bringt junge Menschen finanziell an den Abgrund, das bedeutet Schulden auf Jahrzehnte hinaus – abgesehen davon, dass er vielleicht auch einmal ein Eigenheim bauen oder eine Familie gründen möchte.

Dieser Beschluss zur Änderung des Apothekengesetzes ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber weitere müssen unbedingt folgen. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

16.56


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Oberlehner das Wort. – Bitte.

 


16.56.52

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Ich brauche die Details dieser Gesetzesänderung nicht mehr anzusprechen, sie wurden bereits eingehend von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen erörtert. Natürlich begrüße auch ich als Vertreter des ländlichen Raumes diese Änderung. Die Grenze von sechs auf vier Kilometer zu reduzieren, ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch das wurde schon gesagt. Ein Großteil der Hausapotheken, die nicht mehr hätten genehmigt werden können, können somit weitergeführt werden. Zirka 130, wurde mir gesagt, werden dadurch sozusagen weitergeführt werden kön­nen. Das ist erfreulich und das ist gut, weil es für die Versorgung der Bevölkerung wichtig ist, weil es um den ländlichen Raum und die medikamentöse Versorgung des ländlichen Raumes geht.

Viele Fälle bleiben aber trotz dieser Regelung weiterhin bestehen, weil sie eben unter die 4-Kilometer-Grenze fallen und deshalb von der Änderung nicht betroffen sind, und auch neue Fälle bleiben sozusagen offen. Ich möchte und muss daher festhalten, dass diese Änderung nur ein erster kleiner Schritt sein kann, der letztlich die Gesamt­thematik landärztliche Versorgung betrifft.

Ich bin Bürgermeister der Gemeinde Pötting in Oberösterreich, und wir bilden gemein­sam mit der Nachbargemeinde Neumarkt im Hausruckkreis einen gemeinsamen Sanitätssprengel. Für zirka 3 000 Einwohner haben wir dort seit nunmehr fast zwei Jahren keine hausärztliche Versorgung mehr, weil es einfach nicht gelingt – trotz größter Bemühungen, vieler Gespräche, x-mal ausgeschrieben –, einen Hausarzt, einen Nachfolger für den in Pension gegangenen Hausarzt zu finden. Nach unzähligen Gesprächen, die wir geführt haben, blieb am Ende immer wieder das Problem, dass eben an dieser Hausarztstelle keine Hausapotheke geführt werden kann. Das wird übrigens an dieser Stelle auch in Zukunft nicht möglich sein, weil eben die Apotheke nur ein paar hundert Meter von der Arztpraxis entfernt ist.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 151

Alle Interessenten – wir haben viele gute Gespräche geführt – entschieden sich am Ende der Verhandlungen für eine Stelle, wo sie auch eine Hausapotheke haben, was natürlich völlig verständlich ist. Wer von uns würde, wenn er den ungefähr gleichen Job anderswo machen könnte, wo er doch um einiges mehr verdient, das nicht machen? – Ich denke, das ist menschlich sehr verständlich.

Letztlich haben wir jetzt mit Wirkung 1. Jänner 2017 doch eine Lösung gefunden, weil wir einerseits das Glück haben, dass es private Investoren gibt, die ein Medizinzentrum errichten, und weil wir Gemeinden andererseits die Ansiedelung eines Arztes bezie­hungs­weise einer Ärztin finanziell unterstützt haben, wodurch wir einen Ausgleich für die eben nicht vorhandene Hausapotheke schaffen wollen. Das ist nicht unsere Aufgabe – das ist, glaube ich, allen klar –, und das bedeutet für die Gemeinden natür­lich auch eine große zusätzliche Belastung.

Die Bevölkerung – das wurde auch schon angesprochen – würde es aber nicht verstehen, wenn wir diese Lösung nicht anstreben würden und das nicht endlich machen, denn in Wirklichkeit gibt es die Erwartungshaltung an die Bürgermeister: Ihr müsst doch schauen, dass wir wieder einen Arzt haben! Es kann doch nicht sein, dass das nicht gelingt!

Meiner Meinung nach geht daher diese Problemstellung, sehr geehrte Frau Minister, viel tiefer. Die nun getroffene Regelung ist wirklich nur ein – würde ich einmal sagen – schwaches Medikament für eine doch sehr ernste Erkrankung des Systems – um bei der Medizinsprache zu bleiben.

Um die landärztliche Versorgung auch in Zukunft zu sichern, wird es meiner Meinung nach eine Systemänderung geben müssen. Ich ersuche Sie daher, alle dazu notwen­digen Systempartner – ich denke an die Ärztekammer, ich denke an die Apothe­ker­kammer, ich denke an die Gebietskrankenkasse, ich denke an die Politik in all ihren Ebenen, die Bundespolitik, die Länder und Gemeinden – an einen Tisch zu bringen, um endlich aus allen Richtungen dieses Problem zu beraten und vielleicht auch gemeinsam zu begreifen, dass es da um die Lösung einer Gesamtproblematik geht. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich weiß, dass das schwierig ist. (Bundesrat Mayer: Ja!) Natürlich ist es insbesondere deswegen schwierig, weil jeder diese Dinge nur aus seiner Sicht sieht und niemand begreifen will, dass es dabei eigentlich um das bessere, das gemeinsame Ganze geht.

Ich denke, dass man das trotzdem versuchen sollte, weil es notwendig ist, dass wir erkennen, dass es um die medizinische Versorgung der Menschen in unserem Land geht und darum, diese Aufgabe wieder gut wahrzunehmen. Dabei dürfen nicht primär wirtschaftliche Überlegungen die Richtung vorgeben. Es müssen, denke ich, humani­täre Überlegungen sein, die die grundsätzliche Richtung vorgeben.

Ich glaube, dass auch in der heutigen Zeit noch jeder Arzt einen hippokratischen Eid geleistet und damit einen verantwortungsvollen Auftrag übernommen hat, obwohl ich natürlich verstehe, dass jeder auch wirtschaftlich durchkommen soll und daher die wirtschaftlichen Bedingungen passen müssen.

Natürlich benötigt man, um wieder mehr Interessenten für die Landarztstellen zu bekom­men, viele Neuansätze. Es gibt viele Überlegungen, die man dazu anstellen muss. Ich denke zum Beispiel, dass man schon die Ausbildung hinterfragen sollte, weil ich glaube, dass man in der Ausbildung zum Mediziner das Landarzt-Sein viel zu wenig oder fast gar nicht kennenlernt. Darüber hinaus fehlt meiner Meinung nach auch jede Vorbereitung auf ein selbständiges Unternehmertum. Was wir in den Gesprächen mit Interessenten erlebt haben, war wirklich von Hilflosigkeit geprägt. Diese jungen Ärzte


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 152

haben überhaupt keine Ahnung, wie man eigentlich zu einem Unternehmer wird – ein Hausarzt ist letztlich auch ein Unternehmer.

Natürlich muss man auch Rahmenbedingungen schaffen, die die berühmte Work-Life-Balance für die Ärzte auch in der Zukunft gewährleisten, denn ich verstehe auch, dass man Belastungen so gestalten soll, dass man sie letztlich auch meistern kann.

Aber das leidige Thema – und damit komme ich noch einmal zum eigentlichen Thema zurück – Hausapotheken gehört weiterhin einer besseren Lösung zugeführt. Das ist ein erster Schritt. Ob es Kilometergrenzen gibt oder nicht, ob es den Gebietsschutz überhaupt geben muss – all diese Dinge gehören hinterfragt.

Ich könnte mir beispielsweise sogar vorstellen – das mag ein bisschen ketzerisch sein –, dass man ein Ausgleichssystem schafft, sodass jene Ärzte, die eine Hausapo­theke haben, in einen Fonds einzahlen, aus dem jene Ärzte, die keine Hausapotheke haben, etwas herausnehmen. (Bundesministerin Oberhauser: Das ist voll absurd!) Ich habe mir schon erlaubt, das mit Ärzten zu diskutieren. Das trifft natürlich nicht nur auf Freude, das verstehe ich schon. Bei jenen, die etwas zahlen müssten, gibt es viel Widerstand. Aber ich denke, wir müssen überlegen, wie wir dieses System besser in den Griff bekommen.

Hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen den Ärzten und den Apotheken sollte man, denke ich, vielleicht einmal überlegen, ob man das nicht verbessern kann. Wenn die Apotheke dem Hausarzt die Medikamente liefert und ein gewisser Prozentsatz aus­gemacht wird, der dann sozusagen mitverdient werden kann, wäre das vielleicht auch ein Ansatz dafür, wie man besser miteinander umgehen kann.

Das sind nur ein paar wenige Verbesserungsvorschläge, die ich hier einbringe, es gibt viele Ansätze. Man muss ganz sicher auch die Bürokratie hinterfragen, ob das alles in dieser Form notwendig ist.

Für mich als gestandenen Kommunalpolitiker ist auf alle Fälle klar, dass wir alle zusammen – ganz besonders natürlich die Gesundheitsministerin, das lässt sich nicht verschweigen – in der Verantwortung sind, Lösungen zu finden, um die ärztliche Ver­sorgung der ländlichen Bevölkerung auch weiterhin zu gewährleisten und zu garan­tieren, denn das ist ein höchst emotionales Thema, ein Thema, das die Menschen viel mehr bewegt als viele andere Themen, wo es uns auch gelingen muss – allein schon aus Sicht der Lebensqualität der Menschen –, eine Lösung zu finden.

Eine wichtige Frage ist, ob der ländliche Raum auch in Zukunft ein Lebensraum bleibt, wo die Menschen gerne sein wollen. Medizinische Versorgung ist eine Grundver­sorgung und ein Grundauftrag, den wir haben.

In diesem Sinne, sehr geehrte Frau Minister, ersuche ich Sie umgehend um weitere Aktivitäten und Maßnahmen zu diesem Themenbereich. Selbstverständlich werden wir seitens unserer Fraktion – quasi als erster Schritt – diesem Gesetz gerne die Zustim­mung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Ecker.)

17.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort. – Bitte.

 


17.05.17

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, herzlich willkommen! Ich werde wie meine Kollegin, Frau Reiter, mein freies Mandat als ober-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 153

österreichischer Bundesrat wahrnehmen und dieser Gesetzesänderung heute meine Zustimmung geben.

Ich möchte an Oberösterreich, an Lasberg, erinnern – das wurde heute immer wieder erwähnt –, wo diese 36 Meter gefehlt haben. Das ist auch ein Antrag der Grünen gewesen, bei dem alle Parteien im oberösterreichischen Landtag sozusagen mitge­stimmt und gesagt haben, dass man eine Änderung in diesem Gesetz und wieder zurück zu dem alten Gesetz möchte – wie es die Kollegin bereits erwähnt hat.

Diese Hausapotheken sind sehr essenziell für die ländlichen, peripheren Regionen. Sie sind auch eine Art Nahversorger. Das muss man in Erinnerung halten: Das ist ein unbedingt notwendiger Nahversorger. Auch der ökologische Standpunkt sollte dabei beachtet werden, denn das ist ein Nebeneffekt.

Vielleicht noch ein Punkt, der heute auch schon nebenbei genannt worden ist, ich werde aber nicht müde, den immer wieder zu erwähnen: der zukünftige Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten. Dieses Gesetz ist nur ein ganz kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, um den zukünftigen Hausärztemangel zu beheben. Es wird ja oft argumentiert, dass man mit den Hausapotheken auch den Ärztemangel am Land beheben möchte. Ich glaube, das ist nur ein ganz kleiner Tropfen, weil man viel mehr machen muss, viel mehr unternehmen muss, um das Berufsbild Landarzt für junge Ärztinnen und Ärzte wieder attraktiver und interessanter zu machen.

Die Zahlen zeigen, wie brisant dieses Thema zurzeit in der aktuellen Diskussion ist: In Oberösterreich gehen bei einem angenommenen Pensionsalter von 65 Jahren bis 2017 34 Ärzte und Ärztinnen in Pension, bis 2020 sind es 92 und bis 2023 sind es 141 Ärztinnen und Ärzte. Das ist schon ein großer Teil, den wir allein mit der Medizinuniversität nicht abdecken werden können.

Wir haben eine große Anzahl von Ärztinnen und Ärzten, die im Spital angestellt sind. Die sind aber nicht gewillt beziehungsweise ist dieses Berufsbild des Landarztes einfach nicht so attraktiv, dass man sich als Arzt dafür entscheidet, diese Form der Medizin auszuüben. Es braucht ein wirkliches Maßnahmenpaket, ein Reduzieren der Hürden und eine finanzielle Unterstützung der Lehrpraxen.

Ja, ich werde heute zustimmen, denn es geht um einen regionalen Nahversorger, es geht um Bürgerinnen und Bürger, die versorgt werden müssen. Ich werde daher zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.08


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Schreyer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es kommt nicht die Abstimmungskeule!)

 


17.08.17

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich fasse mich ganz kurz: Ich kann sehr viele Argumente der Pro- und der Kontra-Seite teilen; mir persönlich greift aber einfach der Ansatz dieser Novelle zu kurz. Ich sehe das sehr differenziert; man muss es viel differenzierter angehen.

Meiner Meinung nach reicht es nicht aus, einen Punkt herauszuziehen und vorzu­ziehen. Man sollte das gemeinsam in einem größeren Rahmen machen und nicht einen Punkt vorziehen, der dann vielleicht auch hinderlich für eine weitere Entwicklung der Attraktivierung für Hausärzte und Hausärztinnen sein kann.

Deswegen werde ich hier meine Zustimmung nicht geben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.09



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 154

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


17.09.00

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Diesen Schritt vorzuziehen, war ein Versuch, ein bisschen Luft aus diesem Drucksystem, dass wir keine Ärztinnen und Ärzte für das Land finden, zu nehmen.

Es gab ein Gespräch mit dem Kollegen Mödlhammer und es gab mehrere Petitionen, woraufhin wir dann gesagt haben: Versuchen wir, diesen Teil herauszunehmen. Wir haben die Frage der Medikamentenversorgung im ländlichen Bereich in einem weit größeren Rahmen – gemeinsam mit dem Primärversorgungsgesetz – sozusagen in der Schublade.

Lassen Sie mich klar sagen: Für uns gilt immer noch, dass die öffentliche Apotheke den Vorrang vor der Hausapotheke hat. Warum? – Man muss sechs Jahre lang Phar­mazie studieren, ist dann nach dem Aspirantenjahr, glaube ich, fünf Jahre lang ange­stellter Apotheker in einer Apotheke, bevor man als Apotheker oder Apothekerin selbständig arbeiten kann. Das ist ein hoch qualifizierter Beruf. Das können Ärztinnen und Ärzte in der Endausprägung nicht leisten. Es wäre völlig fatal, zu sagen, das Pulverl verkauft dann der Doktor.

Ich glaube, dass wir eine Mischung brauchen. Das, was Sie geschildert haben, ist die Frage: Wenn ich mit meiner Mama oder mit meinen Kindern zum Arzt fahre, muss ich dann noch in die nächste Apotheke weiterfahren? – Für Notfallmedikamente oder für solche Medikamente wie Antibiotika, die man laufend braucht, ist das eine gescheite Geschichte, wenn das beim Arzt vorrätig ist. Aber die meisten von Ihnen kennen wahrscheinlich die Hausapotheken und wissen, wie klein dort oft das Depot ist und wie groß im Gegensatz dazu das Angebot an verschiedensten Medikamenten in der öffentlichen Apotheke ist. Was wir gemeinsam mit Apothekern und Ärzten in Planung haben, ist die Frage der Filialapotheke, die Frage der Zustellung. Das heißt, dass man, wenn man beim Arzt etwas verschrieben bekommt, das telefonisch bestellt und die Apotheke das liefert.

Das ist ein umfassendes Paket, das wir gemeinsam mit, sage ich einmal, der Frage der Neustrukturierung oder Weiterstrukturierung der Primärversorgung bei uns in der Schublade haben und das wir auch gemeinsam mit der Apotheker- und Ärztekammer verhandeln.

Uns ist es prinzipiell wirklich darum gegangen, einfach einmal zu schauen, dass wir die Luft aus dem System herausholen. Ist es wirklich die Hausapotheke, die die Ärztinnen und Ärzte auf das Land bringt? – Ich glaube es nicht. Ich glaube, es sind viele Dinge – es ist ja angeklungen –, die Ärzte daran hindern, auf das Land zu gehen.

Oft wissen sie nicht, wie man sich selbstständig macht. Es wird zwar immer wieder gepriesen, dass der Arzt ein freier Beruf, ein selbständiger Beruf sei, aber im Studium lernt man dazu relativ wenig. Die Ärztekammer, sage ich, hätte da eine große Verpflichtung, auch in der Frage der Ausbildung zu schauen, dass auch wirtschaftlich ein Fundament gelegt wird. Das heißt, dass die auch wissen, was sie brauchen, wie man die Steuern macht, wie das funktioniert, wie man kalkulieren muss und wie viel man einnehmen muss, um die Miete zu bezahlen. Das heißt, es geht um all diese Dinge. Das wird ein Mix sein. In der Lehrpraxis haben wir schon nachgezogen, das heißt, die Lehrpraxis wird erhöht. Wir hoffen, dass wir damit auch attraktivieren, dass viele dann sagen: Okay, das gefällt mir doch ganz gut, das ist besser, als in das Spital zu gehen. – Das heißt, es wird im Prinzip multifaktoriell sein.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 155

Ich fand diese Lösung mit dem Fonds, wie gesagt, sehr spannend, dass die, die eine Hausapotheke haben, in einen Fonds einzahlen, aus dem die Ärzte bezahlt werden, die keine Hausapotheke haben. Das wäre so, wie wenn der Wirt, der einen Gastraum hat, den er für Feste vermieten kann, für die anderen Wirte ohne Gastraum einen Fonds macht und denen dann auch irgendwie das Geld gibt. (Zwischenruf des Bun­desrates Oberlehner.) – Ist das nicht das Gleiche? (Allgemeine Heiterkeit.) Also ich glaube, dass das in dieser Frage ein bisschen schwierig ist, dass einer, der eine Hausapotheke hat, für die anderen bezahlt. (Bundesrat Oberlehner: ... kann ja selber den Saal bauen!) – Bitte? (Bundesrat Oberlehner: Der Wirt kann ja selber den Saal bauen ...!)

Ich glaube, dass ein Arzt sechs Jahre lang Medizin studiert hat – und das soll er tun. Und wenn er Medikamente für den Notfall mithat, dann soll er vielleicht – auch das ist ein Teil dieses Paketes – ein bisschen mehr Medikamente in seiner Tasche haben dürfen; aber die sollen für den Notfall und den Nachtdienst sein und nicht für einen geregelten Apothekenbetrieb.

Deswegen auch die Frage der Grenzen: Wie macht man das? Wenn ich überall eine Hausapotheke habe, bekomme ich keine öffentliche Apotheke hin. Das heißt, ich muss wirklich abmessen, abwägen und schauen, wie es ist.

Noch etwas, weil das hier ja die Länderkammer ist und Sie gesagt haben, es ist nicht Ihre Aufgabe, den Raum für Ärztinnen und Ärzte zu attraktivieren: Genau das ist die Aufgabe von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.

Wenn ich Vorarlberg als Beispiel hernehmen darf: In der Frage des klinisch-prak­tischen Jahres – des letzten Jahres des Medizinstudiums – wurde lange herumgeeiert, wer wo welche Studierenden bekommt. Vorarlberg hat ganz gescheite Geschichten gemacht, denn Sie haben erstens gut bezahlt, zweitens Wohnungen gebaut und drittens Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt. Die jungen Kolleginnen und Kollegen sind aus ganz Österreich nach Vorarlberg gegangen.

So funktioniert Regionalpolitik. Ich glaube, es ist auch die Aufgabe der Bürger­meis­terinnen und Bürgermeister, zu schauen, wie man das so strukturieren kann, dass auch junge Ärztinnen und Ärzte kommen. Das waren die Bildungseinrichtungen, da bin ich völlig dabei. Das ist wahrscheinlich auch das Umfeld. Das ist die Strukturierung des Ganzen, also wie das Haus gebaut wird, wo die Ordination ist, wie man in die Ge­meinde eingegliedert wird.

Das heißt, wenn wir gemeinsam an diesem Paket arbeiten, dann sollte es uns wirklich gelingen, die Versorgung mit Ärzten und mit Medikamenten in ganz Österreich sicher­zustellen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

17.14


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.14.5111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über die Abwicklung des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds (KRAZAF-Abwicklungsgesetz) (1617/A und 1091 d.B. sowie 9573/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 156

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nunmehr zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


17.15.07

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über die Abwicklung des Krankenanstalten-Zusammen­arbeitsfonds (KRAZAF-Abwicklungsgesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte.

 


17.15.43

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Man hat nun ungefähr 20 Jahre gebraucht, um anlässlich eines Gerichtsurteils des Oberlandesgerichts Wien darauf aufmerksam zu werden, dass offensichtlich ein Handlungsbedarf besteht, und man zieht die Reißleine. Zumin­dest ist es auch in den Medien so formuliert worden.

Man macht das nun in Form eines Anlassgesetzes, das dann so quasi auf Bevorratung beschlossen wird. Das Geld, das noch in diesem Fonds zur Verfügung steht – man rechnet, dass 800 000 € übrigbleiben werden –, kommt dann der Palliativversorgung zugute, was ja durchaus begrüßenswert ist.

Allerdings würde das Geld ohne diesen Anlassfall weiterhin auf einem faktisch unver­zinsten Konto wie vergessen schlummern. Man hat fast den Eindruck, dass wir es ja üppig haben, weswegen wir uns das leisten können. Wenn man das nicht machen würde, drohen angeblich Klagen in der Höhe von bis zu 1,3 Milliarden €. Das Skurrile dabei ist, dass es sich dabei um Streitigkeiten innerhalb der einzelnen Gebietskörper­schaften der öffentlichen Hand handelt.

Das Ganze ist also ein Beweis dafür, wie chaotisch das Finanzierungssystem des ganzen Gesundheitswesens in Österreich ist, sodass solche Dinge passieren können und solche Gesetze beschlossen werden müssen. Wir werden diesem Gesetz daher nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.17


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Ebner zu Wort. – Bitte.

 


17.17.51

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den KRAZAF, den Kran­kenanstalten-Zusammenarbeitsfonds gibt es seit dem Jahre 1997 nicht mehr. Er wurde ersetzt durch die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung.

Welche Aufgaben hatte der KRAZAF damals? – Er war in Österreich von 1978 bis 1996 ein bestehender Fonds zur Finanzierung unserer Krankenhäuser. Gespeist wurde er aus Mitteln der Umsatzsteuer und der Sozialversicherung, wobei die Mittel an


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 157

gemeinnützige Krankenanstalten verteilt wurden. Zusätzlich hatte der KRAZAF auch eine überregionale Planungs- und Steuerungsfunktion. Die Krankenanstalten mussten genaue Kriterien erfüllen, wie zum Beispiel die Durchführung der Kostenrechnung, beziehungsweise auch eine Leistungsstatistik abgeben.

Mit der Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung haben die Aufgaben des Fonds ab 1997 die Bundesgesundheitsagentur sowie die neun Lan­desgesundheitsfonds übernommen. Da der KRAZAF ab dem Jahre 1997 keine Aufgabe mehr hatte, stellte sich natürlich die Frage, warum er weiter existiert und nicht aufgelöst wurde.

Ein Grund für den Weiterbestand ist möglicherweise bei den Rechtsstreitigkeiten innerhalb der öffentlichen Hand zu suchen, die nunmehr schon seit 20 Jahren andau­ern. Die Politik hat Handlungsbedarf gesehen und wird den Fonds nun auflösen. Wenn nämlich Klagen eintreten, müsste eventuell der Steuerzahler für bis zu 1,3 Milliarden € aufkommen. Ein Beispiel ist die von Hainburg eingebrachte Klage, die im letzten Jahr vorerst gewonnen wurde, aber, wie gesagt, noch durch weitere Instanzen geht, bei welcher der Streitwert 250 000 € plus Zinsen und Verfahrenskosten beträgt.

Um jetzt weitere Klagen abzuwenden, ist die Abwicklung dieses Fonds, des KRAZAF, auch sehr wichtig, und es ist begrüßenswert, dass das Fondsvermögen von derzeit ungefähr 800 000 € in die Hospiz- und Palliativversorgung fließen soll.

Meiner Meinung nach erfolgt die Abwicklung auch im Sinne der Steuerzahler, die nicht unbedingt wollen, dass ihr Geld in Rechtsstreitigkeiten versickert, sondern eher, dass dieses Vermögen in die Hospiz- und Palliativversorgung hineinfließt. Das sind Geld­mittel, die für die Betreuung von Menschen auf ihrem letzten Weg Verwendung finden, womit ein wichtiger Beitrag für unsere Gesellschaft geleistet wird.

Unsere Fraktion stimmt dieser Vorlage zu. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.20


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


17.20.48

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Das KRAZAF-Abwicklungsgesetz: KRAZAF klingt mir als Kommunalpolitikerin der damaligen Zeit noch in den Ohren, damit hatte man öfter zu tun, aber seit 1996 gibt es den KRAZAF nicht mehr; er wurde eben durch das LKF-System abgelöst. Seither ist er vom Bund, den Ländern, Gemeinden und den Sozialversicherungen nicht mehr dotiert worden und inaktiv. Trotzdem steht er heute auf der Tagesordnung, denn aufgelöst wurde er bislang nicht.

Wenn Hainburg nicht geklagt hätte, dann würde er weiter so vor sich hin dümpeln, er wäre mit 1,2 Millionen €, die da herumliegen, irgendwie scheintot. In diesem Zusam­menhang: Frau Minister, bitte lösen Sie den Fonds, der das Stammzell-Register bis jetzt geführt hat, auf und führen Sie die Mittel, die dort vielleicht noch liegen, ent­sprechend in die neue Gesellschaft über! Aber das sei nur nebenbei gesagt.

Hainburg hat geklagt, die Forderungen wurden auch in zweiter Instanz vom Ober­landesgericht Wien im November 2015 bestätigt. Es könnte jetzt sein, dass es analog zu Hainburg auch noch weitere Forderungen gegenüber dem KRAZAF gibt und dass sich das eben zu dieser KRAZAF-Lücke von 1,3 Milliarden €, die da im Raum stehen, auswächst. Woher soll man die nehmen? – Das heißt, der Fonds müsste in Konkurs gehen, es drohen endlose Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang. Daher versucht man jetzt, den KRAZAF gesetzlich aufzulösen, und behübscht das damit,


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dass man das vorhandene Geld für die Palliativ- und Hospizversorgung verwenden möchte.

Wie viel das genau ist – 800 000 € oder1,2 Millionen € –, ist nicht bekannt. Im Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung löst man damit sicherlich gar nichts, da bräuchte es ganz andere Beträge. Allein für das Jahr 2016 ist da die Rede von Gesamtkosten von 146,7 Millionen €, aber dieser ganze Bereich, von dem auch wir in Enqueten gehört haben und für welchen immer wieder bestätigt wird, wie wichtig und notwendig er ist und wie sehr es die Notwendigkeit eines Ausbaus gibt, ist ja auch bis heute in keiner Weise finanziell abgesichert oder organisatorisch im Gesamtsystem verankert.

Wir lehnen diese Gesetzesvorlage ab, weil ich es für ungeheuerlich finde, dass sich zehn Jahre lang niemand um eine Abwicklung gekümmert hat, man das Ganze treiben ließ und – wie im Ausschuss auch angeklungen ist – es vielleicht noch immer treiben würde, hätte Hainburg nicht geklagt.

Meiner Meinung nach ist das, was da geschehen ist, diese Misere, leider sympto­matisch dafür, was im Finanzierungsbereich der Krankenanstalten beziehungsweise im Gesundheitsbereich generell läuft oder eben nicht läuft.

Ich weiß nicht, ob Sie sich jemals ein Organigramm zur Krankenanstaltenfinanzierung angesehen haben. Ich habe mir überlegt, das in der Sitzung herzuzeigen, aber da müsste man schon eine Fahne nehmen, damit Sie überhaupt noch etwas lesen können. Es ist unglaublich! (Bundesministerin Oberhauser: Gesundheits­finanzierung!) – Ja, Gesundheitsfinanzierung. Aber auch wenn man die Krankenanstaltenfinanzierung herausnimmt: Auch das ist von einer unglaublichen Komplexität, wer da aller einzahlt und wer wieder herausnimmt. Ich zweifle inzwischen schon daran, dass es überhaupt in Österreich jemanden gibt, der sich da wirklich auskennt und auch weiß, an welcher Schraube man drehen müsste oder könnte, um eine bestimmte Wirkung zu erzeugen, denn wahrscheinlich müssten eben – und das zeigt dieser Vorfall – große Bereiche erst durchjudiziert werden, um irgendwie Klarheit zu schaffen.

Das wirkliche Drama ist, dass es anscheinend in den Finanzausgleichsverhandlungen auch nicht in Richtung mehr Transparenz, klarerer Strukturen und so weiter geht. Viel­mehr scheint das von dem verzweifelten Versuch des Weiterwurschtelns gekenn­zeich­net zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ja, das ist unsere Befürchtung, dass das so geht. Ich weiß nicht, ob Sie aus den Finanzausgleichsverhandlungen bessere Signale kennen, dass es da vielleicht mehr Klarheit, größere Transparenz und weniger Verluste mit unzähligen Transfers und Fonds und so weiter gibt.

Wie gesagt, ich fürchte, es wird so weitergewurschtelt. Wir aber werden dieser Geset­zesvorlage, dieser Bestimmung nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

17.26


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.26.19

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als vierte Rednerin zu diesem Thema, werde ich jetzt nicht ein viertes Mal die Geschichte des KRAZAF erklären; gerade die Kollegin Ebner hat das ja auch sehr ausführlich gemacht, aber ich möchte doch noch zwei, drei Dinge erwähnen.

Frau Kollegin Reiter, ich verstehe das nicht ganz, wenn man als Hauptbegründung, warum man nicht zustimmt, anführt: Ich stimme nicht zu, weil man das die letzten Jahre nicht geregelt hat! – Jetzt will man es regeln, und man stimmt nicht zu. (Zwi-


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schenrufe der Bundesräte Reiter und Stögmüller.) Da fehlt mir auch ein Stück weit das Verständnis, was den KRAZAF betrifft.

Es wurde ja heute auch schon angesprochen: Was sind die Alternativen? – Auch wenn jetzt diese Klage das Thema quasi wieder mit ausgelöst hat: KRAZAF wird nicht nachdotiert werden, ist auch rechtlich nie geregelt worden, und dass der KRAZAF, wenn weitere Forderungen kommen, innerhalb von 60 Tagen Insolvenz anmelden muss und in Wirklichkeit dann niemandem mehr etwas bleibt, ist meiner Ansicht auch nicht die sinnvollste Lösung.

Was mich ebenfalls ein bisschen stört, ist der Ausdruck, dass man das mit dem Thema Palliativ- und Hospizversorgung „behübschen“ will. Ich glaube, man muss das jetzt doch aufklären: In dieser Gesetzesvorlage zur Abwicklung des KRAZAF steht drinnen, dass das Geld, das nach der Auflösung des Fonds übrig bleibt, der Bundesgesund­heitsagentur zugeführt wird. Daraufhin hat es einen zusätzlichen Entschließungsantrag im Nationalrat gegeben – es war ja angedacht, dass das für ambulante und stationäre Leistungen eingebracht werden soll –, um das Geld dann dem Palliativ- und Hospiz­bereich zukommen zu lassen.

Meiner Ansicht nach ist das ein wichtiger Bereich. Ich glaube, diese Enquete-Kom­mission „Würde am Ende des Lebens“, in der auch ich Mitglied war, war eine unglaub­lich wichtige Einrichtung. Alle, die dabei waren, auch die Expertinnen und Experten, haben sehr aktiv daran gearbeitet und sehr viele Überlegungen angestellt. Heraus­gekommen sind 51 Empfehlungen. Eine dieser ganz wichtigen Empfehlungen war es, dass ein Palliativ- und Hospizforum eingerichtet wird, das dafür sorgt, dass die Be­schlüs­se und Empfehlungen umgesetzt werden – das hat man ja Gott sei Dank schon gemacht.

Eines ist aber auch klar, es liegt ganz klar auf der Hand, dass kein Mensch sagt: Mit diesen vielleicht 800 000 € ist das Problem gelöst! Ich glaube, das ist von niemanden, der dieses Thema diskutiert hat, in den Mund genommen worden, weil allen klar ist – und es gibt da ganz klare Berechnungen, gerade für die Jahre 2016 und 2017 –, dass es für den zusätzlichen Ausbau des Palliativ- und Hospizbereiches jährlich 18 Mil­lionen € mehr braucht. (Bundesrätin Reiter: Ja!)

Dieses Thema ist jetzt auch Thema im Finanzausgleich, wobei ich auch hoffe, dass das einen guten Weg geht. Ich verwehre mich aber dagegen, dass es nun so hingestellt wird, als ob wir dem Ganzen einfach ein nettes Mascherl geben und dann glauben, wir haben die Palliativ- und Hospizwelt gerettet. – Das meint sicher niemand von uns, und ich bin auch sehr froh, dass man dem Thema die Wichtigkeit gibt.

Daher darf ich abschließend noch einmal sagen: Ich bin der Überzeugung, auch wenn es jetzt Jahre gedauert hat, dass dieses Abwicklungsgesetz der richtige und einfach der sinnvolle Weg ist, um jetzt endlich einmal Rechtssicherheit zu schaffen.

Wir werden dem auch zustimmen, und ich hoffe, dass man dann, wenn der KRAZAF abgewickelt ist, dem Entschließungsantrag folgt – das wünsche ich mir wirklich sehr – und diese Mittel, die jetzt noch in dem Fonds sind, der Palliativ- und Hospizbetreuung in Österreich zugutekommen, denn jeder Euro, der in diesen Bereich geht, ist ein gut investierter Euro. Es sind Investitionen für Menschen, die sich eine menschenwürdige Betreuung einfach verdient haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.30


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser. – Bitte.

 



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17.30.27

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist falsch, aus der Frage, ob dieser Fonds jetzt 20 Jahre herum­gedümpelt ist oder liegen gelassen wurde, Rückschlüsse auf die Finanzierung im Gesundheitssystem zu ziehen. Der Fonds ist deswegen nicht aufgelöst worden, weil es diese Rechtsstreitigkeit mit Hainburg gegeben hat, sonst wäre der KRAZAF – mit der Umstellung auf LKF – längst schon Geschichte, aber da es ein anhängiges Verfahren gegeben hat, wurde dieser Fonds mehr oder weniger gehalten, weil nicht klar war, wie sich dieser Rechtsstreit weiterentwickelt.

Dann gab es viele, viele, viele Instanzen, und dann haben wir gesagt: Jetzt nehmen wir es politisch in die Hand und beenden sozusagen dieses Spiel! Ein Urteil war aus­ständig, und wir haben gewartet, ob der Oberste Gerichtshof, glaube ich, jetzt auch noch ein Urteil spricht. Und nun haben wir gesagt: Wir streiten um öffentliches Geld in der Finanzierung! Wir haben gesagt, dass wir jetzt die politische Verantwortung in die Hand nehmen und einfach sagen: Jetzt eliminieren wir diesen Fonds, um darunter endlich einen Schlussstrich zu ziehen.

Man kann vielleicht sagen: Es hat jahrelang jemand politisch keine Verantwortung übernommen!, aber das haben wir jetzt gemacht, und damit beschließen wir jetzt auch diese Auflösung des KRAZAF.

Was mit dem restlichen Geld aus dem Fonds geschieht: Das in den Hospiz- und Palliativbereich zu geben – als kleinen Tropfen auf den heißen Stein –, halte ich für eine sehr gute Idee. Wir haben dieses Forum kürzlich gegründet, das heißt, wir haben auch die beiden Vorsitzenden mit der Führung betraut, zwei wirklich engagierte Frauen – Waltraud Klasnic und Liesl Pittermann –, die bereits sehr aktiv an der Arbeit sind.

Ich teile in der Frage – ich zitiere immer Kurt Grünewald, der gesagt hat, dass Sterben Ländersache ist – absolut die Meinung, dass das eine Geschichte ist, in der wir wirklich alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, denn wenn man, so wie Sie (in Richtung der Bundesrätin Reiter) es gesagt haben, die Finanzierungsströme im Ge­sund­heitswesen aufzeichnet, dann erhält man ein riesiges Flipchart, auf dem sich keiner mehr auskennt.

Es stellt sich die Frage: Wer bleibt auf der Strecke?, und das sollte nicht der Mensch am Ende des Lebens sein. Das wird von uns, so glaube ich, auch im Rahmen des Finanzausgleichs diskutiert, genauso wie die Frage – das betrifft noch einen voran­gegangenen Tagesordnungspunkt – der Selbstbehalte, die in den Spitälern einge­zogen werden, nämlich der Selbstbehalte für Kinder und Jugendliche bei Spitalsauf­enthalten. Auch das wird Thema im Finanzausgleich sein, weil wir gesagt haben: Da muss man versuchen, bei neuen Finanzausgleichsverhandlungen die Chance zu nüt­zen, diese beiden Themen von unserer Seite auf die Themenliste aufzunehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.32

17.32.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 161

17.33.0712. Punkt

Jahresvorschau des BMG 2016 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der europäischen Kommission für 2016 und des Programms des Rates (Niederlande, Slowakei und Malta) (III-575-BR/2016 d.B. sowie 9574/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zu Punkt 12 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Bitte um den Bericht.

 


17.33.37

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Jahresvorschau des Bundesminis­teriums für Gesundheit 2016 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2016 und des Programms des Rates (Niederlande, Slowakei und Malta).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 den Antrag, die Jahresvorschau des BMG 2016 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2016 und des Programms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


17.34.23

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Ich begrüße noch einmal dieselben handelnden Personen! (Heiterkeit der Bundesministerin Oberhauser sowie der Bun­desräte Mayer und Todt.) Dieser Bericht – und nicht nur der, sondern auch andere – steht sozusagen unter dem Motto: „Jetzt ist nicht die Zeit für business as usual“! Das ist das Motto, und da ist die Rede von „Beschleunigung der Entscheidungsfindung“, jahrelang offene Punkte „sollen vom Tisch“, um Kapazitäten für Neues zu schaffen; bestehende Vorschriften sollen auf ihren tatsächlichen Wert „durchforstet werden“.

Das klingt ja alles recht gut, aber wenn man dann ein bisschen ins Detail geht, dann hat man wieder das Gefühl: Es ist halt doch „business as usual“. So fehlen, was uns auch besonders stört, in diesem Bericht jegliche Aussagen über gesundheitspolitische Auswirkungen von TTIP, und bei vielen Vorhaben der Kommission, die da angeführt sind, schrillen eigentlich eher die Alarmglocken.

Das fängt bei der Verordnung über die ökologische/biologische Erzeugung und die Kennzeichnung an. Österreich hat sich gerade auf diesem Gebiet bisher eigentlich eine hervorragende Position erarbeitet, und das Herumdoktern oder Neuaufsetzen dieser ganzen Sache birgt eher Gefahren für den österreichischen Standard als Chancen.

Bei der Verordnung über die Kontrollen entlang der Lebensmittelkette soll eine horizon­tale Regelung angestrebt werden, die gemeinwirtschaftlich einheitlich sein sollte, und dabei würden dann fachspezifische Kontrollanforderungen unter die Räder kommen.

Auch die Änderung der Verordnung zur Ermöglichung der Beschränkung der Verwen­dung gentechnisch veränderter Lebensmittel und Futtermittel ist besonders kritisch zu sehen. Da müssten eigentlich besonders die Grünen laut aufschreien. Das Ministerium merkt das ja selbst an: Es handelt sich bei dieser Verordnung beziehungsweise bei dem, was da vorliegt, um eine „Scheinsubsidiarität“, denn die Untersagungsmög­lichkeiten werden in der Praxis dann stark eingeschränkt werden. Das heißt, die


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 162

Gefahr, dass solche gentechnisch veränderten Lebensmittel auch zu uns kommen, ist sehr virulent.

Auch bei der Kontrolle neuer psychoaktiver Substanzen scheint die Kommission der Freiheit des Binnenmarkts mehr Augenmerk zu schenken und mehr Priorität einzu­räumen als der Gesundheit der Bevölkerung.

Ebenso gibt die Neufassung der Vorschriften über Tierarzneimittel Grund zu der berech­tigten Sorge, dass die strengen nationalen Regelungen durch die EU ausge­hebelt werden. Gerade bei diesem Punkt ist eine lange Liste von Bedenken angeführt.

Auch der Rat kommt bei seinen allgemeinen Formulierungen nicht zu wirklich wesentlichen Schlüssen, vielmehr bleibt es eigentlich bei Gemeinplätzen, denn dass der Schutz der Gesundheit ein „Schlüsselthema“ ist, versteht sich eigentlich von selbst.

Auch wenn vonseiten des Ministeriums in diesem Bericht sehr wohl die Kritikpunkte angeführt und angesprochen werden, so ist doch manchmal ein bisschen der Tenor herauszuhören: Na ja, wir haben es probiert, aber wir sind in der Minderheit geblieben und mit unserer Ansicht nicht durchgekommen.

Das heißt: Summa summarum wird, wenn diese Vorhaben, die die Kommission da plant, umgesetzt werden, im Gesundheitsbereich eine Verschlechterung und keine Verbesserung auf uns zukommen. Zudem fehlen, wie bereits gesagt, wesentliche Punkte wie TTIP oder Aussagen zum Vollzug der Lebensmittelinformationsverordnung. Daher fällt es uns sehr leicht, diesen Bericht insgesamt abzulehnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.39


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.39.25

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Unsere Bundesministerin für Gesundheit, Sabine Oberhauser, legt heute ihren Bericht über EU-Themen vor, die im Jahr 2016 für die strategische Planung des Ressorts von Bedeutung sind. Der Bericht gibt einen guten Überblick über die derzeit in Verhandlung stehenden Vorhaben und die jeweilige Position Österreichs. Dieser Bericht erscheint jährlich.

Sieht man sich die Berichte über einen längeren Zeitraum hindurch an – auf der Parlamentshomepage sind alle diese Berichte zu finden –, stellt man schnell fest, dass sich das Bundesministerium für Gesundheit in den letzten Jahren auf EU-Ebene verstärkt mit den Bereichen Gesundheit, Lebensmittel, Gentechnik, Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit auseinandersetzen durfte und sich für das Wohl der öster­reichischen PatientInnen und VerbraucherInnen starkgemacht hat. Österreich kommt innerhalb der Europäischen Union eine gewichtige Stimme zu, und das Bundes­ministerium für Gesundheit setzt sich für die Beibehaltung der hohen Lebensmittel-, Tierschutz- und Gesundheitsstandards ein.

Kollege Krusche, gerade Österreich und gerade unsere Bundesministerin schaut in der EU, dass wir speziell bei diesen Themen, Lebensmittel-, Tierschutz- und Gesundheits­standards, die höchsten Kriterien erreichen, und dafür gebührt unserer Ministerin auch Dank.

Dieser hier nun vorliegende Bericht von Bundesministerin Oberhauser gibt uns allen einen guten Überblick über die laufenden Themen und zeigt auch klar auf, wie die Positionen dargelegt sind. In diesem Sinn: ein herzliches Dankeschön an das Bundes­ministerium für Gesundheit, an unsere Bundesministerin!


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 163

Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das muss auch so blei­ben. – Liebe Sabine Oberhauser, alles Gute! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bun­desräten von ÖVP und Grünen.)

17.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte.

 


17.41.27

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich könnte es mir jetzt ganz leicht machen und sagen, überall, wo Kollege Krusche Sorge gesehen hat, sehe ich Zuversicht und überall, wo er Negatives gesehen hat, sehe ich Positives; dann wäre der Bericht genauso gut kommentiert, nur halt von der anderen Seite. (Bundesrat Krusche: Hast du ihn nicht gelesen?) – Ja, ich habe ihn gelesen.

Ich will auch nur auf einige Punkte eingehen, wir haben ja schon sehr viel im EU-Ausschuss behandelt, zum Beispiel die Bioverordnung, bei der wir eine Subsidiaritäts­rüge, eine Mitteilung gemacht haben, worauf auch geantwortet worden ist. Da gibt es für uns noch einige offene Punkte, das sind die Rückstandswerte sowie die Kontrollen, die da vielleicht etwas überbordend sind. Wir hoffen, dass die EU da doch noch einigermaßen in unsere Richtung unterwegs ist.

Auf der anderen Seite haben wir der EU im EU-Ausschuss auch schon ein ableh­nendes Gutachten zum Klonen mitgegeben.

Auf der dritten Seite, zu gentechnisch veränderten Futtermitteln, sehen wir, dass diese Subsidiarität, die angeboten wird, dass jeder Nationalstaat selbst entscheiden kann, eher nur eine Scheinsubsidiarität wäre und die Nationalstaaten eher vermehrt ein­schränken würde. Deshalb haben wir auch im EU-Ausschuss damals in diese Richtung eine Mitteilung verfasst.

Da vermisse ich allerdings eine europäische Strategie, wie wir Importe von gen­technisch verändertem Soja in Europa ersetzen können, weil es für die Fleisch­erzeuger ganz einfach notwendig ist, Soja im großen Ausmaß einzusetzen, weil es derzeit noch kein anderes Futtermittel auf dem Markt gibt, das diese Menge an Eiweiß­futtermittel ersetzen könnte. Es wäre eigentlich an der Zeit, diesbezüglich eine euro­päische Strategie zu entwickeln, die Europa in diesem Sektor unabhängig von Süd- und Nordamerika macht. Das vermisse ich eigentlich in diesem Bericht.

Ansonsten ist es ein sehr umfangreiches, sehr gutes Programm, mit dem der EU-Ausschuss schon sehr oft befasst worden ist, ständig auch mitwirkt, und es kommt immer wieder auch zu Verbesserungen. So hoffe und wünsche ich, dass sich dieses Programm auch in der nächsten Zeit in unsere Richtung entwickelt. Wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

17.44


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


17.44.21

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Ich verstehe diese Berichte offensichtlich etwas anders als die Kollegen von der Freiheitlichen Partei, denn an dem Vorhabensbericht der EU können wir ja nichts ändern; das ist der Bericht, so wie er ist.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 164

Meiner Überzeugung nach ist wichtig, was im Lichte dieses Berichts bei uns geschieht. Wie reagiert das Ministerium darauf? Welche Standpunkte hat man vonseiten des Ministeriums dazu? Was gedenkt man wie umzusetzen? – Da, denke ich, ist der Bericht ausgezeichnet und in vielen Bereichen auch sehr engagiert.

Das betrifft eben Tabakerzeugnisse, Lebensmittel – wie schon von meinem Vorredner erwähnt –, die EU-Bioverordnung, womit wir uns ja im EU-Ausschuss auch schon beschäftigt haben. Da ist es natürlich notwendig, zu einer gemeinsamen europaweiten Vorgangsweise zu kommen, und da, glaube ich, spricht Österreich wirklich ein ge­wichtiges Wort mit und bringt sich in diesem Bereich auch immer wieder sehr gut und auch wirksam ein, auch was Kontrollen und so weiter betrifft.

GVO-Futtermittel sind natürlich ein Problem, aber dazu gibt es eine gemeinsame Stel­lungnahme der Länder, die sich auch mit unserer Meinung deckt, und die Situation ist auch im Bericht sehr gut und klar dargestellt.

Zur Neufassung der Vorschriften über Tierarzneimittel: Auch da gibt es bei der Frage des Antibiotikaeinsatzes Bewegung. Das heißt, es scheint doch so zu sein, dass Maßnahmen für die dringend notwendige Reduktion von Antibiotika gesetzt werden. Wir halten es für ganz wichtig, dass es in diesem Bereich Entwicklung und offen­sicht­lich auch eine Erhöhung der Sensibilität gibt.

Wir sind auch sehr froh darüber, dass der Einsatz homöopathischer Arzneimittel zumin­dest nicht erschwert wurde, dass es da also doch auch noch eine Offenheit gibt.

Auch beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln von Klontieren gibt es inzwischen eine entsprechende Sensibilität und Bewegung, was wir sehr positiv finden.

Interessant ist doch auch der Bereich Informationsaustausch, Risikobewertung und Kontrolle psychoaktiver Substanzen. Diesbezüglich hat man in Österreich mit dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz bereits eine Antwort gefunden, und wir stim­men da auch inhaltlich mit dem Ministerium überein.

Das betrifft auch die Medizinprodukterichtlinie. Ich glaube, dass es da eine weitere Straffung und Harmonisierung geben soll, ist im Sinne Österreichs und auch in unse­rem Sinne.

Es ist einfach notwendig, gerade in diesen Bereichen, eine Harmonisierung in der EU anzustreben. Wir haben einen Binnenmarkt, es ist Kooperation notwendig. Gerade was Bereiche wie GVO oder Klontiere in der Auseinandersetzung mit den USA – die ein ganz anderes Prinzip, nämlich nicht das Vorsorgeprinzip, haben – im Rahmen von TTIP und so weiter betrifft, ist der Nationalstaat alleine auf verlorenem Posten.

Es muss gelingen, das mit dem entsprechenden Gewicht zu EU-Themen zu machen. Da sehe ich eigentlich auch viel Unterstützung vonseiten des Ministeriums, für die ich mich sehr bedanke. So hoffe ich doch, dass da vieles gelingt, gerade was eben TTIP und diese Dinge betrifft, damit die Standards, auf die wir so stolz sind, tatsächlich erhalten werden können und sich vor allem das Vorsorgeprinzip durchsetzt. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.49


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Abschließend zu diesem Tagesordnungspunkt gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser zu Wort. – Bitte.

 


17.49.08

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Sie sehen den Bericht völlig richtig. Wir haben ja auch, wenn man sich den Bericht genau durch­schaut, auf Wunsch des Kollegen Pirklhuber, der im Nationalrat immer eingefordert


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 165

hat, dass die österreichische Position zu diesen Berichten besser lesbar sein muss, überall unsere Position zu den Vorhaben der Europäischen Union dazugesetzt.

Was man schon sagen kann, ist, dass wir uns auch als kleines Land in Brüssel bei vielen, vielen Dingen durchgesetzt haben. Ich denke nur an die Bioverordnung, ich denke an viele Sachen, auch an die Gentechnik, wo wir jetzt wirklich federführend dabei waren, um einfach Dinge, die uns für Österreich nicht tragbar erschienen sind, so lange als möglich zu verhindern.

Der Bericht zeigt die Positionen der Europäischen Union und zeigt unsere Positionen dazu. Ich freue mich immer sehr, wenn wir in vielen Dingen Unterstützung nicht nur von Regierungsfraktionen, sondern auch von der Opposition erhalten. Gerade bei den Grünen sitzt, was diese Dinge betrifft, auch relativ viel Expertise, und da kann man schon ordentlich für Österreich zusammenarbeiten, auch im Zuge und im Lichte von TTIP, wo wir alle wissen, dass wir besonders auf die gesundheitlichen Aspekte, gerade was Lebensmittel und Zusätze zu Lebensmitteln betrifft, aufpassen müssen, damit wir auch als kleines Österreich gemeinsam einiges erreichen können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

17.50

 


17.50.01 Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke, Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf mich bei Frau Bundesministerin Oberhauser für ihre Anwesenheit bedanken. Gleichzeitig begrüße ich den Herrn Bundesminister für Justiz. (Bundesministerin Oberhauser und Bundesminister Brandstetter umarmen einander.) – So, ein Koali­tions­bussi! (Bundesministerin Oberhauser: Ja, ganz im Gegenteil zu dem, was man kommuniziert!)

Ich denke, Herrn Bundesminister Brandstetter begrüßen wir mit einem Applaus, und Frau Bundesministerin Oberhauser verabschieden wir mit einem Applaus. (Allgemeiner Beifall.)

17.51.1713. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz und das Ver­bands­verantwortlichkeitsgesetz geändert werden (Strafprozessrechtsänderungs­gesetz I 2016) (1058 d.B. und 1072 d.B. sowie 9557/BR d.B. und 9561/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu Punkt 13 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. Bitte um den Bericht.

 


17.51.35

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafvoll­zugs­gesetz und das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz geändert werden.

Der Inhalt liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; viele Teile wurden im EU-Ausschuss schon lange erörtert, ich komme daher zur Antragstellung:


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 166

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte. (Zwischenrufe.)

 


17.52.26

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Brauchst keine Angst zu haben, lieber Edgar Mayer! Brauchst keine Angst zu haben! Es wird nicht böse werden; ohne „Bauchstich“ wird das werden.

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das gegenständliche Bundesgesetz ist natürlich von seinem Ansatz her nicht grundsätzlich ganz böse. (Bundesrat Schennach: Na!) Es gibt durchaus positive Aspekte, so etwa die Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern, aber auch die erweiterten Möglich­keiten für den Rechtsbeistand; all das ist ja grundsätzlich nicht schlecht, und dagegen hätten wir ja auch nichts, wenn nicht in diesem Gesetz eine Sache verpackt wäre, die uns doch etwas sauer aufstößt. Man schafft nämlich, versteckt, durch die Hintertür, die Möglichkeit, auf Daten beziehungsweise in diesem Fall Kontoregisterdaten ohne richterlichen Befehl, sondern lediglich auf Anordnung eines Staatsanwaltes, Zugriffe zu machen, wobei ein etwaiger Einspruch keine aufschiebende Wirkung hat, und es auch – das hat mich insbesondere bei der Besprechung im Ausschuss nicht wirklich überrascht, aber in meiner Haltung bestätigt – bei einem Rechtshilfeersuchen auslän­discher Behörden Zugriffsmöglichkeiten auf Kontoregisterdaten österreichischer Staats­bürger gibt, was wir so nicht haben wollen.

Ich darf an andere gleichlautende Bestimmungen erinnern, bei denen es in erster Linie um Fluggastdaten geht, um Daten aus der polizeilichen Erhebungsebene, EKIS und dergleichen, wo auch die Möglichkeit bestanden hat beziehungsweise noch immer besteht, dass ausländische Interessierte – ich will nicht sagen: Geheimdienste oder Sicherheitsbehörden – über Rechtshilfeersuchen hiezu Zugänge haben; Zugänge in Form von gezielten Abfragen.

Das ist nicht unsere Linie, so etwas wollen wir nicht haben. Wir wollen sicherstellen, dass unsere österreichischen Staatsbürger vor einem Zugriff fremder Behörden ge­schützt bleiben. Wir sehen ein, dass österreichische Strafverfolgungsbehörden da durchaus Möglichkeiten haben, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, was wir aber nicht wollen, ist, dass sich unsere Sicherheitsbehörden oder Justizbehörden als Handlager ausländischer Dienste betätigen. (Präsident Saller übernimmt wieder den Vorsitz.)

Aus diesem Grund werden wir diesen Gesetzesbeschluss ablehnen, weil wir eben in der Abwägung der Interessen meinen, dass diese Zugriffsmöglichkeit schwerer wiegt als die positive Aspekte, die darin auch beinhaltet sind.

In diesem Sinn werden wir keine Zustimmung geben. (Bundesrätin Zwazl: Über-raschend! – Bundesrat Schödinger: Was ist mit Law and Order?) – „Law and Order“ sagen Sie, wenn ausländische Geheimdienste auf Kontoregisterdaten zugreifen dür­fen?! – Das ist nicht das, was wir haben wollen, Herr Kollege! So gesehen: Nein, danke! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 167

17.56


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


17.56.36

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Sinne der fortgeschrittenen Zeit will ich nicht allzu lange über Dinge sprechen, bei denen es ohnehin hier wie auch im Nationalrat große Übereinstimmung gab.

Das Thema Opferschutz, bei dem Österreich immer schon sehr vorbildlich war, ist auch Thema dieser Novelle der Strafprozessordnung, wobei wir ausdrücklich darauf hinweisen können, dass der Begriff „besondere Schutzbedürftigkeit“ von gewissen Opferkategorien da im Vordergrund steht: Opfer von Gewalt, von Sexualdelikten, aber auch Minderjährige werden eben in diesem Fall mit Rechten gestärkt, die es bisher ja auch schon gab, ohne jetzt näher darauf eingehen zu wollen, weil das aufgrund der Übereinstimmung hier im Haus ohnehin nicht notwendig ist.

Ich möchte aber noch eine kleine Replik darauf machen, was Kollege Werner hier gerade gesagt hat. Ich weiß nicht, ob es ein grundlegendes Missverständnis gibt, wenn wir von Kontoregisterdaten sprechen. Eine solche Einsicht – die es bisher auch schon gegeben hat – stellt ja keine maßgebliche Neuerung dar, denn seit jeher konnte ein Staatsanwalt ermitteln, ob es überhaupt eine Kontoverbindung gibt, und das ist das Einzige, was in Bezug auf Kontoregisterdaten aus dieser Novelle heraus generiert wird. Der Staatsanwalt kann erfragen, ob jemand eine entsprechende Kontoverbindung hat. Er kann aber nicht erfragen, welche Kontobewegungen es gibt. Er kann nicht auf diese Art und Weise erfragen, was der Kontostand ist, sondern eben, ob eine Person ein Konto bei dieser Bank oder jener Bank unterhält. Das ist alles, worum es geht.

Das ist ein sensibles Thema; klar, dessen muss man sich bewusst sein, aber – das sage ich auch ganz klar dazu – das ist sozusagen noch kein Datum, bei dem man sich Sorgen machen muss, wenn jemand weiß, dass man bei dieser oder jener Bank ein Konto hat. Das ist bei der heutigen Datenlage generell wohl kein großes Geheimnis mehr. Diese Möglichkeit kann man einem Staatsanwalt einräumen, der letztlich auch unter einem Amtseid steht und dem wir von vornherein wohl nicht den Versuch eines Amtsmissbrauches unterstellen wollen.

Das sind die zwei wesentlichen Dinge dieser Novelle.

Es gab noch einen Abänderungsantrag im Nationalrat bezüglich Ausfolgung von Video­aufzeichnungen, von Einvernahmen, wobei ich glaube, dass auch da eine gute Rege­lung gefunden worden ist. Zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft ist sozusa­gen Waffengleichheit herzustellen. Das ist dadurch geschehen, dass diese Einsicht nehmen und sich das bei Gericht anschauen können. Es ist aber auch berechtigt, zu sagen: Nein, eine Ausfolgung kann es nicht geben; das kann nicht zur öffentlichen Schaustellung eines Opfers führen.

In diesem Sinne gibt es keinen Grund, dieser Novelle nicht zuzustimmen. Wir tun das natürlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.59


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


18.00.01

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Mein Vorredner hat schon sehr viel angesprochen, deswegen möchte ich nichts wiederholen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 168

Ich möchte nur betonen, dass wir einen wirklich gut ausgebauten, gut funktionierenden Opferschutz haben, der auf einem ganz hohen Niveau ist – ja, führend in Europa –, und darauf können wir, glaube ich, sehr stolz sein.

Der Kern dieser Novelle, die wir heute beschließen, ist der Ausbau und die Ver­besserung des Opferschutzes. Ich möchte einige Punkte nennen – beginnend bei den Opfern von Straftaten, die bereits bei der Anzeige unterstützt werden sollen, über die bessere Informationspflicht für die Opfer, die Einführung von Verteidigungsrechten und auch die Maßnahme, dass man am Wohnsitz Anzeige erstatten kann, wenn das Ver­brechen in einem anderen Land geschehen ist, bis hin zur Erleichterung der gegen­seitigen Anerkennung von gerichtlichen Urteilen.

Ich möchte noch kurz auf drei dieser Punkte eingehen: Punkt eins ist die Infor­mationspflicht. Sobald ein Täter aus dem Gefängnis entlassen wird oder flieht, müssen die Opfer darüber informiert werden. Und der zweite Punkt: Auch wenn eine Tat im Ausland begangen wurde, kann man diese im Inland anzeigen. Das ist vor allem für Betroffene von Zwangsehen und von Genitalverstümmelung eine große Verbesserung und stellt frauenpolitisch einen großen Fortschritt dar. Ich möchte Ihnen dafür recht herzlich danken, Herr Minister!

Beim dritten Punkt, der mir sehr, sehr wichtig ist, geht es um die Ausweitung des Opferbegriffes. Als besonders schutzwürdig gelten vor allem Minderjährige, aber auch all jene, die sexuelle Gewalt in der Familie erfahren haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewalt ist kein Kavaliersdelikt, Gewalt ist keine Privat­sache von Frauen, und Gewalt kann niemals, ganz egal, wer sie ausübt, akzeptiert werden, sondern Gewalt muss geahndet werden. Und sexuelle Gewalt ist seit 1. Jän­ner 2016 strafbar, worauf ich sehr stolz bin.

Opfer von häuslicher Gewalt sind großteils Frauen. Ich spreche jetzt nicht von Prel­lungen und blauen Flecken, sondern ich spreche vom Verlust ihrer Selbstachtung, von Angst, von Schlafstörungen, Depressionen, Essstörungen; und vor allem spreche ich auch davon, dass diese Frauen, die Depressionen haben, sich zurückziehen, dass sie vereinsamen, und Einsamkeit macht, wie wir alle wissen, krank.

Deswegen bedanke ich mich da auch recht herzlich. Denn gerade Opfer von häus­licher Gewalt oder von Sexualdelikten, aber auch minderjährige Opfer gelten künftig vor Gericht ohne Ausnahme als besonders schutzbedürftig und haben somit beson­dere Rechte. Wir werden dieser Gesetzesvorlage sehr gerne zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.03


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte, Herr Minister.

 


18.03.38

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich kann mich jetzt sehr kurz halten, alles Wesentliche ist schon gesagt worden.

Ich glaube, über diese Änderung des Strafprozessrechts kann man sich wirklich freuen. Anlass war die Notwendigkeit der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union, der Opferschutz-Richtlinie. Aber das, was hier insgesamt entstanden ist, ist wirklich ein so ausgewogenes Paket, dass wir selbst eine große Freude damit haben.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 169

Was hier gesagt wurde, ist völlig richtig. Diese besonders schutzwürdigen Opfer muss man entsprechend unterstützen. Das sind oft sehr subtile Verletzungen auch im psychischen Bereich, die man auch entsprechend behandeln muss. Ich bekenne mich dazu, dass wir sehr viel im Bereich des Opferschutzes, im Bereich der Unterstützung der Opfer tun, weil es auch für das Klima in einem Strafverfahren wichtig ist, dass die Opfer möglichst angstfrei auftreten und schildern können, was ihnen passiert ist. Das ist natürlich aufwendig, auch von der Betreuung her.

Ich sage ganz offen: Das sind Dinge, die an sich über unsere Kernkompetenz als Justiz hinausgehen, aber wir tun es trotzdem gerne und wir müssen es auch tun, weil die Probleme der Opfer ja zuerst im Justizbereich sichtbar werden, und da muss man sofort helfen. Daher ist es wichtig, dass man dafür auch die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung hat und zur Verfügung stellt.

Ich bitte allenfalls auch um Ihre Unterstützung, wenn es dann im Herbst bei den Budgetverhandlungen darum gehen wird, dass solche Aufwendungen, die wir mög­lichst kostengünstig über die Justizbetreuungsagentur und über Unterstützung der Opferschutzeinrichtungen finanzieren, auch tatsächlich weiter in diesem Umfang aufrechterhalten werden können. Ich halte dies für ganz, ganz wichtig.

Ein zweiter Punkt, der hier enthalten ist: Im Sinne der Waffengleichheit, die bereits erwähnt wurde, haben wir auch in Umsetzung der EU-Richtlinie die Kommunikation zwischen Verteidigern, Rechtsanwälten und ihren Mandanten weiter geschützt, als es bisher der Fall war. Das war auch notwendig und sinnvoll.

Wir haben schließlich auch die bereits angesprochene Zugriffsmöglichkeit auf die äußeren Kontodaten durch das Kontoregister geschaffen. Da möchte ich zu dem, was Herr Bundesrat Werner Herbert gesagt hat, sagen: Noch einmal, es ist wirklich kein Verlust an Rechtsstaatlichkeit oder an Rechtsschutz, überhaupt nicht. Es ist nur ein Gewinn von Effizienz, wie von Herrn Bundesrat Fürlinger schon gesagt wurde.

Schon bisher konnte die Staatsanwaltschaft von sich aus, ohne dass man eine richter­liche Bewilligung gebraucht hätte, die Banken fragen, ob es eine bestimmte Konto­verbindung gibt – nicht mehr –, aber man musste alle anschreiben und warten, bis die Antworten kommen. Jetzt geht es rascher, effizienter. Das brauchen wir auch. Wir müssen die Verfahrensdauer möglichst abkürzen, gerade im Bereich von Wirtschafts­strafverfahren. Daher ist das nichts anderes als eine Maßnahme zur Steigerung der Effizienz in diesem Bereich und kein Verlust an rechtsstaatlicher Kontrolle, überhaupt nicht.

Daher wäre es schön, Herr Bundesrat Werner Herbert, wenn man sich das vielleicht doch noch einmal überlegen könnte, denn es gibt wirklich keinen Grund, dem nicht zuzustimmen. Und um Ihr Beispiel aufzugreifen: Also ich glaube, man braucht sich nicht davor zu fürchten, dass sich ein ausländischer Geheimdienst an die Staats­an­walt­schaft in Österreich wendet, um solche äußeren Kontodaten zu bekommen. Denn in dem Augenblick, in dem er das täte, ist er ja kein Geheimdienst mehr. Da muss er sich deklarieren. Da braucht man sich schon gar nicht zu fürchten.

Also ich glaube, es gibt wirklich keinen ausreichenden Grund, dem die Zustimmung zu verweigern. Es wäre schade drum. Es ist ein wirklich schön ausgewogenes Paket, und ich glaube, da ist uns im Interesse der Bevölkerung wirklich etwas gelungen. Das ist es auch, was mir und meinem Team im Ministerium wirklich wichtig ist. Wir wollen einfach vernünftige Sacharbeit machen. Ungeachtet diverser Turbulenzen da oder dort setzen wir unseren Weg fort und lassen uns da nicht beirren. – Danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 170

18.07

 


18.07.10 Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.08.0914. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl. Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird (1613/A und 1075 d.B. sowie 9562/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. Bitte um den Bericht.

 


18.08.33

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sucht­mittelgesetz – SMG, BGBl. Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesge­setz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird.

Dieses Gesetz wird aufgrund aktueller Umstände neuerlich geändert. Es gab eine sehr ausführliche Debatte dazu.

Der Bericht liegt Ihnen vor. Ich komme gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


18.09.17

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich vielleicht beim vorigen Tagesordnungspunkt den einen oder anderen positiven Ansatz gesehen hätte, muss ich doch sagen, bei dieser Gesetzesvorlage sehe ich ihn nicht. (Bundesrat Schennach: Ui!)

Warum sehe ich ihn nicht? – Ich anerkenne das Bemühen, dem überbordenden Sucht­gifthandel im urbanen Bereich einen Riegel vorzuschieben. Ich weiß auch aus der polizeilichen Arbeit meiner Kollegen, dass das ein großes Problem ist, weil ja quasi die Quantität das Problem ist und nicht, sage ich einmal, der spezialisierte Suchtgift­händler. Dazu kommt die Möglichkeit der Austauschbarkeit der handelnden Personen, denn kaum zieht man einen aus dem Verkehr, wird sofort in negativer Art und Weise seitens der Suchtgiftdealer personell „nachgebessert“.

Aber so, wie das hier dargelegt wird, geht das meiner Meinung nach entscheidend am eigentlichen Ziel vorbei, denn wenn ich hier festschreibe, dass man an öffentlichen Orten, auf Verkehrsflächen – sagen wir einmal pauschal: in der Öffentlichkeit – das Dealen, die Weitergabe, den Verkauf, das Anbieten und das Überlassen unter Strafe


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 171

stellt, und zwar nur dann, wenn es auch öffentlich wahrgenommen wird, dann, denke ich mir, kann das nicht die Zielsetzung des Rechtsstaates sein; entweder will ich den Drogenhandel bekämpfen, und das dann generell, oder ich will es nicht. Aber wenn man sagt, wenn jemand in der Kärntner Straße dem Suchtgifthandel nachgeht und sich genügend Menschen deswegen echauffieren, dann droht diesem eine größere Strafe als demjenigen, der am Hauptplatz von Bruck an der Leitha um 2 Uhr nachts dem Suchtgifthandel nachgeht, dann, denke ich, ist der gesetzliche Ansatz nicht ganz nachvollziehbar. (Bundesrat Schennach: Das haben wir doch eh lang und breit ...!)

Wenn ich schon die mit Strafe bedrohte Handlung abstellen will, dann muss es doch unerheblich sein, zu welcher Tages- und Nachtzeit das passiert und ob sich jetzt viele oder wenige Leute darüber echauffieren. Grundsätzlich würde ich ja diese verstärkte Strafdrohung begrüßen, weil einfach die Drogenkriminalität generell nur mit stärkeren Strafen eingedämmt werden kann, wie ich meine. Ich weiß natürlich, dass das ein Problem für Sie ist, Herr Bundesminister, weil die Gefängnisse ohnedies überfüllt sind. Das heißt, da beißt sich momentan rechtsstaatlich die Katze wieder in den Schwanz, denn wenn wir höhere Strafen fordern, dann haben wir das Problem: Was machen wir mit den verurteilten Rechtsbrechern? Diese sollte man nämlich in einem Gefängnis unterbringen, wo wir eigentlich gar keinen Platz mehr haben.

So finden wir eine Lösung, indem wir sagen: Regen sich viele Leute auf, sperren wir ihn ein, regt sich keiner auf, tun wir so, als ob wir ihn nicht gesehen hätten. Das ist der Ansatz dieses Gesetzes. (Bundesrat Schennach: Nein!) Und daher kann ich dem beim besten Willen nicht zustimmen.

Kollege Schennach, du warst selbst bei der Ausschusssitzung dabei. Da habe ich fünfmal nachgefragt, ob da die öffentliche Wahrnehmung an einem öffentlichen Ort auch tatsächlich strafbegründend ist. Das wurde mir nach mehrmaligem Hinterfragen dann auch so bestätigt. Und das kann man nicht gutheißen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich verstehe natürlich, dass Sie unter Druck stehen, und ich verstehe auch, dass die Polizisten eine rechtliche Handhabe brauchen. Aber wenn man ihnen schon Mittel in die Hand geben will, um den Straßendealern wirkungsvoll zu begegnen, dann bitte ein Mittel, das auch rechtsstaatlich logisch und nachvollziehbar ist. Ich kann ja nicht sagen: Nur weil du ein intelligenter Drogendealer bist, der es versteht, in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen zu werden, wirst du auch noch für deine rechtswidrige Handlung belohnt!, während dem anderen, der, weil er selbst zugekifft ist, die Umgebung gar nicht mehr wahrnimmt und sich aus diesem Grund ungeschickterweise auffällig verhält, eine größere Strafe droht. Das kann ja nicht der Ansatz einer gesetzlichen Grundlage sein!

Also bei aller Wertschätzung, bei allem Verständnis: grundsätzlich Ja zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, Ja zu wirksamen Mitteln für unsere Polizistinnen und Polizisten, die es ohnedies schwer haben, im alltäglichen Einsatz gegen Drogendealer als Ver­treter des Rechts und des Staates zu bestehen – aber nicht mit solchen Pseudoge­setzen und vor allem nicht mit solchen zahnlosen Gesetzen, die nur darauf abzielen, der Öffentlichkeit quasi einmal mehr ein Placebo mit dem Hinweis zu geben: Schaut, wir tun ja etwas!; aber eigentlich tun wir nichts, denn einsperren können wir sie nicht, weil wir in unseren Gefängnissen keinen Platz haben.

So nicht, Herr Bundesminister! Daher gibt es dazu leider keine Zustimmung unserer­seits. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Forstner. – Bitte.

 



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18.15.06

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Der in letzter Zeit speziell im öffentlichen Raum, an Plätzen verstärkt auftretenden Dro­gen­szene wird mit einer Verschärfung des Suchtmittelgesetzes begegnet. Die entgelt­liche Suchtmittelweitergabe im öffentlichen Raum wird nunmehr mit einer Strafdrohung von bis zu zwei Jahren geahndet. Damit wird auch ohne den nunmehr strengeren Nachweis der gewerbsmäßigen Begehung die Verhängung der Untersuchungshaft erleichtert, und der Polizei werden mehr Möglichkeiten eingeräumt, um gezielt gegen die Suchtgiftkriminalität im öffentlichen Raum vorzugehen.

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 wurde die Gewerbsmäßigkeit von Straftaten allgemein – aufgrund anhaltender Kritik und gestützt von zahlreichen Fachexperten – an strengere Voraussetzungen geknüpft. Seit Jahresbeginn rechtfertigt nicht mehr jede einzelne Tat bereits die Annahme der Gewerbsmäßigkeit, sondern es soll anhand der im Gesetz aufgezählten Kriterien eine Prüfung des Einzelfalls erfolgen.

Der strengere Nachweis der Gewerbsmäßigkeit nach dem Suchtmittelgesetz erwies sich allerdings für die Polizei in der täglichen Praxis als faktisch sehr schwierig, zumal oft nur mit Kleinstmengen gedealt wurde. Dealer nutzten die neue Situation aus und traten gerade an öffentlichen Plätzen vermehrt und teilweise geballt in Erscheinung. Dies rief massive Proteste der Bevölkerung, vor allem in Wien, hervor.

Mit der Verschärfung des Suchtmittelgesetzes wird nunmehr das Problem dort be­kämpft, wo es auftritt und meist auch besonderes öffentliches Ärgernis erregt. Mit der Novellierung des Suchtmittelgesetzes wird nunmehr das vorschriftswidrige Anbieten, Überlassen oder Verschaffen von Suchtmitteln erfasst und mit höherer Strafe bedroht; allerdings auch nur dann, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

Das Anbieten, Überlassen oder Verschaffen erfolgt gegen Entgelt, es findet an einem allgemein zugänglichen Ort statt, die Handlung beinhaltet einen besonderen sozialen Störwert, weil sie öffentlich erfolgt beziehungsweise an Plätzen, die öffentlich bezie­hungs­weise für einen größeren Personenkreis zugänglich sind. Unter „allgemein zugänglichen“ Orten sind öffentliche Verkehrsmittel, dem öffentlichen Verkehr die­nen­de Anlagen, öffentliche Verkehrsflächen und öffentliche Gebäude, aber auch an­dere Gebäude zu verstehen, die man ohne besondere Erlaubnis betreten kann. Ebenfalls umfasst sind Gebäude, die einer Gebietskörperschaft gehören, auch wenn diese nicht allgemein zugänglich sind. Die Strafdrohung begründet die Zuständigkeit der Landes­gerichte und ermöglicht daher bei Vorliegen von Haftgründen grundsätzlich die Fest­nahme und Verhängung der Untersuchungshaft.

Es ist ganz klar, im öffentlichen Raum ist nun alles umfasst, sogar das Stiegenhaus ist als öffentlicher Raum umfasst. Überall, wo eine öffentliche Wahrnehmung da ist, gibt es nicht mehr die Möglichkeit, Drogenhandel zu betreiben, ohne sich gleichzeitig der Gefahr der Verhängung der Untersuchungshaft auszusetzen. Das ist der wichtigste Punkt dieser Novelle, dass nämlich jeder, der in diesem öffentlichen Raum – sei es ein Stiegenhaus, sei es die Straße oder sei es auch ein öffentliches Gebäude – Drogen­handel betreibt, nun sofort festgenommen und auch der Untersuchungshaft zugeführt werden kann.

Wir wollen keine Drogendealer haben, schon gar nicht im öffentlichen Raum. Sie können ruhig wissen, dass dagegen in Zukunft scharf vorgegangen wird. Die Dealer orientieren sich auch danach, wo das Dealen leicht und ohne Probleme möglich ist, und vermeiden natürlich jene Bereiche, in denen die Polizei genauer hinschaut und eine Handhabe hat. Mit dem neuen Gesetz wird der Polizei ein vernünftiges Werkzeug zur Bekämpfung der Drogenkriminalität zur Verfügung gestellt.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 173

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das ist der richtige Weg, und dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei den Experten des Justizministeriums und des Innenminis­te­riums, die diesen Vorschlag ausgearbeitet haben, wodurch die Drogenkriminalität in Zukunft besser bekämpft werden kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.19


Präsident Josef Saller: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.19.34

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Entsprechend der seit dem Jahr 2016 gültigen Neudefinition der Gewerbsmäßigkeit muss eine Tathand­lung auf längere Zeit ausgerichtet und mit einer gewissen Professionalität ausgeführt werden, oder es müssen mindestens zwei weitere Taten bereits begangen oder geplant worden sein, oder es muss der Täter wegen einer solchen Tat bereits verurteilt sein.

Wer derzeit gesetzeswidrig Suchtgift anbietet, überlässt oder verschafft, dem droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, bei Gewerbsmäßigkeit hingegen bis zu drei Jahren. Wir haben schon gehört, wenn der Dealer somit einmal erwischt wurde und bereits zwei weitere Taten geplant wurden, dann kann das ziemlich schnell zu einer Untersuchungshaft führen, da das Gericht bei einer Strafdrohung von drei Jahren diese bereits eher als verhältnismäßig erachtet als bei einer Strafdrohung von einem Jahr.

Die Tatbestandsvoraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit werden von der Judikatur mitunter schon dann als erfüllt angesehen, wenn sich aus der professionellen Vorge­hensweise des Täters der Verdacht auf wiederkehrende Begehungen ableiten lässt. Es ist zu erwarten, dass erstens neue Kleindealer die Plätze der inhaftierten Dealer ein­nehmen werden, und zweitens können wieder vermehrt Kleindealer in Unter­suchungs­haft genommen werden, was dem Problem der Justiz mit überfüllten Gefängnissen und teuren Gefängnisaufenthalten nicht wirklich entgegenkommt.

Fakt ist, an der Novelle der Gewerbsmäßigkeit soll festgehalten werden. Es soll aller­dings das Suchtmittelgesetz geändert werden, darin soll ein Tatbestand für das Dealen in der Öffentlichkeit geschaffen werden. Wir finden aber, es widerspricht der Zielset­zung dieses Gesetzes, dies über das Suchtmittelgesetz zu regeln. Dieses hat in unseren Augen dem Erhalt der Gesundheit der Menschen zu dienen.

Es macht grundsätzlich keinen Unterschied, ob Suchtmittel im öffentlichen Raum oder in der Wohnung gedealt werden. Fakt ist allerdings, dass dem übermäßigen Dealen im öffentlichen Raum ein sozialer Störwert zukommt, dem die Polizei auch wirksam entge­gentreten können soll, jedoch nicht mit teurer U-Haft. Da würden Geldstrafen sehr wohl ausreichen.

Hinzu kommt, die Formulierung „berechtigtes Ärgernis“ gibt es etwa bei der Störung einer Bestattungsfeier, Störung einer Religionsausübung oder auch beim neuen Tatbestand der sexuellen Belästigung; da ist die Erregung berechtigten Ärgernisses eine Tatbestandsvoraussetzung. Allerdings muss in allen Fällen das Ärgernis vom Vorsatz des Täters mitumfasst sein. In den meisten Fällen werden Tathandlungen gerade darauf abzielen, ein solches Ärgernis zu erregen; der Nachweis ist da deshalb meistens unproblematisch. Im Fall des neuen Paragrafen im Suchtmittelgesetz ist das Ärgernis jedoch nicht vom Vorsatz des Täters mitumfasst. Da bleibt es also der Praxis den Strafverfolgungsbehörden überlassen, zu beurteilen, was ein solches Ärgernis darstellt und was nicht.


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Unklar bleibt auch, ob die neue Regelung auch Auswirkungen auf den Eigengebrauch haben könnte. Ist das gemeinsame Rauchen eines Joints, sprich eine Überlassung, am Schulhof, in einem öffentlichen Gebäude, zukünftig mit zwei Jahren Haftstrafe bedroht? Stellt das gemeinsame Rauchen eines Joints gar ein öffentliches Ärgernis dar?

Wir sind dagegen, dass nur ein Jahr nach der umfassenden Reform – mit vorangegan-gener Evaluierung – des Strafgesetzbuches und des Suchtmittelgesetzes und ohne jegliche Begutachtung ein Teil dieser Reform wieder zurückgenommen wird, und werden dem Antrag deshalb heute nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.23


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort. – Bitte.

 


18.23.28

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Ich habe mir jetzt zwei Dinge aufgeschrieben. Herr Kollege Herbert hat gesagt, es ist ein Pseudogesetz, denn jemand, der geschickt ist, wird nicht bestraft, und wer nicht geschickt ist, der wird bestraft. – Dem Gedanken folgend könnten wir keine Gesetze mehr machen, weil jene, die nicht erwischt werden, wenn sie einbrechen oder sonst irgendetwas tun, auch nicht bestraft werden. Das ist also ein Vergleich, der weit hergeholt ist und sozusagen als Deckmantel dient, so nach dem Motto: Jetzt sind wir halt dagegen, und daher brauchen wir ein Argument dafür. – Das habe ich nicht wirklich verstanden.

Dem Argument betreffend den sozialen Störwert, das du erwähnt hast, David, kann ich schon etwas abgewinnen. Ich glaube aber, dass dieses Gesetz so, wie es gemacht wurde, ein sehr gutes Gesetz war. Dieses Gesetz hat nämlich nicht die Strafe in den Vordergrund gestellt, sondern es hat wirklich die Therapie in den Vordergrund gestellt. Nun war es aber so, dass Dealer das leider wirklich ausgenutzt haben und es an öffent­lichen Plätzen zu so viel Ärgernis gekommen ist, dass ich einfach glaube, dass man etwas dagegen tun muss.

Wenn wir da jetzt nur zugeschaut und der Polizei keine Handhabe mehr gegeben hätten, dann wäre es nicht dazu gekommen, dass man wirklich versucht, Ruhe ein­kehren zu lassen. Ich glaube, dass dies mehr als notwendig ist, vor allem auf öffent­lichen Plätzen, auf Verkehrsknotenpunkten, wo sich die Drogenhandelsszene eben ganz besonders stark entwickelt hat.

Es ist nicht so, dass da keine Experten und Expertinnen mitgearbeitet hätten, sondern Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen waren da sehr wohl auch involviert. Auch die Polizei war bei dieser Gesetzwerdung involviert. Das ist, wie ich meine, auch wichtig.

Es ist so, dass im Vordergrund nach wie vor Therapie statt Strafe steht, etwas, was sehr wichtig ist. Und dieses Gesetz soll in erster Linie die Dealer treffen – das ist aber auch das, was wir wollen. Wir müssen wirklich versuchen, die Jugend zu schützen. Man sollte nicht gleich alle verurteilen. Daher wird die Untersuchungshaft, die ja vorher wirklich eine Ausnahme war, auch nur über einen Teil verhängt, wo es meiner Meinung nach wirklich notwendig ist.

Der Herr Minister hat gesagt – wobei ich ohnehin schon einmal gesagt habe, dass ich von Ihnen und Ihrer Arbeit sehr begeistert bin –: Wenn man Probleme wirklich nach­haltig lösen will, dann muss man jetzt wieder jenen verstärkt zur Seite stehen, die in Untersuchungshaft und in Haftanstalten kommen werden, und ihnen dort die Chance bieten, etwas Vernünftiges zu lernen, damit nicht nach ihrer Entlassung aus der Haft wieder das Gleiche von vorne beginnt. Ich denke mir, dass da insgesamt bei unserer


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Justiz ein so tolles Umdenken herrscht, das dahin geht, nicht nur zu verurteilen und drüberzufahren, sondern wirklich auch zu schauen, dass den Menschen, die drinnen sind, auch geholfen wird und dass mit ihnen auch weitergearbeitet wird.

Das, glaube ich, ist auch der Sinn dieses Gesetzes, auch wenn man es etwas nach­schärfen musste; aber das Grundgerüst dieses Gesetzes ist, dass Hilfe statt Strafe im Vordergrund steht, und das ist auch das Wichtige für uns. Daher wird meine Fraktion zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26


Präsident Josef Saller: Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort. – Bitte.

 


18.26.46

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Was dieses Gesetz betrifft, möchte ich nur kurz schildern, wie die Arbeit daran begonnen hat: Am 4. Jänner dieses Jahres kam der Wiener Polizeipräsident zu mir und hat mir ge­schildert, wie die Situation betreffend den Suchtgifthandel im öffentlichen Raum derzeit ist, speziell entlang bestimmter U-Bahnlinien. Er hat mir auch gesagt, es sei wirklich so, dass die Bevölkerung stark verunsichert sei und dieses Phänomen derart überhand­nehme, dass man dringend etwas dagegen tun müsse.

Ich habe dem entnommen, dass es da nicht nur um den Suchtgifthandel an sich geht – dieser ist natürlich, wenn es um den Suchtgifthandel durch Dealer geht, ohnehin straf­bar und bleibt es auch –, sondern dass es um etwas Zusätzliches geht. Es geht um einen zusätzlichen Störfaktor, den wir da haben, und das ist auch schon sehr schön gesagt worden.

Welchen Zweck hat das Strafrecht? – Das Strafrecht ist die Reaktion auf Störfaktoren, auf gesellschaftliche Störfaktoren. Und in diesem Fall kommt etwas dazu, was wir in dieser Form noch nicht gehabt haben, nämlich dass im öffentlichen Raum für alle erkennbar Suchtgifthandel betrieben wird, in einer Art, dass man schärfer dagegen vorgehen muss, um letztlich auch der Bevölkerung zu signalisieren: Na, so ist es nicht, auch da herrschen Recht und Ordnung!

Die Polizei braucht die Möglichkeit, da durchzugreifen. Wir haben von Anfang an ge­mein­sam mit der Polizei das Notwendige entwickelt. Man muss da aber unterscheiden, dass es eben nicht nur um Suchtgifthandel geht, sondern es geht um Suchtgifthandel in ganz bestimmter Art und Weise, sodass ein zusätzlicher Störwert für die Gesell­schaft vorhanden ist.

Ich greife das von Bundesrat Werner Herbert genannte Beispiel gerne auf: Das Dealen mit Suchtgift ist selbstverständlich auch um Mitternacht in Bruck an der Leitha ver­boten; der Störwert hält sich dort allerdings doch in Grenzen. Ich war noch nie um Mitternacht in Bruck an der Leitha, ich hielte das für vergleichsweise ungefährlich; aber es ist etwas anderes, wenn man etwa entlang der U-Bahnlinien in Wien am helllichten Tag damit konfrontiert ist, dass da Dealer ganz offen ihr Geschäft betreiben. Das geht einfach nicht, dem muss man entgegentreten.

So gesehen ist das, glaube ich, ein wirklich sinnvolles, ausgewogenes Gesetz. Es ist bereits sehr vieles gesagt worden, dem ich nur zustimmen kann. Ich glaube, dass es auch wichtig ist, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass natürlich die Tat­sache, dass wir gegen Dealer in diesem Bereich auch öfter eine Haftstrafe werden verhängen können – nicht gegen Süchtige, sondern gegen die Dealer an sich; das ist so geplant, das ist gezielt so und auch gut so –, bedeutet, dass wir dann natürlich auch schauen müssen, dass wir in den Haftanstalten mehr Ausbildungsmöglichkeiten, mehr


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Beschäftigungsmöglichkeiten haben; das hat mir sehr gut gefallen. Es ist auch wichtig, dass dort Tätigkeiten einfacher Art forciert werden, die man relativ leicht erlernen kann.

Ich muss Ihnen sagen, wir haben so große Erfolge, zum Beispiel gibt es in der Haft­anstalt Stein einen Schuster, der so tolle Sachen macht und sich seit einem Jahr der Aufträge kaum erwehren kann; ich wollte es nur erwähnt haben. Das funktioniert, wenn man sich darum bemüht.

Wissen Sie, Österreich war lange Zeit führend in der Kriminologie. Vor mehr als hun­dert Jahren gab es einen eigentlich weltweit führenden Kriminologen, das war ein Österreicher, Franz von Liszt, der den Satz geprägt hat: Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik. – An diesem Fall sieht man es. Es ist ja nicht zu bestreiten, das kann auch niemand bestreiten. Da geht es um wissenschaftlich fundierte Fakten.

Na selbstverständlich kommt es immer dann, wenn der Migrationsdruck größer ist als die Integrationsmöglichkeit, zu mehr Kriminalität; das ist einfach so, natürlich. Das muss man einfach so sehen, und dagegen muss man etwas tun, vernünftig und sach­orientiert – und mit diesem Gesetz, denke ich, gelingt uns das auch. Daher würde ich Sie auch bitten, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu erteilen.

Eines muss ich noch sagen: Warum wollen wir nicht zur früheren Regelung der Gewerbsmäßigkeit zurück? – Nicht aus Bestemm oder aus Rechthaberei, überhaupt nicht; aber ich möchte nur daran erinnern, welche Fälle in früherer Zeit – so lange ist das noch nicht her – dazu geführt haben, dass man die Gewerbsmäßigkeit als Voraus­setzung für deutlich höhere Strafdrohungen und höhere Strafen einschränken wollte, ganz bewusst, damit eben Fälle wie etwa noch im Vorjahr nicht mehr vorkommen. Da wurden wir medial heftig dafür kritisiert, dass ein rumänischer Wanderarbeiter wegen Ladendiebstahls, wegen des Diebstahls einer Flasche Whisky insgesamt vier Wochen in U-Haft war. Es hat sich herausgestellt, er hatte keine Vorstrafen, überhaupt nichts, er wollte sich mit dem Verkauf dieser Flasche Whisky die Busfahrkarte in seine Heimat ermöglichen. Und wenn man sich überlegt, was vier Wochen Untersuchungshaft allein von ökonomischer Seite her für ein Aufwand sind, was das kostet, muss man sagen: Das macht einfach keinen Sinn. Wenn ich mich recht erinnere, war es nicht einmal ein Waldviertler Whisky, also keine Spitzenqualität.

Das sind einfach Fälle, die wir nicht mehr haben wollen, das hat keinen Sinn. Daher macht es Sinn, jetzt einmal mit diesem Gesetz gezielt gegen das vorzugehen, was wir als neues Phänomen tatsächlich haben, nämlich diese besondere Verunsicherung durch Suchtgifthandel im öffentlichen Raum. Und ich denke, das wird dazu beitragen, dass wir dieses Problem in den Ballungszentren doch deutlich reduzieren können. Man wird sehen, wie es sich entwickelt.

Selbstverständlich muss man, so wie wir es ja auch gemacht haben, immer sehr rasch reagieren, wenn sich neue Entwicklungen ergeben, im Interesse der Bevölkerung. Das Wichtigste ist, dass das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erhalten bleibt und keinen Schaden nimmt, und – und das sage ich Ihnen auch, Herr Kollege Herbert, das wird Ihnen gefallen – mir ist es auch wichtig, dass man die Motivation der Polizeibeamten, die tagtäglich für uns ihren Kopf hinhalten, im Auge behält. Auch da muss man auf­passen, dass die Balance weiterhin stimmt, und ich sehe in diesem Gesetz einen wich­ti­gen Beitrag dazu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.32

18.32.20

 


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 177

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.33.1115. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz, das Richter- und Staatsanwalt­schafts­dienst­gesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz und die Notariatsordnung geändert werden (1028 d.B. und 1077 d.B. sowie 9563/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und die Gerichtsorgani­sati­onsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird (1614/A und 1083 d.B. sowie 9564/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tages­ord­nung.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Schennach. Bitte um die Berichte.

 


18.33.46

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine Kleinigkeit geändert wird, allerdings eine Reihe von Gesetzen: das Rechtspraktikantengesetz, das Richter- und Staatsan­walt­schaftsdienstgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, die Rechtsanwaltsord­nung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz und die Notariatsordnung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht über ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorgani­sationsgesetz geändert und die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, und ich komme gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­ein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Danke für die Berichte.

Mir liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Bitte, Herr Minister Dr. Brandstetter.

 


18.34.34

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident, ich wollte nur der guten Ordnung halber festhalten: Wenn Herr Bundesrat Herbert sich nicht zu Wort


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 178

meldet, dann brauche ich auch nichts zu sagen. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

18.34

 

18.35.01

 


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Minister.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.35.5717. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 – VerwGesG 2016) (1057 d.B. und 1078 d.B. sowie 9558/BR d.B. und 9565/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. Ich bitte um den Bericht.

 


18.36.10

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz über Verwertungsgesellschaften.

Der Bericht liegt ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrags­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Köll. – Bitte.

 


18.36.42

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da diese Gesetzesnovelle auch im Nationalrat bereits einstimmig angenommen worden ist und wir hier nur eine EU-Richtlinie, die sich im Wesentlichen mit der Onlinenutzung von Urheberrechten und neuen Transparenzbestimmungen beschäftigt, umzusetzen haben, empfiehlt sich auch für unsere Kammer eine möglichst einstimmige Annahme dieses Gesetzes in Form einer Nichtbeeinspruchung.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 179

Und ich darf Ihnen diese Gesetzesnovelle, nachdem der Herr Bundesminister schon so toll vorgelegt hat, auch zur Annahme empfehlen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.37


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Kurz zu Wort. – Bitte.

 


18.37.40

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die SPÖ begrüßt die Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie und die damit verbundenen weitreichenden Transparenzverpflichtungen. Wir begrüßen auch die Benennung dieser zentralen Stelle für die Durchführung von Gesamt­verträgen. Wir glauben, dass das einen wichtigen Schritt in Richtung eines notwendigen One-Stop-Shops darstellt, das sollte auch in diesem Bereich einmal kommen. Und wir sehen auch die Transparenzpflicht für die Verwertungsgesell­schaf­ten positiv, auch wenn es da sicher noch Optimierungspotenzial gibt. Auch die Rege­lun­gen betreffend Mehrgebietslizenzen sind zu begrüßen. Ich denke, der Tendenz zur Fragmentierung der Rechtelizenzierung, die sich ja derzeit noch ein bisschen negativ auf Innovationsfähigkeit und Medienvielfalt auswirkt, wird damit entgegengewirkt.

Zuletzt möchte ich noch kurz auf die Gestaltung der Nutzungstarife eingehen. In dem Bereich, denke ich, müsste man noch hinterfragen, ob das wirklich für die Nützenden schon so sinnvoll ist, wie diese es sich gerne vorstellen, weil es doch manchmal an nicht so klar überprüfbare Kriterien gebunden ist. Insgesamt halten wir es für eine gute Regelung und stimmen dem Gesetz gerne zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39


Präsident Josef Saller: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec zu Wort. – Bitte.

 


18.39.23

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Es kommt nicht so oft vor, dass alle Parteien diesem Ge­setz zustimmen. Im Zeitalter der Digitalität ist diese Neuordnung notwendig gewesen, diese Neuordnung des Erfindungsschutzes, um es so zu nennen, diese Neuordnung des Copyrights. Ich möchte vielleicht kurz auf die Genesis zurückkommen. Das Inter­essante daran ist, dass die Genesis des Erfindungsschutzes aus der französischen Revolution kommt, als man den König davongejagt und das Eigentum, die Eigen­tumsrechte begründet hat – und für diese stehen wir Freiheitlichen auf jeden Fall.

Ich darf kurz auf den Unterschied hinweisen: Es gibt Urheberrecht und Patentrecht. Das Urheberrecht gilt bis 70 Jahre nach dem Tod, die Patentierungen müssen regis­triert werden, müssen angemeldet werden, sind kostenintensiv, gelten bis zu 20 Jahre und müssen dann verlängert werden. Urheberrechte sind auch Persönlichkeitsrechte und können auf diese Verwertungsgesellschaften übertragen werden. Dafür sind wir natürlich, wenn das Ganze ein Ordnungsprinzip hat und die Masse des 21. Jahrhun­derts im Sinne des Internetzeitalters auch geordnet wird.

Zum Schluss darf ich noch eine Aussage des US-Nobelpreisträgers James Buchanan  frei zitieren: Wenn keine definierten Verfügungsrechte existieren, besteht kaum Anreiz für Investitionen – in diesem Fall für kreative Gestaltung. Leistung zu belohnen, dafür stehen wir von der FPÖ – keine Frage –, daher sind wir für dieses Gesetz. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.40


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 180

18.41.05

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon einiges über die Regie­rungsvorlage berichtet worden. Wir werden diesem Gesetz heute auch zustimmen. Die Regierungsvorlage setzt ja die Vorgabe der Richtlinie um und verbessert damit sowohl die Mitwirkungsrechte der Mitglieder beziehungsweise Bezugsberechtigten als auch die Transparenz nach außen und nach innen.

Im Zusammenhang mit den Transparenzpflichten haben wir Grünen bereits im Natio­nalrat eine Abänderung eingebracht und auch gefordert, dass die Verteilung der Ein­nahmen als Median beziehungsweise in Dezilen ausgewiesen wird. Warum wollen wir das? – Wir wollen das, weil die Angaben im Transparenzbericht in Durchschnittswerten angeführt sind und diese noch keinen Rückschluss oder keinen genauen Rückschluss auf die Verteilung innerhalb der Rechtsinhaber zulassen. Sie zeigen daher kein realis­tisches Bild ihrer wirtschaftlichen Lage. Das hätten wir sehr gerne geändert gehabt, und das wäre auch im Sinne der Transparenz sinnvoll.

Zusätzlich möchten wir auch auf die mögliche Benachteiligung der Interessen der Kunstschaffenden zugunsten der Nutzungsorganisationen in den Gesamtvertragsver­handlungen hinweisen. Ich glaube, da hat es auch einiges an Kritik vonseiten der KünstlerInnenverbände und Verwertungsgesellschaften gegeben. Ein weiterer wicht­iger Punkt dieses Gesetzes ist die multiterritoriale und die repertoireübergreifende Vergabe von Urhebernutzungsrechten an Musikstücken für die Onlineverbreitung in der EU beziehungsweise im europäischen Wirtschaftsraum. Also wir hoffen auf eine rasche Umsetzung. Die Umsetzung sollte bereits seit einem Monat erfolgt sein, ich glaube, da sind wir schon ein bisschen hintennach.

In aller Kürze: Auch wir Grünen werden diesem Gesetz heute zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.42


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte.

 


18.42.54

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Ich freue mich über die Zustimmung. Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Gesetzesvor­ha­ben, das eine sehr spröde Materie betrifft – und ich verstehe erst richtig, worum es eigentlich geht, seit ich mich damit auseinandersetzen musste –, noch etwas sagen: Dieser Kompromissvorschlag, der auf so breite Zustimmung stößt, wäre nicht möglich gewesen ohne den intensiven Einsatz des Kollegen Josef Ostermayer. Das möchte ich ausdrücklich gesagt haben, denn er hat sich massiv eingesetzt, er hat sehr viel Über­zeugungsarbeit geleistet, auch bei den Rechteinhabern und bei den Künstlerinnen und Künstlern. Ich will nicht, dass das untergeht; das ist mir wichtig. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.43


18.43.10 Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 181

18.44.0218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsvertretergesetz geändert wird (1489/A und 1079 d.B. sowie 9566/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zu Punkt 18 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um den Bericht.

 


18.44.17

Berichterstatter Martin Weber: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsvertretergesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. Ich erteile es ihm.

 


18.45.02

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle ist eine Reaktion auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Es ging in dieser Entscheidung darum, dass Handelsvertreter – im Konkreten hat es sich um Versicherungsvertreter gehandelt – Verträge abschließen und dafür Provision bekom­men. Diese Provision kann nun entweder eine Einmalzahlung oder eine fortlaufende Zahlung, also sogenannte Folgeprovisionen, darstellen.

Nun gab es einen Streit darüber, was herauskommt, wenn ein Vertrag zwischen dem Versicherungsvertreter und der Versicherung gekündigt wird, ob dann der Versiche­rungsvertreter weiterhin seine Folgeprämien bekommt. Das war die Grundlage dafür. Der OGH hat – ich denke, das ist ganz nachvollziehbar – damals festgestellt, dass die Leistung des Versicherungsnehmers erbracht ist und es daher keinen Unterschied machen darf, ob er jetzt seine Leistung in einer Einzelprämie oder in einer fortlaufen­den Prämie vergütet bekommt – so weit, so nachvollziehbar.

Jetzt ist der Gesetzgeber, also der Nationalrat, aber hergegangen und hat sehr wohl einen Unterschied gemacht. Der Nationalrat stellt sich vor – und das sollte auch heute, jedoch ohne unsere Zustimmung, abgesegnet werden –, dass nur mehr zumindest 50 Prozent der Folgeprämien vom Versicherer zu leisten sind, wenn es zu einer Vertragskündigung kommt. Jetzt braucht man kein besonderer Hellseher zu sein, um zu erahnen, wenn das Gesetz schon anbietet, dass zumindest 50 Prozent der Folge­prämie auszuzahlen sind, dass wohl die meisten, wenn nicht sogar alle Versicherer diese Möglichkeit natürlich in ihre AGBs aufnehmen werden und somit der Versiche­rungsvertreter bei einer Folgeprämie – wenn er den Vertrag mit der Versicherung kündigt – künftig um 50 Prozent seiner Prämie umfallen wird.

Für uns ist das ein Umstand, der so nicht tragbar ist. Ich möchte an dieser Stelle auch an all jene appellieren, die sich als Arbeitnehmervertreter verstehen: Es geht hier auch darum, dass diese Versicherungsvertreter in der Praxis einen arbeitnehmerähnlichen Status haben und es da ein ähnliches Verhältnis, eine gewisse Abhängigkeit zwischen


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 182

dem Versicherungsvertreter und der Versicherung gibt. Man wird sich künftig zwei-, dreimal und noch öfter überlegen, ob man als Versicherungsvertreter wirklich die Zusammenarbeit mit einem Versicherer kündigen möchte, wenn man in diesem Fall bis zu 50 Prozent seiner Prämie einbüßen muss.

Abschließend: Aus unserer Sicht ist es nachvollziehbar, dass man eine gesetzliche Regelung treffen muss, damit kommt man dem Urteil des OGH nach, das ist völlig in Ordnung. Nicht nachvollziehbar ist, warum man jetzt den Versicherern ein Zuckerl anbietet, dass bis zu 50 Prozent der Prämie eingespart werden können. Wir hoffen heute daher noch einmal auf ein Umdenken und wären dafür, dass wir das Ganze an den Nationalrat zurückdelegieren. Wir werden dem vorliegenden Antrag unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei der FPÖ.)

18.48


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich erteile es ihm.

 


18.48.29

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzter Bundesrat! Ich danke meinem Vor­redner, dass er aufgeklärt hat, wie der OGH hier geurteilt hat. Du hast vollkommen recht, da ist etwas angeprangert worden, das nicht in Ordnung ist. Man muss den Istzustand kennen, man muss wissen, wie es bis jetzt war.

Wenn es im Vertrag nicht ausdrücklich geregelt war, hätte die Folgeprovision auf bis zu null Prozent sinken können – auf bis zu null Prozent! Jetzt geht der Gesetzgeber, der Nationalrat her – und in weiterer Folge, hoffe ich, auch der Bundesrat – und macht hier eine Verbesserung, nämlich dahin gehend, dass ein Mindestsatz von 50 Prozent für die Vergütung eingeführt wird. Das ist etwas Wesentliches, das hat es davor nicht gegeben.

Ich habe mit meinem Versicherungsagenten telefoniert, und er hat mir extra heraus­gesucht, was in seinem Vertrag steht. Wissen Sie, was da gestanden ist? – 40 Prozent für den Fall, dass es zu einer Kündigung kommt. Jetzt ist er mit dem Mindestsatz automatisch schon um 10 Prozent bessergestellt. Man kann in den Vertrag auch mehr hineinschreiben; es können auch mehr als 50 Prozent sein, es können auch 70 oder 80 Prozent sein. (Bundesrat Raml: 100 Prozent!)

Es ist mir unverständlich, warum die Freiheitliche Partei eine Besserstellung für die Arbeitnehmer – wenn sie sich schon als Arbeitnehmervertreter bezeichnet – verhindern will. Wir werden diesem Gesetzentwurf selbstverständlich zustimmen, da er eine deut­liche Verbesserung bringt. In diesem Sinne glaube ich auch, dass er Sicherheit bringt, Sicherheit – ihr bezeichnet sie als Arbeitnehmer – für die Einzelnen. Wenn der Ver­sicherungsagent gegen die Versicherung klagen müsste, so wie es jetzt der Fall war, dann wäre er immer der sozial Schwächere gewesen und hätte eigentlich fast nie eine Chance gehabt. So stehen ihm 50 Prozent zu, das ist eine deutliche Besserstellung. Deswegen gibt es von uns ein klares, deutliches Ja. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

18.49


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Heger. Ich erteile es ihm.

 


18.50.31

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz, das ist bereits gesagt worden, wird


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 183

ein OGH-Urteil umgesetzt, wonach sittenwidrige Verträge zulasten von Handelsvertre­terinnen und -vertretern ex lege für ungültig erklärt werden.

Auch wir sehen hier grundsätzlich die Verbesserungen dieser gesetzlichen Regelung – dies im Gegensatz zur FPÖ. Die Versicherungsunternehmen waren bis jetzt nur aus schwerwiegenden Gründen, unter besonderer Berücksichtigung der Interessen des Versicherungsagenten, berechtigt, zu dessen Ungunsten die Provisionstabelle zu verändern. Da ist einiges passiert.

Auf der Homepage der Wirtschaftskammer habe ich mir Musterverträge angeschaut, und da ist mir eines ins Auge gestochen. Da ist gestanden: „Augen auf! – Was Sie beachten müssen, bevor Sie Ihren Agenturvertrag unterschreiben!“ Da gibt es eine Reihe von Dingen, die eigentlich schon klarmachen, dass man schon lange weiß, dass die Handelsvertreter oft um ihre Provisionen gebracht werden. Ich möchte jetzt nicht noch einmal damit beginnen, welche Provisionen das sind, aber was da sehr deutlich geworden ist, ist, dass diese komplizierten Regelungen um den Anspruch auf Folge­provisionen so formuliert waren, dass das sogenannte Körberlgeld, das eigentlich den Agenten gehört hätte, immer die Versicherer eingesteckt haben.

Da gibt es ein Zitat, das so in diesem Mustervertrag steht: „Bestehen Sie daher unbe­dingt auf Provisionsfortzahlung über das Agenturvertragsende hinaus – auch wenn Sie den Vertrag später selbst kündigen!“ An diesem Beispiel sehen Sie aber auch, dass häufig auch bei ordentlicher Kündigung des Agenturvertrags die Folgepro­visionen vorenthalten werden. Das war leider viel zu oft der Fall.

Diesbezüglich wurde jetzt ein Mittelweg ausverhandelt, wonach mindestens 50 Prozent der Folgeprovisionen jedenfalls ausbezahlt werden müssen. Ein höherer Prozentsatz kann klarerweise vertraglich vereinbart werden, das hat ja mein Vorredner auch schon gesagt. Damit stellt das Gesetz einen Mindeststandard her, der übertroffen werden kann. So können langwierige Vertragsstreitereien vermieden werden, da diese für die Betroffenen – weil sie ja weder den Atem noch die finanziellen Mittel haben – meist schwer durchzuhalten sind.

Vielleicht sind dieses OGH-Urteil und die damit verbundene Änderung des Handels­vertretergesetzes wirklich ein Anlass, um generell Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen gründlich zu durchforsten. Da ist mit Sicherheit einiges verbesserungs­wür­dig.

Meine Fraktion wird der Änderung des Handelsvertretergesetzes zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

18.54


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. Ich erteile es ihm.

 


18.54.18

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Raml hat schon erzählt, wie das Ganze aufgrund des OGH-Urteils zustande gekommen ist. Ich gehe jetzt vielmehr darauf ein, was wir Grünen sehen oder was wir wollen, und auf unsere Position zu diesem Thema. Es ist natürlich eine Besserstellung. Genau diese Besser­stellung der VertreterInnen, wie der Kollege gesagt hat, sehen wir auch, und deshalb werden wir diesem Gesetz auch zustimmen.

Die Problemlage wird jetzt durch diese Novelle beendet. Dass dem Versicherungs­agenten dann 50 Prozent – statt 40 oder auch null Prozent – zustehen, ist eine tolle Besserstellung. Da muss man auch das Positive sehen, liebe FPÖ. Wir Grünen können


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 184

diese Regelung nur unterstützen, weil wir hier ein Bemühen sehen, endlich Rechts­klarheit herzustellen, und das auch begrüßenswert finden.

Ich möchte aber dennoch auf ein generelles Problem eingehen, das ist das österreichi­sche Provisionsmodell. Es muss auch einmal unter dem Blickwinkel des Konsu­mentIn­nenschutzes betrachtet oder unter die Lupe genommen werden. Da ist zu befürchten, dass Versicherungsagenturen und -agenten aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Provi­sionsanspruch nicht immer zum für die KonsumentInnen vernünftigsten, sondern zum für den oder für die VersicherungsagentIn mit besseren Konditionen verbundenen oder lukrativsten Finanzprodukt greifen. Das heißt, dass die Agenten daraus die meisten Gewinne schaffen oder damit eine höhere Provision bekommen.

Es gibt EU-Länder, die einen anderen Weg eingeschlagen haben, zum Beispiel Eng­land. In England ist es bereits seit 2012 verboten, Provisionsmodelle einzuführen oder zu machen. Dabei zahlt der Kunde für die Beratung an sich nach einer Art Stun­densatz – egal, ob und was er kauft, welches Versicherungsprodukt er kauft –, ähnlich wie beim Anwalt. Es wäre ja vielleicht einmal ein kleiner Denkanstoß, dieses Gesetz in diese Richtung zu lenken. Das wäre die Meinung der Grünen zu dem Gesetz.

Wir stimmen dem heute aber zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

18.56

18.56.10

 


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.57.2019. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Geschäftsordnungsgesetz 1975, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (1470/A und 1081 d.B. sowie 9560/BR d.B. und 9567/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1082 d.B. sowie 9568/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 und 20 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um die Berichte.

18.57.50

 


Berichterstatter Martin Weber: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Geschäftsordnungsgesetz 1975, das Verfas­sungsgerichtshofgesetz 1953, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europa­wahl­ord­nung geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 185

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­präsi­dentenwahlgesetz 1971 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich auch gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich erteile es ihr.

 


18.59.08

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte ZuhörerInnen hier und zu Hause! Zu TOP 20: Der Gesetz­entwurf dient der Umsetzung des Regelungsgegenstandes betreffend Amtsverlust von PolitikerInnen.

Die vorgeschlagenen Änderungen – natürlich unter Wahrung der Geheimhaltung von personenbezogenen Daten – sollen es der Wahlbehörde und der Bundeswahlleiterin ermöglichen, vor Abschluss und Veröffentlichung der Wahlvorschläge innerhalb von wenigen Tagen hinsichtlich des Vorliegens eines Wahlausschlussgrundes zu über­prüfen, ob die Kandidaten die Voraussetzungen der Wählbarkeit erfüllen. Dieser Antrag ist aus unserer Sicht sinnvoll; insofern können wir da sehr gerne zustimmen, auch wenn wir die Regelung zum Amtsverlust von Politikern grundsätzlich ablehnen – und da wären wir auch schon bei TOP 19.

Beim heutigen Tagesordnungspunkt 19 ist es das erklärte Ziel des Vorschlags, durch die Verschärfung der Bestimmungen zur Wählbarkeit und durch die Verknüpfung des Amtsverlusts mit dem Verlust der Wählbarkeit während der Amtsführung alle Politiker und Politikerinnen Österreichs einem gemeinsamen, sehr strengen Verhaltensstandard zu unterwerfen.

Derzeit ist es nämlich so, dass einer Politikerin oder einem Politiker auf Landes- und Bundesebene – also Nationalräte, Bundesräte, Landtagsabgeordnete, sämtliche Re­gie­rungsmitglieder, Bundespräsident und so weiter – nur dann das Amt aberkannt werden kann, wenn sie oder er zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechts­kräftig verurteilt worden ist. In Zukunft – das sieht dieses Novellenpaket vor – kann ent­hoben werden, wenn die Politikerin oder der Politiker wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer mehr als sechs Monate dauernden unbedingten Haft oder zu einer mehr als zwölf Monate dauernden bedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 186

Wir Grünen werden hier deswegen nicht zustimmen, weil wir eine weitergehende Novelle anstreben. Wir Grünen möchten gerne einen Amtsverlust bei jeder Verurtei­lung zu unbedingter Haft und bei einer Verurteilung zu mehr als sechs Monaten be­dingter Freiheitsstrafe. Was wir zusätzlich wollen, ist ein Deliktskatalog, in dem vor allem solche Straftatbestände aufscheinen sollen, die dem Ansehen der Politik und dem Vertrauen in Politiker besonderen Schaden zufügen, weil sie eben direkt mit dem Amt zu tun haben. Dazu hätten wir zum Beispiel Folgendes gezählt: Jede Verurteilung wegen Wahlfälschung, Korruption, Amtsmissbrauch oder Wiederbetätigung sollte unserer Meinung nach zu Amtsverlust führen.

Die Verschärfung, die hier jetzt vorliegt, ist jedoch sehr zahm und für uns einfach nicht weitreichend genug. Abgeordnete dürfen auch bei geringen Haftstrafen als Freigänger weiterhin im Nationalrat oder im Landtag sitzen und über Gesetze abstimmen.

Es hat in den letzten Jahren einige besonders bekannte Fälle gegeben. Ich zähle nur ein paar Sachen auf, die nach dieser Novelle noch immer möglich wären: Zum Beispiel dürfen Regierungsmitglieder, die wegen Korruption, sagen wir einmal, zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt werden, trotz dieser Verurteilung weiterhin in der Regierung sitzen. Abgeordnete, die wegen falscher Zeugenaussage, sagen wir einmal, zu einem halben Jahr bedingter Haft verurteilt werden, dürfen auch weiterhin im Nationalrat Gesetze beschließen.

Wir haben in Österreich ja keine große Rücktrittskultur – so etwas kommt bei uns selten vor –, aber es gibt immer noch Fälle, so sitzt zum Beispiel auch derzeit eine wegen Verhetzung zu bedingter Haft verurteilte Person im Nationalrat und stimmt noch immer über Gesetze im Nationalrat ab.

Die Menschen in Österreich sind – und das wissen wir alle ganz genau – einfach sehr über die Politik verdrossen. Die Wahlbeteiligungen bei den letzten Wahlen zeigen da ein ganz deutliches Bild. Vor drei Wochen bei der Bundespräsidentenwahl waren es 68 Prozent, bei der Nationalratswahl 75 Prozent, ungefähr gleich viele wie bei der Wien-Wahl oder bei der Burgenland-Wahl. Tirol ist da leider mit einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent bei der letzten Landtagswahl so ziemlich im Schlussfeld gewesen. Bei der Europawahl war es nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung: 45 Prozent haben an der Wahl teilgenommen.

Ein Grund dafür ist auch das extrem erschütterte Vertrauen der Menschen in die PolitikerInnen. Es ist einfach ganz extrem wichtig, dass dem entgegengewirkt wird und dass das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker wieder aufgebaut wird.

Es ist mir persönlich einfach total unverständlich, warum unserem Vorschlag nicht zugestimmt wurde, nämlich einem Amtsverlust bei jeder Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe, bei einer Verurteilung zu über sechs Monaten bedingter Haft und einer Verurteilung nach dem zusätzlichen Deliktskatalog. Das wäre meiner, unserer Meinung nach wirklich ein starkes Signal für die ÖsterreicherInnen gewesen: Schaut her, euer Vertrauen ist extrem wichtig für uns, wir nehmen das auch ernst! – Ich verstehe wirklich nicht, warum man sich das Schlupfloch offenhalten wollte. Daher gibt es von uns hier keine Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.04


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Oberlehner. Ich erteile es ihm.

 


19.04.23

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich)|: Sehr geehrter Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren wir also das Thema Amtsverlust. Es


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 187

geht um die Frage, wann eine Politikerin, ein Politiker nach einer strafrechtlichen Verurteilung das Amt verlieren soll.

Die bisherige Regelung war relativ zahm, das haben wir schon gehört: Nur bei einer Haftstrafe von über zwölf Monaten gab es den Amtsverlust. Diese – ich sage es noch einmal – relativ zahme Regelung hat das ohnehin nicht allzu große Vertrauen in die Politik nicht gerade verbessert und gefördert. Immer wieder gab es bei Anlassfällen heftige Diskussionen dazu.

Gemeinsam mit den Grünen hat daher die ÖVP begonnen, Parteiengespräche über eine Verschärfung dieser Bestimmungen zu führen und dadurch auch das Vertrauen in die Politik, in die Demokratie und in den Parlamentarismus insgesamt zu verbessern – das war das Ziel. Nichts stärkt den Menschen bekanntlich mehr als das Vertrauen, das man ihm entgegenbringt, hat ein weiser Mann einmal gesagt. Gerade für die Politik wäre es sicher auch momentan sehr gut, wenn es gelänge, das Vertrauen zu verbes­sern und damit auch den Zuspruch zur Politik wieder zu stärken.

Das Ziel dieser Gesetzesänderung war es daher, die bisherigen Bestimmungen etwas zu verschärfen und einen möglichst breiten Konsens für eine neue Regelung zu finden. Letztlich wurde es ein Kompromiss, und leider können jetzt bei diesem Kompromiss die Grünen eben nicht mehr mitgehen; wir haben es schon gehört. Aber das ist auch immer wieder ein Problem in der Demokratie, dass es eben gewisse Rahmen gibt, über die man dann leider nicht hinauskommt.

Mit der Ausweitung des Personenkreises, der gegebenenfalls ein Amt oder Mandat verlieren kann, ist aber meiner Meinung nach ein wesentlicher Schritt gelungen. Nicht mehr nur Abgeordnete des Nationalrates, sondern auch EU-Parlamentarier, Landtags­ab­geordnete, Mitglieder der Bundesregierung, Mitglieder der Landesregierungen, Rechnungshofpräsidenten oder auch Volksanwälte werden zukünftig dieser viel strengeren Regelung und diesen viel strengeren Bedingungen unterliegen. Da auch die Länder – geplant ist das ab 1. Jänner 2018 – zu weitgehend analogen Regelungen verpflichtet werden sollen, werden dann auch wir Bundesräte in diese Regelung mitein­bezogen werden.

Dadurch soll es also einen einheitlichen Standard für alle Spitzenpolitiker geben – und das ist eine ganz wichtige Forderung –, und der wird damit auch umgesetzt. Mit der Festlegung, dass ein Amtsverlust bei sechs Monaten Haft und bei zwölf Monaten bedingter Strafe vollzogen wird, wurde, wie ich meine, letztlich auch ein ganz guter Kompromiss gefunden und ein vernünftiger Mittelweg eingeschlagen, der eben auch auf relativ breiter Basis heute hier seine Zustimmung finden wird.

Wichtig ist außerdem, dass auch das passive Wahlrecht hinterfragt werden kann und dass die Wahlbehörde bereits im Vorfeld abfragen kann, ob aufgrund einer ent­sprechenden Verurteilung – wiederum die gleiche Regelung: sechs Monate unbedingt oder zwölf Monate bedingt – für einen Kandidaten ein Ausschlussgrund von einer passiven Wahl oder vom passiven Wahlrecht vorliegt.

Geregelt wurde auch noch das Verfahren selbst. Dabei wird im Endeffekt wiederum, so wie es auch bisher war, der Verfassungsgerichtshof die Letztentscheidung über eine Amtsenthebung zu treffen haben.

Seitens unserer Fraktion werden wir diesem Gesetz die Zustimmung erteilen, weil es vor allem ein wichtiger Schritt dahin gehend ist, dass auch das Vertrauen in die Politik wieder gestärkt werden wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.07


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Heger. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 188

19.08.06

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Mitglieder des Bundesrates! Wir haben jetzt schon sehr viel über diese Gesetzes­änderung gehört. Im Arbeitsübereinkommen der österreichischen Bundesregierung ist dieser Punkt festgelegt, und er lautet dahin gehend, die Regeln des Mandats- und Amtsverlustes zu verschärfen.

Ich möchte nur Folgendes ergänzen: Es wird dies ja für sämtliche Regierungs­mitglieder vorgeschlagen, wir haben es schon gehört. Das geht aber bis hin zu den EU-Abgeordneten, bis hin zur Volksanwaltschaft und auch bis hin zum Bundes­prä­sidenten. Hinsichtlich der Befähigung zum Amt und zur Ausübung eines Mandates oder Amtes soll ein gemeinsamer Standard betreffend strafrechtliche Verurteilung eingeführt werden. Es geht dabei um den Verlust der Wählbarkeit.

Was ist eigentlich vorgesehen? – Vorgesehen ist, dass der Verfassungsgerichtshof auf Antrag die Amtsenthebung oder die Aberkennung des Mandates erkennen soll. Ich brauche, weil meine Vorredner das schon gesagt haben, nicht mehr die entsprechende Passage des Gesetzes zu zitieren. Jeder, der die bisherigen Ausführungen mitverfolgt hat, merkt auch, dass es nicht möglich war, eine für alle akzeptable Kompromisslösung zu erzielen.

Es ist aber, so denke ich, unbestritten, dass die Abgeordneten politisch den Wählerin­nen und Wählern verantwortlich sind. In bestimmten Fällen hatte der Verfassungs­gerichtshof auch bisher schon die Möglichkeit, einem Abgeordneten das Mandat abzuerkennen, beispielsweise dann, wenn die Wählbarkeit aufgrund einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verlorenging. Mit diesen Gesetzesänderungen werden die Regeln geändert, das ist bereits gesagt worden. Die Regeln werden dahin gehend verschärft, dass man in Hinkunft bei einer Verurteilung den Amtsverlust zu gewärtigen hat.

Das ist gegenüber den bisherigen Regelungen eine deutliche Verschärfung – auch das haben wir schon gehört –: Es wird um 50 Prozent kürzere Fristen in beiden Bereichen, sowohl bei der bedingten als auch bei der unbedingten Freiheitsstrafe, geben. Das Beamtendienstrecht hat hier eine gute, ausdiskutierte Lösung vorgesehen, und diese wurde analog angewendet. Von dort kommen auch die Zeiträume: sechs Monate unbe­dingte, zwölf Monate bedingte Haft. Das ist eine Verkürzung auf die Hälfte dessen, was bisher Gültigkeit hatte.

Es geht hier um die politische Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler, denn diese entscheiden, wer ein Mandat oder ein Amt bekommt. Ich denke, dass diese zur Beschlussfassung vorliegende Regelung ein ausge­wogener und gelungener Kompromiss ist. Daher ersuche ich um breite Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.11


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. Ich erteile es ihm.

 


19.11.22

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Kollegen Oberlehner zunächst recht geben. Ich denke auch, letztverantwortlich dafür, wer als öffentlicher Vertreter gewählt und bestimmt wird, ist natürlich der Wähler.

Bei der heutigen Novelle liegt uns ein sehr lange und sehr intensiv ausverhandelter Kompromiss in einer sehr, sehr sensiblen Materie vor. Ich habe mir das angeschaut und glaube, da muss man sich, da dürfen wir uns auch bei Kollegin Steinacker von der


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 189

ÖVP bedanken. Es war sicherlich nicht leicht, die verschiedenen Ideen, die es hierzu gegeben hat – auch wenn sie unter einem gemeinsamen Tenor gestanden sind –, zusam­menzufassen, denn wie so oft steckt der Teufel im Detail.

Warum handelt es sich hierbei um eine so sensible Materie? – Nun, aus meiner Sicht besteht gerade bei Gesetzgebung und Justiz ein potenzielles Spannungsfeld, und nicht umsonst hat der Verfassungsgesetzgeber bewusst die Gewaltenteilung installiert. Ein Ausfluss davon, auch ein Ausfluss der Trennung und des Schutzes der Gesetzgebung ist die Immunität, die wir alle auch genießen. Diese Immunität – das wissen wir – bietet uns die Möglichkeit, dass wir auch einmal politisch unliebsame Äußerungen hier im Haus, aber auch draußen bei einer politischen Veranstaltung äußern können, dass wir möglichst weitgehend politisch frei handeln können.

Ein weiterer Schutz der Gesetzgebung ist es, dass es Regelungen gibt, die wir heute wieder diskutieren und auch verschärfen werden – völlig zu Recht verschärfen werden –, aber dass es doch auch Regelungen gibt, die dazu führen, dass nicht automatisch jede Verurteilung zu einem Amtsverlust führen kann – und eine Verur­teilung ist immer etwas Unangenehmes, etwas Negatives, aber ich denke, man muss hier auch verhältnismäßig agieren. Die Verhältnismäßigkeit wird in so vielen anderen rechtlichen Bereichen herangezogen, warum also dann nicht auch hier?

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe durchaus großes Vertrauen in unsere Justiz. Aber eines muss uns auch bewusst sein: Wo Menschen arbeiten, da passieren eben manchmal auch Fehler. Diese Fehler kann man nicht zu 100 Prozent aus­schließen, auch wenn es in Österreich eine noch so hohe Qualität und sicher ein sehr, sehr großes Bemühen der Justiz gibt.

Bedenken wir aber bitte auch, dass derartige Regelungen, wie wir sie heute disku­tieren, eine sehr, sehr große Auswirkung haben, und zwar auch schon das passive Wahlrecht betreffend. Dieses passive Wahlrecht ist ein elementarer Bestandteil des demokratischen Prinzips unserer Verfassung; und auch dieses gehört geschützt. Daher bin ich der Überzeugung, dass wir diese sensible Lösung heute richtigerweise mit der Abstufung, mit einer Verhältnismäßigkeit beschließen sollten.

Ich möchte noch kurz auf den Vorschlag der Grünen eingehen, dass gewisse Delikts­gruppen – wenn ich das richtig verstanden habe, Kollegin Schreyer – (Bundesrätin Schreyer: ... zum Beispiel Korruption!) einen sofortigen Amtsverlust nach sich ziehen sollten. Wir sind der Meinung, dass ein Auseinanderdividieren in verschiedene Delikte hier keinesfalls sinnvoll ist.

Was sagen Sie zum Beispiel dem Opfer einer Sexualstraftat? – Sagen Sie, dass sein oder ihr Täter, der möglicherweise ein geringes Urteil ausgefasst hat, zwar hier herin­nen sitzen darf, oder im Nationalrat, denn der Bundesrat ist nicht betroffen, aber jemand, der wegen Amtsmissbrauch verurteilt worden ist, nicht im Hohen Haus sitzen dürfte. Das wäre ein Auseinanderdividieren. Da muss man aufpassen. Da kann man es gar nicht jedem recht machen, Frau Kollegin!

Ich denke daher, dass wir heute die richtige Entscheidung getroffen haben. Wir werden diesem Vorschlag daher so zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.15

 


19.15.10 Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.


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Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Artikels 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zur Erteilung der Zustimmung des Bun­desrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehr­heit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, begrüße ich sehr herzlich Herrn Bundes­minister Mag. Gerald Klug in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

19.18.1321. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (32. KFG-Novelle) (1054 d.B. und 1062 d.B. sowie 9580/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 

 


19.18.50

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 



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19.19.16

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte ZuhörerInnen hier und zu Hause! In dieser Sammelnovelle wird die Erweiterung des Handyverbots am Steuer ganz groß angepriesen. Eine Aus­weitung erfolgt auf SMS-Schreiben und so weiter, also alles, was nicht Telefonieren und nicht Navigationsgerät-Benützen ist. Eigentlich war das de facto auch schon bisher verboten, nur war es einfach nicht dezidiert aufgezählt.

Auslöser für diese Novelle war dann auch – das haben wir im Ausschuss gehört – die Anfechtung einer Strafe. Die Person hat das damit begründet, dass sie nur am Handy „gewischt“, aber nicht telefoniert hat. Womöglich hat sie also während der Autofahrt sogar im Internet herumgesurft, was meiner Meinung nach ja noch viel schlimmer wäre.

Im vorliegenden Gesetz gibt es also wirklich eine Konkretisierung, was man darf und was nicht; das ist sicher eine Verbesserung, aber aus unserer Sicht ein bisschen Schein­aktivität in Sachen Verkehrssicherheit. Beim Handy am Steuer ändert sich nämlich auch mit der Präzisierung nichts daran, dass der Lenker oder die Lenkerin angehalten werden muss, um bestraft zu werden. Das ist auch der zentrale Grund dafür, dass man sich nicht besonders fürchten muss, erwischt zu werden, obwohl jetzt – das haben wir auch im Ausschuss gehört – daran gearbeitet wird, dass Front­radarfotos, auf denen Handys am Ohr eindeutig und deutlich zu erkennen sind, auch ausgewertet werden dürfen. Das halte ich persönlich für sehr positiv.

Aber noch einmal zurück zu dem, was wir kritisieren: Handy am Steuer wird auch nicht zum Führerscheinvormerkdelikt wie in 17 anderen EU-Staaten. Auch die Strafhöhe bleibt eine der niedrigsten in Europa. Wenn man einen der Hauptgründe für Ablenkung am Steuer ernsthaft beseitigen möchte, dann braucht es wirklich engagiertere Maß­nahmen.

Prinzipiell gut finden wir das Verbot der Tachomanipulation, also der Manipulation des Kilometerstands von Fahrzeugen, samt Verwaltungsstrafe dafür. Das ist eine Ver­besserung für die Verkehrssicherheit und für den Konsumentenschutz. Aber auch das ist – wie die Novelle zum Handy am Steuer – ein bisschen Scheinaktivität in Sachen Konsumentenschutz. Die Strafbarkeit für Tachomanipulation ist ja grundsätzlich gut. Es ändert aber nichts daran, dass Tachos auch weiterhin leicht zu manipulieren und diese Manipulationen schwer nachzuweisen sind. Wir denken, dass sich für die Konsu­menten und die Konsumentinnen faktisch kaum etwas ändern wird.

Es gibt noch einige kleine Punkte, die in dieser Novelle umgesetzt wurden. Alles in allem ist sie uns aber nicht mutig genug, es fehlen viele wichtige Dinge, daher lehnen wir diese Vorlage ab.

19.22


Präsident Josef Saller: Als Nächster ist Herr Bundesrat Novak zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.22.09

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon einmal im Auto ohne Freisprecheinrichtung telefoniert oder gesimst oder ein SMS gelesen? Kollegin Schreyer hat das ja schon sehr ausführlich erklärt. Wir waren da wahrscheinlich alle schon mit dabei.

Dass das bis jetzt noch nicht bestraft worden ist, ist ohnehin eine Sensation. Aber leider Gottes ist es so, dass man durch diese permanente Erreichbarkeit, die notwen­dig ist, und durch diesen Druck immer glaubt, man muss das Handy bei sich haben,


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 192

abheben und telefonieren. Bei einem Drittel der tödlichen Verkehrsunfälle ist Ablen­kung die Ursache.

Ich möchte noch etwas Interessantes dazu anführen: Täglich werden mehr Telefonate, nämlich 900 000, ohne Freisprechanlage geführt und 200 000 SMS aus fahrenden Autos gesendet. Mit dieser Verschärfung des Gesetzes wurde jetzt klargestellt – und das lese ich jetzt vor –, „dass Handys nur mit einer Freisprecheinrichtung zum Tele­fonieren oder als Navigationssystem verwendet werden dürfen“ und das „Schreiben und Lesen von SMS (...) sowie das Surfen im Internet“ verboten sind.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das umsetzbar ist. Wenn ich mit dem Auto fahre und mein Handy mit dabei habe, dann liegt das meistens irgendwo am Sitz daneben. Jetzt muss mir ein Polizist bitte erklären, wenn er mich aufhält, ob ich ein Mail oder ein SMS geschrieben oder ob ich gerade eine Telefonnummer eingetippt habe. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das Nächste ist, dass es keine Anzeige gibt. Wenn er mich telefonieren sieht, kann er mich nicht anzeigen. Er muss mich anhalten und sofort abstrafen. Ihr seid Polizisten, ihr wisst, wie das funktioniert. Mir kann keiner erklären, dass ein Polizist zu mir sagt, dass ich ein SMS oder ein Mail gelesen beziehungsweise getippt habe und versucht habe, zu telefonieren. Ich denke, was dieses System anbelangt, wird man noch etwas korrigieren müssen.

Kollegin Schreyer hat schon über die Manipulation des Kilometerstands gesprochen. Wir wissen, dass 800 000 Autos zugelassen werden und dass ein großer Teil davon, 5 bis 12 Prozent der in der EU verkauften Gebrauchtwagen, manipuliert wird. Bis jetzt war nur eine Betrugsanzeige im Nachhinein möglich, wenn man gemerkt hat, dass ein Auto zu einem überhöhten Preis mit zu vielen Kilometern verkauft worden ist. Durch diese Novelle sind jetzt Strafsanktionen möglich.

Der dritte Punkt dieser Novelle beinhaltet im Sinne der Verwaltungsvereinbarung, dass Versicherungsunternehmen künftig per Gesetz zur Einrichtung einer Zulassungs­evi­denz und einer Deckungsevidenz für Kfz-Versicherungen angehalten sind.

Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Insgesamt sind die Neuerungen, die diese 32. Kraftfahrgesetz-Novelle mit sich bringt, sehr begrüßenswert. Meine Fraktion wird dem zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

19.25


Präsident Josef Saller: Als Nächster ist Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


19.25.49

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die drei wesentlichen Punkte wurden von den Kollegen bereits angesprochen. Der erste Punkt ist die Schaffung einer Deckungsevidenz hinsichtlich Versicherungsbestätigungen beziehungsweise Nicht­­­haftungsanzeigen, sodass es zu einer Verwaltungseinsparung kommt. 270 000 Mel­dungen können entfallen.

Der zweite Punkt ist der, der uns alle wahrscheinlich am meisten beschäftigt, das Telefonieren im Auto. Da die Handys besser wurden, gibt es jetzt zusätzliche Verbote bezüglich SMS, E-Mail und dergleichen.

Frau Kollegin Schreyer, Sie haben gesagt, der Strafrahmen sei zu gering. Wir haben auch im Ausschuss diskutiert, ob man das feststellen kann, man muss angehalten werden. Ich denke auch, dass das Vergehen ein variables ist: Schreibe ich ein SMS, wenn ich bei einer roten Ampel stehe, oder schreibe ich ein SMS bei 140 km/h auf der


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Autobahn? Ich denke, es ist auch gut, wenn die Exekutivorgane diesen Ermessens­spielraum haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schreyer.) Darum meine ich: Legen wir den Strafrahmen nicht so hoch, denn sonst ist auch die Gefahr, dass dieser aus­geschöpft wird, entsprechend groß.

Das Manipulieren des Kilometerstands wird auch unter Strafe gestellt.

In diesem Sinne ist das eine Novelle, die drei wesentliche Ziele verfolgt, nämlich Verwaltungsvereinfachung, Steigerung der Sicherheit und Erhöhung der Gerechtigkeit unseres Systems. Wir werden dieser Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.27


Präsident Josef Saller: Als Nächster ist Herr Bundesrat Längle zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.27.36

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits viel gesagt. Ganz kurz noch: Faktum ist, dass ein Drittel aller Unfälle durch Ablenkung passieren, egal, ob da mit dem Handy gespielt, im Internet gesurft, SMS geschrieben oder was auch immer getan wurde. Faktum ist, dass das eine Ablenkung darstellt. Ich denke, dass wir da jetzt eine Verbesserung haben.

Der zweite Punkt, die Manipulation an Kilometerständen: Das ist eine gezielte Irreführung, gerade im Gebrauchtwagensektor. Das ist auf jeden Fall auch unter Strafe zu stellen, da es eben eine absichtliche Täuschung darstellt.

Bezüglich der Nichthaftungsanzeigen: Die Änderung in diesem Bereich ist auch erfreu­lich, da wir eine Ersparnis in der Gesamthöhe von rund 1,5 Millionen € zu erwarten haben. Beziehungsweise: Eine Verwaltungsvereinfachung ist generell zu begrüßen.

Von freiheitlicher Seite kann ich das alles nur positiv bewerten, und wir werden dieser Gesetzesänderung gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

19.28


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Klug. – Bitte.

 


19.28.51

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Gerald Klug: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus der Politik! Hoher Bundesrat! Jeder Verkehrstote auf Österreichs Straßen ist einer zu viel, daher bin ich felsenfest davon überzeugt, dass jede Maßnahme, die einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet, auch eine richtige Maßnahme ist.

Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass es in der Verkehrspolitik Sinn macht, im Sinne der Verkehrssicherheit ein Maßnahmenbündel auf die Beine zu stellen. Auf der einen Seite stehen Maßnahmen im Softfacts-Bereich, in der Bewusstseinsbildung. Da sprechen wir etwa von fairem Verhalten im Straßenverkehr, nicht drängeln, um nur ein Beispiel zu nennen, oder auch die Geschwindigkeit anpassen. Es geht also darum, auch mit Verkehrssicherheitskampagnen auf der Bewusstseinsebene eine positive Beeinflussung zu erreichen. Auf der anderen Seite stehen natürlich auch gesetzliche Maßnahmen. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Es wurde schon angesprochen, dass wir wissen, dass Ablenkung mit 31 Prozent die Hauptursache für Verkehrsunfälle darstellt. Ich brauche nur jetzt in den Saal zu schauen, und alle wissen, dass das Handy dabei ist. (Allgemeine Heiterkeit. – Bun­desrat Mayer: Liegt am Tisch!)


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Wenn ich Ihr Schmunzeln zustimmend deuten darf, dann möchte ich sagen: Genau darauf haben wir reagiert. Ich halte es daher für richtig, dass man alle Maßnahmen setzt, um dahin gehend zu wirken, dass das Handy im Straßenverkehr tunlichst nicht verwendet wird. SMS schreiben ist schlecht, SMS lesen ist schlecht, E-Mails lesen ist schlecht. Ich will das nicht qualifizieren: E-Mails schreiben ist daher auch schlecht. Ich habe es nicht qualifiziert, das ist auch schlecht. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Mayer: Wenn einem schlecht ist, ist das auch schlecht!)

Daher sage ich an dieser Stelle: Wir haben mit der KFG-Novelle inhaltlich reagiert. Meines Erachtens hat das Handy beim Autofahren möglichst nichts verloren.

Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung. Da wir im Nationalrat eine intensive Debatte zwischen Ausschuss und Plenum hatten, sage ich an dieser Stelle auch: Ich bedanke mich auch bei den freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen für die konstruktiven Ge­spräche, weil das letztlich dazu geführt hat, dass wir auch die Zustimmung Ihrer Fraktion erhalten haben. Ansonsten vielen herzlichen Dank an die Regierungs­frak­tio­nen und an alle, die zustimmen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

19.31

 

 


19.31.40 Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.32.1922. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geän­dert werden (1055 d.B. und 1066 d.B. sowie 9581/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 22.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Bitte um den Bericht.

 


19.32.44

Berichterstatter Günther Novak: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Maut­gesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden, erstatten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, der Inhalt ist Ihnen bekannt.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


19.33.34

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit diesem Mautgesetz macht die Bun­desregierung wieder einmal das, was sie am besten kann – um nicht zu sagen, das Einzige, das sie kann –, nämlich Gebühren erhöhen. In diesem Falle sind es die Mautgebühren, die unter dem Deckmäntelchen der Ökologisierung erhöht werden, und


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das wird noch als großer Wurf bezeichnet. Unterm Strich kommt eine Mehrbelastung heraus, und zwar wieder einmal für die Wirtschaft. Treffen wird es nicht nur große ausländische Frächter, sondern oft kleine Zusteller im lokalen Bereich, die sich keinen neuen Fuhrpark leisten können und deswegen noch mit älteren Fahrzeugen unterwegs sind.

Das Geld, das da zusätzlich eingenommen wird, soll dann – wie es so schön heißt – für nachhaltige Verkehrsprojekte verwendet werden. Wenn man nachfragt, was solche Projekte sind, dann kann man sagen: Das ist eigentlich alles, was im Verkehrs­minis­terium irgendetwas mit Verkehr zu tun hat. Überall dorthin kann das Geld fließen. Ich meine, ich habe nichts dagegen, wenn es in den Tunnelausbau fließt.

Trotzdem muss ich sagen: Wir sprechen immer davon, dass die Wirtschaft entlastet werden muss (Bundesrätin Mühlwerth: Entfesselt!) – entfesselt sogar –, die Klein- und Mittelbetriebe müssen gestärkt werden. Und was tun wir in Wirklichkeit? – Genau das Gegenteil, nämlich eine zusätzliche Belastung einführen. Ich würde mir das Ganze ja noch einreden lassen, wenn es gleichzeitig mit dieser sogenannten ökologisierten Belastung zu einer Entlastung auf einer anderen Seite käme. Das ist aber leider nicht der Fall. Es ist wieder einmal eine Mehreinnahme.

Ich bin einverstanden damit, dass Mautvergehen als Verwaltungsübertretung geahndet werden. Ich habe mir berichten lassen, dass es findige, vor allem ausländische Auto­fahrer gibt, die auf den Sondermautstrecken die Lkw-Spur benützen und dort als Maut­preller unterwegs sind. Mit dieser Novelle will man, indem man das zu einer Verwaltungsübertretung erklärt, ihrer habhaft werden, das ist okay. Mit der Gebüh­renerhöhung können wir uns aber nicht abfinden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.36


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.36.23

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bun­des­minister! Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf das Belastungsgejammere des Kollegen Krusche eingehe (Bundesrat Krusche: Das ist nicht notwendig! Ich verzichte darauf!), vielleicht noch kurz zum Inhalt des Geset­zes: Mit den vorgeschlagenen Änderungen im Gesetz wird mit 1. Jänner 2017 das Lkw-Mautsystem verändert, um bessere Kostenwahrheit, bessere Kostentransparenz und vor allem eine stärkere Ökologisierung unseres Mautsystems zu erreichen.

Die Schiene und auch die Straßen sind die wichtigsten Lebensadern – nicht nur im Zen­tralraum, sondern natürlich auch in den ländlichen Regionen. Diese Lebensadern müssen natürlich auch dementsprechend finanziert werden. Die fallen nicht vom Himmel, Kollege Krusche, sondern müssen mit Geld gebaut werden. Deswegen möchte ich auf die wichtigsten Kernpunkte eingehen, weil es, denke ich, sehr wichtig ist, zu betonen, dass erstmals auch externe Kosten in die Maut eingerechnet werden, das heißt Schad­stoffbelastungen, Umweltverschmutzung, aber auch Lärmbelastung, denn mit der Straße alleine ist es ja nicht getan. Es braucht Lärmschutzmaßnahmen, ökolo­gische Ausgleichsflächen und so weiter, und das will ja letztendlich auch finan­ziert sein.

Diese Mehreinnahmen – das ist der zweite wichtige Kernpunkt – werden von der ASFINAG an den Bund abgeführt und eben für die nachhaltige Gestaltung von Verkehrsräumen verwendet. Ich denke, gerade diese Zweckwidmung ist wichtig, damit das Geld nicht irgendwo ins Budget fließt, sondern dorthin, wo es hingehört. Das heißt: 2017 gibt es geschätzt 40 Millionen € mehr, 52 Millionen € im Jahr 2018 und 50 Mil­lionen € im Jahr 2019.


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Auf die Straftatbestände und das Verwaltungsstrafverfahren ist Kollege Krusche schon eingegangen.

Abschließend: Ich denke, die Änderungen sind wirtschaftlich verträglich, ökologisch sinnvoll und deswegen natürlich zu befürworten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

19.38


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


19.38.26

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Bei dieser Novelle geht es um die anstehenden Umsetzungen der letzten Änderung der EU-Wegekostenrichtlinie, die den Rahmen für die Lkw-Maut in Österreich vorgibt. Die Novelle ermöglicht es – wir haben es vorhin schon gehört –, dass Teile der externen Kosten, die aufgrund des Lkw-Verkehrs entstehen, nun auch den Lkws direkt angelastet werden. – So weit, so gut.

Möglich ist das allerdings nur in einem sehr restriktiven Rahmen, und dieser Rahmen ist insbesondere aufgrund der Anforderungen, die wir in Österreich vor allem im alpinen Raum haben, teilweise sehr nachteilig. Die Voraussetzungen, die wir haben, sind vor allem schmale Täler, in denen sich Lärm und Abgase richtig wohlfühlen. Vor allem im Winter kommt dann oft noch eine Inversionswetterlage dazu, die die Dunstglocke richtig schön über den Köpfen der Menschen hält.

Künftig könnten in sensiblen Gebieten, wo die externen Kosten verrechnet werden, die hart erkämpften Mautzuschläge nicht mehr eingehoben werden – also die Querfinanzierung für den Brenner Basistunnel. Das wird so nicht gemacht, weil die Querfinanzierung ja höher ist als die externen Kosten. Man muss sich für eines davon entscheiden, da werden also nicht die externen Kosten erhoben; dazu komme ich aber noch. Die Auswirkung dadurch ist aber generell, dass die Maut am Brenner sinkt, anstatt zu steigen.

Zur Erinnerung: Über den Brenner donnern jedes Jahr knapp 2 Millionen Lkws, gleich­zeitig besteht dort die höchste Stickstoffdioxidbelastung Österreichs, es gibt gesund­heits­schädliche Lärmbelastung für die Anrainer und extrem teure Straßenschäden.

2015 sind 2,1 Millionen Lkws durch Tirol gefahren, das sind doppelt so viele Transit­fahrten wie auf allen großen Schweizer Alpenpässen zusammen. Während über die Schweizer Alpenpässe 67 Prozent der Güter auf der Schiene transportiert werden, sind es in Österreich nur 32 Prozent; dazu komme ich dann später auch noch.

Das ist ein sehr kompliziertes System, ich probiere jetzt einfach, es ein bisschen zu erklären, um darzustellen, warum wir das nicht gut finden:

Derzeit nimmt die ASFINAG über die Lkw-Maut 1,3 Milliarden € ein. Die Mauttarife sind in ein Bonus-Malus-System nach Emissionsklassen gespreizt, so zahlen zum Beispiel ältere Lkws der Klasse Euro I mehr als die neuen Lkws der Klasse Euro VI. Künftig können, wie wir gehört haben, externe Kosten noch extra verrechnet werden, das sind zirka 40 Millionen € im Jahr, die da noch dazukommen. Verglichen mit den 1,3 Mil­liarden € durch die Lkw-Maut generell sind die 40 Millionen € ja nicht mehr so viel.

Jetzt kommt der Punkt, der der Hauptgrund für unsere Ablehnung ist: Die Maut­spreizung nach Emissionsklassen soll mit der Einführung dieser externen Kosten komplett wegfallen. Über die externen Kosten werden ältere Lkws zwar auch künftig grundsätzlich höhere Tarife bezahlen, aber die Spreizung wird dadurch reduziert. Das trifft jetzt ganz Österreich, und auf Straßen, auf denen ein Querfinanzierungszuschlag


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eingehoben wird, wie auf der Unterinntalstraße oder der Brennerstraße, soll die Spreizung nach Emissionsklassen überhaupt komplett wegfallen.

Das führt alle Bemühungen zur Ökologisierung der Maut komplett in die entgegen­gesetzte Richtung. Auf der gesamten Strecke durch Tirol entfällt dann ein wesentlicher Anreiz zur Umrüstung, zusätzlich gibt es in Tirol auch eine Umrüstungsförderung der Landesregierung, der Wirtschaftslandesrätin, nicht der grünen Landesrätin, die komplett konterkariert würde, und die Regelung ist auch gefährdend für das sektorale Fahrverbot (Bundesminister Klug – den Kopf schüttelnd –: Nein!), das jetzt in Kraft tritt und 200 000 Lkws – von diesen vorhin genannten 2 Millionen Lkws – von der Straße auf die Schiene bringen sollen. Das müsste gerade Ihnen ein großes Anliegen sein, Herr Bundesminister. Erst gestern haben Sie ein neues Fördersystem vorgestellt, das die Verlagerung von der Straße auf die Schiene vorantreiben soll – und heute soll schon wieder dagegen gearbeitet werden.

Mir ist gestern übrigens ein kleiner Zahlenfehler aufgefallen: Sie sprachen von einem Schienenanteil von 40 Prozent bis 2030, im BMVIT-Programm ist aber immer von 40 Prozent bis 2025 die Rede. (Bundesminister Klug: Plus!) Ich hoffe, dass das nur ein Versehen war; oder können Sie mir dazu genauere Auskunft geben? (Heiterkeit des Bundesrates Mayer.)

Abschließend möchte ich noch einmal kurz zusammenfassen: Diese Novelle ist nicht gut für den Klimaschutz in Österreich, sie konterkariert die Bemühungen für die Ökolo­gisierung der Maut und ist nicht hilfreich bei der Verlagerung von der Straße auf die Schiene – darum gibt es von uns hier keine Zustimmung. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

19.43


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Dr. Köll. – Bitte.

 


19.43.27

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vermute einmal, dass die Zeit heute nicht mehr ausreicht, diese an und für sich äußerst umfassende und diffizile Thematik so anzusprechen, dass alle in Österreich zufrieden sein können. Wir wissen, dass wir hier eine EU-Richtlinie umzusetzen haben und dass es natürlich auch Mehreinnahmen im Budget braucht, um den österreichweiten Verpflichtungen zur Erhaltung der Straßeninfrastruktur nachzukommen.

Die österreichweite Sicht ist da sicherlich eine etwas andere als die unseres Bundes­lan­des Tirol, wenngleich ich heute diesen Beschluss mittragen werde. Kollegin Mag. Schreyer hat schon einiges angeführt, was uns in Tirol beschäftigt. Wir haben derzeit zahlreiche Unsicherheitsfaktoren, die wir bei all diesen Betrachtungen noch miteinbeziehen müssen. Wir wissen noch nicht genau, wie die Kommission und allenfalls auch der EuGH über das sektorale Fahrverbot letztendlich entscheiden werden, das man zwi­schenzeitig schon das dritte Mal umzusetzen versucht. Die Europäische Kommission hat uns ja mitgeteilt, wir sollten in Tirol auf den Autobahnen statt auf Tempo 100 auf Tempo 80 heruntergehen.

Wir haben noch die ungelöste Baustelle, sehr geehrter Herr Bundesminister, zum Thema Kufstein: Sie wissen, dass es da nach wie vor gewaltige Probleme gibt, und zwar aufgrund des Ausweichverkehrs durch die Stadt Kufstein und durch die betrof­fenen Umlandgemeinden. Ich bin selbst Mitglied des Aufsichtsrates einer Straßen­gesellschaft, der Felbertauernstraße AG, zu welcher die EU kürzlich ein Vertragsver­letzungsfahren eingeleitet hat. In Bezug auf die Pkws ist es zwar gelungen, die Anrainermautvergünstigungen aufrechtzuerhalten, aber im Lkw-Bereich mussten wir


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nachziehen. Auch das führt natürlich zu großen Belastungen der heimischen Wirt­schaft. Und paradox ist – allgemein wird immer von Stinkern und umweltfreundlichen Lkws gesprochen –, dass letztendlich bei diesem System in Tirol die Lkws bevorzugt werden, die eigentlich nicht zu einer Umweltverbesserung und Klimaverbesserung im Sinne der Ziele von Paris beitragen.

Es ist eine sehr schwierige Thematik, wobei natürlich EU-Recht mit hineinspielt. Wir wissen alle noch nicht genau, wie die EU letztendlich über die deutschen Mautpläne entscheiden wird. Das ist alles noch nicht ausdiskutiert. Es gibt ja österreichweit Überlegungen hin zu einer flächendeckenden Lkw-Maut. Aber das sehen einige Bun­desländer naturgemäß wieder ganz anders, das sehen Wirtschaftsbereiche natürlich anders. Es ist ein sehr diffiziles Problem, es lässt sich nicht so einfach lösen.

Der Standpunkt von Tirol ist: Wir schauen natürlich schon in die Schweiz – auch unsere Vorarlberger Kollegen werden das tun –, wo man das eigentlich sehr gut gelöst hat. Letztendlich bleibt ja wirklich nur eine – auch von Ihnen angekündigte – massive Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene: Aber der Brenner Basistunnel wird nicht so zeitig in Betrieb gesetzt werden können, dass wir die Belastungen der Bevöl­kerung in den alpinen Tälern hintanhalten können. Kurzfristig kann man einfach nicht europäische Probleme und europäische Wirtschaftstransferleistungen auf dem Rücken der Tiroler Bevölkerung austragen!

Es ist hier noch sehr viel zu tun: Gehen wir einmal davon aus, dass diese heutige Beschlussfassung nur eine Zwischenetappe darstellt, bei der man versucht, Geld aufzutreiben, um den österreichischen Infrastrukturerfordernissen im Straßenbereich etwas besser nachkommen zu können. Ganz zufrieden sind wir aus Tiroler Sicht mit all diesen Maßnahmen noch nicht. Da wird noch sehr viel zu tun sein! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Schreyer und Stögmüller.)

19.47


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Klug. – Bitte.

 


19.47.28

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Gerald Klug: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist Bahn­land Nummer eins in der Europäischen Union, sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr. Mit rund 1 426 Kilometern pro Jahr sind wir im Personenverkehr an der Spitze in der Europäischen Union, und im Güterverkehr sind wir auf Platz 4. Also wir können mit Fug und Recht behaupten, Österreich ist Bahnland Nummer eins.

Selbstverständlich ergreifen wir verschiedene Maßnahmen, um in der Politik von der Straße auf die Schiene auch weiterhin erfolgreich zu sein, weil wir inhaltlich davon überzeugt sind, dass es die richtige Politik ist, aus vielerlei Überlegungen.

Sie haben in der Debatte schon vieles angesprochen: Es geht um Umweltbelastungen, es geht um Schadstoffausstoß und so weiter und so fort. Daher bin ich auch der Meinung, dass wir mit diesem neuen Mautsystem, nämlich mit der Aufnahme der sogenannten externen Kosten – Start 1. Jänner 2017 –, die richtigen Maßnahmen setzen, um einerseits mehr Transparenz und Planbarkeit und andererseits aber auch einen gewissen Lenkungseffekt zu erreichen.

Den Lenkungseffekt erreichen wir im Wesentlichen dadurch, dass wir die Lkw-Maut dahin gehend aufsetzen, dass wir sagen: einen Sockelbetrag für alle, je nach gefah­renen Kilometern, und einen sogenannten Aufschlag, der dann diese externen Kosten auch tatsächlich inkludiert, wie Lärmausstoß, Schadstoffausstoß, also tatsächlich zu


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einer Kostenwahrheit im Verkehr führt. Das war auch das, was die Grünen eigentlich immer gefordert haben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch sagen, dass wir bei dem gesamten System nicht übersehen dürfen, dass auch der Euro VI bis 2021 zusätzlich einen Tarifbonus mit rund 20 Millionen € bekommen wird, weil er umweltverträglicher ist. Und entgegen der Meinung der Grünen – ich sage das inzwischen schon fast gebetsmüh­lenartig – zahlt der Euro VI am Brennerkorridor A12 und A13 auch nach Inkludierung der externen Kosten einen günstigeren Tarif als die sogenannten Stinker.

Sehr geehrte Damen und Herren, meines Erachtens ist das ein neues Mautsystem im Lkw-Bereich, das zu mehr Transparenz, zu mehr Kostenwahrheit, aber auch zu mehr Planbarkeit führt.

Und was die Planbarkeit anlangt, komme ich zum Vorwurf des Kollegen Krusche und möchte Ihnen sagen: Das alles ist eng abgestimmt mit der Branche; wir führen dieses System also im Einvernehmen mit der Branche neu ein. Daher: Ihr Vorwurf geht in diesem Bereich wirklich ins Leere, weil wir das mit der Branche sehr eng abgestimmt haben. Das ist mir als Verkehrsminister wichtig: Wir sind gut in der Zusammenarbeit mit der Logistik- und Transportwirtschaft. Und ich möchte das auch in Zukunft so halten.

Entschuldigen Sie, Frau Bundesrätin Schreyer, wenn ich jetzt ein Wort auf die Waag­schale lege, aber wenn Sie mir als Verkehrspolitikerin sagen, dass wir im Moment einen Modal Split von nur 33 Prozentpunkten hätten, dann muss ich Ihnen sagen: Ich lade Sie herzlich dazu ein, dieses Niveau international zu vergleichen. Und da möchte ich jetzt einen Punkt machen, einen Gedankenstrich, was immer Sie da gerne da hätten. Ich lade Sie wirklich ein, das international zu vergleichen.

Da Sie das Fördersystem angesprochen haben: Wenn wir Modal-Split-Politik machen und den nationalen Aktionsradius nutzen, den wir haben – der ist nicht grenzenlos, aber wir haben einen; im Schienengüterverkehr fördern wir zum Beispiel mit rund 100 Mil­lionen € pro Jahr –, dann ist es meine Aufgabe, dass wir diese Förderung bestmöglich aufstellen, sodass wir den Modal Split sogar noch verbessern können.

Wir haben das mit Experten geprüft, auch in Abstimmung mit der Branche, die bessere Förderung der sogenannten ersten Meile und der letzten Meile – da geht es um Verladen und Entladen, wenn man in der Branche etwas versteht –, und wir erreichen damit trotz sehr hohem Niveau von 33 Prozent des Schienenverkehrs noch eine weitere Steigerung um einen Prozentpunkt. Oder wenn Sie das umrechnen wollen: minus 100 000 Lkw-Fahrten pro Jahr in Österreich.

Wenn das nach Ansicht der Grünen kein Fortschritt ist, dann tue ich mir wirklich schwer. Wir haben uns sehr bemüht, mit Ihrem Verkehrssprecher im Nationalrat ein Privatissimum auf die Beine zu stellen, aber inzwischen habe ich es aufgegeben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.52


19.52.40 Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


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19.53.1523. Punkt

Jahresvorschau des BMVIT 2016 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates (III-578-BR/2016 d.B. sowie 9582/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Ich bitte um den Bericht.

 


19.53.43

Berichterstatter Günther Novak: Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Aus­schusses für Verkehr über die Jahresvorschau des BMVIT 2016 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 den Antrag, die Jahresvorschau des BMVIT 2016 auf der Grundlage des Arbeitspro­gramms der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates zur Kennt­nis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile ihm dieses.

 


19.54.28

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht der erste EU-Vorhabensbericht, den wir heute auf der Tagesordnung haben. Beim ersten Bericht handelte es sich um einen des Wirt­schaftsministeriums; Kollege Pisec hat den Bericht als ausgesprochen gut aufbereitet, übersichtlich und informativ gelobt. Auf diesen Bericht trifft aber wohl das Gegenteil zu, denn dieser ist ausgesprochen unübersichtlich, unklar und in seiner Gliederung über­haupt nicht nachvollziehbar.

Das fängt schon bei einem seltsamen Nummerierungsschema an, erst mit Punkt A, dann römisch I, dann klein a, b, c, dann römisch II, dann arabisch 1, 2, dann zwischen­durch wieder 1, dann irgendein Punkt 5, „Schaffung eines wirksameren institutionellen Rechtsrahmens“; und da schleicht sich plötzlich die Weltraumstrategie ein, wodurch man das Gefühl hat, die ist irgendwie durch einen Copy-and-paste-Fehler dort hinein­gerutscht. Also das ist schon alleine von der Übersichtlichkeit her fürwahr kein beson­deres Ruhmesblatt.

Auch das Inhaltliche gibt nicht sehr viel her. Klar ist, dass die Seefahrt für uns in Österreich nicht von solch übergeordneter Bedeutung ist. Im Bereich der Initiativen, Kategorie Verkehr, heißt es, da gibt es keine Initiativen. – Gut, das ist auch eine Aussage; es wird schon so sein.

Dann geht es halt weiter mit statistischer Erfassung von Verkehrsdaten, Telekom­munikationsdaten – das sind also alles nicht sehr weltbewegende Themen.

Dann gibt es eine längere Liste von geplanten Aufhebungen und eine Liste von im Jahre 2016 in Kraft tretenden Vorschriften; da handelt es sich weitgehend um Verordnungen für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge, für die Genehmigung und Überwachung von Fahrzeugen und so weiter. Und zur österreichischen Position steht da drinnen, dass es sich um eine Verordnung handelt, weshalb kein Handlungsbedarf gegeben ist. Und das war es.

Es wäre schon interessant, auch in Bezug auf Verordnungen zu erfahren, wie die österreichische Haltung dazu ist. Ist das aus unserer Sicht eine sinnvolle, eine gute


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Verordnung? Sind wir dafür oder meinen wir, dass diese Verordnung abzulehnen wäre, da sie beispielsweise irgendetwas bei uns verschlechtert? Das alles fehlt in diesem Bericht. Deshalb fällt es uns wirklich besonders leicht, diesen abzulehnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.57


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


19.57.40

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Wenn ich Herrn Krusche zuhöre, dann weiß ich nicht, ob der „Herr Strudl“ wirklich lebt oder nicht. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Das ist so dieses Herummosern; ich hoffe, das versteht man auch im Westen. Jedes Mal sagen Sie dann: Das ist aber irgendwie; das ist aber und das und das! – Ich verstehe das nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Was die Haltung Österreichs anlangt, wie Österreich zu bestimmten Vorhaben steht, lieber Herr Krusche, diese österreichische Haltung steht klar im Bericht; das können Sie von Seite zu Seite lesen. Alleine auf Seite 10 steht zweimal „Österreichische Haltung“. Wenn Sie das lesen, dann wissen Sie, was die Meinung des Ministeriums dazu ist. Das ist doch relativ einfach. (Bundesrat Krusche: Ich habe es zu den Ver­ordnungen gesagt! Du musst mir zuhören!)

Kollege Pisec hat mich daran erinnert, dass ich es gesagt habe – ich habe gedacht, er hat es gesagt –, also gut: Ich habe beim Wirtschaftsbericht gesagt, dass er dünn ist und dass derjenige, der Bedarf hat, tiefer in wichtige Materien hineinzugehen, den Bericht des Infrastrukturministeriums dazu lesen möge, denn dieser ist sehr aus­führlich. Aber vielleicht besteht dann für manche ein Problem aufgrund der Aus­führlichkeit, weil da mit sehr vielen Tabellen, Timelines und so weiter gearbeitet wird. Wenn man also in die Tiefe gehen will, sagt diese Jahresvorschau mehr aus als die andere. Die andere war hübscher, das gebe ich zu, aber weniger aussagekräftig.

Das Nächste, lieber Kollege Krusche: Ja, das Infrastrukturministerium muss die EU-Vorhaben zu Lande, zu Luft und zu Wasser bearbeiten. Das ist so. Wir haben uns auch im EU-Ausschuss – Monika Mühlwerth wird das sicherlich bestätigen – über die Werften in Finnland unterhalten (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), denn interessant ist ja die Beispielswirkung für solidarisches Verhalten. Wir sind ja ein Europa, eine Europäische Union, und da wollen wir natürlich zum Beispiel auch etwas über Hafenauffangeinrichtungen, Hafendienste, Meeresverschmutzung wissen. Aber seit Gottfried Kneifel wissen wir eines, denn wir haben ja alle hier Lehrstunden gehabt, nämlich dass die Binnenschifffahrt der ökologischste Weg, Güter zu transportieren, ist und wie wichtig und zukunftsreich der Weg der Binnenschifffahrt ist. Wir haben auch in diesem Bereich schon ein Vorhaben, nämlich Strukturbereinigungen, Ausbau eines kombinierten Verkehrs.

Kommen wir zu dem zurück, was wir heute schon ganz lange diskutiert haben, zum digitalen Binnenmarkt. Da kommt ganz viel Arbeit auf das Infrastrukturministerium zu. Wir alle begrüßen im Wesentlichen und trotz seiner Gefahren den Binnenmarkt – aufgrund der Arbeitsplätze, die in diesem Bereich kommen, sowie aufgrund der Modernität und des Wettbewerbs großer Wirtschaftsräume, wie zum Beispiel des europäischen Wirtschaftsraumes mit dem amerikanischen.

Wir müssen jedoch im Bereich der Telekommunikation einen sehr umfangreichen Rechtsrahmen setzen: von der Frequenzpolitik bis hin zur Verwaltung, zum Ver­braucherschutz, zu Investitionen et cetera.


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Zu den Grünen gesagt – aber Heidi ist nicht da –: Durch das Juncker-Paket kommt nun wiederum der Breitbandausbau in Österreich, die Wettbewerbsfähigkeit – all das ist da drinnen –, und es wird bereits bis Juli 2016 vorgelegt. Das ist in wenigen Wochen.

Was noch dazukommt, ist die Beseitigung nationaler Unterschiede in diesem Bereich, und was im Infrastrukturministerium von europäischer Seite her da ist, ist die Über­prüfung der Roamingmärkte, das Geoblocking, die Forschung im Bereich Connecting Europe und – heute bereits diskutiert – Horizon 2020.

Zu Luft haben wir verschiedene Aspekte. Der Start von Galileo war ein bisschen holprig, man musste dem unter die Arme greifen. Letztes Jahr gab es drei Galileo-Starts, womit wir nun 12 Satelliten haben. Es geht darum, der amerikanischen Dominanz des GPS ein europäisches System entgegenzusetzen. Bereits Ende dieses Jahres werden die ersten Dienste aus Galileo sowie auch aus Copernicus zur Verfügung gestellt. Das sind alles wichtige Dinge.

Zum Bereich der Luft gehört zudem die gesamte Luftfahrtstrategie in Europa, die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Luftraumes. Es gehören auch – das gehört in die Agenden der Infrastruktur in Europa – die ganzen Kapitel und Schwierigkeiten mit den Drohnen, die ja auch einen Wildwuchs darstellen, dazu. Wir wissen ja, dass Maschinen aufgrund von Drohnen schon notlanden mussten. All das bedarf einer Regelung.

Kommen wir noch zu den Initiativen zu Lande. Mit dem Dritten Eisenbahnpaket haben wir im Bundesrat als Erster die Subsidiarität in Europa angefangen. Wir waren extrem stolz, dass wir die Ersten waren. Nun kommt das Vierte Eisenbahnpaket, das technisch, also in der Interoperabilität, bereits abgeschlossen ist; das heißt, nun kommt der marktrelevante Teil – da wird Herr Dörfler zustimmen; da können Sie noch einmal zustimmen, Sie haben mir heute ja schon so oft zugestimmt (Bundesrat Dörfler: Unglaublich!) –, da geht es um die gemeinwirtschaftlichen Verkehrsdienste und darum, dass diese in der Form auch aufrechterhalten bleiben und wie sie sozusagen europäisch abgesichert werden. Wir haben da bereits im Juni 2016 den ersten Bereich.

Noch ein Kapitel – ich sage das für Frau Zwazl (Bundesrätin Zwazl: Danke! – allge­meine Heiterkeit) –: Im Infrastrukturministerium ist auch das gesamte EU-Marken­rechtspaket beheimatet. Da geht es darum, auf der einen Seite einen Schutz für nationale Marken und auf der anderen Seite aber ein europäisches Markensystem zu schaffen. Das ist ein gewaltiges Stück Arbeit. Wenn man alles nachlesen will – noch einmal für Herrn Krusche –, es ist alles im Detail mit genauem Timetable und Abläufen dargestellt. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe und blättert darin.)

Wir nehmen diesen Vorhabensbericht gerne an. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

20.05


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Preineder zu Wort. – Bitte.

 


20.05.12

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stefan Schennach ist schon sehr umfassend auf den Bericht und auf die Vorschau eingegangen.

Es ist ein etwas kompliziertes Thema, das stimmt, denn wir haben einmal die Vorgabe der EU-Kommission, auf die das Achtzehnmonatsprogramm der Niederlande, der Slo­wakei und Maltas aufsetzt, woraus sich letztlich das Jahresprogramm für das BMVIT generiert.


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Wo sind die nun relevanten Programmpunkte des Achtzehnmonatsprogramms (der Redner blättert in einem Schriftstück und liest daraus vor): „Eine Union der Arbeits­plätze, des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit“, „Eine Union, die jeden ihrer Bürger befähigt und schützt“, „Auf dem Weg zu einer Energieunion mit einer zukunfts­orientierten Klimapolitik“, „Eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „Die Union als starker globaler Akteur“.

Ich darf nur beispielhaft drei Bereiche herausnehmen, weil wirklich vieles ange­sprochen wird, was es auch entsprechend umzusetzen gilt. Zum einen die trans­euro­päischen Netze: Durch diese Programme gelingt es, dass Österreich 686 Millionen € Zuschüsse aus der Europäischen Union zu 95 Prozent für Bahnprojekte verwendet, insbesondere für den Brenner Basistunnel und die Koralmbahn, womit sicherlich ein wesentlicher Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Sicherung der Umwelt und natürlich auch zur Reduktion des Bodenverbrauches geleistet wird.

Zum Zweiten ist auch – dafür ein herzliches Dankeschön an das Ministerium – ein Beitrag zu einer besseren Rechtsprechung drinnen, dass durchaus das kritisiert wird, was wir im EU-Ausschuss immer wieder kritisieren, nämlich die delegierten Rechts­akte. Wir werden einfach das Gefühl nicht los, dass sich die Kommission da ihren Gestaltungsspielraum schafft, der so von den Parlamenten nicht gewollt ist. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.)

Der dritte Bereich, den ich ansprechen möchte, Herr Kollege Schennach – und du hast es auch schon gesagt –, ist der gemeinschaftliche digitale Raum, die Schaffung von Anreizen für Investitionen im Bereich des Hochleistungsbreitbands. In Niederösterreich setzen wir das bereits mit der Niederösterreichische Glasfaserinfrastruktur Gesellschaft entsprechend um. Ich glaube, das ist ganz wichtig, vor allem auch für die Entwicklung der ländlichen Räume, für dezentrale Arbeitsplätze, für neue Formen der Arbeitsmög­lichkeiten, die wir schaffen wollen.

Ein bisschen gebe ich dem Kollegen Krusche recht: Die Gliederung hat durchaus noch Entwicklungspotenzial. Das wünschen wir; ansonsten nehmen wir die Vorschau gerne entgegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

20.08


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Mag. Klug zu Wort. – Bitte.

 


20.08.23

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Gerald Klug: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir bei diesem Tagesordnungspunkt über Verkehrspolitik und Europa sprechen, dann möchte ich die Gelegenheit ergreifen, um deutlich zu sagen, dass ich mich sehr freue, dass das Vierte Eisenbahnpaket meines Erachtens in einer Art und Weise über die Bühne gegangen ist, mit der wir in Österreich grundsätzlich sehr zufrieden sein können.

Der Einsatz auf europäischer Ebene hat sich wirklich ausgezahlt. Es hat maßgebliche Eckpunkte gegeben, die uns wichtig waren: in diesem Zusammenhang für unsere Eisenbahn insbesondere natürlich die Aufrechterhaltung des Holdingmodells auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch die grundsätzliche Möglichkeit der Beibe­haltung der Direktvergaben von gemeinwirtschaftlichen Leistungen.

Also in Summe ist das in diesen Bereichen meines Erachtens ein sehr gutes Ergebnis. Das bestätigt auch das erfolgreiche Vertreten österreichischer Interessen auf der euro­päischen Ebene.

Ein Punkt, den ich in diesem Zusammenhang noch ansprechen möchte, ist, dass ich auch sehr froh über die Möglichkeit bin, dass wir in unseren Schieneninfrastruk­tur­pro-


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jekten zusätzliche EU-Zuschüsse bekommen werden. Sie wissen, dass wir große Projekte vorhaben. In diesem Zusammenhang ist meines Erachtens eine kräftige finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen Union nicht nur verkehrspolitisch, sondern auch für den Wirtschafts- und Industriestandort von großer Bedeutung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Punkt ansprechen, mit dem ich auf euro­päischer Ebene noch nicht zufrieden bin. Das ist die Frage der menschlichen Dimension des Verkehrs. Ich glaube, wir sind alle gefordert, dass wir sehr sorgsam darauf achten, dass es insbesondere bei Arbeits-, Sozial- und Entlohnungsbe­din­gungen im Verkehr, beim grenzüberschreitend tätigen Personal zu einheitlichen Aus­legungen kommt. Da gibt es zweifelsohne noch Verbesserungspotenzial, weil gerade in diesem Bereich immer wieder auch Wettbewerbsverzerrungen auf der Tages­ordnung stehen.

Vor dem Hintergrund der Entwicklungen des Vierten Eisenbahnpakets kann ich jedenfalls sagen, dass wir auf unsere ÖBB – wie wir uns in den letzten Jahren entwickelt haben – meines Erachtens zu Recht stolz sein können. Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass Österreich auf seine ÖBB stolz sein kann. Und das hat letztlich auch einen Namen, und zwar jenen des erfolgreichen Vorstandsvorsitzenden Christian Kern. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Vielen Dank für die breite Unterstützung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

20.11


20.11.10Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir dürfen Herrn Bundesminister Stöger recht herzlich im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.12.1924. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vergleichbarkeit von Entgelten für Ver­braucherzahlungskonten, den Wechsel von Verbraucherzahlungskonten und den Zugang zu Verbraucherzahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Ver­braucher­zahlungskontogesetz – VZKG) erlassen wird und das Konsumen­ten­schutzgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1059 d.B. und 1095 d.B. sowie 9579/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


20.12.52

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vergleichbarkeit von Entgelten für Verbraucher­zah­lungs­konten, den Wechsel von Verbraucherzahlungskonten und den Zugang zu Ver­braucherzahlungskonten mit grundlegenden Funktionen erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden.


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Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte. (Allgemeine Heiterkeit.)

 


20.13.40

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Zustimmung aller Fraktionen zu dieser Gesetzesvorlage.

Ich mache es ganz kurz: Mit diesem Gesetz schaffen wir erstmals eine Verpflichtung für alle Menschen, ein Konto zu haben und damit Zugang zu Zahlungsdiensten. Damit haben wir auch die Chance, dass Menschen, die sich sonst schwer tun, Zahlungen durchzuführen, sie kostengünstiger haben.

Ich bedanke mich für Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Die beste Rede des Tages!)

20.14

20.14.10

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.14.5325. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorrang für österreichische Arbeitnehmer (Burgen­län­disches Modell) (219/A(E)-BR/2016 sowie 9584/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


20.15.23

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Entschließungsantrag der Bundes­räte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorrang für öster­reichische Arbeitnehmer (burgenländisches Modell).

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher darf ich gleich zur Antragstellung kom­men.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung am 10. Mai 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem Entschließungsantrag 219/A(E)-BR/2016 keine Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte, dementsprechend in die Debatte einzugehen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 206

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


20.16.04

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich finde das schon interessant, dass gestern in der Ausschuss­sitzung – ich finde es nicht an und für sich interessant, dass die Koalition einem Antrag der Freiheitlichen keine Zustimmung gibt – die beiden burgenländischen Vertreter, die vom Land Burgenland entsandten Bundesräte, auch dagegen gestimmt haben, gegen eine Resolution ihrer eigenen Partei. Das finde ich schon sehr erstaunlich, muss ich sagen.

Sie sind vom Land Burgenland entsandt, eigentlich wären Sie Vertreter Ihres Lan­deshauptmanns. Es ist ja keine … (Bundesrätin Posch-Gruska: Des Landes! – Bun­desrat Schennach: Des Landtages! – Bundesminister Stöger: Des Landtages!) –Sie sind Entsandte des Landes Burgenland, entsandt durch den Landtag. Das ist ja eine Resolution. Das hat ja nicht die rot-blaue Koalition beschlossen, sondern die SPÖ Burgenland.

Auch wenn man als burgenländischer Bundesrat oder burgenländische Bundesrätin nicht so ein Freund der rot-blauen Koalition ist – ich würde sagen, dass nicht jeder mit großer Freude oder mit hundertprozentiger Freude dafür gewesen sein wird –, ist das dennoch Ihre Partei.

Da geht es darum – Landeshauptmann Hans Niessl spricht Klartext –:

„Der Arbeitsmarkt in Österreich ist an einem Scheideweg angelangt. Die Arbeits­losenzahlen sind speziell im letzten Jahr besorgniserregend gestiegen, mit Tendenz nach oben. Um das Gefüge in unserem Sozialstaat nicht zu gefährden, müssen jetzt entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.“

Man hat sich aus diesem Grund den Direktor der Arbeiterkammer, Werner Muhm – ebenfalls Sozialdemokrat –, eingeladen. Da fordert die burgenländische Sozialdemo­kratie die Bundesregierung auf, verschiedene Punkte zur Verbesserung des heimi­schen Arbeitsmarktes umzusetzen.

Und das sagt Niessl:

„Das Burgenland steht – trotz mehrjährigen Beschäftigungsrekorden“ – am Arbeits­markt – „ – im Vergleich mit anderen Bundesländern am meisten unter Druck. Die Tatsache, dass rund eine Million Menschen eine halbe Stunde von der burgen­län­dischen Grenze entfernt leben, zeigt auf, wie sehr der burgenländische Arbeitsmarkt von der Arbeitnehmerfreizügigkeit betroffen ist. Da das durchschnittliche Lohnniveau in diesen Ländern um zwei Drittel niedriger ist als in Österreich, verwundert es nicht, dass Menschen aus der Slowakei, Ungarn und Slowenien auf den österreichischen, im speziellen auf den burgenländischen Arbeitsmarkt drängen. (…) Die Voraussetzungen für einen ausbalancierten gemeinsamen Arbeitsmarkt sind daher noch immer nicht gegeben. Die Entscheidungsgrundlagen haben sich als falsch erwiesen. Daher müs­sen auch die dementsprechenden Beschlüsse geändert werden.“

Das sagt Landeshauptmann Niessl. Daher fordert die SPÖ Burgenland eine neue Schutzklausel:

„In Bereichen, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist, etwa im Bau- und Bauneben­gewerbe, aber auch in anderen noch zu definierenden Branchen“ will er im Konkreten „temporale und sektorale Beschränkung der europaweiten Personenfreizügigkeit“ (Bundesrat Schennach: Das geht nicht!) und fordert „die Bundesregierung auf, Ge-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 207

spräche auf europäischer Ebene zu führen, um eine neue Schutzklausel schnellst­möglich zu erwirken.“ (Bundesrat Schennach: Das geht aber nicht!)

Nichts anderes macht er, als die Bundesregierung aufzufordern, entsprechende Gespräche zu führen.

Des Weiteren drängt er auf eine „Verschärfung der arbeitsrechtlichen Gleichstellung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“.

„Das Prinzip ‚gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort‘ muss lückenlos gelten, natürlich auch unter Einbeziehung aller Sozialversicherungsbeiträge“ – so Landes­hauptmann Niessl. Beispielsweise soll ein ausländischer Arbeitnehmer künftig „für seine nicht in Österreich lebenden Kinder eine geringere Familienbeihilfe beziehen, als für Kinder, die in Österreich leben und aufwachsen.“

Darüber hinaus fordert Niessl – das ist die Forderung an die Bundesregierung –: „Ein­schränkungen im Sozialsystem für ausländische (...) Arbeitnehmer“, verschärfte „Maß­nahmen gegen Lohn- und Sozialdumping“ – da sind Sie ja normalerweise immer dabei, bei den verschärften Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping, also warum da nicht? –, „Aufstockung von Finanzpolizei“, eine „moralische Verantwortung für öster­reichische Unternehmen (...), in erster Linie in Österreich arbeitslos gemeldete Men­schen einzustellen“ und eine „gesellschaftliche Verpflichtung“ der österreichischen Wirtschaft, „für die Lehrausbildung von jungen Menschen zu sorgen“.

Wir haben diese Resolution in die Präambel gepackt, und der Antragstext lautet: „Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz wird ersucht, dem Parlament eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, die jene Punkte im Arbeitsmarkt- und Sozialrecht umsetzt, die im sogenannten Burgenlän­di­schen Modell, auf der Grundlage des dazu beschlossenen SPÖ-Resolutionsantrags beinhaltet sind.“

So, und jetzt bin ich wirklich gespannt, ob Sie es noch einmal ablehnen. Das sind Ihre Genossen, die das fordern (Bundesrat Schennach: Ja, was rechtlich nicht geht!), nicht die FPÖ, obwohl es durchaus von uns geschrieben sein könnte. Es sind Ihre Genossen, die das wollen, und es ist Ihr Landeshauptmann, der das sagt! (Zwischen­rufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Längle.) – So, das ist Ihnen wurscht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ja, in dem Fall stimmt es tatsächlich: Was Kollege Schödinger in Bezug auf Hofer heute gesagt hat, war falsch und unrichtig. Aber bei Ihnen ist es richtig: Was Landeshauptmann Niessl, SPÖ, sagt, ist Ihnen wurscht. (Bundesrat Schennach: Nein, das ist falsch! – Bundesrätin Grimling: Nein, falsch!) – Okay, ich nehme das zur Kenntnis. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sind für diesen Antrag. Wir halten das für eine gute Maßnahme, weil unsere eigenen Arbeitnehmer wirklich unter Druck gekommen sind. Wir haben fast eine halbe Million Arbeitslose. – Das ist uns nicht wurscht. Und daher sind alle Maßnahmen, die dazu dienen können, das zu verbessern, zu unterstützen. Aber es schaut so aus, als ob die Freiheitlichen die Einzigen wären, die so etwas unterstützen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Na, na, na!)

20.22


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


20.22.43

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich wollte mich an und für sich recht kurz halten, aber jetzt hat Frau Kollegin Mühlwerth eins zu eins die Schlitzohrigkeit von Hans-Jörg Jenewein übernommen, der heute nicht da ist und der gerne irgendwo Dinge abkupfert, wenn es


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 208

auch ein Antrag der niederösterreichischen SPÖ ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir greifen das auf, im Gegensatz zu euch! – Zwischenruf des Bundesrates Mario Lindner. Ihr greift genau das auf, ja wunderbar, und bringt dann andere irgendwie in Zugzwang. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.)

Was würde Kollege Hans-Jörg Jenewein dir jetzt sagen, da ich euch jetzt unterbreiten muss, dass der Sozialausschuss des Nationalrates das Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz beschlossen hat? Da geht es um Lohndumping-Bekämpfungsregeln (Bundesrätin Mühlwerth: Na, dann kann das ja kein Problem sein!): Ziel ist die Umsetzung der sogenannten Durchsetzungsrichtlinie und der Ent­sendungsrichtlinie, um Lohn- und Sozialdumping wirksam zu bekämpfen und einen fairen Wettbewerb für die heimischen Unternehmer zu sichern. Das ist eine Grundlage, und damit sind also auch wesentliche Bestandteile der Forderung aus dem Burgenland erfüllt.

Ich darf Minister Alois Stöger dafür danken, dass er das Gesetz auf Schiene gebracht hat und dass das heute im Sozialausschuss des Nationalrates beschlossen wurde. Jetzt würde natürlich Hans-Jörg Jenewein wahrscheinlich sagen: Das hat die FPÖ in Bewegung gebracht! (Bundesrätin Mühlwerth: Na, der Antrag liegt ja schon länger!) – Ja, wunderbar! (Bundesrätin Mühlwerth: Der Antrag liegt ja schon länger!) – Ja, ja, das ist das Problem!

Das also nun zu dem Bereich, der in diesem Gesetz umgesetzt wurde – das passt ja, wie gesagt. Jetzt gibt es aber noch diesen europarechtlichen Bereich, den Kollege Schennach schon kritisiert hat. – Das geht gar nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: … Gespräche zu führen! – Zwischenruf des Bundesrates Samt.) – Nein, es geht einfach darum: Wenn man das Prinzip „Vorrang für Inländer“ herausnähme und das dann auch in anderen Ländern umsetzen würde, dass also immer jedes EU-Land im Prinzip nur seine inländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Schutz umgibt (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth – Bundesrat Samt: Das heißt, … SPÖ ist Blödsinn!), und wenn das auch andere machten, dann wären zum Beispiel Zigtausende Grenzgänger in Oberösterreich oder in Vorarlberg betroffen, die in Deutschland arbeiten, und so weiter, auch die Schweiz ist da assoziiert. Tausende Studenten könnten nicht mehr studieren gehen. Also da heißt es schon aufpassen! (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Quatsch!) – Nein, das ist kein Quatsch. Das ist eine EU-Bestimmung (Bundesrat Krusche: Die SPÖ Burgenland, die macht schon Sachen!), und die Hälfte der öster­reichischen Arbeitsplätze sind auch im Bereich des Exports angesiedelt. Wenn jetzt die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überall eingeschränkt wird und österreichische Exportunternehmen dadurch behindert werden, dann kostet das eben Tausende oder Hunderttausende Arbeitsplätze! (Bundesrätin Mühlwerth: Unglaub­lich!)

Die Personenfreizügigkeit – um die geht es ja dann schlussendlich – ist ein euro­päisches Grundrecht, und das wollt ihr, die Freiheitlichen, nicht anerkennen, weil ihr natürlich immer alles in Frage stellt. (Bundesrätin Mühlwerth: SPÖ Burgenland! SPÖ Burgenland! – Bundesrat Schennach: Ich sage ja, dass sie einen Fehler machen!) Aber die Grundprinzipien der EU sollte auch die Freiheitliche Partei kennen. Das ist doch nicht so schwer, das solltet auch ihr kennen! (Zwischenrufe der Bundesräte Samt und Mühlwerth.) Dadurch ist auch Österreich gegenüber anderen großen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien bevorzugt.

Ich sage jetzt zum Schluss noch einen Satz von Cicero, der nämlich sehr treffend ist (Bundesrat Krusche: Ein Burgenländer!) – kein Burgenländer, nein, kein Burgen­länder –: „Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende.“ (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, und bedenke das Ende!) – Du kennst das.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 209

Dieses Ende, Frau Kollegin Mühlwerth, wollen wir uns alle nicht auf diesem Wege bereiten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

20.26


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nächster Redner: Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


20.26.42

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Minister! Zuerst einmal möchte ich Ihnen ganz herzlich meinen Dank aussprechen, Herr Minister. Wie ich nämlich gerade gelesen habe, haben Sie sich im Ausschuss, im Nationalrat, auch vehement für die Mindestsicherung eingesetzt. Da muss ich Ihnen sagen: Vielen Dank, dass Sie da dranbleiben und auch standhalten! Wirklich, das muss man einmal so sagen! (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ich weiß es, wir haben uns auch mit dem FPÖ-Antrag oder, besser gesagt, mit der Resolution der SPÖ Burgenland auseinandergesetzt.

Ich beginne vielleicht einmal gleich mit den positiven Dingen, die ich in diesem Antrag gelesen habe, das ist einmal ein bisschen etwas anderes. Ja, wir haben auch positive Punkte gefunden, die wir Grüne schon im Nationalrat eingebracht haben – die haben wir dort schon eingebracht (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja nur die Präambel!) –: Das ist zum einen die Forderung bezüglich der Maßnahmen gegen Lohn- und Sozial­dumping. Der Kollege hat schon gesagt, dass das Vergaberecht heute auch im Sozial­ausschuss im Nationalrat besprochen worden ist, und wir sind da absolut dafür! Die Verknüpfung von öffentlicher Beschaffung mit der Bekämpfung von Lohn- und Sozial­dumping ist ganz wesentlich, das könnte noch viel enger gekoppelt werden, das ist sehr wichtig. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.)

Man muss dazu auch wissen, dass 16 bis 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Österreich durch öffentliche Aufträge erwirtschaftet werden. Der zweckmäßige Einsatz von Steuergeldern für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge kann beschäftigungs-, aber auch umweltpolitische Zielsetzungen verfolgen, und das wird unserer Meinung nach noch ein bisschen zu wenig ausgenützt – damit ich auch ein bisschen etwas Negatives sage. (Heiterkeit des Bundesrates Mayer.) Aber es steht ja wie gesagt auch eine zweite Vergabenovelle an, die gerade beschlossen wird, und die soll im Sommer auch ins Parlament kommen, auch im Bundesrat werden wir uns noch damit auseinandersetzen. (Bundesrat Schennach: Mit welchen Stimmen wurde denn das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz im Nationalrat beschlossen, …?) – Wie bitte? (Bundesrat Schennach: Mit welchen Stimmen wurde das Lohn- und Sozial­dumping-Bekämpfungsgesetz beschlossen?) – Das weiß ich jetzt nicht auswendig. (Bundesminister Stöger – drei Finger in die Höhe haltend –: Drei!) – Drei? Okay. (Bundesrat Schennach: Da fehlt aber dann jemand, oje, oje!) – Da fehlt jemand, okay.

Vielleicht gleich nur vorweg zum Sozial- und Lohndumping: Da möchte ich Sie auch gleich aufmerksam machen, Herr Bundesminister, Sie werden auch von meinen KollegInnen gehört haben, dass nicht nur dem Baubereich eine besondere Stellung bei den öffentlichen Vergaben zukommen soll. Der Dienstleistungsbereich, und da vor allem die sozialen Dienstleistungen, der öffentliche Verkehr und auch die Lebensmittel­beschaffung sollen genauso unter das Vergaberecht fallen. Diese Bereiche sind genauso wie die Baubranche der Gefahr von Lohn- und Sozialdumping ausgesetzt. Darauf möchten wir Sie als Minister einfach noch einmal besonders hinweisen.

Eine weitere grüne Forderung, die ich in diesem Antrag gefunden habe, ist die Auf­stockung der Finanzpolizei und Finanzprüfer. Diesbezüglich haben wir erst Ende Februar einen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht, und dieser wurde


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 210

ebenfalls heute Vormittag im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Nationalrat behandelt, also wir sind da schon dran.

Ein Punkt, der da behandelt und erwähnt wird und der mir auch persönlich am Herzen liegt, ist die Lehrlingsausbildung. Ich halte es auch für einen guten Ansatz, das zu erwäh­nen – das ist klar, ist ja auch ein SPÖ-Antrag –, ich halte das für wichtig. Es braucht da ein Gesamtpaket, um die Lehre auch attraktiver zu machen, die Betriebe zu motivieren, aber auch die Lehrlinge. Das nehme ich auch gleich als Anlass, Sie diesbezüglich wieder einmal ein bisschen zu motivieren.

Wir haben in Oberösterreich, Tirol und Salzburg andere Bedürfnisse als die anderen Bundesländer. Im Unterschied zu den restlichen Bundesländern gibt es in Ober­österreich, in Tirol und in Salzburg mehr motivierte Betriebe, die Lehrlinge aufnehmen möchten. (Bundesrätin Zwazl: Hallo, hallo, Niederösterreich ist in der Lehrlings­ausbildung führend!) – Ja, es gibt dort viele Lehrlinge, aber wir haben zu wenige Lehrlinge, wir suchen Lehrlinge bei uns in den Betrieben. Das heißt, die Lehre muss auch attraktiv gemacht werden. (Zwischenrufe der Bundesräte Zwazl und Mayer.) – Okay, schön, dass da Niederösterreich auch dabei ist, danke.

Also: Wir brauchen ein Gesamtpaket, und wir Grüne sind sehr gerne gesprächsbereit. (Zwischenruf des Bundesrates Längle.) – Bitte? (Bundesrat Längle: Jetzt kommt …!) – Nein, jetzt komme ich zu den restlichen Sachen im Entschließungsantrag, und zwar sind diese meiner Ansicht nach eine Anhäufung von Schutzforderungen, die auf der Abschottung von Österreich beruhen, nichts anderes.

Da werden immer wieder konsequent Personenfreizügigkeit und die Entsendung miteinander verwechselt. So wird auch als einzige Regelungsmöglichkeit die Abschot-tung des Arbeitsmarktes gegenüber NichtösterreicherInnen genannt.

Dieser Antrag zeigt, dass die Arbeitsmarktpolitik großteils auf Bundesebene stattfindet. Es braucht aber de facto eine Verstärkung der europäischen Arbeitsmarktpolitik, um dieses Problem auch zu lösen.

Ich möchte noch auf einige Punkte eingehen, die wir nicht so positiv finden: So würde zum Beispiel die Forderung 1 klar gegen das geltende EU-Recht verstoßen; dabei geht es um eine temporale und sektorale Beschränkung der europaweiten Personen­freizügigkeit. Der Kollege hat es ja schon gesagt: Das ist eine der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Es ist klar, dass das der FPÖ – EU-Austritt und so weiter – wieder gefällt. (Bundesrat Krusche: Das ist ein SPÖ-Antrag! – Bundesrat Schennach: Ihr seid ja so fasziniert …!)

Punkt 3: Das ist eine Einschränkung des Sozialsystems für ausländische Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer, das ist für uns europapolitisch sehr bedenklich. Diese Ein­schränkung der Familienbeihilfe bedeutet nichts anderes als das Kappen der zarten Anfänge der Sozialunion. Eines vielleicht (in Richtung SPÖ): Ich muss diese Kritik ja nicht nur an die FPÖ richten, ich kann die Kritik auch genauso an die SPÖ Burgenland richten, wenn es ihr Antrag ist. (Bundesrat Schennach: Wo ist sie?) Bitte das auch zur Kenntnis zu nehmen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler| (das Glockenzeichen gebend): Könnte man dem Kollegen die Chance geben, dass man ihn hört?

 


Bundesrat David Stögmüller (fortsetzend): Vielleicht noch zu Punkt 6, abschließend: Unternehmen sollen nur mehr ÖsterreicherInnen einstellen. Wie gehabt: Das ist gesetzlich für EU-BürgerInnen so nicht zu regeln, und für Beschäftigte aus Drittstaaten ist es ohnehin schwer, überhaupt auf den österreichischen Arbeitsmarkt zu kommen.


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 211

Wir werden also diesem Antrag heute nicht zustimmen, zum einen, weil bei einigen Punkten bereits Forderungen im Parlament eingebracht wurden, und zum anderen, weil einige Punkte in diesem Antrag europafeindlich und rechtlich bedenklich sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

20.33


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile ihm dieses. (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.) – Kollegen, bitte!

 


20.33.20

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prinzipiell sollte ich mich als Sozialdemokrat sehr freuen, wenn eine Resolution eines Landesparteivorstandes von den Freiheitlichen oder von einer anderen Partei übernommen wird und dazu dann ein Antrag gestellt wird.

Egal, was jetzt beschlossen wurde: Prinzipiell sorgt sich unser Sozial- und Arbeits­minister um den Arbeitsmarkt, und es gibt, wie wir ja bereits sowohl von Kollegen Mayer und von dem Kollegen von den Grünen als auch von unserem Bundesminister gehört haben, einen beschlossenen Antrag zum Lohn- und Sozialdumping, und es gibt eine Weiterbehandlung der Aufstockung der Finanzpolizei, das heißt, es gibt also die Möglichkeit, auch diese Dinge bestens zu überwachen.

Es muss nicht immer alles klug sein, was eine Teilorganisation beschließt. In der Resolution sind viele Punkte enthalten, mit denen auch ich nicht einverstanden bin, weil sie – Kollege Stögmüller hat das klar und deutlich angesprochen – einfach ge­setzeswidrig sind, was die vier Grundfreiheiten der Europäischen Union betrifft. (Bun­desrätin Mühlwerth: „Gespräche führen“ steht drinnen!)

Grundsätzlich meine ich ganz einfach, auch in Bezug auf dieses Bundesland: Das Burgenland war jenes Bundesland, das Ziel-1-Gebiet war, und hat auch etwas daraus gemacht, hat mithilfe der Europäischen Union, mithilfe der Gelder der Europäischen Union ein blühendes Land geschaffen. Da frage ich mich: Das Gute nimmt man, und dann, wenn es einmal Schwierigkeiten gibt, wendet man sich ab und fordert etwas, das andere Leute diskriminiert? – So kann es nicht gehen, und ich bin auch gerne bereit, das mit den Burgenländern zu besprechen. Das ist meine Position dazu.

Natürlich gibt es diesbezüglich genügend Positionen, und Sie kennen auch die media­len Auseinandersetzungen, die es bei uns gibt. Trotz alledem ist jetzt, gerade was das betrifft, was die Intention ist – nämlich den Arbeitsmarkt wieder zu beleben und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen –, viel auf den Weg gebracht worden.

Wir werden die Gelegenheit haben, das dann bei der Bundesratssitzung Anfang Juni – davon gehe ich aus –, wenn das im Nationalrat entsprechend beschlossen worden ist, auch hier zu beschließen. Da haben wir neuerlich die Gelegenheit, darüber zu reden, welche Maßnahmen zur Förderung des Arbeitsmarkts in Österreich dadurch beschlos­sen werden. Meiner Ansicht nach ist dieser Antrag, nachdem das alles geschehen ist, obsolet – dies umso mehr, als sich darin viele Punkte finden, die in Wirklichkeit ganz einfach nicht in Ordnung sind. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.36


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


20.36.57

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mir ist es ein Anliegen, hier zum Thema


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 212

Beschäftigung und Beschäftigungspolitik beziehungsweise Arbeitsmarktpolitik ganz klar Stellung zu nehmen. Es ist tatsächlich so, dass die Arbeitsmarktpolitik in ganz Europa – und natürlich auch in Österreich – eine wirkliche Herausforderung darstellt. Da braucht es gute Antworten, da braucht es auch Kreativität, und da braucht es eine Politik, die das Ziel hat, Arbeitslosigkeit zu verhindern und Beschäftigung zu stärken. Arbeitsmarktpolitik kann dabei nicht der einzige Bereich sein, sondern da braucht es eine gesamte Wirtschaftspolitik, welche die Arbeitsmarktpolitik in vielen Bereichen unterstützt.

Ich kann Ihnen sagen: Der österreichische Arbeitsmarkt wird laufend unterschätzt. Wir haben seit 2010 mehr als 220 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, aber das Arbeitskräfteangebot wächst stärker, dieses ist nämlich um 330 000 gestiegen. Wir haben die Beschäftigungsquote in Österreich erhöht, und wir haben Maßnahmen gesetzt, damit Investitionen auch greifen können.

Wir haben in Europa das grundsätzliche Problem einer Investitionsbremse, und diese muss gelöst werden. Wir brauchen wieder Investitionen, insbesondere auch in die große Infrastruktur. Ich bin hier hereingekommen, als mein Kollege Gerald Klug gerade darüber berichtet hat, wie man zum Beispiel auch in der Verkehrspolitik Investitionen gesetzt hat.

Das braucht es auch in Europa, und es ist uns – dieser Bundesregierung – gelungen, gerade im Bereich der großen staatlichen Investitionen bis zum Jahr 2021 25 Milliar­den € auf die Beine zu stellen und das auch umzusetzen.

Ich teile die Auffassung des Herrn Landeshauptmannes des Burgenlandes Hans Niessl, die er auch im Interview sehr deutlich formuliert hat: Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort umsetzen. Und wir haben heute mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz versucht, diesem Ziel einen Schritt näherzu­kommen. Wir haben es auch geschafft, dass die zuständige Kommissarin der Euro­päischen Union das zu ihrem Prinzip erhoben hat.

Da hat es im Vergleich zu ihrem Vorgänger auch eine Änderung gegeben, es erfolgt da ein wichtiger Schritt, und das ist mir sehr wichtig. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Ich darf mich bei Bundesrat Stögmüller für seine Worte des Dankes bedanken. Ich glaube, die Diskussion über das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist eine wichtige Auseinandersetzung. Wir werden noch viel gemeinsam tun müssen, um es auch umzusetzen, aber wir haben in Österreich eine der härtesten gesetzlichen Rege­lungen geschaffen, und wir haben auch sichergestellt, dass es Kontrollen gibt; auch das ist wichtig.

Wir werden dem Parlament auch jährlich mitteilen, wie wir kontrollieren, aber wir kontrollieren nicht jeden, sondern wir haben heute im Ausschuss vereinbart, dies risikobasiert zu tun. In jenen Branchen, in denen das Risiko höher ist, werden wir mehr prüfen. Wir wollen nämlich keine Überkontrolle, sondern wir wollen kontrollieren, damit die Bedingungen auch eingehalten werden.

Was mich besonders freut, Frau Präsidentin Zwazl, ist Ihr Zwischenruf. Es ist sehr gut, wenn man einmahnt: Ja, in meinem Bundesland tut man auch viel für Lehrlinge. – Danke dafür! Vielleicht ist es auch wichtig, die Lehrlingsausbildung insgesamt zu stärken.

Wir wissen – ich sage das ganz bewusst –, dass jeder Jugendliche, der über die Schul­ausbildung hinaus keinen Beruf gelernt hat, eine 50-prozentige Chance hat, arbeitslos zu werden. Wenn wir diesen Menschen eine Ausbildung ermöglichen, dann sind das


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 213

die richtigen Maßnahmen, und das wollen wir in den nächsten Wochen mit dem Aus­bildungspflichtgesetz möglich machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch Folgen­des sagen: Als ich selbst das erste Mal ins Ausland gefahren bin, war ich Lehrling. Mit siebzehn Jahren habe ich meine erste Urlaubsreise angetreten, und wisst ihr, wo ich gestanden bin? – Zwei Stunden im Stau in Spielfeld! Ich habe mich sehr geärgert, aber es hat dazugehört.

Als ich meine erste Reise nach Ungarn angetreten bin, habe ich viele Grenzzäune gesehen und auch Maschinenpistolen und was weiß ich alles erlebt. Obwohl ich nur 30 Kilometer von der tschechoslowakischen Grenze entfernt aufgewachsen bin, habe ich diese Grenze nie überschritten, weil sie in Europa so scharf war, dass man nicht rübergekommen ist.

Es ist ein Riesenerfolg, dass die Europäische Union die Menschen einander näher­bringt. Als Bundesminister sage ich ganz deutlich: Ich habe einen Auftrag bekommen. Ich habe von den Österreicherinnen und Österreichern einen Auftrag bekommen, denn sie haben bei einer Volksabstimmung ganz deutlich gesagt: Wir wollen dieses geeinte Europa haben!, und sie haben diese Grundfreiheiten alle gekannt. Alle, die abgestimmt haben, haben gewusst, dass wir diese Freiheiten brauchen, dass wir mit diesen Freiheiten auch sorgsam umgehen müssen und – das sage ich auch, und ich werde mich auch dafür einsetzen – dass wir diese Freiheiten nur dann erreichen und erhalten können, wenn wir auch in der Sozialpolitik gemeinsame europäische Regeln schaffen.

Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz lassen wir wenigstens jene Gruppen, die das ausnützen wollen, in Österreich nicht zu. Wir brauchen eine sozialpolitische Diskussion in der Europäischen Union, ohne Vorbehalte, aber dass man einzelne Gruppen ausschließt, tut unserer Wirtschaft nicht gut, tut der euro­päischen Wirtschaft nicht gut, und ich bitte, auch mitzubedenken, dass es viele Menschen in Österreich gibt, die täglich eine Grenze überschreiten. Ich brauche mir nur die Grenzgänger in meinem Bundesland Oberösterreich anzusehen. Ich brauche mir nur anzusehen, wie viele Österreicher Studien in anderen Ländern absolvieren.

Mir ist es wichtig, eine viel offenere Gesellschaft zu haben, aber trotzdem die Sozial­politik, die Arbeitsmarktpolitik im Auge zu haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.44

 

20.44.10

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Stimmenmehrheit beschlossen hat, dem Antrag keine Zustimmung zu erteilen, ersuche ich jene Bun­desrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Annahme des gegenständlichen Antrages keine Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Antrages ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.45.30 Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesord-


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 214

nungs­punkte 5 und 6 über die Beschlüsse des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005 und weitere Gesetze geändert werden, und betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden, zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussfassung ermöglicht werden.

Ich werde so vorgehen und verlese den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls.

„TO-Punkt 5: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (996 d.B. und 1097 d.B. sowie 9555/BR d.B. und 9575/BR d.B.).

TO-Punkt 6: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (1531/A und 1098 d.B. sowie 9576/BR d.B.).

Es liegt zu Tagesordnungspunkt 5 ein ausreichend unterstütztes Verlangen auf Durch­führung einer namentlichen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 3 GO-BR vor (Beilage V/1).

Die Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen bringen zu Tagesord­nungspunkt 5 den Entschließungsantrag Beilage 5/1 EA ein.

Abstimmungen:

Zu TO-Punkt 5: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird in namentlicher Abstimmung bei 57 abgegebenen Stimmen davon 37 Ja-Stimmen und 20 Nein-Stimmen angenommen.

Sitzungsunterbrechung zur Stimmenauszählung von 15.24 Uhr bis 15.25 Uhr.

Der Entschließungsantrag Beilage 5/1 EA wird abgelehnt.

Zu TO-Punkt 6: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird ange­nommen (mit Stimmenmehrheit).

Es liegt ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates gemäß § 64 Abs. 2 GO-BR vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 5 und 6 zu verlesen (Beilage B).“

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Erheben sich gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Proto­kolls Einwände? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsord­nung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

20.48.30 Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 3141/J-BR bis 3149/J-BR, eingebracht wurden.

Eingelangt ist die Petition 33/PET-BR/2016, überreicht vom Bundesrat Arnd Meißl, betreffend Schließung der Sonderbetreuungsstelle Steiermark für Asylwerber in


BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 215

Spital/Semmering (Ortsteil Steinhaus), die dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zugewiesen wurde.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 2. Juni 2016, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unter­liegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 31. Mai 2016, 14 Uhr, vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.50.06Schluss der Sitzung: 20.50 Uhr

 

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