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855. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 30. Juni 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

855. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 30. Juni 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 30. Juni 2016: 9.02 – 19.27 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2015

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Gewährung eines Bonus für Väter während der Familienzeit (Familienzeitbonusgesetz – FamZeitbG) erlassen wird sowie das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversiche­rungs­gesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuer­gesetz 1988 und das Allgemeine Pensionsgesetz geändert werden

5. Punkt: EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2016

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird

7. Punkt: ORF-Jahresbericht 2015 gemäß § 7 ORF-Gesetz

8. Punkt: Datenschutzbericht 2015

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Signatur- und Vertrauensdienstegesetz erlassen wird und das E-Government-Gesetz, das Außerstreitgesetz, das Bankwesengesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Bun­des­verwaltungsgerichtsgesetz, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, das Gerichts­organi­sationsgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, die Gewerbeordnung 1994, das KommAustria-Gesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Teilzeitnutzungsgesetz 2011, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Versiche­rungsvertragsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Wirtschaftskam­mergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993 und das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz,


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 2

das Schulunterrichtsgesetz, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 9/2012, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2015, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbe­reitungslehrgänge, das Hochschulgesetz 2005, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pri­vatschulgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Bundes-Schulaufsichtsge­setz, das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen, das Unter­richts­praktikumsgesetz, das Lehrbeauftragtengesetz und das Forstgesetz 1975 geändert werden (Schulrechtsänderungsgesetz 2016)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vereinfachung der Verfahren zur Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse und Berufsqualifikationen (Anerkennungs- und Bewertungsgesetz – AuBG) erlassen und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (UNIDO) und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO)

14. Punkt: Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei ande­rer­seits

15. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Kosovo zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

16. Punkt: Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2016 bis 2018

17. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2016

*****

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache des Präsidenten Josef Saller ..................................................... 10

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit dem Fürsten­tum Liechtenstein zum Abschluss eines zweiten Protokolls zur Abän­derung des am 7. Dezember 1970 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971 ................................................... 39

Schreiben des Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Einberufung der Bundesversammlung für den 8. Juli 2016 .............................................................................................................. 41

Schreiben des Bundeskanzlers Mag. Christian Kern betreffend Einberufung der Bundesversammlung für den 8. Juli 2016 ..................................................................................................................... 43


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 3

Einwendungen der Bundesrätin Monika Mühlwerth gegen die Tagesordnung gemäß § 39 Abs. 4 GO-BR in Verbindung mit § 41 Abs. 3 GO-BR betreffend Absetzung der Tagesordnungspunkte 10 und 11 von der Tagesordnung ................................................................................................................. 48

Wortmeldungen aufgrund der Einwendungen:

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 48

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 49

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 49

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 50

Einwendungen finden keine Mehrheit ...................................................................... ..... 50

17. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2016 ........................................................................................................... 175

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Josef Saller ........................................................................................... 177

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 177

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (44.)

Thema: „Aufschwung Standort Österreich“ ............................................................ 13

Redner/Rednerinnen:

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 13

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ..... 16

Mag., BA Reinhard Pisec ....................................................................................... ..... 18

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 22

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................  24, 35

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 28

Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 29

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 31

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 32

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 33

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Mag. Christian Kern betreffend Enthebung des Bundesministers ohne Portefeuille Mag. Thomas Drozda vom Amte sowie Ernennung von Herrn Mag. Thomas Drozda zum Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien durch den Bundespräsidenten        ............................................................................................................................... 38

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 47

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 48

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 48

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (1122 d.B. und 1153 d.B. sowie 9596/BR d.B.)                    50

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ......................................................................... 51

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 51

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 53

Mag. Michael Raml .................................................................................................. ..... 54

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 54

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. ..... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 57

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (1115 d.B. und 1173 d.B. sowie 9597/BR d.B.) .........              57

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 57

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 58

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 59

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 60

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 61

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. ..... 62

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 62

3. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2015 (III-589-BR/2016 d.B. sowie 9598/BR d.B.) ................................................................................ 62

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 62

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler .....................................................................................................  62, 81

Christian Poglitsch ...............................................................................................  66, 82

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 68

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 70

Bundesminister Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner .................................... ..... 72

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 74

Dr. Andreas Köll ........................................................................................................... 77

Hubert Koller, MA ................................................................................................... ..... 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-589-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu neh


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 5

men         ............................................................................................................................... 83

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Gesetz über die Gewährung eines Bonus für Väter während der Familienzeit (Familienzeitbonusgesetz – FamZeitbG) erlassen wird sowie das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungs­gesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeits­losen­versicherungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkom­men­­steuergesetz 1988 und das Allgemeine Pensionsgesetz geändert werden (1110 d.B. und 1154 d.B. sowie 9599/BR d.B.) ...................................................................................... 83

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 83

Redner/Rednerinnen:

Rosa Ecker .............................................................................................................. ..... 84

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 85

Mag. Nicole Schreyer ..........................................................................................  88, 103

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 89

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 91

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin .................................................. ..... 93

Sandra Kern ............................................................................................................ ..... 94

Inge Posch-Gruska .............................................................................................  95, 102

Bundesrat Gottfried Kneifel .................................................................................. ..... 97

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 100

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 103

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 104

5. Punkt: EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2016 (III-580-BR/2016 d.B. sowie 9600/BR d.B.) ............................................................................................................... 104

Berichterstatterin: Marianne Hackl .............................................................................. 104

Redner/Rednerinnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 105

Ing. Andreas Pum ................................................................................................... ... 106

David Stögmüller .................................................................................................... ... 109

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ... 110

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-580-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 113

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1705/A und 1183 d.B. sowie 9606/BR d.B.)                         113

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................. 113

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 114

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 115

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 116

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 117

Bundesminister Mag. Thomas Drozda ................................................................. ... 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 119

7. Punkt: ORF-Jahresbericht 2015 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-585-BR/2016 d.B. sowie 9608/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 119

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ....................................................................... 119

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michael Raml ..................................................................................................... 119

Stefan Schennach .............................................................................................  123, 130

Sandra Kern ............................................................................................................ ... 126


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 6

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 127

Bundesminister Mag. Thomas Drozda ................................................................. ... 128

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 129

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Michael Raml, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Einkünfte von ORF-Mitarbeitern, die Nach­richten-/Informations-/Wirtschafts-Formate mediengattungsunabhängig gestalten und/oder moderieren – Ablehnung .........  122, 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-585-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 131

8. Punkt: Datenschutzbericht 2015 (III-587-BR/2016 d.B. sowie 9609/BR d.B.) ....... 131

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................. 131

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 132

Dr. Andreas Köll ......................................................................................................... 133

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 134

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 135

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-587-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 136

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Signatur- und Vertrauensdienstegesetz erlassen wird und das E-Government-Gesetz, das Außerstreitgesetz, das Bankwesengesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, die Gewer­be­ordnung 1994, das KommAustria-Gesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsan­walts­ordnung, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Studienför­de­rungsgesetz 1992, das Teilzeitnutzungsgesetz 2011, das Versicherungsauf­sichts­gesetz 2016, das Versicherungsvertragsgesetz, das Verwaltungsgerichts­hof­gesetz 1985, das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhand­berufsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993 und das Ziviltechnikerkammer­ge­setz 1993 geändert werden (1145 d.B. und 1184 d.B. sowie 9594/BR d.B. und 9607/BR d.B.)                   136

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................. 137

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 137

Staatssekretärin Mag. Muna Duzdar .................................................................... ... 138

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 139

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 140

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 141

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 142

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaft­liche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 9/2012, das Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 7

gesetz BGBl. I Nr. 38/2015, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Hochschulgesetz 2005, das Schulpflicht­gesetz 1985, das Privatschulgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogi­sche Hochschulen, das Unterrichtspraktikumsgesetz, das Lehrbeauftragtengesetz und das Forstgesetz 1975 geändert werden (Schulrechtsänderungsgesetz 2016) (1146 d.B., 1387/A(E) und 1167 d.B. sowie 9595/BR d.B. und 9610/BR d.B.) ............................................................................................................... 142

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 143

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten geändert wird (1168 d.B. sowie 9611/BR d.B.) ............................................................ 142

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 143

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 143

Bundesminister Mag. Thomas Drozda ................................................................. ... 146

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 147

Rosa Ecker .............................................................................................................. ... 148

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 150

David Stögmüller .................................................................................................... ... 152

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 156

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 156

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vereinfachung der Verfahren zur Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse und Berufs­qua­lifikationen (Anerkennungs- und Bewertungsgesetz – AuBG) erlassen und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird (1084 d.B. und 1160 d.B. sowie 9601/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 156

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 156

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Abkom­men zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen, der Interna­tionalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (UNIDO) und der Vorbereitenden Kommis­sion für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nukle­ar­versuchen (CTBTO) (1112 d.B. und 1162 d.B. sowie 9602/BR d.B.) ........................................................... 156

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 156

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 157

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 158

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 160

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ... 161

Christoph Längle .................................................................................................... ... 163

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ... 164


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 165

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 166

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Rahmen­abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei andererseits (1085 d.B. und 1161 d.B. sowie 9603/BR d.B.) ....................................... 166

Berichterstatter: Gerhard Schödinger ....................................................................... 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................... 166

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Kosovo zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1148 d.B. und 1163 d.B. sowie 9604/BR d.B.)                     166

Berichterstatter: Gerhard Schödinger ....................................................................... 167

Redner/Rednerinnen:

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ... 167

Christoph Längle .................................................................................................... ... 167

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 168

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 168

16. Punkt: Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2016 bis 2018 (III-584-BR/2016 d.B. sowie 9605/BR d.B.) ..................................................................................................... 168

Berichterstatter: Gerhard Schödinger ....................................................................... 168

Redner/Rednerinnen:

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 169

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................................  170, 175

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 171

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 173

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-584-BR/2016 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 175

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufenthaltstitel des mutmaßlichen Doppelmörders Rafet R. (3154/J-BR/2016)


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 9

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld Schulen des BFI Wien/Margaretenstraße 65 (3155/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld Berufsschule für Verwaltungsberufe, Embel­gasse 46, Wien Margareten (3156/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld Volksschule Gassergasse 46/Wien Margareten (3157/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld Realgymnasium Reinprechtsdorfer­straße 24/Wien Margareten (3158/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld Realgymnasium Rainergasse 39/Wien Marga­reten (3159/J-BR/2016)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld Volksschule Am Hundsturm 18/Wien Margareten (3160/J-BR/2016)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sanierung des Bahnhofs Kapfenberg (3161/J-BR/2016)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Sicherheitslage in den österreichischen Spitälern und Pflegeeinrichtungen (3162/J-BR/2016)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die rechtsextreme Bewegung „Graue Wölfe“ (2911/AB-BR/2016 zu 3141/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Klaus Fürlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erwähnung von ATTAC-Mitglied Christian Felber in einem Schulbuch (2912/AB-BR/2016 zu 3142/J-BR/2016)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Michael Raml, Kolleginnen und Kollegen betreffend verbotenen Import von Edelmetallen und Kulturgütern (2913/AB-BR/2016 zu 3144/J-BR/2016)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen betreffend Asylheim in der Nordberggasse 8 in Andritz (Bezirk Graz Umgebung) (2914/AB-BR/2016 zu 3143/J-BR/2016)

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 10

09.02.25Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Josef Saller: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die 855. Sitzung des Bundesrates.

Ich begrüße alle Bundesrätinnen und Bundesräte und auch die Zuhörer und Zuhö­rerinnen zu Hause vor den Bildschirmen. Besonders begrüße ich Herrn Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 854. Sitzung des Bundesrates vom 2. Juni 2016 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind heute die Mitglieder des Bundesrates Renate Anderl, Wolfgang Beer, Hans-Jörg Jenewein, Peter Samt und Reinhard Todt.

09.03.18Schlussansprache des Präsidenten

 


9.03.20

Präsident Josef Saller: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesrätinnen und Bundesräte! Herr Vizekanzler! Werte Zuseher und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! In herausfordernden Zeiten mit allgegenwärtigen Gefahren wie dem internationalen Terrorismus, mit globalen Hunger- und Versorgungskrisen und mit zahlreichen Regionen und Ländern an den Grenzen Europas, in denen kriegerische Konflikte und Auseinandersetzungen zu Leid, Verfolgung und Flucht führen, muss es das vorrangige und primäre Ziel der Politiker aller Länder sein, gegen Hass, Rassis­mus und Gewalt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln vorzugehen.

Egoismus muss der Solidarität, politische Alleingänge müssen dem Dialog und All­machts­fantasien müssen Visionen einer funktionierenden internationalen Gemeinschaft weichen.

Unsere Rolle als starkes und unabhängiges Österreich war und ist es, den inter­nationalen Dialog diplomatisch voranzutreiben. Damit Österreich aber ein starkes, freies und zukunftsfittes Land bleibt, das wir an unsere Folgegenerationen guten Gewissens übergeben können, müssen auch wir mit gutem Beispiel vorangehen.

Das heißt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir Politik zu einem gene­ra­tionenübergreifenden Prozess zur gemeinsamen Gestaltung unseres Landes machen müssen. Um die Zukunft gestalten zu können, muss aber auch jene Ge­ne­ration am politischen und gesellschaftlichen Diskurs und an der Willensbildung teilha­ben und mitwirken können, die unsere Zukunft ist. Um das dauerhaft und nachhaltig zu gewährleisten, brauchen wir die nötigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, und die liegen in einem durchlässigen und modernen Bildungssystem für alle Gene­rationen und alle sozialen Gruppierungen.

Wir brauchen ein zeitgemäßes Bildungssystem, um unsere Kinder, Jugendlichen sowie Bürgerinnen und Bürger auf die Zukunft entsprechend vorzubereiten. Und dazu müs­sen wir das Joch alter und verstaubter Ideologien von den Schultern unseres Bildungs­systems nehmen. Die Anforderungen an ein modernes Bildungssystem sind, dass jede Österreicherin und jeder Österreicher jederzeit die Kompetenzen und sein Wissen ausbauen und bestmöglich einsetzen können muss. Denn die Stärke einer Gesell­schaft erwächst aus der Stärke der einzelnen Individuen und ihrer Möglichkeiten, sich einzubringen. Nur wenn uns das gelingt, haben wir auch künftig ein wirtschaftlich starkes Österreich.

Es freut mich daher, dass es mir in meiner Amtsperiode mit Ihnen, mit euch, sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, gelungen ist, die Arbeit meiner Vorgänger


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erfolgreich weiterzuführen. Gemeinsam haben wir den Bundesrat zu einer Denk­werkstätte der Bildungspolitik gemacht. Dabei ist es wichtig, alle Menschen in den Bildungsprozess mit einzubinden. Bildung endet nicht mit 40, mit 50 oder mit 60 Jahren, sondern Bildung sollte lebensbegleitend sein und eigentlich bis zur letzten Stunde gehen.

Das österreichische Parlament hat dazu die Demokratiewerkstatt und das Jugend­parlament ins Leben gerufen und den Kindern und Jugendlichen damit einen Blick hinter die Kulissen der österreichischen Innenpolitik ermöglicht. Mit dem Seniorenparla­ment ist es uns gemeinsam gelungen, dieses Politikverständnis auch der Generation der Seniorinnen und Senioren nahezubringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Wir haben also eine breite Palette an Möglichkeiten geschaffen, um die österreichische Innenpolitik greifbar, erlebbar und bürgernah zu machen. Denn letzten Endes ist es ein wesentlicher Aspekt der Bildung und der Allgemeinbildung, das politische System und seine Funktionalität zu verstehen und Politikverständnis zu entwickeln. Nur so ist es möglich, sich am Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen.

Aber Bildung ist mehr als nur Vermittlung und Förderung von Politikverständnis. Bil­dung fördert das Verständnis füreinander, ermöglicht Respekt und Toleranz. Daran müssen wir auch weiterhin arbeiten, denn das sind die elementaren Werte, die ein friedliches und demokratisches Österreich ermöglichen.

Die Digitalisierung, die Kollege Kneifel so gut eingeleitet hat, ermöglicht es uns, alle Menschen in Österreich einzuladen und mitzunehmen, davor müssen wir jedoch alle Menschen in die digitale Zukunft mitnehmen. Die Medienpädagogik ist gefordert, Modelle zu entwickeln, und wir werden gefordert sein, diese rasch umzusetzen, denn für die Bildung, sehr geehrte Damen und Herren, bietet die Digitalisierung so viele Chancen, die wir nicht ungenützt lassen dürfen.

Wir als Bundesrat haben es in den vergangenen Jahren erfolgreich geschafft, das Bindeglied zwischen der Europäischen Union, dem Parlament und den Regionen zu sein. Ich denke an den ausgezeichneten EU-Ausschuss, der in Europa echt anerkannt und geschätzt wird.

Wir haben es geschafft, auch die digitale Welt in unsere Arbeit zu integrieren und mitzugestalten. Damit wird der Bundesrat zunehmend zu einem Bindeglied der öster­reichischen Regionen mit der ganzen Welt.

So habe ich und haben wir gemeinsam in Gesprächen mit vielen Delegationen aus Russland, von Osten bis Westen, vereinbart, die gemeinsame Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. In vielen bilateralen Gesprächen mit vielen Botschaftern ist es mir gelun­gen, diese entsprechend zu vertiefen. Denn von einer internationalen Ausrichtung unse­rer Unternehmen profitieren die Menschen, die Wirtschaft und nicht zuletzt der gesamte Standort Österreich. Allein in Russland gibt es zum Beispiel 500 Niederlas­sungen österreichischer Betriebe.

In Kanada, wo ich ebenfalls war, haben wir die Firma Palfinger besucht, einen Vor­zeigebetrieb – die Zentrale ist in Salzburg –, der beispielgebend für die gute Zusam­menarbeit auf verschiedenen Ebenen ist. Ich habe dort auch die Speakers getroffen, vergleichbar bei uns mit den Präsidenten des Nationalrates und des Bun­des­rates, und wir haben viele Gespräche über die gemeinsame Zusammenarbeit geführt. Wir haben aber mit unseren Kollegen nicht nur Möglichkeiten erörtert, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu vertiefen, uns war es auch wichtig, den Studenten- und Schü­leraustausch weiter zu fördern und auszubauen und auf der Bildungsebene Wege der Zusammenarbeit zu finden.


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Die Bildungsgespräche mit Mitgliedern der Kongregation für das katholische Vorfeld haben mich besonders beeindruckt. Wir haben ja hier Bildungsgespräche geführt. Ich hatte einen offiziellen Besuch im Vatikan und habe dort mit dem Heiligen Vater, mit dem Papst gesprochen, das war etwas besonders Beeindruckendes. Und in diesen Gesprächen ging es auch um lebenslanges Lernen.

Wir müssen also Brücken bauen und die Grenzen in unseren Köpfen abbauen. Und beginnen sollten wir bei unseren Nachbarländern. Wir müssen Verkehrswege ausbauen; das habe ich beim Grenzlandtreffen in Slavonice in Tschechien besonders betont. Wir müssen zum Beispiel die Städte Wien und Brünn sowie Linz und Prag besser vernetzen.

Der besonders wichtige Austausch ist auf allen Ebenen zu fördern, denn eines muss allen Politikern weltweit klar sein: Nur der kulturelle und wirtschaftliche Austausch auf allen Ebenen, in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft und in allen anderen Bereichen, schafft Verständnis füreinander, und das ist besonders wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das österreichische Parlament zeigt, wie lebendig Österreich als internationaler Ort des Dialogs und der diplomatischen Ge­spräche sowie als Demokratie ist, und darauf können wir alle gemeinsam stolz sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten von FPÖ und Grünen.)

Zum Abschluss will ich Ihnen, sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, sehr herzlich dafür danken, dass ich dieser Länderkammer ein halbes Jahr vorsitzen durfte. Man darf ja nicht vergessen, ich bin von allen 61 Bundesräten der längstdienende, das ist also schon ein bissel ein Hammer. (Beifall und Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Bedanken möchte ich mich ganz speziell bei Frau Bundesratsdirektorin Dr. Bachmann und bei Frau Dr. Alsch-Harant, die gerade nicht da ist, und dem gesamten Bundes­ratsdienst für die tatkräftige Unterstützung. Persönlich kann man nur so stark sein, wie das Team ist, sonst geht das nicht, das ist so. Aber ich möchte auch Frau Dr. Brenner vom Internationalen Dienst und allen, die in irgendeiner Form mitgeholfen haben, dass ich meine Aufgaben so gut bewältigen konnte, herzlich danken.

Wir haben einen schönen Salzburg-Abend gehabt mit sehr vielen Leuten, über 550 waren da. Wir haben auch eine schöne Vernissage gehabt, bei der Frau Maria Lahr, eine spezielle Künstlerin aus meiner Heimatstadt, und Frau Gerti Spreitz mit dabei waren. Dafür bedanke ich mich auch.

Ich bedanke mich auch bei den Klubvorsitzenden, bei Edgar Mayer, Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Nicole Schreyer, und bei allen Bundesrätinnen und Bundesräten, dass sie mich so gut bei meiner Arbeit unterstützt haben, sowie bei allen Saalauf­sich­ten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesratsausschüsse, die uns betreut haben. Herzlichen Dank auch Herrn Wolfgang Magyar, den ich nicht gar so viel in Anspruch genommen habe, der mich aber immer wieder gut nach Hause gebracht hat.

Es waren sechs sehr intensive und spannende Monate, die wir gemeinsam verbracht haben.

Abschließend sage ich noch: Vor allem die gemeinsame Veranstaltung zur lebens­langen Bildung war für mich ein besonders wichtiges Thema. Für mich als Lehrer und ehemaligen Schuldirektor endet das Lernen nie, das möchte ich ganz besonders hervorstreichen.

Wir haben viele Projekte initiiert, und ich hoffe, dass die künftigen Präsidentinnen und Präsidenten, auch mein Nachfolger Mario Lindner, das in diesem Sinne weiterführen werden.


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Ich wünsche allen alles Gute. Lassen Sie uns im Bundesrat so kreativ sein wie bisher, dann brauchen wir uns um die Länderkammer keine Sorge zu machen! Es lebe der Bundesrat, es lebe das Land Salzburg, natürlich – das muss ich unterbringen (Heiter­keit) –, aber es lebe auch ganz Österreich! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

9.17

09.17.39Aktuelle Stunde

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Aufschwung Standort Österreich“

mit dem Herrn Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, den ich noch einmal herzlich willkommen heiße.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommen je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann erfolgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wieder je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend je eine Wort­meldung der Bundesräte ohne Fraktion mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. Ich bitte um den Redebeitrag.

 


9.18.47

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es heute schon von unserem Präsidenten gehört: Erfolgreich ist man nur dann, wenn man ein starkes Team ist; wenn man sich in ein Team einbringt, dann bringt man auch etwas weiter. Ich denke, dass das gerade für uns in der Wirtschaft sehr wichtig ist. Deshalb bedanke ich mich bei dir, Herr Vizekanzler, vor allem in deiner Funktion als Wirtschaftsminister, sehr herzlich für die gemeinsamen Bemühungen und die Unterstützung, dass unsere Wirt­schaft weiterhin wettbewerbsfähig ist, dass die Wirtschaft nicht nur im wunderschönen Salzburg erfolgreich unterwegs ist, sondern in unserem schönen Österreich insgesamt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unser Wirtschaftswachstum ist von unzähligen Faktoren abhängig, von nationalen Aspekten genauso wie von der Europäischen Union, von unseren Beziehungen zu Russland genauso wie von den Vertragspartnern und Verhandlungen mit Kanada und den USA.

Ich darf gleich zu Beginn eine gemeinsame Initiative der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsministeriums hervorheben, eine Initiative, die sehr wichtig und wertvoll für unsere Betriebe, für unsere Unternehmen ist. Das ist die gemeinsame internationale Offensive, und zwar „go international“. Da unterstützen wir unsere Unternehmen bei der Erschließung von Zukunftsmärkten. Die Exportbetriebe zählen für uns zu den wichtigsten Konjunkturstützen, und da rechnet sich jede Unterstützung vielfach.

Schauen wir uns die Zahlen an, denn diese sind beeindruckend: Jeder Euro Förderung bringt mittelfristig 55 € an zusätzlichen Exporten. Wir hatten im Jahr 2000 12 500 Ex­porteure, und mittlerweile sind wir bei 52 000. Und vergessen wir bitte nicht: sechs von zehn Euro erwirtschaften wir im Export!

Ich konzentriere mich vor allem auf drei für uns oder für mich auch wachstums­relevante Themen und vor allem Themen, die wir aus eigener Kraft steuern können.


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Das sind: Wachstum braucht Fachkräfte, Wachstum braucht weniger Bürokratie und Wachstum braucht Anreize. Ich bin überzeugt davon, dass wir für die Lösung dieser Fragen keine Nobelpreisträger sein müssen, sondern dass wir den Mut haben müssen, die Themen anzugehen und sie auch umzusetzen.

Wachstum braucht Fachkräfte: Unser Wachstumspotenzial wird ganz wesentlich von unserem Fachkräftepotenzial bestimmt. Entscheidend bleibt dabei, wie wir die Talente unseres Landes fördern. Und denken wir nur zurück: Wir hatten voriges Jahr einen Zukunftskongress des Bundesrates in St. Pölten, wo wir ganz einfach herausgearbeitet haben: Was können wir tun, um unsere Jugend, unsere zukünftigen Fachkräfte zu unterstützen? Wir haben einen Entschließungsantrag gemacht, um Berufsorientierung verstärkt in unsere Schulen zu bringen. Wir haben dazu einen gemeinsamen Ent­schließungsantrag gemacht, und das hat auch zur Folge gehabt, dass wir derzeit schon in der Pädagogischen Hochschule in Mödling eine Ausbildung, einen Master-Lehrgang für Berufsorientierung für unsere Lehrerinnen und Lehrer haben, weil es ganz wichtig ist, hier wirklich eine fachlich gut fundierte Ausbildung zu bekommen, damit unsere Kinder das bekommen, was sie auch brauchen. Ich freue mich darüber, weil auch das Interesse unserer Lehrer dafür sehr stark ist.

Wir müssen ganz einfach die Talente unserer Jugend heben. Die Talente unserer Jugend sind wichtig für unsere weitere Entwicklung, wir können daher nicht auf die Talente unserer Jugend verzichten. Es ist ganz gleich, welche Schiene jemand einschlägt, ob es die praktische Ausbildung ist, wie der Lehrberuf, oder die akade­mische Ausbildung: Die Vielfalt des Bildungsangebotes und die Durchlässigkeit sind einfach wichtig. Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen Meister und Master, und das auf einem Niveau und auf Augenhöhe! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Für uns von der Wirtschaft ist natürlich eine solide Lehrlingsausbildung besonders wichtig. Ich bin davon überzeugt – und ich sehe es auch –, dass nicht jeder für eine Lehrausbildung geeignet ist, weil die Lehre eine hochqualifizierte, herausfordernde Ausbildung ist. Auf der einen Seite reden wir jetzt über die Ausbildungspflicht bis 18 – ich bekenne mich dazu –, wir müssen aber gleichzeitig auch bedenken, dass die Ausbildungspflicht nicht gleichbedeutend damit ist, dass jeder eine Lehre machen kann. Wir müssen für jeden die Möglichkeit schaffen, eine seinem Potenzial ent­sprechende Ausbildung zu machen. Diese Grundsätze sind, denke ich, auch wichtig, wenn wir über die Integration der Asylberechtigten nachdenken.

Unser Bildungssystem hat eine ganz wichtige und wesentliche Aufgabe, und zwar den Bildungshunger zu wecken, weil dieser ganz einfach die Voraussetzung für eine Bereitschaft zur Weiterbildung – lebensbegleitendes Lernen – ist. Und gerade in der Zeit der Digitalisierung und der raschen Veränderung, die stattfindet, ist es wichtig, dass unsere Menschen immer am Puls der Ausbildung sind. Genau das ist wichtig! Und wir müssen auch schauen, dass wir sie länger in unserem Arbeitsprozess haben.

Manches Mal denke ich mir, dass wir da ein bisschen in die Gegenrichtung gehen. Wir müssen hinterfragen: Ist es nicht so, dass wir manches Mal unsere Jugend in der Ausbildung mit – ich sage es jetzt ganz einfach direkt – unnützem Wissen belasten? Ich habe am Wochenende die Gelegenheit gehabt, bei einer Veranstaltung den Philosophen Richard David Precht und seine Ansätze zu den Bildungsthemen zu hören, und ich muss sagen, da war schon sehr, sehr viel drinnen. Ich würde mich freuen, wenn die eine oder andere Anregung, die er da gemacht hat, auch bei uns in den Schulen Eingang fände.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wachstum braucht weniger Bürokratie. Das ist gerade mir als Unternehmerin ein ganz wichtiges Anliegen. Wir reden ja sehr viel


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über Bürokratie, der Rechnungshof hat auch über tausend Vorschläge parat. Aber wir sollen uns, wenn wir über Bürokratie reden, auch die Frage stellen: Sind wir Teil der Lösung oder sind wir Teil des Problems? – Ich sehe mich als Teil der Lösung und würde sehr gerne einen modernen Föderalismus sehen, eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern, bei der es eine klare Verteilung der Kompetenzen gibt, ganz nach den Grundsätzen der Subsidiarität. Wichtig für mich ist, dass wir – gerade wir, der Bun­desrat – uns stärker mit dieser grundsätzlichen Thematik beschäftigen.

Ein Gesetz, das uns immer wieder beschäftigt und über das jetzt viel gesprochen wird, ist die Gewerbeordnung. Es ist ein Irrglaube, wenn man meint, dass die Anzahl und Art der Gewerbewortlaute das Problem sind. Denken wir an die Vielzahl der Berufe im Gesundheitswesen, die sich ganz einfach in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben! Wesentlich beziehungsweise das Wichtigste ist die Qualifikation.

Es geht auch um Dinge wie Betriebsanlagengenehmigung, Betriebsstättenregelung, die in der Gewerbeordnung enthalten sind. Da, denke ich mir, müssen wir verstärkt ansetzen, und zwar gemeinsam. Und da bedanke ich mich bei dir, Herr Wirtschafts­minister, weil wir da wirklich deine Unterstützung haben – und ich weiß, dass du uns da unterstützt –, weil hier viel zu viele Auflagen, zu viel Aufwand im Spiel sind.

Der Gewerbewortlaut ist nicht das Problem. Im Gegenteil: Ich denke, an Gewer­bewortlauten zu rütteln untergräbt die Qualität der Produkte und Leistungen und die Ausbildung unserer Jugend. Das halte ich nicht für einen Fortschritt, denn ohne Fachbetriebe gibt es keine hochqualifizierte Lehrausbildung. Ich darf in diesem Zusam­menhang Ihnen allen die Lektüre der Studie „Ökonomische Effekte der Liberalisierung der Handwerksordnung von 2004“ der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung nahelegen. Das ist sehr spannend. Da sieht man, welchen Weg man dort gegangen ist und dass man jetzt mühsam wieder zurückrudert.

Wichtig ist auch, und das sieht man auch, wenn es um Gründungen geht: Gerade Österreich ist ein Vorzeigemodell, wenn es um die Nachhaltigkeit der Gründungen unserer Betriebe geht. International und im europäischen Vergleich sind unsere Be­triebe besser aufgestellt, weil sie auf einer gut fundierte Ausbildung aufbauen.

Die Bürokratie-Herausforderungen, die sich in der Gewerbeordnung verbergen, liegen anderswo: in einer längst überfälligen Modernisierung des Betriebsanlagenrechts und des UVP-Gesetzes, in einer Abschaffung unnötiger Veröffentlichungspflichten, in einer weiteren Vereinfachung von GmbH-Gründungen und darüber hinaus – und das ist ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt – beim Kumulationsprinzip. Uns geht es auch darum, dass man die Wirtschaft mit Beraten statt Strafen unterstützt, dass man verstärkt Aufzeichnungspflichten und für uns unnötige Protokollführungen abschafft. Ich nenne nur ein Beispiel: Alle Putzmittel, die wir zu Hause kennen und die wir anwen­den, sind bei uns in den Betrieben gefährliche Stoffe, und wir müssen dies­bezüglich Protokolle führen. Wenn das wegfällt, kostet es nichts, aber es entlastet uns. Ich weiß, dass wir hier in dir, Herr Minister, einen Unterstützer haben, und wir bringen auch immer wieder konkrete Beispiele.

Ich komme zum Schluss. Wachstum braucht Anreize, ich meine Investitionsanreize. Wir müssen unsere Betriebe unterstützen, damit sie Investitionen tätigen. Wir haben eben andere Möglichkeiten. Wir haben nicht die Möglichkeiten eines milliarden­schwe­ren chinesischen Staatsfonds, wir haben nicht 200 Milliarden Spielgeld wie Google und wir haben noch viel zu wenige private Finanzierungsangebote. Aber wir haben Tausende Unternehmen, die an unser Land glauben, Tausende Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und die müssen wir unterstützen. Die sind derzeit noch ein bisschen zurückhaltend, wenn es um Investitionen geht. Ich erwarte mir und bitte darum, dass wir hier Investitionsanreize geben.


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Ich bedanke mich auch für die Erhöhung der Forschungsprämie auf 12 Prozent. Das ist auch etwas ganz Wesentliches. Aber darüber hinaus, bitte, brauchen wir einen Inves­titionsfreibetrag oder eine Investitionszuwachsprämie, damit unsere Betriebe verstärkt auch wieder in Investitionen gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wichtig, was unser Präsident gesagt hat: Wir alle müssen an einem Strang ziehen. Wir müssen schauen, dass wir mit unserem Flaggschiff Wirtschaft gemeinsam weiterhin einen erfolgreichen Kurs fahren. Und deshalb bitte ich: Nicht überlegen, ob wir vielleicht noch irgendeine neue Steuer erfinden könnten! Das hilft uns nicht. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.30


Präsident Josef Saller: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Winkler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.30.51

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Vize­kanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Beim diesjährigen G7-Gipfel in Japan stand die Wirtschaft im Fokus. Die Kernaussage war: Die globale Kon­junktur wird unter anderem vom niedrigen Ölpreis und der schwächelnden Konjunktur in Schwellenländern belastet.

Ich glaube zwar auch, dass wir in einer fordernden Zeit leben, aber ich sehe für den Wirtschaftsstandort sehr viele Chancen. Gestatten Sie mir, als ersten Punkt den Finanzausgleich zu nennen. Aus der Kommunalpolitik kommend werde ich die Finanzausgleichsverhandlungen sehr genau beobachten, denn ich sehe auch im Finanzausgleich die Möglichkeit, die Wirtschaft zu stärken und anzukurbeln. Die Kom­munen sind nicht nur wichtige Arbeitgeber, sondern sie beleben auch die Wirtschaft, und das nicht nur durch Infrastrukturprojekte.

Die Entwicklung zeigt, dass schon jetzt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt. Neben den demografischen und ökologischen Aspekten übernehmen Städte auch eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Sie fungieren als Motoren der Wirt­schaft, des Wissens und der Innovation für die gesamte Region. Deswegen glaube ich, dass der urbane Raum zu stärken ist.

Bei einem aufgabenorientierten Finanzausgleich würden objektive Kriterien heran­ge­zogen, und der ländliche Raum könnte klar nachvollziehen, dass es zu keiner Bes­ser­stellung der Ballungsräume kommt, sondern dass Städte eben zentralörtliche Auf­ga­ben zu erfüllen haben und diese auch angemessen finanziell abgegolten bekom­men.

Ich komme jetzt zu einem anderen Themenkreis. Die Wirtschaft ist ja sehr vielfältig und bietet viele Themenkreise. Wir werden später die Möglichkeit haben, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich zu diskutieren. Dieser Bericht zeigt die große Bedeutung des Tourismus für die heimische Wirtschaft. Dabei sind die neuen Mobilitätsanforderungen, besonders im ländlichen Raum, zu berück­sichtigen und auch zu unterstützen, und dieser boomende und wichtige Wirtschafts­faktor ist seiner Bedeutung entsprechend zu fördern.

Auch wenn die Präsidentin des … – (Bundesrätin Zwazl betritt den Sitzungssaal.) – Es tut mir leid, Sonja, du bist jetzt zum falschen Zeitpunkt hereingekommen. (Bundesrätin Zwazl: Das ist mir aber schon öfter in meinem Leben passiert, dass ich zum falschen Zeitpunkt komme!) Auch für mich als Sozialdemokratin gibt es zwei Themen, die du nicht gerne hören wirst, nämlich die Wertschöpfungsabgabe und die Arbeitszeitver­kürzung, aber diesen Themen wird sich mein Kollege Rene Pfister widmen.

Ich sehe auch in wirtschaftlichem Wachstum und vernünftiger Umweltpolitik keinen Widerspruch. Infrastrukturminister Leichtfried und seine MitarbeiterInnen legen unter


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anderem ihren Fokus auf Energie- und Umwelttechnologien und erneuerbare Energien mit dem Schwerpunkt nachhaltige Gebäude und Städte sowie intelligente Energie­systeme. Die Städte der Zukunft sollen zu Smart Citys werden, wobei als Themen­bereiche noch einmal genannt seien: intelligente Gebäude, Mobilität, nachhaltige Energieversorgung und Verwertung von Reststoffen.

Die Umweltbranche ist in Österreich sehr breit aufgestellt, ob es um modernste Lösungen in der Recyclingbranche geht, revolutionäre Verfahren zur Enthärtung von Trinkwasser, ultraleichte Fahrzeugkonzepte mit extrem geringen CO2-Emissionen oder viele andere Dinge mehr. Innovationen „made in Austria“ sind international sehr gefragt.

Die Zahlen sind leider nicht ganz aktuell – ich habe nichts Neueres gefunden –, aber bereits im Jahr 2013 wurde festgehalten, dass schon jeder zwanzigste Job in Öster­reich ein Green Job ist. Es erwirtschaften 185 000 Menschen 36,3 Milliarden €. Das ist eine, so denke ich, sehr beachtliche Zahl, und sie zeigt die große Bedeutung auch dieses Zweiges.

Ich möchte auch kurz auf den Themenbereich Freihandelsabkommen CETA zwischen Europa und Kanada zu sprechen kommen. Vor Kurzem sind ja die Pläne der EU-Kommission bekannt geworden, die dahin gehen, CETA als reines EU-Abkommen einzustufen und so an den nationalen Parlamenten vorbeizuschleusen. Meine Fraktion ist strikt gegen diesen Plan. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Das Abkommen muss als ein gemischtes Abkommen verhandelt und in den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Dafür müssen wir Allianzen in Europa suchen. Und sollten die Auswirkungen auf die Wirtschaft unter Bedachtnahme aller Risken wirklich so positiv sein, dann wird die Bevölkerung nicht dagegen sein. Aber ich erwarte mir, dass alle Für und Wider klar auf den Tisch kommen und dann eine Entscheidung getroffen wird.

Für mich ist es undenkbar, über den Wirtschaftsstandort Österreich zu sprechen und dabei den Mittelstand auszulassen. Früher verlief die Grenze zwischen Unterschicht und Mittelschicht an der sogenannten Kragenlinie: Es gab zum einen die körperlich tätigen Arbeiter und zum anderen die meist besser bezahlten Angestellten, die ihren Aufgaben in der Regel mit Schlips und Kragen in einem Büro nachgingen.

Heute ziehen Sozialwissenschaftler vor allem die Bildung und Qualifikation heran, um den gesellschaftlichen Status zu bestimmen. Mindestanforderung für die Mittelschicht ist ein Berufsabschluss. Es ist aber gut möglich, dass das bald nicht mehr genügt und in einigen Jahren schon die Matura oder ein Studium erforderlich sein wird, um zur Mitte zu zählen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eh jetzt schon so!) Deswegen sind alle Bemühungen, die dem Bildungsbereich gelten, besonders wichtig.

Ich darf aus unserer sozialdemokratischen Sicht drei Schwerpunkte nennen: Ver­pflichtender Ausbau der Ganztagsschulen, Stärkung der Schulautonomie und, als Schlagwort, „Schuleingangsphase“ und Stärkung der Volksschulen. Ich meine damit, dass das letzte – in Klammern: verpflichtende – Kindergartenjahr und die ersten beiden Volksschuljahre als gemeinsame Schuleingangsphase aufgefasst werden.

Es gibt über die Mittelschicht vieles zu sagen, aber ich denke, es steht außer Streit, dass die Mittelschicht ökonomisch immer stärker unter Druck kommt. Neu ist auch das Prekariat – meist junge, gut ausgebildete Leute, die sich aufgrund von Unsicherheit im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit von Kurzarbeit zu Teilzeitjobs hanteln müssen. Diese Entwicklung ist nicht nur aus sozialen Erwägungen vehement zu bekämpfen, sondern auch aus ökonomischen, denn die Mittelschicht kann als bedeutendster Einflussfaktor auf die Wirtschaft gesehen werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Da war schon eure


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Politik auch schuld, nicht nur …!) Jahrzehnte eines relativ stabilen Wachstums in Europa haben die Lebensweise der Mittelschicht ermöglicht. Sie hat mehr Güter ver­braucht, mehr Dienstleistungen in Anspruch genommen und ist mehr gereist – und all das hat die wirtschaftliche Entwicklung positiv beeinflusst.

Ich möchte aber hier auch nicht sprechen, ohne die kleinen und mittleren Unternehmen entsprechend zu erwähnen. Sie sind das Rückgrat der Wirtschaft und stellen den wichtigsten Arbeitgeber in diesem Land dar. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie bei der ÖVP.)

Deswegen ist im Zusammenhang mit einer Stärkung der Wirtschaft und des Wirt­schafts­standortes Österreich auch darüber nachzudenken, wie man in diesem Bereich helfend eingreifen kann.

Auch da habe ich wieder drei Punkte herausgegriffen: Weiterführung der Inter­natio­nalisierungsoffensive, einfacherer und günstiger Zugang zu Haftungen, zum Beispiel von AWS, und neue Innovations- und Investitionsoffensive für regionale Arbeitsplätze zur optimalen Nutzung von europäischen Mitteln.

Sie sehen, wie mir das Herz übergeht, wenn ich über Wirtschaft in unserem Lande spreche. Ich denke, wir haben hervorragende und innovative Unternehmer und wir haben intelligente und einsatzwillige Arbeitnehmer. Es sei mir gestattet, dir, Frau Präsidentin Zwazl, dafür zu danken, dass du immer so für die Lehre eintrittst. Es kann nicht sein, dass man sagt: Du hast nur eine Lehre gemacht! Du bringst immer klar zum Ausdruck, dass die Lehre eine hoch qualifizierte Ausbildung darstellt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wegen all dem Gesagten ist mir um den Wirtschaftsstandort Österreich nicht bange. Nur: Wir dürfen dieses Land nicht krankjammern, sondern wir müssen die Ärmel auf­krempeln und zusammenhalten. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Dann wird Österreich das bleiben, was es jetzt schon ist – einmal zuhören schadet auch nicht, Monika! –: ein kleines Land mit nicht unbeträchtlicher wirtschaftlicher Bedeu­tung! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.41


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


9.41.30

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler und Wirtschaftsminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein interessantes Thema: „Aufschwung Standort Österreich“. Das kann man auch janusköpfig betrachten. Mir fehlt eigentlich die Interpunktion. Ist es eine Frage? Ist es ein Imperativ? Wahrscheinlich waren Sie, sehr geehrter Herr Vizekanzler, sich auch nicht ganz sicher: Findet ein Aufschwung statt, findet er nicht statt? Das ist eine interessante Frage. Und das Wort „Wirtschaftsstandort“ sehe ich auch nicht da drinnen. Ich interpretiere es jetzt auch als Wirtschaftsstandort, aber es gibt auch den Wissenschaftsstandort Österreich, zu dem ich dann auch ganz kurz kommen möchte.

Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin Kollegin Zwazl ein ganz kurzes Wort: Du hast eine interessante Frage gestellt, nämlich: Wer ist Teil des Problems? Deine vereinfachte Diktion war, die anderen seien schuld. Das sehe ich ein bisschen anders. Ich meine, da muss sich schon die Bundesregierung selbst an die eigene Nase fassen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ein Zitat des amerikanischen Präsidenten Reagan ist mir da eingefallen, das passt auf Österreich perfekt: „Der Staat löst keine Probleme“, sondern er ist selbst Teil des Problems. – So würde ich das einmal sehen. (Bundesrätin Zwazl: Du hast nicht aufgepasst, ich habe gesagt, …!)


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Jetzt komme ich zu der Frage: Wie wird der Standort Österreich eingeschätzt? – Ich kann es ganz einfach machen, ich kann hier die Analyse von Moody’s verteilen, die vor drei Tagen die eindeutige Antwort gegeben hat – Österreich ist ja bekanntlich down­gegraded worden –, dass es mit dem Wirtschaftsstandort Österreich nicht sehr weit her ist. Das heißt, wir stagnieren.

Welche Indikatoren kann man hier heranziehen, um zu einer korrekten Analyse zu kommen?

Das ist einmal der Anteil am Weltwirtschaftshandel. Dass in Österreich die Exporte steigen und Träger des gesamten Istzustandes sind, ist nicht unbekannt, aber es gibt auch andere Länder, und die schlafen nicht; zu denen komme ich noch. Die anderen Länder schlafen eben auch nicht, die bemühen sich auch sehr, ihre Exporte anzukurbeln. Und das Weltwirtschaftssystem basiert, wie wir alle wissen, auf drei, vier Währungen, und die sind alle im Abwertungswettlauf, um eben den Wettbewerbsvorteil zu generieren. Und die anderen Länder sind besser aufgestellt, die überholen uns rechts und links, hinten und vorne. In Österreich passiert da nichts.

Der zweite Indikator ist das Volkseinkommen, ein sogenanntes Wirtschaftswachstum. – Dazu gibt es klare Aussagen, das ist leicht vergleichbar. Die Frage ist: Wie steht es damit in Österreich? – Auch darauf komme ich noch zurück.

Der dritte und interessanteste Indikator sind – und das kommt von Ihrem Ministerium, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister – die Investitionen.

Das ist hochinteressant, denn die Investitionen sind praktisch die Direktive, wo es um die Fragen geht: Wie steht es um eine Wirtschaft? Investiert ein Unternehmer? Tut er was, baut er Anlagen, errichtet er ein Unternehmen? – Da geht es nicht nur um Mittel­standsbetriebe, die sind natürlich die Basis des österreichischen Wirtschafts­wesens, keine Frage, aber angezogen werden sie durch die großen internationalen Unterneh­men, denn von dort kommen die Aufträge.

In diesem Zusammenhang schreiben Sie, Herr Wirtschaftsminister – da muss man löblich anerkennen, dass es korrekt dargestellt wird, allerdings fehlt die Interpretation –: „2015 erreichten die heimischen Direktinvestitionen im Ausland (…) fast das Dreifache des Vorjahreswertes.“ 

Das heißt, österreichische Unternehmen investieren nicht in Österreich – offensichtlich weil etwas mit dem Standort nicht funktioniert –, sondern im Ausland. Das fließt zwar in die Konzernbilanz ein und damit möglicherweise in das Wirtschaftswachstum, aber die Arbeitsplätze werden im Ausland geschaffen und nicht in Österreich. Deswegen sind wir praktisch bei 500 000 Arbeitslosen angelangt, und diese Zahl steigt, steigt und steigt.

Der zweite Satz lautet: „Die ausländischen Direktinvestitionen in Österreich (…)“ – das ist noch interessanter! – „ waren (…) nur halb so hoch wie im Vorjahr.“

Das heißt, sie sind nur die Hälfte des Wertes von 2014. Und das ist ein Warnsignal! Da tut sich etwas! Offensichtlich kommen andere Unternehmen, andere große Firmen nicht nach Österreich, investieren woanders, weil sie das eben nicht so durch die rosarote Brille sehen wie meine beiden Vorredner, dass in Österreich alles paletti ist. So funktioniert das nicht! Die kalkulieren, machen eine klare Analyse zwischen Kosten und Nutzen. Und da wird Österreich außen vor gelassen.

Wie wir alle wissen, ist die Summe des Volkseinkommens, des Wirtschaftswachstums die Summe der Unternehmensumsätze, also aller Waren und Dienstleistungen. Das ist einfach eine Addition, nicht mehr und nicht weniger. Also muss man sich einmal um den Unternehmer kümmern. Und da stellt sich die Frage: Wie sieht es mit dem Unter-


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nehmer in Österreich aus? Und da bitte ich, nicht immer Keynes zu zitieren! Wo immer ein Regierungsmitglied ist, wird Keynes rauf- und runterzitiert.

Es gibt andere Ökonomen, es gibt zum Beispiel Joseph Schumpeter – er ist übrigens von Österreich in der Ersten Republik vertrieben worden –, dessen Buch „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ aus 1912 ebenfalls entscheidend war, ein Buch, das gerade die Innovation, den Innovator, den Unternehmer schlechthin beschrieben hat. Das ist die Basis, und damit sollte man sich beschäftigen. In diesem Buch steht das alles drinnen, was der sehr geschätzte Staatssekretär Mahrer sagt, das ist alles darin nachzulesen. Das ist nichts Neues, das gibt es seit genau 100 Jahren. Also sollte man endlich einmal diesem methodologischen Individualismus folgen und nicht immer dem Kollektivismus eines Keynes.

Fragen wir uns einmal: Wie funktioniert, wie handelt, wie denkt der Unternehmer? Warum wirtschaftet er? – Aber warum siedelt er sich eben nicht in Österreich an? Warum investiert er woanders, wie es hier implizit erwähnt wird?

Die Internationalität ist in Österreich noch lange nicht angekommen. Wir reden per­manent von der EU, rauf und runter, aber das Steuersystem, das gesamte Konzept der Steuern, der Belastungen und der Abgaben ist ein Vor-EU-Konzept. Wir alle wissen, um im internationalen Export erfolgreich zu werden, muss man sich dem Wettbewerb stellen. Und die Preise sind angeglichen. Das Internet veröffentlicht das, das ist trans­parent, das alles ist kein Geheimnis. Will ich reüssieren, dann muss ich mit diesem Preis mitgehen, aber die Belastungen finden national statt. Die Preise sind internatio­nal, aber die Belastungen sind national.

Es kann doch kein Mensch glauben, dass ich bei einer Belastung von über 50 Prozent in der gesamten Unternehmenslandschaft Österreichs – alle trifft das: die Großen, die Kleinen, die Mittel- und Einzelunternehmen und die Konzerne – noch international wettbewerbsmäßig mitkomme. – Nein, da komme ich nicht mit! Beispiel: Weltwirtschaft. Anteil Österreichs in der Weltwirtschaft. Beispiel: Investitionen. Und auch Beispiel: Volkseinkommen.

Und jetzt zum Thema: Wie mache ich ein Land attraktiv? Wie ist ein Land attraktiv? – Beispiel Irland, weil das jetzt in der Zeitung war. In Irland – wir wissen, was in London in den letzten Tagen passiert ist – stehen die Bewerber vor der Tür. Dublin und Frank­furt werden sich dieser Finanzindustrie annehmen.

Wie schaut das Wirtschaftswachstum im Jahr 2015 in Irland aus? – 7,8 Prozent. Wie schaut das Wirtschaftswachstum in Lettland aus? – 2,7 Prozent. 3 Prozent 2013 und 4 Prozent 2012. Wie schaut das Wirtschaftswachstum in Estland aus? – Zwischen 1,5 und 2,8 Prozent. Wie schaut das Wirtschaftswachstum in Litauen aus? – Zwischen 3 und 1,3 Prozent.

Das alles sind Volkswirtschaften, die offen sind, ähnlich strukturiert wie Österreich sind und sich des internationalen Marktes und der Exportwirtschaft annehmen müssen, damit sie im Land selbst den Wohlstand generieren können.

Und das viel gescholtene Ungarn hat 2015 mit 2,9 Prozent reüssiert, die Slowakei mit 3,6 Prozent – 50 Kilometer von hier ist Bratislava/Pressburg –, und sogar die Schweiz, die, wie wir alle wissen, im Februar 2015 eine Aufwertung des Schweizer Franken ertragen musste, und zwar um 15 bis 20 Prozent – eine Aufwertung!, also exportschä­digend und exporthemmend –, hat es geschafft, 0,9 Prozent hinzulegen.

Das heißt, wir sind praktisch um 15 bis 20 Prozent im Vergleich zum Schweizer Franken abgewertet worden und sind auf dem gleichen Level. Da versteht doch jeder – jeder muss da nachdenken –, dass in unserem Land einiges, ja vieles nicht stimmt. Hätten wir in Österreich diese 15-prozentige Aufwertung, wäre das vermutlich der


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Super-GAU. Hätten wir diese Aufwertung wie die Schweiz, dann hätten wir wahr­scheinlich eine Rezession von 10 Prozent. Das heißt, andere Länder, wie die neun von mir genannten, mit ähnlichen Volkswirtschaften, offen, gleich strukturiert, sind wesent­lich besser aufgestellt.

Und das österreichische Volkseinkommen bewegt sich, wie wir wissen, an der Null-Linie, da tut sich nicht viel, da ist auch nicht mehr viel zu holen. Man sieht es auch bei den Schulden. Der Schuldenstand – wo ist der?; ich habe nämlich schon den Konnex verloren – ist bei 90 Prozent, 95 Prozent, und er wächst sukzessive. Und trotz dieser Schulden bringen wir noch immer kein Wachstum zustande! Das heißt, der Leverage-Effekt – ist gleich: mehr Schulden, Fremdkapital, und dadurch generiert man Wachs­tum – funktioniert ja nicht mehr. Das hat ja Moody’s kritisiert und gesagt: Ihr in Österreich kriegt kein Wirtschaftswachstum mehr zusammen! So funktioniert das nicht! Beispiel: Leverage-Effekt. Ist gleich: mehr Schulden. – Und trotzdem gibt es kein Wachstum!

Ganz kurz noch zu dem Tax Freedom Day, der mehr oder minder auch international bekannt ist. Als ich hier als Bundesrat angefangen habe, und zwar im Jahr 2010, war jener Tag, an dem der Steuerzahler sein Geld für sich selber behalten darf und nicht mehr an den Staat abliefern muss, der 29. Juli. Vergangenes Jahr war es der 21. August, also drei Wochen später innerhalb von fünf Jahren. Das ist natürlich ein Verlust an Wettbewerb!

In Deutschland war es der 11. Juli, im Vereinigten Königreich der 29. Juli und in den USA der 24. April. Und da soll man am internationalen Wettbewerb mitkommen?! Keine Chance! Keine Chance! Keine Chance! (Bundesrat Mayer: Jetzt müssen Sie die Steuerreform miteinrechnen!)

Noch ganz kurz ein Wort zu dem neuen Bundeskanzler – dem eher machiavellistisch orientierten Bundeskanzler! –, der uns allen Ernstes einreden möchte, mit der Maschi­nensteuer würde irgendetwas besser funktionieren. Die Maschinensteuer – entschul­dige! – ist ein Projekt aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts, eine „Schornstein-Philosophie“, die an der Realität völlig vorbeigeht. (Zwischenruf der Bundesrätinnen Winkler und Zwazl.) Wir diskutieren hier, wie wir, Frau Präsidentin Zwazl, eingangs gehört haben, über Industrie 4.0. Das sind Systemanalysen, das sind Programmie­rungen, das hat mit Maschinen überhaupt nichts zu tun. Auf einem Handy sind 100 Pa­tente drauf. Ist ein Handy eine Maschine? Was ist das, bitte? (Bundesrätin Winkler: Es geht nicht um Maschinen, sondern um Wertschöpfung!) – Also, das ist das dritte Retroprodukt aus der Mottenkiste von diesem neuen Bundeskanzler. Das wage ich einmal sehr in Frage zu stellen!

Ganz zum Schluss noch eine kurze Anmerkung zum Wissenschaftsstandort. (Bun­desrätin Zwazl: Redezeit!) – Es blinkt noch, ich kann noch reden. (Bundesrätin Zwazl: Nein, …!) Kurz ein Argument noch! (Präsident Saller gibt das Glockenzeichen.)

Ich darf noch ein Auge auf die Grundlagenforschung werfen, was die Geisteswissen­schaften und die Sozialwissenschaften betrifft. Da ist die Digitalisierung ganz beson­ders wichtig. Und die ist in Österreich noch nicht angekommen, während die ganzen archivalischen und bibliothekarischen Bestände in den USA, ja sogar in Italien und Deutschland, einsehbar sind, und zwar via Online-Reading. Aber das gibt es interes­san­terweise nicht in Österreich! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


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9.52


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


9.52.28

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Damen und Herren an den Bildschir­men! Das Thema heißt „Aufschwung Standort Österreich“. – Aufschwung ist etwas, das immer auch mit Stimmung, mit Vertrauen zu tun hat. Eine Neubesetzung, eine Veränderung, wie sie jetzt in der Regierung stattgefunden hat, kann hier durchaus po­sitive Wirkung entfalten. Der Placebo-Effekt in der Medizin ist ja auch unumstritten, kaum ein Medikament erreicht eine ähnliche Wirksamkeit.

Ich meine das nicht sarkastisch, meine Damen und Herren, sondern es ist das der ernstgemeinte Wunsch, dass diese Veränderung diese Wirkung entfalten möge, denn ich glaube, dass das dringend notwendig ist, und das ist mehr als die halbe Maut für das, was wir uns alle wünschen, nämlich eine gedeihliche Entwicklung, ein gutes Leben für möglichst viele Menschen, unabhängig von ihrer Rasse, Nationalität et cetera. Also: Nennen wir das Aufschwung!

Die Entwicklung des BIP und anderer Kennzahlen halte ich nur für bedingt tauglich, um das zu messen, was wir eigentlich unter Aufschwung verstehen, nämlich das Wohl­ergehen der Menschen. Es gibt da inzwischen bessere oder überarbeitete Indizes wie den BLI, den Better Life Index, der OECD oder den HDI, den Human Development Index der UNO. Ich glaube, man sollte beginnen, auch mit solchen Indizes zu arbeiten, um zu messen, was wir wirklich möchten, wenngleich Zahlen offensichtlich ohnehin relativ bedeutungslos sind, wie es uns der Brexit und das Arbeiten mit solchen Zahlen zeigen.

Aber natürlich erwarten wir uns von Ihnen, Herr Vizekanzler, und von der neuen Regie­rung mehr als einen Placebo-Effekt. Wir erwarten uns, dass Sie es endlich zu­stande bringen, dass diese Regierung ihre Hausaufgaben macht, die da sind: erstens eine ökosoziale Steuerreform.

Unter Fachleuten ist es nach Paris mittlerweile unumstritten beziehungsweise hat die letzte Klima-Enquete gezeigt, dass die Dekarbonisierung der Wirtschaft, also raus aus Öl und Gas, bis 2050 notwendig ist. Wir als entwickelte Nation sollten schon 2030 so weit sein. Aber das wird nur mit einer entsprechenden ökosozialen Steuerreform möglich sein. In Österreich fließen nach wie vor viele Fördermittel in das fossile System. Über 4 Milliarden € an Fördermitteln fließen in das fossile System, und das muss geändert werden.

Auf der anderen Seite ist es dringend notwendig, die Steuern auf Arbeit abzubauen. Die sind international gesehen viel zu hoch. Die letzte Reform war da viel zu schwach. Es gibt mit einer gut gemachten ökosozialen Steuerreform ein Umsteuerungsvolumen von über 4 Milliarden € aufkommensneutral. Es sind die Schadstoffverursacher und die Ressourcenverschwender viel zu niedrig besteuert, und zwar auch im internationalen Vergleich. Da liegen wir im unteren Drittel. Während wir bei der Arbeitsbesteuerung ganz vorne sind, liegen wir bei der Ressourcenbesteuerung und bei der Umweltbesteu­erung im unteren Drittel. – Das wäre der erste Punkt.

Der zweite wichtige Punkt heißt Verwaltungsreform und Deregulierung. Der schei­dende Rechnungshofpräsident hat ja 1 007 Vorschläge vorgelegt, ein dickes, umfang­reiches Konvolut, wo man sieht, dass die Potenziale in diesem Bereich wirklich groß sind. Aber das ist nicht nur unter dem Aspekt „Einsparungen“ zu sehen, sondern das ist sehr viel umfangreicher, sehr viel komplexer, sehr viel wichtiger. Und ich bitte Sie dringend: Beginnen Sie diese Dinge abzuarbeiten!

Mich stimmen die Vorgänge rund um den neuen Finanzausgleich sehr pessimistisch, ich bezweifle, dass da wirklich etwas Substanzielles weitergehen könnte. Wir haben im Prinzip in unserem föderalen Staat ja ein ähnliches Problem wie in der EU: Jeder ist


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zuerst Salzburger, Kärntner, Tiroler, aber wenn es Probleme gibt, ist es Wien – als Zentrale, nicht als Bundesland. Und Wien ist der Überzeugung, es auf alle Fälle besser zu können und auch mit entsprechender Kontrolle und so weiter arbeiten zu müssen.

Ich bin mittlerweile der Überzeugung, man sollte endlich Psychotherapeuten hier heranlassen (Heiterkeit), um die Beziehungen zwischen Zentrale oder übergeordneter Einheit und den Subsystemen zu verbessern und um dort von Konkurrenz zu Koope­ration zu kommen, um die Emotionen, die mit dem Nationenbegriff verbunden sind, positiver umzulenken – aber auch, um zum Beispiel Probleme zu lösen wie die zwi­schen Boris Johnson und Cameron. Man bedenke nur, dass da eine Männerfeind­schaft, die auf Schulzeiten zurückgeht, die ganze EU und ganz Großbritannien in Geiselhaft nimmt oder genommen hat.

Von Ihnen, Herr Vizekanzler, und von der Regierung erwarte ich mir, dass wenigstens ein Bruchteil dieser Vorschläge abgearbeitet wird, um uns zukunftsfit zu machen. Das Ganze wird ja nicht nur vom Rechnungshof vorgeschlagen, sondern auch von der Europäischen Kommission, vom IWF, vom Wifo, vom IHS, alles nicht grüne Organi­sationen. Wir brauchen eine Straffung und eine Transparenz der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Wir brauchen eine Verschlankung der Strukturen in den Schlüsselbereichen Bildung, Pensionen, Gesundheit, Soziales, Forschung und Förderung, damit die öffentlichen Mittel tatsächlich bei den BürgerInnen ankommen, im Bildungssystem in der Klasse bei den Lehrern ankommen, im Gesundheitssystem bei den dort Beschäftigten und bei den Patienten ankommen und nicht wie derzeit in veralteten Strukturen versickern.

Wir brauchen das auch, um Luft und Geld freizubekommen, um zum Beispiel die FTI-Strategie umzusetzen, um in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation im europäischen und internationalen Vergleich nicht weiter abzurutschen. Es ist dies eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, allerdings mit einer erheblichen Finanzierungslücke.

Ich habe mich ganz bewusst auf Punkte beschränkt, die von der Regierung erledigt werden könnten und müssten. Es gibt natürlich viel schwierigere Fragen, wie zum Beispiel, dass wir eine neue Finanzmarktarchitektur brauchen, dass die Finanzwirt­schaft endlich wieder der Realwirtschaft dienen muss, dass wir eine andere inter­nationale Entwicklungsarbeit und -zusammenarbeit brauchen, um den Migrations­strömen eben etwas Besseres entgegenzusetzen als geschlossene Grenzen, Fragen der Entwicklung der Care Economy oder die demografische Herausforderung. Ich habe mich ganz bewusst auf zwei Dinge beschränkt, die die Regierung erledigen könnte – auch mit unserer Hilfe –, eben eine ökosoziale Steuerreform und eine Verwaltungs­reform und die damit einhergehende Deregulierung.

Ich bin davon überzeugt, dass die Probleme gelöst werden können. Ich bin gleichfalls davon überzeugt, dass unsere Ausgangsposition nach wie vor eine gute ist, mit einer gut ausgebildeten und auch einer begeisterungsfähigen Bevölkerung, einer motivier­baren Bevölkerung. Und deshalb: Let’s do it!, Herr Vizekanzler. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

10.01


Präsident Josef Saller: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zu Wort gemeldet. Herr Vizekanzler Dr. Mitterlehner, auch diese Redezeit soll 10 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte schön.

 



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10.01.41

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde lautet „Aufschwung Standort Österreich“, und – Herr Bundesrat Pisec hat es schon angesprochen – es stellt sich die Frage, ist das als Fragestellung zu verstehen, als Imperativ zu verstehen oder wie auch immer?

Ich würde vielleicht einmal damit beginnen, dass wir uns an den Fakten orientieren, und die Fakten, die Sie jetzt beschrieben haben oder beschrieben haben wollen, sprechen aus meiner Sicht eigentlich eine recht positive Sprache, denn im Unterschied zum letzten Jahr, als wir, was das Wirtschaftswachstum anbelangt, Prognosen hatten, die jedes Quartal wieder nach unten revidiert werden mussten, gibt es mittlerweile, obwohl das Jahr schlecht begonnen hat – Sie erinnern sich an die Probleme mit Öl, Stahl und beispielsweise auch die Börsenfragen in China –, eine recht positive Entwicklung. Das Wachstum wird vermutlich – das Wifo hat gerade letzte Woche die Konjunkturprognose erhöht – 1,7 Prozent betragen. Im Vergleich beispielsweise zum Vorjahr ist das, was wir heuer haben könnten, wenn die Entwicklung weiterhin einiger­maßen positiv verläuft, das Doppelte.

Man muss gleichzeitig dazusagen, dass auch festgestellt worden ist, wodurch dieses Wachstum entstanden ist: Es ist vor allem durch die Steuerreform entstanden. Wenn Sie jemanden befragen, wie er subjektiv von der Steuerreform profitiert, weiß er es nicht zu bewerten oder verneint einen Gewinn daraus, objektiv beurteilen die Wirt­schaftsforschungsinstitute allerdings die Steuerreform sehr positiv. Es ist ein Effekt entstanden in Richtung Konsumsteigerung – der Konsum beträgt etwa das Vierfache des Vorjahres –, aber, und das ist wichtiger, es sind auch die Investitionen ange­sprun­gen, weil sich diesbezüglich ein bestimmter Nachholbedarf aufgestaut hat.

Was nach wie vor ein Problem ist, ist der Bereich Arbeitsmarkt. Wir haben zwar einen Beschäftigungsrekord, auf der anderen Seite wird nach Expertenmeinung erst bei etwa 2 Prozent eine Art Drehung, auch was die Arbeitslosenzahl anbelangt, bemerkbar werden und werden sich da auch andere Tendenzen einstellen.

Die Frage Tourismus ist von einer Kollegin schon angesprochen worden. Auch dieser hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich eine sehr positive Entwicklung in diesem Jahr abzeichnet, aber – obwohl das, was die Produktivität anbelangt, dann in der Pro-Kopf-Relation einen Rückgang bedeutet – auch der Flüchtlingsbereich trägt mit den Ausgaben, die dort entstehen, nominell zum Wirtschaftswachstum bei.

Die große Frage momentan ist, ob mit dem Brexit und allem, was damit verbunden ist, auch die Unsicherheit, eine Entwicklungsgefährdung verbunden ist, was die öster­reichi­sche Wirtschaft anbelangt, und diese Entwicklungsgefährdung gibt es, obwohl wir durchaus eine entsprechende Verflechtung mit der britischen Wirtschaft haben, wahr­scheinlich nicht in besonders hohem Ausmaß. Es sind negative Auswirkungen zu erwarten, aber diese halten sich im Rahmen. Laut Herrn Dr. Helmenstein von der Industriellenvereinigung wird der Effekt auf das BIP bei 0,05 bis 0,18 Prozent liegen. Auf die EU-Ebene wird er eher mit 0,1 Prozent Wachstumseinschränkung durch­schlagen.

Ich denke, das Problem dabei ist die Unsicherheit, die sich in der nächsten Zeit vor allem an den Börsen fortsetzen könnte, aber auch dort erwarten Experten nach ein paar Wochen Beruhigung, weil sich die guten Fundamentaldaten durchsetzen könnten.

Interessant war, dass viele ja begrüßt haben, dass das Vereinigte Königreich diese Entscheidung getroffen hat. Es kam dann relativ rasch zur Ankündigung von Aus­wirkungen der Abstimmung. Beispielsweise wird es Steuererhöhungen geben, und vor allem die Bevölkerung im unteren Einkommensdrittel wird negative Entwicklungen in


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diesem Zusammenhang spüren. Diese, würde ich sagen, könnten vielleicht auch für die nationalen Diskussionen in anderen Ländern einen heilsamen Effekt haben, denn wahrscheinlich wäre eine faktenorientierte Diskussion, auch an Plänen orientiert, nicht schlecht gewesen.

Das ist der eine Punkt, der uns jetzt stimmungsmäßig berührt. Was die Exporte in das Vereinigte Königreich anlangt, liegen diese an achter Stelle. Jedes Jahr kommen 800 000 Gäste zu uns, und die Verschlechterung in der Pfund-Euro-Relation, also die Abwertung des Pfund, wird auch dort die Ausgaben einschränken, aber das sind rund 5 Prozent der Nächtigungen – und auch das werden wir bewältigen.

Die Fragestellung, die jetzt betreffend das Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent, das wir haben könnten, auftaucht, ist: Ist das viel oder wenig? Sie können sich sicher erinnern, dass voriges Jahr noch alle beklagt haben, wir würden im europäischen Ver­gleich unterdurchschnittlich sein. Mittlerweile liegen wir sogar leicht über dem euro­päischen Schnitt, was die Eurozone und die EU-28 – in Zukunft dann die EU-27 – anbelangt.

Es stellt sich auch die Frage, wie wir bei den immer zitierten Rankings liegen. – Wir haben uns gerade bei dem Ranking, das das IMD macht, um zwei Plätze verbessert. Ich würde sagen, das ist zweifelsohne nicht die Welt, aber die Frage ist: Warum ist es so, dass, wenn wir uns um einen Platz verschlechtern, die Welt zusammenbricht, aber wenn wir uns um zwei Plätze verbessern, das unbedeutend ist? Ich würde sagen, dass es da natürlich Potenzial nach oben gibt, aber es ist eine Trendumkehr.

Das gilt im Übrigen auch für das sogenannte Innovation Scoreboard. Da wird gesagt, Österreich hat zwar 3 Prozent F&E-Quote, liegt an dritter Stelle in Europa, aber dort sind wir an elfter Stelle und sinken im Vergleich mit den anderen immer weiter ab. Jetzt gibt es – auch wenn es noch nicht veröffentlicht ist – berechtigte Hoffnung, dass auch dort eine Trendumkehr vorliegt.

Was ist damit verbunden? – Na, damit verbunden ist, dass die Maßnahmen der Bundes­regierung – natürlich auch die Bemühungen der Betriebe, aber eben auch die Maßnahmen der Bundesregierung – nicht falsch gewesen sein können. Ich denke dabei etwa an die 12 Prozent Forschungsprämie, aber, weil die Arbeitskosten ange­sprochen worden sind, auch daran, dass wir die Lohnnebenkosten schon um 1 Milliar­de € verpflichtend bis zum Jahr 2018 gesenkt haben.

Davon habe ich nirgendwo etwas gehört, weil jeder sagt: Mein Gott na, das ist eine Kleinigkeit! – Das ist keine Kleinigkeit, sondern 1 Milliarde €, jetzt umgelegt auf einen Betrieb mit 30 Beschäftigten mit durchschnittlichen Mitarbeitereinkommen, ergibt in etwa in einer Größenordnung von 5 000 € bis 7 000 € die Möglichkeit, das Geld, das dann netto übrigbleibt, anders zu verwenden.

Daher: Im Endeffekt sollten wir dort ansetzen, wo ich die Stärken stärke und die Schwächen schwäche.

Und eines hat die Kollegin Zwazl schon erwähnt: Na ja, wenn wir schon ein Land sind, das international exponiert ist, wenn 60 Prozent unseres Wohlstands von den Exporten kommen, dann wird es einerseits richtig sein, die Internationalisierungsoffensive fortzu­setzen. Es wird aber darüber hinaus richtig sein, dass ein Land wie Österreich von Freihandelsabkommen profitiert. Wir haben über 60 derartige Abkommen und haben immer davon profitiert, so wie die Schweiz und andere.

Ich stehe auch dazu, dass beispielsweise CETA – das haben alle Mitgliedstaaten genauso gesehen – ein inhaltlich gutes Abkommen ist, was Zölle, Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen, aber auch Arbeitsstandards anbelangt, es ist aber auf der anderen Seite ein Problem, wenn die EU die Spielregeln nicht vorher definiert.


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„Vorher definieren“ hätte geheißen, sie hätte sagen sollen, es ist ein EU-only-Abkom­men, der Verhandlungsauftrag wird der Kommission erteilt und dann auch auf der Ebene umgesetzt, also mit Rat und Parlament.

Wenn man aber bei verschiedenen Besuchen rund um TTIP den Eindruck erweckt, es wird sowieso die Befassung der nationalen Parlamente geben, und dann im Nach­hinein sagt, nein, eigentlich ist die Entscheidung anders, denn ein Mitgliedstaat – einer! – meint, das ist EU-only, daher macht man es EU-only, und alle anderen Mit­glied­staaten müssen aber Einstimmigkeit mit dem einen erzielen, damit das dann wieder geändert werden kann, was wird das dann bedeuten? – Das wird auf der einen Seite bedeuten, dass zwar vielleicht die internationale Reputation gegenüber Kanada und anderen Vertragspartnern da ist und steigt, aber auf der anderen Seite werden die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und das Vertrauen in die EU geschwächt, und diese Abwägung hat die EU meiner Meinung nach zum genau falschen Zeitpunkt und nicht sorgfältig gemacht, und es war ein Fehler, so vorzugehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Daher müssen wir in der Zukunft mehr Transparenz, mehr Klarheit bei den Spielregeln haben. Das betrifft auch TTIP: Wenn wir so vorgehen, brauchen wir meiner Meinung nach über TTIP gar nicht zu reden. Das wird in der Weise nie kommen können.

Da die Zeit vorgeschritten ist, in aller Kürze ein paar andere Punkte, die mir wichtig erscheinen.

Bürokratie, überbordender Staat ist angesprochen worden. – Ja, das teilen wir alle. Wahrscheinlich ist die Regierung ein Teil des Problems, aber auch ein Teil der Lösung, denn ich habe schon gesehen, dass viele Punkte gerade im Bereich der Vollziehung liegen, nicht im Bereich der Gesetzgebung, weil da in den Bundesländern zum Teil eben widersprüchlich – oder sehr scharf, zum Teil weniger scharf – vollzogen wird.

Was wir daher brauchen, ist – beginnend mit der Betriebsgründung – die Nutzung der Digitalisierung, aber auch eine Änderung in der Gewerbeordnung, nicht nur im Anlagenrecht. Ich meine, gerade Kärnten ist ja ein Beispiel dafür, dass man mit dem Anlagenrecht sorgfältig umgehen muss. Wenn ich einerseits sage „Erleichterung!“ und dann auf der anderen Seite Rückstände in der Milch sind oder gefährliche Entwick­lungen auftauchen, dann fragt jeder: Wer hat das genehmigt? Welche Zuständigkeit gab es dort? Wie ist das Anlagengenehmigungsverfahren gelaufen? – Daher ist abwä­gend vorzugehen.

Klar ist aber, wir brauchen Erleichterungen, gerade was die Unternehmensgründung, was die unternehmerische Tätigkeit anbelangt. David Cameron ist zwar mit Brexit nicht gerade ein gutes Beispiel für Vorzeigeprojekte, aber auf der anderen Seite hat er im Vereinigten Königreich mit Dingen wie „one-in, two-out“ oder auch diesen befristeten Regelungen für Verordnungen, bei denen man nach ein paar Jahren erklären muss, warum man eigentlich das Gesetz oder die Verordnung benötigt, die Gesetzgeber und die Behörden unter Druck gebracht und nicht den Normunterworfenen. Ich denke, das wäre auf der Metaebene ein genauso richtiger Weg wie der, dass wir nicht ständig Gold Plating betreiben müssen und aufdoppeln müssen. Daher: Weniger Bürokratie, weniger Staat: Ja! Das müssen wir uns gemeinsam erarbeiten.

Frau Kollegin, betreffend die 1 007 Vorschläge des Herrn Rechnungshofpräsidenten: Wir sehen sie! Das Problem ist jetzt weniger, dass ich, ich glaube, 10 000 gute Vor­schläge habe, sondern es ist die Frage des Wie, weil das natürlich dann dort und da gerade bei einigen Institutionen auch mit Machtverlust verbunden ist. Wir gehen das gerne an! Wir schauen uns auch diverse Möglichkeiten an, zum Beispiel sind wir sogar mit dem Landeshauptmann von Salzburg im Gespräch in Richtung Deregulierungs-


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beauftragter von unten und von oben. – Ich glaube, das ist eine gute Idee, die könnten wir fortsetzen.

Da auch Forschung und Entwicklung angesprochen worden sind, ein ganz wichtiger Bereich: Ich würde sagen, im Endeffekt ist unser Problem nicht die Grundlagenfor­schung, unser Problem ist die Überleitung der Forschungsergebnisse in die Praxis. Wir haben dort viel zu wenige Unternehmen, die den Geist haben, die die Einstellung haben, hier auch wirklich wirken zu wollen. In Wien haben wir 90 000 Studierende und 13 haben im vorigen Jahr Unternehmen gegründet; bei Harvard oder Cambridge habe ich ein Vielfaches davon! Daher haben wir solche Transferzentren und anderes eingerichtet. Dort, so meine ich, müssen wir ansetzen, wie auch bei der Finanzierung. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt die Geisteswissenschaften vernachlässigen wollen. In der Umsetzung muss beides gewährleistet sein, es muss so eine Art Kultur geben.

Zur Finanzierungsfrage – um auch das zu erwähnen: Ja, wir haben dort bestimmte Probleme. Die Zinsen sind niedrig, Kapital und die Anlage in Sparbüchern rechnen sich jetzt für die Kunden kaum mehr, was sich auf den Konsum positiv auswirken könnte. Auf der anderen Seite müssen wir aber schauen, dass wir eben andere Finanzierungs­formen wie Crowdfunding und anderes Venture Capital forcieren, denn im Endeffekt erreiche ich durch direkte Beteiligungen und andere Investments bei den Unternehmen viel mehr Bewegung.

Und wenn ich Bewegung brauche, brauche ich auch Flexibilisierung bei den Unter­nehmen. Wo und wann die Arbeit anfällt, muss der Unternehmer selber entscheiden können! Aber wir brauchen jetzt nicht unbedingt – das muss ich auch in Richtung der neuen Konstellation in der Bundesregierung sagen – eine Arbeitszeitverkürzung. Es geht nicht um weniger Arbeit, sondern man muss die Arbeit anders verteilen.

Darüber hinaus geht es auch um die falschen Botschaften: Bei allem Respekt, ökolo­gische Steuerreform, ökosoziale Steuerreform aufkommensneutral, Maschinensteuer aufkommensneutral, das klingt im ersten Ansatz gut, im zweiten Ansatz, wenn man darüber nachdenkt, heißt das natürlich, es wird jemand bevorteilt und es wird jemand benachteiligt. Und bei der Maschinensteuer ist es dann eben so, dass dann Inves­titionen, Abschreibungen, Gewinne benachteiligt werden. Und in Zeiten wie diesen, in denen Investitionen von der Stimmung abhängen, in denen überhaupt die Stimmung bei den Unternehmen das Entscheidende ist, brauche ich nicht die falschen Signale.

Das gilt aber auch für eine ökosoziale Steuerreform: Wenn ich daran denke, dass auch dann jemand mehr zahlt, nämlich beispielsweise Pendler und andere, dann glaube ich nicht, dass wir ohne internationale Akkordierung eine derartige Steuerreform alleine tragen können. Wir müssen uns sehr genau überlegen, in welcher Zeit, mit welchem Volumen und wie wir eine derartige Steuerreform andenken, denn grundsätzlich ist das nichts Verbotenes. Die Idee an sich ist zu diskutieren, aber ich glaube, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, die falschen Signale auszusenden. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher, meine Damen und Herren, da ich mich auch an die Redezeit halten wollte und das Ganze jetzt nur eher kursorisch habe ansprechen können, meine ich zusam­menfassend: Es ist klar, dass wir die richtigen Weichenstellungen gesetzt haben, was die Internationalisierung anbelangt, auch was die Entbürokratisierung betrifft – diesbezüglich herrscht auch in der Regierung großes Einvernehmen. Wir wissen, dass Forschung und Entwicklung die Basis für Innovation und für die Zukunft sind, und im Endeffekt brauchen wir am Schluss der ganzen Entwicklung beziehungsweise beglei­tend dazu einfach auch die richtige Stimmung.

Für diese müssen wir gemeinsam sorgen, indem wir das Positive in den Vordergrund stellen. Man kann ein Glas halb leer oder halb voll sehen – ich sehe es natürlich halb


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voll. Das wird uns wirtschaftlich nützen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

10.15


Präsident Josef Saller: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf. Gegebenenfalls gebe ich ein Glockenzeichen.

Nun ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.16.21

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! In der vom Präsidenten gerade geforderten Kürze ein paar Sätze zu dem bisher Gehörten.

Wir haben gehört, dass das wirtschaftliche Wachstum anzieht. Wir haben zum ersten Mal seit geraumer Zeit Anzeichen, dass ein kleines Pflänzchen des Wirtschafts­aufschwungs da ist, das wir natürlich auch entsprechend hegen und pflegen müssen. Der Herr Vizekanzler hat das richtig gesagt: In diesem Augenblick der Hege und Pflege ist es selbstverständlich auch wichtig, die richtigen Signale auszusenden. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bundesregierung in dieser Konstellation das auch kann und tun wird.

Es ist in diesem Augenblick sicherlich nicht das richtige Signal, neue Steuern zu erfin­den, ohne das Wort einer massiven Abgabensenkung, die wir brauchen, zuguns­ten der Wirtschaft, aber auch zugunsten der Leistungsträger dieser Gesellschaft in Angestell­ten­verhältnissen oder wo immer sie sind, irgendwann anzubringen. Ob diese Steuer­reform ökosozial sein wird? – Dass Elemente davon enthalten sein können, ist auch unstrittig, aber fest steht, dass das, was wir momentan als Abgabenquote haben – und da bin ich bei Ihnen, Herr Kollege – nicht der richtige Ansatz ist.

In dieser Situation werden wir Arbeit auch nicht erschweren oder verteuern können, weil wir natürlich eher in die Richtung gehen müssen, dass wir Arbeitsplätze schaffen, und das wird nicht dadurch möglich sein, dass ich sie teile oder verteuere.

Faktum bleibt aber letztlich, dass wir auch das psychologische Element der Wirtschaft, wie es der Herr Vizekanzler soeben gesagt hat, sehen müssen, dass wir miteinander dafür verantwortlich sind, dass wir Aufschwung und Optimismus hineinbringen.

Das ist für uns auch international notwendig – diesen Ansatz möchte ich hier schon einbringen. Österreich hat zwei wesentliche Standbeine, die etwas bringen: Das eine ist der Tourismus – das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass Menschen zu uns kommen – und das andere ist der Export – das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass Menschen unsere Waren kaufen, und das möglichst ohne Handelshemmnisse. Wer also in dieser Situation meint, wir in Österreich könnten auf Basis unserer wirt­schaft­lichen Gegebenheiten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder in dem Sinn die EU infrage stellen, dem sage ich schon, er spielt mit einem Feuer, das er nicht kon­trollieren kann.

Ich bin sicher, dass die österreichische Bundesregierung keine Retropolitik machen wird. Sie wird keine alten Steuern neu erfinden und sie wird keine Arbeitszeiten noch starrer oder kürzer gestalten, als sie das bisher tat. Davon bin ich ganz fest überzeugt, Herr Kollege. Es wäre ja doch eher überraschend, wenn das passieren würde.

Aber wir dürfen nicht krankjammern. Manchmal, muss ich dazusagen, lesen sich Zeitungen oder manche Kommentare so, als ob wir in einer devastierten Landschaft leben würden, wo rundherum die hungernden und darbenden Menschen herumliegen


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und keine Arbeit mehr haben. Dem halte ich entgegen: Wir haben immer noch men­gen­weise Weltmarktführer, und in diesem Land werden jeden Tag viele Unter­nehmen gegründet.

Im Sinne des Let’s-do-it-Optimismus der Kollegin Reiter halte ich den Weltuntergangs­apologeten entgegen: Martin Luther hat gesagt: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbäumchen pflanzen. – In diesem Land, meine Damen und Herren, werden jeden Tag noch jede Menge Apfelbäumchen gepflanzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.19


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 


10.20.15

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir das alles sehr, sehr genau angehört, und ich habe mit unserer Wirtschaftskammerpräsidentin in Nieder­österreich, Sonja Zwazl, ein sehr, sehr gutes Verhältnis. Ich sage es und stehe auch dazu, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass wir nur gemeinsam etwas bewirken können.

Sonja hat das Jugendausbildungsgesetz angesprochen. Dazu möchte ich schon auch sagen, dass das natürlich eine Herausforderung für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer ist und dass das für unsere Betriebe in Österreich eine Herausforderung sein wird. Lieber Herr Wirtschaftsminister, da heißt es aber auch, uns die Facharbeiter­ausbildung und die Bildung im schulischen Bereich ebenso anzuschauen und den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Betrieben auszurichten und sie auch dazu zu verpflichten, in die Lehrlingsausbildung oder in die Ausbildung zu investieren und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Wir wissen – und Sie wissen es auch ganz genau –, dass die Zahl der Ausbildungs­plätze für Facharbeiterinnen und Facharbeiter nicht eine immens explodierende, sondern eine rückläufige ist. Das ist in Österreich so (Bundesrätin Zwazl: Aber eine …!), und wir wissen auch, liebe Sonja, wir haben das letztes Jahr auch bei einer Enquete diskutiert, dass weniger Lehrverträge unterschrieben werden. Das ist Fakt. Diese Ausbildungsplätze stehen nicht zur Verfügung. Und da ergeht an Sie, Herr Wirtschaftsminister, die Forderung und auch die Bitte von meiner Seite, auf die Unter­nehmerinnen und Unternehmer einzuwirken.

Sonja hat bereits eine Initiative angekündigt, ich möchte das hiermit auch tun. Es handelt sich dabei um den Schutz der europäischen Stahlindustrie – Sie kennen es. Wir würden uns freuen, wenn diese Initiative, bei der es um höhere Antidumpingzölle, kürzere Verfahren und Zulassungen geht, auch hier unterstützt würde, um unsere hohe Qualität, die wir hier in Österreich produzieren und vor allem auch entwickeln, nicht auf dem Altar der Marktwirtschaft und des globalen Handels zu opfern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Digitalisierung wurde angesprochen. Die Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche, auch die Arbeitswelt. Sie verändert Arbeits­prozesse, Geschäftsmodelle genauso wie Unternehmensstrukturen. Der digitale Wan­del ist aber natürlich keine Naturgewalt, sondern kann und muss von uns allen gestaltet werden. Er hat natürlich auch Auswirkungen auf die Beschäftigung und Verteilung. Kaum ein Geschäftsmodell funktioniert heute noch ohne Bits und Bytes. Für Beschäf­tigte bleibt das nicht ohne Folgen. Sie benötigen natürlich zunehmend Kom­petenzen im digitalen Bereich, die auch regelmäßiger Erweiterungen bedürfen. Beschäftigung muss also auch Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung ermöglichen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 30

Durch die Digitalisierung können Tätigkeiten natürlich immer räumlich und zeitlich flexibel erfolgen. Das kann einen Zuwachs von Autonomie bedeuten, genauso wie das Verschmelzen von Arbeit und Privatsphäre. Für einen Teil der Beschäftigten führt die Digitalisierung auch zur Einschränkung ihrer Arbeitsautonomie. Ihr Aufgabenprofil reduziert sich auf standardisierte Routinetätigkeiten. Demgegenüber wird das Tätig­keits­profil von manchen Beschäftigten vielseitiger und abwechslungsreicher.

Eine Zunahme unsicherer und individualisierter Beschäftigungsformen bewirkt, dass Beschäftigungsschutz, Systeme für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Kollektivverträge ihre Wirkungen nicht mehr entfalten können. Das heißt natür­lich für uns alle, im Geltungsbereich von sozialen Normen und arbeitsrechtlichem Schutz für durch die Digitalisierung entstehende Beschäftigungsformen auch eine Abgabenverpflichtung, vielleicht auch an Plattformbetreiber für digitale Auftragsver­gaben oder Einzelselbständige, anzudenken – Abgaben aufgrund reduzierter oder auch veränderter Arbeitsplätze.

Wenn wir das Thema Arbeitszeitumverteilung – ich sage ganz bewusst Arbeitszeit­umverteilung – ansprechen, dann wissen wir, dass Wifo-Chef Karl Aiginger diesbe­züglich viele Vorschläge gebracht hat. Wenn es um Arbeitszeitumverteilung geht, die allen Beschäftigten natürlich auch sozialversicherungsrechtlich einen hohen Schutz bieten soll, dann heißt das auch, dass es Möglichkeiten gibt, indem man sagt: Im Bes­ser­verdienenden-Segment geht es auch darum, dass man Freizeitoptionen hinein­nimmt, ohne übermäßige Gehaltserhöhungen, denn bei Einkommen jenseits der 10 000 € monatlich geht es auch um Freizeit.

Durch die Digitalisierung werden auch zusätzliche Potenziale für Effizienzsteigerung geschaffen. Die Erhaltung eines dauerhaft hohen Beschäftigtenniveaus erfordert auch Intervention, natürlich in der Arbeitszeitumverteilung, im Spielraum für Investition, Forschung und Entwicklung und, wie auch schon angesprochen, in Bildung und Qualifizierung.

Lieber Herr Wirtschaftsminister, Sie haben es auch angesprochen: Comprehensive Economic and Trade Agreement – ein sehr sperriger Begriff –, kurz CETA. Auch wenn wir verstärkte Handelsbeziehungen natürlich befürworten, kann es nicht sein, dass das auf Kosten der Österreicherinnen und Österreicher geht. Wenn es um die Qualität geht, wenn es um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, dann müssen wir sehr, sehr genau darauf schauen.

Positive Effekte in den Arbeitsnormen, die Sie auch angesprochen haben, sind natür­lich höhere Einkommensgerechtigkeit, bessere Wirtschaftsleistung, niedrigere Arbeits­losigkeit, höhere Produktivität, höhere Durchschnittslöhne und Reduzierung der Einkom­mensunterschiede.

Bei den verschiedenen Abkommen ersuche ich Sie, darauf zu schauen, dass bei öffentlichen Dienstleistungen, die Maschinen und Roboter vielleicht besser machen können – wie zum Beispiel gefährliche Arbeiten durchzuführen –, der positive Effekt genutzt wird; aber wenn es um Menschen, um Bildung, Ausbildung, Fortbildung und Pflege geht, sollten wir das nicht den Maschinen überlassen. (Präsident Saller gibt das Glockenzeichen.)

Lieber Herr Vizekanzler, das werden wir uns alles sehr, sehr hart am Verhandlungs­tisch in Brüssel erkämpfen müssen. Aber als konstruktiver und gelernter Sozialpartner, wie wir Sie kennenlernen durften, gehen wir davon aus, dass Sie für Österreich, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für die Arbeitgeber das Beste herausholen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.27



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 31

Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.27.45

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Wir haben heute schon eine Fülle von mehr oder weniger guten Vorschlägen und Ideen zum Thema Wirtschaftsstandort Österreich gehört.

Herr Vizekanzler, Sie haben das Ranking des IMD angesprochen, in dem wir uns um zwei Plätze verbessert haben – von 26 auf 24. Sie haben dabei natürlich verschwie­gen, dass wir im Jahr 2007 noch auf Platz 11 gelegen sind, also der Trend eigentlich nicht unbedingt positiv zu beurteilen ist. Jedenfalls gibt es – Sie haben es auch schon angesprochen – eine Fülle von österreichischen und internationalen Instituten und Institutionen, die diverse Kennzahlen ermitteln und vergleichende Analysen über den Wirtschaftsstandort durchführen.

Ich habe mir eine Analyse von Deloitte näher angeschaut, in der sieben wesentliche Kriterien für die Qualität eines Wirtschaftsstandorts identifiziert werden. Da gibt es das politisch-makroökonomische Umfeld: Da haben wir Handlungsbedarf, wird festgestellt. Im Bereich Infrastruktur und Umfeld sind wir soweit recht gut aufgestellt, mit Verbes­serungspotenzial. Im regulatorischen Umfeld besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Dann gibt es den Bereich Kosten und Fiskalpolitik, und das ist der Bereich, in dem wir dringenden Handlungsbedarf haben. Innovation, Forschung und Technologie wurden heute bereits öfters genannt; da sind wir nicht schlecht aufgestellt, auch mit Verbes­serungspotenzial. Handlungsbedarf haben wir auch bei der Verfügbarkeit der Arbeits­plätze, und sozusagen einsame Spitze sind wir im Bereich der Lebensqualität in Österreich, in dem wir wirklich einen Standortvorteil haben.

Wenn ich das jetzt so betrachte, dass die Regierung eigentlich den Standort Österreich managt und es ihre Aufgabe ist, diesen Standort zu managen, dann haben wir im Sinne eines Managements schon sehr viel. Wir haben die Analysen, wir wissen, woran es krankt, wir haben die Umfeldanalysen, Stärken und Schwächen, und wir haben auch die Ziele und wissen, wo wir hinmüssen. Allein, es fehlt an Strategien und konkre­ten Maßnahmen und deren Umsetzung anhand eines zeitlichen Plans. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Es ist ganz klar, dass wir nicht in allen Betätigungsfeldern und hinsichtlich all dieser Kriterien innerhalb kürzester Zeit die entsprechenden Lösungen werden umsetzen können, aber üblicherweise widmet man sich einmal schwerpunktmäßig jenen Be­reichen, in denen es das größte Potenzial und den größten Handlungsbedarf gibt, und das ist die Fiskalpolitik, in der wir eine enorm hohe Steuer- und Abgabenquote haben.

Sie haben als positiven Punkt die Steuerreform genannt: Ja, das ist ein positiver Effekt, allerdings darf man nicht vergessen, dass dieser von Jahr zu Jahr schwinden wird, weil wir es nicht geschafft haben, die kalte Progression abzufangen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Daher wird dieser Vorteil wieder aufgefressen werden.

Sie haben auch die Flüchtlinge genannt. Das ist ein bisschen ein Problem, weil das auf Pump finanziert ist. Also da gibt es viel zu tun.

Ein kompliziertes Steuersystem, steigende Lohnstückkosten – das regulatorische Um­feld mit der Bürokratie wurde bereits oft angesprochen. Ich sage einfach nur: Machen wir es doch endlich! Soll es diese Regierung doch endlich machen! Ankündigungen allein helfen wenig. Sie haben das bereits am 25. Jänner des heurigen Jahres mit Herrn Wirtschaftskammerpräsidenten Leitl präsentiert: Behörden als Partner der Wirt-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 32

schaft, einfachere Gründungen, schnellere Genehmigungsverfahren, Informations- und Meldepflichten verringern und kein Geld für Gold Plating verschwenden.

Das alles sind richtige Dinge, aber sie gehören endlich gemacht, und da sehe ich das Problem: Es wird zu viel geredet, zerredet, es gibt zwar gute Ansätze, aber letzten Endes wird uns das nicht helfen, sondern allein die Umsetzung kann uns im Ranking vielleicht wieder – was unser Ziel sein sollte – unter die Top Ten bringen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.33


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich erteile ihr dieses.

 


10.33.33

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause und hier im Saal! Ich möchte den Standort Österreich, weil es heute bisher noch nicht geschehen ist, vor allem aus frauenpolitischer Sicht beleuchten.

Gerade in vielen Bereichen der Wirtschaft und in vielen Wirtschaftsprogrammen sind Frauen kaum repräsentativ vertreten. Im Gegensatz dazu sehen wir Bereiche wie soziale Sorge, Familien- und Betreuungsarbeit, die typisch weiblich besetzt sind und in denen vor allem Frauen tätig sind. Die ökonomischen Leistungen daraus werden systematisch unterbewertet, und daraus ergibt sich eine Reihe von Benachteiligungen oder Diskriminierungen von Frauen, die bekannt sind.

Frauen verdienen in Österreich brutto pro Stunde um 23 Prozent weniger als Männer. Wir haben den zweihöchsten Gender Pay Gap in der EU; nur Estland hat einen noch größeren Gender Pay Gap als Österreich.

Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen. Eine davon ist natürlich die hohe Teilzeitquote bei Österreichs Frauen. Österreichs Frauen arbeiten zu 46 Prozent Teilzeit, EU-weit liegt der Durchschnitt bei 30 Prozent – da sind wir wirklich deutlich darüber. Aber es ist nicht nur die hohe Teilzeitquote eine der Ursachen. Fakt ist auch: Frauen werden generell niedriger eingestuft, sie haben weniger Aufstiegschancen, bekommen weniger Zulagen, und es sind eben auch die typischen Frauenbranchen – Pflege, Einzelhandel, Sozialberufe, Kinderbetreuungsberufe –, die generell einfach auch sehr viel schlechter bezahlt sind.

Allein in Wien sind 44 Prozent der Frauen atypisch beschäftigt und dementsprechend armutsgefährdet. Besonders Alleinerzieherinnen sind davon sehr stark betroffen (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler), und auch die Diskriminierung von älteren Personen auf dem Arbeitsmarkt steigt bei Frauen stärker an als bei Männern. Die Altersarmut von Frauen ist in Österreich mittlerweile allgegenwärtig. Und durch all diese Faktoren kommt es dann auch dazu, dass Frauen generell eine geringere Kaufkraft und einen geringeren Marktzugang haben.

Frauen sind auch in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsgremien unter­reprä­sentiert, und genau in diesen Entscheidungsgremien werden natürlich auch wieder Gesetze und Programme beschlossen, in denen Frauen dann wieder unter­reprä­sentiert sind.

Ich habe es eingangs kurz angesprochen: Neben diesen Nachteilen, die ich gerade genannt habe, leisten Frauen aber im Durchschnitt auch zwei Drittel der unbezahlten notwendigen Arbeit für die österreichische Gesellschaft. Da tun sich ganz prekäre Situationen auf, und es braucht da ganz dringend Veränderung. Aber gerade die


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 33

aktuellen Lösungsansätze für die Wirtschaftskrise verschlechtern die Situation der Frauen weiter. Wir haben einen massiven Anstieg an schlecht bezahlten Jobs, an Teilzeit und an atypischen Beschäftigungsverhältnissen, die gerade bei Frauen deutlich zunehmen. Es ist höchste Zeit, dass sich da etwas verändert.

Meine Kollegin hat sehr viel davon schon vorweggenommen, deshalb werde ich nur die frauenspezifischen Punkte aufzählen, die uns einfach ein sehr großes Anliegen sind. Es braucht ganz dringend gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit. Es braucht eine gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, von Einkom­men, aber auch von Zeit. Es braucht eine Steuerreform zugunsten von Frauen und niedrigen Einkommen, deren BezieherInnen sehr oft Frauen sind, und öffentlicher Infrastruktur, die von Frauen vermehrt genützt wird.

Es braucht eine Reformierung der Mindestsicherung, und vor allem braucht es auch ein echtes Gender Budgeting auf allen Politikebenen. Es braucht steuerliche Maß­nahmen zur Überwindung der gläsernen Decke, die in Österreich im Ländervergleich immer noch stark präsent ist, und es braucht eine Einführung von Frauenquoten für Entscheidungsgremien in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, zum Beispiel nach dem Vorbild Norwegens, wo es schon lange umgesetzt wird und sehr gut funktioniert. Aber das ist ohnehin eine altbekannte Forderung von uns.

Da das Licht schon blinkt, komme ich nur ganz kurz zu dem Grund, warum mir das so wichtig ist. Der Grund ist nicht der, dass ich selbst eine Frau bin, und es geht auch nicht nur darum, dass es den Frauen besser geht, sondern es geht darum, dass es der gesamten Gesellschaft besser geht. Es gibt mittlerweile sehr viele Studien, die zeigen, dass sich große Einkommensunterschiede innerhalb der Gesellschaft äußerst negativ auf die komplette Gesellschaft auswirken, mit sehr weitreichenden Folgen und Prob­lemen aller Art, von sinkender Lebenserwartung über das Wohlergehen der Kinder bis hin zum Abstiegsrisiko der Mittelschicht, das dadurch stark ansteigt.

Dagegen braucht es Wirtschaftssysteme, die Frauen mit einbinden, die Frauen gleichstellen und die Frauen fördern – für eine funktionierende Gesellschaft und als Grundlage für einen florierenden Standort Österreich. Und da ist jetzt einfach die beste Zeit dazu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)

10.38


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Zelina. Ich erteile ihm dieses.

 


10.38.49

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister! Liebe Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Eine gute Wirtschafts­politik und eine gute Wirtschaftsstandortpolitik ist die beste Sozialpolitik, weil sie Arbeitsplätze schafft.

Leider haben wir in Österreich keine gute Wirtschaftspolitik, und das Resultat sind 500 000 Arbeitslose, die höchste Arbeitslosigkeit seit 70 Jahren (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), eine Rekordverschuldung von 300 Milliarden €, die wichtige Zukunftsinvestitionen verhindert, und als Draufgabe rekordhohe Steuern und Abgaben, die unseren Konsum abwürgen.

Die Verwaltungsmisswirtschaft in Österreich und die Verweigerung, notwendige Refor­men anzugehen, sind standortschädigend. Wir leisten uns einen riesigen ineffizienten


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 34

Staatsverwaltungsapparat, den wir alle über überhöhte Steuersätze und ausufernde Sozialabgaben mitfinanzieren müssen.

Unser Staat ist aufgebläht, fett und krank. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der Standort Österreich wird aufgrund der hohen Steuern und bürokrati­schen Auflagen für viele Unternehmen und Investoren immer unattraktiver. Allen Staats­bediensteten und politischen Funktionären geht es gut in unserem Land, aber denjenigen, die unternehmerische Ideen haben und Leistungen erbringen wollen, wird das Leben durch Tausende Auflagen, Schikanen und Kontrollen schwer gemacht. Viele Leistungsträger und Unternehmer sind sauer und wütend auf unsere Regierung und wollen nur noch eines, und zwar auswandern, weg von Österreich – hin in Länder, wo man als Unternehmer und Arbeitgeber noch herzlich willkommen ist und nicht ständig überprüft, schikaniert, behindert und zu Tode besteuert wird! (Bundesrat Schennach: Aber, aber! Das schau’ ich mir an!)

In Bulgarien kann man mit einem einzigen Gewerbeschein alle Gewerbe betreiben. In Österreich darf ein innovativer Friseur nicht zusätzlich Kaffee und Kuchen anbieten. Ein Gastwirt auf dem Land darf in seinem Lokal nicht ergänzend eine Trafik betreiben. Dabei wären es gerade diese branchenübergreifenden Gewerbekombinationen, die Arbeitsplätze und Infrastruktur in kleinen ländlichen Gemeinden ermöglichen und erhalten würden.

Wir brauchen eine Wirtschaft ohne Bürokratie, eine Wirtschaft mit weniger Auflagen und weniger Vorschriften. Gewerbliche Schikanen für Jungunternehmer, die mit kreativen, innovativen Ideen in Österreich eine Firma aufmachen wollen, gehören beseitigt. Österreich muss wieder ein attraktiver, kostengünstiger Wirtschaftsstandort für Investoren und Unternehmen werden. Derzeit wirkt Österreich durch die hohen Arbeitskosten, die massive Steuerbelastung, die Bürokratie und einen gefräßigen sozialistischen Staat, der nach Vermögenssteuern trachtet, abschreckend auf alle, die mit Einsatz, Fleiß und Unternehmergeist Arbeitsplätze und Werte schaffen wollen. Unternehmen gehen dorthin, wo die niedrigsten Steuern, die geringsten Kosten, die niedrigsten Auflagen und das qualifizierteste Personal locken. (Bundesrätin Zwazl: Nach Mödling!) – Nach Mödling. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Unsere Staatsausgabenstruktur gehört geändert, weg von konsumierenden Verwal­tungs­ausgaben hin in Richtung von Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Innovation, Hochtechnologie, Forschung und Infrastruktur. Unsere Verwaltungsausgaben gehören jedes Jahr um 5 Prozent reduziert, und zwar fünf Jahre lang, bis unsere Verwaltung in Summe 30 Prozent schlanker ist.

Parallel zur Verschlankung des Staates gehören zur Attraktivierung unseres Stand­ortes und zur Anlockung von Unternehmen in unsere Gemeinden die Steuersätze gesenkt und unsere Staatsschulden reduziert.

Unternehmen, die ihre Gewinne im Inland reinvestieren, sollen steuerfrei gestellt werden. Unternehmen zahlen gewinnunabhängig durch die hohen Lohnnebenkosten bereits genug Steuern und Sozialabgaben. Eine Gewinnsteuer auf nicht ausge­schüttete Gewinne, die im Unternehmen bleiben und im Inland reinvestiert werden und dadurch Arbeitsplätze schaffen, ist kontraproduktiv. Erst wenn die Gewinne aus dem Unternehmen ausgeschüttet werden, sollen die Gewinnsteuern anfallen und an die öffentliche Hand abgeführt werden.

Statt standortschädigender Wertschöpfungsabgaben brauchen wir Gewinnbeteiligun­gen für unsere Mitarbeiter. 10 Prozent der Gewinne der Unternehmen sollen in Löhne zurückverwandelt werden. Die Mitarbeiter haben ein moralisches Recht auf 10 Prozent


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 35

des Gewinns ihres Unternehmens, welchen sie durch ihren Fleiß selbst miterwirt­schaftet haben. (Rufe bei der ÖVP: Und bei Verlust?) Höhere Löhne via Gewinnbe­teiligungen kurbeln den Konsum und die Nachfrage an und spülen Umsatzsteuer­einnahmen zur Finanzierung des Sozialstaates in die Staatskassen. Machen wir unsere Mitarbeiter zu Mitunternehmern, dann sind alle Interessen zwischen Arbeit­gebern und Arbeitnehmern gleichgeschaltet und alle Unternehmer und Mitarbeiter und der Staat profitieren von effizienteren, produktiveren Betriebsführungen! (Vizeprä­sidentin Winkler gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluss. Auch die Lohnnebenkosten gehören natürlich gesenkt, denn zu hohe Lohnnebenkosten vernichten Arbeitsplätze und sind auch standortschädigend. Ich würde gleich bei der Wirtschaftskammer anfangen, nämlich bei der lohnsum­men­abhängigen Kammerumlage 2. Schaffen wir sie ab, dann haben wir eine direkte Ent­lastung der Lohnnebenkosten! Die Wirtschaftskammer hat ohnehin zu viel Geld und gehört auch verschlankt. Fit statt fett, das gilt auch für die Wirtschaftskammer! – Vielen Dank.

10.45


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. – Bitte.

 


10.45.38

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kol­lege Zelina, auch wenn Sie das jetzt mit fast priesterlicher Leidenschaft vorgetragen haben, es ist irgendwie doch eigenartig gewesen, was Sie da alles an Behauptungen aufgestellt haben. Ich möchte dem, als Überlegung für Sie vielleicht, womit Sie sich in Zukunft noch auseinandersetzen könnten, folgende Fragestellung gegenüberstellen: Wie erklären Sie sich, dass Österreich einen Exportanteil von rund 60 Prozent hat? – Könnte das nicht irgendwie damit zusammenhängen, dass wir letztendlich, was Preis, was Qualität, was Service, was Marketing anlangt, im internationalen Wettbewerb mithalten können? Warum? – Sonst würden wir die Produkte nicht verkaufen können! Das heißt auf der anderen Seite, dass alle Ihre Argumente, alle würden von hier flüchten, unsere Produkte wären nicht konkurrenzfähig, so nicht ganz stimmen können; bei allem Verbesserungsbedarf, den ich und viele Kolleginnen und Kollegen ja auch sehen.

Ein zweites Argument: Es gibt in Österreich eine Einrichtung, die Austrian Business Agency, die jährlich Daten darüber bekannt gibt, wie sich die Situation bei den Be­triebsansiedelungen in Österreich verändert. – Wir haben letztes Jahr einen Rekord gehabt und haben heuer einen Rekord! Es waren letztes Jahr 279 Betriebsansie­delungen.

Woher kommen sie? – Sie kommen vor allem aus Deutschland und aus Italien. Warum kommen sie zu uns? – Weil wir, was den Standort anlangt, recht günstige Rahmen­bedingungen vorweisen können, vor allem Rechtssicherheit. Daher wird auch Ihre Argumentation, alle flüchten von uns, nicht ganz richtig sein.

Schauen wir uns aber auch andere Daten an, schauen wir uns einmal die Investitions­summen an! Diese sind doppelt so hoch, wie sie etwa im Jahr 2005 waren. 2005 war auch die Zahl, was die Ansiedelungen anlangt, in etwa halb so hoch. Damals haben wir behauptet, wir sind das bessere Deutschland; da war dieser berühmte Zeitungsartikel im „stern“. (Bundesrat Dörfler: Im „Spiegel“!) – Im „stern“ war der Artikel. Und wenn


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 36

Sie sich die Fakten von damals und heute anschauen, dann sehen Sie, dass wir uns eigentlich ganz gut schlagen. Das möchte ich eigentlich deswegen betonen, weil das im Klartext heißt, dass das kein Anlass zur tatenlosen Selbstzufriedenheit ist.

Das ist auch kein Anlass, Herr Krusche, dass Sie meinen, wir haben keine Strategie und arbeiten nicht nach einer Strategie! Ihr Kollege Pisec hat hier im Bundesrats­plenum bei anderer Gelegenheit die Strategie der Leitbetriebe vorgestellt und sogar gelobt. Und wenn Sie sich diese wiederum vornehmen, dann werden Sie sehen, dass dort das, was die Industriebetriebe gemeinsam mit uns, weil die Leitbetriebe auch für die Klein- und Mittelbetriebe maßgeblich sind, erarbeitet haben, zu einem sehr, sehr großen Teil auch schon umgesetzt ist. Die waren teilweise selbst davon überrascht, was wir da schon alles entwickelt haben.

Beispiel Lohnnebenkosten. – Herr Kollege Zelina, ich weiß, es ist beliebt, die Kammer wegen der Kammerumlage anzugehen, aber, und das haben Sie gar nicht erwähnt, wir haben die Lohnnebenkosten schon zu einem Teil gesenkt! (Zwischenruf des Bundes­rates Zelina.) – Ja, Sie sagen so, aber ich finde, 1 Milliarde € sind nicht wenig. Schau­en Sie es sich an! Der Familienlastenausgleichsbeitrag – und das macht uns auf der anderen Seite beinahe Probleme – wird von 4,5 Prozent auf 4 Prozent der Lohnsumme gesenkt, und das ist ja nicht muki. – Das zum einen.

Herr Kollege Pucher, Sie haben, glaube ich, die Frage mit der Arbeitszeitumverteilung angesprochen. (Rufe bei der SPÖ: Pfister!) Ich meine, was ist das dann anderes als eine Arbeitszeitverkürzung? (Weitere Rufe bei der SPÖ: Pfister!) – Pfister, Entschul­digung. (Bundesrat Pfister: Ich halte das aus!)

Herr Kollege Pfister, entschuldigen Sie, aber Umverteilung ist Arbeitszeitverkürzung. Wir unterstützen das gerne, was den Stahlbereich anlangt, aber Sie haben vom Altar der Marktwirtschaft gesprochen. Ich meine, wir alle wollen immer Marktwirtschaft, und da ist es ein Problem, wenn wir dann mit Dumpingzöllen agieren. Also im Endeffekt ist das eine schwierige Geschichte. Wir wollen den Stahlarbeitern helfen, aber das Problem ist China, das Problem sind die großen Kontingente, die man dort auf den Markt werfen wird.

Last but not least – jetzt sage ich es aber richtig –, Frau Kollegin Schreyer, habe ich Ihre Ausführungen sehr spannend gefunden, nämlich die Problematik Standort aus der frauenpolitischen Perspektive zu beleuchten – nicht gar so sehr, weil es zu dieser Thematik in der Frauenpolitik ja verschiedene Programme, Anreize, Förderungen, Aus­einandersetzungen gibt, sondern weil die relevante Frage, inwieweit die Chancen­gleich­heit zwischen Frauen und Männern auch ein Standortfaktor ist, wirklich noch zu wenig ausgeleuchtet worden ist. Man muss sich wirklich anschauen, wie gut ent­wickelte Volkswirtschaften in dem Bereich liegen und ob das wirklich Rückschlüsse zulässt, weil das ein durchaus interessanter Ansatz ist, aus dem Gesichtspunkt heraus die Gleichbehandlung zu forcieren.

Ich kann Ihnen nur sagen, der beste Weg ist wahrscheinlich bei den Universitäten gegangen worden. Dort haben wir, was die Kollegialorgane anlangt, schon längst die 50 Prozent. Wir haben auch einen höheren Anteil von Mädchen bei den Studierenden. Ich glaube, das ist auch die beste Voraussetzung: durch faktische Entwicklung die gläserne Decke bei Führungsfunktionen zu durchbrechen und nicht durch Quoten. Das ist zwar wieder eine andere Geschichte, aber der Ansatzpunkt ist, glaube ich, grundsätzlich sehr interessant.

Meine 5 Minuten sind um, meine Damen und Herren, daher nur noch ein Schlusssatz! Ich glaube, Sie alle haben es bemerkt: Erstens geht es uns nicht so schlecht, wie


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 37

manche, die in der Opposition sitzen, gerne erhoffen wollen, es geht uns aber auch nicht so gut, dass wir in Richtung tatenlose Selbstzufriedenheit gehen können. Grund­sätzlich tun wir das Richtige für den Standort, und es ist richtig, Frau Kollegin Reiter, wir können das Richtige da und dort auch noch beschleunigen. Es genügt aber nicht, dass wir allein von der Bundesregierung das angehen, sondern das geht über Betrie­be, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis hin zu allen Einrichtungen und Institutionen auch auf Bundesländerebene.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir in Zukunft ein bestimmtes gemeinsames Vorgehen stärker wahrnehmen können. Es würde dem Standort nützen! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

10.51


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke, Herr Vizekanzler.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.54.58Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2911/AB-BR/2016 bis 2914/AB-BR/2016 des Bun­desrates sowie

eines Schreibens des Bundeskanzlers betreffend die Enthebung des Bundesministers ohne Portefeuille Mag. Thomas Drozda vom Amte gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister im Bundes­kanzleramt mit der Bezeichnung Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Arti­kel 77 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz durch den Herrn Bundespräsidenten bezie­hungsweise

eines Schreibens des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes betreffend Verhandlungen mit dem Fürstentum Liech­tenstein zum Abschluss eines zweiten Protokolls zur Abänderung des am 7. Dezem­ber 1970 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971,

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 38

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung des Bundesministers ohne Portefeuille Mag. Thomas Drozda gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister im Bundeskanzleramt mit der Bezeichnung „Bun­desminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien“ gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 77 Abs. 3 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten:

*****


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 39

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 des B-VG:

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Eingelangt ist ein Schreiben des Herrn Bundes­prä­sidenten betreffend die Abschrift seiner Entschließung vom 20. Juni 2016 auf Ein-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 40

berufung der Bundesversammlung unter der Voraussetzung, dass das Wahlergebnis gemäß § 22 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 rechtzeitig vor dem Sitzungstermin kundgemacht worden ist, gemäß Artikel 39 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz für den 8. Juli 2016, 11 Uhr, zur Angelobung des neu gewählten Bundespräsidenten

beziehungsweise eingelangt sind die beiden Schreiben des Bundeskanzlers an die Präsidentin des Nationalrates und an den Präsidenten des Bundesrates im Gegen­stand.

Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Techno­logie Mag. Jörg Leichtfried vom 29. Juni (abends) bis 1. Juli 2016 (vormittags) in München.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 41

Schreiben des Bundespräsidenten betreffend die Abschrift seiner Entschließung vom 20. Juni 2016 auf Einberufung der Bundesversammlung unter der Voraussetzung, dass das Wahlergebnis gemäß § 22 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 rechtzeitig vor dem Sitzungstermin kundgemacht worden ist, gemäß Artikel 39 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz für den 8. Juli 2016, um 11 Uhr, zur Angelobung des neu gewählten Bundespräsidenten:


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 42

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BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 43

Schreiben des Bundeskanzlers an die Präsidentin des Nationalrates und an den Präsidenten des Bundesrates betreffend Einberufung der Bundesversammlung:


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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

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BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 48

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weiters eingelangt sind Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Hans-Peter Doskozil am 30. Juni 2016 in der Schweiz, wobei dieser die Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser mit seiner Vertretung beauftragt hat, bezie­hungsweise

den Aufenthalt der Bundesministerin für Bildung und Frauen Dr. Sonja Hammerschmied am 29. und 30. Juni 2016 in Norwegen, wobei diese dem Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda mit ihrer Vertretung beauftragt hat.

*****

Eingelangt und dem Ausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde:

Nationaler Bildungsbericht Österreich 2015 (III-592-BR/2016 d.B.);

zugewiesen dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates sowie jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das zweite Halb­jahr 2016 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

10.56.43Einwendungen gemäß § 39 Abs. 4 GO-BR gegen die Tagesordnung

 


10.56.49

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Ich erhebe gemäß § 39 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates Einwendungen gegen die Tagesordnung dieser heutigen Sitzung. Grund dafür: Wir wissen, dass Frau Ministerin Hammerschmied heute im Ausland ist, doch wir hätten die so wichtigen Tagesordnungspunkte 10 und 11, vor allem das Schulrechtsänderungsgesetz, gerne mit der Ministerin persönlich diskutiert.

Wir beantragen daher die Absetzung der Punkte 10 und 11 von der Tagesordnung und deren Verschiebung auf die nächste Sitzung, weil wir der Meinung sind, zumal in 14 Tagen die nächste Bundesratssitzung stattfinden wird, dass dadurch keine unver­hältnismäßige Verzögerung des Inkrafttretens des Gesetzes erfolgen würde.

10.57


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.57.44

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesrätin Mühlwerth, das ist jetzt schon sehr verwunderlich! Als wir in der


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 49

Präsidiale diesen Punkt besprochen haben, war Ihr Kommentar zur Änderung der Tagesordnung: Ist mir egal, das müssen Sie sich ausmachen.

Ich möchte nicht, dass die beiden Punkte abgesetzt werden. Es ist auch für uns nicht sehr erfreulich, dass die Frau Ministerin nicht da sein kann, auch für sie ist es nicht erfreulich, aber diese Punkte, die wir heute beschließen werden, sind wichtig, damit die Vorarbeiten geleistet werden können, nämlich über den Sommer, damit im Herbst wirklich gestartet werden kann. Wir verstehen, dass im Ministerium Beamtinnen und Beamte sitzen, die auch Anspruch auf Urlaub haben, und wollen deshalb genügend Zeit einräumen, damit die Arbeit so vorangehen kann, dass im Herbst wirklich gestartet werden kann, dass die Kommunikation und alle Informationen weitergehen.

10.58


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


10.58.40

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Es ist ausdrücklich vor­gesehen, dass Ministerinnen und Minister vertreten werden, wenn sie Auslandsauf­enthalte haben, und von dieser Praxis möchten wir an und für sich auch nicht abgehen.

Wir haben in der Präsidiale kurz darüber gesprochen, und ja, es ist richtig, dort wurde schon das Argument vorgebracht, dass die Ministerin im Ausland ist. Vor allem aber wurde auch auf die Dringlichkeit hingewiesen, und das ist, denke ich, auch ein entscheidender Punkt in dieser Sache, denn es sind in diesem Schulrechtsände­rungsgesetz einige sehr wichtige Punkte enthalten.

Insgesamt kann man auch einige Meilensteine erkennen. Ich denke zum Beispiel an ein Projekt, das in den „Vorarlberger Nachrichten“ zitiert wurde. Bezau hat eine neue Werkraumschule, eine Handelsschule startet mit einer Lehrausbildung, und es gibt bereits so viele Anmeldungen, dass nach dem Start der Anmeldung diese schon wieder beendet werden musste, sonst müssten schon wieder Aufnahmeprüfungen stattfinden. Es ist ein ausgezeichnetes Schulprojekt, das in einer ländlichen Region gestartet wird. Und das ist nur eines jener Projekte, die heute zur Beschlussfassung anstehen.

Deshalb würde ich auch seitens meiner Fraktion dem nicht zustimmen wollen bezie­hungsweise stimmt meine Fraktion nicht zu, dass wir die Tagesordnungspunkte 10 und 11 von der Tagesordnung nehmen, weil wir eben jeden Tag nützen müssen, da viele Bestimmungen dieses Schulrechtspakets bereits am 1. September 2016 angewendet werden müssen, und da braucht es jeden Tag für die Vorarbeit. Deshalb ersuche ich Frau Kollegin Mühlwerth, den Antrag zurückzuziehen.

11.00


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


11.00.41

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Wir von der grünen Fraktion sind naturgemäß auch nicht besonders begeistert, dass bei so einem irrsinnig wichtigen Gesetzespaket die Ministerin nicht persönlich anwesend sein kann, aber es hat sehr gute und intensive Vorberatungen im Ausschuss gegeben. Und in Anbetracht dessen, dass die Frau Ministerin erst vor gut einem Monat ihr Amt angetreten hat, wollen wir ihr einen Vertrauensvorschuss und einen Vertrauensbonus geben und werden dem Antrag auch nicht zustimmen, sondern das heute gezwungenermaßen, mit Bauchweh und nicht begeistert ohne Ministerin diskutieren. – Danke.

11.01



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 50

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ein weiteres Mal zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.01.20

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Was Kollegin Posch-Gruska gesagt hat, das kann ich so nicht stehen lassen. Ich orte immer wieder, dass sinnerfassendes Hören offensichtlich auch ein Problem ist und nicht nur sinnerfassendes Lesen und Schreiben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben gestern schon vor der Präsidiale darüber geredet, wobei ich gesagt habe, dass ich nicht damit einverstanden bin. Das Einzige, mit dem ich einverstanden war, und das liegt ja nun wirklich nicht in meiner Kompetenz, war eine Verschiebung der Tages­ordnungspunkte untereinander. Und selbstverständlich habe ich zu den Regie­rungs­parteien gesagt: Bitte machen Sie sich das mit Ihren Ministern aus, wer früher kommt, wer später kommt oder wie es sich ausgeht. Das hat damit überhaupt nichts zu tun.

Ich bin dann von einigen gefragt worden, ob ich nicht dem Rundlauf doch zustimmen kann, und habe gesagt: Es ist meiner Meinung nach unglaubwürdig, wenn ich den Rundlauf unterschreibe und sage, dass die Tagesordnung so passt, und jeder weiß – da ich es auch schon angekündigt hatte –, dass ich eine Einwendung machen werde. Wir wollen also die Dinge schon so sehen, wie sie sind, und nicht immer irgendetwas behaupten, das der eigenen Interpretation entspringt. – Vielen Dank.

11.02


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Sie haben die Einwendung gegen die Tagesordnung samt Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 10 und 11 betreffend die Be­schlüsse des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Schulrechtsänderungs­gesetz 2016 und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten geändert wird, von der Tagesordnung gehört.

Somit kommen wir nun zur Abstimmung.

Ich lasse über den Antrag der Bundesrätin Monika Mühlwerth, die Tagesordnungs­punkte 10 und 11 von der Tagesordnung abzusetzen, abstimmen. Hiezu ist eine Mehr­heit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 10 und 11 ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 10 und 11 sowie 12 und 13 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

11.04.331. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (1122 d.B. und 1153 d.B. sowie 9596/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 51

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelan­gen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Ich bitte um den Bericht.

 


11.05.00

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.05.45

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute und jetzt über die Novelle des Studienförderungsgesetzes aus dem Jahr 1992. Ich habe mich gefragt: Was ist eigentlich das Ziel des Studienförderungsgesetzes? – Ziel ist es, förderungswürdigen Personen mit Problemen beim Bildungszugang ein Studium und einen zeitgerechten Abschluss zu ermöglichen.

Aufbauend auf dieser Zielsetzung stellt sich die Frage, was kann der Staat fördern oder was fördert er bereits. – Das sind in erster Linie die direkten Förderungen wie Studien­beihilfe, Studienzuschuss, Fahrtkostenzuschuss, Versicherungskostenbeitrag, Studien­ab­schluss-Stipendien, Beihilfe für ein Auslandsstudium, Reisekostenzuschuss, Leis­tungsstipendien und noch einiges mehr. Die indirekten Förderungen sind die Familien­beihilfe, der Kinderabsetzbetrag, Kranken- und Unfallversicherung für Studierende, die Förderung der Studentenheime und der Mensen und die Subvention für die Öster­reichische Hochschülerschaft. Die Förderungen haben also ein breites Spektrum. Aber treffen die Förderungen auch die Richtigen?

Das IHS hat im Jahr 2012 den Istzustand erhoben: die Verschiebungen der Förde­rungen, wer in Studien eintritt, wer austritt. Und dabei hat sich unter anderem auch gezeigt, dass es einen großen Einfluss auf den Abschluss hat, ob jemand eine Studienförderung bekommt oder nicht. Von den Geförderten machen doppelt so viele einen positiven Abschluss als von den nicht Geförderten, und auch die Drop-out-Quote der Abbrechenden ist bei denen, die gefördert werden, weniger groß als bei denen, die keine Förderung bekommen. Das steht immer im Verhältnis, weil die Zahl jener, die eine Förderung bekommen, größer ist als die Zahl jener, die keine Förderung erhalten.

Im Jahr 2013 wurde dann im Auftrag der Hochschulkonferenz das Studienför­derungs­wesen vom Institut für Höhere Studien, vom IHS, evaluiert. Auf der Grundlage dieser Evaluierung erarbeitete die von der Österreichischen Hochschulkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe „Soziale Absicherung Studierender“ Empfehlungen zur Verbesserung des Studienförderungssystems.

In der Arbeitsgruppe waren alle, die betroffen sind, vertreten, seien es die Ministerien, die Beihilfenstelle und auch Vertreter der Studierenden. Es wurde dann festgestellt, dass das Studienförderungsgesetz den Erwartungen entspricht, dass aber doch da und dort Verbesserungen notwendig sind, die dann bereits 2014 in der Studienförde­rungs­gesetznovelle zum Teil umgesetzt wurden. Vor allem lag damals der Schwerpunkt auf


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 52

der Verbesserung der beihilfenrechtlichen Situation der Studierenden aus kinderreichen Familien und der Studierenden, die schon eigene Kinder oder Verpflichtungen haben.

Nun werden die weiteren Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe umgesetzt. Da soll es vor allem eine Verbesserung für die älteren Studierenden geben, also Studierende ab dem 27. Lebensjahr. Dabei handelt es sich aber nicht um den Personenkreis der soge­nannten Bummelstudenten, sondern es sind Studentinnen und Studenten, die zu einem späteren Zeitpunkt das Studium begonnen haben. Dazu hat das IHS auch festgestellt, dass sich diese Personen verstärkt in finanziellen Schwierigkeiten befinden als jüngere Studentinnen und Studenten.

Daher wurde jetzt auch das Studienförderungsgesetzes für diese Studierenden ver­bessert. Jene Beihilfenbezieher über 27 Jahre, die bei den Eltern wohnen und bisher maximal 475 € monatlich erhalten haben, bekommen künftig die höchste mögliche Studienbeihilfe von 679 € im Monat. Das betrifft so zirka 350 Personen. Dazu kommen für die Beihilfenbezieher und -bezieherinnen jährlich noch die 350 €, was monatlich 30 € ausmacht. Somit bekommt diese Altersgruppe künftig im Jahr 8 508 €, was monatlich 709 € bedeutet. Von diesen Maßnahmen werden zirka 10 000 Personen betroffen sein.

Großzügig wurde jetzt auch die Rückzahlung von Studienbeihilfen ausgelegt, denn bis jetzt mussten immer bis zum zweiten Studiensemester die 15 Punkte erreicht werden, nun müssen bis zum Abschluss des Studiums 30 Punkte erreicht werden. Das ist natürlich eine Verbesserung für die Studierenden, denn oft geht es ja am Anfang ein bisschen holprig, zum Schluss hin wird es dann besser. Ich habe das bei meinem eigenen Sohn gesehen. Am Anfang hat er lange gebraucht, zum Schluss ist er schnell geworden – aber er hat keine Studienbeihilfe bekommen.

Erstmals wird es auch eine Anrechnung von sozialem Engagement geben, was, wie ich meine, sehr wichtig ist. Es sind Kompetenzen, die die jungen Menschen erwerben, wenn sie ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, und vor allem reifen sie in diesem Jahr. Dieses Freiwilligenjahr wird für die vierjährige Selbsterhaltungszeit angerechnet, gleich dem Präsenz- und Zivildienst laut Freiwilligengesetz. Ich denke, die Entschei­dung, ein Freiwilligenjahr zu absolvieren, wird dadurch erleichtert.

Von einem weiteren Schwerpunkt der Novelle profitieren Studierende in der Studienab­schlussphase, da das Studienabschluss-Stipendium umgestaltet wird und künftig ein Rechtsanspruch auf diese Förderung besteht. Weiters werden die derzeit nur in ministeriellen Richtlinien geregelten Kostenzuschüsse für die Kinderbetreuung gesetz­lich verankert; die Kinderbetreuungszuschüsse stehen also zu.

Neu geregelt wird auch die Feststellung der Erreichbarkeit des Studienortes, was wiederum für die Einstufung Auswärtige und nicht Auswärtige entscheidend ist und sich in der Höhe der Studienbeihilfe niederschlägt.

Die Verbesserungen werden im Studienjahr 2016/2017 in Kraft treten. Diese Verbes­serungen schlagen sich natürlich auch in den Kosten nieder: Diese werden zirka sechs Millionen Euro pro Jahr betragen. Diese Kosten sollen durch eine bessere Mittelver­wen­dung und mit den zurückgezahlten Beihilfen finanziert werden. Wir von der ÖVP-Fraktion freuen uns auf eine einstimmige Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.13


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile ihr dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 53

11.14.07

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler und Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ein vordringliches Anliegen der österreichischen Bildungspolitik muss es sein und bleiben, dass es auch nach einigen Jahren der Berufstätigkeit möglich sein sollte, die Chance einer universitären beziehungsweise Fachhochschulausbildung wahrzunehmen. Dies sollte nicht mehr nur Jugendlichen unmittelbar nach Ablegung der Reifeprüfung und der Ableistung des Präsenz- und Zivildienstes, nunmehr auch von Freiwilligendiensten vorbehalten sein.

Der aktuelle Bericht zur sozialen Lage der Studierenden zeigt – meine Vorrednerin hat ihn auch schon erwähnt –, dass viele Studierende aus niedrigen Bildungs- und Einkommensschichten kommen. Für diese Gruppe der Studierenden sind soziale Förderungen wie die Studienbeihilfe sicher von besonderer Bedeutung. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber, dass immer mehr Absolventinnen und Absolventen erst einige Jahre nach der Matura ins Hochschulstudium einsteigen. Das ist auf private Gründe zurückzuführen, deren Ursachen meist im sozialen und wirtschaftlichen Umfeld zu finden sind.

Die vorliegende Novelle zur Studienförderung greift Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Soziale Absicherung Studierender“ der Österreichischen Hochschulkonferenz auf, die aufgrund einer Evaluierung des Institutes für Höhere Studien gemacht wurden. Das Ergebnis war, dass vor allem über 27-jährige Studierende mehr von finanziellen Prob­lemen betroffen sind als jüngere Studierende. Die soziale Lage dieser Studierenden wird nicht nur durch den Wegfall von altersgebundenen Leistungen stark belastet – zum Beispiel Mitversicherung bei den Eltern, Wegfall der Familienbeihilfe –, sondern vor allem auch durch steigende Lebenshaltungskosten und Wohnkosten. Es ist durch­aus verständlich, dass ältere Studierende nicht mehr gemeinsam mit den Eltern in einem Haushalt wohnen wollen. Sie hatten aber bisher keine Möglichkeit, eine höhere Studienbeihilfe zu bekommen, wenn der Elternwohnsitz nicht weit genug vom Studien­ort entfernt lag.

Die nun vorliegende Novelle zum Studienförderungsgesetz 1992 enthält neben forma­len Anpassungen im Wesentlichen folgende Neuerungen – da gibt es sicher meiner­seits Wiederholungen meiner Vorrednerin –:

Erstens: Über 27-jährige Studierende sollen künftig die erhöhte Höchststudienbeihilfe und einen monatlichen Zuschlag von 30 € erhalten, unabhängig vom Wohnsitz ihrer Eltern.

Zweitens: Studienabschlussstipendien werden von einer privatwirtschaftlich zu einer hoheitlich zu vergebenden Fördermaßnahme umgewandelt.

Drittens: Kostenzuschüsse zur Kinderbetreuung werden als eigene Fördermaßnahme gesetzlich verankert.

Viertens: Gleichstellung von Freiwilligendiensten nach dem Freiwilligengesetz wie Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Umweltschutzjahr, Gedenkdienste und so weiter mit dem Präsenz- und Zivildienst.

Fünftens: Erleichterung für Studierende beim Studienwechsel.

Da dieses Gesetz im Nationalrat einstimmig Zustimmung gefunden hat, schlage ich vor, auch der Bundesrat möge seine Zustimmung erteilen. Meine Fraktion wird die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.18



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 54

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. Ich erteile ihm dieses.

 


11.18.32

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Vor allem aber liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause auf ORF III! Die freiheitliche Bun­desratsfraktion wird der vorliegenden Novelle ihre Zustimmung erteilen, da wir der Meinung sind, dass diese Novelle grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist. Es handelt sich dabei aus unserer Sicht aber nur um kleine Verbesserungsschritte, es sind zumeist nur technische Anpassungen im Gesetz, aber die grundlegenden Ände­rungen sind ausgeblieben.

Leider, das möchte ich an dieser Stelle schon besonders anmerken, wurde eine Chance nicht genutzt, nämlich die Chance, dass man endlich bei den Leistungs- und Förderungsstipendien an der Schraube dreht und diese vor allem künftig auch weiter in den Mittelpunkt stellt. Für uns Freiheitliche ist es wichtig, dass man von diesem Gießkannenprinzip weggeht und verstärkt Individualförderungen ausschüttet.

Im Zusammenhang mit dieser Novelle wurde leider auch im Vorfeld, also im Natio­nalrat, unser Antrag bezüglich Berechnung des Zuverdienstes nicht berücksichtigt.

Der hätte darauf abgezielt, dass das Studienförderungsgesetz insofern abgeändert wer­den sollte, als Einkünfte in den vorlesungsfreien Zeiten sowie Einkünfte in Zeiten, in denen keine Beihilfe bezogen wird, nicht zur Eigenleistung gemäß § 31 Abs. 4 gezählt werden sollten. Das ist aber zugegebenermaßen ein Detail am Rande.

Eine Bitte hätten wir in diesem Zusammenhang auch an Sie, Herr Vizekanzler. Wir haben in Österreich auf sehr vielen Universitäten, vor allem im medizinischen Bereich, das Phänomen – und das kennen wir –, dass es sehr viele ausländische Studenten gibt, die auf österreichischen Studienplätzen sitzen. Mir ist völlig bewusst, dass das auch rechtlich so gedeckt und auch geboten ist, aber es ist schade. Es ist schade, dass österreichischen Studierenden gerade im Bereich der Medizin, obwohl wir täglich vom Ärztemangel hören, ein Platz weggenommen wird.

Man könnte jetzt eben sagen, dass das rechtlich alles gedeckt ist, aber das kostet ja auch den österreichischen Steuerzahler sehr viel Geld. Daher haben wir wirklich die Bitte, dass Sie sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass wir unser Univer­sitätssystem durch Ausgleichszahlungen für Studierende aus den EU-Mitgliedstaaten, die auf österreichischen Studienplätzen sitzen, dann – und das wissen wir aus der Praxis – sehr oft wieder zurück ins Ausland gehen und dem österreichischen Steuer­zahler leider nicht das zurückgeben können oder zurückgeben wollen, was sie ihn eigentlich gekostet haben, entlasten können.

Insgesamt ist diese Novelle aber eine Verbesserung für die Studenten, und daher stimmen wir der Novelle gerne zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.21


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. Ich erteile ihm dieses.

 


11.21.46

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Herzlich willkommen! Es ist schon sehr viel von meinen KollegInnen von ÖVP und SPÖ über das Studienförderungsgesetz 1992 erzählt worden, das hoffentlich


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 55

ab kommendem Wintersemester geändert wird. Für mich persönlich kommt es ja leider schon ein wenig zu spät, denn ich bin, bevor ich in die Politik gegangen bin, selbst Bezieher des Selbsterhalterstipendiums gewesen und weiß auch nur zu gut, dass da dringend Handlungsbedarf besteht.

Ich habe mir diesen Schritt, in ein Vollzeitstudium zu gehen, damals wirklich sehr gut und reiflich überlegen sowie auch kalkulieren müssen, denn es stellt jemanden vor immense finanzielle Herausforderungen, so ein Studium zu beginnen. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass jeder, der diesen Schritt setzt, seinen Arbeitsplatz mit 27 oder mit 30 Jahren zu kündigen, um auf eine Fachhochschule oder Universität zu gehen und zu studieren, ganz klare Absichten hat, und diese sind, das Studium auch mit einem ordentlichen Abschluss zu beenden.

Das Problem war und ist nach wie vor, glaube ich, die Studienbeihilfe. Früher hat ein Studierender mit über 27 Jahren 679 € pro Monat bekommen, in Zukunft werden es 709 € sein. Ich würde gern sehen, wie Sie mit 709 € auskommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Zum einen frisst allein schon die Miete, die fast alle der BezieherInnen des Selbsterhalterstipendiums bezahlen müssen, den Großteil des Stipendiums auf; und fast alle meiner Ü-26-MitschülerInnen oder -Studentinnen und ‑Studenten sind von zu Hause ausgezogen, hatten eigene Wohnungen und damit Miete zu bezahlen. Dann kommen noch Kosten für Bücher, Unterlagen, Kopien und so weiter und so fort dazu. Zudem muss man Folgendes beachten: Mit über 27 Jahren muss man eine Selbstversicherung bezahlen, die 55 € von diesen 709 € auffrisst – und das ist nicht ganz so leicht zu stemmen. Von diesen 709 € bleibt Ihnen also nichts mehr zum Leben übrig.

Bei mir war es auch noch so, dass ich keinen Kostenzuschuss für die Anfahrt bekommen habe, weil ich täglich von Wels nach Braunau gefahren bin. Da stand in einer uralten Liste aus, ich glaube, dem Jahr 1992 drinnen, dass mein Weg einfach zu lang war, und deshalb gab es keinen Zuschuss. Von Ried im Innkreis ist es kein Problem, die 50 Kilometer nach Altheim sind kein Problem, aber Braunau ging nicht, weil man sich da schon gedacht hat, dass ich mir eine Wohnung in der Stadt Wels nehmen muss. Das ist einfach zu weit entfernt, das ging nicht.

Ich habe es zum Glück nicht gemacht. Ich bin am Land geblieben und habe mir um circa 1 700 € eine Österreichcard gekauft, aber das kann sich auch nicht jeder leisten, dass er noch einmal circa 1 700 € dazuzahlt. Ich kann also nur hoffen, dass mit der neuen Verordnung für mehr Flexibilität, Sachgerechtigkeit gesorgt wird. Ich hoffe wirklich, dass solche Ungerechtigkeiten in Zukunft nicht mehr vorkommen.

Ihre Beamten, Herr Minister, haben im Ausschuss gesagt, dass das neue System in Zukunft im Sinne des Pendlerrechners gestaltet wird. Das halte ich auch für sehr gut, weil da auch die öffentlichen Verkehrsmittel einberechnet werden. Damit gibt es hoffentlich eine Verbesserung.

Auch wenn diese Novelle eine Erhöhung der finanziellen Mittel für BezieherInnen des Selbsterhalterstipendiums bedeutet, halte ich den Betrag eindeutig für zu gering. Wohin führt das? – Es führt dazu, dass Studierende nebenbei arbeiten gehen müssen und dass es dadurch zu einer massiven Belastung der Studierenden kommt, was sich logischerweise wiederum auf den Lernerfolg und auf die Studiendauer niederschlägt.

Ich kann jetzt nur von der Fachhochschule, die ich besucht habe, als Beispiel berichten. Da gibt es fixe Zeitpläne. Fixe Zeitpläne an einer Fachhochschule machen das Arbeiten unter der Woche unmöglich, und am Wochenende bräuchte man eigent­lich Zeit für das Lernen und die Familie, denn wir reden von älteren Studentinnen und Studenten. Die haben teilweise Kinder und Familie zu Hause, die am Wochenende


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 56

auch etwas Zeit benötigen würden. Da also die richtige Balance zwischen Studium, Lernen und Familienleben zu finden, ist eine enorme Herausforderung.

Was wir uns bei diesem Gesetz erwartet hätten, war auch eine Inflationsanpassung – auch allgemein für die Studienbeihilfe. Ich glaube, auch in Ihrer Rede im Nationalrat haben Sie, Herr Minister, bereits zugesagt, sich in Zukunft auch für eine Inflationsan­pas­sung starkzumachen. Das können wir von den Grünen wirklich nur begrüßen.

Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller und auch fairer gewesen, die 30 € nicht erst ab dem 27. Lebensjahr zu gewähren, sondern bereits ab dem Wegfall der Familien­beihilfe. Das hat unter anderem auch die Ombudsstelle für Studierende gefordert und angeregt.

Ich will jetzt aber nicht nur das Negative hervorstreichen, Herr Minister. Ich halte es zum Beispiel für sehr positiv, dass der Freiwilligendienst, also das Freiwillige Soziale Jahr, endlich mit Präsenz- und Zivildienst gleichgestellt ist und angerechnet wird. Das halte ich sogar für sehr positiv und eine wirkliche Anerkennung aller Freiwilligen und der Freiwilligkeit.

Wir Grünen werden heute dieser Novelle im Bundesrat zustimmen, auch wenn ich mir ganz ehrlich mehr erwartet hätte. Vielleicht denken wir einmal über eine zeitgemäße Reform nach, die auch wirklich viel mehr auf die neue Situation der Studierenden eingeht. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Gödl.)

11.27


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


11.27.25

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stögmüller hat die Problematik jetzt aus eher subjektiver Sicht beleuchtet. Ich kann durchaus nachempfinden, dass es nicht einfach ist, gerade neben der Berufstätigkeit mit diesen Mitteln auch wirklich auszukommen. Auf der anderen Seite müssen Sie gegenüberstellen, dass der Staat de facto das gesamte System finanziert.

Österreich ist eben eines der wenigen Länder, in denen es keine Studiengebühren gibt, und daher ist das der Versuch, mit einer entsprechenden Studienförderung die Verhältnisse für Studenten zu verbessern. Und diese Möglichkeiten der Verbesserung sind uns im Prinzip auch gut gelungen, wie diese Erhebung zur sozialen Lage der Studierenden, die über das Internet abgewickelt worden ist und an der sich sehr viele beteiligt haben, auch bestätigt.

Jetzt ist im Wesentlichen natürlich klar, wir alle wollen die Mittel erhöhen – Sie haben es angesprochen, ich habe es im Nationalrat auch gesagt – und eine Indexanpassung vornehmen, was eine Frage der Möglichkeit zur Budgetierung ist. Ich hoffe, dass uns das gelingt, weil es eine entsprechende Hilfestellung wäre. Wofür? – Der Bericht hat nämlich nicht nur erfreuliche Dinge aufgezeigt, nämlich dass beispielsweise 54 Prozent der Studierenden Frauen sind, sondern auch, dass 61 Prozent der Studierenden während ihrer Studientätigkeit auch beruflich tätig sind und dass natürlich die Prob­lematik, dass das Studium deshalb nicht abgeschlossen werden kann, ansteigt, wenn jemand aus einer einkommensschwachen Schicht kommt.

Die Studienförderung ist genau der richtige Ansatz, und viele könnten ohne derartige Unterstützung, ohne Studienförderung gar nicht bis zum Abschluss studieren. Wir


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 57

haben, glaube ich, 1 500 Studierende – das hat auch diese IHS-Schätzung ergeben –, die ohne diese Unterstützung nicht abschließen könnten.

Nun stellt sich die Frage, ob das ein brauchbares und zeitgemäßes System ist. Wir haben versucht, das System zu hinterfragen, zu evaluieren; das hat das IHS im Jahr 2012 getan. Auf der Basis hat sich dann aber eben herausgestellt, dass wir auch im internationalen Vergleich sehr wohl ein akzeptables System haben. Und genau mit dieser Systematik sind wir auch in die nächsten Jahre gegangen. Das hat zum einen bedeutet, dass wir 2014 die Zielgruppe der Betreuungspflichtigen mit entsprechenden Förderungen auch in dem Bereich bedacht haben, was auch sehr treffgenau war und was denen auch geholfen hat. Jetzt ist der nächste Ansatzpunkt, im Bereich der eher „Älteren“ – unter Anführungszeichen – zielgruppenorientiert vorzugehen. So alt sind sie auch wieder nicht, aber im Alter von 27 Jahren ist man genau an dem Punkt ange­kommen, ab dem eben die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr gezahlt werden – und dort setzt jetzt auch die Hilfestellung an.

Ich möchte Ihnen ersparen, dass ich jetzt noch einmal die einzelnen Maßnahmen im Detail darstelle, weil das schon zwei Kolleginnen vor mir sehr richtig gemacht haben. Es ist aber auf jeden Fall eine finanzielle Hilfestellung in dem Bereich; es sind teilweise auch technische Anpassungen, was die Wege und Fahrten, aber auch die Anrechnung des Freiwilligen Sozialen Jahres anbelangt. Es ist ja bereits alles hier erwähnt worden.

Daher – wir haben insgesamt sowohl im Nationalratsplenum als auch im Ausschuss eine einstimmige Zustimmung gehabt – wird jeder, der das einigermaßen objektiv bewertet, zur Feststellung kommen, das ist ein weiterführender Schritt. Der Kritikpunkt ist so wie beim ersten Thema: Weiterführend könnten noch größere Schritte sein. Daran arbeiten wir, ich hoffe, es gelingt uns, und ich bitte in diesem Sinne um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

11.31


11.31.06Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.31.382. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (1115 d.B. und 1173 d.B. sowie 9597/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nun gelangen wir zu Punkt 2 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hackl. Ich bitte um den Bericht.

 


11.32.13

Berichterstatterin Marianne Hackl: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ver­messungsgesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 58

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile ihm dieses.

 


11.33.05

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg)|: Hohes Präsidium! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Wir besprechen hier mit der Änderung des Vermessungsgesetzes eine relativ unstrittige Materie. Es kommt mit diesem Beschluss zu einer Reihe von Verbesserungen, insbesondere auch – wir haben das beim 1. Tagesordnungspunkt beziehungsweise in der Aktuellen Stunde ja schon besprochen – was den Bürokratieabbau betrifft, und auch zu beachtlichen Kostenersparnissen sowohl für den Bund als auch für den jeweiligen Grundeigentümer. Und bei aller Kritik an überbordender Bürokratie, die sicher zum Teil auch angebracht ist, ist das heute wohl eine sehr, sehr gute Nachricht.

Es fällt überhaupt auf, dass wir hier im Bundesrat und auch im Nationalrat in letzter Zeit sehr viele Gesetze beschlossen haben, die mit Bürokratieabbau zu tun haben. So scheint der Dialog, der vor knapp einem Jahr vom Herrn Vizekanzler mit der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission angestoßen worden ist, auch Früchte zu tragen. Klar kann immer alles schneller gehen, und es gibt sicher auch noch viel zu tun – in vielen Bereichen wird es auch noch zu Änderungen kommen müssen –, aber man sieht, dass der Wille da ist und Maßnahmen auch konkret umgesetzt werden.

In diesem Zusammenhang – Vermessung und Verwaltungsreform im weiteren Sinne – kann ich es wieder einmal nicht lassen, eine alte Forderung insbesondere von uns Vorarlbergern, die mein Vorgänger Jürgen Weiss – und ich glaube, Sie wissen schon, was kommt – schon aufs Tapet gebracht hat – ceterum censeo sozusagen –, nämlich den Abbau von Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern, anzusprechen. In Österreich gibt es eine Vielzahl von unmittelbaren Bundesbehörden in den Ländern, bei denen aufgrund von Parallelitäten in den Aufgabenerledigungen oder weil sie auch die Aufgabenwahrnehmung durch die Bezirkshauptmannschaften oder auch durch die Ämter der Landesregierung komplementieren, eine Eingliederung in die Landesver­waltung sinnvoll wäre. Ein Beispiel ist eben in diesem Fall auch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in den jeweiligen Bundesländern. Im Sinne einer dringend notwendigen Verwaltungsreform wäre das also ein Punkt und ein Vorschlag, über den man zumindest wieder einmal nachdenken könnte.

Aber inhaltlich zurück zum konkreten Fall, zum Vermessungsgesetz. Es wird in den Katastralgemeinden in Zukunft möglich sein, auch nur in Teilen dieser Katastral­ge­meinde die allgemeine Neuanlegung des Grenzkatasters durchzuführen. Das ist eine wesentliche Verbesserung. Bis heute hat man diese Neuanlegung nur für die gesamte Katastralgemeinde durchführen können, und das hat vor allem für den Bund zu hohen Kosten geführt. Die Konsequenz war, dass solche Neuanlagen auch nur sehr spärlich durchgeführt wurden.

Auch für Privatpersonen gibt es sehr positive Änderungen. Bisher wurde in vielen Fällen nicht inhaltlich entschieden, es wurden Anträge beispielsweise von Änderungs­werbern zurückgewiesen, Einsprüche von Nachbarn abgelehnt, und dadurch wurde


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 59

eben nicht in der Sache selbst entschieden und die Grenzstreitigkeit auch nicht wirklich geklärt. Dann musste ein eigenes Verfahren beim Vermessungsamt beantragt wer­den – also wieder mehr Kosten, wieder mehr Bürokratie. Nun schaffen wir die Möglich­keit, beide Parteien zu einer Grenzverhandlung zu laden. Und wenn da kein Ergebnis erzielt wird, wird der zukünftige Grenzverlauf von Gerichten entschieden.

Es gibt noch ein paar andere wesentliche Verbesserungen und Erleichterungen. Auch die Transparenz, ein sehr wichtiger Punkt, wird erhöht; Grundstücksteilungspläne kön­nen künftig auch vom Grundstückseigentümer eingesehen werden – das war bisher nicht der Fall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Großen und Ganzen ist diese Neuregelung sehr, sehr gut. Sie bringt Bürokratieabbau, sie bringt mehr Rechtssicherheit und auch mehr Transparenz. Verfahren werden schneller abgewickelt, es wird kostengünstiger. Wir sind also rundum zufrieden. Vielen Dank, Herr Vizekanzler, wir werden diesem Gesetz natürlich zustimmen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.37


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte.

 


11.37.46

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätztes Präsidium! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Vermessungsgesetz 1968 wurde bereits des Öfteren novelliert. Mit dieser Novelle sollten die Effizienz und die Parteienfreundlichkeit beim Verfahren im Katasterwesen besonders gesteigert werden.

Wie wir bereits vom Kollegen Brunner gehört haben, geht es dabei um die Umwand­lung von Grundstücken im Grenzkataster, besonders im Rahmen von Agrarverfahren, also bei Grundzusammenlegungsverfahren, aber auch bei Baulandumlegungen. Bei Umwandlungen im Agrarverfahren erfolgen diese in Zukunft nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes nach dem jeweiligen Flurverfassungsgesetz. Es gibt ein Rahmengesetz des Bundes zur Flurverfassung – und da wäre ich beim Kollegen Brunner – und dann die jeweiligen Flurverfassungsgesetze der Länder, die dann eben auch greifen.

Was Kollege Brunner noch nicht erwähnt hat, ist, dass viele geologisch instabile Grundstücke eigentlich auch neue Regelungen bei der Anlegung des Grenzkatasters erfordern, also alle Gebiete, wo es Bodenbewegungen gibt – und derer gibt es ja in Österreich inzwischen recht viele. Diese Probleme werden in Zukunft auch im Grundbuch angemerkt, vielleicht nicht zur Freude des Grundbesitzers, aber wenn jemand ein Grundstück kaufen möchte, ist, glaube ich, auch interessant, dass er weiß, dass solch ein Grundstück in diesem Bereich vorhanden ist. Und natürlich ist es auch für einen möglichen Käufer interessant, dass er auch darüber informiert ist, dass es bei solchen Grundstücken natürlich Wertminderungen geben wird. Das ist also in Zukunft so lange angemerkt, bis diese Bewegungen dann abgeschlossen sind, und dann werden sie wieder gelöscht.

Neu ist auch, dass Trennstücke im Grenzkataster abgeschrieben werden können. Das war bisher nur laut § 15 im Liegenschaftsteilungsgesetz möglich, das vor allem im Straßenbau angewendet wurde. Neuerdings geht das also auch bei Restgrundstücken kleiner als 50 Quadratmeter in diesem Verfahren.

Um den Grenzkataster relativ aktuell zu halten, sind viele Maßnahmen notwendig, damit auch die Rechtssicherheit gewährleistet wird. Neu festgelegt wird, dass die Frist für die Grenzwiederherstellung von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert wird. Die Beur-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 60

kundung nach dem Liegenschaftsteilungsgesetz entfällt in Zukunft, wenn ein ganzes Grundstück gelöscht wird. Also das sind diese Sparmaßnahmen, die Kollege Brunner bereits angeführt hat.

Ergänzend noch zu den Bemerkungen des Kollegen Brunner: Wenn die Unterschrift von einem Grundeigentümer nicht beigebracht werden kann, gibt es in Zukunft ein schnelleres Verfahren, das behördlich angelegt wird und womit Grenzfeststellungs­verfahren auch abgeschlossen werden können. Dass in Zukunft alle Pläne in automa­tionsunterstützter Form, also digital, beigestellt werden sollten, ist im Ziviltechniker­gesetz geregelt, und das ist, glaube ich, auch dem Zeitgeist entsprechend.

Ebenfalls neu ist, und das ist auch ganz wichtig: Gerichte werden in Zukunft ver­pflichtet, dass Entscheidungen über Grenzstreitigkeiten auch dem Vermessungsamt mitgeteilt werden. Damit wird gewährleistet, dass einmal getroffene Entscheidungen bei Gericht nun auch im Grundbuch verankert sind.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Österreich ein ausgezeichnetes System für Grundbuchs-, aber auch für Vermessungsangelegenheiten. Dazu braucht es natürlich entsprechende Datenlieferanten. Unsere Vermessungsämter und Grund­buchsgerichte leisten einen sehr großen Beitrag, damit wir Rechtssicherheit und ganz besonders auch zeitnahe Eintragungen bei Grundkäufen, Grundverkäufen, Tauschge­schäften, Grundzusammenlegungen oder Baulandumlegungen haben.

Da der Zugriff auf das Grundbuch jedem möglich ist, muss man sich auf das Einge­tragene verlassen können. Es geht um Eigentum und damit meistens auch um sehr viel Geld. Das im Grundbuch Eingetragene bildet aber auch die Grundlage für grund­abhängige Steuern des Bundes beziehungsweise auch der Gemeinden.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns auf unser Grundbuch und auf unsere Vermes­sungsämter verlassen können. Mit dieser Änderung werden wieder ein paar – in der Praxis aufgetretene – Probleme gelöst. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt daher dieser Novelle sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

11.42


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


11.42.50

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Vizekanzler Mitterlehner! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt oft Grenzkataster, Grund­steuerkataster gehört. Ich bin mir aber ziemlich sicher, da wir heute im Fernsehen sind und falls uns jemand zusieht, wird er … (Bundesrat Stögmüller: Sind schon nimmer da!) – Sind schon nimmer da. Na, dann sind wir wenigstens im Livestream.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass jetzt eigentlich niemand verstanden hat, um was es da geht, denn der Unterschied zwischen Grundsteuerkataster und Grenzkataster, das ist ja das Wesentliche bei der Angelegenheit. Ungefähr 20 Prozent, sage ich einmal, der österreichischen Grundstücke sind im Grenzkataster und der Rest ist im Grundsteuer­kataster, der im Prinzip eigentlich aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Der wesentliche Unterschied, vor allem für den Grundeigentümer oder den Anrainer, ist der, dass das – wenn man im Grundsteuerkataster ist –, was man in seinem Plan sieht, also die planliche Darstellung, rechtlich nicht relevant ist, sondern das, was in der Natur zu finden ist – faktisch der Naturbestand. Wenn also ein Zaun in der Natur in Wirklichkeit auch einen halben Meter beim Nachbarn auf dem Grund steht, so ist der die tatsächliche Grenze nach dem Grundsteuerkataster, weil er in der Natur so ist.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 61

Beim Grenzkataster ist das anders: Da ist die Darstellung auf Papier, also die planliche Darstellung das Maßgebliche, unabhängig davon, ob jetzt der Zaun in Wirklichkeit woanders steht. Hier sind die Koordinaten der Grenzpunkte und die Grenzlinien die rechtlich bindenden. Und natürlich soll nach Möglichkeit alles auf mittelfristige oder langfristige Sicht in diesen Grenzkataster übergeführt werden.

Es wurde auch schon ausgeführt, dass es jetzt also Verbesserungen betreffend diese Gesetze gibt:

Die Neuanlegung von Teilen von Katastralgemeinden – die vom Kollegen Brunner so gelobt worden ist – ist zwar durchaus positiv, nur in der praktischen Bedeutung wahrscheinlich nicht sehr groß, denn der Einzelne, der jetzt eine Grundstücksteilung macht oder einen Verkauf, der kann dann sehr wohl in den Grenzkataster kommen. Meistens ist das beispielsweise in Siedlungen gemischt: Da ist ein Teil der Grund­stücke im Grundsteuerkataster, ein anderer Teil ist im Grenzkataster. Da entsteht vielleicht der irrtümliche Eindruck, dass man das dann nicht darf, sondern dass das in der ganzen Katastralgemeinde gemacht werden muss. Das ist ja nur dann der Fall, wenn das sozusagen von oben, vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, angeordnet wird, was ja auch mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

Ich sage auch, dass die Rutschhänge ein Minderheitenprogramm sind. Es ist natürlich wichtig für die Betroffenen, aber 99 Prozent der Österreicher betrifft das nicht. Das Wesentliche ist eigentlich diese Verbesserung, was die Zustimmungserklärungen §§ 18, 18a betrifft, da entfällt eigentlich diese stillschweigende Zustimmung, die es bis­her gegeben hat, wobei mir noch nicht ganz klar ist, was schlussendlich heraus­kom­men wird, wenn der betroffene Grundstückseigentümer, der zu einer Grenzver­hand­lung geladen wird, das einfach beharrlich verweigert und ignoriert. Bisher war es so, dass das – wenn er sich nicht gerührt hat – als stillschweigende Zustimmung angenommen worden ist. Das ist von Juristen als ein bisschen bedenklich eingestuft worden. Was jetzt passiert, wird wahrscheinlich die Umsetzung dieses Gesetzes zeigen.

Summa summarum: Durchaus positive Ansätze, und vielleicht trägt das auch zu einer Beschleunigung der Überführung der Grundstücke in den Grenzkataster bei. Ich muss aber gleich dazusagen, dass das natürlich für die Vermessungsbüros auf lange Sicht dann eine Geschäftsminderung ist, denn das ist ein großer Anteil ihrer Arbeit. In Zukunft entfallen dann diese ganzen Grenzfeststellungsverfahren, Grenzverhandlun­gen, Teilungen werden einfacher. Aber das wird zu verschmerzen sein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.47


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


11.48.02

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Es ist ja immer wieder erstaun­lich, was man alles lernt und womit man sich im Bundesrat beschäftigt oder beschäf­tigen muss. Ich danke meinen Vorrednern, die die Materie schon sehr genau erklärt und beleuchtet haben. Ich habe versucht, das im Ausschuss zu tun und da noch einiges dazuzulernen.

Wir begrüßen es, dass durch dieses Gesetz die Rechtssicherheit für Betroffene her­gestellt und verbessert wird. Wir glauben, dass es ein wichtiger Versuch ist, eben die Neuanlage von digitalen Katastern auch pragmatisch anzugehen.

Wir begrüßen also das Gesetz und werden dem gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

11.48



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 62

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Herr Vizekanzler Dr. Mitterlehner gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


11.48.55

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden erstaunt sein, aber ich schließe mich jetzt den Ausführungen des Herrn Bundesrates Krusche an. Das war wirklich perfekt und sehr verständlich erklärt (Bundesrat Dörfler: Bravo! – Beifall bei der FPÖ), denn das ist eine sehr komplexe Materie. Und im Endeffekt: Alleine die Unterscheidungen, aber auch dann die prakti­schen Auswirkungen den Livestream-Besuchern auch zu vermitteln, das war schon hörenswert.

Ich kann dem nur hinzufügen: Das Ganze wird von der Rechtssicherheit her mit dem neuen Gesetz oder mit der Novellierung erhöht. Die Kosten werden günstiger. Damit haben wir einen Schritt in Richtung Entbürokratisierung – die wir immer so gerne haben wollen – auch in der Praxis gesetzt. Also wir haben rascher, bürgernäher, kostengünstiger agiert. Ich hoffe, die Bürger empfinden das auch wirklich so. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

11.49

11.49.54

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

11.50.223. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2015 (III-589-BR/2016 d.B. sowie 9598/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hackl. Ich bitte um den Bericht.

 


11.50.55

Berichterstatterin Marianne Hackl: Ich bringe den Bericht des Wirtschafts­ausschus­ses über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2015.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich stelle daher gleich den Antrag:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 den Antrag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2015 (III-589-BR/2016 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


11.51.35

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Vizekanzler Mitterlehner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein sehr interessanter


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 63

Bericht, sehr viel Positives, auch viel durchaus Kritisches, was ja auch der Herr Vize­kanzler in seinem Vorwort anmerkt. Die Probleme, die er aufzeigt, sind: das Problem Russland, das Problem der zurückgehenden Investitionsbereitschaft. Die Bereitschaft wäre vielleicht schon da, aber die Investitionskraft ist aufgrund der Ertragslage nicht unbedingt einfach im Tourismus.

Bürokratieabbau: Wenn wir gerade jetzt eine Bürokratieabbaumaßnahme im Detail beschlossen haben, dann ist es auch gerade im Bereich Tourismus, Gastronomie notwendig, die Bürokratie zu entrümpeln, den Tourismus und auch die Gastronomie tatsächlich – um einen sehr bekannten ÖVP-Politiker zu zitieren – zu entfesseln.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist im Tourismus sicher auch nicht ganz einfach.

Daher: Danke für den Bericht! Ich danke den vielen Unternehmerinnen und Unter­nehmern, den Mitarbeitern, vor allem den Familienbetrieben, die ja der Leistungsträger im österreichischen Tourismus sind.

Ich möchte nun anhand einiger Zahlen diese touristische Materie Österreich etwas detaillierter beleuchten:

Erstens hat der Tourismus mit einer Wertschöpfung von 36,5 Milliarden € einen Kraft­faktor Österreichs sozusagen, was den Wirtschaftsstandort anlangt. 30,13 Milliarden € sind tourismuscharakteristische Dienstleistungen, auf Beherbergung und Nächtigung fallen 29,4 Milliarden €, und 27,3 Prozent oder gerundet 10 Milliarden € fallen auf Restaurant- und Gaststättenumsätze. Da zeigt sich schon, wie wichtig der Faktor Gastronomie, der ja nicht vom Tourismus zu trennen ist, in diesem Gesamtwertschöp­fungsbereich ist.

Hochinteressant ist, dass auch der Personentransport im Tourismus einen Wertschöp­fungsanteil von 15,9 Prozent hat, das sind immerhin 5,8 Milliarden €. Das splittet sich wie folgt auf: gerundet 1,1 Milliarden € Wertschöpfung aus dem Bahnverkehr, Straßen­verkehr 600 Millionen € – das werden in erster Linie wohl Treibstoff und Mauten sein, die in Österreich bezahlt werden –, Wasserverkehr 46 Millionen € und der Flugverkehr mit 3,756 Milliarden €.

Es ist aber auch so, dass der Tourismus verwandte Wertschöpfungsketten in großer Höhe zusätzlich befruchtet: Waren 2,9 Milliarden €, Dienstleistungen 3,2 Milliarden € und Handelsspannen von 281 Millionen €. Das heißt, dass diese 36,5 Milliarden € ein enormer Wirtschafts- und Arbeitsmarkt und Steuerleistungsbeitrag in der Republik Österreich sind.

Im Detail zu den Zahlen: Wie entwickelt sich der Tourismus? – Man muss festhalten, dass Indikatoren wie Nächtigungszahlen in den letzten zwei Jahren sehr erfolgreich waren, dass es Rekordzahlen gegeben hat. Man muss aber auch die Probleme sehen. Ich meine, dass wir das, was stark und gut ist, zu beleuchten haben und verstärken und ausbauen sollten, wir müssen aber auch die Vergleichbarkeit, die Leistungs­fähigkeit der Ertragssituation hinterfragen.

Wenn wir zum Beispiel den realen Aufwand je Übernachtung in den Jahren 2000 bis 2015 vergleichen, dann sehen wir, dass wir in Österreich einen Höhepunkt im Jahr 2006 mit 184,4 € pro Nächtigung hatten, dann aber einen Tiefpunkt im Jahr 2014, der im Jahr 2015 leicht auf 159 € gestiegen ist. Das heißt, das ist ein Rückgang von 25,4 € oder 13,77 Prozent.

Dem muss man gegenüberstellen, was sich in dieser Zeit, in diesen zehn Jahren, ver­ändert hat: die Warenbeschaffung, die Energiekosten, die Personalkosten, die Wett­bewerbssituation. Zudem hat der Onlinemarkt massiv zugenommen, und damit hat die Ertragssituation im Tourismus einen neuen Kostenfaktor. Nicht online sein heißt nicht


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 64

mehr am Markt sein. Online sein bedeutet aber, man hat bis zu 30 Prozent Provisionen zu zahlen, was letztendlich vielen Betrieben vom Deckungsbeitrag abgeht. Das heißt, man ist zwar im Markt, aber die Wettbewerbssituation im Onlinetourismus ist eine äußerst scharfe. Das trägt auch dazu bei, dass eben die Kostenstrukturen im Touris­mus nicht einfach sind.

Genauso auch die Aufenthaltsdauer: Kürzere Aufenthaltszeiten bedeuten schnelleren Bettenwechsel, und das bedeutet natürlich auch wesentlich mehr Aufwand. Dem­gegen­über steht aber, wie wir feststellen müssen, ein geringerer Ertrag pro Nacht.

Man muss sich auch die Einnahmen, Marktanteile im internationalen europäischen Tourismus anschauen. Wir hatten einen Höhepunkt im Jahr 2009 mit 6,35 Prozent, gerechnet im Vergleich der EU-15, und hatten im Jahr 2015 5,8 Prozent. Das schaut mit minus 0,55 Prozent ja nicht dramatisch aus, aber in Prozenten vom Gesamten gerechnet ist es ein Minus von 8,66 Prozent. Das heißt, Österreich hat am inter­nationalen Tourismuskuchen – trotz positiver Zahlen in den letzten zwei Jahren – im Gesamtmarktvergleich verloren.

Österreichischer Nächtigungsmarktanteil am internationalen europäischen Tourismus: Da hatten wir zum Beispiel im Jahr 2009 einen Anteil von 8,51 Prozent, im Jahr 2015 von 7,11 Prozent. Wieder nur 1,4 Prozentpunkte, aber in Summe sind es 16,45 Pro­zent, die wir – in sechs Jahren Nächtigungsmarktanteil – auch am europäischen Markt verloren haben.

Das ist jetzt keine Schwarzmalerei, ich will einfach die Zahlen ausleuchten und hinterfragen, was man insgesamt tun kann, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit im Tourismus wieder alten Erfolgszahlen annähert. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

Marktanteilsgewinner im internationalen Tourismus: die USA, Japan, China, Mexiko, Großbritannien, Neuseeland, Indien, Island. Island wird jetzt nach dieser Fußball-Euro­pa­meisterschaft wahrscheinlich noch mehr zulegen, denn jetzt wissen ja alle, wo dieses kleine Wikingerland, dieses erfolgreiche Fußballland liegt.

Tourismus in Österreich: Die Nächtigungen beziehungsweise die Statistik der Aufent­haltsdauer, das ist ein Problem, das der Tourismus hat, wobei man sagen muss, wir sind am Pauschalreisemarkt, so wie sich uns die Zahlen darstellen, nicht wirklich wettbewerbsfähig, warum auch immer. Natürlich heißt mit dem Auto auf Urlaub fahren flexibler sein, mehr Kurzurlaube machen, aber in Summe ist die Aufenthaltsdauer von vier Tagen im Jahr 2006 auf 3,4 Tage im Jahr 2015 gesunken, was wieder eine Rücknahme der Aufenthaltsdauer von 15 Prozent bedeutet.

Die Situation am Arbeitsmarkt ist erstaunlich. Wir haben zirka 44 000 oder 3 157 mehr Arbeitslose im Tourismus, dem stehen aber 4 390 offene Stellen gegenüber. Da ist die Schellhorn-Story – wenn ich das so sagen darf – doch auch bezeichnend, der erzählt hat, dass es ein Mitarbeiter im Tourismus vorzieht, der Mindestsicherung in Wien mit seiner Familie nachzuwandern, anstatt in Salzburg bei einem sehr renommierten Touristiker zu arbeiten. Das ist natürlich schon auch eine Arbeitsmarktpolitik oder eine politische Maßnahme, die nicht wirklich erfreulich ist: dass jemand, der einen Arbeitsplatz hat, der bei Schellhorn auch einen Integrationsarbeitsplatz hat, lieber der Mindestsicherung nachfährt und die Hängematte in Wien sucht, anstatt in Salzburg einer touristischen Arbeit nachzugehen.

Lehrlinge und Tourismus: 9 075 Lehrlinge gab es im Jahr 2014, im Jahr 2015 um 571 weniger, das heißt, der Arbeitsplatz, der Lehrplatz im Tourismus ist im Gegensatz von vor 20 Jahren nicht mehr so attraktiv. Damals war er noch hoch attraktiv, da war eine Karriere als Koch oder Kellner noch erstrebenswert, verbunden mit gutem Verdienst,


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 65

verbunden mit dem Kennenlernen der Welt. Das scheint derzeit – das zeigt uns die Faktenlage – tatsächlich nicht ganz einfach zu sein.

Die regionale Entwicklung: Es gibt ein Konzentrieren der touristischen Zentren. Wien ist der große Sieger der letzten Jahre, mit enormen Zuwachsraten jedes Jahr. Das hat natürlich mit der Kultur, mit Großveranstaltungen, mit Verkehrsinfrastrukturangeboten, mit bunter Gastronomie, mit Museen und mit Hotelinvestitionen internationaler Inves­toren zu tun. Im Gegensatz dazu stirbt im ländlichen Bereich vielfach die Gastronomie weg. Ich denke in diesem Zusammenhang an meine Heimatgemeinde Himmelberg, wo in den letzten Jahren sieben Gastronomiebetriebe ausgekocht haben, also vom Markt verschwunden sind. Das heißt, das Angebot wird im ländlichen Raum immer unattraktiver. Wo es keinen Kaufmann gibt, wo nichts angeboten wird, ist der ländliche Raum als Standort für den touristischen Markt natürlich nicht unbedingt attraktiv. Die Stadt hat Kulturzentren, Museen, große Kulturveranstaltungen, am Land gibt es diese kaum oder wenig, das ist natürlich ein Nachteil. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Großveranstaltungen wie die beiden Ski-Weltmeisterschaften in Schladming – eine Region, die sich sehr erfreulich entwickelt hat, aus meiner Sicht aber eine Stadt am Land ist – und der jährliche Nachtslalom haben die Marke Schladming sehr attraktiv gemacht. Die Kombination aus Stadt am Land mit hervorragender Infrastruktur und Natur ist in Summe sehr passend. Es zeigt sich dort, dass Stadt am Land als Konzept sehr erfolgreich sein kann.

Das Wachstum oder die Marktanteile in Österreich haben sich auch verschoben: Großer Sieger ist Wien, die Verlierer sind Kärnten und Tirol. Erstaunlich ist, dass beide Bundesländer, Kärnten als sehr beliebte Sommerdestination und Tirol, das Touris­musland Nummer eins, innerhalb der österreichischen Marktverschiebung oder Markt­ent­wicklung verloren haben.

Es ist auch noch der Arbeitsmarkt zu beleuchten: Gestern war in einer Wiener Gratis­zeitung zu lesen, dass ein sehr bekannter Gastronom einen riesigen Mitarbeiterbedarf hat. Er sucht einige Mitarbeiter und inseriert quasi im Hause selbst: „Du kannst die Uhr lesen, musst nicht alle drei Minuten eine WhatsApp schreiben oder dein Facebook checken, du beherrschst die Grundrechenarten, kannst dich in deutscher Sprache perfekt verständigen …“ – Das ist sozusagen das Anforderungsprofil, um in der Gastro­nomie überhaupt jemanden aufnehmen zu können. Da fragt man sich schon, wie ernst ein Arbeitsplatz heute überhaupt genommen wird.

Weiters sagt er in diesem Interview: „Die Branche leidet an einem permanenten Mangel an vernünftigen Mitarbeitern. Vielen Jungen sind Freizeit und Handy das Wichtigste, der Job leidet massiv.“

Es war heute auch interessant, ein bisschen die linke Position zu hören. Ein Gewerk­schafter träumt von irgendetwas – von Maschinensteuer und Co. Ich bin aber der Meinung, Herr Bundesminister, dass wir nur mit Fleiß, hohen Bildungsstandards und mit Ehrgeiz den Wettbewerb der Zukunft gewinnen werden. Mit Twittern, WhatsApp-Schreiben und Nicht-rechnen-Können werden wir nicht einmal die billigsten Jobs halten können. Das ist ein Anforderungsprofil und auch eine Bildungsfrage. Es geht nicht nur um klassisches Wissen, sondern auch um emotionales Wissen und Verantwortungs­gefühl. Zu wissen, dass ein Arbeitsplatz etwas wert ist und ich dort auch Leistung zu erbringen habe, das ist wohl auch eine Voraussetzung. Das ist der Hilfeschrei eines gastronomischen Betriebes.

Ähnlich ein weiterer Gastronom: „Heute geschlossen – Kein Personal aber 500.000 Arbeitslose. Sorry, Der Wirt!“ – Das ist auch ein Unternehmer, der nicht in der Lage ist, sein Personal so aufzustocken, wie er es brauchen würde.


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Es gäbe noch viel zu sagen, Herr Bundesminister! Vielleicht noch kurz zum Thema der internationalen Rahmenbedingungen aufgrund der Finanzmarktkrise und Russland­sank­tionen: Ich staune schon darüber, dass man 2017 zum Russland-Tourismusjahr machen will. Zuerst streiten, anschließend mit viel Geld wieder Freundschaft schließen. Ich meine, ich habe Österreich immer als neutrales Land verstanden. Diese Sank­tionen sind voll danebengegangen, schaden dem Wirtschaftsstandort Österreich, besonders im Tourismus und in der Landwirtschaft. Es ist ja gut, wenn wir jetzt wieder Frieden schließen mit einem Tourismusjahr 2017, aber wir sollten vorher keine Sanktionskriege führen, vorher nicht den Markt kaputtmachen – und dann mit viel Geld wieder schönes Wetter mit Russland herbeiführen. Das halte ich nicht für intelligent.

Eines noch zur Marktsituation: 21 Länder haben weniger Besteuerung im Tourismus als Österreich, also die Steuererhöhung von 10 auf 13 Prozent war keine Förder­maßnahme für den Standort Österreich. Wir haben die Situation, dass in Deutschland die Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde, also um 12 Prozentpunkte, aber wir erhöhen sie. Von allen 28 EU-Ländern haben 21 niedrigere Steuersätze als Österreich. Das ist eine Wettbewerbsverschärfung, ein Wettbewerbsnachteil für den Tourismusstandort Österreich. Hier gibt es viel zu tun.

Ich bedanke mich bei den Unternehmern, das möchte ich ausdrücklich betonen. Aber wir werden diesen Bericht deshalb nicht zur Kenntnis nehmen, weil wir meinen, dass die Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Steuergesetzgebung nicht dazu beitra­gen, den Tourismusstandort Österreich zu verbessern. (Beifall bei der FPÖ.)

12.04


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Christian Poglitsch zu Wort. – Bitte.

 


12.04.49

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tourismusminister! Mich hätte es gewundert, wenn Gerhard Dörfler als Vertreter der Oppositionspartei positiv über den österreichischen Tourismus geredet hätte. Zwei Drittel deiner Rede waren eher negativ behaftet, darauf Bezug nehmend, was alles nicht in Ordnung ist. Eines muss man schon klar und deutlich sagen: Die Zahlen, die dieser Bericht uns präsentiert, sind eindeutig. Und du hast absichtlich die Kernzahl nicht genannt, nämlich die 135 Millionen Nächtigungen. Das sind zweieinhalb Prozent mehr als voriges Jahr und ist damit der Höchststand an Nächtigungen, den es jemals im Tourismus in dieser Republik gegeben hat. Das ist ein wesentlicher Faktor. Ebenso sind die 39 Millionen Ankünfte und die 38 Milliarden € an Ausgaben gut. Also ganz so schlecht kann die Politik des Tourismusministers für die Tourismuswirtschaft nicht sein, ansonsten wären solche Zahlen nicht möglich.

Aber eines gebe ich schon zu bedenken, und da gebe ich dir recht, lieber Gerhard: Nicht wir hier im Bundesrat haben das erwirtschaftet, auch nicht die Nationalräte oder der Tourismusminister, sondern die vielen kleinen Betriebe, die Tourismusbetriebe. Und es sind meistens Familienbetriebe, die das erwirtschaftet haben – bei dieser Gelegenheit meinerseits ein herzliches Dankeschön! –, sie sind es, die die Leistung erbringen. Man muss dazu schon auch sagen: In einem normalen Familienbetrieb, in dem die Familie gemeinsam arbeitet, gibt es keine 40-Stunden-Woche, da sind wir bei 60, 70 und 80 Stunden pro Woche während des saisonalen Betriebs. Das sind großartige Leistungen im Hinblick auf wirtschaftlich schwierige Zeiten. Das zeigt, dass der Tourismus ein Konjunkturmotor ist, auf den die Republik Österreich nicht verzich­ten kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dass die Rahmenbedingungen für uns nicht einfach sind, ist mir auch völlig klar, und dass die Mehrwertsteuererhöhung für mich als Touristiker nichts Positives war, ist mir


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ebenso klar. Aber ich sage eines und etwas Wesentliches dazu: Wir haben in Öster­reich Voraussetzungen, die uns im Tourismus wahnsinnig helfen. Und wenn du gegen­wärtig mit deinen Gästen redest, dann sagen sie dir: Bei euch ist die sicherheits­politische Lage noch in Ordnung. Hier kann ich noch mit meinen Kindern Urlaub machen. Das sollte man auch positiv bewerten. Und jeder Euro, der bei uns in die Sicherheit der Republik investiert wird, ist ein gut verwendeter Euro, der uns auch im Tourismus weiterhilft, da dies bei der Urlaubsentscheidung sehr wohl berücksichtigt wird. Genauso wie eine gut funktionierende Gesundheitsversorgung etwas Wesent­liches ist, vor allem für Familien mit Kindern. Bei diesen sind wir in der Urlaubsauswahl sehr populär. Auch das sollte man berücksichtigen. Dass das alles Geld kostet und sich nicht von alleine finanzieren lässt, ist uns Touristikern auch bewusst und auch, dass es dafür eine gewisse Steuerleistung geben muss.

Ich will jetzt nicht zu sehr in die Vergangenheit abschweifen, denn diese ist schon vorbei. Ich will mehr in die Zukunft schauen und klären, wie wir unser Tourismusland Österreich und die einzelnen Bundesländer weiterentwickeln können. Ich sage euch ganz offen, wir werden weiter in die Qualität investieren müssen. Der Bericht hat uns gezeigt, dass gerade Betriebe, die in Qualität investiert haben, deutliche Steigerungen bei den Nächtigungszahlen haben. Ich rede da nicht von Vier- und Fünf-Stern-Betrie­ben, sondern zum Beispiel vom Urlaub am Bauernhof, wo viel Geld investiert worden ist, um die Qualität zu steigern, ebenso in die Campingbetriebe. Wir haben in Österreich die Top-10-Betriebe Europas.

Wo viel Geld investiert worden ist, zeigt sich ein deutlicher Zuwachs bei den Näch­tigungszahlen, und das zeigt auch, dass diese Investitionen sinnvoll sind. Und da wir schon bei Investitionen in die Qualität sind: Da ist heuer mehr Geld investiert worden als in den letzten Jahren. Das zeigt, die Tourismuswirtschaft investiert wieder, und das hat auch gewisse Gründe. Die ÖHT arbeitet hervorragend mit den einzelnen Landes­för­derungsinstitutionen zusammen. Auch wenn der Kreditzinssatz relativ niedrig ist mit 3 Prozent im Durchschnitt, werden Geld und vor allen Dingen Sicherheit zur Verfügung gestellt für die Betriebe, und das ist das Wesentlichste. Deswegen sind allein in Kärn­ten heuer die Investitionen – bitte, Gerhard, da musst du zuhören! – in die Touris­muswirtschaft um 15 Prozent gestiegen. Das ist keine Kleinigkeit und hat auch einen Grund: Die Förderpolitik – und bei dieser Gelegenheit auch ein Dankeschön an unseren Tourismusminister und Wirtschaftsminister – ist in Ordnung und ordentlich aufgestellt. Das sollte man auch nicht vergessen.

Was ich noch sagen wollte – da wir immer von der Entbürokratisierung geredet haben –, ist: Das, was Gabriel Obernosterer im Bereich der Mithilfe der Familienange­hörigen im Betrieb zustande gebracht hat, ist für mich ein wesentlicher Punkt und ein großartiger Schritt in die richtige Richtung. Dafür danke ich dir, denn es ist für uns wesentlich, dass unsere Familienmitglieder mit- und aushelfen können, ohne dass wir große bürokratische Hürden und Kosten haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Und das sollte man unbedingt auch anerkennen, das ist etwas Wesentliches.

Etwas, was ich für die Zukunft noch hinzufügen will: Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass die Sommerfrische, die eine Zeit lang total out war, wieder im Kommen ist. Das Klima wird wärmer, auch in Europa. Manche Südländer werden es im Sommer zu Hause nicht mehr aushalten, und die Gäste werden dementsprechend wieder unsere kühlen Alpentäler, Berge und kühlen Seen bevorzugen, um die Sommerfrische zu genießen. Wir müssen in das Radwegekonzept investieren, auch in die Kultur und in den städtischen Tourismus. Wir wissen ganz genau, dass gerade die Städte Salzburg, aber auch Graz und Wien einen totalen Zulauf haben. Die Gäste wollen sich unser Österreich anschauen. Natürlich resultiert daraus auch ein dementsprechender Aufent­haltsrückgang, aber darauf müssen wir reagieren. Das ist weltweit so, nicht nur bei uns


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in Österreich. Unsere Betriebe sind schon so weit, dass sie darauf reagieren können und werden.

Was ich hier am Ende meiner Rede noch ansprechen möchte, ist etwas, was wir in der Tourismuswirtschaft natürlich nicht verkraften können, nämlich weitere Belastungen, da wir dann nicht mehr in der Lage wären, in Qualität zu investieren.

Manche Ideen, die hier im Raum herumgeistern und heute schon angesprochen wurden, Wertschöpfungsabgabe oder Maschinensteuer, aber auch die Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden, können wir uns nicht leisten und werden wir auch nicht verkraften. (Bundesrat Schennach: Nicht im Tourismus!) Es wäre nur zulasten der Qualität und Betriebe, was im selben Atemzug zu einer Verringerung der Zahl der Nächtigungen und der Wertschöpfung in diesem Land führen würde. Deshalb müssen wir diese Linie weiterverfolgen, in Qualität investieren, frisches Geld und Haftungen zur Verfügung stellen, so wie es jetzt geschieht, dann ist mir um den Tourismus überhaupt nicht bange und wird er auch in den nächsten Jahrzehnten der Konjunkturmotor in der Republik Österreich sein. – Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.11


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.11.41

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Also, Herr Kollege Poglitsch, ich kenne Ihre Reden jetzt schon lange, es ist immer das gleiche Schema. Sie suchen sich Feindbilder aus, das Feindbild sind offensichtlich wir von der FPÖ, obwohl seit 40 Jahren die ÖVP regiert. So, wie Österreich ausschaut, ist es ein Produkt von ÖVP und SPÖ. Das haben wir heute in der Standort-Politik ganz klar festgestellt. (Beifall bei der FPÖ.) Ich vermute, Sie hätten das gleiche Redeschema, auch wenn wir von der FPÖ überhaupt nichts sagen würden. Das sei in der Präambel nur einmal gesagt.

Zu Ihrer Präambel, sehr geehrter Herr Vizekanzler: Diese Präambel ist dieses Mal wirklich ausgezeichnet. Zum Inhalt des Tourismusberichtes, den wir ablehnen müssen, komme ich in der Folge, aber dieses Mal ist die Ablehnung auch eindeutiger.

Die Präambel hat mich auch deswegen herausgefordert, weil, wie mein geschätzter Kollege Dörfler schon vollkommen richtig angeführt hat und von Ihnen auch richtiger­weise festgestellt worden ist, der Markt mit Russland, die traditionelle Zusammenarbeit Österreichs mit Russland, dieser beiden traditionell jahrzehntelang verwobenen, vermengten Handelspartner, wieder aktiviert werden muss. Mit dieser Sanktionsfolge hat sich die Europäische Union wirklich einen Fehltritt geleistet. Dieses gemeinsam ausgerufene österreichisch-russische Tourismusjahr 2017 ist sicherlich ein Asset, auf das sich die Wirtschaft ganz besonders freut und mit dem wir in Österreich praktisch als Eisbrecher fungieren.

Warum es mir relativ leicht gefallen ist, diesen Bericht abzulehnen, darf ich aber in der Folge sagen: Auf Seite 15 kommen die öffentlichen Investitionen als Konjunkturmotor schlechthin vor. Wir haben schon so oft darüber diskutiert, dass die öffentlichen Investitionen kein Konjunkturmotor sind. 90 Prozent aller Investitionen sind private Investitionen. Nein, wir wollen nicht wieder den geschützten Bereich forcieren, wir wollen nicht wieder die staatliche Nachfrage, wir wollen nicht wieder mehr Defizite, sondern wir wollen den privaten, individuellen, einzelnen, tüchtigen, fleißigen Unter­nehmer, die Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe, die für die österreichische Wirtschaft so wichtig sind, gerade für den Tourismusbereich, fördern. Die wollen wir fördern, die


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wollen wir forcieren, aber nicht mit öffentlichen Investitionen, sondern mit privaten Investitionen.

Ein Fehler ist auf Seite 17 zu finden, Herr Vizekanzler, ich zitiere:

„In naher Zukunft wird erwartet, dass die mittlerweile realisierten Budgetüberschüsse neben dem Schuldenabbau auch für öffentliche Investitionen eingesetzt werden.“

Gibt es in Österreich Budgetüberschüsse? Ich kann es mir nicht vorstellen. Es gibt Budgetüberschüsse in Deutschland, es gibt Budgetüberschüsse in der Schweiz, aber Österreich hat Budgetdefizite: 2,7 Prozent 2014, 1,2 Prozent 2015. Wo sehen Sie hier Budgetüberschüsse? Das ist ja buchstäblich eine falsche Aussage! Da würde ich schon sagen, dass man keine falschen Aussagen – man kann das natürlich relativie­ren, argumentieren und so weiter – treffen sollte. Das sei nur dahingestellt. Es gibt keine Budgetüberschüsse in Österreich. Wir würden uns darüber freuen. Es gibt nicht einmal ein Nulldefizit. Wir sind weit, weit davon entfernt. Vielleicht kann man einmal in diese Richtung wirken. Vielleicht ist es ein Ziel, das man sich gesetzt hat, aber es gibt keine Budgetüberschüsse.

Kurz zu einem anderen Thema: Für die Österreich Werbung hätte ich mir sicherlich mehr Platz gewünscht, das ist wirklich unser Leistungsträger, nämlich wie unser Land im Ausland und im Inland dargestellt wird. Die Österreich Werbung mit einer halben Seite abzuhandeln, ist etwas schade.

Worauf ich noch eingehen möchte, ist die österreichische Holzindustrie. Nicht einmal der Österreich Werbung ist es gelungen, für ihre Sujets ein Bild zu bekommen, auf dem kein Kahlschlag der Österreichischen Bundesforste zu sehen ist. Und weil die Rad­wege so gut und zu Recht breit beworben werden, muss man feststellen – jeder, der Rad fährt, weiß das –, dass man spätestens nach 10, 15 Minuten Fahrzeit zu einem weiteren Kahlschlag kommt. Es wurden von den Österreichischen Bundes­forsten in den letzten zehn Jahren per anno 20 Prozent mehr eingeschlagen. Es gibt nur mehr Kleinholz, es gibt kaum richtig dicke Stämme, die für die Sägeindustrie, für die Möbelindustrie, für die Tischlerwerkstätten, für unsere Kleinstbetriebe richtig wären. Die Abholzung des österreichischen Waldes ist eines der ganz, ganz großen Probleme, das an der Öffentlichkeit leider immer vorbeigeht. Wie gesagt, nicht einmal die Österreich Werbung schafft es hier, ein Bild ohne Kahlschläge zu bringen. Wenn man sich das Bild (einen Werbeprospekt in die Höhe haltend) genau anschaut, dann sieht man, dass hinten noch sechs, sieben Kahlschläge zu sehen sind. Vielleicht kümmert man sich einmal um den österreichischen Wald. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da Russland angesprochen wurde: In Russland gibt es ganz, ganz restriktive Gesetze. In Russland darf ein Wald alle 15 Jahre einmal durchforstet werden, in Österreich drei- bis viermal alle 15 Jahre. Bis ein Wald, bis eine Rotbuche, eine Weißbuche abgeholzt werden kann, bis sie ertragsreif ist, vergehen 80 Jahre. Und jeder weiß, wie der österreichische Wienerwald ausschaut. Leider ist eure Kollegin Sonja Zwazl nicht da, sie ist ja aus Klosterneuburg. Jeder weiß, wie der Klosterneuburger Wald ausschaut, das ist eine wahre Tragödie. Das wollte ich einmal erwähnen. Und die Effizienz der Österreichischen Bundesforste, einen Wald zu schlagen, einen Baumbestand zu schlägern und liegen zu lassen, muss mir einmal einer erklären. Bei den Österreichischen Bundesforsten ist sehr vieles im Argen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.17


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Novak zu Wort ge­meldet.

 



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12.17.27

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pisec, Sie haben es schon in der Aktuellen Stunde versucht, was das Thema Wirtschaft anbelangt, und jetzt versuchen Sie noch einmal, den Tourismus in Österreich runterzureden. Ich frage mich, was das jetzt auch noch mit den Bundesforsten zu tun hat; darüber müsste man mit dem Landwirtschaftsminister reden. Jedenfalls ist der Herr Vizekanzler der falsche Ansprechpartner, was das betrifft.

Tatsache ist, der Tourismus steigt Jahr für Jahr weltweit an, das wissen wir alle, auch in Österreich. Meine Damen und Herren, Kollege Poglitsch hat es ja schon gesagt, wir haben 135,2 Millionen Nächtigungen in Österreich, und wir reden nicht nur von Nächti­gungen, sondern auch von Wertschöpfung. Ich war selbst Tourismuschef oder Regional­geschäftsführer, oder wie auch immer das damals geheißen hat, einer Region, wir haben es zwar immer an der Zahl der Nächtigungen gemessen, aber nie auf die Wertschöpfung geschaut. Aber auch die Wertschöpfung ist in Österreich gut. Dass im Tourismus in Österreich ein Umsatz von 38,4 Milliarden € erwirtschaftet wird, ist eine Erfolgsgeschichte, und das muss man an dieser Stelle auch endlich einmal sagen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

Das ist der Grund dafür, dass der Tourismus in der österreichischen Volkswirtschaft unumstritten ist und einen ganz bedeutenden Stellenwert hat. Wenn wir uns die Österreich-WIFO-Statistik anschauen, das Tourismus-Satellitenkonto für Österreich, wonach die Gesamtaufwendungen – jetzt muss man das wirklich mit Zahlen belegen, weil hier so negativ gesprochen worden ist – von in- und ausländischen Gästen 2015 ein Volumen von sage und schreibe 45,7 Milliarden € aufgewiesen haben, dann, muss ich sagen, bedeutet das, dass von 2014 auf 2015 eine Steigerung von 5 Prozent stattgefunden hat. Einer Vorausschau für 2016 zufolge liegen wir bei 2,6 bis 3 Prozent, also wieder eine Zunahme, die wir uns für unsere braven und fleißigen Unternehmer nur wünschen können. 7 Prozent des heimischen BIP nicht nur auf der Ebene von Österreich, sondern auch auf Länderebene zeigen, dass da gut gearbeitet wird.

Ich möchte aber im Zusammenhang mit diesem Thema – auch weil ich der dritte Kärntner bin, der dazu spricht – das Land Kärnten ein bisschen beleuchten. Wenn wir sehen, dass wir in der Saison 2014/2015 fast 12,2 Millionen Nächtigungen gehabt haben und an vierter Stelle in Österreich liegen, dann ist an der Entwicklung der Nächtigungszahlen sehr gut ablesbar, dass das Ganze nicht immer so aussagekräftig ist.

Während die Nächtigungszahlen seit der Saison 1985/1986 – in diesem Bereich habe ich selbst auch begonnen und war mittendrin – bis heute um 25,7 Prozent gesunken sind – das muss man auch dazusagen –, hat sich die Bruttowertschöpfung im Beher­bergungs- und Gastronomiesektor stark gesteigert. Das waren insgesamt 72,5 Pro­zent; im Dienstleistungsgewerbe zur gleichen Zeit 46,3 Prozent. Es ist also überpro­portional hoch, was in Kärnten da erwirtschaftet wurde. Kollege Poglitsch betreibt ja selbst einen hervorragenden touristischen Betrieb. Er weiß mit diesen Zahlen sicherlich sehr viel mehr anzufangen als ich, da ich selbst im touristischen Bereich ja nur in der Beratung gearbeitet habe.

Was die Verzahnung von Tourismus- und Freizeitwirtschaft betrifft, muss man fest­stellen, dass die touristischen Freizeiteinrichtungen nicht nur von Gästen genutzt werden. Obwohl immer wieder gesagt wird, wir investieren für Gäste, ist es so, dass Bäder, Langlaufloipen, Skilifte und andere infrastrukturelle Einrichtungen auch von Einheimischen genutzt werden und dass auch für diese Klientel Geld ausgegeben wird. Um diese Wertschöpfung noch einmal auf den Punkt zu bringen: Bei uns in Kärnten sind 48 000 Personen damit beschäftigt.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 71

Es gibt noch viele Zahlen, die man erwähnen könnte, aber ich möchte noch ganz kurz auf das Thema Beschäftigung eingehen, damit wir, die wir hier heraußen stehen, nicht immer das Gleiche sagen. Wir haben gesehen, dass österreichweit im Jahresdurch­schnitt 202 900 unselbständig Beschäftigte im Tourismus tätig waren. Da muss man auch dazusagen, dass das um 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr sind; das entspricht einem Anteil an den aktiv unselbständig Beschäftigten von 5,9 Prozent.

Die Beschäftigung im touristischen Bereich in Österreich ist auch durch einen hohen Frauenanteil, nämlich 58 Prozent, gekennzeichnet, leider sind aber – es gibt nicht immer nur Licht, sondern auch Schatten – auch da in den Spitzenpositionen nicht immer Frauen zu finden, etwa auf Geschäftsführerebene in Tourismus-Verbänden oder wie Petra Stolba von der Österreich Werbung; sie ist übrigens eine hervorragende Spezialistin, was den touristischen Bereich anbelangt.

Da muss man nun doch feststellen, dass gerade dieser Beruf mit der Familie an­scheinend sehr schwer zu vereinbaren ist. Es fehlt oft an familienfreundlichen Bedin­gungen für Frauen, die in Betrieben arbeiten, wobei ich aber gleich an dieser Stelle noch einmal feststellen will und sollte: Es gibt sehr, sehr viele Betriebe, die nicht nur in die Hardware, sondern auch in die Software investieren, nämlich in Weiterbildung für die Mitarbeiter, um in ihrem Betrieb wirklich qualifiziertes Personal für die Zukunft halten zu können.

Was mir persönlich beim Lesen dieses Berichts aufgefallen ist, ist, dass die gering­fügige Beschäftigung zugenommen hat. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist seit 2008 um 60,8 Prozent auf 56 730 gestiegen. Das ist doch ein Anteil, der meiner Meinung nach ein bisschen besorgniserregend ist, weil es zumeist auf Kosten der Frauen geht. Allgemein bieten die Tourismusbetriebe den Beschäftigten nur zum geringen Teil die Möglichkeit, das ganze Jahr über beschäftigt zu sein. Betriebe wer­den gesperrt, keine Frage; das heißt, dass man dann stempeln gehen muss und später wieder in dieses Arbeitsverhältnis einsteigen kann.

Der Tourismusbereich ist sehr stark auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Ihr Anteil in dieser Branche beträgt 46,2 Prozent; er ist somit vergleichsweise sehr hoch und weiter steigend.

Kollege Dörfler hat, glaube ich, über die Lehrstellen gesprochen. Es hat mich ein bisschen gewundert, dass es nicht möglich ist, auf diesem Markt zu reüssieren. Vielleicht fehlt die Attraktivität. Man muss es wieder attraktiv machen, im Tourismus zu arbeiten, denn im Jahresdurchschnitt 2015 standen 1 485 offene Lehrstellen in Tourismusberufen zur Verfügung, während es nur 469 Lehrstellensuchende in diesem Bereich gab.

Es sind also weitere Maßnahmen zu setzen, um die Attraktivität der Berufe im Touris­mus zu steigern. Es gilt, vermehrt auf die Chancengleichheit, vor allem für Frauen, und auf eine faire Entlohnung zu achten sowie bereits bestehende Lehrinitiativen weiter auszubauen.

Drei Sätze noch dazu, denn es geht ja schlussendlich um das Angebot: Das Angebot aus ökologischer Sicht ist in dem Bereich, wo ich herkomme, auf dem Land, in den Nationalparks, ein hervorragendes. Ich glaube nicht, dass nur die Städte alleine betrachtet positive Zuwachsraten haben, sondern wenn man auf dem Land in einer Nische arbeitet, wenn man so wie bei uns in Nationalparks arbeitet, wenn man den Bereich Urlaub auf dem Bauernhof hernimmt oder viele andere Angebote, die in diesem Bereich sehr positiv auf dem Markt reüssieren können, dann sieht man, dass die Möglichkeit besteht, dort wirklich Wertschöpfung zu erzielen, wenn man fleißig ist.

Die aktuellen Trends – daran habe auch ich mitgewirkt –, etwa das Thema Radwege: Wenn man weiß, dass die vielen Radwege – sei es der Drauradweg bei uns, der


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Donauradweg oder der Murradweg, und mittlerweile gibt es auch den Alpe Adria Radweg – Zuwachsraten von 10, 20 und 30 Prozent jährlich haben, dann erkennt man, dass man die Möglichkeit hat, in einer Nische etwas zu tun. Das betrifft auch die Weitwanderwege. Der Alpe-Adria-Weitwanderweg, der vom Großglockner bis zum Meer reicht, liegt weltweit an vierter Stelle und hat Zuwachsraten von 20 Prozent.

Ich glaube daher nicht, dass wir uns hier herstellen und sagen können, der Tourismus ist ein schwieriges Thema. Dass da und dort noch etwas geschehen muss, ist ja keine Frage; aber wenn jemand über den Tourismus jammert und meint, dass da schlecht gewirtschaftet werde, muss ich entgegnen: Das ist bei Weitem nicht der Fall.

Ich glaube an die heimische Tourismus- und Freizeitwirtschaft und meine, dass sie auch weiter auf einem Erfolgskurs sein wird. Ich denke, dass wir mit unseren kreativen Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich, vor allem auch mit motivierten Mitarbeitern dieses kleine Land in der touristischen Welt weiter an vorderster Stelle positionieren können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Schreyer und Zelina.)

12.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Herr Vizekanzler Dr. Mitterlehner hat sich als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


12.27.55

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin Reiter, es tut mir leid, ich muss dann gleich weg, dann kommt der Herr Staatssekretär, ich wollte aber vorher noch meine Darstellung bringen und darf diese so beginnen: Uns liegt heute der Tourismusbericht vor, und es ist für die Opposition verdammt schwer, den Bericht ins Negative zu ziehen. Das kann man nur erreichen, indem man diverse Zahlen nicht zitiert oder indem man diverse Teile des Berichts falsch zitiert.

Mit falsch Zitieren meine ich Kollegen Pisec, er hat nämlich gesagt, die Einleitung sei ja ganz gut, aber dann stehe auf Seite 17 der Satz: „In naher Zukunft wird erwartet, dass die mittlerweile realisierten Budgetüberschüsse neben dem Schuldenabbau auch für öffentliche Investitionen eingesetzt werden.“ – Wo haben wir in Österreich Budgetüber­schüsse? Das ist falsch und daher im Bericht total falsch angewendet, zitiert, was sonst!

Wenn Sie die Güte haben, das auch mit dem Kontext in Verbindung zu bringen, dann werden Sie merken, dass sich diese Passage auf Deutschland bezieht. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Im Bericht wird nachher auch auf Österreich Bezug genommen, aber vorher ist ausdrücklich Deutschland gemeint, und Deutschland hat Budgetüberschüsse gemacht. (Bundesrat Pisec: Dann ist es ein schlechtes Deutsch!) – Ich bin ehrlich gesagt vorhin erschüttert gewesen … (Bundesrat Pisec: Sie haben recht, aber es ist nicht eindeutig!) – Ich will mich dazu nicht weiter äußern, die Darstellung spricht sowieso für sich.

Zum Ernst der Sache kommend möchte ich aber betonen, was mehrere Redner vor mir schon gesagt haben: Wir haben im Tourismusbereich lauter Rekordzahlen. Die Nächti­gungszahl, was das letzte Jahr anbelangt, war ein Rekordwert, die Zahl der ankom­menden Gäste war ein Rekordwert, und auch bei der Wintersaison haben wir Rekord­werte.

Es wird in diesem Zusammenhang dann sehr oft gefragt: Was ist mit den Umsätzen? – Wir hatten im letzten Jahr erstmals wieder steigende Umsätze. Und dann ist das immer wieder – was man nicht verneinen kann, ist, wenn man betriebswirtschaftlich gut


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aufgestellt ist, kann man Gewinn machen – mit Investitionen in Zusammenhang ge­setzt worden. Immer wieder hieß es, die Rahmenbedingungen und die Zukunftserwar­tungen wären so schlecht, dass niemand investiert. – Auch das ist, wenn Sie auf die letzten Monate zurückblicken, falsifiziert. Wir haben eine Steigerung um rund 70 Prozent, was die aushafteten Kredite und Sonstiges anbelangt, und haben daher auch eine Zunahme des Optimismus, sprich eine Zunahme der Investitionstätigkeit.

Es ist angemerkt worden, das sei ein Verdienst der Betriebe, vor allem der Klein- und Mittelbetriebe. – Ja, selbstverständlich, es ist auch ein Verdienst der landschaftlichen Gegebenheiten, die wir in Österreich haben. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Es wird nicht falsch sein, was die Österreich Werbung insgesamt in allen Ländern, insbe­sondere in den Traditionsbereichen, aber auch in Zukunftsmärkten, an Werbemaß­nahmen setzt; es wird nicht falsch sein, was wir an Förderanreizen bieten; und es wird auch die Tätigkeit der ÖHT keine gravierend falsche sein. Das passt stimmig zusam­men, wir liegen prinzipiell richtig.

Jetzt ist die Frage, die auch Kollege Poglitsch angesprochen hat: Was ist mit der Mehrwertsteuererhöhung im Zuge der letzten Steuerreform? – Ich gebe zu, das ist ein Wermutstropfen. Es ist bedauerlich, aber Sie können eine derartige Erhöhung dann verkraften, wenn Sie bei den Preisen nicht im Spitzenfeld liegen. Wenn Sie die Preise vergleichen, und das ist mithilfe der Buchungsplattformen möglich, dann sehen Sie, dass Österreich im Mittelfeld liegt.

Dabei ist Österreich in dieser Hinsicht in einer wesentlich besseren Situation als beispielsweise die Schweiz, wo die Aufhebung der Bindung des Franken an den Euro Preisnachteile von bis zu 20 Prozent gebracht hat. Die hatten wirklich Tränen in den Augen – ich war zu diesem Zeitpunkt zufällig in der Schweiz. Dagegen sind 3 Prozent in einer Mittelpreissituation und bei einigermaßen steigenden Ausgaben – nämlich insbesondere auch durch die Steuerreform bedingt; wir haben immerhin einen Anteil von 30 Prozent Inländernächtigungen – eine Möglichkeit, das auch bei den Preisen weiterzugeben. Soweit ich die Daten der Statistik Austria interpretieren kann, ist das mittlerweile auch geschehen. Weitergaben waren nicht nur durch Kollektivvertragsver­handlungen bedingt, sondern auch dadurch. Dennoch gebe ich zu, es bleibt ein Wermutstropfen. Im Zuge der Steuerreform gab es keine andere Möglichkeit, aber ich glaube, es war verkraftbar, was die Zahlen auch bestätigen.

Jetzt zu etwas anderem: Wir versuchen trotzdem – die Lage ist besser als die Stimmung –, entsprechende Maßnahmen zu treffen. Wir haben ja die Situation, dass rund 50 Prozent aller Nächtigungen mittlerweile de facto über Buchungsplattformen gebucht werden. Nun haben wir gesehen: Dort war bis jetzt eine Bestpreisklausel vorgesehen, eine Garantie, die man nicht abändern konnte. Jetzt wollen wir volle Bewegungsfreiheit und haben ein Gesetz gegen diese Bestpreisklauseln von Buchungsplattformen eingebracht. Das erhöht den Spielraum der Unternehmen be­trächtlich. Andere Länder wie Frankreich oder auch Italien, glaube ich, haben das schon gemacht. Das werden wir im Rahmen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in den nächsten Wochen realisieren.

Wir haben die schon von Kollegen Poglitsch erwähnte Rechtssicherheit bei Mithilfe von Familienangehörigen erreicht; das ist, weil es da bisher eine unterschiedliche Spruchpraxis gab, eine wichtige neue Klärung, die uns helfen wird. Wir haben jetzt auch im Rahmen der Änderungen im Zusammenhang mit Registrierkassen wichtige Maßnahmen beschlossen, was die Endbesteuerung für temporäre Aushilfen anbelangt. Da gab es bis jetzt immer die Problematik, dass der Unternehmer, wenn jemand ein paar Stunden woanders gearbeitet hat, hohe Kosten hatte und der betroffene Arbeitnehmer bei der Arbeitnehmerveranlagung und sonst wo entsprechende büro­kratische Aktivitäten setzen musste.


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All das haben wir nun geregelt, nämlich mit einer mit rund 30 Prozent pauschalierten Regelung. Dabei können alle Sozialversicherungsbeiträge und Steuern in einem abge­rechnet werden. Das finde ich sehr, sehr günstig, wenn man schaut, was das sonst gekostet hätte.

Wir haben auch bei der Registrierkassenpflicht ein paar Erleichterungen, zum Beispiel was Unternehmen anbelangt, die außerhalb fester Räumlichkeiten Umsätze haben: Wenn die dort getätigten Umsätze 30 000 € nicht überschreiten, sind sie von der Regis­trierkassenpflicht ausgenommen. Das gilt auch für alle Berg-, Ski- und Schutzhütten, wenn die Umsätze 30 000 € nicht überschreiten.

Wenn ich das zusammenfasse, meine Damen und Herren, heißt das: Wir haben eine sehr, sehr gute Lage. Wir haben allerdings eine verbesserbare Stimmung. Ich hoffe, dass die Maßnahmen, die wir setzen werden, dazu beitragen, beides stimmig in die gleiche Richtung zu entwickeln. Der Tourismus ist ein Träger der Konjunktur, ein wichtiger Faktor der Wirtschaftsentwicklung, und wir freuen uns über die günstigen Gegebenheiten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


12.35.41

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse mich nicht gerne mit anderen Oppositionsparteien in einen Topf schmeißen, auch nicht, was die Beurteilung dieses Berichts betrifft, den ich positiv finde und den ich auch zustimmend zur Kenntnis nehmen werde.

Der Bericht ist sehr gut gemacht, sehr informativ. Ich finde es wirklich großartig, dass der Tourismus sich weiterhin so positiv entwickelt. Der Tourismus ist ja ein sehr sensibler Bereich und auch von Faktoren abhängig, die wir nicht in der Hand haben. Das ist unter anderem das Wetter, die Lage der Feiertage und Ähnliches. Das geht so weit, dass in wirtschaftlich schwächeren Zeiten gerade der Tourismus ein Bereich ist, wo als Erstes gespart wird und wo es für die Menschen auch am einfachsten ist, den Konsum zurückzunehmen; das ist aber vielleicht nicht mehr ganz so.

Unser Tourismus profitiert vermutlich auch von Krisen in der Türkei – wobei ich es schrecklich finde, dass gerade dieses unglaublich gastfreundliche und touristisch sich so gut entwickelnde Land jetzt derartig betroffen ist. Ich denke, unser aller Mitgefühl sollte der Türkei, den Opfern und Angehörigen von Opfern von Anschlägen gelten, aber eben auch den vielen Mitarbeitern im türkischen Tourismus, die von dieser Situation existenziell betroffen sind.

Ganz sicher profitieren wir aber in diesem Bereich von der Qualität, die in Österreich geboten wird – sei es die Qualität der MitarbeiterInnen, die Qualität der Betriebsführer, der Selbständigen, der Unternehmer in diesem Bereich, aber auch des ganzen Umfelds. Eine schöne Landschaft allein genügt nicht. Diese Landschaft muss auch erreichbar sein, sie muss gepflegt sein. Da wirken die Landwirte mit und alle, die dort wohnen, das betrifft auch die Städte und Dörfer. Der geschichtliche Hintergrund einer Stadt genügt nicht. Da braucht es auch ein Kulturangebot, für das man sorgen muss, da braucht es, wie gesagt, Sauberkeit, lebendige Traditionen und immer wieder auch Innovationen.

Wir haben Gebiete wie das Salzkammergut, wo es Tourismus seit dem 19. Jahr­hundert gibt, mit einer unglaublichen Tradition. Seit damals ist man es dort gewohnt, gehobene Gäste entsprechend zu betreuen, und das merkt man auch bis heute.


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Gleichzeitig braucht es aber auch immer wieder die Innovation, sei es das Mountain­biken, sei es das Angebot an Klettergärten und Ähnlichem, und das gibt es auch tatsächlich.

Sie merken meine Begeisterung. Ich bin ja seit über 40 Jahren touristisch tätig, ver­suche eben, Österreich an die Touristen zu verkaufen, zu vermitteln, und bin immer wieder begeistert von dem, was einem geboten wird, was man tatsächlich an Beher­bergungsbetrieben, an Restaurantbetrieben und eben an Verschiedenstem, was man heute unter Events zusammenfasst, vermitteln kann.

Die Bedeutung des Tourismus für die Wirtschaft allgemein kann man, glaube ich, gar nicht überschätzen. Fahren Sie einmal ins Zentralmassiv in Frankreich, wo das nicht existiert und wo es wirklich völlig verlassene Gebiete gibt. Da glauben Sie, Sie sind in Sibirien gelandet. Da ist der Tourismus der wesentliche Unterschied, der bei uns praktisch überall großartig funktioniert.

Es gibt aber auch Probleme, ich denke, auch die sollte man ansprechen, und sie werden im Bericht auch angesprochen, zum Beispiel, dass uns derzeit ein Angebot in der Mitte fehlt. Es ist zu einer großen Ausweitung des Angebots im Vier-, Fünfsterne­tourismus gekommen, aber im mittleren Bereich fehlt das Angebot. Es fehlt zum Beispiel ein Angebot für den sportlichen Gast, den Wintergast, den Skifahrer, der eigentlich nur Skifahren gehen will und ein sauberes Bett braucht, aber die restlichen Angebote nicht. Man versucht, nachzurüsten, aber da hat sich eine Lücke aufgetan.

Natürlich haben Entwicklungen wie Airbnb eine neue Situation für die Privatzim­mervermietung geschaffen, mit der umzugehen ist. Es gibt auch rechtliche Probleme: Werden da die entsprechenden Abgaben bezahlt? Wie schaut es mit Widmungen in der Raumordnung aus? Es gibt also auch neue Entwicklungen, die neue Herausfor­derungen darstellen. Bezüglich Buchungsplattformen wurde bereits erwähnt, dass es schon Maßnahmen gibt.

Was die Aufenthaltsdauer, das Sinken der Aufenthaltsdauer betrifft, denke ich nicht, dass da wirklich aktiv gegengesteuert werden kann und sich diese wesentlich verlän­gern lassen wird.

Die Internationalisierung ist wirklich unglaublich. Wenn man sich das Touristenbild in Salzburg vor 15, 20 Jahren und heute anschaut, so zeigt sich da ein Riesenunter­schied. Positiv ist, wenn man nicht nur von einem oder zwei Herkunftsmärkten abhän­gig ist, aber es stellt natürlich auch alle, die im Tourismus arbeiten, vor große Heraus­forderungen. Es ist ein Unterschied, arabische Gäste, Gäste aus dem Fernen Osten, aus China zu betreuen oder eben einen deutschen oder französischen Gast.

Grenzkontrollen können durchaus zu einem Problem werden, wenn sich das tat­sächlich weiter so entwickelt. Gerade der Gast, der den Kurzaufenthalt sucht und der das österreichische Angebot übers Wochenende nutzen will, möchte dann nicht stundenlang im Grenzstau stehen und wird das sicherlich nicht akzeptieren.

Die Expertenmeinung im Bericht, dass beim Binnenreiseverkehr von Sättigung und daher Stagnation auszugehen ist, teile ich ganz und gar nicht. Gerade was die Älteren – und wir werden natürlich alle älter – betrifft, gibt es durchaus noch Luft nach oben. Da besteht weiterhin ein Wachstumspotenzial, aber auch für das jüngere Publikum erweitert sich das Angebot. Da ist meiner Meinung nach noch keine Wachstumsgrenze erreicht.

Es gibt jedoch sehr wohl Wachstumsgrenzen, und da gibt es eigentlich immer Prob­leme, wenn man das Touristikern gegenüber anspricht, im Städtetourismus zum


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Beispiel. In der Getreidegasse kann man etwa kein zweites Stockwerk einziehen; das betrifft auch den 1. Bezirk in Wien. Wenn in der Vier-, Fünfsternekategorie tatsächlich alles gebaut wird, wofür es Kapazitäten gibt, wird es eng werden im 1. Bezirk, und das wird es auch jetzt schon teilweise. Wenn man dann ein Stadium erreicht, in dem der Tourist den Touristen stört, dann ist das eine Situation, mit der umzugehen ist. Das ist eine Wachstumsgrenze. Venedig laboriert schon lange an dieser Wachstumsgrenze, und es kann keine Lösung sein, unsere Städte in Potemkinsche Dörfer oder Disney­lands zu verwandeln. Das hilft dem Tourismus nicht wirklich weiter.

Zu den Investitionen: Im Bericht wird angemerkt, dass der Niedrigzins bei den Betrie­ben noch nicht wirklich angekommen ist; die durchschnittliche Zinsbelastung ist trotz intensiver Bemühungen gerade auch der Tourismusbank, die ja auch Haftungen übernimmt, eigentlich noch immer relativ hoch. Derzeit kooperieren nur drei Bundes­länder entsprechend, und das ist ein Punkt, den man ansprechen sollte: In manchen Bereichen besteht nach wie vor zu viel Kirchturmdenken und zu wenig Kooperation. Gerade der weiter entfernt lebende Gast differenziert nicht zwischen Tirol, Kärnten und so weiter. Die Kooperation könnte da noch wesentlich besser sein, und das gilt auch für die Ausarbeitung von Richtlinien, nach denen gefördert wird.

Trotz des blinkenden Lichts auf dem Rednerpult noch ein paar Worte zum Arbeits­markt: Das ist ein ganz wesentlicher Bereich, der in Zukunft über Erfolg und Misserfolg entscheiden wird. Der Tourismus ist eine Niedriglohnbranche. Das stellt Länder wie Salzburg vor große Probleme, weil dort die Lebenshaltungskosten sehr hoch sind und sich sehr viele Beschäftigte mit dem, was sie verdienen, das Leben schlicht und einfach nicht leisten können. Das bedeutet, dass die Mindestsicherung auch an Beschäftigte dieser Branche fließt, und zwar gar nicht wenig. Es gibt einen enormen Druck auf die Beschäftigten im Tourismus, Lohndruck und auch was das Arbeitsaus­maß und so weiter betrifft. Es ist die Frage, wie wir mit Dienstleistungen und dem Dienstleistungsbereich insgesamt wirklich umgehen wollen, ohne Ausbeutung und ähnliche Entwicklungen.

Wir haben in der Branche zwar einen hohen Frauenanteil, einen hohen Ausländer­anteil, aber wir müssen uns vorstellen, dass weniger als die Hälfte – weniger als die Hälfte! – übers Jahr hinweg durchgehend beschäftigt sind. Es gibt überhaupt nur ein Viertel ganzjährig Kernbeschäftigte. Ein Viertel! Die anderen sind nur saisonal kernbe­schäftigt. Was heißt das für die vielen Menschen, die in dieser Branche arbeiten, sozial, für die Lebensplanung und -gestaltung und so weiter? Das sind sehr gravie­rende Zahlen und Ziffern.

Die Lehre wurde schon angesprochen. Etwas, das auch im Bericht drinnen ist, möchte ich aber noch ganz positiv hervorheben: die EXPO 2015 in Mailand, bei der im Österreich-Pavillon das Lebensmittel Luft präsentiert wurde. Die Bundesforste wurden schon angesprochen, und dort wurde ein österreichischer Wald gepflanzt und präsentiert, was zur Folge hatte, dass es der einzige Pavillon ohne Klimaanlage war, in dem die Temperatur trotzdem 5 Grad unter jener der Umgebung lag. Es war ein ener­gie­neutraler Pavillon mit Solarpanelen und so weiter. Er hat auch Preise gewonnen. 2,4 Millionen Besucher haben ihn gesehen, und ich denke, es war eine großartige Präsentation eines ökologischen, nachhaltigen, besuchenswerten Österreich. Das wollte ich hier auf alle Fälle noch einmal erwähnen.

Der österreichische Tourismus ist international gut vernetzt und bringt seine Expertise ausgezeichnet international in verschiedensten Gremien ein; auch das ist äußerst positiv.


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Das leidige Kapitel Rad und Bahn und auch Rad und Bundesforste und Ähnliches lasse ich jetzt weg, aber ich denke, auch da gibt es noch viele Entwicklungs- und Ver­bes­serungsmöglichkeiten. Im Großen und Ganzen können wir alle aber auf diesen Wirtschaftszweig in Österreich sehr stolz sein. (Allgemeiner Beifall.)

12.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Köll. – Bitte.

 


12.48.17

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon sehr vieles gehört zum Erfolgsbericht über den österreichischen Tourismus im Berichts­jahr 2015, und den kann man, wie unser geschätzter Herr Vizekanzler bereits ausge­führt hat, ganz sicher nicht schlechtreden. Wir haben natürlich auch einige negative Faktoren festzustellen; sie wurden bereits angesprochen: Russland-Embargo, jetzt Brexit mit möglichen Folgewirkungen, Situation im Währungsbereich, Mitarbeitersitu­ation, Saisonalität und viele andere Herausforderungen, von denen wir alle heute schon gehört haben.

Herr Kollege Pisec – er ist leider gerade nicht anwesend (Bundesrat Dörfler: Er ist im Wald!) –: Die Waldausstattung Österreichs ist sicherlich nicht das Problem. Als ich noch etwas jünger war, lag der prozentuelle Anteil der Bewaldung Österreichs meiner Erinnerung nach bei 38 Prozent. Ich habe schnell gegoogelt: Also zwischenzeitlich liegen wir bereits bei 48 Prozent. Außerhalb des Dauersiedlungsraums wächst Öster­reich zu, und das ist in mancher Hinsicht positiv zu betrachten, wenn man sich noch an die Horrorszenarien mit Waldsterben und saurem Regen erinnert. Es gibt aber natürlich auch negative Faktoren im Hinblick auf die Kulturlandschaft unserer Almen. Das muss man also immer sehr ausgewogen betrachten. Die Natur ist einer der wesentlichsten Faktoren für den österreichischen Tourismus.

Ich komme ja aus einer Nationalparkgemeinde, der größten in Österreich übrigens, mit rund 160 Quadratkilometern Schutzgebietsanteil auch die größte Natura-2000-Ge­meinde. Deswegen beschäftigen wir uns natürlich im Tourismus hauptsächlich mit diesen Aspekten, wenngleich ich persönlich auch seit rund 30 Jahren hauptberuflich als Bergbahnen-Geschäftsführer und auch -Gesellschafter im Tourismus tätig bin und ebenfalls ununterbrochen im Vorstand eines Tourismusverbands.

Tirol ist das erfolgreichste Bundesland in diesem Sektor; wir haben mehr Übernach­tungen als Griechenland, was im Tourismus natürlich schon einen Vergleich wert ist. Wir haben besondere Faktoren mit einzubeziehen, und da darf ich heute schon einmal ein Plädoyer für die österreichische Seilbahnwirtschaft halten, der man manchmal vorwirft, sie verbrauche zu viel Natur, sie belaste die Natur. – Es gibt kein umwelt­freund­licheres Verkehrsmittel als Bergbahnen. Wenn ich Ihnen hier ein paar Zahlen aus Tirol präsentieren darf: Die Bruttowertschöpfung, die durch die Seilbahnen ausge­löst wird, liegt bei etwa 1,5 Milliarden €. Wir haben direkt 8 600 Mitarbeiter bei den Tiroler Bergbahnen, indirekt 45 000. Das sind aber nicht alle im Tourismus Beschäf­tigten, und das ist sehr eng gehalten: Diese Berechnung bezieht sich auf Skischulen, Skiverleihe und andere angrenzende Bereiche.

Sehen wir uns den „Flächenverbrauch“ – unter Anführungszeichen – an: Tirol hat eine Schutzgebietsausstattung von 25 Prozent der Landesfläche, die unter totalem Natur­schutz steht, und es ist nahezu ein Drittel unserer Landesfläche in geschützten Be­reichen, während unsere Skigebiete nicht einmal 0,2 Prozent der Landesfläche in Anspruch nehmen. Zirka 7 300 Hektar sind ausgewiesene Skigebietsflächen, also Pistenflächen mit Aufstiegshilfen.


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Auch die Beschneiung ist bei Weitem nicht ein so großer Energieverbrauchsfaktor, wie das andere Bereiche sind: Sie ist ein umweltfreundlicher Faktor, denn wir haben Trinkwasserqualität. Wenn man den Stromverbrauch mit dem eines mittleren Industrie­betriebs mit zirka 4 000 bis 5 000 Beschäftigten vergleicht, dann ist der in etwa gleich hoch. Der Stromverbrauch der gesamten Beschneiung in Tirol lässt sich auch mit dem einer Stadt von rund 10 000 Einwohnern vergleichen. Was man damit an Wertschöp­fung auslöst, das steht dazu natürlich in keiner Relation, deswegen ist es sehr, sehr wichtig, den Wintertourismus weiter auszubauen. Die österreichischen Seilbahnen erwirtschaften allerdings auch im Sommer 10 Prozent ihres Ertrags.

Ich bin natürlich jemand, der die Nationalpark- und auch die Natura-2000-Entwicklung touristisch positiv bewertet. Man muss sich aber von einer Legende verabschieden, und das ist zwischenzeitlich auch österreichweit bestätigt: Den sogenannten sanften Tourismus gibt es nicht, der ist nämlich so sanft, dass er jenseits der wirtschaftlichen Wahrnehmungsschwelle liegt. Es gibt nur einen umfassenden Qualitätstourismus (Zwischenruf der Bundesrätin Schreyer), in dem natürlich auch die Natur, liebe Kollegin Mag. Schreyer, eine ganz wichtige Rolle spielt.

Wenn wir uns den Nationalpark Hohe Tauern anschauen, dann sehen wir, dass es da drei Bundesländer gibt; er ist bundesländerübergreifend. Dort machen wir die Erfah­rung, dass wir im Sommer innerhalb des Schutzgebiets mit großen Nächtigungsrück­gängen zu kämpfen haben. Das hat mit den Widersprüchen zu tun, wahrscheinlich auch mit unserem eigenen Freizeitverhalten: Jede und jeder von uns fährt gerne in unberührte Naturlandschaften und möchte dort seinen/ihren Urlaub verbringen. Das sagen auch Freizeitforscher wie zum Beispiel Opaschowski oder andere. Über 80 Prozent wünschen sich unverbrauchte Natur. Wer ist jedoch wirklich bereit, in ein Schutzgebiet zu fahren, in dem es keinen Komfort, keine Aufstiegshilfen gibt, was ich ja unter dem Aspekt des Schutzgedankens noch verstehen kann? Man könnte aber auch eine Besucherstromlenkung durch Bergbahnen außerhalb der Schutzgebiete anbieten.

Ich habe mir weltweit schon ein paar Nationalparks angesehen, nicht nur in Europa, sondern auch in Übersee. Dort wird ein Nationalpark als umfassendes Produkt ver­kauft, in dem auch Leistungen angeboten werden. Wenn man diesen 82 Prozent der Gäste, die sich unverbrauchte, unberührte Natur wünschen, jene 4 Prozent der Gäste gegenüberstellt, die wirklich bereit sind, sich den körperlichen Strapazen eines Berg­steigerurlaubs, also einer Wanderung von Schutzhütte zu Schutzhütte oder klassi­schem Bergsteigen, auszusetzen, dann liegt darin ein gewisser Widerspruch, den wir auflösen müssen. Deswegen ist es sinnvoll, wenn es Werbekooperationen gibt, wenn es auch in Österreich Bemühungen gibt, den Marketingauftritt der Nationalparks, der Schutzgebiete zu verbessern.

Wir haben die Erfahrung gemacht, und die ist in Kärnten genau gleich wie in Salzburg oder bei uns in Osttirol: Dort, wo wir die Skigebiete außerhalb des Nationalparks aus­ge­baut haben, gibt es eine positive Nächtigungsentwicklung im Sinne eines funktionsfähigen Ganzjahrestourismus. Wenn wir jedoch nur auf den naturnahen Sommertourismus angewiesen wären, dann hätten wir beispielsweis auch, liebe Kollegin Doktorin Reiter, in den Pinzgauer Tälern Rückgänge von bis zu 70 Prozent, die einfach mit den Einschränkungen durch den Nationalpark zu tun haben. Diese sind im Sinne des Naturschutzes sicherlich sinnvoll, aber sie beleben den Tourismus nicht. Man muss beispielsweise einen siebenstündigen Anstieg zur Hütte auf sich nehmen, um vielleicht von Uttendorf oder, egal, von Neukirchen Richtung Großvenediger auf eine Schutzhütte zu gelangen. Das müssen wir alles miteinbeziehen, wenn wir über Tourismus sprechen.


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Der Tourismusbericht sagt ja aus, dass wir, Gott sei Dank, muss ich sagen, einen tollen Städtetourismus haben, dass die Steigerungen mit rund 5,2 Prozent im Be­richtsjahr 2015 im Dauersiedlungsraum, also im Bereich des Städtetourismus stattge­funden haben. Im ländlichen Raum, habe ich dem Bericht entnommen, waren es nur rund 1,8 Prozent. Um dieses Ungleichgewicht etwas ausgleichen zu können, wird es weiterer Maßnahmen bedürfen. Marketingaktivitäten werden von der Österreich Wer­bung toll vorbereitet, exemplarisch auch von den Bundesländern über die Tirol Werbung und bei uns auch von der Osttirol Werbung. Das muss verstärkt werden. Wir müssen aber auch einen neuen Zugang finden.

Damit komme ich schon zur Bedeutung des Tourismus in einem peripheren Tal, wie beispielsweise bei uns im Iseltal. Dort könnte man auch für die Frauen sehr viel tun. Wir wissen, dass Frauenarbeitsplätze und Kinderbetreuungsmöglichkeiten Schlüssel­faktoren im Kampf gegen die Abwanderung im ländlichen Raum sind. Da würde der Tourismus eine wichtige Rolle spielen.

In diesem Zusammenhang hätte ich auch ein Anliegen; der Herr Staatssekretär wird sicherlich so gut sein, das dem Herrn Vizekanzler zu überbringen: Man sollte sich den Bereich der Privatzimmervermietung noch etwas besser anschauen. Wir haben da durch die Gewerbeordnung gewisse Grenzen gesetzt: Wenn man beispielsweise Wellness anbietet, dann unterliegt man schon der Gewerbeordnung, braucht also eine Konzes­sion. Wenn man die Anzahl von zehn Betten überschreitet, bei den Ferienwoh­nungen sind es zwölf, dann unterliegt man der Gewerbeordnung. Vielleicht gelingt es, eine Art kleines Gewerbe einzuführen, im Bereich zwischen zehn und 20 Betten beispielsweise. Damit könnte man auch für die Frauen in den ländlichen Regionen sehr viel tun.

Das wäre wichtig in einem so peripheren Tal wie dem unseren, in dem wir sehr viel für den Naturschutz tun, aber natürlich auch unseren Tourismus und damit auch die gesamte Wirtschaft weiter ausbauen möchten. Ich persönlich kenne keinen anderen Wirtschaftszweig, der dazu auch nur annähernd so sehr wie der Tourismus in der Lage wäre, auch in andere Bereiche auszustrahlen. Deswegen ist der Tourismus österreich­weit sicherlich gleich wichtig wie die Industrie. Er strahlt in das Kleingewerbe, das Baugewerbe, das Baunebengewerbe und auch in viele andere Bereiche aus. Das sollten wir nicht unterschätzen, wenn es darum geht, auch österreichweit dieses Miss­ver­hältnis von ländlichem Raum und urbanem Raum noch etwas zu verringern.

Das zu verbessern sind wir natürlich alle aufgefordert, und dieser Tourismusbericht bietet dafür gute Ansätze. Wir werden ihn seitens unserer Fraktion natürlich zustim­mend zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.58


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Koller. – Bitte.

 


12.58.57

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Nach sieben Rednern hat man schon ziemlich viel über den Tourismusbericht gehört. Zu den Ausführungen von Herrn Mag. Pisec – meinen Vorredner hat er noch nicht gehört –: In Österreich nimmt die Waldfläche zu, macht insgesamt 48 Prozent aus. Wenn das aber nicht genug ist, dann kommen Sie in die Steiermark, da haben wir 60 Prozent Wald­anteil; sollte das noch nicht reichen, dann ins Wanderdorf Soboth, da haben wir fast 90 Prozent. (Allgemeiner Beifall.)

Trotz mäßiger Konjunktur im Euroraum ist es ein Erfolgsbericht. Man sieht, es gibt Stabilität in der Tourismuswirtschaft. Wenn man das über zehn Jahre hinweg verfolgt,


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dann sieht man, dass der Anteil am BIP in etwa 7 oder etwas über 7 Prozent beträgt. Fleißige Menschen arbeiten. Wenn man die Unselbständigen und die Selbständigen zusammenzählt, dann sind es beinahe 160 000, die in diesem Wirtschaftszweig arbeiten. Dazu braucht es, was wir heute auch schon gehört haben, die politischen Voraus­setzungen, die Rahmenbedingungen, damit Unternehmerinnen und Unterneh­mer das in Kauf nehmen, damit sie dadurch auch Wertschöpfung aus ihren Unterneh­mun­gen gewinnen. Ich möchte aber auch erwähnen, dass eben viele andere Bereiche auch dabei sind: die Landwirtschaft wurde schon angesprochen, die Landschafts­pflege, über Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden und der Länder hinaus, damit die Landschaft auch schön und erreichbar wird.

Mein Vorredner hat es auch angesprochen: Es ist eine riesige Chance für den länd­lichen Bereich. Da gehört noch mehr getan. Wir wissen, dass der Städtetourismus zunimmt, für den ländlichen Bereich sollte man ins Auge fassen, noch mehr zu tun.

Es gibt aber auch Probleme, wenn man die Beschäftigung ansieht, das hat Kollegin Dr. Reiter sehr gut herausgearbeitet, aber sie hat auch gesagt, wie viel es eigentlich rundherum braucht, damit man Tourismus in Österreich erfolgreich betreiben kann. Die Zuwächse bei den Nächtigungszahlen sind bereits angesprochen worden. Natürlich ist es interessant: Die Welt ändert sich, es gibt andere Märkte, die sich öffnen, und welche, die sich schließen.

Der Punkt Sicherheit – Österreich als sicheres Land – wurde angesprochen. Das trägt natürlich dazu bei, dass die Leute gerne Urlaub in Österreich machen, das ist auch ein Faktor, aber dazu gehört natürlich noch viel, viel mehr. Die Gastfreundschaft, die in Österreich, in den Bundesländern gepflegt wird, ist natürlich hervorzustreichen. Diese Arbeit bringt uns Erfolg ein.

Ich möchte hier kurz erwähnen, dass wir mit Kollegen David Stögmüller vor Kurzem mit einer parlamentarischen Abordnung zur Zeit der Diskussion über den Brexit in London waren. Da haben wir sehen dürfen, dass neben der Österreich Werbung auch die Botschaft dort super Arbeit für Österreich macht. Ich möchte die Gelegenheit nützen, das zu erwähnen und darauf aufmerksam zu machen, dass die Botschaften in anderen Ländern für Österreich eine tolle Werbung machen und eine gute Arbeit verrichten.

Ich darf ein bisschen auf die Steiermark zu sprechen kommen. Kollege Krusche hat im Ausschuss gesagt: Die Marketingmaßnahmen sind noch zu wenig gebündelt. Wir haben ja die Österreich Werbung, und er hat gemeint, alles auf dieser Plattform. Ich bin selbst fast ein Jahrzehnt lang Tourismusobmann, Regionalobmann gewesen. Wir haben versucht, in drei Bezirken die Qualität zu steigern und auf eine Marke hinzuar­beiten. Das heißt, die Österreich Werbung ist für uns das, was aus Österreich auf den Marktplatz der Welt hinausgeht. Die Länder selbst müssen Werbung für das machen, was innerhalb Österreichs geschieht, beziehungsweise mit der Österreich Werbung zusammenarbeiten; aber die kleinen Tourismusverbände, da stimme ich zu, gehören in eine Destination zusammen, damit eben diese Mittel gut eingesetzt werden können.

Wir haben ein bisschen mehr an Nächtigungen als Kärnten, 11,8 Millionen waren es, eben 190 000 mehr in der Steiermark. Das macht uns besonders stolz, weil wir nach Wien auf Platz zwei gelandet sind, was dieses Plus bedeutet. Schon über Jahre geht die Aufenthaltsdauer zurück, da ist sicher anzusetzen. Man merkt, dass in Privatunter­künften die Aufenthaltsdauer noch ein bisschen länger ist als in den gewerblichen Betrieben, aber dieser Trend sollte gestoppt werden, damit die Wertschöpfung auch höher sein kann.

Wir sehen bei Vier- und Fünfsternebetrieben, dass pro Jahr ein Zuwachs von 3 Prozent verzeichnet wird, während wir in den Kategorien darunter, also bei Zwei- und Ein­sternebetrieben, ein Minus von 3,5 Prozent zu verzeichnen haben; deshalb sind die


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Anregungen der Vorredner natürlich wichtig, da in Qualität zu investieren, um noch besser zu werden.

Der Ausblick – was aus dem Bericht auch hervorgeht – ist eben, dass man die nächsten zwei Jahre jetzt noch nicht so positiv sieht, dass es eher gemäßigt bleiben wird. Das ist eben derzeit die Situation, aber man setzt, glaube ich, richtig an, wenn man sagt, man sollte den realen Aufwand pro Nächtigung wieder steigern können. Kollege Dörfler hat es angesprochen, es sind derzeit 159 €, man sollte versuchen, wieder in Richtung 200 € zu kommen. Es geht aber nicht, dass man nur den Preis erhöht, sondern man muss natürlich dahinter auch Werte setzen, damit man dorthin kommen kann.

Insgesamt ist es ein gut aufbereiteter Bericht, ein Erfolgsbericht, deshalb wird unsere Fraktion ihn natürlich auch zustimmend zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen derzeit nicht vor. (Bundesrat Dörfler hebt die Hand.) – Ich wollte gerade fragen, ob noch jemand das Wort wünscht. – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.

Während Sie herauskommen, darf ich Frau Bundesministerin Dr. Karmasin herzlich begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

 


13.05.28

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Tatsache, dass wir diesen Bericht so intensiv, lange und leidenschaftlich diskutieren, zeigt ja, wie wichtig Tourismus für Österreich, seine Bundesländer und Gemeinden ist. Ich möchte aber ein bisschen auf die Ausführungen von Kollegen Poglitsch eingehen.

Herr Kollege Poglitsch, du kommst mir so vor wie das Fußball-Österreich: Wir haben gejubelt, als wir uns qualifiziert haben, und dann sind wir durchgefallen. Und einen Bericht, den man genau liest, den sollte man auch dort lesen, wo man sich mit den Besten zu vergleichen hat; und wir werden dort nicht wieder hinkommen – wenn wir schon bei Bestmarken sind, der Kollege aus der Steiermark hat es angesprochen –, wenn wir es nicht schaffen, dass sich die Ertragssituation verbessert.

Da darf ich schon auch jemanden zitieren – du hast ja keiner Zahl und keiner Aussage widersprechen können, du hast quasi alles schöngeredet; ich habe nichts schlecht­geredet, sondern mir geht es darum, Fakten aufzuzeigen –, die Branchenobfrau Tourismus und Freizeitwirtschaft Petra Nocker-Schwarzenbacher, selbst Hotelbesit­zerin – sie gehört der ÖVP an, soweit ich informiert bin –, sagt: Obwohl immer mehr Gäste kommen, bleibt uns Betrieben unterm Strich immer weniger übrig. – Das ist einfach Faktum.

Jeder, der mit Tourismusbetrieben und Gastronomiebetrieben zu tun hat, weiß, dass die Betriebe in einer schwierigen Lage sind. Wenn – und jetzt genau zuhören, Kollege Poglitsch! – die Österreichische Hotel- und Tourismusbank sagt, dass mehr als 50 Prozent der Hotelbetriebe, also jeder zweite Hotelbetrieb – Zitat aus dem „Kurier“, nicht von mir erfunden –, negative Zahlen schreibt, dann, Herr Kollege Poglitsch, sollten wir nichts schönreden, dann müssen wir doch gemeinsam alles tun, damit wir unsere Stärken forcieren, aber auch dort, wo es tatsächlich Probleme gibt, diese aus der Welt schaffen.

Schauen wir uns das Wirtesterben an: Herr Gergely, der auch manchen bekannt ist, ein Spitzengastronom aus Wien, sagt alleine aufgrund dieser Bürokratie: „Szene-Wirt Stefan Gergely: ‚Als 66-jähriger Unternehmer kann ich unter den Rahmenbedingungen


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in Österreich keinem jungen Menschen empfehlen, sich in der Gastronomie selbst­ständig zu machen.‘“ Das sagt ein sehr bekannter Gastronom. Das sind einfach auch die Rahmenbedingungen, unter denen Österreichs Tourismus stattfindet; daher haben wir diese zu verbessern.

Wenn wir uns über 80 Cent mehr Ertrag in der Kasse freuen und trotzdem nur 50 Prozent, jeder zweite Betrieb, schwarze Zahlen schreibt, dann haben wir ein strukturelles Problem, und daran ist zu arbeiten.

Frau Kollegin Reiter hat es angesprochen: Es sind ja nur mehr McBilligjobs, die wir im Tourismus mit diesen Deckungsbeiträgen haben können, da geht ja die Kurve dann wieder hinunter. Früher war das anders. Ich kann mich gut erinnern, in meiner Jugend sind die Saisonarbeiter im Winter aus Tirol mit vollen Geldsäcken nach Kärnten zurückgekehrt. Heute geht keiner mehr hin, weil er nichts verdient. Ich möchte, dass im Tourismus hohe Leistung auch wieder hoch bezahlt werden kann. Das wird aber nur der Fall sein, Herr Kollege Poglitsch, wenn man nicht ständig hinhaut, sondern wenn man Zahlen analysiert, um einen Beitrag zu leisten, wo wir besser werden können. (Zwischenruf der Bundesrätin Junker.) – Das ist kein Schlechtreden! Du hast von mir kein Wort gehört, dass ich einen österreichischen Tourismusunternehmer oder den Tourismus als solchen in seiner Wertigkeit schlechtgeredet habe.

Ich habe schon als Tourismusreferent in Kärnten – wir haben uns damals unter den schwierigen Rahmenbedingungen mühselig geplagt – versucht, alles zu tun. Ich sage nur: Ausbau Radwegenetz. – Heute kann man darauf fahren, weil ich als Straßen­baureferent zwölf Jahre fleißig Radwege gebaut habe.

Daher: Ja zum Tourismus, aber die Rahmenbedingungen für die touristischen Unter­neh­mer in Österreich müssen auch im Interesse der Arbeitnehmer verbessert werden.

Zu den Ausführungen des Kollegen aus Osttirol: Da kann ich alles unterstreichen. Man kann Tourismus so sanft streicheln, dass er nicht mehr stattfindet. Wir müssen die Balance zwischen Natur und Tourismus finden, das heißt, Natur nicht benutzen und abnutzen, aber sie kreativ und erfolgreich nutzen. Das muss auch die Aufgabe hin­sichtlich Tourismus und Natur sein. – So gesehen: Ein klares Ja zum Tourismus!

Herr Kollege Poglitsch, diese Versuche, immer von hinten sozusagen ein kleines Foul zu machen, das ist ja schon deine alte Masche. Ich höre, was du draußen bei den Unternehmern sagst, nämlich etwas ganz anderes. Genau bei den Problemen, die ich hier artikuliere, schreit ihr alle mit der Wirtschaftskammer mit – da kann ich dir viele Zitate vorlegen –, und hier herinnen wird alles schöngeredet.

Ich will nichts schlechtreden, aber ich will auch dort, wo es Probleme gibt, diese massiv aufzeigen, damit wir im Interesse einer starken Wirtschafts- und Tourismusentwicklung in Österreich vorwärtskommen und nicht so scheitern wie unsere Kicker in Frankreich. (Beifall bei der FPÖ.)

13.09


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Poglitsch.

 


13.10.01

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das nicht unnötig in die Länge ziehen, aber eines unterscheidet uns grundsätzlich, lieber Gerhard Dörfler: Du warst nie Touristiker! Ich bin nach wie vor leidenschaftlicher Touristiker. (Bundesrat Dörfler: Ich war 15 Jahre lang Brauerei-Geschäftsführer!) Ich kenne die Probleme ganz genau. Es wird dir aber


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nicht gelingen, hier herzugehen und einen Bericht, der so erfolgreich für die Republik Österreich und für den Tourismus ist, schlechtzureden.

Du hast Probleme aufgezeigt – gar keine Frage, die gibt es! –, aber geh nicht her und rede diese Zahlen – 135 Millionen Nächtigungen – nicht schlecht! Es ist da ordentlich gearbeitet worden, und im Endeffekt stellst du den Unternehmer so hin, als hätte er das nicht ordentlich erwirtschaftet. Das ist ja alles ein Blödsinn.

Ich sage dir ganz offen den Unterschied zwischen uns beiden. (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.) Ich lade dich gerne ein: Komm einmal eine Saison zu mir! Zeig einmal, was du kannst im Tourismus, dann kannst du auch über den Tourismus reden und dich beweisen! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.10


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Gibt es weitere Wortmeldungen? (Bundesrat Dörfler: Es wäre lustig, das hier weiter zu diskutieren!) – Herr Bundesrat, Sie waren schon zweimal am Wort, Sie dürfen nicht mehr.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Dem ist nicht so. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

13.11.294. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Gewährung eines Bonus für Väter während der Familienzeit (Familienzeitbonusgesetz – FamZeitbG) erlassen wird sowie das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenver­siche­rungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommen­steuer­gesetz 1988 und das Allgemeine Pensionsgesetz geändert werden (1110 d.B. und 1154 d.B. sowie 9599/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung. Ich habe dazu vorhin schon die Frau Bundesministerin begrüßt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hackl. Ich bitte um den Bericht.

 


13.11.56

Berichterstatterin Marianne Hackl: Geschätztes Präsidium! Geschätzte Frau Minis­ter! Geschätzter Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Gewährung eines Bonus für Väter während der Familienzeit (Familienzeitbonusgesetz) erlassen wird sowie das Kinderbe­treuungsgeldgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Allgemeine Pensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.


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Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Ecker zu Wort. – Ich bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.13.35

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Was lange währt, wird nicht immer gut. So sehen wir die geplanten Änderungen zum Kinderbetreuungsgeld: Zwei Jahre verhandelt, zwischen­durch kein Weiterkommen, Abbruch, keine Gespräche, mühsam wieder weiter. Warum? – Es war geplant, das pauschale Kinderbetreuungsgeld einfacher, flexibler, transparenter zu gestalten und die Gesamtbezugsdauer unangetastet zu lassen. Im vorliegenden Gesetzentwurf sehen wir gar nichts davon, ganz im Gegenteil, es wird nichts einfacher.

Sogar das Sozialministerium stellte am 25. Februar fest, ich zitiere:

„Darüber hinaus wird festgehalten, dass von einer Vereinfachung des KBGG – wie intendiert – keine Rede sein kann. Ganz im Gegenteil ist kaum vorstellbar, dass nicht rechtskundige Eltern die Materie in ihrer Komplexität durchblicken können.“

Das stellt das Sozialministerium fest, eine sehr kompetente Stelle. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, wie die Eltern das sehen werden!

Und noch mehr: Es erfolgt keine Valorisierung, keine Wertanpassung, und daher erle­ben meist die Mütter eine Kürzung, die sich de facto so auswirkt, dass zurzeit das Kinderbetreuungsgeld noch etwa 60 Prozent dessen wert ist, was es einmal war, als es eingeführt wurde. Das heißt, es gibt um 40 Prozent weniger Kaufkraft.

Was kommt jetzt auf die Eltern zu? – Die bisher vier Pauschalvarianten werden in ein Kinderbetreuungsgeldkonto mit einer Bezugshöhe von monatlich zwischen 440 € und 1 030 € umgewandelt, je nachdem, für welche Länge sich die Eltern entscheiden, maximal also 12 337 € für einen Elternteil oder 15 449 € für beide Elternteile.

Schauen wir uns die Varianten an: Die Langzeitvariante wird von 35 Prozent der Eltern genutzt, sie wird von jetzt 30 plus 6 auf 30 plus 5 Monate verkürzt. Die Alleinerzieher, die Anspruch auf 30 Monate hatten, erleben jetzt eine auf 28 Monate gekürzte Anspruchsdauer.

Der Familienzeitbonus ist also kein Bonus, sondern definitiv ein Vorschuss, weil der Bonus nicht zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt wird, sondern auf das Kinderbetreuungsgeld angerechnet, das heißt, von der Gesamtsumme abgezogen wird. Tatsächlich wird die Leistung des Papamonats so gewährt, dass der letzte Monat des Kinderbetreuungsgeldes vorgezogen wird, und das alles unter der Prämisse, dass es dem Vater möglich ist, während der ersten drei Monate ab Geburt des Kindes gleichzeitig mit der Mutter zu Hause zu bleiben.

Mit dem Arbeitgeber muss er sich auch noch auf einen gesamten Monat innerhalb der ersten drei Monate einigen. Kann er das aus verschiedensten Gründen nicht, besteht kein Anspruch darauf, diesen Monat im Anschluss zu konsumieren. Können sich Eltern das nicht leisten oder wollen sie das vielleicht auch nicht, ist trotzdem die Bezugsdauer verkürzt.

Weiters gibt es einen Partnerschaftsbonus von 500 € pro Monat pro Elternteil als Einmalzahlung, wenn die Eltern es schaffen, sich partnerschaftlich, quasi halbe-halbe,


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diese Zeit zu teilen. Ja glauben Sie denn wirklich, dass das für alle Familien so einfach ist? Wen trifft es denn, wenn der Vater in Karenz ist und weniger Geld aufs Konto kommt? (Bundesrätin Winkler: Wer sagt denn, dass dann weniger aufs Konto kommt? Ich verdiene mehr als mein Mann!) Familieneinkommen am Limit führt zu Sparent­schei­dungen: Koche ich frisch? Kaufe ich fertig? – Ich möchte das nicht!

Härtefallverlängerung: Der Begriff Härtefallverlängerung für die Alleinerzieher ist an sich schon anmaßend. Hier wird sogar die Familienbeihilfe in die Zuverdienstgrenze von 1 400 € eingerechnet. Das ist für mich völlig unverständlich, damit kann man doch nicht einverstanden sein. (Bundesrätin Posch-Gruska: Das stimmt ja nicht!) – Wir haben es im Ausschuss geklärt, es ist so.

Abgesehen vom Lotteriespiel für die Väter, die in diese Karenz ohne Kündigungsschutz gehen und womöglich im Nachhinein ihren Arbeitsplatz verlieren – vielleicht aus anderen Gründen –, wird es schwierig. Sogar die ehemalige Ministerin Heinisch-Hosek hat festgestellt, dass der fehlende Kündigungsschutz eine Zumutung für die Väter ist. Da bin ich ausnahmsweise ganz bei ihr.

Auch die Lücke im bisherigen Kündigungsschutz bei der Langzeitvariante wurde noch immer nicht behoben. Hier sind auch nur 24 Monate gesichert, und als Bezugsdauer sind 30 Monate möglich.

In Oberösterreich hat sogar die ÖVP erkannt, dass eine Verschlechterung der Situation der Familien beim Kinderbetreuungsgeld und beim Auszahlungsbetrag droht. Daraus folgte ein Initiativantrag der ÖVP mit uns Freiheitlichen. Auszugsweise lautet dieser Antrag:

Im „Rahmen der geplanten Einführung eines sogenannten Kindergeld-Kontos“ darf es zu keinen „Einschnitten bei der Bezugsdauer und der Auszahlung des Kinderbetreu­ungsgeldes und damit zu Verschlechterungen für die Familien kommen.“ Zeitrahmen zum bisherigen System dürfen nicht verkürzt werden. „Zur Förderung der Familien muss deshalb eine Erhöhung bzw. zumindest eine jährliche Valorisierung des Kinder­betreuungsgeldes angestrebt werden, damit Familie gut leb- und leistbar ist.“

Nichts davon ist erfüllt! Wir Bundesräte – alle, wie wir hier sitzen – vertreten unser Bundesland in dieser Länderkammer. Wir werden sehen, wie die vier Bundesräte der ÖVP aus Oberösterreich dazu stehen. Vertreten Sie hier die Linie der ÖVP-Oberöster­reich oder etwa nicht?

Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldkontos wurden keine weiterführenden Reformen zustande gebracht. Diese Änderungen sind uns zu wenig. Schade um die verpasste Chance! (Beifall bei der FPÖ.)

13.20


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.20.20

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Frau Familienministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über diese Gesetzesvorlage. Es ist energetisch nach der vorhergehenden Rede fast ein bisschen schwierig, denn so, wie das dargestellt wird, ist ja alles anscheinend ganz fürchterlich. Es tut mir wirklich leid, wenn so ein wichtiges Thema, ein so wichtiger Schritt für unsere Familien in Österreich dermaßen niedergeredet wird.

Es ist nämlich eine Vorlage, die im Interesse der Kinder eindeutig mehr Flexibilität, mehr Fairness und mehr Partnerschaftlichkeit für die Eltern bringt. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Es war ein langer Weg, es waren zwei Jahre harte Verhandlungen,


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 86

aber es war auch ein wichtiger Prozess unter Einbindung von Expertinnen und Experten und vor allem von Betroffenen.

Es wurde zwischen den Parteien viel diskutiert, es wurde im Nationalrat viel diskutiert, auch bei uns im Ausschuss wurde ausgiebig diskutiert, auch da haben wir unsere Aus­kunftspersonen gehabt, und bei vielen Themen wurden Missverständnisse ausgeräumt oder geklärt.

Da möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die meine Vorrednerin angeführt hat. Wenn es um die Einfachheit und Transparenz geht: Ich glaube, niemand verlangt von den Eltern, dass sie den Gesetzestext dieser Regierungsvorlage lesen müssen. Das haben wir im Ausschuss auch noch einmal gesagt. Ich bin überzeugt davon, dass vonseiten des Ministeriums alles unternommen wird – über die Homepage, über Informationen, über leichte Zugänge, Kinderbetreuungsgeldrechner, so wie wir das besprochen haben –, dass den Eltern ihre Entscheidungsfindung leicht gemacht wird. Also dass jemand das ganze Gesetz durchlesen muss, ich glaube, das ist überhaupt nicht der Fall.

Und zum Zweiten: Es wurden die Valorisierung und Kürzung angeführt. Dazu gab es auch eine Debatte im Nationalrat, auch da wurde zweimal festgehalten, dass die Unterstützung nicht gleich geblieben ist. Wenn man die Zahlen – sie wurden von der Arbeiterkammer und vom Österreichischen Integrationsfonds bestätigt – anschaut: In den Jahren 2002 bis 2014 gab es eine Steigerung des Verbraucherpreisindex um 33,5 Prozent. (Bundesrätin Blatnik: 33,5 Prozent, genau!) Die jährliche Unterstützung im Familienbereich in Österreich ist pro Kind im gleichen Zeitraum von 2 472 € auf 3 562 € gestiegen, das ist eine Steigerung von 44 Prozent. Also das ist schon etwas, und das sind die Zahlen, die nicht jemand erfunden hat, sondern die belegt sind. Man sollte das einmal im Gesamten betrachten, alles, was in diesem Bereich geschehen ist.

Ich möchte mich aber noch einmal auf die positiven – und ich sehe es ja als sehr positiv – Eckdaten konzentrieren und diese auch noch einmal kurz anführen. Es gibt eine Umwandlung der vier Pauschalvarianten auf ein Konto, ein Elternteil kann zwischen 12 Monaten und 28 Monaten wählen, beide Elternteile zwischen 15,5 und 35 Monaten. Auch da gibt es eine Sonderregelung: Für eine maximale Dauer von 31 Tagen kann parallel dazu das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden, sodass ein Wechsel der Betreuungspersonen auch leichter ist.

Es gibt einen fixen Betrag, knapp 15 500 €, mit dem eben schon erwähnten Partner­schaftsbonus werden es um 1 000 € mehr sein, wenn die Aufteilung der Betreuung annähernd gleich ist, nämlich entweder 50 zu 50 oder 60 zu 40 Prozent. Es gibt die Verbesserungen für Alleinerzieherinnen und eben den Familienzeitbonus – der, wie ich finde, auch sehr wichtig ist – für alle Familienvarianten in einer Höhe von 700 €, in dieser Zeit ist man auch kranken- und pensionsversichert. Der Familienzeitbonus kann in der Zeit von 91 Tagen ab der Geburt zwischen 28 und 31 Tagen in Anspruch genommen werden.

Genau diese Zusammenführung der Pauschalvarianten in ein flexibles Konto ist, finde ich, eine wichtige Erleichterung für unsere Familien. Eltern können somit wirklich ent­scheiden, welche Form für sie am besten passt, und vor allem haben sie die Mög­lichkeit, in dieser Zeit noch einmal zu wechseln. Das bringt nicht nur eine unglaubliche Erleichterung, wenn sich eine Lebens- und Berufssituation verändert, sondern vor allem nimmt es auch die Gefahr weg, dass dadurch, dass man zum Beispiel früher arbeiten gehen würde, Beiträge verloren gehen, so wie es bei diesen starren Formen der Fall war.

Wichtig ist auch, dass es einen Betrag für alle Varianten gibt, was auch beweist, dass wirklich jedes Kind gleich viel wert ist. (Bundesrätin Posch-Gruska: Genau!) Auch wird


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eine faire Aufteilung bei der Kinderbetreuung mit dieser Familienzeit, mit diesem Partnerschaftsbonus honoriert, und genau das gilt auch beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld.

Ich sehe auch, dass es eine Motivation sein soll, dass sich Väter mehr einbringen. Aber ich möchte zusätzlich auch erwähnen, dass es, glaube ich, nicht nur in diesem Gesetz stehen soll. Bei diesem Thema gibt es noch einen wichtigen Teil: Damit sich Väter mehr einbringen können, ist Bewusstseinsbildung in Betrieben, aber auch in der Gesellschaft notwendig.

Das ist eine persönliche Anmerkung von mir: In meinem Bekanntenkreis gibt es zwei Ehepaare, die sich die Kinderbetreuungszeit 50 zu 50 aufteilen. Wenn man von den jungen Vätern hört, mit welchen Kommentaren sie oft leben müssen, tut mir das einfach leid, dass das oft heruntergeredet wird und von der Selbstverständlichkeit leider noch ein Stück weit weg ist. Ich glaube, es liegt auch an uns, dass wir die Bewusstseinsbildung unterstützen und weiterbewegen.

Ein großer Teil des Pakets wurde in den vergangenen Jahren und gerade unter der Federführung unserer Ministerin geleistet, man darf noch einmal an die Erhöhung der Familienbeihilfe – was ja seit 2014 schon der Fall ist – erinnern, der größten Ausbau­offensive der Kinderbetreuung und Bildungseinrichtungen. Die Reform dieses Kinder­be­treuungsgeldkontos ist ja die größte seit 2002.

Es ist wichtig, auch wieder einmal kundzutun, dass in Österreich pro Jahr über 8 Milliarden € für Familien ausgegeben werden, da sind die steuerlichen Begüns­tigungen noch nicht einmal dabei, und rund 1,1 Milliarden € rein für das Kinderbetreu­ungsgeld. Ich denke, das ist ein ganz wichtiges Zeichen und ein wichtiger Schritt. Es ist eine Änderung, die mit Geburten ab März 2017 in Kraft tritt, es wird natürlicherweise zu Überschneidungen dieser zwei Systeme kommen, aber bis 2021 wird dieses neue Gesetz komplett und voll umgesetzt sein.

Ich finde aber, dass es auch wichtig ist – ich befürworte das sehr –, dass auch jetzt drinnen steht, dass sehr bald evaluiert und genau hingesehen wird, wie die Väter­beteiligung, der Partnerschaftsbonus angenommen werden, welche Wirkung es zeitigt. Ich glaube, das ist für all jene wichtig, die jetzt sagen, das ist mir zu wenig oder da hätten wir uns etwas anderes gewünscht.

Das ist nun eine Vorlage, die noch einmal genau geprüft wird, wo es dann im Anschluss die Möglichkeit gibt, gemeinsam noch einmal zu schauen, welche Verbes­serungen oder Möglichkeiten es gibt oder ob es unter Umständen nicht so angenom­men wird, wie wir uns das vielleicht alle wünschen.

Mir ist es ein großes Anliegen, mich gerade bei unserer Familienministerin zu bedan­ken – ich glaube, es war ihr immer ein wichtiges Anliegen, gerade wenn es auch um die Partnerschaftlichkeit, um die Väterbeteiligung geht, auch gemeinsam mit der vorhergehenden Ministerin Heinisch-Hosek –, dass dies wirklich gelungen ist und damit ein wichtiger Teil umgesetzt wurde, verbunden mit einem Dank an alle Expertinnen und Experten, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben.

Zum Abschluss möchte ich noch eines anmerken, es ist mir wichtig, das festzuhalten: Wir, die Politik, wir alle gemeinsam können nur Rahmenbedingungen festlegen, wir können Anreizsysteme überlegen, wir können festhalten, wovon wir glauben, das sei der richtige Weg. Aber eines muss uns auch immer klar sein: Es sind die Familien selbst, denen es obliegt, zu entscheiden, in welcher Form, welcher Variante, welcher Art sie diesen Teil leben und wie sie sich entscheiden.

Aber die Rahmenbedingungen können wir heute beschließen. Ich hoffe, dass alle, denen es wirklich ein Herzensanliegen und wichtig ist, unsere Familien zu unter­stüt-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 88

zen, heute ihre Zustimmung geben. Es sind Rahmenbedingungen, die eine unglaub­liche Verbesserung bringen. (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.) Ich habe damit leben gelernt, dass, egal wie gut die Gesetzesvorlagen ausschauen, manchmal krampf­haft Dinge gesucht werden, die man doch noch schlechtreden kann. 

Eines wünsche ich mir trotz alledem: Ich hoffe, es gelingt uns, dass wir auch in Zukunft bei diesem Thema das Wichtigste in den Mittelpunkt stellen, nämlich das Wohl unserer Familien und das Wohl unserer Kinder. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.30


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer am Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.30.13

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ja, generell begrüßen wir die Novelle sehr. Das bisher bestehende sehr komplizierte System mit den vier Pauschalvarianten und dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld wird, wie wir schon gehört haben, in das Kinderbetreuungs­geldkonto umgewandelt, die einkommensabhängige Variante bleibt auch weiterhin bestehen.

Das Kinderbetreuungsgeldkonto bedeutet, dass dann künftig wirklich für jedes Kind gleich viel Geld zur Verfügung steht. Die Eltern können die Dauer bis maximal 35 Mo­nate frei wählen. Diese Flexibilität ist einer der Punkte, der uns in der Novelle am besten gefällt, auch der mögliche Wechsel der BezieherInnen. Wir finden es auch sehr gut, dass – und das ist jetzt auch neu – bis zu 31 Tage gleichzeitig Kinderbetreuungs­geld bezogen werden kann, das ist natürlich auch für die Väterbeteiligung sehr positiv.

Aber – und so krampfhaft habe ich nicht suchen müssen – das neue System ist auch noch sehr kompliziert. Es wird jetzt täglich statt monatlich abgerechnet. Im Ausschuss ist uns zugesagt worden, dass da ein sehr guter Rechner dazu entwickelt wird, damit das für die Eltern auch wirklich einfach wird, sich das auszurechnen. Ein riesiges Problem besteht weiterhin in der Kluft, die es bis jetzt auch schon gegeben hat, zwi­schen maximaler Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes – also den 35 Monaten – und der Zeit, in der der Kündigungsschutz besteht, also der Karenzzeit, das sind nur 24 Monate. Es ist ein großer Unterschied von 11 Monaten, also von knapp einem Jahr. Dadurch wird der Wiedereinstieg ins Berufsleben immer schwieriger, je länger man weg ist, weil eben das Rückkehrrecht dann auch wegfällt.

Es gibt auch noch einige andere Punkte. Beim einkommensabhängigen Kinder­betreu­ungsgeld muss der Bezieher oder die Bezieherin in den letzten sechs Monaten durch­gehend gearbeitet haben. Krankengeldbezüge, geringfügige Beschäftigungen einmal kurz zwischendurch oder auch Arbeitslosigkeit von über 14 Tagen – das zum Thema Tourismus, bei dem wir gerade vorhin waren – führen dann automatisch dazu, dass man das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nicht mehr beziehen kann. Das ist natürlich sehr, sehr ungünstig, wenn man vielleicht vorher drei Jahre super verdient hat und genau in diesen sechs Monaten gerade Pech hat, deswegen herausfällt und dadurch die Möglichkeit, das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld zu bezie­hen, nicht mehr hat.

Wir haben zu diesem ganzen Gesetzespaket mehrere Anträge im Nationalrat einge­bracht, weil uns das Thema einfach so wichtig ist, diese sind aber alle durch die Bank abgelehnt worden. Zum Beispiel wollten wir, dass Frauen, die während des Kinder­betreuungsgeldbezuges wieder schwanger werden, das Wochengeld nicht gekürzt wird. Die Novelle sieht das nämlich vor, und zwar ganz kräftig: Bei den Pauschal­beträgen wird fast die Hälfte gestrichen und bei der einkommensabhängigen Variante


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 89

immer noch 25 Prozent. Da werden 7,5 Millionen € im Jahr bei den Wochengeld­bezieherinnen weggenommen, das finden wir wirklich skandalös.

Wir wollen, dass Alleinerzieherinnen von den Bezugsmonaten her nicht mehr schlech­tergestellt sind. Wir wollen, dass die Familienbeihilfe nicht mehr zur Einkommens­berechnung dazugezählt wird. Das sind alles Vorschläge, die wir eingebracht haben, die aber abgelehnt wurden.

Aber einmal weg von den Müttern. Das ist wieder so ein ganz typisches Frauenthema heute, das merkt man an der RednerInnenliste zu dem Tagesordnungspunkt. Daher möchte ich vor allem auf die Väterbeteiligung eingehen. Die Zeit, die für Väter reser­viert ist, steigt zwar an, was natürlich sehr positiv ist, aber leider nur um 4 Prozent: von 16 Prozent auf 20 Prozent. Generell sind Männer auch weiterhin rechtlich kaum abgesichert. Beim Papamonat, also beim Familienzeitbonus, besteht kein Rechtsan­spruch, und es gibt keinen ordentlichen Kündigungsschutz während des Papamonats.

Männer haben auch weiterhin erst ab der Geburt des Kindes einen Anspruch auf Kündi­gungsschutz für die Kinderbetreuungszeit. In der Praxis heißt das, dass ein Mann quasi geheim halten muss, dass er in Karenz geht, um nicht Gefahr zu laufen, vor der Geburt noch entlassen zu werden. Auch für die Firma ist das natürlich eine sehr unbefriedigende Lösung, denn da fehlt ganz viel an Planungssicherheit, die Firmen haben nur ganz kurz Zeit, eine Vertretungslösung zu finden.

Ein weiterer Punkt ist, dass das Geld für den Papamonat, also diese 700 €, das ist auch von der Kollegin schon angesprochen worden (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker), eben dieser Familienzeitbonus eigentlich kein Bonus, sondern nur ein Vor­schuss ist, denn wenn der Vater dann auch wirklich in Karenz geht, wird der Betrag vom Kinderbetreuungsgeld wieder abgezogen.

Um Anspruch auf den Papamonat und das einkommensabhängige Kinderbetreu­ungs­geld zu haben, muss der Vater in den letzten sechs Monaten durchgehend gearbeitet haben. Da fällt ziemlich viel heraus, was nicht als durchgehend gilt, das ist Bildungs­karenz, Zivildienst, Präsenzdienst, Krankheit, geringfügige Beschäftigung oder auch eben Arbeitslosigkeit. Alle Väter, die in den letzten sechs Monaten das Arbeits­verhältnis mehr als 14 Tage unterbrochen haben – ganz egal, ob sie vorher zehn Jahre durchgängig gearbeitet haben –, können keinen Papamonat und auch kein einkom­mensabhängiges Kinderbetreuungsgeld beziehen.

Selbständige müssen während des Papamonats das Gewerbe ruhend stellen, sie müssen die Sozialversicherung abmelden, sich zum Beispiel aus der Rechtsan­walts­liste streichen lassen und so weiter. Da werden einem für den doch wieder nicht so hohen Bonus schon extrem viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. Wir hätten eben, wie gesagt, für all diese Punkte Abänderungsanträge eingebracht und haben uns da sehr engagiert, dass mehr Punkte davon umgesetzt werden können, denn wir finden, dass für die Mütter und Väter wirklich viel mehr getan werden muss.

So ist uns in dieser Novelle – trotz einiger Punkte, die sehr positiv sind und die wirklich sehr zu begrüßen sind – einfach viel zu wenig drinnen, um dem zuzustimmen. Das finden wir auch wirklich sehr, sehr schade. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.36


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte, Frau Bundesrätin, du bist am Wort.

 


13.36.39

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 90

das positiv, es ist ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Nur darf man da nicht aufhören, die Sache muss fortgesetzt werden!

Ich möchte jetzt noch einmal sagen, dass ich sehr froh bin, dass es nach zwei Jahren die Evaluierung gibt, wo vieles, was noch nicht geschehen ist, vielleicht nachgebessert werden kann. Auch ich wäre für einen Kündigungsschutz. Das möchte ich auch an dieser Stelle ganz klar und deutlich sagen.

Ich möchte mich bei dir, Sonja (in Richtung Bundesrätin Ledl-Rossmann), recht herzlich für deine Rede bedanken. Ich brauche jetzt nur noch eine Zusammenfassung zu machen. (Bundesrat Mayer: Schön!) Ich sehe dieses Paket im Grunde genommen als ein Paket mit viel Flexibilität, mit viel Individualität, mit Fairness und Wahlfreiheit. Wenn ich jetzt von Individualität und Wahlfreiheit spreche, dann meine ich, dass sich Eltern selbst entscheiden können, was sie wollen, wie lange sie bei der Familie sind, und keiner schreibt ihnen etwas vor. Ob sie sich jetzt für den langen Zeitraum oder für den kurzen Zeitraum entscheiden, das obliegt den Eltern. Ich werde da einfach einen Strich machen, denn du hast das schon so hervorragend erklärt.

Was mir aber schon wichtig ist, und das muss ich jetzt noch einmal betonen, ist der Begriff der Fairness. Nicht die Eltern bekommen die 15 499 €, sondern dieses Geld, dieser Betrag ist für jedes Kind und nicht für die Eltern. Damit bringen wir wirklich zum Ausdruck, dass uns Kinder viel wert sind, dass Kinder gleiche Chancen und gleiche Wertigkeit haben, denn Kinderrechte sind Menschenrechte, und Kinderrechte sind unteilbar. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte auf einen zweiten Punkt eingehen, auf die Partnerschaftlichkeit, auf die Väterbeteiligung. Ich weiß nicht, wie oft ich schon hier gestanden bin und die partner­schaftliche Erziehung eingefordert habe. – Jetzt haben wir sie. Zwar nicht ganz so, wie ich sie mir vorgestellt habe, aber man muss auch anerkennen, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Wodurch wird diese Väterbeteiligung erzielt? – Punkt eins: durch den Partnerschafts­bonus, auch das hast du (in Richtung Bundesrätin Ledl-Rossmann) schon ganz genau erklärt. Punkt zwei: Papamonat. Ich möchte zum Papamonat etwas sagen: Es ist ja etwas Positives, wenn Väter den Papamonat in Anspruch nehmen. Es ist ja etwas Schönes, dabei zu sein, es ist etwas Positives für die Entwicklung des Kindes. Des­wegen bin ich sehr froh, dass dieser Papamonat nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch für die Privatwirtschaft gilt, wobei ich auch sagen muss, dass da noch einiges zu verbessern ist.

Ich glaube, dass dieses Paket auch eine Maßnahme zur Verbesserung der finanziellen Situation der Familien und auch zur Verbesserung der Stellung der Frau am Arbeits­markt ist. Ich möchte den Wiedereinstieg ansprechen: Wenn man eine partnerschaft­liche Erziehung erleben darf, kann man als Frau früher arbeiten gehen, wodurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt wird.

Genau diese drei Punkte – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Wahlfreiheit und die partnerschaftliche Erziehung – sind für uns Sozialdemokraten und Sozialdemo­kratinnen ganz wichtig. Deswegen werden wir dem selbstverständlich zustimmen, und zwar mit dem Hinweis, dass es der richtige Schritt in die richtige Richtung ist, dem aber weitere folgen müssen.

Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, bei Ihnen, Frau Ministerin, und auch bei Ihrer Vorgängerin Gabi Heinisch-Hosek recht herzlich dafür bedanken. Wie gesagt, wir werden selbstverständlich zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 91

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Rösch zu Wort. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

 


13.41.39

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Werte Ministerin! Ich bin heute der Quotenmann. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich möchte gleich einmal ein wenig auf die Ausführungen meiner Vorrednerin eingehen. Das Geld, das wir den Familien zur Verfügung stellen, gehört nicht dem Kind, sondern ist für das Kind, denn es ist natürlich ganz klar, dass Kinder nicht entscheiden können, was mit dem Geld geschieht – im Idealfall machen das die Eltern.

Der österreichische Staat gibt natürlich – Gott sei Dank – viel für Familien und Kinder aus. Ich denke da an Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Schülerfreifahrt, Schul­bücher, Absetzbeträge, Kindergarten, Kitas und so weiter. Das ist sehr löblich. Wenn man sich dann aber anschaut, wie der Zugang zu diesen ganzen Leistungen ist, dann sieht man, dass es nicht nur um die Kinder geht, sondern auch ein bisschen um Ideologie.

Wie soll die Familie ausschauen? Sollen Väter und Mütter das Wahlrecht haben, zu entscheiden, ob sie zu Hause bleiben, ob sie das Kind in den Kindergarten geben, ob sie mit dem Geld Karriere machen wollen, indem sie ganz einfach das Geld für den Kindergarten verwenden, oder ob es ihnen möglich ist, dass einer zu Hause bleibt, weil der andere ohnehin genug verdient?

Da sieht man dann schon, dass bei der Evaluierung, bei der Valorisierung und so weiter speziell auch die Familienbeihilfen und das Betreuungsgeld immer ein bisschen hinterher hinken. Wenn man sich das genau anschaut, zeigt sich, dass es in einigen Passagen Verschlechterungen und auch Verkürzungen gibt.

Ich glaube, 2001 oder so, wenn ich mich richtig erinnere – auf jeden Fall unter der schwarz-blauen Regierung –, wurden sehr viele Sozialmaßnahmen eingeführt, wie auch der Mehrstundenzuschlag für Teilzeitbeschäftigte. Meistens sind es ja die Mütter gewesen, die in Teilzeit gegangen sind, wenn sie Kinder hatten. Und damit das nicht so einfach von der Wirtschaft ausgenutzt werden kann, hat man gesagt, es gibt einen Mehrstundenzuschlag, damit das ein wenig teurer wird und die Mütter besser mit ihrer Zeit kalkulieren können und nicht einfach ohne Überstundenzuschläge in der Arbeit herangezogen werden können.

Damals hat man auch die Elternteilzeitkarenz eingeführt. Das war ja wirklich eine epochale Zeit. Man vergisst das immer, weil diese Zeit immer schlechtgeredet wird und sehr gerne schlechtgeredet wird. Man versteht, dass das eben eine Zeit war, in der halt andere, die dann weichen mussten, ein bisschen beleidigt waren. Es war aber eine epochale Zeit, in der Sozialleistungen eingeführt worden sind, was lange Zeit vorher und auch seither kaum mehr stattgefunden hat, oder? Hat es seither irgendwelche epochalen Sozialleistungen wie Elternteilzeitkarenz oder sonst irgendetwas gege­ben? – Nein, hat es nicht. 

Ich sehe da natürlich, wenn ich mir diese ganzen Errungenschaften anschaue, wie die Evaluierung ausschaut, dass da immer ein bisschen weiter von der Verantwortung der Familie weggegangen wird. Wir institutionalisieren die Kinder. Wir sagen ganz einfach in den Gesetzen, Kinder sollen in den Kitas, im Kindergarten (Zwischenruf der Bundesrätin Ledl-Rossmann), in den Schulen et cetera besser erzogen werden.

Ich sage ganz einfach, dass mein Familienbild anders ausschaut. Ich traue vielen Eltern zu, dass sie ihre Kinder selber gut erziehen können, und meine, dass sie einfach


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 92

mehr Nähe zum Kind haben, dass es eine wesentlich schönere Situation ist, wenn eine Familie harmonisch aufwachsen kann, wenn Großeltern miteinbezogen werden. (Bun­desrätin Blatnik: Das hat aber damit nichts zu tun!)

Diese Gelder, die wir zum Beispiel in der ganzen Kindererziehung, beim Kindergarten und so weiter ausgeben, sind wichtig (Zwischenrufe bei der SPÖ), das ist gar keine Frage. Aber warum kann man das zum Beispiel nicht auch, wenn Großeltern fit sind und eine geringe oder eine Mindestpension haben, umschichten? (Zwischenrufe der Bundesräte Stögmüller und Dziedzic.) Wir sehen aber, dass diese Umschichtungen, die gerade bei jenen Errungenschaften stattfinden, die damals eingeführt worden sind, zur Institutionalisierung werden. Der Staat organisiert die Kinder immer mehr. (Bundesrätin Blatnik: Es gibt ja keine Großfamilie!)

Ich glaube nicht, dass das das Richtige ist. Man kann zwar sagen, dass pädagogisch ausgebildetes Personal mehr als eine Mutter oder ein Vater weiß, dass die vielleicht andere Zugänge haben, aber ich sage trotzdem, dass pädagogisch ausgebildetes Personal Mutter und Vater nicht ersetzen kann. (Bundesrätin Kurz: Ja, aber um das geht es auch nicht!)

Jetzt gehen wir da wieder zurück. Und da sehen wir dann natürlich das Familien­zeitbonusgesetz. Da hat man sich überlegt, dass man ja etwas machen muss, weil das Prinzip „50 : 50“ im Haushalt ja auch da irgendwie stattfinden muss. Aber es ist ein Placebo. Das bleibt ein Placebo, wenn man keine Begleitgesetze macht.

Wenn man zum Beispiel den Papamonat in Anspruch nimmt, sollte man auch wissen, dass man einen Kündigungsschutz hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Ledl-Rossmann.) Oder vielleicht hat man eine Firma, die sagt, dass es in Ordnung ist, wenn man einen Monat wegbleibt, und die die Sozialversicherungsbeiträge und alles zahlt. Das geht, so wie ich es verstanden habe, nach diesem Gesetz nicht.

Da muss ich ganz ehrlich sagen, selbst wenn wir wollen, selbst wenn wir es umsetzen, muss man sich da einen Monat herausnehmen und bekommt dann praktisch (Bundesrat Stögmüller: Zeit mit deinen Kindern!) einen Ersatz für diese Zeit, eine Unterstützung für diese Zeit, die zwar für 500 000 Vollzeitbeschäftigte interessant ist, weil sie nicht mehr verdienen. Wir haben ja immerhin 500 000 Vollzeitbeschäftigte in Österreich, die an der Armutsgrenze arbeiten, das muss man einmal sagen, die haben dort an und für sich kein großes Risiko. Aber eigentlich kämpfen wir ja dafür, dass die mehr verdienen. Und wir kämpfen auch für die 500 000 Arbeitslosen, damit sie wieder in den Arbeitsmarkt kommen, denn die sind ja da auch nicht davon betroffen.

Da hinkt mir das Ganze und scheint mir ganz einfach nicht durchdacht oder eben als Placebo eingesetzt zu sein. Dafür geben wir uns nicht her. Wir sind eher für echte Familien mit Mutter und Vater, ordentliche Schulen und Wahl der Kindergärten, wenn es notwendig ist (Zwischenruf der Bundesrätin Ledl-Rossmann), und von mir aus auch Unterstützungen von Familiengeldern, wenn Defizite vorhanden sind, damit Kinder das dann in geeigneten Kindergärten aufholen können. Aber dass der Staat ganz einfach das Kind übernimmt, so wie wir das aus der DDR kennen (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen), das ist ganz einfach nicht unsere Intention.

Schauen Sie sich einmal in Ruhe die Gesetze an (Bundesrätin Ledl-Rossmann: Wahlfreiheit!) und wie in den letzten 30 Jahren alle Unterstützungen immer mehr hin zum Staat lenken! Wir haben die einen weggenommen und haben alles, was staatlich organisiert … (Neuerliche Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ja, aber ganz ehrlich: Bis hin zum Direktor einer Schule haben wir alles organisiert, und selbst der muss ein Parteibuch haben, damit alles gut funktioniert, damit die Kinder auch das lernen, was ganz einfach Mainstream ist. Da gehe ich halt davon aus, dass


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 93

es ganz einfach mehr Familie geben soll. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Kurz: Buh, schlechte Rede!)

13.49


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Frau Bundesministerin MMag. Dr. Karmasin gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


13.49.48

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! 

Ich glaube, dieses Gesetz – das Kindergeldkonto inklusive Familienzeit und Partner­schafts­bonus – ist eine Reform, die wirklich diese Begrifflichkeit verdient. Sie ist die größte Reform des Kindergeldes seit 2002. Ich werde Ihnen erläutern, warum das wirklich ein Paradigmenwechsel ist.

Wir reden über ein Gesetz, das insbesondere die Individualität, die Flexibilität und die Partnerschaftlichkeit in den Vordergrund stellt – und das zum ersten Mal bei diesem Kindergeld. Warum? Wir hatten bis dato in der Pauschalvariante vier starre Zeiträume inklusive Betrag. Diese vier Beträge waren in Summe unterschiedlich. Mit einer Differenz von rund 1 500 € war es klar, dass der Gesetzgeber eine Variante, nämlich die Langvariante, anders als die Kurzvariante bewertet.

Ich denke nicht, dass der Staat vorgeben oder regeln sollte, wie Menschen ihre Kinder erziehen und betreuen und in welcher Form sie das organisieren, sondern es geht um Fairness für jedes Kind und Fairness für jede Art der Familie und ihrer Organisation. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Deswegen überlassen wir bitte die Art, wie und wie lange man Kindergeld bezieht, der Wahl der Eltern, und zwar auf Tagesbasis, denn individueller und flexibler geht es nicht. Deswegen auch die Tagesbasis, die, glaube ich, auch sehr einfach in Monate umrechenbar ist. Da braucht man in Wahrheit keinen Kindergeldrechner, den wir aber selbstverständlich trotzdem anbieten. Das ist nicht allzu komplex. Das ist, glaube ich, intellektuell durchaus begreifbar.

Jedenfalls ist dieser Gesamtbetrag pro Kind, glaube ich, ein ganz wesentlicher Schritt, der wirklich ein Grundprinzip verändert – was uns sehr wichtig gewesen ist. Dieser Gesamtbetrag von rund 15 500 € kann natürlich mit dem Partnerschaftsbonus von 1 000 € noch einmal erhöht werden. Man kommt dann auf rund 16 500 €, was um rund 1 000 € mehr ist als die beste Variante im aktuellen System.

Wenn sich Väter oder Familien partnerschaftlich organisieren wollen – das unterstüt­zen wir natürlich –, wird das auch insgesamt finanziell entsprechend höher bewertet als die beste aktuelle Variante. Ich glaube, das ist ein besonderer Fortschritt, der so auch gewürdigt werden muss: Partnerschaftlichkeit nun als besonderes Prinzip beim Kindergeldkonto.

Ich möchte das noch einmal hervorheben: Das ist das erste Gesetz in Österreich, das Partnerschaftlichkeit – im Partnerschaftsbonus – in einem Gesetz niederschreibt. Wenn man diesem Prinzip anhängt, dann ist das schon etwas sehr Wertvolles. Ich denke, dass das partnerschaftliche Familienmodell jenes ist, das jedenfalls diese Bun­des­regierung mit diesem Gesetz als ein Leitprinzip für Familien definiert hat. Sie hat es nicht nur in das Gesetz geschrieben, sondern mit den zusätzlichen 1 000 € auch einen finanziellen Anreiz dafür geschaffen.

Ich bin der Überzeugung, dass wir da einen entscheidenden Anteil in der Väterbe­teiligung erreichen werden, nicht nur über den Partnerschaftsbonus, sondern natürlich auch über die Familienzeit. Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann hat das hervorragend


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 94

ausgeführt, es geht nicht nur immer um die Frage, was nach der Geburt möglich ist, sondern ganz besonders auch um diese Bewusstseinsbildung und diese Vision, darum, dass der Gesetzgeber das hineinschreibt, damit legitimiert und alle sozialen Vorbehalte entkräftet, in dem Sinne: Warum machen das denn Männer? Ist das zeitgemäß? – Ja, es ist zeitgemäß und es ist wertvoll für das Kind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)

Ganz pragmatisch möchte ich auch noch zwei Argumente in Bezug auf die Flexibilität bringen. Familien brauchen heute Individualität, Wahlfreiheit und Flexibilität. Daher die Tagesbasis und der Gesamtbetrag, der so wichtig ist, um das Kindergeld noch einmal anpassen zu können, an berufliche Herausforderungen, an neue Betreuungssitu­ationen, aber natürlich auch, wenn das zweite Kind kommt, vielleicht überraschender, als man das ursprünglich gedacht hat, damit das ganze Geld dann noch einmal zur Verfügung steht, was ja heute im aktuellen Pauschalsystem nicht möglich ist, weil da Monate einfach verfallen und das Geld, das die Familien notwendig brauchen, nicht mehr abgeholt werden kann.

Insgesamt, glaube ich, ist es ein System mit vielen neuen Vorteilen: die Familienzeit direkt nach der Geburt, die Wechselmöglichkeit der erstgewählten Variante vor Ablauf der 90 Tage, der Parallelbezug im Kindergeld – das war ja auch nicht möglich –, die Erhöhung und die Erleichterungen für Alleinerzieherinnen, die einen besonderen Stellenwert haben, die Partnerschaftlichkeit und der Gesamtbetrag für jegliche Individualität und Flexibilität unserer Familien.

Ich spreche auch meiner Kollegin Heinisch-Hosek für dieses große Gesetz besonderen Dank aus. Es waren durchaus immer kontroversielle Diskussionen, aber es gibt Ge­setze, die noch viel länger verhandelt werden und zu einem weniger befriedigenden Ergebnis kommen. In Summe sind wir von dem her, glaube ich, beide sehr zufrieden. Ich bitte, ihr das auch auszurichten. Ich freue mich darauf, vor allem auf die nächsten Schritte hin zum familienfreundlichsten Land Europas. Wir sind nun einen großen Schritt weitergekommen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)

13.55


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kern zu Wort. – Bitte.

 


13.55.44

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Dem ist fast nichts mehr hinzuzufügen. Ich darf es doch ein bisschen breiter anführen, nämlich das gesamte Familienthema.

Das Bundesministerium für Familien und Jugend mit unserer Ministerin Sophie Karmasin hat sich ein großartiges Ziel gesetzt, denn bis 2025, also in neun Jahren, soll Österreich das familienfreundlichste Land Europas werden. Wir sind dabei auf dem richtigen Weg. Mittlerweile beurteilen sechs von zehn Österreicherinnen und Öster­reichern unser Land als familienfreundlich.

Wenn wir uns die Geburtenrate der letzten 25 Jahre anschauen, dann sehen wir seit 2014 mit 1,46 Geburten pro Frau einen leichten Aufwärtstrend. Und gerade beim Thema der Kinderbetreuung sehen wir in den vergangenen Jahrzehnten, dass viel geschehen ist: Allein die Betreuungsquote der unter Dreijährigen hat sich 2008 mehr als verdoppelt. Bis Ende 2018 wurden vom Bund 305 Millionen € für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt. Das Land Niederösterreich wird bis 2017 zusätzlich 55,4 Millionen € in den Ausbau der Kindereinrichtungen investieren, der Schwerpunkt liegt dabei bei den unter Dreijährigen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 95

Auch bei der Steuerreform 2016 haben wir Initiativen im Sinne der Familienfreund­lichkeit gesetzt. So wurde zum Beispiel der Kinderfreibetrag verdoppelt und die antragslose Familienbeihilfe beschlossen. Das bedeutet weniger Bürokratie und 100 Millionen € mehr für unsere Familien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Reform des Kinderbetreuungsgeldes schließen wir nun eine mehr als zwei Jahre andauernde Debatte ab – das wurde schon mehrmals erwähnt. Das neue flexible Kinderbetreuungsgeldkonto ersetzt ab 1. März 2017 die derzeitigen vier Pauschalvarianten. Wir kommen damit dem Wunsch vieler Eltern nach mehr Flexibilität und nach mehr Fairness nach.

Zusätzlich haben wir auch Anreize zur Väterbeteiligung gesetzt, worüber heute auch schon ausführlich gesprochen wurde. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dem neuen Kinderbetreuungsgeldkonto und den zusätzlichen Maßnahmen wichtige Schritte im Hinblick auf mehr Familienfreundlichkeit setzen.

Es ist vorher auch über das Thema Fairness gesprochen worden. Daher möchte ich kurz ein Thema ansprechen, das mir am Herzen liegt, nämlich das Thema Familien­beihilfe für Kinder im Ausland. Der eine Landtag hat in seiner Sitzung eine Resolution an den Bund beschlossen: Die Bundesregierung soll mit der EU über die Reform der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder verhandeln. Die Familienbeihilfe für diese Kinder soll an die im Ausland übliche Höhe angepasst werden.

Unsere Bundesministerin Karmasin und Bundesminister Kurz haben sich bereits für diese Reform starkgemacht. Nun heißt es dranbleiben, damit es für unsere Familien noch ein Stück fairer wird. Auf dem Weg zum familienfreundlichsten Land Europas braucht es zusätzliche Maßnahmen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Digitalisierung und die damit einhergehende Flexibilisierung und Individu­alisierung der Arbeitszeit bringen auch für Familien ein Stück mehr Freiheit. (Präsident Saller übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir Österreich gemeinsam zum familien­freund­lichsten Land Europas! Mit der Reform des Kinderbetreuungsgeldkontos setzen wir dazu einen wichtigen Schritt. Bleiben wir weiter dran! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.59


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort. – Bitte.

 


13.59.34

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch sagen, dass es lange gedauert hat. Ich bin aber eigentlich sehr froh darüber, dass es lange gedauert hat, denn es ist etwas sehr Gutes dabei herausgekommen.

Es ist etwas Gutes dabei herausgekommen, obwohl uns Politikerinnen und Politikern ja immer vorgeworfen wird, wir dreschen nur Phrasen und machen nur Schlagzeilen, wir sagen Worte, ohne dass etwas dahintersteckt.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist mit diesem Gesetz jetzt wesentlich leichter zu bewerkstelligen als vorher. Sehr oft haben wir gehört, dass es für die Eltern sehr schwierig war, dass kein Wechsel zwischen den einzelnen Varianten möglich war; auch ein solcher Wechsel ist jetzt möglich. Es ist schon sehr viel dazu gesagt worden, was alles verbessert wurde, und ich denke, dass das auch wirklich anerkannt werden sollte, auch von denen, die lieber kritisieren als für die Menschen etwas in eine positive Richtung zu verändern.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 96

Zum Papamonat mit 700 €: Klar, auch ich wäre für einen Kündigungsschutz, auch ich hätte mir eine bessere Lösung gewünscht, viele andere hier im Saal wohl auch, aber da sind eben die Grenzen der Möglichkeiten gewesen. Das, was wir jetzt haben, ist aber auch eine sehr gute Lösung. Wenn ich dann sehe, dass in Umfragen 59 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher sagen, dass der Papamonat eine sehr gute Sache ist – und von den Jüngeren sogar 72 Prozent –, dann, denke ich, ist schon sehr viel Bewusstseinsbildung gemacht worden, und das ist schon ein sehr wichtiger Schritt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meiner Meinung nach ist es auch sehr erfreulich, dass diese Regelung auch für gleich­geschlechtliche Paare gilt. Ich denke, auch das ist ein wesentlicher Schritt in unserer Realität, dass wir anerkennen, was es gibt, dass wir allen Paaren die gleichen Möglich­keiten und Chancen geben und dass dieser Partnerschaftsbonus eingeführt wird, wenn es um die Betreuungszeit geht. Auch da sagen 72 Prozent der unter 30-Jährigen, dass das eine sehr gute Sache ist.

Ich sage das jetzt sehr bewusst: Wir Alten haben jetzt die Möglichkeit, ein Gesetz für die Jungen zu machen, das mit 72 Prozent als positiv anerkannt wird, und ich möchte wirklich sehr herzlich zu diesem Gesetz gratulieren, denn ich glaube, da braucht man gar nicht mehr viel dazu zu sagen. Ihnen, Frau Ministerin Karmasin, und auch der ehemaligen Frau Ministerin Heinisch-Hosek herzliche Gratulation! Ich meine, da ist etwas sehr Gutes geschaffen worden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Dazu kommt, dass das Familienbild, wie ich vorhin schon kurz erwähnt habe, jetzt natürlich bunter ist, dass es vielfältiger ist, aber vor allem, dass es realistischer ist. Ich sage das jetzt einfach wirklich so, wie ich es mir denke: Da haben zwei Frauen gearbeitet, die wirklich nahe bei den Menschen sind, die auch hinhören, was gebraucht wird, denn sonst wäre es nicht möglich, dass wir beschließen, dass innerhalb von zwei Jahren evaluiert wird und dass wir wirklich darauf schauen wollen, was alles gebraucht wird und was wir besser machen können.

Das ist ein Gesetz, das zukunftsweisend ist und noch dazu die Chance gibt, mitzu­reden und wirklich Erkenntnisse einzuarbeiten; das freut mich ganz besonders.

Kollege Rösch hat vorhin gesagt, dieses Gesetz ideologisiere und es würden Familien in eine Ideologie gedrängt. Ich denke hingegen, dass sich aufgrund der vielen Möglich­keiten, die dieses Gesetz gibt, niemand irgendwo hineingedrängt fühlen muss, sondern die Auswahl ist wesentlich größer, und das ist auch das Wichtige. Ich glaube, dass es sich jede Familie richten können muss, wie sie es braucht, und dafür sind die Chancen gegeben.

Sie, Herr Kollege Rösch, haben dann aber weiters gesagt, dass Familien harmonisch sein müssen – Teekannen-Werbung und so –, dass die Großeltern auf die Kinder auf­pas­sen sollten – das entspricht überhaupt nicht der Realität, denn es gibt heutzutage fast keine Großeltern mehr, die zu Hause sind; die Großfamilie ist ausgestorben –, dass der Staat die Kinder pädagogisiere, dass angeblich Mutter und Vater durch den Staat ersetzt werden sollen – was bei diesem Gesetz überhaupt nicht der Fall ist! – und dass echte Familien und ordentliche Schulen das Wichtigste sind. – Das, so glaube ich, ist die Ideologie, die nicht in ein Gesetz gehört. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 97

14.04


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

14.04.24

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident Josef Saller! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Mitglieder des Bundes­rates, der österreichischen Länderkammer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine be­stimmte Zeit.“ Es gibt eine Zeit, zu der eine Person ein Mandat bekommt, und es gibt eine Zeit, zu der der Mandatsinhaber dieses Mandat wieder zurücklegt. Diese Stunde ist für mich gekommen, und ich habe sie selber ausgewählt.

Ich stehe im 69. Lebensjahr und habe vor, noch einiges zu tun – in meiner Freizeit, in einer anderen Beschäftigung. Es fügt sich daher wirklich wunderbar, dass von der Familienministerin heute das Familienzeitbonusgesetz, das Väterbonusgesetz … (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Karmasin. Rufe bei der SPÖ: Wirst Vater? Allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Wenn’s doch nur stimmert (neuerliche Heiterkeit), aber ich kann aushelfen: Ich komme selbst aus einer Familie mit elf Kindern, aus Enns, und ich bin selber Vater von vier Kindern, zwei Mädchen und zwei Buben. Vor einer Woche wurde ich zum vierten Mal Großvater; mein viertes Enkelkind ist Rosa Fussenegger, in Dornbirn. (Allgemeiner Beifall.)

So viel zu meinem Familienbezug und zu meiner Kompetenz, heute zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen, aber dabei will ich es schon bewenden lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Ich fadi­siere euch jetzt nicht mit einer riesigen Leistungsbilanz, sondern nur einige Schlag­lichter: Es ist uns gemeinsam sehr vieles gelungen. Ich denke an den Geset­zesantrag des Bundesrates, die begleitende Gesetzesnovelle zum Lissabon-Vertrag, damals gemeinsam mit Konecny; wir haben da wirklich Maßstäbe gesetzt. Diese Verbindung des Lissabon-Vertrags mit der österreichischen Bundesverfassung hat hier im Bundes­rat ihren Ausgang genommen. Schennach, glaube ich, kann sich noch an dieses Ereignis erinnern. (Rufe bei der SPÖ: Schon alt! Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja, er kann sich noch erinnern. (Bundesrat Schennach: Oje, oje, aber es stimmt! Bun­desrat Mayer: Als Grüner!) Die Ursache war, dass die Länder von dieser Entschei­dung, von diesem Thema sehr stark betroffen waren, und ich halte das nach wie vor für einen richtigen Zugang.

Wir haben dann in Linz die erste Europakonferenz zum Thema Subsidiaritätsprüfung durchgeführt, ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des EU-Ausschusses des Bundesrates.

Wir haben dieses Modell anlässlich des Jubliäums 20 Jahre tschechischer Senat in Prag präsentiert, zu dem wir eingeladen worden waren, und wir haben dort auch entsprechend präsentiert, wie wir dieses Modell in Österreich umsetzen.

Wir haben den Europagedanken damals auch im Bundesrat wirklich mit Engagement und mit Begeisterung gepflegt, und ich möchte dazu aufrufen, das auch in Zukunft zu tun, weil ich glaube, dass wir in der europäischen Entwicklung in einer Phase sind, in der es mehr Erklärung, mehr Interpretation und mehr Motivation braucht, diesen Gedanken auch in Zukunft über Wasser zu halten.

Es gibt heute allzu viele, die sagen: Wir brauchen weniger Europa!, Stichwort Brexit. Ich glaube jedoch, wir brauchen mehr europäische Ideen und mehr Europa, um die Fragen der Zukunft besser bewältigen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch einen Satz zu einem grundsätzlichen Thema anschneiden, das mir immer ein besonderes Anliegen war, und das hängt auch mit Europa zusammen: Wir dürfen nicht glauben, dass die Demokratie ein automatischer Erfolgszug ist, der von selber von einer Station zur nächsten fährt,


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 98

und dass das immer so weitergeht und die Demokratie der Normalzustand in unserem Staatswesen ist.

Wenn ich mir die Mehrheit der Staaten ansehe, auch der großen Staaten, muss ich sagen: Demokratie ist ein außergewöhnlicher Zustand. Ich glaube, Demokratie bedarf immer der Ermunterung, der Anregung, der Interpretation und der Erklärung, der Erklärung und nochmals der Erklärung.

Ich erinnere mich noch gut an Bundeskanzler Kreisky, der gesagt hat, die Haupt­aufgabe eines Politikers ist es, zu erklären, zu erklären und wieder zu erklären. Und wenn man glaubt, man hat genug erklärt, und es hängt einem alles zum Hals heraus, dann muss man wieder von vorne mit dem Erklären beginnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Das hat einen Wahrheitsgehalt. Wir sind ja im politischen Geschehen verankert und ständig auf dem Laufenden. Für uns ist das selbstverständlich. Bei unseren Mitbürgern setzen wir aber oft viel zu viel voraus. Wir müssen mit dem Erklären, mit dem Interpre­tieren, mit dem Motivieren zum Mittun in der Demokratie, zur Mitgestaltung immer wieder von Neuem beginnen.

Es hat sich auch gut gefügt: Ich war heute vormittags von der Sitzung weitgehend abwesend, weil ich noch einen Einsatz in der Demokratiewerkstatt hatte, mit einer Schule aus Enns, und ich muss sagen, dies gehörte zu meinen wichtigsten Aufgaben hier im Hause.

Wir haben auch andere Anträge hier im Bundesrat gestartet: Ich erinnere an das Gemeindekooperationsgesetz – ein Verfassungsgesetz, das seinen Ausgang hier im Bundesrat genommen hat –, damit die Gemeinden mehr zusammenarbeiten können, damit nicht jede Gemeinde ihre Aufgaben mit Scheuklappen erfüllt, sondern die Gemeindegrenzen überschritten werden, damit man auch mehr Mittel für Projekte hat und nicht nur zur Erhaltung des Apparats. Das ist gelungen, auch mit Kollegen Klug, den ich hier ebenfalls erwähnen möchte. Einen wesentlichen Beitrag dazu haben damals übrigens auch Herr Präsident Mitterer und die gesamte FPÖ-Fraktion geleistet. Diese hat das Anliegen unterstützt, wir konnten damit dem Verfassungsausschuss des Nationalrates bereits eine Verfassungsmehrheit präsentieren, und dann ist das durchgegangen.

Wir haben im letzten Halbjahr unter meiner Präsidentschaft auch die Entflechtung der Zustimmungsrechte eingeleitet, sodass wir vom Misstrauensgrundsatz in der öster­reichischen Verfassung zu einem Vertrauensgrundsatz kommen, dass nicht alle Lan­desgesetze vom Ministerrat begutachtet und genehmigt werden müssen, dass die Ernennung eines Landesamtsdirektors nicht der Bewertung und Beschlussfassung des Ministerrats bedarf, dass man die Grenze eines politischen Bezirkes verändern kann, ohne dass der Ministerrat Einspruch erheben kann. Das sind alles Dinge, die eigentlich schon längst durchgeführt gehört hätten; dies wird zu einer Entflechtung der sehr verkorksten Zustimmungsrechte in der Verfassung führen.

Damals hat man noch geglaubt, die einen können es nicht, es müssen alle über alle Gesetze drüberschauen. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Wir leben in einer sehr aufgeweckten und wachen Demokratie, und ich glaube, man sollte diesem Vorhaben – dieses Gesetz liegt derzeit im Verfassungsausschuss des Nationalrates – vielleicht auch noch Nachdruck verleihen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir wurden von der Präsidiale auch andere Aufgaben übertragen wie zum Beispiel, die Sanierung und den Umbau des Hauses zu begleiten. Ich habe mir das einfacher vorgestellt. Gestern fand die 19. Sitzung des Nutzerbeirats statt. Nutzerbeirat heißt er deshalb, weil ein Architekt nicht jedes Jahr ein


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Parlamentsgebäude baut und weil er natürlich in ständigem Kontakt mit jenen sein muss, die dieses Haus benützen, von der Logistik angefangen, wo welche Lokalität liegt, und so weiter. Das war eine sehr aufwendige Arbeit, aber wir haben sie zu einem Erfolg geführt.

Sie haben mir den Auftrag gegeben, auch bessere Arbeitsbedingungen für die Länderkammer zu schaffen. Ich habe die Idee von Bundespräsidenten Heinz Fischer aufgegriffen, die er bei einem Verfassungstag geäußert hat, nämlich dass der bessere Sitzungssaal für den Bundesrat der ehemalige Kronländer-Saal wäre, das Lokal VI. Das hätte auch einen historischen Bezug, und es wäre die Arbeitssituation nicht so beengt wie hier. Man muss sich ja schämen! Oft wurde mir gesagt: Ihr tagt im Bundesrat in einer Rumpelkammer, im Rauchsalon! (Oh-Rufe.) – Nein, seid mir nicht bös, das war der Rauchsalon des Herrenhauses! Dieser Saal ist als Rauchsalon gemacht worden.

Man kommt nicht einmal bei der Kamera vorbei, wenn da Übertragungen stattfinden und Bürgerinnen und Bürger der Sitzung beiwohnen. Die Sicherheit ist in diesem Haus nicht mehr gegeben, und ich denke, es ist höchst an der Zeit, dass das geändert wird. Ich bedanke mich bei allen, insbesondere bei Reinhard Todt, der mitgeholfen hat, dass das fraktionsübergreifend erreicht werden konnte.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, es war teilweise auch eine stürmische Zeit. Ich wurde damals auch zum Vorsitzenden der Freundschaftsgruppe Öster­reich/Tschechien ernannt. Damals haben sie in der Fraktion gesagt: Ihr in Ober­österreich habt eh die größten Wickel mit Tschechien, Stichwort Temelín und so weiter, das machst du! – Ich habe gesagt: Jawohl, mache ich.

Heute schaut es anders aus. Wir haben ein völlig entspanntes Verhältnis zu unseren nördlichen Nachbarn, und ich habe diese Beziehungen wirklich gepflegt, auch unter meiner Präsidentschaft. Ich bedanke mich bei allen, die mitgeholfen haben, dass die grenzüberschreitende Abgeordnetenkonferenz in Slavonice gut und erfolgreich bewältigt werden konnte. Diese Einrichtung wird fortgesetzt, nächstes Mal in einer anderen Region. Diesmal waren wir in Tschechien, vielleicht können wir es dann einmal in Oberösterreich oder in Niederösterreich machen, jedenfalls ist es gerade in einem vereinten Europa sinnvoll, dass auch Abgeordnete über die Ländergrenzen hinweg Kontakte haben und nicht nur die Regierung.

Abgeordnetenkontakte sind sehr wichtig, und diejenigen von Ihnen, die im EU-Ausschuss mit Edgar Mayer an der Spitze tätig sind, werden das bestätigen: Wenn man gute menschliche, kompetente Beziehungen aufgebaut hat, tut man sich auch bei der materiellen Umsetzung mancher Themen leichter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich glaube, dass es nicht darauf ankommt, welche Funktion ein Mensch oder eine Persönlichkeit hat, sondern es kommt immer darauf an, was ein Mandatar aus seiner Funktion macht, egal, ob im Gemeinderat, im Landtag, im EU-Parlament, im Bundesrat oder im Natio­nalrat. Ich bin mir nie benachteiligt vorgekommen, ich habe mich nie benachteiligt gefühlt, weil ich „nur“ in der Länderkammer war, sondern es kommt immer darauf an, welches Netzwerk man sich aufbaut, welche Kontakte man hat und was man daraus macht.

Ich finde es noch immer faszinierend, dieses Haus zu betreten, dieses Haus voller Symbolik. Schon wenn man sich von der Ringstraße her nähert: Die Pferdebändiger haben mich immer fasziniert. Das ist aber auch ein Auftrag des Architekten an die Abgeordneten gewesen, ihre Arbeit mit Begeisterung, mit Feuereifer – nicht nur mit Freude, sondern mit Begeisterung und Überzeugung – zu machen, denn wenn etwas


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drinnen ist, dann kommt es auch heraus, und das ist, glaube ich, ganz, ganz wesent­lich.

Ich habe mich nie irgendwie benachteiligt gefühlt. Ich glaube im Gegensatz dazu sogar, dass ein Mitglied des Bundesrates, wenn es seine Funktion ernst nimmt, zu den bestinformierten Mandataren dieser Republik gehört. Kein anderer hat vollen Zugang zur Landesverwaltung, zu den Landtagen. Überall kann man sich Informationen besor­gen, überall ist man gerne gesehen. Man kann an jeder Ausschusssitzung des Natio­nalrates als Gast teilnehmen. Man kann sich jede Information von den Ministerien auf Bundesebene besorgen, von allen Bundesstellen. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.– Glaubst du es nicht, David? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Das würde mich wundern, da ich dich jetzt schon einige Monate kenne.

Meine Damen und Herren, das waren nur einige Gedanken, die mich bewegt haben, von denen ich glaube, dass es nicht schlecht ist, wenn sie nicht dem Orkus der Ver­ges­senheit anheimfallen, wenn man sie sich einmal anschaut, vielleicht entsteht noch etwas daraus – alles, was in der Zeit unvollendet geblieben ist. Niemand ist perfekt.

Ich bedanke mich für die vielen persönlichen Kontakte, die zunächst durch die Funktion entstanden sind, aber dann entstehen Freundschaften, und das ist in der Politik ganz, ganz wesentlich. Ich bedanke mich für diese Begegnungen, das ist nämlich zugleich das, was bleibt.

Ich bedanke mich bei allen Mitgliedern der Präsidiale, bei Reinhard Todt, der heute nicht anwesend ist, bei Edgar Mayer, bei Monika Mühlwerth, bei Nicole Schreyer und bei allen im Hause, im Parlament, bei der Parlamentsdirektion, dem Bundesratsdienst mit Frau Dr. Bachmann an der Spitze. Dieses Haus ist bestens motiviert – bestens motiviert! –, man muss als Mandatar nur wissen, was man will; und wenn man sagt, was man will, dann hilft das Haus mit, die Ziele zu erreichen.

Ich bedanke mich und würde mich freuen, bei der einen oder anderen Gelegenheit wieder willkommen geheißen zu werden. (Allgemeiner anhaltender, teilweise stehend dargebrachter Beifall.)

14.21


Präsident Josef Saller: Lieber Präsident außer Dienst Bundesrat Gottfried Kneifel, lieber Gottfried! Ich darf dir als derzeitiger Präsident – ich habe gerade nachgerechnet: noch 9 Stunden und 37 Minuten (Heiterkeit bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ) – namens des Bundesrates wirklich sehr, sehr herzlich danken.

Du bist am 17. März 2000 in den Bundesrat gekommen, du warst dreimal Präsident – von 1. Juli bis 31. Dezember 2006, von 1. Jänner bis 30. Juni 2011 und von 1. Juli bis 31. Dezember 2015 –, und da muss man viele Themen finden und etwas umsetzen; so einfach ist das alles nicht, das wissen wir alle. Ich glaube, das ist dir sehr gut gelungen, auch dein Engagement für Europa.

Ich darf dir also offiziell – es gibt ja noch Wortmeldungen – als derzeitiger Präsident des Bundesrates wirklich ganz besonders herzlich Danke sagen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


14.23.49

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Lieber Gottfried Kneifel! Frau Ministerin, keine Angst, wir missbrauchen den Tagesordnungspunkt jetzt nicht, aber wenn sich ein langgedienter Bundesrat wie Gottfried Kneifel aus dem Parlament verabschiedet, kann man schon ein paar Dankesworte anfügen. Ich kann auf jeden Fall hinsichtlich Kinder nicht mit Gottfried mithalten, ich habe nur zwei, dafür habe ich aber auch vier Enkelkinder – also


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so gibt es auch eine kleine Anmerkung meinerseits zu diesem Tagesordnungspunkt, wenn denn das so anerkannt wird.

Auch seitens unserer Fraktion – ich denke, ich spreche hier im Namen aller –: Danke für 16 Jahre Bundesrat – Herr Präsident Saller hat es schon erwähnt –, dreimal als Präsident unserer Kammer, der Länderkammer. Es ist unmöglich, jetzt 16 Jahre Revue passieren zu lassen, da würden wir wahrscheinlich in die nächste Präsidentschaft hineinkommen, nach Mitternacht; das wollen wir jetzt auch nicht und dich, Herr Prä­sident, nicht über Gebühr belasten.

Um es klar anzusprechen: Du hast in diesem Parlament in diesen 16 Jahren nicht nur Spuren hinterlassen, vor allem als Präsident, du hast auch nachhaltige Veränderungen durchgeführt, und das sind, glaube ich, entscheidende, wesentliche Punkte, die man schon einmal ganz kurz erwähnen soll.

Es sind nicht nur deine Gesetzesinitiativen, es waren insgesamt drei an der Zahl – das war auch neu für den Bundesrat, dass der Präsident sozusagen Gesetzesinitiativen auf den Weg bringt –, ich darf vielleicht auch an die letzte Präsidentschaft erinnern. Da hat sich etwas getan, was in dieser Form auch noch nie dagewesen ist, dein Projekt „Digitaler Wandel und Politik“. Du hast eine eigene Plattform gegründet, hast auf dieser Plattform 200 Anregungen bekommen; der Bundesrat hat daraufhin eine einstimmige Entschließung gefasst und die Regierung damit beauftragt, das auch in die Regie­rungs­arbeit einfließen zu lassen.

Es gab auch tatsächlich eine Zuordnung zu Frau Staatssekretärin Steßl, jetzt in weiterer Folge zu Frau Staatssekretärin Muna Duzdar. Das sind schon wesentliche Punkte, und das wird auch in die Digital Roadmap der Bundesregierung einfließen – also das ist schon etwas Nachhaltiges, was man hier auch anmerken muss. Man könnte dir jetzt vielleicht einen Spitznamen oder einen Vulgonamen mit auf den Weg geben, der digitale Gottfried oder so, also etwas, was für dich wirken soll.

Du warst – du hast es angesprochen – mit Albrecht Konecny der Gründervater des EU-Ausschusses, mit einem Gesetzesantrag, und das ist genau das, was du dir auf die Fahnen heften kannst. Wir im Bundesrat haben recht früh erkannt, dass es für den Bundesrat eine Chance ist, sich zu positionieren, sich in Europaangelegenheiten zu positionieren, für die Länder einzustehen, für die Länder Subsidiaritätsprüfungen zu machen; und das hat sich jetzt in einer derartigen Form entwickelt, dass unser Aus­schuss, und da darf ich Kollegen Schennach ausdrücklich erwähnen, führend in Euro­pa ist. Dafür hast du damals mit Albrecht Konecny den Grundstein gelegt, und das ist auch ein Meilenstein – Spuren, die du hinterlassen hast.

Du warst viele Jahre lang auch Föderalismussprecher der ÖVP und hast da in wirklich guter Art und Weise zwischen Bund und Ländern vermittelt, denn es braucht den Föderalismus, es braucht den modernen Föderalismus, so wie du ihn immer propagiert und vorgezeigt hast. Das ist, denke ich, auch ein Punkt, der erwähnt werden darf.

Zum Nutzerbeirat – ich darf da deine Funktion übernehmen; wenn es dann derart viele Sitzungen gibt, brauche ich wirklich ein zusätzliches Domizil in Wien –: Es ist aber schon auch nachhaltig, wenn man sagt, der Bundesrat kommt von diesem Raum – ich sage jetzt Raum – in den Budgetsaal oder in den früheren Saal der Kronländer und hat dort auch Möglichkeiten, die Zuschauer entsprechend unterzubringen. Wir haben in diesem Saal schon erlebt, dass es Übergriffe gab, dass es Probleme gab, dass Leute sozusagen des Saales verwiesen werden mussten. Die komprimierte Situation hier ist des Bundesrats der Republik Österreich wirklich nicht würdig, das möchte ich in aller Deutlichkeit erwähnen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 102

Danke auch für deine Tätigkeit als Fraktionsobmann. Du warst mehr als sechs Jahre lang Fraktionsobmann der ÖVP-Fraktion, der größten Fraktion im Bundesrat, und hast hier auch maßgeblich an der Weiterentwicklung der Fraktionsarbeit, der Präsidiale mitgearbeitet; das kann man auch erwähnen. Du hast da wirklich sechs Jahre lang zum Vorteil unserer Fraktion gearbeitet.

Zum Schluss etwas, das du nicht erwähnt hast: Wenn wir bei den Rossebändigern vorbeikommen, schauen wir aufs Parlament, dort weht derzeit die Salzburger Fahne. Jedes halbe Jahr wird diese Fahne ausgetauscht. Die Bundesländer sind stolz, dort ihre Länderfahne anbringen zu können – Europafahne, Fahne der Republik und Län­derfahne –, und das hat Gottfried Kneifel in seiner vorletzten Präsidentschaft angeregt; das wurde umgesetzt, und so ist das Zeichen der Länder auch außen auf diesem Parlament zu sehen. – Danke dafür, Gottfried! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

16 Jahre Bundesrat, dreimal Präsident des Bundesrates – du hast dabei den Bundes­rat immer wieder in den Vordergrund gestellt, wie du es erwähnt hast. Es war dir wich­tig, Bundesrat zu sein und hier auch verbindend tätig zu sein. 16 Jahre ausgezeichnete Arbeit für Österreich, für den Bundesrat, aber auch für dein Land Oberösterreich – und das sei uns Ländervertretern auch gestattet, für das jeweilige Heimatbundesland einzu­stehen!

Danke, Gottfried! Danke, Gottfried Kneifel! Alles Gute! Die Rossebändiger werden die Arbeit in deiner Politikerpension sein. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

14.29


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte schön.

 


14.30.09

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Ministerin! Lieber Gottfried! Als ich heute gehört habe, dass du deine Abschiedsrede im Bundesrat halten wirst, habe ich gedacht, das kann nicht ganz stimmen.

Ich hab dich kennengelernt als einen Präsidenten, der weiß, was er will, der sehr hartnäckig im Verhandeln sein kann, der aber kein Gespräch verweigert, sondern das Gespräch immer sucht, Antworten gibt. Der Kinderrechteausschuss war eine harte Nuss, ich gebe es zu, da haben wir uns fast die Zähne ausgebissen, aber im Endeffekt bist du Argumenten zugänglich.

Was du sehr gut kannst und was du uns sicherlich mitgeben wirst, ist, ein Stück über die Parteigrenzen zu schauen, ohne die eigene Partei zu vergessen, trotzdem der Verbindende zu sein und dem Bundesrat eine Wertigkeit über diesen Saal hinaus, über die Medien hinaus zu geben. Du hast auch uns immer wieder dazu aufgerufen, die Möglichkeiten, die wir schon haben, zu nutzen und auch umzusetzen; die Gesetze sind schon erwähnt worden.

Du hast in der Zeit deiner Tätigkeit im Bundesrat nicht nur bei uns viel Anerkennung erlangt, sondern du bist auch Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, du bist zum Professor ernannt wor­den. – Ich denke mir, das sind äußere Zeichen für die Arbeit, die du geleistet hast und die sehr wertvoll für die Demokratie und für den Föderalismus in Österreich ist.

Ich möchte dir hier sehr für deine Arbeit, für deine Zusammenarbeit danken und darf jetzt von zwei Männern Wünsche überbringen. Mario Lindner – er war, glaube ich, schon bei dir – hat gesagt, ich soll auf alle Fälle sagen, er bedankt sich sehr herzlich bei dir, dass du ihn bei der Vorbereitung auf seine Präsidentschaft so unterstützt hast.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 103

Und unser Chef Reinhard Todt ist zwar nicht da, aber er hat mir ein SMS geschrieben; ich soll dich von ihm sehr, sehr schön grüßen lassen, auch er wünscht dir alles, alles Gute und bedankt sich bei dir für die gute Zusammenarbeit.

Alles Gute für die Zukunft, Gottfried, und du bist sicherlich herzlich willkommen bei uns! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.32


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


14.32.36

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Gottfried Kneifel! Bevor der Präsident gesagt hat, wie lange du schon da bist, habe ich kurz nachgedacht und mir gedacht: Ich glaube, ich kenne dich schon ziemlich lange! Und das stimmt ja auch: insgesamt 16 Jahre – ich war fünf Jahre nicht da, weil ich Vizepräsidentin des Stadtschulrates Wien war, aber auch elf Jahre sind eine lange Zeit.

Ich kann mich gut erinnern, dass wir – vor allem als die Freiheitlichen Fraktionsstatus bekommen haben und ich deren Klubobfrau werden durfte – sehr viele Gespräche geführt haben, vor allem was Verbesserungen und die Ausweitung der Möglichkeiten des Bundesrates betroffen hat. Nicht immer waren wir einer Meinung, manches ist gelungen, manches ist nicht gelungen; das ist nicht so sehr immer nur an uns beiden oder an uns dreien oder vieren gelegen, sondern auch daran, dass all unsere Klubs, vor allem unsere Nationalratsabgeordneten, natürlich nichts hergeben wollen. Wenn der Bundesrat irgendwo mehr will, dann muss einer Federn lassen, und da gibt es dann halt immer einen Verteilungswettkampf. Das macht aber nichts. – Auf ein Neues!, kann man da nur sagen.

Was dich wirklich auszeichnet, ist dein Engagement. Du warst immer mit Herz und Seele Bundesrat. Da drängt sich bei mir – weil ich ja Professor Schambeck auch noch erlebt habe, weil ich seit 1996 im Bundesrat bin; eben nicht durchgehend, aber insge­samt doch – schon ein Vergleich mit Professor Schambeck auf, der ja auch für den Bundesrat gelebt hat und, glaube ich, auch heute noch dafür lebt.

Ich erinnere mich noch an die Donauraumstrategie, die dir ein so wichtiges Anliegen war, oder auch die Digitalisierung. Du warst der Motor, dass es gelungen ist, dass der EU-Ausschuss des Bundesrates die gleichen Rechte bekommt wie jener des Nationalrates. Darüber sind wir alle bei jeder Ausschusssitzung sehr froh, auch wenn Herr Juncker dann meint, diesen „Klamauk“ aus Österreich brauche er nicht. Wir sind aber selbstbewusst genug und schicken auch die nächste Mitteilung nach Brüssel, um denen dort zu erklären, wie wichtig die Subsidiarität hier in Österreich ist.

Du warst also in vielen Dingen ein Motor, stets ein engagierter Bundesrat. Ich freue mich, dass ich elf Jahre gemeinsam mit dir arbeiten konnte – über alle Unterschied­lich­keiten hinweg –, wünsche dir auch namens meiner Fraktion das Allerbeste, alles Gute, und vor allem: Bleib gesund! Wir werden einander das eine oder andere Mal wieder sehen. (Allgemeiner Beifall.)

14.35


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


14.35.46

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesrat Kneifel, lieber Gottfried, auch im Namen der grünen Fraktion: Danke für die


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immer sehr gute und sehr, sehr konstruktive Zusammenarbeit. Es war wirklich eine große Freude für uns, mit dir gemeinsam arbeiten zu dürfen.

Ich war ja nur bei der letzten deiner drei Präsidentschaften im Bundesrat dabei, im letzten Halbjahr 2015, und ein Projekt möchte ich noch ganz besonders hervorheben, das mir einfach irrsinnig gut gefallen hat und zu dem ich dir gratulieren möchte. Du hast den digitalen Wandel als Schwerpunkt gewählt, und daraus ist das Grünbuch „Digitaler Wandel und Politik“ entstanden. Das war ein sehr, sehr offener und partizi­pativer Prozess, in den wirklich aus ganz Österreich Meinungen eingeflossen sind. Dieses Grünbuch „Digitaler Wandel und Politik“ findet auch Eingang in die Digital Roadmap Austria, es wird also auch diese Initiative aus dem Bundesrat in eine österreichweite Strategie weitergetragen.

Mir bleibt nur noch übrig, zu sagen: Danke für dein Engagement! Wir von der grünen Fraktion wünschen dir alles, alles Gute für deinen politischen Ruhestand – sage ich jetzt einmal, denn wir können uns, glaube ich, alle nicht vorstellen, dass du jetzt die Hände einfach in den Schoß legen und nichts mehr machen wirst. Alles Gute! Wir freuen uns, wenn du uns wieder einmal besuchen kommst, und: Danke schön. (Allge­meiner Beifall.)

14.37


Präsident Josef Saller: Ich danke für die Worte.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.37.525. Punkt

EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2016 (III-580-BR/2016 d.B. sowie 9600/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Nun kommen wir zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hackl. Ich bitte um den Bericht.

 


14.38.17

Berichterstatterin Marianne Hackl: Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Nach diesen bewegenden Momenten bringe ich den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über das EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2016.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den vorliegenden Bericht (III-580-BR/2016 d.B.) des Nationalrates zur Kenntnis zu nehmen.

In diesem Zusammenhang bringe ich folgende Berichtigung zur Kenntnis:

Die Antragsformel zum Bericht 9600/BR d.B. hat zu lauten:


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 105

„Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 den Antrag, den vorliegenden Bericht (III-580-BR/2016 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.“

 


Präsident Josef Saller: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schererbauer. – Bitte.

 


14.39.46

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Bundesminis­teriums für Familien und Jugend zu den Vorhaben der Europäischen Union 2016 liegt uns nun vor.

Inhaltlich betrachtet ist der vorliegende Bericht, wie auch schon die Berichte der letzten beiden Jahre, dem des Vorjahres sehr ähnlich. Es geht um die Bereiche der EU: „Arbeitsplan Jugend 2016 bis 2018“, „Beratungsstelle Extremismus“, „Implementierung von ERASMUS+: JUGEND IN AKTION“ und „Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf“.

Ich möchte kurz auf das „Jugendscreening“ eingehen. Die Ziele des Jugendscreenings sind: „… der Verwaltung die Anforderungen einer modernen Jugendpolitik und die Diversität der Zielgruppe Jugend zu vermitteln, Aufgaben und Aktivitäten der außer­schulischen Jugendarbeit bekannt zu machen, Strukturen der jugendpolitischen Stake­holder“ – Interessenvertreter – „aufzuzeigen und somit die jugendpolitische Koordi­nation zu verbessern.“ – Dies erfordert unterschiedlichste Aktivitäten. Meine Frage dazu ist: Welche konkreten Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang mit welcher Auswirkung im letzten Jahr gesetzt?

Im Zusammenhang mit dem Jugendscreening ist auch der mit dem neuen Haus­haltsrecht ab 1. Jänner 2013 eingeführte Jugend-Check zu sehen.

„Durch die Verordnung sind alle Ministerien verpflichtet, Gesetzesvorhaben vorab auf ihre Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche zu überprüfen. Damit wird das Bewusst­sein für die besonderen Anliegen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen geschärft. Der Jugend-Check soll die übliche Erwachsenenperspektive erweitern und langfristig eine noch kinderfreundlichere Gesellschaft in Österreich ermöglichen.“ – Da wäre meine Frage: Gibt es hier bereits eine Evaluierung über die Erreichung der jeweiligen Wirkungsziele in den einzelnen Ressorts? (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Beim Thema Jugendarbeit ist die Rede von relevanten Veranstaltungen und Aktivitäten des Ministeriums, der Länder et cetera, bei denen das „Jahr der Jugendarbeit“ und dessen Botschaft vermittelt wird. – Welches Ziel steckt hinter dem „Jahr der Jugend­arbeit“ mit welchem Mehrwert für die in die Jugendarbeit involvierten Personen?

Ich möchte auch noch kurz die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt streifen. In diesem Bericht ist einmal mehr von einem Appell zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit die Rede.

Österreich hat hier laut Bericht eine „vergleichsweise sehr gute Position“ in Europa, insbesondere wegen des Systems der dualen Berufsausbildung. Außerdem gebe es in Österreich seit Längerem eine Ausbildungsgarantie. Trotz Ausbildungsgarantie schaut der Lehrstellenmarkt nicht gerade rosig aus.

Die Anzahl der Lehrbetriebe ist weiter stark rückläufig. Allein in den letzten drei Jahren reduzierte sich die Zahl der Lehrbetriebe um rund 14 Prozent. Bildeten bis zum Stich-


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tag 31. Dezember 2012 noch 35 137 Betriebe Lehrlinge aus, waren es mit Ende 2015 nur noch 30 269. Die Anzahl der Lehrstellensuchenden lag im Jahr 2011 bei 3 959 und stieg unaufhaltsam weiter. Im Februar 2015 gab es bereits 5 303 Lehrstellensuchende. Diese Zahl erhöhte sich nunmehr entsprechend den Arbeitsmarktdaten des AMS aus dem Februar 2016 um weitere 8,7 Prozent auf derzeit 5 767 Lehrstellensuchende.

Vergleicht man dazu die Entwicklung der Anzahl der offenen Lehrstellen, so zeigt sich, dass diese Zahl der zunehmenden Anzahl von Lehrstellensuchenden bei Weitem nicht standhalten kann und aktuell nur noch bei 3 383 liegt. Das ergibt eine Lehrstellenlücke von derzeit 2 384.

Zur Beratungsstelle Extremismus: Seitens des Bundesministeriums wird das auch 2016 wieder gefördert. Das ist eine sehr gute Sache. Extremismus gehört in jedem Fall bekämpft und hat in unserer Gesellschaft absolut nichts verloren. Das möchte ich ganz dezidiert hier erklären. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Nur habe ich den Eindruck, dass man dabei auf einem Auge ein bisschen blind ist, denn es ist ausschließlich von Rechtsextremismus die Rede, der völlig zu Recht bekämpft wird. Ich komme gleich auch noch auf eine Plattform zu sprechen. Es gibt aber auch Linksextremismus in diesem Lande, der bekämpft werden muss. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit sehen müssen, dass es so etwas auch hier gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – David, schau einmal auf die Homepage AKS, Aktion Kritischer Schüler! Das ist nur ein Beispiel. Da wird die FPÖ in ganz fürchterlicher Art und Weise dämonisiert und als ganz schlimm hingestellt. Das ist ein gefördertes Projekt. Als Menschenfreund, sage ich jetzt einmal, tut mir das schon ein bisschen weh, wenn ich das lese. Aber ich wünsche mir diesbezüglich ein wenig mehr Objektivität. Faktum ist, dass Extremismus in beiden Formen ganz klar zu bekämpfen ist. Ich glaube, da sind wir hier im Hohen Haus absolut einer Meinung.

Zur Förderung der Gesundheit junger Menschen heißt es im Bericht: „Das Kompetenz­zentrum Jugend im Bundesministerium für Familien und Jugend ist daher in einigen Arbeitsgruppen zur Erarbeitung von Maßnahmen und Aktivitäten aktiv, wie z.B. bei den Rahmengesundheitszielen der Österreichischen Kinder- und Jugendgesundheitsstra­tegie. In Zusammenarbeit mit mehreren Ressorts ist es dabei ein Anliegen, den ,Health in All Policies‘ Ansatz verstärkt wahrzunehmen und zu etablieren.“ – Was heißt dies konkret? Welche konkreten Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang gesetzt?

Ein weiterer Schwerpunkt soll sich dem Thema Essstörungen widmen. Hier ist an einen Workshop gedacht. – In welcher Form möchte man da die Jugendlichen erreichen?

Die Implementierung von Erasmus+ ist als sehr lobenswert zu erwähnen. Circa eine Million Menschen sind in dem Projekt dabei, 4 500  aus Österreich.

Trotz vieler guter Ansätze gibt es doch noch einige offene Fragen und Verbesse­rungen. Daher werden wir diesem Bericht keine positive Beurteilung geben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.46


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


14.46.12

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates und Damen und Herren, die diese Sitzung medial verfolgen und dem Thema EU, Familie und Jugend interessiert zuhören! Sie erkennen gleich, dass hier ein Bericht vorliegt, der viele thematische Schwerpunkte setzt, wenngleich die Ablehnung eines solchen Berichts auch ein wenig die eigene Inkompetenz verstärkt, indem man zu erkennen


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gibt: Wir wollen gar nicht daran weiterarbeiten. (Bundesrätin Mühlwerth: Es gibt kaum Möglichkeiten, das ist alles!) Vielleicht ist auch das ein Zugang zu politischer Arbeit.

Wir sind sehr positiv motiviert, die guten Eckdaten heranzuziehen, zu diskutieren und vor allem auch daraus Schlüsse, die einen Grundstein für die Zukunft einer erfolg­reichen Jugendpolitik legen, zu ziehen. Eine erfolgreiche Jugendpolitik legt die Grund­steine nicht nur im Wirtschafts- und Sozialpolitischen, sondern auch im Arbeitsmarkt­politischen. Sie ist letztlich die Keimzelle eines funktionierenden Staates. So würde ich es sehr klar definieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Jugendarbeitslosigkeit ist gestiegen! So „erfolgreich“ ist das!) Daher kommen wir auch auf einige Zahlen zu sprechen, die angeführt werden.

Gesunkene Geburtenraten in Europa sind gerade Zeichen dafür, dass ein Wettbewerb um junge Menschen entsteht, dass Jugend in allen Bereichen gefordert und ihr auch Verantwortung übertragen wird.

Das bringt mit sich, dass vor allem die Jugend selbstbewusst, kritisch und engagiert ist. Sie zeigt sehr klar immer wieder auf, wo es Fehlentwicklungen gibt. Diesen Fehlent­wicklungen gilt es in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen entgegenzuwirken.

Sinkende Arbeitslosigkeit, Deradikalisierung und Einbindung in demokratische Pro­zesse sind Schwerpunkte dieses Berichts und letztlich auch Teil der Herausforderung, Antworten und Zielsetzungen zu finden.

Aktuelle Diskussionen zeigen, dass die Zahlen auf dem Tisch liegen, aber auch, dass wir immer wieder sehr klare Gegenmaßnahmen setzen müssen, um dem Trend ent­gegenzuwirken und entsprechend mehr Arbeitsplätze zu schaffen und vor allem gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu arbeiten.

Aber auch das Thema Bildung ist ein sehr intensives. Es betrifft zum einen die Bildung an und für sich, zum anderen aber auch den freien Zugang zu Bildungseinrichtungen sowie die Mobilität, die in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt wird.

Bildung und Erasmus+ stehen, so glaube ich, in einem engen Zusammenhang. Der Bericht zeigt auf, dass dieses Programm auch weiterhin ein Erfolgsprogramm sein muss. Der Erfolg rührt daher, dass Jugendliche innerhalb dieses freien Europas auch sehr viele andere Eindrücke gewinnen und ihnen eine vielseitige Bildung zugänglich wird.

Es geht aber auch um die Frage der Werte, um eine Wertepolitik in Europa, die in diesem Bericht in den Mittelpunkt gestellt wird und beinhaltet, selbst entscheiden zu können. Sie berührt gleichermaßen die Anstrengung, Sicherheit und Freiheit in Europa klar zu definieren. Eine Wertediskussion ist etwas sehr Grundsätzliches, aber sie enthält immer wieder auch den Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen.

Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass gesundheitspolitische Maßnahmen im Hinblick auf psychische Krankheiten als Schwerpunkt gesetzt werden. Gerade Jugend­liche stehen vor großen Herausforderungen, denn wir wissen: Der Druck steigt in vielen Bereichen – der Druck, den die Gesellschaft auf Jugendliche ausübt, immer den Normen zu entsprechen und den Anforderungen gerecht zu werden.

Man könnte es in unserer Konsumgesellschaft wie folgt untertiteln: Jugendliche müssen dem entsprechen, was die Gesellschaft von ihnen fordert. Ich glaube, der Druck und das Krankheitsbild, das daraus entsteht, werden größer. Wir sehen, dass ständig auch Krankheiten wie Depression oder Burn-out immer Jüngere betreffen, sodass sehr klar wird, dass eine Gegeninitiative ergriffen werden muss.

Es gibt auch das Europa der Regionen, das Unterschiede zulassen muss. Daher ist in diesem Bericht angeführt, dass die Individualität gefördert und Leistung eingefordert


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werden müssen. Nicht das Zurücklehnen, das Ausruhen in der sozialen Hängematte und das Auf-sich-Einwirken-Lassen des wirtschaftlichen Erfolges Europas werden die Strategie der Zukunft sein. Viel mehr wird es notwendig sein, dass wir auch selbst einen Beitrag zu diesen erfolgreichen Entwicklungen leisten.

Wir stehen im Wettbewerb mit Ländern wie China, Regionen wie Asien und anderen stark aufstrebenden Räumen, wo eine größere Perspektive und eine vermehrte Anstrengung seitens der Bevölkerung gelebt wird, um mehr im Leben zu erreichen, mehr zu erhalten und Wohlstand zu genießen.

Es ist eine Zielsetzung, dass wir auch der Jugend klarmachen, dass das Erfolgsrezept der Vergangenheit keine Selbstverständlichkeit ist, der Beitrag jedes Einzelnen auch mitgetragen werden muss und Leistung letztlich auch der Ansporn ist, mehr zu erreichen und im Ranking nicht nach unten zu rutschen.

Keine Gleichmacherei – Vielfalt ist das Motto! Es muss immer wieder klar ange­sprochen werden: Vielfalt heißt zu guter Letzt auch, neue Wege zu gehen und andere Denkweisen zuzulassen.

Grenzenloses Reisen, viel mehr kennenlernen, andere Lebenswelten erkennen – das alles ist ein wesentlicher Schwerpunkt, der hier gesetzt wird, weil damit auch neue Sichtweisen den Horizont jedes Einzelnen erweitern.

Den Horizont erweitern heißt, sehr aktuell gesprochen, Toleranz üben – eine Toleranz, die wir in der heutigen Zeit nicht nur diskutieren, sondern auch leben müssen. Inner­halb eines grenzenlosen Europas ist eine solche Toleranz mehr denn je gefordert und daher auch ein Thema, welches gerade dieser Bericht im Sinne der Familien- und Jugendpolitik klar anspricht.

Abschließend sei noch ein Punkt, der enormes Potenzial bringt, angesprochen. Es sind die Fragen des digitalen Zeitalters, das angebrochen ist, des digitalen Entwickelns und Netzwerkens und letztlich des vernetzten Binnenmarktes, der zum Ziel hat, nicht Menschen, sondern Daten wandern zu lassen. Es soll damit klar aufgezeigt werden, dass die Möglichkeit, digitale Daten noch stärker im Berufs- und Wirtschaftsleben einzusetzen, viele Chancen gerade für unsere Jugend bietet.

Die Jugend wächst in einem Umfeld auf, in welchem sie im Umgang mit elektronischen Medien und der modernen Entwicklung mittlerweile ganz andere Spielregeln hervor­bringt als jene, die wir noch in unserer Empfindung, in unserem Aufwachsen erlebt haben.

Daher abschließend zum Schwerpunktthema Jugendarbeit: Es wurde kurz in der vorhergehenden Frage, was dieses Schwerpunktthema Jugendarbeit bringt, ange­sprochen.

Ich glaube, Österreich hat sehr klar gezeigt: Die 1,5 Millionen Jobs, die gegründet und geschaffen wurden, sind ein Erfolg. 1,5 Millionen Jobs für junge Menschen im Bereich der Jugendarbeit, Jugendzentren, Kreativ-Workshops, also letztlich in der Individualität ihrer Einsatzmöglichkeiten, wo junge Menschen ihrem Naturell, nämlich Freiheit zu leben und auch Neues zu erfahren, Raum geben können. Das ist mit Sicherheit ein Beweis dafür, Frau Minister, dass diese Jugendarbeit ein Erfolg ist.

Ich glaube, darauf kann man aufbauen, denn eines bringt es auch mit sich: 1,5 Mil­lio­nen Jobs heißt auch, dass 160 000 Ehrenamtliche zusätzlich im Boot sind. In Summe bringt das den Erfolg, dass es nicht nur um den monetären Reiz und Erfolg geht, sondern ganz einfach auch um die Persönlichkeitserfahrung sowie darum, dass Jugendliche eine Aufgabe haben und im Umgang mit anderen Menschen Selbst­bewusstsein und Kreativität erlernen.


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Dieser Bericht zeigt viele Schwerpunkte auf. Es sind Schwerpunkte, die vor allem auch auf europäischer Ebene gelebt werden müssen. Er zeigt aber auch sehr klar: Europa kann nur den Rahmen bilden, der Erfolg bei all diesen Zielen liegt letztlich in einer nationalen Anstrengung, und die setzen wir mit Bravour um. In diesem Sinn kann ich diesem Bericht sehr viel Positives abgewinnen und darin vom Auftrag zu neuen Arbei­ten erfahren und lesen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55


Präsident Josef Saller: Herr Bundesrat Stögmüller ist als Nächster zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


14.55.56

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Herzlich willkommen! Es wurde bereits vieles von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern über den EU-Vorhabensbericht und auch den Bericht der Jugendministerin erzählt.

Ich möchte in aller Kürze noch auf einige wenige Punkte eingehen. Ein Schwerpunkt im Bericht ist der „Arbeitsplan Jugend 2016 – 2018“, den wir Grüne grundsätzlich sehr begrüßen. Es ist darin von einer besseren sozialen Inklusion, von einer stärkeren Teilhabe aller Jugendlichen und von einem einfachen Übergang junger Menschen vom Jugend- in das Erwachsenenalter, insbesondere durch die Integration in den Arbeits­markt, die Rede.

Der letztgenannte Punkt, also die Integration in den Arbeitsmarkt, steht auch im Einklang mit dem Rahmenziel 1 der Österreichischen Jugendstrategie „Beschäftigung und Bildung“. Erst vorgestern wurde im Sozialausschuss des Nationalrates die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre ab dem Ausbildungsjahr 2016/17 besprochen, was ja auch genau in diese Richtung geht.

Ich erwarte mir hier von Ihnen wirklich einen proaktiven Schwerpunkt in der Arbeits­marktpolitik, gerade was junge Menschen angeht. (Bundesrat Schennach: Warum redest du dann kontra?) – Das kommt schon noch! Das ist ein Fehler gewesen, ich werde heute nicht kontern, sondern wir werden diesem Bericht natürlich zustimmen. Es ist leider ein Fehler, ich weiß nicht, wie der hereingekommen ist. Ich habe das jetzt erst mitbekommen. Wir werden dem heute zustimmen.

Aber um wieder zurück zur Arbeitsmarktpolitik zu kommen: Was braucht es jetzt? – Es braucht jetzt eine Arbeitsmarktpolitik, die proaktiv ist – natürlich auch in Kombination mit qualitativ hochwertiger Bildungs- und Berufsorientierung bereits in den frühen Schuljahren, wo Talente auch wirklich erkannt werden.

Es braucht weiters eine ordentliche Strategie, was wir mit Schulabbrechern, mit den Early School Leavers, mit den NEETs, also mit jenen Jugendlichen machen, die „not in education, employment or training“ stehen. Da braucht es eine Strategie! Das ist ja auch ein gesellschaftliches, soziales und arbeitsmarktpolitisches Problem. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir neben den bereits eingeführten Ausbildungsgarantien in zwei Wochen eventuell – es wird sich noch herausstellen, ob wir da mitgehen und eine Zweidrittelmehrheit zustande kommt – eine Ausbildungspflicht beschließen, die Ver­bes­serungen bringen könnte.

Denn wir müssen allen Jugendlichen eine positive Perspektive geben, auch jenen, die leider keinen Pflichtschul- oder Lehrabschluss schaffen. Es darf nicht sein, dass diese jungen Menschen fernab des Systems irgendwo auf der Strecke hängen bleiben. Das darf in Österreich nicht passieren.


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Ein weiterer Bereich, der aus dem Bericht hervorgeht, ist die Medienbildung. Hier wird ganz besonders das Saferinternet-Netzwerk „saferinternet.at“ hervorgehoben. Das finden wir Grüne sehr begrüßenswert, auch weil Ihr Ressort, Frau Ministerin, mit 80 000 €, wie mir Ihre Beamtin im Ausschuss mitgeteilt hat, kofinanziert. Es ist ein erheblicher Teil in diesem Projekt. Das finden wir sehr gut.

Ich bin auch schon sehr gespannt auf Ihr Konzept zum Thema „Generation Internet“, das in der letzten Nationalratssitzung von meinem Kollegen Julian Schmid eingebracht und von allen Parlamentsparteien mitgetragen und mitunterstützt worden ist. Das ist auch ein großer Erfolg für uns Grüne, dass dieser Schritt mit FPÖ, Team Stronach und NEOS gegangen wird.

Es geht dabei um den Umgang mit den neuen Medien, der in der Lebensrealität von jungen Menschen einfach schon ganz normal ist, aber oftmals in dem von der älteren Generation, von älteren Menschen geführten Diskurs als problematisch dargestellt wird. Wir brauchen eine Politik, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse von jungen Menschen beim Nutzen von neuen Medien und des Internets eingehen. Hier müssen wir junge Menschen aktiver miteinbeziehen und mitgestalten lassen. Also ich bin schon wirklich gespannt auf Ihr Konzept dazu und freue mich auf sein Erscheinen.

Jetzt komme ich etwas kritischer zu einem Punkt, der Sie auch direkt betrifft, Frau Jugendministerin, und für den Sie auch zuständig sind, nämlich zu den UMFs, den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Sie kommen in diesem Strategiebericht leider gar nicht vor. Ich fordere Sie gerade als Jugendministerin auf, in diesem Bereich aktiver zu werden, ein Sprachrohr auch für diese Jugendliche zu werden. Das sind Jugendliche, die Sie auch vertreten müssen. Ich weiß, es fällt viel in die Länder­kom­petenz. Dennoch könnten Sie die Länder an einen Tisch bringen und sich für eine jugendgerechtere Wohn- und Tagesstruktur einsetzen. Seien Sie ein Sprachrohr für diese Jugendlichen! (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Auch die mangelnde Gleichstellung von UMFs auf dem österreichischen Arbeitsmarkt wie zum Beispiel das Auslassen der jugendlichen Flüchtlinge bei der bereits genannten Ausbildungspflicht bis 18 Jahre ist etwas, bei dem eine Jugendministerin eigentlich ein Sprachrohr sein müsste und sich für diese Jugendlichen in ihrer Partei einsetzen sollte. Gehen Sie zu Ihrem Minister und sagen Sie, dass Sie sich für alle Jugendlichen einsetzen!

Auch im Bildungsbereich gibt es gravierende Nachteile für UMFs. Ich bitte Sie: Setzen Sie sich wirklich für alle Jugendlichen ein, egal, ob sie hier geboren sind oder nicht! Kinder sind Kinder und haben sich ihr Schicksal sicher nicht selbst ausgesucht.

Bitte nehmen Sie diesen Appell mit, Frau Ministerin! Wir Grüne werden – wie ich Herrn Schennach schon gesagt habe – diesem Bericht heute zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

15.01


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir zur nächsten Rednerin kommen, darf ich in unserer Mitte sehr herzlich Herrn Bundesminister Mag. Drozda begrüßen. Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.01.47

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Der vorliegende Bericht beruht ja auf zwei EU-Dokumenten. Das


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eine ist das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016, und das Zweite ist das Programm der drei Ratsvorsitzländer Niederlande, Slowakei und Malta.

Ich möchte einige Schwerpunktsetzungen, die in diesen beiden Dokumenten genannt werden, aus unserer sozialdemokratischen Sicht analysieren und starte einmal mit denen, die wir begrüßen möchten.

Die Schwerpunktsetzung zum Thema Jugendarbeitslosigkeit beziehungsweise Jugend­beschäftigung ist ja schon genannt worden. Auch wir halten es für sehr gut, dass dieses Thema hohe Priorität bekommt. Auch wenn Österreich im Vergleich zu anderen EU-Staaten in diesem Bereich verhältnismäßig gut dasteht, ist dieses Thema der Beschäftigung junger Menschen doch sehr zentral für ihr aktuelles Leben und für ihre Zukunft. Ich denke, alle Anstrengungen, um jungen Menschen eine gute Ausbildung und einen erfolgreichen Übergang ins Berufsleben zu ermöglichen, verdienen Priorität und sind jedenfalls lohnend.

Auch der Anteil der außerschulischen Arbeit in diesem Bereich ist nicht zu unter­schätzen. Die außerschulische Arbeit kann Jugendliche gerade bei solchen Übergän­gen in eine neue Ära ihres Lebens gut begleiten und sie auch bei der Schärfung ihres Profils sehr unterstützen.

Ich denke – und da bin ich bei der Bundesjugendvertretung –, dass es in diesem Zusammenhang auch ein Thema der EU sein muss, sich mit prekären Beschäfti­gungs­verhältnissen auseinanderzusetzen und auch einheitliche Regelungen und Standards für Praktika zu finden. Das ist für junge Menschen essenziell.

Ein zweites Thema, das genauso ernsthaft und schwerwiegend ist, ist das Thema der Radikalisierung und der Gewaltbereitschaft junger Menschen, und zwar in unterschied­lichsten Gebieten. Öffentliche Aufmerksamkeit bekommt dieses Thema dann, wenn Gewalt eskaliert und im öffentlichen Raum sichtbar wird. Am extremsten ist es, wenn es in Form von Terrorismus auftritt, aber auch wenn beispielsweise – wie es jetzt in Österreich erstmals der Fall war – eine Asylunterkunft brennt. Solchen Formen der Radikalisierung ist natürlich mit allen Mitteln vorzubeugen, und auf Bundesebene wurde ja die Beratungsstelle Extremismus ins Leben gerufen. Auch in meinem Bun­desland Wien gibt es ein sehr aktives Netzwerk zur Deradikalisierung und Prävention, das mit allen Stakeholdern aus verschiedensten Bereichen zusammenarbeitet, um dieser Radikalisierung entgegenzutreten.

Dieses Radikalisierung hat ihre Wurzeln natürlich bereits dann, wenn sich Sprache radikalisiert. Das erleben wir in der jetzigen Zeit sehr massiv auch in den sozialen Netzwerken, in den sozialen Medien. Gerade gestern hat unser Parlamentsklub zu einer Enquete eingeladen, in der es um Hassbotschaften, Mobbing, Gewalt in Postings et cetera geht. Mit diesem Thema muss man sich beschäftigen. Das betrifft Menschen ganz konkret.

Ich denke, es ist höchste Vorsicht geboten, wenn es um Gewalt in der Sprache, Radikalisierung der Sprache geht. Da werden Bilder und Symbole erzeugt, und es wird auch radikalisiert. Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn dadurch mit der Zeit Hemmschwellen fallen und immer mehr Gewalt in der Sprache üblich wird, denn oft folgen Worten auch Taten. Ich denke, wir müssen diesem Thema große Aufmerk­samkeit schenken.

Es gibt weitere begrüßenswerte Themen, meine Vorredner haben schon manche genannt: Die Gesundheit junger Menschen – im Speziellen auch das Thema der Essstörungen bei Mädchen, das leider nach wie vor ein großes Thema ist – braucht Aufmerksamkeit sowie auch das Thema der psychischen Belastungen junger Men­schen. Kollege Pum hat darauf hingewiesen. Der aktuelle Bericht der Österreichischen


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Liga für Kinder- und Jugendgesundheit weist auch darauf hin, dass gerade im Bereich der psychischen Belastungen Therapieplätze massiv fehlen. Es gibt sehr lange Wartezeiten für Kinder und Jugendliche in diesem Bereich.

Ein aktuelles Thema ist die sehr positive Entwicklung der Frühen Hilfen, die ja in einem Projektstatus sehr gut angelaufen sind. Ich denke, dieses Projekt hat es verdient, jetzt flächendeckend in einen Standard übernommen zu werden.

Die Mobilität junger Menschen war bereits Thema. Ich denke, gerade wenn wir sehen, wie in Europa nationalistische Tendenzen zurzeit überhandnehmen und Zuspruch finden, dann sind solche Programme wie Erasmus+ zur Förderung der Mobilität und der europäischen Identität junger Menschen wichtig. Wir sehen aktuell auch – spätestens seit der Abstimmung in Großbritannien und diesem Ergebnis des Brexit –, dass gerade junge Menschen offensichtlich eine stärkere europäische Identität haben. Sie haben verstanden, was die Vorteile einer europäischen Identität sind. Da sieht man, welche Bedeutung Programme wie Erasmus+ für junge Menschen haben.

Ich komme jetzt noch zu einem Satz und Motto der aktuellen Ratspräsidentschafts-Trias, die ich gelesen habe, die folgendermaßen lauten:

„Allen Jugendlichen ermöglichen, sich an einem vielfältigen, vernetzten und inklusiven Europa zu beteiligen – bereit fürs Leben, bereit für die Gesellschaft.“

Ich denke, dieses „allen Jugendlichen“ ist etwas sehr Wesentliches. David Stögmüller hat auch darauf hingewiesen. Es ist wirklich etwas Bemerkenswertes, da von „allen Jugendlichen“ zu sprechen, aber gleichzeitig ist das auch die große Herausforderung für alle Länder, für die EU, für alle Institutionen. Alle Jugendlichen einzubeziehen erfordert nämlich eine besondere Sensibilität, um genau auf jene Gruppen zu schauen, die ausgeschlossen und diskriminiert werden, also auf sogenannte vulnerable Gruppen.

Bevor ich auf drei Gruppen eingehe, die aus meiner Sicht einen besonderen Fokus verdienen, wollte ich noch darauf hinweisen, dass es, wenn es um alle Jugendlichen geht, wichtig ist, dass die Europäische Union kinderrechtliche Standards auf europä­ischem Level vereinheitlicht, damit es zum Beispiel nicht mehr möglich ist, dass in Großbritannien 13-jährige junge Menschen eingesperrt werden. Solche Dinge haben in einer Europäischen Union keinen Platz. Sich europaweit für kinderrechtliche Standards einzusetzen fände ich dringend notwendig.

Drei Gruppen habe ich angekündigt, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Die erste Gruppe sind Kinder, die von einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit betroffen sind. Man muss sich immer wieder fragen: Haben sie denselben Zugang zu Mobilität? Haben sie dieselben Möglichkeiten im Bildungssystem? Darüber immer wieder zu reflektieren und da hinzuschauen lohnt sich.

Auf die zweite Gruppe, nämlich Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, hat David Stögmüller auch schon hingewiesen. Genau ihnen ist die Teilhabe, von der in diesem Motto die Rede ist, verwehrt. Rund 300 000 junge Menschen in Österreich sind von Armut gefährdet, über 100 000 sind ganz konkret davon betroffen. Wir wissen, dass Armut krank macht, dass Armut die Teilhabe behindert, und das kann in einem inklusiven Europa natürlich nicht der Fall sein.

Umso mehr erschreckt mich die aktuelle Debatte um die Kürzung der Mindest­siche­rung, denn alle ExpertInnen wissen, dass die Kürzung der Mindestsicherung gerade Kinder und Jugendliche und ihre Teilhabe und Chancen betrifft. Da würde ich mir ein starkes Veto einer Jugendministerin, einer Kinderministerin wünschen, denn diese Armut von Kindern haben wir in einem Land wie Österreich einfach nicht notwendig. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)


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Eine dritte Gruppe hat David schon erwähnt, nämlich die Gruppe der Jugendlichen und Kinder, die mit Fluchterfahrungen zu uns kommen. Auch sie werden weitgehend von der Teilhabe ausgeschlossen oder jedenfalls bei ihrer Teilhabe an unserer Gesellschaft behindert. Teilhabe braucht Sprachkenntnisse, Teilhabe braucht Bildung. Ich freue mich, dass jetzt ein Paket geschnürt worden ist, durch das Sprachvermittlung und Bildung ab dem ersten Tag stattfinden sollen. Wir wissen, dass wir davon noch ein Stück weit entfernt sind.

Auch ich wünsche mir, dass junge Flüchtlinge in die Ausbildungspflicht hineinge­nom­men werden, um die Möglichkeit zu bekommen, Abschlüsse zu machen und in der Bildung voranzukommen. Es macht einfach keinen Sinn, bei Jugendlichen danach zu unterscheiden, woher sie kommen oder warum sie hier sind. Diese Jugendlichen sind hier, sie werden hier ihre Zukunft verbringen und sie alle brauchen hier gute Chancen.

Ich komme zum Schluss: Ich wünsche mir von einer Familien- und Jugendministerin, dass sie tatsächlich auf alle Jugendlichen und Kinder schaut, auch auf jene, die vulnerabel sind und besondere Aufmerksamkeit brauchen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.12

15.13.00

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

15.13.246. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1705/A und 1183 d.B. sowie 9606/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nunmehr gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kern. Ich bitte um den Bericht.

 


15.14.02

Berichterstatterin Sandra Kern: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministerien­gesetz 1986 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf deshalb gleich zur Antrag­stel­lung kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile ihm dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 114

15.15.00

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in die Materie eingehe, gestatten Sie mir noch eine kurze Replik auf die Ausführungen des Kollegen Pum, der gerade nicht hier ist: Jemandem aus diesem Haus, dezidiert einem Kollegen meiner Fraktion, zu unterstellen, dass er inkompetent wäre, nur weil er sich zum vorherge­henden Bericht kritisch geäußert hat, ist doch einigermaßen erstaunlich, um nicht zu sagen doch ein keckes Stück. Bei aller Wertschätzung für die unterschiedlichen Zugän­ge, bei allem kritischen Diskurs sollte es doch so sein, dass wir am Ende des Tages einander noch in die Augen schauen können. Derartige verbale Untergriffe sind doch etwas unangebracht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Köck und Mayer.) – Es wird nicht so lange, Nerven bewahren, Herr Kollege!

In der Sache selbst ist es für mich und meine Fraktion natürlich nachvollziehbar, dass die Angelegenheiten für Frauen und Gleichstellung vorrangig von einer Frau als Ministerin betreut werden, das war ja in der Vergangenheit auch so, durch Ministerin Heinisch-Hosek. Umso unverständlicher ist es jetzt für mich, dass ihre Nachfolgerin Dr. Hammerschmid, die auch eine Frau ist, diese Agenden nicht zugesprochen bekommt, sondern eine andere Ministerkollegin, nämlich Frau Minister Oberhauser. (Bundesrätin Kurz: Und was stört daran?!)

Da stellt sich natürlich die Frage: Warum ist das so? – Rational gesehen gibt es nicht wirklich einen Grund, warum man sagen könnte: Dieser Wechsel ist logisch, aber auch von administrativer Seite her nachvollziehbar. Entweder haben die Bediensteten im Gesundheitsministerium so viel personelle Ressourcen, dass man sagt, sie brauchen ein neues Betätigungsfeld. Da stellt sich die Frage: Was haben die bis jetzt gemacht? (Bundesrätin Grimling: Waren Sie schon einmal dort?!) Oder aber es ist so, dass man diese Aufgaben vielleicht im Ressort der neuen Ministerin Hammerschmid schon bisher nicht wirklich erfüllen konnte, weil eben die Ressourcen im Bildungsministerium derart ausgelastet waren. Ich gebe zu, dass es dort einige Baustellen gab, die es sich durchaus aufzuarbeiten gelohnt hätte. Da stellt sich die Frage: Warum hat man das nicht schon früher gemacht?

Unterm Strich gibt es also keine wirklich logische, keine rationale Erklärung für diesen Wechsel der Zuständigkeit in den Ministerien, wodurch sich der Schluss ergibt, dass das offensichtlich eine Befindlichkeitsgeschichte ist. Vielleicht war es Frau Ministerin Oberhauser ein Anliegen, dass sie das bekommt – oder auch nicht. Vielleicht hat Frau Ministerin Hammerschmid gesagt, dass sie das nicht haben will – oder auch nicht. Ich weiß es ja nicht. (Bundesrätin Kurz: Eben! – Bundesrat Mayer: Das ist Spekulation! – Bundesrätin Grimling: Vielleicht hätte man Sie fragen sollen!)

Alles in allem ist das rational nicht nachvollziehbar, alles in allem ist das eigentlich eine Geldverschwendungsaktion, eine Kostenfrage, die wiederum zulasten des Steuerzah­lers geht. Daher kann das von unserer Fraktion nur ablehnend betrachtet werden. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Aber das hat jetzt gedauert!)

Ich denke, man hätte diese kurze Zeit, die diese Bundesregierung noch auszuharren hat – man hört ja fast täglich schon von Neuwahlen, die immer näher rücken –, abwarten können. (Bundesrätin Grimling: Geh, hör auf! Das ist …! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Vielleicht hilft Ihnen eine Wiederholung der Bundespräsi­dentenwahl ein bisschen über die Runden für nächstes Jahr, weil ja diese nicht gleich­zeitig mit Nationalratswahlen durchgeführt werden kann.

Alles in allem denke ich, der Steuerzahler hätte ein Abwarten gutgeheißen, weil es ja doch wahrscheinlich etliche Millionen kostet. Von den Türschildern und den Visiten­karten will ich gar nicht erst reden. (Bundesrätin Kurz: Geh, was soll denn da Millionen


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 115

kosten!) Ich gehe davon aus, dass dann auch etliches an Personalpotenzial, an Akten (Bundesrätin Kurz: Na ja, das kostet aber keine Millionen!), an ressortmäßigen Zustän­digkeiten, die natürlich auch mit Umschichtungen verbunden sind, wandert. Das schlägt sich schlussendlich wieder finanziell nieder. Ich denke, man hätte zum Wohl und zugunsten des Steuerzahlers durchaus noch diese paar Monate abwarten können, anstatt dass man teuren Ressortmittelverschleiß zum Nachteil der Steuerzahler durchführt, der wahrscheinlich unterm Strich ohnedies keine politische Griffigkeit mehr zeigen wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.19


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Grimling zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.20.01

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Kollege Herbert, also ich habe schon bessere Reden von dir gehört. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Herbert: Die Wahrheit tut oft weh und schmerzt!)

Ich habe eigentlich geglaubt, dass du dich darauf vorbereitest; was ich nicht geglaubt habe, ist, dass du irgendwelche Vermutungen aus der Glaskugel herausliest. Was ich mir da heute anhören musste, das bin ich von dir nicht gewöhnt. Aber gut, man ist da lernfähig.

Bei der Umbildung einer Mehrparteienregierung wird die Ressortverteilung üblicher­weise auf politischer Ebene verhandelt und vereinbart. Wenn sich Verschiebungen der Aufgabenstellungen ergeben, wird dies sodann auch auf parlamentarischem Wege – daher jetzt auch bei uns – durch eine entsprechende Änderung des Bundesminis­teriengesetzes 1986 rechtlich umgesetzt. Im Zuge der jüngsten Regierungsumbildung wurde eine Verschiebung der Kompetenzen für Frauen und Gleichstellungs­angelegen­heiten vom Bildungsministerium zum Gesundheitsministerium vereinbart.

Kollege Herbert, ich wollte nur sagen: Die waren schon einmal im Gesundheits­minis­terium. (Bundesrat Herbert: Die Frau Oberhauser hat’s noch nicht gehabt! Das hat keinen politischen Mehrwert!) Also so neu ist das nicht, das wollte ich nur sagen. (Bundesrat Schennach: Aber für ihn ist es neu!) – Für ihn ist das neu – okay. (Bundes­rat Herbert: Geschichten von gestern!)

SPÖ und ÖVP haben einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht; mehr kann man, glaube ich, dazu nicht sagen. Als Folge der Kompetenzverschiebung werden das Bundesministerium für Gesundheit in Bundesministerium für Gesundheit und Frauen und das Bundesministerium für Bildung und Frauen in Bundesministerium für Bildung umbenannt. Wir reden vom Bundesministeriengesetz.

Das neue Bundesministerium für Gesundheit und Frauen enthält die Agenden Koor­dination in Angelegenheiten der Frauen- und Gleichstellungspolitik – (in Richtung des Bundesrates Herbert) warum das Kollegin Oberhauser nicht kann, weiß ich nicht (Bun­desrat Herbert: Reden wir mal, was es kostet!) –, Koordination in Angelegenheiten des Gender-Mainstreaming (Bundesrat Herbert: Reden wir mal, was es den Steuerzahler kostet, Frau Kollegin!), Angelegenheiten der Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeits­markt, Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission, der Bundes-Gleich­behandlungskommission und der interministeriellen Arbeitsgruppe für Gleichbehand­lungsfragen. (Bundesrat Herbert: Kosten?)

So weit, so gut, was das Bundesministeriengesetz betrifft. Jetzt kommen wir einander vielleicht ein bisschen näher. (Bundesrat Mayer: Oje!) Aus meiner Sicht als Personal-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 116

vertreterin – da könnten wir uns vielleicht finden – darf aber nicht übersehen werden, dass bei derartigen Maßnahmen die für die Besorgung dieser Aufgaben bisher vor­gesehenen Planstellen in den entsprechenden Planstellenbereich des übernehmenden Bundesministeriums übergehen. Die betroffenen Personen finden sich damit in die Personalhoheit des aufnehmenden Ressorts überführt, in dem sie zwar ihre Berufs­erfahrung einbringen, aber neue Organisationsformen vorfinden, die nicht immer mit der persönlichen Berufsplanung übereinstimmen. Da kann ich schon mitgehen. (Bundesrat Herbert: Zwangsversetzt quasi!) – Nein, das ist ein Blödsinn. Nicht! Also bitte, du bist Personalvertreter! Entschuldige! Bitte! (Bundesrätin Mühlwerth: Blödsinn darf man nicht sagen!)

Zudem erstreckt sich der Wirkungsbereich der Personalvertretungsorgane – und jetzt kommt schon auch eine Problematik –, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung beim abgebenden Bundesministerium eingerichtet sind, bis zum Ablauf der Funktionsperiode weiterhin auf die in ein anderes Bundesministerium übernommenen Bediensteten. Das heißt, wir bleiben weiterhin ihre Vertretungsorgane.

Es bedarf daher seitens der neuen Ressortleitung einer sensiblen Personalführung, was im gegenständlichen Fall auch vorhanden ist, und wir haben schon Verhand­lungen – das darf ich auch sagen – mit der zuständigen neuen Ressortleitung geführt, und das dürfen wir erwarten, und das wird es auch geben.

Zusammenfassend handelt es sich bei der vorliegenden Novellierung um eine sinnvolle Neuregelung, und unsere Fraktion wird dieser Novellierung natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.24


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Frau Mag. Schreyer ist als Nächste zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihr dieses.

 


15.25.05

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Wir reden hier über die Novelle des Bundesministeriengesetzes, durch die die Frauenagenden vom Bildungsministerium zum Gesundheitsministerium wandern. Wir von der grünen Fraktion werden diese Novelle ablehnen (Bundesrat Schennach: Geh!), nicht weil wir Frau Ministerin Oberhauser für keine kompetente Frau als Frauen­ministerin halten. Sie hat als Sprecherin des Frauenrings und als ÖGB-Bundes­frauenvorsitzende unbestritten sehr viel Erfahrung mit Frauenagenden angereichert.

Der Grund, warum wir dagegenstimmen, ist der, dass wir uns die berechtigte Sorge machen, dass die Frauenagenden, wie auch schon zuvor im Bildungsministerium, in diesem riesigen Ressort untergehen und Frau Ministerin Oberhauser schlicht und einfach nicht die Zeit haben wird, sich um die Frauenpolitik in dem Ausmaß zu küm­mern, in dem es sich die Frauenpolitik verdient hätte.

Das Frauenministerium – das wurde schon gesagt – wird innerhalb der Ministerien ziemlich herumgeschoben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war immer schon so!) Es hat nur von 1991 bis 2000 ein eigenständiges Frauenministerium gegeben, und seit 2000 wird es von einem Ressort in das nächste gedrängt. Bis 2007 war es beim Sozial­ministerium angehängt, da war auch ein bisschen eine Mischform dabei. (Bundesrat Mayer: Herbert Haupt!) Dazwischen hat es ein Hoch gegeben, indem es wieder gemeinsam mit dem öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt angesiedelt war, unter der damaligen Ministerin Heinisch-Hosek, die es dann auch in den letzten dreieinhalb Jahren ins Bildungsministerium mitgenommen hat. Jetzt wird es eben wieder in das Gesundheitsministerium weitergereicht.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 117

Schon in den vergangenen dreieinhalb Jahren sind von der ehemaligen Frauenminis­terin Gabriele Heinisch-Hosek, die zuerst im Bundeskanzleramt und dann im Bildungs­minis­terium dafür zuständig war, deutlich weniger Gesetzesinitiativen eingebracht und deutlich weniger politische Maßnahmen gesetzt worden.

Es gibt im Frauenbereich einfach sehr, sehr viel zu tun. Österreich hat im frauen­politischen Bereich einen massiven Aufholbedarf. Beim Gender Pay Gap, also bei der Einkommensschere, bei den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Män­nern, sind wir EU-weit – ich habe es heute schon einmal sagen müssen – auf dem vorletzten Platz. Nur Estland hat sich die rote Laterne noch vor Österreich geschnappt. Im Gleichstellungsbereich, im Bereich Gender-Mainstreaming, in der Besetzung von Frauen in Führungspositionen, im Bereich der Frauenarmut, im Bereich der Aufteilung unbezahlter Arbeit gibt es einfach noch irrsinnig viel Aufholbedarf.

Eine Frauenministerin muss sich innerhalb der Regierung immer, in allen Materien, für Frauen und Gleichstellung einsetzen – bei der Wirtschaft, im Bereich Bildung, im Sozial­bereich, im Finanzbereich, im Gesundheitsbereich –, und dazu braucht es einfach sehr, sehr viel Einsatz. Auch wenn ich der Überzeugung bin, dass Frau Minis­terin Oberhauser die Frauenagenden sehr am Herzen liegen, sehen wir im Gesund­heitsbereich, der ein riesiges Feld abdeckt, einfach nicht die Ressourcen, sich für diese beiden Bereiche gleichzeitig in dem Ausmaß, in dem es notwendig wäre, einzusetzen. Daher werden wir gegen dieses Gesetz stimmen und uns weiterhin für ein eigenstän­diges Frauenministerium starkmachen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.28


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Schennach: Wofür macht sich jetzt der Herr Mayer stark?)

 


15.28.41

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Lieber Kollege Schennach! Ich stelle eingangs fest, dass ich nicht der Frauensprecher meiner Fraktion bin, ich strebe dieses Amt auch nicht an. Es sei aber schon erwähnt, dass ich Frau Dr. Oberhauser, die in Zukunft die Frauenange­legen­heiten in ihrem Ministerium mit übernehmen wird, seit Jahrzehnten kenne. Ich kenne sie als engagierte Gewerkschafterin in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, ich kenne sie als ÖGB-Vizepräsidentin und ich kenne sie als engagierte Medizinerin, die sich immer wieder sehr für Themen eingesetzt hat und auch Frauensprecherin im ÖGB war, Kollege Werner Herbert.

Das ist auch die Zuordnung – ohne dass man da irgendwie manipulative Gedanken um das Ganze herumwebt oder Spekulationen anstellt –, warum Frau Dr. Oberhauser für dieses Ministerium sicher nicht nur geeignet, sondern auch sehr geeignet ist. Das möchte ich hier wirklich in aller Deutlichkeit auch für meine Fraktion sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Für mich ist es auch eine ideale Kombination, Gesundheit und Frauen sozusagen unter einem Dach, in einem Haus zu vereinen. Ich denke da auch an Frauengesundheit, Frauenmedizin, vor allem an die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich, weiters an die Forschung und Wissenschaft, die ein wesentlicher Teil der Gendermedizin sind. Das ist für mich auch sehr gut vereinbar.

Wie schon von Frau Kollegin Schreyer angesprochen, könnten wir die Agenden auch in einem eigenen Frauenministerium zusammenfassen. Der Effekt, den wir dann erzielt hätten, wäre, dass die Freiheitlichen wahrscheinlich gesagt hätten: Geldverschwen­dung, eigenes Ministerium, Ausbau der Regierung und so weiter. (Zwischenruf der


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 118

Bundesrätin Mühlwerth.) Dann hätten wir hier diese Probleme gehabt. Sie haben ja jetzt schon Probleme, wenn das von einem Ministerium zum anderen wechselt, wo eine prädestinierte Frau sich mit diesen Angelegenheiten auseinandersetzen wird.

Also: Allen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann, und vielleicht entwickeln wir uns weiter in der Regierung, und bei der nächsten Regierung wird es dann eine Frauenministerin geben; das sei nicht von vornherein ausgeklammert oder ausge­nommen.

Ich denke, was in der Frauenpolitik wichtig ist, ist der Zugang zur Frauenpolitik: Wie schaut es mit der Umsetzung aus? – Das sind entscheidende Punkte. Wie gehen wir mit der Gleichstellung um? – Es geht um die Gleichberechtigung in allen Lebens­bereichen, insbesondere in der Arbeitswelt. Das sind für mich ganz wichtige Punkte, und da gibt es wirklich noch große Herausforderungen.

Ich bin mir auch sicher, dass dies ein Schwerpunkt der Arbeit der Frauenministerin sein wird: Einkommensunterschiede abzubauen, wie man heute schon gehört hat – der Rechnungshof kommt auf eine Unterschiedlichkeit von 18 Prozent, andere Zahlen sprechen wieder von 24 Prozent –, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Beschäfti­gungs­modelle, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Das sind ganz wichtige Parameter.

Ich kenne Dr. Sabine Oberhauser wirklich viele Jahre, und sie wird sich um diese Bereiche kümmern, auch was ihre Sozialisierung als Gewerkschafterin anbelangt: Jobangebote schaffen, Möglichkeiten, auch entsprechende Pensionszeiten zu erwer­ben, um Altersarmut zu verhindern – das haben wir heute auch schon gehört. In diesem Bereich hat sich zwar einiges getan, aber wie sagt man so schön: Da ist auch noch einige Luft nach oben. Da gibt es sicher noch Möglichkeiten, daran zu arbeiten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Frauenpolitik auch in der Kombination mit dem Ressort Gesundheit bei Frau Dr. Sabine Oberhauser in besten Händen ist. Wir wünschen ihr dazu wirklich alles Gute, viel Erfolg und vor allem, dass ihre wieder­gewonnene Gesundheit sie weiter begleiten möge.

Meine Fraktion wird dieser Änderung des Bundesministeriengesetzes auf jeden Fall gern zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.32


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Drozda. – Bitte, Herr Minister.

 


15.33.07

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda: Kollegin Grimling und Kollege Mayer haben so perfekt auf die Ausführungen ihrer jeweiligen Vorredner geantwortet, dass ich mir meinen Redebeitrag jetzt fast sparen könnte.

Nichtsdestotrotz wollte ich noch einmal sagen: Die Grundidee war, die Regierung nicht zu vergrößern. Insofern war natürlich jede Idee, für die 18 Monate bis zur nächsten geplanten Nationalratswahl ein eigenständiges Frauenministerium einzurichten, infrage zu stellen.

Das zweite Thema war, dass Frau Oberhauser die mit Abstand qualifizierteste und erfahrenste Frauenpolitikerin ist, die derzeit in der Regierung ist, und sie ist nach­gerade ideal qualifiziert als ÖGB-Frauenvorsitzende, als ÖGB-Vizepräsidentin, als jemand, der sich jahrelang mit Einkommensfragen und Frauenfragen beschäftigt hat, und zwar intensiv beschäftigt und als Herzensanliegen beschäftigt hat. Ich stehe noch unter dem Eindruck der Art und Weise, wie sie sich im Nationalrat präsentiert hat. Also


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 119

das ist eine Frauenpolitikerin, wie man sie sich nur wünschen kann, und insofern halte ich sie für eine ideale Besetzung für diese Funktion.

In der Sache selbst würde ich Sie bitten, dieser Novelle des Bundesministerien­ge­setzes zuzustimmen, weil ich glaube, dass es wirklich auch nach den Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit die richtige Konstellation ist, die wir vorgeschlagen haben und die der Nationalrat beschlossen hat. Wie das für eine allfällige weitere Regierungsbildung aussieht, wird dann ein Thema im Jahr 2018 sein und nicht davor. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.34


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.35.277. Punkt

ORF-Jahresbericht 2015 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-585-BR/2016 d.B. sowie 9608/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Da der vom Ausschuss gewählte Berichterstatter und Ausschussvorsitzende Dr. Brunner verhindert ist, die Berichterstattung vorzunehmen, bestimme ich Herrn Bundesrat Mag. Fürlinger zum Berichterstatter. Ich bitte um den Bericht.

 


15.36.02

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den ORF-Jahresbericht 2015 gemäß § 7 ORF-Gesetz. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den ORF-Jahresbericht 2015 gemäß § 7 ORF-Gesetz zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.36.44

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine geschätzten Kollegen im Bundesrat! Vor allem aber meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause, passend zum heute hier diskutierten ORF-Bericht, zu Gast auf ORF III! Es ist mir und es ist der freiheitlichen Fraktion hier in diesem Hause ein ganz besonderes Anliegen und auch eine ganz besondere Freude, dass Sie heute wieder einmal Gelegenheit haben, den Ausführungen des Bundesrates zu lauschen.

Wir als FPÖ freuen uns darüber, und wir wären auch ganz stark dafür, dass Sie jedes Mal die Gelegenheit bekommen, der Länderkammer im Parlament zuzuhören und zuzuschauen. Wir sind der festen Überzeugung, das ist das Recht eines jeden Bür-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 120

gers, vor allem aber auch, wenn man es wieder auf den ORF herunterbricht, das Recht eines jeden Gebührenzahlers.

Leider sehen das nicht alle Fraktionen in diesem Hause so. Wir hatten vor wenigen Monaten einen Entschließungsantrag, der genau das bezwecken sollte. Da hat sich die Zustimmung gerade bei Rot und Schwarz nicht gezeigt. Da wurde nicht der vollen Transparenz zugestimmt, und da kann man sich schon fragen: Warum ist das so?

Liegt das vielleicht daran, dass die Vertreter aus den Regionen bei Ihnen zu Hause groß reden, was sie alles machen und wofür und wogegen sie sind, und dann still und heimlich gewisse Abstimmungsmaterien hier im Parlament anders verfolgen als so, wie sie das bei Ihnen zu Hause mutig am Stammtisch von sich gegeben haben?

Ein Beispiel, und das weiß ich aus vielen, vielen Gemeinden – und ich habe es hier schon oftmals genannt und werde es auch noch öfters nennen, weil es die Menschen wirklich sehr betrifft –, ist das Durchgriffsrecht des Bundes, bei dem das Länderrecht gebrochen wurde und durch Verfassungsgesetze die Kompetenzen aufgehoben wurden, wodurch aus Menschen, aus Österreichern, die ein Häusl bauen wollen, Rechtsunterworfene zweiter Klasse gemacht wurden, weil ein Flüchtlingsheim, das errichtet wird, da immer an erster Stelle sozusagen der Rechtsordnung steht und das geltende Raumordnungsrecht nicht eingehalten werden muss. Da haben Ihre Vertreterinnen und Vertreter hier zugestimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause. Da hätte der Bundesrat, bei dem immer diskutiert wird, welche Kompetenz er hätte, das Ganze stürzen können.

Aber kommen wir zurück zum ORF-Bericht. Es ist schön, dass Sie das alles heute auch mitbekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will den ORF und vor allem die unzähligen Mitarbeiter des ORF nicht als Gesamtes und per se schlechtreden. Es gibt sehr, sehr viele – und ich bin überzeugt, das sind auch die meisten – Mitarbeiter, vom Kameramann über den Tontechniker bis hin zu vielen Redakteuren und so weiter, die ihre Sache gut machen, die sie nach bestem Wissen und Gewissen machen. Dann wissen wir aber leider und müssen wir immer wieder erleben, dass gerade im ORF auch Menschen tätig sind, die das Ganze nicht so genau nehmen und die es vor allem auch mit dem gesetzlichen Auftrag der Überparteilichkeit überhaupt nicht so genau nehmen. Und darauf müssen wir heute schon noch zu sprechen kommen, denn davon liest man in diesem ORF-Bericht aus dem letzten Jahr gar nichts.

Sie alle hier wissen es, wir wissen es, die Damen und Herren zu Hause wissen es wahrscheinlich auch: Der Staatsfunk ORF hat einen gesetzlich determinierten öffentlich-rechtlichen Auftrag, und das unterscheidet ihn auch von den Privatsendern. Wenn man sich allerdings das Programm ansieht, dann erkennt man über weite Strecken keinen Unterschied zu Privatsendern, die mit viel, viel weniger Geld auskom­men müssen, die aber auch sehr, sehr gute Programme machen.

Wenn man sich den Bericht aus dem Jahr 2015 zu Gemüte führt, dann sieht man also, wie die verschiedenen Medien, die verschiedenen Kategorien aufgeteilt sind. Auf den ersten Blick schaut das ja nicht so schlecht aus. Da haben wir bei der Information 20 Prozent Anteil, bei der Unterhaltung 32 Prozent – ja, die gehört auch dazu –, bei der Kultur 19 Prozent und beim Sport ganze 29 Prozent. Wenn man sich das Ganze dann etwas genauer ansieht – und da muss man auch ehrlich sein –, dann kann man feststellen, was denn in den beiden Primärsendern, ORF eins und ORF 2, gezeigt wird.

ORF eins bietet da sehr, sehr wenig wirklich – sage ich einmal – Gehaltvolles. Da werden laufend mittelmäßige amerikanische Serien rauf und runter gespielt, meistens die zigste Wiederholung davon. Die richtig guten Programme, die Informationsgehalt


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und auch Kulturgehalt haben, werden auf den Sender ORF III verlagert, der aber leider nicht so sehr beworben wird und daher nicht so gut ankommt.

Dann gibt es die ORF-Produktionen; die mit besserer Qualität sind gute Dokumenta­tionen und werden über die TVthek den Menschen zur Verfügung gestellt. Das ist positiv. Aber der ORF leistet sich eben auch den einen oder anderen Flop. Da hat es in den letzten Jahren zwei Serien auf ORF eins gegeben, die mir besonders aufgefallen sind. Die eine hat „Mitten im 8en“ geheißen – sie wurde nach ein paar Folgen abge­setzt –, und die zweite Serie, meine sehr geehrten Damen und Herren, hatte den bezeich­nenden Titel – den ich aber immer noch nicht ganz deuten kann – „tschuschen:power“. Sie wurde nach wenigen Folgen auch abgesetzt. Und diese Projekte, meine sehr geehrten Damen und Herren, kosten sehr, sehr viel Geld. (Bundesrat Mayer: Ah geh!)

Zwei Zahlen, damit Sie sich das vorstellen können: Der Jahresumsatz des ORF liegt bei ungefähr 900 Millionen €. Und von diesen 900 Millionen € bezahlen Sie, die Gebührenzahler, stolze 600 Millionen € jährlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, 600 Millionen € jährlich für ein Programm, das in weiten Teilen nicht besser als das der Privatsender ist, die Sie aber nicht bezahlen müssen, und vor allem 600 Mi­llionen € für politische Agitation und politische Manipulation in vielen, vielen Bereichen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt ist der Geschmack bei der Programm­gestaltung eine Sache, über die man zugegebenermaßen diskutieren kann. Den einen gefällt das eine mehr, den anderen das andere. Bei der Objektivität hört sich der Spaß aber auf. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen ein Zitat mitgebracht. Ich darf Ihnen das ganz kurz vortragen:

„Ich habe eine kritische Meinung zum ORF. Denn ich habe den Eindruck, dass die objektive Vorgangsweise, was die politische Berichterstattung anbelangt, nicht in allen Fällen gewährleistet war und dass auch der öffentlich-rechtliche Auftrag zu diskutieren ist.“

Und es geht weiter in diesem „Standard“-Interview:

„Ich meine etwa die Schlussrunde zwischen den Präsidentschaftskandidaten Alexan­der Van der Bellen und Norbert Hofer – die war nicht fair, da ist schon tagelang vorher kolportiert worden, dass der ORF ein Thema parat haben wird. In der Geschichte rund um Hofers Israelreise war ein Recherchefehler – und den Gegenkandidaten hat man nicht mit gleicher Härte behandelt. Das war nicht objektiv. Und dass vorher Kanzler Werner Faymann alleine die Sendung Im Zentrum bestreiten durfte, war auch nicht in Ordnung.“

Wissen Sie, wer das gesagt hat? – Das frage ich vor allem in Richtung der ÖVP. (Bundesrat Mayer: H.-C. Strache!) – Das war nicht H.-C. Strache (Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP), es war auch nicht Herbert Kickl. Es war euer Parteichef, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, im Originalton. (Bundesrätin Mühlwerth: Schau, schau!) Und es ist sogar noch eine Stufe weiter gegangen, denn da hat es heuer eine ganz interessante Folge der „Zeit im Bild“ gegeben, und da ist ihm einmal so richtig der Kragen geplatzt, was mich wundert, weil der ORF die Bezeichnung „Rotfunk“ nicht ganz zu Recht trägt, denn auch die ÖVP hat da, wenn man ehrlich ist, massiv die Finger im Spiel. Er hat aber nicht das Wort „Rotfunk“ verwendet, sondern er hat in der „ZIB“ gesagt, dass der ORF ein „Bestellfunk“ sei – so die Worte von Herrn Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, eines der höchsten Organe unserer Republik. (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.)

Liebe Kollegen hier im Bundesrat, ich denke, man muss vielleicht manchmal doch in Erinnerung rufen, denn so klar dürfte es nicht sein, dass nicht nur den Staat in gewis-


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sen Angelegenheiten, sondern auch den ORF als Staatssender eine Pflicht zur Neutralität und zur Äquidistanz trifft. Und diese beinhaltet eben ein Objektivitätsgebot. Das können Sie auch im Lehrbuch „Verfassungsrecht“ von Professor Öhlinger, er ist kein FPÖ-naher Professor, nachlesen.

Warum ist das Ganze so? Warum muss beim ORF ein anderer Maßstab als bei einem Privatsender angesetzt werden? – Das hängt damit zusammen, dass erstens der Staat den ORF durch ein Gesetz eingerichtet hat, dass zweitens auch der Staat die Einnah­men des ORF durch Zwangsgebühren sichert und dass drittens der Staat einen wesentlichen Einfluss auf die Bestellung der ORF-Leitungsorgane hat.

Ich habe zwei Beispiele genannt, und sogar Herr Mitterlehner hat sie für mich sozusagen schon vorweggenommen. (Bundesrat Mayer: Ja, klar!) Das eine war die Faymann-Sondersendung, man könnte auch sagen: der letzte Akt des sterbenden Schwans, denn kurz danach ist er zurückgetreten. Gebracht hat ihm das nichts, dass in der neunjährigen Geschichte der Sendereihe das erste Mal ein Monolog gehalten wurde und keine Diskussionsrunde stattfand. Und das zweite Beispiel – und das zeigt auch die Subjektivität mancher Akteure – betrifft Frau Ingrid Thurnher. Allein die Mimik, die sie Norbert Hofer gegenüber schon gehabt hat, hat alles gesagt. Und Sie alle haben viele Rhetorikseminare besucht, Sie wissen, dass man mit der Mimik oft mehr als mit Worten sagt. Aber dem nicht genug, man hatte sogar noch einen völligen Recherchefehler aufgetischt. Und was war die Folge davon? – Ein peinlicher Streit zwischen „profil“ und dem „ZIB“-Moderator Armin Wolf darüber, wer denn eigentlich der Urheber dessen ist.

Und mit Herrn Wolf sind wir beim Thema: Wie viel bekommen die Moderatoren überhaupt? Wie hoch fällt deren Bezahlung aus? – Wir wissen es nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abschluss bringe ich hier noch einen Entschließungsantrag ein, der diesem Problem künftig Abhilfe schaffen soll, denn Folgendes muss auch den Moderatoren eines Staatsfunks klar sein: Man kann nicht die Vorteile eines sicheren Arbeitsplatzes haben, aber keinen Nachteil und vor allem keine Transparenz akzeptieren. Wir werden vom Staat bezahlt; wir müssen unsere Gehälter offenlegen. Ich finde das völlig in Ordnung. Das ist transparent. Warum geschieht das nicht auch beim Staatsfunk?

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Michael Raml, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Einkünfte von ORF-Mitarbeitern, die Nachrichten-/Informations-/Wirtschafts-For­mate mediengattungsunabhängig gestalten und/oder moderieren

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst und Kultur Verfassung und Medien werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die gewährleistet, dass moderierende und/oder programmgestaltende Mitarbeiter – mediengattungsunabhängig – der Nachrichten-/lnformations-/Wirtschafts-Formate des ORF oder seiner Tochtergesellschaften ihre Einkünfte durch den ORF und seiner Tochtergesellschaften und auch etwaige Nebeneinkünfte von anderen, auf­ge­schlüsselt nach Auftraggeber und auszahlender Stelle, die Höhe des Entgelts sowie etwaige Sachleistungen und die als Abgeltung für diese Nebentätigkeit geleisteten


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Zahlungen und/oder Sachleistungen an Dritte auf der ORF-Homepage offenzulegen haben.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können der Schönfärberei in diesem Bericht keine Zustimmung erteilen.

Ganz zum Abschluss noch ein freundlicher Appell an die Zuseher da draußen: Erstens, glauben Sie bitte nicht alles, was Ihnen der staatliche Rotfunk erzählt! Zweitens: Wenn Sie Entspannung suchen, nehmen Sie vielleicht besser ein gutes Buch zur Hand, und informieren Sie sich vor allem bitte bei staatsunabhängigen Medien, wenn Sie Information suchen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.48


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Der von den Bundesräten Raml, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Offenlegung der Einkünfte von ORF-Mitarbeitern, die Nachrichten-/Informations-/Wirtschafts-Formate mediengat­tungs­unabhängig gestalten und/oder moderieren, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.49.18

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Öster­reich an die 100 000 Fußballtrainer, nämlich der Nationalmannschaft (allgemeine Heiterkeit), und wir haben mindestens genauso viele Programmmacher des ORF. Einer stand gerade vor zwei Minuten hier an diesem Rednerpult. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Jetzt steht der nächste draußen! – Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.)

Ich sage das als Vertreter und als Sprecher meiner Fraktion, der SPÖ: Wenn in der Zeit von Schwarz-Blau ein Gesetz richtig war, so war es das ORF-Gesetz (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), das den Bundeskommunikationssenat geschaffen und den ORF zu einer Stiftung gemacht hat. Wir haben also keinen Staatsfunk mehr.

Der junge Mann aus Oberösterreich sieht und spricht … (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.– Nein, schaut einmal! Was heißt denn öffentlich-rechtlicher Sender? – Öffentlich-rechtliche Sender – deren Flaggschiff ist für uns alle die BBC, ein weiteres zum Beispiel die ARD in Deutschland – haben Aufträge zu erfüllen, wie zum Beispiel den Versorgungsauftrag im ganzen Bundesgebiet, was Privatsender nicht haben.

Aber ich möchte zuerst auf etwas anderes zurückkommen. Ein Reporter hat einmal von einem sehr berühmten Bundeskanzler, nämlich von Bruno Kreisky, die Emp­fehlung bekommen: Lernen SGeschichte! – Das darf ich Ihnen jetzt auch sagen.

Woher kommt denn das Wort „Rotfunk“? – Das kommt aus der Zeit des Josef Krainer senior. Der hat nämlich damals gesagt, das gibt es als Fernsehdokument: Dieses Bilderl-Kino sollen sich die Roten behalten, das wird eh nichts! – Und damit hat er gemeint, dass die ÖVP darauf schaut, dass das Radio sich kräftig entwickelt und das Fernsehen in eine Sackgasse geht. Das gibt es als Fernsehdokument, Sie können das sogar im ORF-Archiv finden. (Bundesrat Dörfler: Das bestätigt uns ja nur!) Daher kommt dieses Wort. Natürlich benützt es die FPÖ in Verbindung mit Staatsfunk.

Wir debattieren heute einen Bericht, wir sind keine Programmmacher, wir sind keine Chefredakteurinnen und Chefredakteure. Wir sind auch nicht die Stellvertreterinnen


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 124

und Stellvertreter, die Sprecherinnen und Sprecher des Publikums. Wir haben uns über ein Unternehmen zu unterhalten. Und da kann ich nur sagen: Wow, das ist ein Topbericht, der sagt, dass der ORF trotz massiver Konkurrenz sowohl im regionalen als auch im nationalen Bereich Marktführer ist, nämlich 92 Prozent … (Bundesrat Dörfler: Stimmen die Zahlen?!) – Lieber Gerhard Dörfler, ich glaube, als ehemaliger Landeshauptmann bist du bestens informiert. Ich war auch einmal Kuratoriumsmitglied. Wir sind beide bestens informiert und wissen, dass das unabhängige Institute sind, die diese Zahlen erheben. (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.) Deshalb lassen wir solche Zwischenrufe lieber daheim, denn es entspricht nicht deiner Redlichkeit, so einen Zwischenruf zu machen. (Bundesrat Dörfler: Ist das falsch, was die „Kleine Zeitung“ berichtet hat?! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wenn wir uns den Österreich-Bezug anschauen: Dieser liegt im Gesamten bei ungefähr 58,5 Prozent und im Hauptabendprogramm sogar bei etwa 74 Prozent. Wenn wir uns anschauen, dass der Gewinn und die Einnahmen des ORF positiv sind und dass auch die Werbeeinnahmen in schwierigen Zeiten gehalten werden konnten, dann erkennen wir, dass uns hier eine enorme Leistungsbilanz vorliegt.

Wir reden vom Jahr 2015, in dem auf den ORF eines der größten Dinge zugekommen ist, das unser Land bisher nur zweimal getroffen hat, nämlich die Übertragung des Eurovision Song Contests, der über 200 Millionen Menschen erreicht hat und eine gewaltige Herausforderung für das Unternehmen war. Das sind alles Erfolge in der Bilanz, die wir einfach sehen müssen.

Außerdem hat der ORF etwas in der Welt geschaffen, was einmalig ist, das soge­nannte Humanitarian Broadcasting. Im Jahre 2015, mitten in der Flüchtlingskrise, startet jener ORF, der schon mit „Nachbar in Not“ und jährlich mit „Licht ins Dunkel“ hilft, „Helfen. Wie wir.“, und damit hat er eine unglaubliche Initiative unterstützt, die schon in der Bevölkerung da war.

Wir kommen zum nächsten Punkt, nämlich dass der ORF nicht nur die deutsch­sprachigen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu versorgen hat, sondern auch autoch­thone, alte Minderheiten und auch unsere neuen Minderheiten. Die Kooperation mit Volksgruppensendungen ist etwas, was nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht.

Ja, es ist ein riesiger Markt, ein riesiger Druck da; und man muss sagen – und ich sage das auch hier in dieser Rede –: Hut ab, wie sich PULS 4 entwickelt hat – der ORF würde sich wahrscheinlich eine Corinna Milborn wünschen –, aber auch Hut ab, was der ORF insgesamt leistet. Schauen wir uns die ganzen Initiativen an, die vom ORF ausgehen und die er nicht machen müsste, wie zum Beispiel die „Lange Nacht der Museen“! In dieser Nacht, die der ORF veranstaltet, kommen so viele Menschen ins Museum, wie sie über das ganze Jahr verteilt nicht kommen. Folgendes muss ich jetzt vielleicht zu Gerhard Dörfler noch sagen: Die „Lange Nacht der Blasmusik“ (Heiterkeit bei der SPÖ), die „Lange Nacht der Kirchen“ – das sind alles Folgeunternehmungen eines Impulses, der vom ORF ausgegangen ist.

Es gäbe keine erfolgreiche österreichische Filmwirtschaft ohne die starke Partnerschaft des ORF. Und ich weise nur darauf hin, dass 2015 – wir sprechen hier nur über 2015 – einer der mittlerweile unglaublich erfolgreichen Filme mit Tobias Moretti, „Das finstere Tal“, produziert wurde. (Bundesrat Dörfler: Der Moretti ist gut!) Der Film hatte 600 000 Zuseherinnen und Zuseher bei der Erstausstrahlung allein im ORF – 600 000 Zuseherinnen und Zuseher! Ich rede gar nicht vom Kinoerfolg. Weiters produzierte der ORF „Amour Fou“, aber auch – vielleicht gefällt das Herrn Raml besser – das Remake „Im weißen Rössl“ (allgemeine Heiterkeit) oder Kurt Palms „Bad Fucking“. (Bundesrat Mayer: Ab jetzt geht nur mehr „Vorstadtweiber“! – Allgemeine Heiterkeit und Zwischenruf bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 125

Zum Kulturauftrag: Schauen wir uns einmal die Zahlen an, wie viele zum Beispiel ins Linzer oder ins Innsbrucker Landestheater gehen! Die Übertragungen von „Fidelio“, die Übertragungen von Puccinis „Turandot“, aber auch – jetzt kommen wir ins zeitge­nössische Genre – die Verleihung des Nestroy-Preises sind Highlights der Kulturver­mittlung, die der ORF leistet und die auch in seinem Auftrag enthalten sind. Es ist nicht so, dass man sagen muss: Wir müssen jetzt auf die Knie fallen!, aber es ist eine Leistung, er erfüllt diese Leistung, und wir haben einen Leistungsbericht zu bewerten.

Wenn man etwas kritisch anmerken soll und muss, dann muss man sagen: Es arbeiten mir zu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für 350 € im Monat im Unternehmen. Viel­leicht sollte man gerade bei diesen Freelancern schauen, dass die Gehälter angehoben werden, und vielleicht sollte man schauen, dass sich in den oberen Etagen die Frauen­quote verbessert. (Beifall der Bundesräte Blatnik, Posch-Gruska und Stögmüller.)

Zum Schluss sei gesagt – das kann ich jetzt nur mehr streifen –: Schauen Sie sich den Public-Value-Bericht des ORF an! Der zeigt, dass die Verantwortung des Unter­nehmens wahrgenommen wird, nämlich die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Gesellschaft und Unternehmen. Dieser Public-Value-Report und der CSR-Report des ORF sind feinste Sahne und unterstreichen noch einmal die Bedeutung dessen, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, und sie unterstreichen auch, dass wir mit Ö1 den weltbesten Sender hier im Lande haben, der einen Marktanteil von 10 Pro­zent, in Wien sogar von 16 Prozent hat. Das ist einmalig auf der Welt. Und wenn man sich die Golden Awards aller internationalen Preise anschaut, dann sieht man, dass Redakteurinnen und Redakteure von Ö1 immer wieder mittendrin sind.

Übrigens – nur so nebenbei – war ich 2015 fasziniert davon, wie man parallel zum Eurovision Song Contest einen Birds’ Song Contest machen konnte. Das ist Inno­vation – Innovation wie „DIE.NACHT“, „Science Busters“, „Willkommen Österreich“, „Wastecooking“ oder „Universum History“.

Zu diesem Entschließungsantrag: Mein Gott, das private Match zwischen FPÖ und Armin Wolf erreicht uns sozusagen so, wie der Winter den Herbst ablöst und der Frühling den Winter ablöst, aber ich will etwas Seriöses dazu sagen. Die offiziellen Gagen können wir ja nachlesen: Dienstklasse 18 hat 140 000 € brutto Jahresverdienst. Das kann man ja bitte nachlesen. Aber wenn wir tatsächlich all die Gagen unserer diversen Moderatoren – die ja mit ihrem Bild eine Seher- und Seherinnenbildung zustande bringen – veröffentlichen, dann hätten wir ganz schnell viel weniger, denn dann würde man in Deutschland sehen, wie wenig unsere Leute verdienen.

Wenn man den ORF und die ARD vergleicht, dann sieht man, dass beide Sende­anstalten ziemlich genau den gleichen Output haben, und beide ernähren sich von öffentlichen Gebühren. Zählt man aber die Einwohner Deutschlands, dann zählt man länger, als wenn man die Einwohner Österreichs zählt. Darum ist klar, warum man zum Beispiel in Deutschland andere Preise zahlen kann. Würden wir das hier veröffent­lichen, hätten wir blitzschnell eine unglaubliche Abwanderung von Spitzenleuten, und deshalb ist das Unsinn.

Es ist richtig, dass die Managergagen öffentlich sind, aber bitte nicht diese, außer ihr wollt, dass wichtige Gesichter, wichtige Moderatoren, wichtige Sendungsmacher das Land verlassen. Es haben ohnedies schon ganz viele aus dem österreichischen Medienbereich in Deutschland Fuß gefasst. Noch mehr Braindrain nach Deutschland ist, glaube ich, nicht sinnvoll.

Deswegen werden wir diesen Entschließungsantrag ablehnen und ihn in der Schub­lade „FPÖ gegen Armin Wolf“ ablegen (Heiterkeit), und da liegt er dann gut. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

16.01



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 126

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kern. – Bitte.

 


16.01.52

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute über den Jahresbericht 2015 des ORF diskutieren, dann möchte ich nicht nur über die wirtschaftlichen Zahlen sprechen. Auch wenn wir keine Programmgestalter sind, erlauben Sie mir ein paar inhaltliche Worte.

Die wirtschaftlichen Zahlen zeigen ein durchaus gutes Ergebnis. Trotz oder gerade wegen herausfordernder Großereignisse wie dem Eurovision Song Contest hat der ORF ein positives Geschäftsergebnis eingefahren. Die Umsätze sind weiter leicht angestiegen, und die Marktanteile sind stabil. Auch aufseiten der ORF-Radios zeigt sich eine grundsätzlich stabile Entwicklung. Außerdem haben monatlich 879 000 Nut­zer die Angebote der TVthek genutzt, jeden Monat wurden durchschnittlich 20,4 Mil­lionen Videos abgerufen. Auch die Internetseite „ORF.at“ hat im Monat durchschnittlich 66 Millionen Besuche. Da zeigt sich, dass der ORF auch auf die mobile Nutzung seiner Angebote großen Wert legt.

Wir sehen einen durchaus herzeigbaren Jahresbericht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes Jahr diskutieren wir hier im Bundesrat über den ORF. Und jedes Jahr – und da gebe ich dem Kollegen Raml recht – weisen wir darauf hin, dass nur ausgewählte Sitzungen des Bundesrates auf ORF III übertragen werden. Es kann nicht sein, dass ein ORF-Generaldirektor darüber entscheiden darf, welche Sitzungen des Parlaments er übertragen will und welche nicht. (Zwischenrufe der Bundesräte Schennach und Mühlwerth.)

Sehr geehrter Herr Minister! Der Spartensender ORF III wurde als Kultur- und Infor­mationskanal konzipiert. Ich bitte Sie als zuständigen Minister: Setzen Sie sich dafür ein, dass die Sitzungen der Länderkammer mindestens denselben Stellenwert im ORF-Programm bekommen wie die Sitzungen des Nationalrats! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Lassen Sie mich auch noch ein paar Worte zur bevorstehenden Wahl des ORF-Generaldirektors sagen: Mit heutigem Stand gibt es zwei Bewerber für diese Position, das halte ich für gut und wichtig. Es braucht einen Wettbewerb der besten Konzepte. Es braucht Konzepte für die Zukunft. Auch der ORF muss sich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Der ORF muss sich die Frage stellen, wie er – besonders in Zeiten, in denen Facebook, Twitter und Co die wichtigen Informationslieferanten sind – den Platz zurückgewinnt.

Mit der „ZIB100“ wurden erste erfolgreiche Schritte zur Modernisierung der Informa­tionskanäle gesetzt. Aber ich sage ganz klar: Es darf zu keiner Reduzierung von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Themen und Sendungen kom­men. Von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarte ich mir mehr. Ich erwarte mir mehr politische Diskussionen, auch im Hauptabendprogramm. Ich erwarte mir nicht, dass immer mehr Polit-Entertainment-Formate geschaffen werden. Der politische Diskurs darf nicht zur reinen Show verkommen.

Der neue ORF-Generaldirektor muss klar Position beziehen, wenn es um das Thema Soloauftritt eines Bundeskanzlers in einer Diskussionssendung geht; auch da bin ich durchaus beim Kollegen Raml. Hier hat der ORF – auch für einen Bundeskanzler – andere Formate, wie zum Beispiel die „Pressestunde“. Man hat ja durchaus den Eindruck bekommen, dass der ORF ein Bestellfernsehen geworden ist. Das darf der ORF nicht sein, das soll der ORF nicht sein (Bundesrat Schennach: Das muss man dem Erwin Pröll einmal sagen!), und das hat er auch nicht notwendig. (Heiterkeit. –


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 127

Anhaltende Zwischenrufe. Bundesrat Schennach: … Niederösterreich heute“!) Das ist ein Landessender.

Zum Abschluss noch eine Bitte an die Verantwortlichen, der hoffentlich alle zustimmen werden: In Zukunft sollte der ORF auf noch mehr österreichische Produktionen setzen. Wenn wir uns das Programm auf ORF eins anschauen, dann sieht man, dass da durchaus noch Aufholbedarf besteht.

Ganz kurz noch zum Entschließungsantrag der FPÖ: Ich sehe es als Arbeit­neh­mervertreterin als nicht notwendig an, eine Offenlegung der Einkünfte und Nebenein­künfte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zuzulassen. Wir werden diesem Antrag daher nicht zustimmen. Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

16.06


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


16.06.30

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Es ist natürlich immer schwierig, als Viertredner oder Nachredner zu so einem Bericht Stellung zu nehmen, und deshalb halte ich mich eher kurz.

Der Bericht ist ausführlich, umfangreich und vermittelt ein wirklich umfassendes Bild von der Arbeit des ORF. So werden zum Beispiel auch die Ergebnisse von zwei Musterwochen des ORF-Fernsehhauptabendprogramms wiedergegeben. Es soll da das Angebot anspruchsvoller Sendungen dargestellt werden, denn gemäß § 4 Abs. 3 ORF-Gesetz ist der ORF verpflichtet, „in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl“ zu stellen. Das können Sendungen aller Genres sein.

Und wenn man sich die zwei Musterwochen anschaut, ja, sagen wir so (in Richtung Bundesminister Drozda): Da ginge noch mehr. Da gibt es noch Luft nach oben. Krimis sind mit hoher Dichte anspruchsvoll. Da wurden drei Krimis pro Woche als anspruchs­voll gewertet: „Soko Kitzbühel“, „The Team“, „Soko Donau“, „CopStories“ und je einmal „Tatort“. (Ruf bei der SPÖ: Tatort, ganz wichtig! Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Und ich muss ja zugeben: Ich sehe keine Krimis. Also ich kann das wahrscheinlich nicht wirklich beurteilen, aber gut, ich sage nur, dass da Luft nach oben ist.

Bei den Informationssendungen ist nur knapp begründet, warum sie anspruchsvoll sind, aber nicht jede Informationssendung qualifiziert sich meiner Meinung nach per se als anspruchsvoll. Michael Kogler – der Rundfunkrechtler und stellvertretende Leiter der Medienabteilung im Kanzleramt – hat aus den beiden Vorgängerberichten errechnet, dass der ORF „wenigstens alle zwei Tage“ anspruchsvolle Sendungen im Hauptabendprogramm zeigt. Ich würde mir schon wünschen, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ausschließlich oder zumindest fast ausschließlich Anspruchs­volles im Hauptabendprogramm zeigt, und zwar aus allen Genres, und auch An­spruchs­volles gerade für Kinder und junges Publikum anbietet. Also ich glaube, da gibt es noch Möglichkeiten. (Bundesrat Schennach: Und da schicken wir alle zu SAT.1 und RTL!)

ORF Regionalradios haben ein vielfältiges und breites Angebot, und dass es das nach wie vor gibt, finde ich gut und großartig. Ich würde mir nur wünschen, es auch für unter 35-Jährige aufzumachen, denn ich glaube, dass auch ein Regionalradio für unter 35-Jährige Programme oder Dinge bieten kann und sollte. (Bundesrat Schennach: Welcher Sender?) – Die Regionalradios und das Regionalfernsehen. (Bundesrat Schennach: FM4 hat die besten Sendeleistungen!) Also das würde ich mir …


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 128

(Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ja, wenn ich von vornherein davon ausgehe, dass ich Programm für 35 plus mache, ist das vermutlich so.

Positiv ist – das möchte ich betonen – die Ausweitung des Angebots für blinde und stark sehbehinderte Menschen. Auch unterstreichen sollte man – es wurde vom Kolle­gen Schennach schon erwähnt – das Humanitarian Broadcasting als besonderen Programmauftrag des Österreichischen Rundfunks.

Und wir können stolz darauf sein, dass der Rundfunk da mittlerweile mit „Licht ins Dunkel“, mit „Nachbar in Not“, mit der ORF-Hochwasserhilfe und eben auch mit der im Jahr 2015 ins Leben gerufenen Flüchtlingshilfeplattform „Helfen. WIE WIR.“ wirklich große Sozialmarken besitzt. Ich glaube, auf diese Seite des ORF sollten wir wirklich stolz sein, und das ist zu unterstreichen. Außerdem stellt er ja auch wohltätigen Organisationen Sendezeiten zur Verfügung und koordiniert Sozialspots für wohltätige Zwecke. Und ich denke, das ist eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft und auch des ORF.

Es wurde schon erwähnt: Ö1 ist nach wie vor europaweit (Bundesrat Schennach: Weltweit!) hervorragend und ausgezeichnet, und man kann es auch sieben Tage nachhören. Die Sendungen, die Informationssendungen, die Features, die da produ­ziert werden, werden ja Gott sei Dank auch immer wieder ausgezeichnet und sind von exzellenter Qualität. Und das ist meiner Meinung nach wirklich anspruchsvoll im besten Sinne.

Zum Entschließungsantrag der FPÖ: Ich glaube, dass es auch datenschutzrechtliche Bedenken in dieser Hinsicht gibt, dass das in der Form, wie es da gefordert wird, unverhältnismäßig ist. Auch wenn wir natürlich auf Transparenz setzen, aber in diesem Ausmaß ist das von dieser Warte aus nicht zu vertreten. (Bundesrätin Kurz: Genau!)

Wir werden dem Bericht zustimmen. Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)

16.11


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Drozda. – Bitte.

 


16.12.01

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda: Ich wollte an die Adresse von Frau Kern sagen: Ich werde diese Anregung gerne weitergeben.

Bei dieser Übertragungsthematik kann ich jetzt im Detail nicht sagen, wie das gestaltet ist, aber ich finde, dass das ein vollkommen richtiger … (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.– Aha, na gut: eine Kamera, ein Kameramann und ein Ü-Wagen, wie auch immer.

Was den ORF insgesamt betrifft, muss ich mich auch noch einmal outen als jemand, der findet, dass das Unternehmen sehr gut aufgestellt ist, und zwar sowohl was das Radio betrifft als auch was das Fernsehen betrifft. Beim Radio, da bin ich als jemand, der das früher sehr viel gehört hat – als ich noch Zeit hatte –, wirklich der Meinung, dass Ö1 Weltklasse ist, aber auch FM4 ist für die jüngere Zielgruppe absolut top und braucht den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.

Auch die Verbreiterung der Flotte und der Senderfamilie hat ja sehr gut funktioniert. Wenn wir heute ORF III loben und als selbstverständlich ansehen, dann muss ich sagen: Ich bin selbst vor fünf Jahren dabei gewesen, als das ins Leben gerufen wurde, und heute könnte man es sich ohne kaum vorstellen, ob es jetzt um Theater­auf­füh-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 129

rungen geht, die übertragen werden, Parlamentsdebatten, Bundesratsdebatten oder prinzipiell alles, was dort im Bereich der Information gemacht wird.

Die beiden Spartenkanäle ORF SPORT + und ORF III Kultur und Information ergänzen sinnvoll ein sehr breites und – wie ich glaube und wie es auch aus dem Bericht hervorgeht – qualitativ hochwertiges Angebot bei gleichzeitig hohen Quoten. Man muss das schon auch im internationalen Vergleich sehen, dass, wenn man sich zwischen 30 und 40 Prozent bewegt, wenige Länder, mit Ausnahme von Norwegen und Dänemark, insgesamt an das herankommen. Und beim Radio sind die Zuhörerzahlen ja noch höher. Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

16.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.

 


16.14.30

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Herr Kollege Schennach hat mich ja regelrecht zu einem Redebeitrag eingeladen. (Bundesrat Schennach: So nett bin ich!) Erstens: Redlichkeit freut mich; es ist auch so. In Kärnten ist eine Frau ORF-Lan­desdirektorin, nämlich Frau Karin Bernhard, und sie wurde zu meiner Zeit als Landes­hauptmann berufen, obwohl sie als SPÖ-nahe oder gar SPÖ-Parteimitglied gilt. Das Gleiche gilt für den Militärkommandanten Walter Gitschthaler, ein deklariertes SPÖ-Parteimitglied. Er wurde während meiner Zeit von mir und Darabos zum Militärkom­mandanten berufen, weil er der beste Kandidat war. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Zum ORF-Programm will ich weniger sagen: Moretti ist einfach gut, die Information ist teilweise gut, das „Weltjournal“ ist Weltklasse. Wir haben auch eine Serie über Religionsthemen, die hochinteressant und hochqualitativ ist. Ich würde mir nur im Interesse vieler Seherinnen und Seher wünschen, dass das halt auch zu Tageszeit­punkten oder Abendzeitpunkten stattfindet, bei denen nicht halb Österreich schon im Tiefschlaf ist. Das wäre eine Bitte, die man an den ORF weitergeben kann.

Aber ich möchte schon zu meinem Zwischenruf Stellung nehmen:

„Bis zu 20 Millionen Euro Schaden dürften die Radiotestmanipulationen der GfK verursacht haben. Nutznießer der Datenverfälschungen war offenbar der ORF, der in der ‚korrigierten‘ Version klare Abweichungen hinnehmen musste.“

Erstaunlich ist in Österreich immer, dass, wenn irgendwo eine Meldung auftaucht, diese dann einen Tag später de facto nicht mehr existent ist.

Und jetzt komme ich schon dazu: Da geht es um 20 Millionen €! Das Werbeetat im ORF-Radiobereich hat eine Größenordnung von 100 Millionen €, das heißt, eine Falschdarstellung von 1 Prozent bedeutet eine Verschiebung von 1 Million €.

Und da kann man dann auch festhalten:

„Es gibt jeden Tag mehr Erkenntnisse, und es steht inzwischen fest, dass die kommer­ziellen Radioangebote des ORF, insbesondere Ö3, aber auch die Regionalradios österreichweit hinaufgeschrieben wurden“.

Das berichtet Ernst Swoboda, der seit dieser Woche auch Vorsitzender des Verbands der Privatsender ist, im Gespräch mit der APA.

Jetzt zu den Zahlen:


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 130

„So wies GfK im ersten Halbjahr 2015 in der werberelevanten Zielgruppe (14 bis 49 Jahre) für Ö3 41 Prozent Marktanteil aus, tatsächlich waren es nach Prüfung der manipulierten Daten nur 38 Prozent.“

Das heißt, das sind locker einmal 3 Millionen €, die zulasten der Privatsender, zuguns­ten von Ö3 geschaufelt wurden. Die schlimmsten Fehlleistungen gab es in der Steiermark und in Vorarlberg, da sind die Prozentzahlen in einer dramatischen Art und Weise falsch dargestellt worden. Und das muss bitte aufzuklären sein, denn ein öffentlich-rechtlicher Sender hat dazu Stellung zu nehmen. Ich habe bis heute nichts davon gelesen. Hat GfK freiwillig so geschönte Zahlen liefert? Hat es da einen Auftraggeber gegeben? Welches Interesse hat es gegeben? Kann es sein, dass der ORF mit irgendwem zusammengespielt hat? Diese Fragen muss man sich auch stellen dürfen. Ich glaube, es gehört dazu, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender, der sich selbst ernst nimmt, dazu auch die entsprechende Aufklärung liefert.

Diese Medienberichte sind vom 29. April – ein bisschen Zeit ist also schon ver­strichen –, und bis heute hat man davon nichts gehört. Das möchte ich zu diesem Bericht einfach auch sagen.

Und es gibt kein Privatduell zwischen Herrn Wolf und der FPÖ. Ich glaube, wenn man liest, dass Herbert Prohaska 300 000 € Jahresgage als beratender und berichtender Fußballguru bezieht, dann fragt man sich als Durchschnittsösterreicher schon, ob das nicht ein bisschen viel ist.

Der ORF produziert Stars, denn ohne ORF wäre Herr Wolf irgendein Redakteur. Und ob er gerade in Deutschland so willkommen ist, Herr Kollege Schennach, weiß ich nicht, die haben auch ganz gute Leute.

Faktum ist: Jeder Politiker muss die Hosen herunterlassen, und das zu Recht. Und ich erwarte mir, dass auch die Stars des ORF die Hosen herunterlassen, und nicht, dass dort, unter dem Deckmantel, dass nicht über deren Einkünfte und Nebeneinkünfte geredet wird, darüber nicht gesprochen wird, weil das vom ORF gemachte Stars sind, die dafür dann bei Auftritten, bei Firmenmoderationen und sonst irgendwie kassieren. Und interessanterweise – verfolgt das einmal genau! –: Er ist dann gerade gegenüber diesen Firmen in irgendeiner Sendung wohlfeil in der Berichterstattung. Das ist auch eine Verquickung journalistischer Arbeit mit einem Zusatzeinkommen, und jedenfalls kann man ab und zu feststellen, dass genau dort, wo moderiert wird, dann auch gewisse Freundlichkeiten ausgetauscht werden.

Ich bin der Meinung, Herr Wolf braucht sich vor niemandem zu fürchten, die FPÖ fürchtet sich schon gar nicht vor dem Herrn Wolf, aber er sollte halt auch mit offenen Karten spielen. Das gehört, abgesehen von diesen Zahlen, für einen öffentlich-rechtlichen Sender zur Sauberkeit dazu.

Herr Bundesminister, es wäre erfreulich, wenn wir lesen würden: Es ist eh alles richtig gewesen! – Es wäre aber höchst und dringend notwendig, dass politische Gremien, die letztendlich auch eine politische Verantwortung für einen öffentlich-rechtlichen Rund­funk tragen, massiv einfordern, dass dieser – wenn es wirklich so ist – Großskandal von 20 Millionen € nicht irgendwo zugedeckt wird. Das müssen wir uns erwarten dürfen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


16.19.46

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Zuerst zum Kollegen Dörfler: Der ORF ist nach dem Aktiengesetz zu behandeln, das heißt, in erster Linie hat der Aufsichtsrat,


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der sich Stiftungsrat nennt, die Verantwortung über die Geschäftsführung des Hauses. Ergo sitzen da Vertreter und Vertreterinnen, die von Parteien, Bundesländern, den Kirchen und anderen Interessenvertretungen nominiert sind. Die haben Aufsichtsrats­pflichten zu erfüllen, und in erster Linie müssen diese das mit der Geschäftsführung klären. Das ist keine Sache, die das Bundeskanzleramt als zuständige Medienbehörde zu klären hat.

Zweitens noch eine Bemerkung, die ich vorher vergessen habe – Herr Kollege Dörfler hat mich jetzt daran erinnert –: Ich könnte jetzt die Quizfrage stellen, was das an ausländische Sender meistverkaufte Sendeformat ist. Da kommen wir jetzt zu dem, was Sie gelobt haben; „kreuz und quer“ ist das beste Exportprodukt, das entwickelt wird. Und das bezeugt sozusagen die Qualität, denn das wird von ausländischen Sen­dern eingekauft. Aber das, was Sie gesagt haben, ist eine Sache. Sie können sich an die Vertreterin des Landes Kärnten wenden, dass sie diese Frage als Aufsichts­rats­mitglied zu stellen hat. Das ist nichts, was das Bundeskanzleramt in erster Linie zu bewältigen hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

16.21


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Raml, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Offenlegung der Einkünfte von ORF-Mitarbeitern, die Nachrichten-/Informations-/Wirtschafts-Formate mediengattungsunabhängig gestalten und/oder moderieren, vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag die Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

16.22.468. Punkt

Datenschutzbericht 2015 (III-587-BR/2016 d.B. sowie 9609/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nun gelangen wir zu Punkt 8 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich bitte um den Bericht.

 


16.23.08

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Hohes Präsidium! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Datenschutzbericht 2015.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 den Antrag, den Datenschutzbericht 2015 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 132

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


16.23.41

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bin jetzt, ehrlich gesagt, in einer Therapiesituation, weil ich es eigentlich immer gewohnt war, dass jemand von der FPÖ vor mir spricht. (Allgemeine Heiterkeit.)

Jetzt komme ich in eine ganz ungewöhnliche Situation, teile aber gleichzeitig die Freude daran, dass wir hier in einer äußerst sensiblen Sache eine Einstimmigkeit zustande bringen, und dafür sage ich auch ein Dankeschön.

Ich glaube, nichts ist sensibler als der Umgang mit unseren Daten. Und es werden immer mehr Daten gesammelt, und manchmal geraten sie in wirre Kanäle. Was immer wir tun, wir hinterlassen heutzutage Daten darüber. Die Digitalisierung, das Internet, all das macht es möglich, unsere Spuren zu verfolgen. Manchmal können wir ja auch Datensammler in Verwirrung stürzen: Wenn ich zum BIPA gehe und 60 Nylonstrümpfe einkaufe, dann sind sie plötzlich verwirrt, weil mein Käuferbild nicht mehr mit dem übereinstimmt, was ich vorher gekauft habe. Aber das ist vielleicht nicht ganz der Punkt, um den es geht. (Allgemeine Heiterkeit.) – Glaubt ihr nicht, dass das alles registriert wird? – Hallo, bitte, ich meine, damit habe ich kein Problem, aber eines, das wir brauchen, ist unser – wie kann man das sagen? – Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Und das müssen wir durch den Datenschutz, der ein österreichi­scher, ein europäischer ist, erreichen. Da gibt es Stichworte: Vorratsdatenspeicherung, Telefonverbindungsdaten, Videoüberwachungsdaten, Funkzellenabfragen, verhaltens­be­zogene Versicherungsdaten, ELGA, Kfz-Leasing oder Kfz-Vermietung. All das bringt einen ganz interessanten Mix. Und dann kommt noch hinzu, dass wir das Phänomen des Whistleblowings haben. Auch das müssen wir mit unseren Daten in Verbindung setzen, sozusagen den Snowden-Effekt.

Das, was uns jetzt als Gesetzgeber wichtig ist, ist natürlich die Datensicherheit der öffentlichen Verwaltung. Nichts ist wichtiger als die Datensicherheit der öffentlichen Verwaltung, da wir doch Schritt für Schritt und richtigerweise das E-Government in unserem Land auf Bundesebene und auch auf der Ebene der Bundesländer ausbauen. Aber wir schaffen Kombinationen und Verbindungen mit den sozialen Netzwerken und mit E-Commerce. Erst gestern haben wir im EU-Ausschuss das E-Commerce-Package im Bereich des Datenschutzes behandelt, aber auch im Bereich des Geoblocking.

Edgar Mayer und ich waren uns während der Sitzung relativ schnell einig, als wir gesagt haben, das bedarf einer Reaktion des Bundesrates. Und wir werden in weniger als zwei Wochen dieses gesamte E-Commerce-Package neuerlich zum Thema haben. Wir werden zusammen eine begründete Stellungnahme erstellen. Eine Frage ist nämlich: Ist es denn das, was wir mit der EU-Datenschutzreform wollen?

Aber kommen wir jetzt zurück zu Österreich, zu diesem ersten Bericht seit dem Behördenumbau von der Datenschutzkommission in eine Datenschutzbehörde. Es liegen im Berichtszeitraum 224 Individualbeschwerden, 497 Kontroll- und Ombuds­mann-Beschwerden und 2 261 Anfragen vor. Das ist viel, aber im Bereich der Individualbeschwerden zeigt sich eine Abnahme. Offensichtlich greift Datenschutz, und das ist gut so. Allerdings gibt es auch eine Zunahme, und zwar bei den Bewilligungen im internationalen Bereich. Das hängt aber damit zusammen, dass mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes die USA nicht mehr als der Safe Harbor gelten und dass damit der Datentransfer von Europa in die USA einer Bewilligung bedarf, und deshalb haben wir hier eine entsprechende Steigerung.

Im Berichtszeitraum erfolgte Folgendes – alle erinnern sich –: Ein junger Mann aus Österreich hat die europäische Facebook-Klage sensationell weit getrieben. Das ist


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etwas, das während dieser Zeit stattgefunden hat. Elf Verfahren wurden in diesem Zeitraum öffentlich dargestellt. Da geht es um ein Urteil im Bereich des Diszi­pli­narrechtes, ein weiteres betrifft Beweismittel von Dienstgebern, die da herbeigeführt wurden. Aber der Hauptteil sind vermutete illegale Videoüberwachungen, die zum Teil auch als solche erkannt wurden.

Was in diesem Zeitraum neu in diesem Bereich des Datenschutzes ist, sind zwei Fragen: Wie ist mit der Cloud-Technologie umzugehen? – Dienstleistungen aus der Cloud-Technologie dürfen nur auf dem Datenschutz basieren, nur dann können sie auch zulässig sein. Und die zweite Frage betrifft die Entscheidung, die man Weltimmo-Entscheidung nennt. Das heißt, dass der Datenschutz Österreichs – das ist ein Beispiel, diese Firma hat jetzt gar nichts damit zu tun – für Unternehmen wie Starbucks oder Amazon gilt, wenn sie in diesem Land Geschäftstätigkeiten entwickeln. Auch wenn sie ihren Firmensitz nicht hier haben, gilt für die Tätigkeit, die in diesem Land ausgeübt wird, der österreichische Datenschutz. Ich glaube, das ist richtig, das ist wichtig und das ist eine der vielen Aufgaben unserer Datenschutzbehörde. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese haben und sie effizient und sehr engagiert arbeitet. Und dieser Bericht wird daher zu Recht von euch allen hier einstimmig angenommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.30


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Ich erteile ihm dieses.

 


16.30.52

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Bundesrat Stefan Schennach wurde bereits einiges, was die statistische Auswertung dieses Datenschutzberichtes der Datenschutzbehörde 2015 betrifft, erwähnt. Und ich entschlage mich jetzt der Wertung persönlicher Befindlichkeiten diesbezüglich, ob ich vor dem Kollegen Werner Herbert und vor der geschätzten Kollegin Dr. Heidelinde Reiter spreche. Ich darf einfach nur kurz auf ein paar Punkte aus diesem Datenschutzbericht eingehen, der aus meiner Sicht sicherlich einige bemerkenswerte Verbesserungen zum Inhalt hat.

Wir haben schon gehört, dass es statistisch gesehen zu einer Abnahme der Zahl der Individualbeschwerden gekommen ist. Bemerkenswert ist auch, dass es nur 29 Be­schwerden gegen Entscheidungen der Datenschutzbehörde an das Bundesverwal­tungs­gericht gegeben hat. Wir alle befinden uns in einem öffentlichen Raum, aber auch in einem privaten Raum. Und wenn man einen internationalen Konnex herstellt, dann gibt es natürlich das Bedürfnis mancher Stellen, auch in Übersee, das Konzept des sogenannten gläsernen Menschen auch auf Europa, bis hin in die kleinsten Teilbe­reiche auszudehnen, insbesondere um diverse marktwirtschaftliche Verhalten, Ein­kaufs­verhalten und auch persönliche Verhalten zu marktwirtschaftlichen Zwecken zu nutzen. Aber es wurden natürlich auch die tragischen Vorkommnisse von 9/11 dazu missbraucht, die Tätigkeit der Nachrichtendienste in Europa auszuweiten. Das mar­kanteste Beispiel dürfte wohl die Überwachung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist es durchaus bemerkenswert, dass der EuGH eine Entscheidung der Europäischen Kommission im Bereich der sogenannten Safe-Harbor-Regelung aufgehoben hat, was aus meiner persönlichen Sicht sicherlich als positives Zeichen in die richtige Richtung gewertet werden kann.

Kollege Schennach, ich glaube, Sie haben schon einmal Thomas Jefferson in diesem Zusammenhang erwähnt, weil ich mich noch erinnern kann, dass speziell Terror­orga­nisationen wie der sogenannte Islamische Staat es natürlich möchten, dass wir Bürger der Europäischen Union unser alltägliches Verhalten, dass wir uns frei bewegen kön-


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nen, dass wir unsere Grundfreiheiten im privaten und öffentlichen Leben frei gestalten und frei ausleben können, einschränken. Das ist genau deren Zielsetzung. Und wenn man da zu überzogenen Maßnahmen schreitet, dann leistet man gerade diesen Intentionen Vorschub, und das sollten wir nicht machen. Deswegen braucht es so wichtige Institutionen wie die Datenschutzbehörde auch innerhalb Österreichs – Stichwort Videoüberwachung im privaten Bereich. Auch dazu gab es einige bemer­kenswerte Entscheidungen.

Wenn es also darum geht, beispielsweise in einer Wohnanlage strafrechtlich rele­vantes Verhalten durch Videoüberwachung zu dokumentieren, beispielsweise Sachbe­schädigungen oder auch Körperverletzungen oder andere Delikte, dann ist das durchaus zulässig. Wenn es aber darum geht, im verwaltungsstrafrechtlichen Bereich vielleicht eine Mieterin zu überwachen, um zu überprüfen, ob sie vielleicht einen Lebensgefährten dort untergebracht hat, wie ihr privates Verhalten ist oder wer dort nächtigt, falls es dann im Bereich von diversen Mietbeihilfen vielleicht zu einem Missbrauch kommen könnte, dann geht das aus der Sicht der Datenschutzbehörde zu weit. Und da besteht natürlich immer die schwierige Frage der Abgrenzung.

Wir haben auch die Entscheidungen bemerkt, in denen es bereits um die erwähnten Themen im arbeitsgerichtlichen Bereich gegangen ist. Das waren Fälle, in denen es durchaus zulässig ist, für gerichtliche Zwecke seitens des Arbeitgebers diverse Daten anzufordern und auch zu verwenden. Andererseits durften im Bereich einer Standes­organisation – ich weiß nicht, welche Standesvertretung das konkret gewesen ist – diverse Daten eben nicht vorgelegt werden, wenn es um die volle Namensnennung und auch Adressennennung des möglichen Delinquenten geht. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Das alles ist natürlich eine sehr breite Palette, mit der wir uns als Gesetzgeber in beiden Kammern dieses Hauses zu beschäftigen haben. Aber man kann ganz klare Verbesserungen in den letzten Jahren feststellen, sodass wir auch unserer Fraktion und natürlich dem Hohen Hause die Annahme dieses Berichtes empfehlen dürfen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.35.56

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Jetzt ist Kollege Schennach leider nicht da. (Bundesrat Schennach: Oh ja!) – Oh, da ist er. Es tut mir leid, Kollege Schennach, dass wir deine vorbereitete Kontrarede leider nicht hören konnten, weil du offensichtlich so überrascht warst, dass auch die freiheitliche Fraktion diesem Datenschutzbericht 2015 zustimmen wird. Wir tun das sehr gerne. Und ich darf mich an dieser Stelle auch für die Über­mittlung dieses Berichtes bedanken, der nicht nur sehr übersichtlich und prägnant ist, sondern auch in seiner Darstellung klar zum Ausdruck bringt, wie sehr die Daten­schutzbehörde auch im vergangenen Jahr hinsichtlich gestiegener Anfragen und Erledigungen, sei es jetzt bei den Eingangsstücken und allgemeinen Erledigungen, aber auch bei den Tätigkeiten des Datenverarbeitungsregisters gefordert war.

Das zeigt, dass der Datenschutz eine Sache ist, die mittlerweile eine doch große Breitenwirkung in der durchschnittlichen Bevölkerung erreicht hat. War der Daten­schutz früher ein politisches Minderheitenprogramm für einige erlesene Insider, ist er mittlerweile eine Sache, die wohl über die verschiedensten Zugänge fast nahezu jedermann berührt. Wenn wir uns den Kriminalitätsbericht 2015 hernehmen und sehen, dass der Internetbetrug, der in der Regel überwiegend entweder die Vorspiegelung


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einer falschen virtuellen Identität oder gar die Erlangung eines falschen Zugangscodes als wesentliche Kriminalitätsmerkmale aufweist, allein im Jahr 2015, wie gesagt, um 12,6 Prozent gestiegen ist, dann heißt das, dass der Datenschutz in dieser negativen Weise wohl schon eine Vielzahl von Österreicherinnen und Österreichern, vorwiegend diejenigen, die täglich oder vielleicht auch etwas seltener im Internet kommunizieren oder Geschäfte durchführen, betrifft.

Ein weiterer Punkt ist die bereits angesprochene allgemeine politische Vernetzung des Internets und die daraus resultierenden Gesamtfolgen: Safe Harbor wurde schon angesprochen. Das ist eine Sache, die wahrscheinlich in kommenden Jahren zu einer neuen Regelung im Bereich der Übermittlungsstrategien und Übermittlungsvorgänge von Daten in die USA führen wird. Die alte Regelung wurde durch das Urteil im Verfahren von Schrems im vergangenen Jahr aufgehoben, und seither ist man seitens der Europäischen Union redlich bemüht, eine Nachfolgeregelung zu finden, die aber nicht zuletzt aufgrund der Feststellung des EuGH, dass eben die USA kein sicheres Datenschutzland sind, wohl eine gewisse Herausforderung darstellt. Ungeachtet dessen lese ich heute in den virtuellen Medien, konkret auf „ORF.at“, dass die USA darüber hinaus ihr Interesse an den sozialen Seiten, wie es hier heißt, entdecken.

Konkret geht es darum, dass sie beabsichtigen, bei zukünftigen Befragungen zur Visa-Erteilung auch etwaige virtuelle Identitäten auf Facebook, Twitter und dergleichen abzufragen, und das wohl auch in diesem Fall nicht nur – das ist jetzt meine eigene Unterstellung – zum eigenen Schutz oder dem Schutz der Staaten der USA, sondern auch um ihre allgemeine und mittlerweile wohl auch sehr bekannte Wissbegier – die NSA hat es uns schon vorgezeigt – allgemein zu stillen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Das ist meiner Meinung nach eine höchst bedenkliche Sache. Das zeigt uns, dass wir gerade auf die zukünftigen Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes besonders genau achten sollten. Es ist ein besonders heikles Thema, weil es wohl über kurz oder lang nicht mehr ein bisschen mehr als ein Minderheitenprogramm sein wird, sondern eine Sache, mit der sich fast jeder österreichische Staatsbürger und jede österreichi­sche Staatsbürgerin unmittelbar beschäftigen muss.

In diesem Sinne darf ich mich bei der Datenschutzbehörde namens meiner Fraktion nochmals bedanken. Wir werden diesem Bericht natürlich gerne zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich darf Frau Staatssekretärin Mag. Muna Duzdar hier bei uns im Plenum herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


16.41.29

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Frau Staatssekretärin! Die Datenschutzbehörde ist erst 2014 neu organisiert worden. Vielen Dank für den Bericht! Er enthält statistische Eckpunkte und wichtige Entscheidungen; Entwicklungen werden darin geschildert.

Uns ist aber aufgefallen, dass gerade in diesem sich so dynamisch entwickelnden Bereich die Ressourcen doch relativ knapp sind. So gibt es fast kein Budget, um Sachverständige zu bestellen; ich glaube, das Budget dafür beträgt 10 000 €. Da kommt schon die Frage auf, wie zum Beispiel die Datenverarbeitung von Behörden und Unternehmen wirksam kontrolliert werden kann, denn die Ermittlungsverfahren sind – auch das geht aus den Schilderungen klar hervor – sehr aufwendig, sehr komplex; und dann kommt noch die Frage dazu: Wer zahlt tatsächlich im Streitfall?


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Das wird dann da ein zusätzlicher Streitfall. Ich glaube, dass das eine sehr dynamische Entwicklung ist, die uns noch weiter beschäftigen wird.

Leider sind im Bericht zwar Fall- und Erledigungszahlen zu den verschiedenen Verfahrensarten angegeben, es ist aber nicht angegeben, wie die Verfahren konkret ausge­gangen sind. Das wäre aber teilweise wirklich wesentlich zur Beurteilung der Problematik und der Arbeit.

Interessant wäre es natürlich auch, zu erfahren, wie es jetzt wirklich mit der Daten­übermittlung an die USA weitergeht und wie da die Einschätzung der Datenschutz­behörde nach der EuGH-Entscheidung zu Safe Harbour ist. – Schrems ist übrigens ein Salzburger. – Im Bericht steht nichts darüber, wie die Datenschutzbehörde mit diesen Fällen umgeht und welcher Aufwand da bisher entstanden ist.

Ich denke, das Ganze wird uns, wie Kollege Schennach schon erwähnt hat, weiter beschäftigen – so wurde gestern im EU-Ausschuss unter anderem über E-Commerce gesprochen –, weil das Ganze natürlich zwei Seiten hat. Wie will man einen EU-Binnenmarkt organisieren, wenn es im Bereich Datenschutz keine gemeinsamen Regelungen und Festlegungen gibt?

Das steht natürlich dann im Widerspruch zum EU-Binnenmarkt oder eben auch zum Wunsch der Unternehmen, der sehr konkret formuliert war, natürlich online zumindest europaweit zu handeln, zu verkaufen und so weiter. (Bundesrat Schennach: … Block entsteht gegen den einzelnen Bürger!) – Eben, ich sage ja, das ist wirklich ein sehr, sehr schwieriger Bereich, in dem, glaube ich, Handlungsbedarf besteht, sehr viel Expertise notwendig ist, um eben überhaupt europaweit einen Binnenmarkt mit dem Anspruch, Datenschutz und so weiter auch für den Einzelnen realisieren zu können.

Es ist also ein sehr dynamischer Bereich. Ich erwarte mir eigentlich, dass der Bericht noch etwas umfangreicher werden und sich das ausweiten wird. Wir nehmen ihn aber gerne so zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

16.45


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

16.45.219. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Signatur- und Vertrauensdienstegesetz erlassen wird und das E-Government-Gesetz, das Außerstreitgesetz, das Bankwesengesetz, das Beam­ten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Bundes­verwal­tungsgerichtsgesetz, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, das Ge­richtsorganisationsgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, die Ge­werbe­ordnung 1994, das KommAustria-Gesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsan­waltsordnung, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Studienför­derungsgesetz 1992, das Teilzeitnutzungsgesetz 2011, das Versicherungsauf­sichtsgesetz 2016, das Versicherungsvertragsgesetz, das Verwaltungsgerichts­hofgesetz 1985, das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhand­berufsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993 und das Ziviltechniker­kammerge-


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setz 1993 geändert werden (1145 d.B. und 1184 d.B. sowie 9594/BR d.B. und 9607/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kern. Ich bitte um den Bericht.

 


16.46.00

Berichterstatterin Sandra Kern: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Signatur- und Vertrauensdienstegesetz erlassen wird und das E-Government-Gesetz sowie weitere Gesetze geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Herbert zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

16.46.24

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Grundgedanke dieses Signatur- und Vertrauens­dienste­gesetzes ist ja eigentlich ein guter, nämlich eine einheitliche Rechtsebene zu schaffen, sodass in einer vernetzten Welt die elektronische Signatur einer schriftlichen Willens­bekundung gleichsetzt wird. So weit, so gut.

Die Problematik bei diesem Gesetz ist aber einmal mehr – das zeigen auch die höchst kritischen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren –, dass man da einerseits nicht mutig genug war, ein solides Gesetz mit einer entsprechend restriktiven Vorgangs­weise bei den elektronischen Signaturen zu machen, und zum anderen, daraus resul­tierend, wieder rechtlich bedenkliche Schlupflöcher geschaffen hat, die kontraproduktiv sind und bis zu einem gewissen Maß genau das ermöglichen, was eigentlich verhindert werden sollte.

Wir haben den Fall, dass dieses Signatur- und Vertrauensdienstegesetz eigentlich auf einem schon bestehenden Gesetz aufbaut, nämlich auf dem Signaturgesetz. Dann wurden aufgrund einer EU-Novelle diese EU-Bestimmungen in das heimische Recht übernommen und eben auf diese Bestimmungen ausgeweitet.

Zu diesem Ansatz fällt mir noch ein: Es stellt sich eigentlich die Frage, warum wir eine Novelle der EU, die für sich schon Recht genug wäre, in ein heimisches Gesetz so einfließen lassen, dass wir ein bestehendes Gesetz aufheben und gleichzeitig ein neues schaffen, das wiederum höchst interpretierbar ist und eben jene Lücken aufweist, die ich vorher schon angesprochen habe. Es ist also ein rechtlich nicht nachvollziehbarer Vorgang.

Dies wird eben auch durch die zahlreichen negativen Stellungnahmen im Begutach­tungsverfahren gestützt. Beispielsweise sagt die ARGE Daten, es fehlen ausreichende Übergangsfristen bei den Zeitstempeldiensten; die Notariatskammer erwähnt da die Interpretationsmöglichkeit, dass die Unterfertigung mittels elektronischer Struktur unter Umständen einer strengeren Formvorschrift zuwiderlaufen kann. Sie moniert auch das Missbrauchspotenzial, weil man für Zertifikate, die man bei der Behörde beantragt, die Identität nicht persönlich in Form einer Identitätsüberprüfung vor Ort bei Übernahme dieser Signaturen nachweisen muss.


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Das heißt, das wird virtuell zugeschickt: Eine virtuelle Person fordert eine virtuelle Signatur an und bekommt diese virtuell übermittelt. Die Frage ist dann: Wo ist der Nachweis, die Feststellung, dass es diese Person auch tatsächlich physisch gibt? Das ist ein wichtiger Einwand, der seitens der Notariatskammer eingebracht wurde.

Aber der wohl wichtigste Einwand ist jener vom Bundesministerium für Finanzen. Die Beamten vom BMF sagen, dass sie grundsätzliche Zweifel an der Darstellung haben, dass – so wie es hier im Gesetz steht – im Zusammenhang mit diesem Gesetz keine finanziellen Auswirkungen zu erwarten sind. Weiters führen die Kollegen vom BMF an, dass „nach der Abschätzung der Durchführungsverordnung bereits die bloßen zusätz­lichen Kosten der Aufsichtsstelle und der RTR-GmbH in den nächsten 5 Jahren mit 815.000 Euro geschätzt werden (…).“

Da finde ich es doch einigermaßen kühn, zu behaupten, dass das keine finanziellen Auswirkungen hat – Auswirkungen, die einmal mehr der Steuerzahler zu tragen hat, möchte ich an dieser Stelle nur der Richtigkeit halber festhalten.

Dazu gibt es noch eine negative Darstellung der Wirtschaftskammer, die meint, dass Klein- und Mittelunternehmen durch dieses Gesetz benachteiligt werden, denn aufgrund der Komplexität dieses Gesetzes haben viele Kleinbetriebe weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen für einen entsprechenden Datenbeauf­tragten, der sicherstellen soll, dass man im wirtschaftlichen und betrieblichen Verfah­rensablauf alles diesem Gesetz entsprechend abwickelt. Ja, viele Kleinbetriebe haben gar keine Möglichkeit, das zu gewährleisten.

Als weiterer Punkt ist anzuführen, dass es im § 4 Abs. 3 eine sogenannte Konsu­mentenschutzbestimmung gibt, wo dann, wenn man ein bisschen weiterliest, steht, dass diese Vertragsbestimmungen nach dem ABGB nicht einklagbar sind, weil sie auf elektronische Signaturen nicht anzuwenden sind.

So viel zum Thema Gesetz: Gut gemeint, schlecht umgesetzt; viele Fehler, viele Probleme. Daher werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.52


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.52.53

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Bundesräte! Da ich als Staatssekretärin unter anderem für Digita­lisierung zuständig bin, fällt das Signatur- und Vertrauensdienstegesetz in meinen Bereich.

Worum geht’s? – Es geht um eine Verordnung der EU, nämlich das sogenannte eIDAS-Paket, das wir jetzt national umsetzen. Es ist richtig, dass wir es – wie es mein Vorredner gesagt hat – mit einem neuen Gesetz zu tun haben. Das alte Signaturgesetz wird eben durch das neue Signatur- und Vertrauensdienstegesetz ersetzt, weil wir es hier erstmals nicht nur mit der Signatur zu tun haben, sondern ergänzend auch mit den sogenannten Vertrauensdiensten.

Lassen Sie mich nur kurz darauf eingehen, worum es hier geht. Es geht vor allem darum, da eine Harmonisierung voranzutreiben, nämlich die gegenseitige Anerken­nung von elektronischen Signaturen im gesamten EU-Raum. Das bedeutet für Österreich, dass erstmals die elektronische Handy-Signatur europaweit anerkannt wird. Das nützt dem Bürger und der Bürgerin, das erleichtert den Geschäftsverkehr, das schafft auch EU-weit mehr Rechtssicherheit.


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Ein weiterer Punkt, der mir auch ein Anliegen ist und der durch dieses Gesetz geregelt wird, ist, dass wir im Konsumentenschutzbereich eine Verbesserung herbeiführen, wenn es nämlich um versteckte Klauseln geht, die bisher beispielsweise den Aus­schluss der elektronischen Unterschrift vorgesehen haben.

In der Praxis war es bisher so, dass man oftmals mit elektronischen Signaturen alles machen konnte, und wenn es dann um die Kündigung gegangen ist, berief sich der Unternehmer, die Unternehmerin auf eine versteckte Klausel, in der die elektronische Signatur ausgeschlossen war. Dem soll jetzt Abhilfe geschaffen werden, indem diese versteckten Klauseln eben so nicht mehr zulässig sind.

Das heißt aber nicht, dass man sich das nicht vertraglich ausmachen kann. Natürlich erlaubt es die Vertragsfreiheit, dass man Vereinbarungen in diese Richtung trifft. Es geht hier vor allem um die versteckten Klauseln.

Was die Novelle des E-Government-Gesetzes anbelangt, ist es so, dass wir auch hier eine Verbesserung und eine Neuerung im Sinne der Konsumenten und Konsu­mentinnen geschaffen haben, nämlich insofern, als Dokumente, die den Behörden vorgelegt werden, zum Beispiel der Meldezettel, die Meldebestätigung, der Staats­bürgerschaftsnachweis, die Geburtsurkunde, nicht nochmals von der Behörde abgeru­fen werden dürfen, sondern es gilt das Prinzip, dass man das nur einmal machen muss. Damit wird der Grundsatz der einmaligen Erfassung – once only – im E-Government-Gesetz verankert.

Das sind die drei wesentlichen Punkte, die zu nennen mir jetzt noch wichtig erschienen ist. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

16.55


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke, Frau Staatssekretärin.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Grimling zu Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.56.00

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe versucht, mich ein bisschen mit diesem Gesetz auseinanderzusetzen, wenn auch nicht so detailliert wie du, Frau Staatsekretärin, und Sie, Herr Kollege.

Im gegenständlichen Gesetzentwurf, der ein neu zu schaffendes Bundesgesetz werden soll, geht es um elektronische Signaturen und Vertrauensdienste für elektro­nische Transaktionen. Davon sind 23 Gesetze betroffen. Das habe ich herausgelesen.

Durch eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates wurden Rege­lungen zu elektronischen Signaturen festgelegt, ohne aber einen umfassenden, grenz­übergreifenden Rahmen für sichere, vertrauenswürdige und einfach zu nutzende elektronische Transaktionen zu schaffen.

Um einen EU-weit harmonisierten Rechtsrahmen für derartige Vertrauensdienste zu schaffen, bedarf es eines eigenen Begleit- bzw. Durchführungsgesetzes. Auch die innerstaatlichen Gesetze, die bisher die Themen elektronische Identifizierung, E-Government beziehungsweise elektronische Signaturen und Vertrauensdienste behandelten, müssen angepasst werden.

Sowohl das österreichische Zivilrecht als auch private Vereinbarungen sehen für das gültige Zustandekommen eines Vertrages die Formvorschrift der Schriftlichkeit vor. Bisher wurde ein abzuschließender Vertrag durch die eigenhändige Unterschrift der Vertragspartner rechtskräftig und verbindlich. Nunmehr sollen aber auch sichere elek-


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tronische Signaturen das Kriterium der eigenhändigen Unterschrift erfüllen, um Rechts­geschäfte unbürokratischer erledigen zu können.

Nutzer von elektronischen Signaturen sollen auf die Akzeptanz ihrer qualifiziert elektronisch signierten Dokumente vertrauen können. Besondere Vorschriften gelten dabei für Notare.

Das Gesetz definiert elektronische Signaturen und elektronische Siegel sowie die Pflichten der Hersteller und Produzenten. Es geht dabei hauptsächlich um die Verläss­lichkeit im Rechtsverkehr, wobei besondere Formerfordernisse für bestimmte Arten von Willenserklärungen normiert werden. Unsere Fraktion wird diesem Gesetz die Zustim­mung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.58


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


16.59.00

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen, Zuseher und Zuseherinnen! Das Signatur- und Vertrauens­dienstegesetz – eine schwierige Materie, aber wir haben uns ja im Zusammenhang mit dem Thema Datenschutz und so weiter eigentlich schon damit befasst.

Uns ist nicht klar, warum man da zwar sehr umfangreich den österreichischen Rechtsrahmen für elektronische Signaturen und Vertrauensdienste an EU-Vorgaben anpasst – es werden 23 Gesetze novelliert und eben ein neues Gesetz geschaffen –, während trotzdem wesentliche europarechtlich geforderte Umsetzungsinhalte aufge­schoben werden.

Das Bürgerkartensystem wird bekräftigt, obwohl es inzwischen breiter akzeptierte und vermutlich bessere Alternativen gibt. Wirklich bedenklich ist vor allem, dass die daten­schutzrechtlichen Einwände des BKA-Verfassungsdienstes nicht berücksichtigt wurden und ebenso wenig andere Einwände wie die vom RTR betreffend die Datensicherheit. Da gab es also, wie gesagt, massive Einwände und Bedenken, die keine Berücksichti­gung gefunden haben.

Es gibt auch Positives im Sinne des Konsumentenschutzes, das ist klar. Unternehmen, die grundsätzlich elektronisch signierte Dokumente akzeptieren, können das in ihren AGBs nicht für Einzelfälle ausschließen – das hat Frau Staatssekretärin Duzdar bereits erwähnt. Das betrifft zum Beispiel Vertragskündigungen. Das heißt, gerade für Kündi­gungs­portale, die ja inzwischen boomen, gibt es damit eine rechtliche Klarstellung.

Was jedoch fehlt, sind Regelungen zur Interoperabilität der österreichischen Lösung und den Anerkennungsverfahren für elektronische Identifizierungsmodelle anderer Mitgliedstaaten.

Was da passiert oder was da läuft, ist, dass man sich auf Europaebene nicht auf eine wirkliche Harmonisierung einigen kann und deshalb eine Richtlinie hinausgibt und sagt: Na ja, die Länder müssen halt auch anerkennen, was die anderen machen. Eine gegenseitige Anerkennung ist also notwendig, aber eine Harmonisierung erfolgt nicht. Das geht eben nicht. Und dann kommt es zu so einem Wurschteln und eigentlich zu einer offenen Baustelle.

Ich meine, wir haben das auch im EU-Ausschuss im Bereich E-Commerce so gehabt, dass das offensichtlich so läuft, dass es eben auf Europaebene, wo das hingehört, nicht gelingt, das wirklich zu harmonisieren, und das dann an die Mitgliedstaaten delegiert wird, von denen das aber eigentlich nicht zufriedenstellend geleistet werden kann. Die EU-Verordnung harmonisiert also nicht, sondern schafft nur den Rechts-


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 141

rahmen für diese gegenseitige Anerkennung unter bestimmten normierten Vorausset­zungen.

Positiv ist zu vermerken, dass die Handysignatur sich zu einem Erfolg zu entwickeln beginnt beziehungsweise deren Akzeptanz dramatisch steigt. Es gibt inzwischen 670 000 User, die sie über 400 000 Mal im Monat einsetzen. Ich denke also, das ist eine Lösung, die sich gut entwickelt.

Zu bedenken ist aber, dass die Sicherheit kryptographischer Verfahren erheblich von den eingesetzten Algorithmen und ihren Parametern abhängt, und genau dafür gibt es in der EU-Verordnung keine Vorgaben. Es gibt auch nationalstaatlich nichts, wobei es nicht sicher zu sein scheint, ob das überhaupt nationalstaatlich geregelt werden kann. Kann also der Nationalstaat diese Vorschriften machen, oder ist das nicht eher Angelegenheit der EU, die es aber nicht macht?

So könnte eigentlich bald der Fall eintreten, dass elektronische Signaturen oder Siegel anerkannt werden müssen, obwohl sie eigentlich elementaren Sicherheitserforder­nissen nicht entsprechen. Das ist also ein Problem!

Ein weiterer Punkt ist die Datenintegrität. Viele EU-Mitgliedstaaten setzen für die staatliche Überwachung unter dem Titel Terrorismusbekämpfung auf sogenannte Backdoors. Unserer Meinung nach muss aber gewährleistet sein, dass BürgerInnen einer E-Governance-Anwendung vertrauen können und nicht damit rechnen müssen, dass sie sich über diese Anwendungen mit Überwachungssoftware infizieren. Das heißt, der bewusste Einbau von geheimen Sicherheitslücken, um in den Übermitt­lungsprozess einzugreifen, ihn zu manipulieren und/oder die Verschlüsselung zu umgehen oder aufzuheben, muss dezidiert ausgeschlossen werden. Und das ist unse­rer Meinung nach nicht gewährleistet.

Anzustreben ist eine echte europäische Harmonisierung, eine technische Harmonisie­rung, denn so, wie es derzeit ist, bleibt es eine unübersichtliche, komplizierte Baustelle. Das ist weder im Sinne der Wirtschaft noch im Sinne der Bürger und Bürgerinnen, auch nicht im Sinne der Datensicherheit oder der Hebung des Vertrauens in diesen Bereich, und deshalb werden wir diesem Gesetz auch nicht zustimmen.

17.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. (Beifall bei den Grünen.) – Bitte. (Bundesrat Mayer: Das war ein Auftrittsapplaus! – Bundesrat Fürlinger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, ja, ich habe das auch so zur Kenntnis genommen! Wenn ihr das nicht gemacht hättet, hätte ich geklatscht, obwohl ich nicht der gleichen Meinung bin!)

 


17.05.29

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Frau Staatssekretärin! Es ist notwendig, dass es einen Schub der Modernisierung in diesem Bereich gibt. Es ist notwendig, dass wir – und ich denke, das gilt für die Europäische Union wie für uns, die wir dem Pfad, den sich die Praxis längst gebahnt hat, hinter­herlaufen – das auch gesetzlich tun, vor allem und noch viel mehr sollten wir es natürlich technisch tun.

Zwei kurze Anmerkungen dazu: Es läuft im Netz längst so viel zu diesen Dingen, zum Kauf im Internet, auch zum österreichischen E-Government – bei dem wir dieses Signaturthema natürlich auch haben und wo wir nach wie vor führend sind –, was wir weiterentwickeln sollen, was auch im Sinne der Bürger ist. Es läuft im Netz schon so viel an Geschäft, im Netz geschieht schon so viel – da bahnt sich das Leben sozu­sagen selbst seinen Weg –, dass wir das sicherlich nicht aufhalten können.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 142

Wir müssen eher versuchen, ein bisschen aufzuholen und an den aktuellen Stand heranzukommen. Wir werden das auch nicht verhindern können, und das Netz wird immer um eine Spur schneller sein, als dass wir es nach langen Debatten mit Ge­setzen, die Änderungen in 15 verschiedenen anderen Bundesgesetzen nach sich ziehen, einholen könnten.

Der zweite Punkt ist der – das ist jetzt eine kritische Anmerkung –: Es ist natürlich einerseits besorgniserregend, auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass wir es irgendwann noch einmal schaffen, eine hundertprozentige Datensicherheit zu generieren. Wir müssen uns, so meine ich, irgendwann einmal von dem Gedanken verabschieden, dass diese möglich ist. Ja, man kann sehr viel daran arbeiten, zu verschlüsseln, sehr viel daran arbeiten, zu sichern, aber dass wir es bei dem Daten­strom, der jede Sekunde rund um die Welt unterwegs ist, schaffen, eine absolute Sicherheit herzustellen – ganz egal, ob zugunsten des Konsumenten, zugunsten der Wirtschaft oder zugunsten von irgendjemandem – daran glaube ich, ehrlich gesagt, nicht mehr. Das ist keine düstere Prognose. Manchmal muss man auch mit Lücken im Leben leben; die Chaostheorie gilt für das ganze Leben, aber wenn es nicht schlimmer ist als das, was wir jetzt hier beschließen, dann finde ich, dass das sehr in Ordnung ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.07


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.08.1210. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundes­schulgesetz, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserzie­hern und Sportlehrern, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schul­un­terrichtsgesetz, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 9/2012, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2015, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Hochschulgesetz 2005, das Schulpflichtge­setz 1985, das Privatschulgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Bundes-Schul­aufsichtsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschu­len, das Unterrichtspraktikumsgesetz, das Lehrbeauftragtengesetz und das Forst­gesetz 1975 geändert werden (Schulrechtsänderungsgesetz 2016) (1146 d.B., 1387/A(E) und 1167 d.B. sowie 9595/BR d.B. und 9610/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die land­wirtschaftlichen Bundesanstalten geändert wird (1168 d.B. sowie 9611/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun gelangen wir zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung.


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Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Ich bitte um die Berichterstattung.

 


17.08.44

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Herr Minister! Geschätzte KollegInnen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend das Schulrechtsänderungsgesetz 2016.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirt­schaftlichen Bundesanstalten geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


17.10.06

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Minister! Bei allem Respekt, Herr Minister, dennoch hätte ich diesen Tagesordnungspunkt heute gerne mit der Bildungsministerin besprochen, die bei einer OECD-Tagung in Norwegen ist, was sicherlich eine wichtige Angelegenheit ist, ich denke aber, unser Schulsystem ist noch wichtiger, und daher haben wir heute auch eine Einwendung gegen die Tagesordnung gemacht, was uns aber leider nichts genützt hat.

Vor allem hätte ich gerne mit der Frau Minister über die Aussage diskutiert, die sie gemacht hat, als es rund um die Zentralmatura vor allem in Mathematik gegangen ist, bei der Mädchen schlechter abgeschnitten haben. Da hat sie gemeint, das müsse man in Zukunft gendergerecht machen. „Gendergerecht“ ist ohnehin ein Reizwort für mich, das wissen meine Kolleginnen und Kollegen, aber bei Mathematik kommt es meiner Meinung nach viel mehr darauf an, geeignete Mathematiklehrer zu haben, die den Lernstoff auch wirklich gut erklären können.

Ich empfehle allen, die das heute nicht gelesen haben, einen Artikel von Prof. Taschner, der ja ein begnadeter Mathematiker ist, mit dem ich zwar nicht immer einer Meinung bin, aber heute hat er mir wirklich aus dem Herzen gesprochen, weil er auch gesagt hat, dass es auf das Verständnis ankommt und auch darauf, wie jemand Mathematik erklärt. Bei meiner Tochter hat sich genau das gezeigt. Sie hat lange Probleme in Mathematik gehabt, ist da sozusagen herumgeschwommen, und ein guter Bekannter von uns, der wirklich toll im Erklären ist, hat es in ein paar Stunden geschafft, dass sie


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 144

nie wieder Probleme in Mathematik gehabt hat. Wir müssen da also schon auch auf die Qualität des Lehrpersonals achten.

Was mit diesem Gesetz passiert, geschieht nicht zum ersten Mal. Es wird ein großes Paket geschnürt, von dem die Regierungsparteien selbst dann sagen, dass es ein Meilenstein ist. Das kann ich Ihnen gleich sagen: Ein Meilenstein ist es nicht. Es ist wieder ein Drehen an den Schrauben im Bildungssystem, wie wir das nicht zum ersten Mal erleben. Es werden dann immer durchaus – nach unserem Dafürhalten jetzt – gute und sinnvolle Sachen hineingepackt und solche, bei denen wir einfach nicht mitkönnen. Am Ende muss man leider das gesamte Paket mitbeschließen oder es eben ablehnen.

Der Übergang vom Kindergarten in die Schule ist völlig in Ordnung. Ich halte es für eine sinnvolle Maßnahme, dass das Kind, wenn es in die Volksschule aufgenommen werden soll, nicht ein völlig unbeschriebenes Blatt ist. Jeder, der Kinder hat, wird diese Situation vielleicht schon einmal erlebt haben: Man geht mit dem Kind zur Schul­einschreibung, und das Kind, das sonst sehr kommunikativ ist, sagt genau überhaupt nichts, ist bockig und verweigert alles. Wie soll da der Direktor feststellen, wie der Stand der Dinge bei diesem Kind ist? Wenn man da mit einem gewissen Portfolio kommt, ist das durchaus zu begrüßen.

Die Sprachstartklassen sind eine gute Sache. Ich kann mich aber noch erinnern, dass es, als wir das gefordert haben, einen Aufschrei gegeben und geheißen hat, dass wir Ghettoklassen bilden wollen. Jetzt macht man die Sprachstartklassen. Es sind elf Wochenstunden, in denen die Kinder aus der Klasse herausgeholt werden, um extra in Deutsch unterrichtet zu werden, denn es geht ja vor allem um die, die nicht, gar nicht oder nicht ausreichend Deutsch können. Im Stadtschulrat haben wir letzte Woche eine Sitzung des Gesamtkollegiums gehabt, in der uns der Herr Präsident berichtet hat, dass er aus organisatorischen Gründen, nämlich weil er zu wenig Personal hat, jetzt genau das machen muss, was wir vor zehn Jahren schon gefordert haben: Man muss die Kinder überhaupt in einer eigenen Klasse unterrichten, weil es nicht anders geht.

Und ich sage: Das wird gut sein, denn es geht darum, dass die Kinder möglichst schnell Deutsch lernen, um dem Unterricht selbst folgen zu können, aber auch andere in ihrem Lernfortkommen nicht zu behindern.

Die Abschaffung der Ziffernnote finden wir absolut nicht in Ordnung, wiewohl ich weiß, dass das so nicht im Gesetz steht. Man muss natürlich sagen, dass man eine verbale Beurteilung haben möchte. Ich habe festgestellt, auch in der Zeit, als ich Vize­präsidentin im Stadtschulrat für Wien war: Die Kinder denken abstrakt, und wenn Kinder eine verbale Beurteilung in die Hand bekommen, selbst dann, wenn sie schon lesen können, ist die erste Frage: Was ist das jetzt: Ist das jetzt ein Einser oder ist das ein Zweier oder? Na ja, schlechter, das hoffen sie ja dann meistens nicht.

Gut gefallen hat mir, was es an manchen Schulen in Wien gegeben hat, nämlich eine Ziffernnote mit einer Erklärung dazu, wie der Fortschritt des Kindes war, ob es sich verbessert hat, ob es sich verschlechtert hat. Meistens versuchen die Lehrer, das möglichst positiv darzustellen und zu sagen: Ja, ich sehe, du hast dich bemüht und es geht auch schon etwas weiter! Das finde ich gut, aber ich denke nicht, dass es uns wirklich ans Ziel bringt, das wir alle anstreben: nämlich dass die Schüler wirklich ein gutes Fortkommen in der Schule haben, wenn wir jetzt nur auf verbale Beurteilung setzen und die Ziffernnoten abschaffen.

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft das Sitzenbleiben. Wir haben das im Ausschuss besprochen, und da kam die Aussage, dass Sitzenbleiben stig­matisiert. Das Zurückstufen in eine nächstniedrigere Stufe ist nicht viel anders als ein Sitzenbleiben. Man muss es ja auch nicht Sitzenbleiben nennen, wir haben es ja bis jetzt auch immer das Wiederholen einer Schulstufe genannt, und für viele Schüler ist


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das durchaus sinnvoll. Wir haben ja im Schulsystem die verschiedenen Möglichkeiten, aufzusteigen: mittels eines Konferenzbeschlusses oder mit einem Nichtgenügend, oder es wird eben eine Klasse wiederholt. Es gibt viele Schüler, für die ein Wiederholen durchaus segensreich war. Wenn behauptet wird, das sei eine reine Stigmatisierung, dann finde ich das nicht richtig und dann lehne ich das auch ab.

Insgesamt – und das wird uns ja immer wieder vorgeworfen, unter anderem eben auch von der OECD – geben wir im Schulsystem sehr viel Geld aus, und das mit relativ wenig Erfolg. Davon müssen wir wegkommen. Wir haben zum Beispiel, was ja auch die PISA-Tests immer wieder gezeigt haben, eine sehr gute AHS, die immer im oberen Drittel mit dabei ist, und dann fallen wir sehr zurück. Wir haben die Situation, dass ein Viertel der Schüler nach neun Schuljahren nicht ausreichend lesen und schreiben kann. Daher brauchen wir Maßnahmen, die auch da ansetzen. Da können wir jetzt einmal den Streit, ob eine Gesamtschule gut ist oder nicht, weglassen. Ich sage jetzt gar nichts mehr dazu. Ich sage nur: Wir brauchen sehr guten … (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Was die Organisationsform betrifft, hat übrigens auch Professor Liessmann einmal gesagt – zur SPÖ hat er das in diesem Fall gesagt, obwohl er ja der SPÖ nahesteht, das ist ja auch schon öfters festgestellt worden –: Lasst einfach diese Begrifflichkeiten weg, und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche!

Was ist nach dem Dafürhalten der Freiheitlichen das Wesentliche? – Wir brauchen sehr gute Lehrer, und zwar brauchen wir Lehrer, für die der Beruf eine Berufung ist und nicht eben nur ein Job. Auch die gibt es! Es ist erst unlängst eine Zahl genannt worden, übrigens von der Lehrergewerkschaft selbst: Von insgesamt 120 000 Lehrern sind etwa 5 000 nicht wirklich geeignet, diese hätten besser einen anderen Beruf ergriffen. Das Problem im System ist, dass man die nicht loswird. Man wird sie einfach nicht los! Daher sollte man auch in der Ausbildung schon darauf achten, dass das nicht eine Einbahnstraße ist, in der man überhaupt nichts anderes mehr machen kann, sondern stattdessen aussteigen kann.

Ich bin der Meinung, dass man schon davor eine gewisse Auslese treffen sollte. Ich plädiere immer dafür, künftige Lehrer möglichst rasch in die Klasse zu stellen, damit sie selbst erfahren können, ob sie das können oder nicht. Und dann lassen wir sie ihre Arbeit machen, dann lassen wir sie bitte unterrichten, und das möglichst störungsfrei! So wie es viele Hunderttausende Experten beim ORF oder sonst wo gibt – Kollege Schennach hat das heute gesagt –, gibt es auch in diesem Bereich Experten. Es gibt die Eltern, die es immer besser wissen und glauben, dem Lehrer sagen zu müssen, wie er seine Arbeit zu tun hat. Von dem müssen wir auch wegkommen.

Die Schüler müssen eine gewisse Leistungsbereitschaft zeigen, und das müssen wir auch den Eltern vermitteln. Und wir müssen auch vor allem den Eltern der Zuwanderer vermitteln, dass hier unsere Regeln gelten. Was in Wien – ich kann es ja jetzt nur über Wien sagen – wirklich leider gar nicht so selten passiert, ist, dass ein Vater mus­limischen Glaubens in die Schule geht und zur Lehrerin sagt: Mit Ihnen rede ich nicht, denn Sie sind eine Frau! – Das geht überhaupt nicht! Und das passiert leider viel öfter, als man meinen möchte.

Wir brauchen in der Schule mehr Zeit zum Üben; es muss sich das Wissen verfestigen. Ich habe zufällig Kollegen Lugar im Nationalrat gehört, als er gesagt hat, man müsse ja nicht jeden Nebenfluss in Amerika wissen. Ich bin da überhaupt nicht seiner Meinung, sondern ich plädiere für Allgemeinbildung, denn Wissen hat noch nie geschadet. Ich bin zwar jetzt auch nicht der Meinung, dass man jeden Nebenfluss kennen muss, nicht auf dem Kontinent Amerika oder in Afrika, nicht einmal in Österreich, aber ich bin schon der Meinung, dass man auf den verschiedenen Kontinenten die Hauptflüsse


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wissen könnte, weil das zur Allgemeinbildung dazugehört. Man sitzt oft – vor allem dann, wenn man erwachsen ist – in einer Gesellschaft mit gebildeten Leuten, und da kann man nicht mehr googeln, da weiß man es entweder oder geht halt als ungebildet oder halbgebildet durch. Es gibt immer wieder Situationen, in denen Wissen abrufbar sein muss, und es tut nicht weh, wenn man etwas weiß.

Und wir müssen – das habe ich schon erwähnt – auch die Eltern in die Pflicht nehmen, was Benehmen, Konzentration et cetera anbelangt. Da ist auch bei uns nicht immer alles zum Besten bestellt. Das würde schon viel helfen, ohne dass wir dafür auch nur einen Cent in die Hand nehmen müssten.

Es wird immer wieder das Wohl der Kinder betont. Daher möchte ich auch nicht unerwähnt lassen – denn ich finde das wirklich schade –, dass der Antrag der FPÖ, was die Frühchen betrifft, im Nationalrat leider abgelehnt worden ist. Da kann ich Ihnen schon sagen: Es betrifft nicht einmal nur ein Sechsmonatskind. Es gibt Phasen in der Schwangerschaft, da ist es, wenn die Kinder auf die Welt kommen, manchmal unproblematischer, während es aber auch Zeitfenster gibt, wo es sehr problematisch ist. Es kann auch ein Kind betreffen, das im achten Monat zur Welt gekommen ist, das aber dann mit dem Stichtag sechs Jahre alt ist und in die Schule gehen muss. Unser Antrag war, Rücksicht darauf zu nehmen und die Eltern entscheiden zu lassen, ob ihre Kinder reif genug sind oder nicht.

Ich habe keine Ahnung, warum dieser unser Antrag abgelehnt worden ist, vielleicht aus dem üblichen Reflex: Alle Anträge der Opposition werden einmal abgelehnt, um dann irgendwann später als eigene wieder eingebracht zu werden. Aber da hätten Ihre Kollegen im Nationalrat … (Bundesrat Mayer: Das ist Ihre Logik: Das war immer so! Ja, ja!) – Na, das wäre nicht das erste Mal, dass wir erlebt haben, dass ein Antrag der Opposition abgelehnt und dann ein Jahr später unter eigenem Namen fast wortiden­tisch eingebracht worden ist. Also, Kollege Mayer, tu nicht so, als ob das noch nie passiert wäre! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Aber da hätten die Kollegen im Nationalrat ein Herz für Kinder zeigen können, was sie leider nicht getan haben. Vielleicht gelingt es beim nächsten Mal.

Insgesamt können wir diesem Paket nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

17.22


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesminister Mag. Drozda das Wort erteilen. – Bitte, Herr Minister.

 


17.22.30

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Sie sind mir leider mit Ihrer Wortmeldung zuvorgekommen, weil ich einleitend kurz die Frau Bundesministerin entschuldigen wollte, auch um Verständnis dafür werben wollte, dass sie diese internationale Ver­pflichtung, die bereits ihre Vorgängerin eingegangen ist, wahrnehmen wollte. Ich soll wirklich beste Grüße bestellen und werde ihr auch von der Debatte berichten. Sie bittet noch einmal, auch zu sehen, dass das nicht ein Desinteresse an der Sache oder am Bundesrat ist, sondern dieser internationalen Verpflichtung geschuldet ist.

Ich kann Ihnen zusagen, dass ich diese Debatte mit Aufmerksamkeit verfolgen und der Ministerin umfassend berichten werde. Wenn es Fragen gibt, die ich beantworten soll, kann ich mich ja auf Experten stützen, die zur Verfügung stehen. – Vielen Dank für Ihr Verständnis.

17.23



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 147

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


17.23.32

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich möchte das Gesetz noch einmal ein bisschen vorstellen.

Mit dem vorliegenden Bundesgesetz wird unter der Bezeichnung Schulrechtsände­rungs­gesetz 2016 ein wichtiger Schritt zur angekündigten Reform des österreichischen Bildungswesens eingeleitet. Das Gesetzeswerk umfasst nicht weniger als die Novel­lierung von 17 Bundesgesetzen, die den Bildungszugang, die Schulwahl, die Bil­dungs­angebote in der Primar- und Sekundarstufe und die Schulverwaltung an sich beinhalten.

Das bedeutet somit zahlreiche Neuregelungen sowohl in pädagogischer als auch in administrativer Hinsicht. Zentrale Punkte sind – ein paar sind schon von meiner Vorrednerin genannt worden – folgende:

Erstens: Die Neugestaltung der Schuleingangsphase; es soll der Übergang vom Kindergarten in die Volksschule unter Nutzung der im Kindergarten erworbenen Infor­mationen über die Entwicklungssituation der Kinder gefördert werden.

Zweitens: Die Ausweitung der Sprachförderung ab dem letzten Kindergartenjahr. Und es sollen die für den Schulbesuch erforderlichen Sprachkenntnisse kindergerechter und effizienter gestaltet werden.

Drittens: Mehr Autonomie in der Grundschule. Am Schulstandort kann schulpart­nerschaftlich über die Art der Leistungsbeurteilung entschieden werden. Diese kann bis zur dritten Schulstufe ohne Ziffernoten erfolgen. In der vierten Klasse der Volks- und Sonderschule hat jedenfalls eine Beurteilung der Leistungen zu erfolgen, da diese für den weiteren Bildungsweg von Bedeutung sind. Bei entsprechenden Noten entfällt zum Beispiel die Aufnahmeprüfung in der AHS-Unterstufe.

Viertens: Ob die Klassen der Grundschule nach Schulstufen getrennt oder schul­stufenübergreifend gebildet werden, kann vonseiten der Landesgesetzgebung dem Schulforum oder der Schulleitung übertragen werden.

Fünftens: Die für die Reifeprüfungen an den allgemein bildenden höheren Schulen sowie die Reife- und Diplomprüfungen an den berufsbildenden höheren Schulen nach neuen standardisierten, teilzentralen Bestimmungen festgesetzten Prüfungstaxen sollen in Hinkunft auch für die Schulen für Berufstätige und Kollegs angepasst werden sowie für die abschließenden Prüfungen bei berufsbildenden mittleren Schulen. Aufgrund des Umstandes, dass einzelne abschließende Prüfungen noch nach den alten Prüfungsbestimmungen abzuhalten sind, ist es aber erforderlich, auch die für die alten Prüfungsformen vorgesehenen Prüfungstaxen vorübergehend weiter im Rechts­stand zu behalten. Für bestimmte Prüfungstätigkeiten ist eine Aufteilung vorgesehen.

Sechstens: Die Schulorganisation und der Personaleinsatz werden flexibilisiert. Die Gestaltungsfreiheit, speziell im Bereich der Fachtheorie und der Fachpraxis, soll durch Vergabe von Lehraufträgen grundsätzlich für alle berufsbildenden mittleren und höhe­ren Schulen erweitert werden. Dies gilt auch für die höheren land- und forstwirt­schaftlichen Lehranstalten sowie für die Bundesanstalten zur Ausbildung von Leibes­erziehern und Sportlehrern.

Siebtens: Zahlreiche schulische Einrichtungen erhalten neue Bezeichnungen, um eine vereinheitlichende terminologische Anpassung an das Ausbildungssystem zu erreichen, so etwa die Änderungen der Schulartbezeichnungen im Bereich der Bildungsanstalten.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 148

Achtens: Durch Verknüpfung verschiedener Statistikbereiche soll die Sicherung der Bildungsqualität als ein weiterer Zweck der Bundesstatistik zum Bildungswesen neben der Raumordnung und der Bildungsplanung aufgenommen werden.

Neuntens: Schließlich enthält das Gesetz noch eine Reihe von neuen Regelungen im Bereich der Lehrplangestaltung sowie der Schulverwaltung, auf die ich im Einzelnen hier nicht eingehen möchte, sonst stehen wir noch länger da.

Alles in allem handelt es sich bei dem vorliegenden Regelwerk um ein Resultat lang­jähriger Überlegungen und vorbereitender Beratungen, die bereits dem Bemühen der früheren Bildungsministerin zuzurechnen sind und durch die neue Bildungsministerin tatkräftig als erster Schritt im Rahmen der noch weiter zu führenden Bildungsreform angesehen werden.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.28


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ecker. – Bitte.

 


17.29.13

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ist die Ausbildungsqualität unser oberstes Ziel in der Bildungspolitik?

Es liegen uns heute und hier eine Menge Gesetzesänderungen vor, und für mich stechen die verbale Leistungsbeurteilung anstelle von Noten bis inklusive der dritten Klasse Volksschule und dass das Sitzenbleiben abgeschafft wird, besonders heraus. Statt Noten von 1 bis 5 gibt es bis einschließlich der dritten Klasse eine verbale Leis­tungsbeurteilung, Ziffernnoten können Eltern beantragen, wenn sie dafür eine Mehrheit finden.

Wie funktioniert dann die genaue Beurteilung? Wie wissen wir, ob die Bildungsziele auch erreicht wurden? Die Leistungsbeurteilungsverordnung sah bisher sehr klare Regeln vor. Wie der Name schon sagt, geht es auch in der Schule um Leistung. Nicht nur die Leistung der Schüler zeichnet sich ab, auch die Leistung der Lehrer wird sichtbar.

Die Gefahr des Sitzenbleibens fällt weg, freiwilliges Wiederholen ist laut Gesetz nur mehr in Ausnahmefällen möglich, und auch das soll sehr rigide und sehr strikt gehand­habt werden, dazu müssen alle am Schulstandort vorhandenen Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sein. Zusätzliche Fördermaßnahmen sind nicht vorgesehen, das haben wir im Ausschuss gehört. Das ist für uns ein absolutes No-Go.

So wie Monika schon sagte, ist in der Schule schon jetzt zu wenig Zeit zum Lernen. Schlagen Sie die Zeitung auf! Sie können darin lesen, wie viel Geld Eltern für Nachhilfe ausgeben, für Lernbegleitung investieren und dass sie sich auch noch selber zu den Hausübungen setzen und Übungen mit den Kindern machen. Wir schaffen das Sitzenbleiben ab. So ist nicht mehr Zeit, das Nichtwissen aufzuholen, wenn es dann nicht zu Hause geschieht.

Ich weiß nicht, ob Sie es sich angeschaut haben, aber in den Volksschulen Österreichs wird zu einem überwältigenden Teil freiwillig wiederholt, das heißt auf Ersuchen der Eltern, weil sie der Meinung sind, ihr Kind ist in der Entwicklung noch nicht so weit und schafft es nicht, braucht noch mehr Zeit, oder die Lehrer haben es empfohlen, und es wurde in einem persönlichen Gespräch mit den Eltern geklärt und vereinbart.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 149

Halten wir uns vor Augen: Klare Notenbeurteilung verursacht bei den meisten Kindern auch Freude über die eigene Leistung! Und: Wie gespannt sind die Kinder – und ich habe auch vier davon in meinem Haushalt – auf das Zeugnis, denn Noten machen Leistungen auch messbar und vergleichbar! Dieses Bilanzziehen müssen Kinder aushalten, und auch mit nicht so guten Noten muss man sich auseinandersetzen lernen.

Kinder sind sehr wissbegierig und können mit Rückschlägen umgehen. Denken Sie an die Kleinkinder, die laufen lernen. Sie stehen immer wieder auf, sie probieren es immer wieder, denn sie wollen es lernen. (Bundesrat Stögmüller: Das ist ja kein Vergleich!) Warum ist es in der Schule so, dass bei sehr vielen Kindern dieser natürliche Drang, etwas lernen zu wollen, etwas wissen zu wollen, abhandenkommt? – Wir Erwachsene sind es, die diese Negativerfahrungen nicht aushalten und unsere Kinder davor be­wahren wollen. Aber diese Erfahrungen bereiten auf das Leben vor und geschehen in der Schule langsam und in einem geschützten Rahmen. (Bundesrat Schennach: Durch Schulangst und Schuldepression!) Das ist später sehr schwer beziehungsweise überhaupt nicht mehr möglich. Da steht die Wohlfühlpädagogik kontra Leistung und Konkurrenz. (Bundesrat Schennach: Schulangst ist das Schlimmste!)

Natürlich erwarten wir uns von Lehrern auch, dass sie loben, ermutigen, bestärken, fördern und fordern, und wenn es nötig ist, dann gibt es natürlich auch einmal tadelnde Worte. Ich denke, hier ist im Unterricht Platz, in der Pause Platz, am Schulhof Platz, am Elternsprechtag Platz, und das würden wir uns auch sehr wünschen.

Kinder brauchen in ganz vielerlei Hinsicht einen Rahmen zur Orientierung, auch in der Beurteilung. Jeder will wissen, wo er steht und was er kann. Das Noten-Aus führt auch zu Standardfloskeln, die nicht Fisch und nicht Fleisch sind. Die verbale Beurteilung als Ergänzung ist für uns sehr okay. (Bundesrat Schennach: Also Sie sind für Schul­ängste!) – Wir wären für Noten mit einer Ergänzung, was in sehr vielen Schulver­suchen auch jetzt schon sehr gut funktioniert.

Ich denke, das Modell hätte sehr gut beibehalten werden können, denn viele Eltern werden in der vierten Klasse draufkommen, „sehr bemüht“ heißt nicht automatisch AHS-reif, heißt nicht automatisch, dass das Kind in die erste Leistungsgruppe in der Neuen Mittelschule kommt. Zu diesem Zeitpunkt, nach dem ersten Semester der vierten Klasse, ist es zu spät, um zu reagieren. (Bundesrat Stögmüller: Na ja, bis zur dritten Klasse!)

Davon abgesehen gibt es Probleme an den Schulen, die viel lauter schreien. Nehmen wir die Deutschtestung durch das BFI her! Das Ergebnis ist verheerend. Viele Kinder in der Volksschule – und da sprechen wir von vier Jahren Grundausbildung, die nie mehr wieder so vermittelt wird – haben vier Jahre Grundausbildung und keine ausreichenden Deutschkenntnisse. Wie soll das später im Leben funktionieren? Fehlende Sprach­qualifikation heißt keine ausreichenden Deutschkenntnisse, heißt gravierende Lese- und Rechtschreibdefizite, heißt früher oder später Ausgrenzung, heißt erschwer­ten Zugang zum Arbeitsmarkt. Da gibt es sogar die Empfehlung des Rechnungshofes, Deutsch als Pausensprache einzuführen. In Oberösterreich gibt es dazu ganz klar die Empfehlung von ÖVP und FPÖ, es wurde so beschlossen.

Sehr erschreckend ist auch die Anzahl der Schüler, die Probleme im Verhalten im nor­malen Schulbetrieb zeigen. Hier stehen oft Schule, Elternhaus und Mitschüler hilflos da. Zusätzliche Unterstützungsstunden sind Mangelware. Nicht in jeder Schule gibt es Integrationsklassen, wo man diese verhaltensoriginellen Schüler beziehungsweise auch Schüler mit besonderen Bedürfnissen auffangen kann. Hier spart man am fal­schen Ort, denn alles, was hier hilft, macht es für die Jugendlichen später leichter, etwas zu erreichen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 150

Wir sehen an dieser Reform, dass für die Bildungsministerin die Verwaltung wichtiger ist als die Evaluierung und Zielvorgaben für Bildungsqualität. Wir erwarten uns die Erreichung der Bildungsziele! Was die Kinder in der Volksschule nicht lernen, erschwert den Wissensaufbau und einen soliden Wissensstand. In der Schule heißt es öfter: Danke, setzen, Nichtgenügend! Wir halten uns für die vorliegenden Änderungen auch an diese Note. (Beifall bei der FPÖ.)

17.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


17.35.59

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn man den Freiheitlichen so zuhört, könnte man unter Umständen schwermütig werden. (Bundesrat Krusche: Das macht Freude! Gell?) Mit Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth bin ich bei manchen Punkten einer Meinung. Vor allem, wo es um Leistung, um das Einbeziehen der Eltern geht, da gebe ich ihr völlig recht. Auch was die Sprachförderung betrifft, die jetzt neu geregelt wird, für die es jetzt mehr Planstellen gibt – die 442 Planstellen werden auf 850 Plan­stellen aufgestockt, damit eben den Kindern besser Deutsch gelehrt werden kann –, gebe ich dir recht. Das muss unbedingt sein, es ist eine Grundvoraussetzung, dass die Kinder dem Schulverlauf auch folgen können, damit sie die Grundkenntnisse erwerben können und in den ersten vier Jahren wirklich auch am Lernerfolg in der Schule teilhaben können. Wenn man ein gutes Fundament hat, das nicht auf Sand gebaut ist, kann man gut darauf aufbauen.

Das ist auch für ihr ganzes Leben wichtig, denn auch in der Wirtschaft brauchen wir junge Menschen, die rechnen, schreiben und sinnerfassend lesen können. Dafür sollte man in den ersten vier Jahren den Grundstein legen, und diese Bildungsreform ist ein erster Schritt dazu.

Bei der Beurteilung in der Volksschule war ich am Anfang auch skeptisch, nur habe ich eine Schwester, die ihre Kinder in Sistrans in der Schule hat, und dort besteht der Schulversuch. Ich habe mir das dann einmal angeschaut, ich habe zu ihr gesagt: Wie schaut das denn überhaupt aus? – Dann hat sie mir einen Beurteilungsbogen gezeigt, der sehr vielfältig ist. Es gibt auch ein ausführliches Elterngespräch, wo einmal nur die Eltern oder nur ein Elternteil dabei ist, und dann auch noch ein Gespräch mit dem Kind und den Eltern. (Bundesrätin Mühlwerth: Da bin ich aber gespannt, wie sie das mit dem Personal machen, denn das kostet alles Zeit!) – In der Volksschule Sistrans wird es gelebt und es funktioniert. Ein Punkt ist ja auch, dass sie es am Schulstandort autonom regeln können. Wenn die Mehrheit der Eltern sagt, wir wollen die Noten 1, 2, 3, 4, 5, dann gibt es auch die Noten.

Die Schulsprengelflexibilisierung ist für die Eltern toll, aber ich glaube, die Gemeinden werden eine leichte Krise bekommen. In meinem Umfeld – ich wohne in Rinn, Schulsprengel Hall – gibt es in Hall die klassischen Neuen Mittelschulen, in Absam gibt es eine Neue Mittelschule mit Sportschwerpunkt, in Innsbruck im Olympischen Dorf Neu-Rum gibt es eine Neue Mittelschule, die einen musischen Zweig hat. Wenn zu wenig Kinder in Hall eingeschult werden, sind die Bürgermeister dagegen, dass die Kinder in eine andere Schule gehen. Dann heißt es: Okay, sie können schon gehen, aber wir zahlen kein Schulgeld. Mit der Flexibilisierung muss es passieren! Ja, schauen wir einmal, wie das die Gemeinden finanziell über die Runden bekommen.

Zu den jahrgangsübergreifenden Klassen: Mein Sohn ist ins Schigymnasium Stams gegangen, allerdings ist das jetzt schon 20 Jahr her, und da hat es Module gegeben, was mir sehr gut gefallen hat. (Bundesrätin Grimling: Das bieten wir an!) Dadurch,


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dass sie sehr viel Schi und Rennen gefahren sind, haben die Kinder einfach ein Jahr hinten lassen können. Dann haben sie eben Deutsch in der dritten Klasse nicht abgeschlossen, sondern haben das dann in einem anderen Jahr nachgeholt. Das hat für mich und für meinen Sohn sehr gut gepasst, mir hat das Übergreifende, das Modul­hafte sehr gut gefallen. Natürlich mussten sie auch lernen, mussten sie auch Leistung erbringen, aber man hat es gestalten können. Ich finde das nicht so verwerflich und schlecht. Ich glaube, dass das für die Kinder schon auch von Vorteil sein kann. Das ist das erste Gesetz, das wir heute beschließen.

Aber wir haben noch ein zweites, ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten geändert werden. Ich habe es schon im Ausschuss gesagt, auf der einen Seite blutet mir das Herz, dass die HBLA Kematen nach Rotholz in den Bezirk Schwaz wandert. Die HBLA Kematen ist eine ausgezeichnete Schule, aus der wirklich ganz tolle Menschen hervorgehen, die dann auch tolle Berufskarrieren machen, aber Kematen hat 20 Jahre nicht investiert, die Schule wurde vernachlässigt. Ich will jetzt nicht sagen, aus welcher Partei der Direktor war – er war einige Zeit mit mir im Landtag , aber er hat die Schule vernachlässigt. Wenn in Kematen die Schule geschlossen wird, ist es von Vorteil, wenn der Schulstandort Rotholz gefestigt, aufgewertet wird. Ich glaube, da haben die jungen Menschen, die dann in Rotholz in die Schule gehen, auch wieder einen Vorteil.

Wir haben im Ausschuss darüber gesprochen, wie viele Klassen, wie viele Kinder am neuen Schulstandort in Rotholz unterrichtet werden sollen. Es sollen dort zehn Klassen, ein Internat mit erforderlichem Platzangebot sowie Lehrküchen, EDV-Räume, Labors, die notwendigen Büroflächen und sonstigen Räumlichkeiten für die Schule und die Bundesanstalt für Milchwirtschaft entstehen.

Der fünfjährige Lehrgang sowie der dreijährige Aufbaulehrgang Landwirtschaft und Ernährung sollen am Schulstandort Rotholz neu etabliert und durch den Ausbau des Schwerpunktes Lebensmittel und Biotechnologie, Milchwirtschaft ergänzt werden. Das ist wirklich eine sehr gute Ergänzung, in Rotholz gibt es schon die Labors für die Milchwirtschaft und auch Labors für die Samenzucht, von der ursprünglichen Samen­zuchtanstalt in Rinn ist ein Teil nach Rotholz gewandert und ein Teil nach Südtirol gegangen. (Bundesrat Schennach: Die Förster und Jäger bleiben? Die Ausbildungen für Förster und Jäger bleiben?) – Das bleibt ganz gleich, die Dreijährige, der landwirtschaftliche Meister (Bundesrat Schennach: Ich kenne die Schule!) bleibt nach wie vor in Rotholz.

Ziel ist es auch, dass die Abläufe so koordiniert werden, dass sie einander ergänzen. (Bundesrat Schennach: Genau! Okay!) Ineffiziente Abläufe sollen verhindert und Kosten gesenkt werden, indem die gleichen Räume genutzt werden. Räume stehen weniger leer, es ist eine bessere Nutzung. (Bundesrätin Grimling: … Fachschulen?) Die Fachschulen bleiben erhalten. (Bundesrat Mayer: Anfragen bitte nur schriftlich! Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach. Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Das Land Tirol und der Bund nützen sie gemeinsam.

Sämtliche Synergiepotenziale, Küche, Werkstätte, Hausbetreuung, Verwaltung und so weiter, sollen drittvergleichsfähig und entgeltlich wechselseitig zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen ineffiziente Abläufe verhindert und Kosten gesenkt werden. Diese Verschränkungen der einzelnen Dienstleistungsdimensionen zwischen dem Bund und dem Land Tirol sollen den Kern des Synergiepotenzials bilden. Es soll so ähnlich wie in Wieselburg sein, so soll es dann in Rotholz funktionieren. (Bundesrat Mayer: Sie sollen das Gesetz lesen! – Bundesrat Schennach: Nur ist Rotholz schöner!) Danke für das Kompliment an meine Heimat. (Heiterkeit.)


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Meine Fraktion stimmt beiden Gesetzen zu. Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.45


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte, David.

 


17.45.32

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Kulturminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht ist die Frau Bildungsministerin irgendwo im Ausland vor dem Bildschirm: Herzlich willkommen! (Heiterkeit.) Wir beschließen heute zwei Gesetzesänderungen, zum einen das Bun­desgesetz, mit dem das Gesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die land­wirtschaftlichen Bundesanstalten geändert wird, das haben wir im Ausschuss schon gehört, und zum anderen das Schulrechtsänderungsgesetz.

Auf dieses wirklich sehr umfassende Schulrechtsänderungsgesetz, wo wieder haufen­weise hineingepackt worden ist, wo es eigentlich ganz, ganz notwendig wäre, über jeden einzelnen Punkt ausführlich zu diskutieren, zu reden, gehe ich jetzt ein bisschen ein.

Ich schätze, viele von Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen, können sich noch an die meiner Meinung nach merkwürdige Szene erinnern, als die ehemalige Bildungsminis­terin Heinisch-Hosek und Staatssekretär Mahrer bei einer Pressekonferenz per High five (die entsprechende Handbewegung ausführend) voller Euphorie verkündet haben, vor der Sommerpause werde es ein – Zitat – „geiles Paket“ geben und das Bildungs­system gehe damit in eine neue Zeit. – Jetzt haben wir noch eine Sitzung vor der Sommerpause, und das, was uns heute präsentiert wird, geht sicherlich in die richtige Richtung, aber für mich einfach nicht weit genug, um von einer wirklich geilen Richtungsänderung im Bildungssystem zu reden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Das muss man so sagen, das verdient keinen Ordnungsruf. (Beifall bei den Grünen.)

Wie schon gesagt, der überwiegende Teil geht in die richtige Richtung. Zum einen die Sprachförderung: Da musste man eingreifen, sonst würden diese Bestimmungen einfach auslaufen, man musste etwas machen. Was ich anmerken muss: Ich finde das ganze Gesetz gerade um die Sprachförderung sehr stark reglementiert. Es gibt Sprachfördergruppen mit elf Wochenstunden statt des Regelunterrichts oder Sprachförderkurse mit elf Wochenstunden im Regelunterricht integriert. Das Ganze gibt es dann maximal zwei Jahre lang und erst ab acht SchülerInnen.

Ich wäre da wirklich für Mischformen: individuell und für eine laufende bedarfsgerechte Förderung bei weiterem Schulbesuch als ordentliche Schülerin und ordentlicher Schüler, das wäre wirklich interessant. Fakt ist – und da werden Sie, sehr geehrte Damen und Herren, und vielleicht auch Sie, Herr Kulturminister, mir sicherlich recht geben –: Sprachförderung ist eine der zentralsten Aufgaben der Schule, der Pädago­ginnen und Pädagogen. Da braucht es individuellen Einsatz, der die Schülerinnen und Schüler ihr ganzes Leben, ihr ganzes Schülerleben lang begleitet und fördert. Das würden wir in unserer Schule brauchen, das wäre wirklich geil. (Heiterkeit.) – Wenn ich schon einmal das Wort „geil“ hier verwenden darf, dann muss ich das gleich ein bisschen ausnützen. (Heiterkeit.)

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, das ist die Leistungsbeurteilung der Schülerinnen und Schüler bis zur dritten Schulstufe. Um auch auf die FPÖ ein bisschen einzugehen: 2 000 Schulversuche hat es in den letzten Jahren gegeben, 2 000 Schu­len, die extra Erfordernisse haben, dass beim Ministerium der Papierkram und alles Mög­liche erledigt werden, die dieses Projekt, diese alternative Leistungsbeurteilung wollten.


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2 000 Schulversuche jährlich: Da wurde auch klar erkannt, dass es definitiv bessere Rückmeldemöglichkeiten als das Notensystem gibt.

Das halte ich für einen guten Schritt, und ich bin auch der Meinung, unsere Exper­tinnen und Experten an den Schulen wissen, warum sie das wollen. Das können wir Grüne nur gutheißen, dass das in das Gesetz hineingekommen ist.

Im Bereich der Schulautonomie bleiben für mich aber bei den Mehrstufenklassen schon noch einige Fragen unbeantwortet. Zum einen die Frage der Ressourcen: Gibt es diese, und woher kommen diese zusätzlichen Ressourcen? Das ist eine Frage, die gerade in den Mehrstufenklassen, wenn man diese schon einführen möchte, sehr wichtig ist.

Ein Punkt, der für alle Oberstufenformen möglich ist und der auch massiv unter Kritik steht, auch wenn Ihre Beamten – also nicht Ihre Beamten (in Richtung Bundesminister Drozda), sondern die Beamten der Bildungsministerin im Ausschuss das nicht wahrgenommen haben, ist die modulare Oberstufe oder MOSt, wie man jetzt sagt. Vieles ist in der Praxis einfach nicht umsetzbar, zum Beispiel der Besuch des Unterrichts in einer anderen Schulstufe. 

Der Prüfungsaufwand für Schülerinnen und Schüler ist enorm. Auch die Semestrierung bringt bei der Unterrichtsgestaltung gerade in Musik oder bei der Kreativarbeit Prob­leme mit sich oder macht die Projekte, die über das Semester hinausgehen, schier unmöglich, das sind zum Beispiel eine Theateraufführung, Musikprojekte oder techni­sche Projekte. Einige Pädagoginnen und Pädagogen haben uns genau diese Rückmel­dung gegeben, dass das ein großes Problem für sie ist.

Aber ich möchte ja heute nicht nur Negatives herausstreichen. Besonders positiv finde ich den „Schulstart NEU“, das heißt den Übergang vom Kindergarten in die Volks­schule. Als gemeinsame Schuleingangsphase wird die Grundstufe 1 – sie umfasst das letzte Kindergartenjahr bis inklusive der zweiten Schulstufe der Volksschule  verstanden. Das finden wir sehr gut und können das als Grüne nur unterstützen.

Kritischer sehen wir dafür die Beobachtungsbögen, die eingeführt wurden, die – das haben uns auch die Beamten des Bildungsministeriums gesagt – nicht standardisiert werden. Die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sind noch nicht durchgehend für die Diagnose ausgebildet und die Lehrkräfte nicht darauf vorbereitet, diese Erhe­bungen zu lesen und daraus Schlüsse abzuleiten. Ich glaube, man hätte den Kindern die Chance geben müssen, sich zu Beginn der Schule wirklich einzuleben, die Lehrerinnen und Lehrer sollten sich jedoch nicht aufgrund der Beobachtungsbögen aus den Kindergärten schon auf die Schülerinnen und Schüler einstellen. Ich glaube, es wäre fair gewesen, wäre man diesen Weg gegangen.

Was ich auch noch sehr wichtig finde, ist die Berufsbildungsorientierung. Was ich mir da erwartet hätte oder erwarte, ist, bereits ab der 7. Schulstufe in allen Schultypen eine qualitative Berufs- und Ausbildungsinformation parallel zum Alltagsunterricht zu imple­mentieren, nicht erst ab der achten Schulstufe. Es braucht einen Ausbildungscluster an den Schulen, dort, wo es zu einem Dialog zwischen den Betrieben, dem AMS und weiterführenden Schulen kommt. Es braucht in die Schulen eingebundene Berufs­beraterInnen, sozusagen als personifizierte und soziologische Anknüpfungspunkte für die Schülerinnen und Schüler, damit auch wirklich auf die von der Bildungsministerin immer wieder erwähnten Talente der jungen Menschen eingegangen werden kann und ihnen nicht nur die nächste Oberstufe schmackhaft gemacht wird, sondern vielleicht auch mal der Lehrberuf (Bundesrätin Zwazl: Ja!), denn wir brauchen auch da talentierte und qualifizierte junge Menschen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)


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Ich habe es Frau Ministerin Hammerschmid vor ein paar Wochen bei ihrer Antrittsrede im Bundesrat schon gesagt: Was wir brauchen, ist Mut, Mut für eine neue Bildungs­politik. Wir brauchen keine geile Bildungspolitik, sondern was wir brauchen, das ist eine durchdachte Bildungspolitik für alle Jugendlichen und Kinder.

Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zu Top 11 sagen: Ich glaube, es spricht nichts gegen den Gesetzentwurf. Somit wünsche ich der Höheren Bundeslehranstalt für Landwirtschaft, Ernährung sowie Lebensmittel- und Biotechnologie in der Gemein­de Strass im Zillertal alles Gute und viel Erfolg und hoffentlich eine geile Bildungs­politik. Danke. (Heiterkeit. Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.53


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


17.53.35

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Minister! Gospod minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Es ist schon so viel gesagt worden, was dieses Paket und diese Reform alles beinhaltet, deswegen werde ich mich auf den Sinn der Bildung konzentrieren: Warum ist Bildung so wichtig? Welche Punkte sind bei dieser Schulreform für mich besonders wichtig?

Ich glaube, es gibt nur eines, das teurer ist als Bildung: keine Bildung. Bildung ist über­haupt in allen Bereichen das Fundamentalste, wie ich meine, ganz egal, ob im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich oder in der Frauenpolitik, Bildung ist das Fundamentalste in allen Bereichen.

Bildung ist für mich auch der Schlüssel für Gerechtigkeit, für Chancengleichheit. Bil­dung ermöglicht – und das ist besonders für die Frauen so wichtig – ein selbst­stän­diges, eigenständiges Leben. Deswegen glaube ich, dass wir in Bildung investieren müssen, denn jede Investition in Bildung ist praktisch eine Investition in die Zukunft, denn die Menschen, die keine Ausbildung haben, sind die Arbeitslosen von morgen.

Jede und jeder hat das Recht auf Bildung, das ist mir besonders wichtig. Bildung ist kein Privileg nur für ein paar, sondern jede und jeder – ohne Ausnahme und ohne Wenn und Aber – hat das Recht auf die qualitativ beste Bildung. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Ich glaube, dafür müssen wir ganz einfach Rahmenbedingungen schaffen.

Ich möchte mit einem Zitat fortsetzen, mit einem Zitat der Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid, die gesagt hat – ich zitiere –: Ich möchte in einem Land leben, in dem alle Kinder die gleiche Chance auf Bildung haben, egal, wer ihre Eltern sind, wo sie wohnen und welchen Namen sie tragen. – Zitatende.

Ich möchte ergänzen: Ihr wisst, ich bin seit 36 Jahren mit Begeisterung Berufs­schullehrerin. Ich stehe auf unsere Jugend und ich muss euch sagen, unsere Jugend bringt Leistung. Jugendliche sind bereit, Leistung zu bringen, sie wollen etwas tun, wenn man sie motiviert, und ich lehne jedes Demotivieren ab.

Ich möchte eine Schule, die Spaß macht, die Freude macht, wo ich gerne hingehe. Und ich möchte auf keinen Fall eine Schule der Angst, des Zitterns. (Bundesrätin Mühlwerth: Wo gibt’s denn das noch?) Ja, das gibt es! Ja, das gibt es, auch davor dürfen wir nicht die Augen verschließen. Ich möchte ganz einfach eine Schule, wo man nicht sagt, du hast einen Fünfer, du bist negativ, sondern wo man die positiven Seiten unterstreicht und Talente fördert. (Zwischenruf des Bundesrates Raml.) Okay, da ist vielleicht Nachholbedarf, aber da bist du gut, da ist deine Begabung, die sollte gefördert werden, und alle Mankos gehören zusätzlich unterstützt. Das ist für mich die Schule der Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 155

Ja, wir müssen bei den Kleinen beginnen, ganz klar. Deswegen bin ich auch für diese Schuleingangsphase, denn unsere Kindergartenpädagogen und Kindergartenpädago­ginnen, die kennen ja – so wie wir – unsere Kinder, sie sehen, wie sie spielen, zu welchen Spielsachen sie greifen. Da – das ist das, was du gesagt hast, lieber David – könnten wir schon mit der Berufsorientierung anfangen und nicht den kleinen Mädchen die Puppen in die Hand geben und die Burschen etwas bauen lassen. (Bundesrat Stögmüller: Sozialisierung ist das!) – Ja, genau, die Sozialisierung. Da könnten wir schon mit der Berufsorientierung anfangen, wenn wir die Rollenbilder aufbrechen. (Bundesrat Stögmüller: Ja!) Deswegen bin ich für jede Unterstützung der Berufsorientierung.

Und die Sprachen? – Ganz klar: Wenn jemand in meiner Klasse sitzt, der die Sprache nicht versteht, dann kann er dem Unterricht ganz einfach nicht folgen. Sprache heißt für mich auch Teilnahme an der Gesellschaft, auch das ist für mich sehr wichtig. Sprache ist für mich eine wichtige Maßnahme im Hinblick auf Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit. Ich bezeichne diese Schulreform als einen Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit und zu mehr Chancengleichheit.

Ich bin selbstverständlich für die verbale Beurteilung. Wir an unserer Berufsschule 1 praktizieren seit zehn Jahren diese verbale Beurteilung. Es gibt ein Zeugnis mit Noten und zusätzlich eine verbale Beurteilung.

Ich muss euch ehrlich sagen: Ja, ich bin als Lehrerin verpflichtet, Wissen zu vermitteln, und das ist wichtig. Ja, Allgemeinwissen ist ganz einfach wichtig, das unterstütze ich und das verlangt jeder von uns. Aber es ist auch wichtig, über Werte zu reden, über Haltungen zu reden, über Teamfähigkeit zu reden, über soziale Kompetenzen zu reden. Und gerade diese Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man nicht einfach mit Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf einstufen, sondern da brauche ich eine Erklä­rung. Ich muss euch sagen, dass meine Schülerinnen und Schüler auf diese verbale Beurteilung stehen. Deswegen bin ich für die verbale Beurteilung.

Die Berufsorientierung habe ich schon erwähnt.

Der letzte Punkt, der mir als Volksgruppenvertreterin sehr wichtig ist: Ich würde darum bitten, dass man so wie bisher bei den Bildungsgesprächen Vertreter und Vertrete­rinnen der Volksgruppen – das zu sagen ist mir wichtig – mit einbindet, damit man ganz einfach auf die besonderen Bedürfnisse der Minderheitenschule Rücksicht neh­men kann.

Ich möchte mich bei allen bedanken, bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, bei der Frau Ministerin, aber auch bei der Ministerin außer Dienst, wenn ich das so sagen darf, Gabi Heinisch-Hosek für diese Reform, für dieses Schulpaket, das meiner Ansicht nach wirklich ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Chancengleichheit und Chancen­gerechtigkeit ist.

Ich danke allen Pädagogen und Pädagoginnen, liebe Kollegen und Kolleginnen, denn die machen gute Arbeit, auf die ich stolz bin. Und ich wünsche meinen Schülern – ich sehe sie leider nicht mehr, sie schauen mir, glaube ich, heute zu – alles Gute und schöne Ferien!

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Hvala lepa. Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.02


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir kommen somit zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Schulrechtsänderungsgesetz 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf den Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Kurz sehr herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

18.03.0612. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vereinfachung der Verfahren zur Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse und Berufsqualifikationen (Anerkennungs- und Bewertungsgesetz – AuBG) erlassen und das Bildungs­do­kumen­tationsgesetz geändert wird (1084 d.B. und 1160 d.B. sowie 9601/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen, der Internationalen Atom­ener­gie-Organisation (IAEO), der Organisation der Vereinten Nationen für Indus­trielle Entwicklung (UNIDO) und der Vorbereitenden Kommission für die Organi­sation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) (1112 d.B. und 1162 d.B. sowie 9602/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Ing. Köck. Ich bitte um die Be­richte.

 


18.03.58

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Berichte liegen Ihnen in schrift­licher Form vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach der Beratung der Vorlagen am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit jeweils den Antrag, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. Dies betrifft die Tagesordnungspunkte 12 und 13.

Ich bitte, darüber zu diskutieren und abstimmen zu lassen.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 



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18.04.41

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Eine Statistik sagt, dass 31 Prozent der Berufstätigen mit Migra­tionshintergrund in Berufen arbeiten, für die sie überqualifiziert sind. Nur ein Viertel von denjenigen, die im Ausland geboren wurden und dort auch ihre Qualifikation erworben haben, stellt einen Antrag auf Anerkennung. Obwohl 82 Prozent positiv erledigt wer­den, stellt nur ein Viertel einen Antrag auf Anerkennung. Dabei wird die tertiäre Ausbildung mit 48,8 Prozent, also nahezu 50 Prozent, angegeben und die mittlere Qualifikation mit 26,6 Prozent. (Präsident Saller übernimmt den Vorsitz.)

Wir werden der Vorlage trotzdem nicht zustimmen. Ich gebe zu, es war schon inter­essant, was wir im Ausschuss gehört haben, und es ist auch nicht alles von der Hand zu weisen, indem man sagt: Na ja, das ist alles nur stichprobenartig und so weiter. Ich gebe zu, dass ich da trotzdem ein bisschen misstrauisch bin. Warum bin ich das?

Wir haben ja erlebt, was uns alles darüber gesagt worden ist, vor allem in Bezug auf die syrischen Flüchtlinge, wie toll die qualifiziert sind. Das AMS hat erst vor ein paar Monaten gesagt, dass die zu einem Großteil Akademiker sind oder Matura haben und wirklich gut qualifiziert sind, was heißt, dass die gut in den Arbeitsmarkt integrierbar wären. Man muss natürlich sagen, dass das syrische Schulsystem ein ganz gutes ist, also kann das Regime, das schon auch seine negativen Seiten gehabt hat, nicht so schlecht gewesen sein, wenn die Leute dort ein ganz gutes Schulsystem haben.

Da möchte ich Ihnen einen Artikel von „oe24“ vorlesen, in dem es darum geht, dass das AMS eben gesagt hat, wie toll das ist, und dann kommen Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zu Wort. Diese haben sich diese Qualifizierung ange­schaut und dafür fünf Kriterien ausgewertet: „die Analphabetenquote, die Schuldbil­dung vor dem Bürgerkrieg, die Berufsausbildung, das Hochschulsystem und den Unterschied zwischen den Geschlechtern“. – Das wird die Grünen freuen.

„Das Ergebnis der Studie ist dabei durchaus optimistisch. So verfügte Syrien vor dem Beginn des Krieges 2011 über ein gut funktionierendes Bildungssystem. Demnach wurden 97% der Kinder eingeschult, die Schulpflicht von 9 Jahren wird größtenteils eingehalten. Auch der Anteil von Analphabeten im Land sei vergleichsweise äußerst gering. Auffallend viele Syrer würden zudem auch über eine technische Ausbildung verfügen, zudem gibt es vergleichsweise auch sehr viele Ärzte.“

So, das würde alles dafür sprechen, was Sie da heute beschließen wollen. Dann jedoch kommt das Aber:

„Die Forscher weisen in weiterer Folge aber darauf hin, dass es dem syrischen Bil­dungssystem mitunter an Qualität fehlt. In internationalen Tests rangiert das arabi­sche Land meist im hinteren Drittel, das Ausbildungsniveau erreicht oftmals nicht den Stand zentraleuropäischer Länder. Für eine erfolgreiche Integration in den Arbeits­markt seien daher häufig Zusatzausbildungen notwendig.“

Ich gebe schon zu, wenn ich immer höre, wie sich das System da die Dinge schön­redet, die Qualifikationen nicht nur der Flüchtlinge, sondern auch der Zugewanderten wesentlich höher ansetzt, als es tatsächlich der Fall ist, dann erfüllt mich das, was uns da nun vorliegt, durchaus mit Misstrauen. Deswegen werden wir nicht zustimmen. (Zwischenruf der Bundesräte Stögmüller und Dziedzic.)

Ich gebe Ihnen ja recht: Wenn die hier bleiben dürfen, sollen sie ja auch arbeiten können und uns nicht auf der Tasche liegen, das stimmt schon. Aber eines sage ich schon auch noch kritisch, ich frage mich schon eines: Diese Anerkennung wollen Sie nun in einer gewissen Zeit machen, schneller machen, mit klareren und eindeutigeren


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Regeln und auch so gestaltet mit der Webseite, dass man weiß, an welche Stelle man sich wenden muss. Wieso haben Sie das bisher nicht gemacht? Wieso haben Sie das bisher nicht zustande gebracht? (Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.)

Um ein Beispiel zu bringen: Ein sehr guter Bekannter von mir, ein Deutsch-Chilene – da hatten wir nicht das Problem mit der Sprache – hat in Chile eine fertige Tier­arztausbildung gehabt. Das war ein zermürbender Kampf zwischen Österreich und Chile. Er hat seine Nostrifizierung nie bekommen, weil sich Österreich irgendwie an einem chilenischen Stempel gestoßen hat und die Frage war, ob der echt ist oder nicht. Schlussendlich hat er Österreich verlassen und ist nach Deutschland gegangen.

Also da hätte man ja schon viel früher ansetzen können und müssen. Immer nur dann, wenn plötzlich ein Druck da ist und vor allem Ihre viel geliebten Flüchtlinge davon betroffen sind (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), kann das gar nicht schnell genug gehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Aber wenn es nur ein paar wenige betrifft oder solche, die nicht aus Syrien oder Afghanistan oder sonst woher kommen, geschieht überhaupt nichts.

Das ist zwar nicht der eigentliche Grund für die Ablehnung, aber es steht schon ein bisschen hintennach. Grundsätzlich bin ich nicht davon überzeugt, dass das wirklich so funktionieren wird, wie Sie es darzustellen versuchen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.10


Präsident Josef Saller: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Oberlehner zu Wort. – Bitte.

 


18.11.00

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Seherinnen und Seher vor den TV-Geräten! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin kann ich natürlich nur sagen, dass ich Ihnen und der FPÖ insge­samt manchmal ein bisschen mehr Vertrauen wünsche. Ich glaube nämlich, wenn wir die Welt positiv entwickeln wollen, ist Vertrauen eine wichtige Voraussetzung dafür. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Und ich wünsche euch, dass ihr manchmal positive Beispiele sucht, denn von diesen gibt es zumeist viel mehr als von den negativen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Gerade im Zusammenhang mit der derzeitigen Flüchtlingssituation ist es besonders wichtig, auch die verschiedenen Rahmenbedingungen für die Integration besonders gut zu lösen und möglichst gut und effizient zu gestalten. Zweifellos ist eine solche Rahmenbedingung auch die Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsab­schlüsse und Berufsqualifikationen. Eine Vereinfachung dieser Regelung ist absolut notwendig. Ich halte es für ganz besonders wichtig, da etwas zu tun.

Das ist eine wichtige Maßnahme, damit Menschen, die zu uns kommen und Aufgaben und Aufnahme finden, eine Arbeitserlaubnis bekommen und rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Die Anerkennung ausländischer Berufsberechtigungen ist oft eine sehr bürokratische Angelegenheit und oft sehr schwierig, weshalb natürlich auch eine gute Beratung für die Betroffenen eine ganz wichtige Angelegenheit ist. Die Verbesserung dieser Beratung ist ein wichtiges Thema in diesem Bereich.

Diesbezüglich gibt es ja schon sehr viele gute Beispiele, wie das Mentoring für MigrantInnen der Wirtschaftskammer, das hervorragend ist und, wie ich weiß, auch sehr erfolgreich angeboten wird. (Bundesrat Mayer zeigt auf das rote Licht am Red­nerpult, das zu blinken begonnen hat. – Bundesrätin Mühlwerth: Die Lampe leuchtet jetzt schon! – Allgemeine Heiterkeit.) – Die Lampe blinkt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Und was soll ich jetzt machen? (Bundesrat Mayer: Rede weiter! – Das rote


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Licht am Rednerpult hört auf zu blinken.) – Ich lasse mich von der Lampe nicht beirren. Ich glaube, da haben sie uns beide zusammengerechnet. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ein großes Problem derzeit ist ja, dass – und das wurde schon gesagt – ein hoher Pro­zentsatz der in Österreich Beschäftigten mit Migrationshintergrund unter ihrer eigent­lichen Qualifikation beschäftigt wird. Das ist eigentlich eine große Ressourcenver­geudung, weil wir da viele Potenziale hätten, die wir verwenden könnten.

Vor allem in Mangelberufen wären wir oft sehr interessiert und haben dringenden Bedarf, diese Menschen in den Arbeitsprozess einzubringen. Es ist schade, dass wir diese Potenziale nicht nützen. Zudem haben wir auf dem Arbeitsmarkt gerade im Bereich der Niedrigqualifizierten ohnehin einen sehr großen Druck. Dieser Druck wird auch noch erhöht, weil wir da eben Leute in Niedrigqualifikationen verwenden, obwohl sie höhere Qualifikationen anbieten könnten.

Es geht da keineswegs, so wie es manchmal gesagt wird, um ein großzügiges Ver­schenken von irgendwelchen Qualifikationen, sondern vor allem um eine sinnvolle Beschleunigung und Vereinfachung der Anerkennungsverfahren für Migranten. Eine Verbesserung sowohl für die Migranten als auch für die Arbeitgeberinnen und Arbeit­geber wäre das Ziel. Das sollte sich mit dieser Regelung auch entsprechend ent­wickeln.

Natürlich muss – und da sind wir uns, glaube ich, alle einig – unabhängig von derar­tigen Maßnahmen weiter sehr intensiv daran gearbeitet werden, dass die Situation der Menschen vor allem in den Herkunftsländern verbessert wird, unter anderem durch mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, wie das ja auch gerade in der jüngsten Vergangenheit angegangen und gemacht wurde, und dass man ent­sprechen­de Maßnahmen vor Ort setzt, wofür sich unser Außenminister sehr einsetzt und sich auch in der internationalen Zusammenarbeit und Entwicklung sehr starkmacht. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Vienna International School möchte ich ebenfalls noch eine kurze Anmerkung machen und ein paar Sätze und Gedanken sagen: Grundsätzlich sollten wir in Öster­reich heilfroh sein, dass wir in Wien den Sitz von 37 internationalen Organisationen haben. In Österreich und speziell in Wien haben wir eine sehr hohe Anzahl von inter­nationalen Organisationen. Wir dürfen froh und stolz sein, dass es trotz größter Kon­kur­renz aus vielen Staaten immer wieder gelingt und in den letzten Jahren hervor­ragend gelungen ist, diese Organisationen in Österreich zu halten. Es sind sogar noch neue Organisationen dazugekommen, was sehr erfreulich ist.

Neben den damit zweifellos verbundenen politischen Vorteilen ergeben sich daraus auch ganz große wirtschaftliche Vorteile. Laut einer Studie von Ernst & Young hängen zirka 10 000 Jobs direkt oder indirekt damit zusammen. Daraus ergibt sich, wie diese Studie errechnet, jährlich ein volkswirtschaftlicher Nutzen von zirka 1,4 Milliarden € – 1,4 Milliarden € pro Jahr für die Republik Österreich, Tendenz steigend.

Daher ist es natürlich umso wichtiger, dass wir im Umkehrschluss gute Bedingungen für die Beschäftigten dieser internationalen Organisationen in Österreich und speziell in Wien anbieten. Es ist deswegen sehr wichtig, dass wir die entsprechenden Verträge, die es mit diesen Organisationen gibt, bestens einhalten und erfüllen.

Zirka 1 400 Schulplätze bietet dabei die Vienna International School an. Die Kosten, die der Republik dafür entstehen, sind nur ein kleiner Bruchteil des volkswirtschaft­lichen Vorteils, den ich zuvor schon erwähnt habe. Gerade gute Schulen und Bildungs­mög­lichkeiten sind für internationale Organisationen zweifellos ein ganz wesentlicher Gradmesser eines interessanten Standortes. Das ist etwas, was in Österreich sehr gut funktioniert.


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Es ist also zweifellos gescheit und vernünftig, gute Angebote zu haben und die Bedingungen für die Integration zu verbessern. Zu beiden Tagesordnungspunkten wird es daher seitens meiner Fraktion die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Kurz.)

18.17


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Mag. Dr. Dziedzic zu Wort. – Bitte.

 


18.17.40

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Diese Reform bezüglich Bil­dungs­abschlüssen und Berufsqualifikationen hätte ja ein großer Wurf werden sollen. Ich glaube, Sie haben schon vor drei Jahren angekündigt, dass das ein bahnbrechen­des Gesetz wird. Uns geht das – wahrscheinlich wenig überraschend für Sie – nicht weit genug.

Eine wirklich effizientere Gestaltung des Verfahrens zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse blieb aus. Immerhin gibt es nun eine gesetzliche Grundlage, die verankert ist, und es ist auch begrüßenswert, dass besondere Bestimmungen für Asyl­berechtigte und subsidiär Schutzberechtigte eingeführt worden sind und die Bewertung von ausländischen Abschlüssen rechtlich verankert wird. Das heißt nämlich, dass die Bewertungen der Ministerien für Personen, die keine Bildungsabschlussdokumente vorweisen können, in Zukunft auch verpflichtend vom AMS und anderen Ansprech­stellen berücksichtigt werden müssen. Das war bislang nicht der Fall, weswegen das auf jeden Fall positiv zu erwähnen ist.

Deutschland war das große Vorbild dieses Gesetzentwurfs. Deswegen werde ich ganz kurz ein paar Punkte dahin gehend aufzählen, was dort besser funktioniert, aber nicht Eingang in dieses Gesetz gefunden hat. Zum Beispiel ermöglicht Deutschlands Gesetz ein viel unbürokratischeres Verfahren, das für alle bundesrechtlich geregelten Berufe möglichst einheitlich und transparent ist. Bei uns gibt es eine viel stärkere Regle­mentierung – das ist weitgehend bekannt –, und auch die Zuständigkeiten sind in Österreich nach wie vor komplex geregelt.

Zum anderen kann in Deutschland durch eine praktische Ausbildung ein gleichwertiger Abschluss erlangt werden, wenn zum Beispiel die entsprechenden Dokumente fehlen, was bei Flüchtlingen ja oft der Fall ist, oder Drittstaatsqualifikationen können relativ rasch anerkannt werden. In Österreich braucht es eine Nostrifizierung, wie wir heute schon gehört haben. Wir wissen aus Deutschland, dass diese dort zum Großteil eigentlich schon passé ist.

Vielleicht noch zur Erinnerung, weshalb dieses Gesetz mehr oder weniger fast schon notwendig war: Die OECD hat bereits im Jahr 2011 und dann abermals im Jahr 2015 Österreich aufgefordert, das Anerkennungsverfahren für Migranten und Migrantinnen zu verbessern, da eben viele einer nicht ausbildungsadäquaten Beschäftigung nach­gehen. Die Statistik, die Sie vorhin erwähnt haben, stimmt jedenfalls.

Das heißt, alles in allem gibt es Verbesserungen, die wir auch unterstützen, weshalb wir diesem Antrag zustimmen werden. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass es eine tatsächliche Vereinfachung und transparenter ist und es möglich wird, dass diese Anerkennungen effizienter vor sich gehen. Da wäre aus unserer Sicht noch ein bisschen Luft nach oben.

Da die Tagesordnungspunkte zusammengefasst sind, nun noch einige kritische An­mer­kungen zur Vienna International School. Auch uns ist die Sicherstellung des Schulsystems für Kinder internationaler Bediensteter sehr wichtig. Ebenso wichtig ist es, dass der Amtssitz Wien nicht geschwächt wird. Aber wir wissen, dass diese Schule


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 161

bis Mitte 2014 jährlich mit rund 5 Millionen € aus dem Unterrichtsbudget gefördert worden ist. Dazu kamen auch noch die Bereitstellung der Liegenschaft, auf der das Schulgebäude steht, die im Eigentum des Bundes ist, sowie die Erhaltung des Gebäu­des, die bei der Stadt Wien liegt.

Da das alles mehr gekostet hat als das Alternativschulwesen insgesamt, wird bereits seit Jahren eine Debatte darüber geführt, warum gerade diese Schule solch enorme Mittel erhält. Diese Frage stellt sich aus unserer Sicht nach wie vor.

Aus der Vereinbarung geht hervor, dass die internationalen Organisationen einen Bildungsbeitrag erhalten. Offenbar geht auch dieser ausschließlich an die Vienna International School.

Ich möchte dazu einige Zahlen nennen, damit fassbar wird, um welche Beträge es sich dabei handelt: 2016 – 8 Millionen €, 2017 – 3 Millionen €, 2018 – 2 Millionen €, 2019 ebenfalls 2 Millionen €, die sozusagen in der UG 45, Bundesvermögen, veranschlagt und verrechnet werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, soweit wir wissen, diesen Bildungsbeitrag auch in Zukunft zu leisten.

Ob das zu viel, zu wenig oder dann doch irgendwie überbordend ist, ist, glaube ich, relativ. Jedenfalls nach wie vor problematisch ist, dass eben genau diese Schule trotz der doch recht gut dotierten Bildungsbeiträge für viele tatsächlich nicht mehr leistbar ist.

Ich weiß nicht, ob Sie das wissen: Die Bediensteten haben einen Brief verfasst, ein Protestschreiben, das sich gegen die Vienna International School richtet, weil sie trotz der horrenden Förderung durch die Republik Österreich den Besuch dieser Schule für ihre Kinder gar nicht mehr bezahlen können. Sie müssen – das sagen sie selbst – ihre Kinder mittlerweile woanders hinschicken. Ich erwähne hier nur eine Zahl: Allein die Einschreibgebühr beträgt 29 000 €.

Das hat zur Folge, dass nur noch 45 Prozent der 1 400 Schüler und Schülerinnen aus Familien von UNO-Mitarbeitern kommen, und sonst finden sich dort Kinder einheimi­scher, natürlich gut betuchter Familien wieder, die sich das leisten können. Das heißt, das Argument mit der Sicherstellung eines Schulsystems für Kinder internationaler Bediensteter stimmt so nicht mehr.

Bei solchen Privilegien – ich nenne das bewusst so – sind die Bildungsbeiträge, die ausschließlich an diese eine Schule gehen, aus unserer Sicht nach wie vor nicht gerechtfertigt. Deswegen bekommt dieser Vorschlag nicht unsere Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

18.24


Präsident Josef Saller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.

 


18.24.51

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Fernsehzuschauerinnen und ‑zuschauer! Natürlich, Frau Kollegin Mühlwerth, wäre es sinnvoll gewesen, das, was wir jetzt machen, schon vor zwei, drei oder sogar vier Jahren zu machen – keine Frage –; aber es ist jetzt eben notwendiger denn je, etwas zu tun, denn das, was bisher in den Raum gestellt und gesagt wurde, stimmt alles. Insofern war es eben notwendig, die Verfahren endlich einmal zu vereinfachen, die Integration zu fördern und einen erleichterten Zugang für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte zu schaffen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 162

Worum geht es denn eigentlich inhaltlich? – Einerseits werden wir dieses Anerken­nungsportal bekommen, das mit Sicherheit sinnvoll sein wird, weil die Leute nach­schauen können und dann wissen, an wen sie sich wenden können. Das wird aber trotzdem zur Folge haben, dass die Beratungsstellen noch einmal ausgebaut werden müssen, denn ohne sie wird es auch in Zukunft nicht gehen.

Es wird die besonderen Verfahrensbestimmungen für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte geben, was ebenfalls sehr sinnvoll ist. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen werden endlich angeglichen, und es wird eine statistische Erfassung geben, die notwendig ist, um zu wissen, wohin es in Zukunft gehen soll.

Wenn du das deutsche Beispiel ansprichst, so ist Deutschland Deutschland, und wir sind in Österreich; hier sind nun einmal die Bedingungen etwas anders.

Bei allem Wohlwollen, das wir diesem Gesetz natürlich entgegenbringen, müssen wir auch feststellen: Es geht darum, Hürden für potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer zu senken, aber das darf dann nicht zur Folge haben, dass die Qualität des Arbeitsmarkts sinkt. Die Qualität unseres Arbeitsmarkts, das Niveau unseres Arbeits­markts ist uns wichtig, und ich denke, es muss gewährleistet sein, dass das beibe­halten werden kann.

Wir haben ja schon gehört, Zuwanderer – und es geht jetzt nicht nur um Flüchtlinge, sondern einfach um Menschen, die aus verschiedenen Gründen zu uns gekommen und hier asylberechtigt sind – haben eine wesentlich höhere Qualifikation, als die Leute landläufig oft meinen. Aus einer Studie geht hervor, dass gerade in Österreich der Prozentsatz der besser Ausgebildeten höher als im EU-Durchschnitt ist, auch höher als in den USA, und dass dieses Niveau in den letzten Jahren weiter angestiegen ist.

Was die Flüchtlinge aus Syrien betrifft beziehungsweise die Schulqualität, die Aus­bildungsqualität – genau darum geht es in dieser Novelle; es geht darum, in Österreich festzustellen, welches Niveau die Leute wirklich haben –: Wir brauchen uns jetzt nicht mit dem Schulsystem dort zu beschäftigen, das vor vier Jahren kaputt gemacht worden ist, sondern wir stellen in Österreich fest: Was haben die Menschen dort gelernt? Entspricht der Studienabschluss unserem Studienabschluss? Entspricht die Berufsbil­dung unserer Berufsbildung? Können sie das, was sie können sollen? Es gibt jetzt auch neue Verfahren, mit denen man das wirklich feststellen kann.

Was ich ebenfalls sehr begrüße, ist die Tatsache, dass es auch für Menschen, die keine Zeugnisse haben – und das betrifft jetzt wieder vor allen Dingen Flüchtlinge, denn es kommen viele, die alles verloren haben, auch ihre Qualifikationszeugnisse –, objektive Verfahren geben wird, damit man feststellen kann, was sie bereits können und was sie noch dazulernen müssen, um unsere Qualifikationsstufen zu erreichen, egal, auf welchem Niveau sie sind: vom einfachen Arbeiter bis zum Akademiker.

Wir hatten im Ausschuss eine wirklich interessante Diskussion und haben festgestellt: Ein Arzt, der sagt, er ist ein Arzt, muss trotzdem beweisen, dass er ein Arzt ist, wenn er keine Qualifikationsnachweise vorlegen kann, und muss halt noch das dazulernen, was wir brauchen, damit er hier auch als Arzt arbeiten kann.

Werden alle durch diese Verfahren in den Arbeitsmarkt aufgenommen werden? – Nein, natürlich nicht. Es wird immer welche geben, die es trotzdem nicht schaffen werden, sei es aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder einfach, weil sie es nicht schaffen, diese Qualifikationen, die bei uns dann doch gefordert sind, nachzuholen. Es ist aber wesentlich, dass wir die verkürzten Verfahren bekommen, dass die Leute Rechts­sicher­heit haben und wissen, ihr Antrag wird behandelt, und es nicht Monate, Jahre dauert.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 163

Sie wissen alle, dass ich ehrenamtlich in einem Verein für ausländische Frauen, Frauen mit Migrationshintergrund arbeite: Wir haben unzählige solche Fälle. Ich weiß, wie schwierig es ist, eine Nostrifizierung zu erreichen. Es dauert oft Ewigkeiten und wird zum Schluss dann doch abgelehnt. Auch in anderen Fällen dauert jede Antwort Ewigkeiten. Ich hatte einen Fall, bei dem es monatelang hin und her ging und sich zum Schluss herausstellte: Sie brauchte gar kein Nostrifizierungsverfahren, weil sie ohnehin in einem Beruf ist, in welchem man das nicht braucht.

Da gibt es also vieles zu verbessern, und ich hoffe sehr, dass das mit dieser Regelung gelingt und schneller geht, denn es nützt, wie schon gesagt worden ist, den poten­ziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und natürlich auch denen, die diese Leute einstellen wollen. Auch sie müssen sicher sein, dass die Person das kann, was sie erwarten. Es nützt uns insgesamt, denn es macht keinen Sinn, qualifizierte Leute in Niedriglohnjobs zu haben, in einem Bereich, in dem wir ohnehin höchste Arbeitslosen­zahlen haben, sodass diese dort den anderen Konkurrenz machen. Wir befürworten daher dieses Gesetz sehr und hoffen, dass es sich in der Praxis bewähren wird.

Zu Tagesordnungspunkt 13, Vienna International School: Die Antwort auf das, was Kollegin Dziedzic angesprochen hat, überlasse ich dem Herrn Minister, denn im Ausschuss sind uns andere Zahlen genannt worden. Da hat es noch geheißen, dass nur 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus Nicht-EU-Organisationen sein dür­fen. Wenn das jetzt ganz anders ist, dann bitte ich Sie, das selbst zu beantworten, das weiß ich nicht.

Ich denke mir, es ist wichtig, dass wir eine Schule haben, die sicherstellt, dass die Kinder jener Menschen, die in den internationalen Organisationen arbeiten, eine sehr gute Ausbildung bekommen. Diese bekommen sie in dieser Schule mit Sicherheit. Wir haben schon gehört, es sind 1 400 Schülerinnen und Schüler aus 100 verschiedenen Nationen, die ungefähr 70 verschiedene Sprachen sprechen. Das Schulsystem ist das englische beziehungsweise das amerikanische. Sie werden auf ein internationales Bakkalaureat vorbereitet. Das System ist ein gutes, aber es sollte natürlich schon den Zweck erfüllen, der ihm zugedacht ist.

Was die genannten Kosten anlangt, diese 8 Millionen €, so enthält die Zahl für 2016 auch die Zahlung aus 2015. Früher haben wir ja noch mehr gezahlt, die Zahlung geht also eigentlich zurück. Wir sehen es in unserer Fraktion als Verpflichtung an, Ange­hörigen von internationalen Organisationen, von denen wir ja sehr viel profitieren, eine adäquate Ausbildung anzubieten, deshalb werden wir dafür stimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


18.32.44

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ein paar Sätze auch noch kurz zu diesem Tagesordnungspunkt 13 und dem Abkommen: Wir Freiheitliche teilen die Meinung der Kollegin. Wir sehen das auch recht kritisch. Selbstverständlich sind wir für den Standort Wien, auch mit den unterschiedlichsten Einrichtungen der UNO, aber die Sonder­privilegien bezüglich dieser Schule sehen wir ebenfalls nicht ein.

Kurz mache ich hier aber noch einen Abstecher zu einem etwas anderen Thema, und zwar möchte ich gerade in diesem Zusammenhang die Bundesstellen ansprechen. Es kann meiner Meinung nach nämlich nicht sein, dass von 69 Bundesstellen insgesamt nur vier in den Bundesländern und alle anderen in Wien angesiedelt sind. Ich denke,


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dass es sicherlich vorteilhaft wäre, wenn es in Österreich ähnlich wie in der Schweiz oder in Deutschland organisiert wäre und die Bundesstellen etwas besser aufgeteilt wären. Die anderen acht Bundesländer würden davon sicherlich sehr profitieren. Es wäre dann dem Prinzip der Bundesverfassung Genüge getan, wenn auch da ein bun­desstaatliches Prinzip gelebt wird. Vielleicht sagen Sie etwas dazu, Herr Minister, vielleicht gibt es da bereits Absichten. Auf jeden Fall würde ich mir das von der Regierung wünschen.

Zurück zum Abkommen: Ich möchte unterstreichen, dass wir das Ganze kritisch sehen. Der Grund für unsere Ablehnung ist, dass wir die rund 15 Millionen € Steuergeld als Beitrag für die Vienna International School für die nächsten vier Jahre als nicht gerechtfertigt empfinden. Es werden ja auch die Liegenschaft zur Verfügung gestellt und die angesprochenen Gebäudeerhaltungskosten übernommen. Es gibt zudem sicherlich andere Einrichtungen in Österreich und Wien – Stichwort Danube Interna­tio­nal School Vienna –, die nicht gefördert werden. Es findet also eine einseitige Förde­rung dieser Schule statt.

Grundsätzlich haben wir Freiheitliche selbstverständlich nichts gegen Privatschulen, wir sehen da aber eine Ungleichbehandlung. Interessant ist auch, dass nur diese Schule gefördert wird. Das ist deswegen sehr interessant, weil diese Schule auch hohe Rücklagen, die sich ungefähr mit der Fördersumme decken, und zusätzlich noch andere Rücklagen in petto hat.

Der Protestbrief ist angesprochen worden. Ich denke auch, dass es unglaublich ist, dass rund 29 000 € bezahlt werden müssen, wenn man sich in diese Schule ein­schreibt.

Wir Freiheitliche sagen Ja zur Bildung, Ja zu Kindern und Ja zu Schulen, aber eben Nein zu einer Ungleichbehandlung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.35


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kurz. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


18.35.55

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf mich zum Thema Anerkennungsgesetz und auch Vienna International School zu Wort melden.

Ich möchte mit dem Anerkennungsgesetz beginnen und vielleicht einige Sorgen, die geäußert worden sind, ausräumen.

Es ist, so wie ich gesagt habe, ein wichtiger Schritt. Es bedeutet nicht, dass Quali­fikationen in Zukunft egal sind. Es bedeutet keine Nivellierung nach unten. Es bedeutet nicht, dass dieses Gesetz nur für Flüchtlinge und nicht für Migranten gemacht ist, sondern ganz im Gegenteil: Wir haben, als ich Staatssekretär für Integration wurde, gleich von Beginn an daran gearbeitet, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen zu erleichtern – nicht um jemandem etwas zu schenken, sondern weil es für das Individuum frustrierend ist, nicht seiner Qualifikation entsprechend arbeiten zu können, und weil es für uns volkswirtschaftlich ein Nachteil ist, wenn jemand, der zum Beispiel ausgebildeter Mediziner ist, als Taxifahrer tätig ist, obwohl wir einen Mangel an Medizinern haben.

In diesem Sinne bin ich froh, dass es uns gelungen ist, ein Anerkennungsgesetz zu schaffen, das Anerkennungen rascher, unbürokratischer möglich macht und gleich­zeitig auch einen Rechtsanspruch sicherstellt, dass man innerhalb gewisser Fristen die Auskunft erhält, ob die eigene Ausbildung anerkannt werden kann oder eben nicht. Mit einer Nivellierung nach unten hat das nichts zu tun.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 165

Warum ist das jetzt erst schlagend geworden? – Weil so ein Gesetz eine gewisse Vorbereitungsarbeit braucht. Sie wissen sicher: Es gibt unzählige Stellen in Österreich, die dafür zuständig sind beziehungsweise sich zuständig fühlen, von den Ländern über die verschiedenen Ministerien bis hin zu den Sozialpartnern. Ich darf mich bei allen Beteiligten, die mitgearbeitet haben und teilweise auch bereit waren, uns ein Stück weit entgegenzukommen, um dieses Gesetz möglich zu machen, bedanken.

Dass es darüber hinaus immer noch Fälle geben wird, bei denen eine Anerkennung nicht möglich ist, möchte ich auch gleich ansprechen, denn das Gesetz soll ja nicht regeln, dass jemand, der keine vergleichbare Qualifikation hat, jetzt auf einmal diese Qualifikation anerkannt bekommt. Vielmehr soll es regeln, dass die Anerkennung, wenn die Qualifikationen vergleichbar sind, möglichst rasch und unbürokratisch erfolgt.

Zur Vienna International School: Ich bin froh, dass wir 37 internationale Organisationen in Wien haben, nicht nur weil das für einen Außenminister interessant ist und es uns politische Vorteile bringt, sondern weil das auch monetär eine große Sache ist. Es bringt uns einige Hundert Millionen Euro an Umwegrentabilität, es sichert Tausende Jobs. Insofern sollten wir diese internationalen Organisationen hegen und pflegen und auch dafür kämpfen, dass sie nicht in andere Staaten abwandern, die ihnen bessere Angebote machen, als wir es zu tun imstande sind.

Dass Bedienstete die Möglichkeit haben, ihre Kinder in eine gute und englisch­sprachige Schule zu schicken, ist ein ganz wesentlicher Punkt. Insofern bin ich froh, dass wir einen Modus gefunden haben, die internationalen Organisationen mit einem Bildungsbeitrag zu unterstützen. Dass diese internationalen Organisationen für sich die Vienna International School als am geeignetsten empfinden, ist eine Entscheidung, die ich respektiere und auch nicht weiter kommentieren möchte.

Unsere Aufgabe muss es sein, dafür zu sorgen, dass die Organisationen und die Bediensteten in Österreich gerne arbeiten, gerne leben, und somit sicherzustellen, dass die Zahl der internationalen Organisationen größer und nicht geringer wird. In diesem Sinne lade ich Sie ein, uns zu unterstützen. Das ist nicht nur im Sinne einer Partei oder eines Außenministers, sondern das ist im Sinne von uns allen in Öster­reich. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.40


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Anerkennungs- und Bewertungsgesetz erlassen und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergie-Organisation, der Organisation der Verein­ten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 166

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.41.4714. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei andererseits (1085 d.B. und 1161 d.B. sowie 9603/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen nunmehr zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. Ich bitte um den Bericht.

 


18.42.13

Berichterstatter Gerhard Schödinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswär­tige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betref­fend Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Euro­päischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei anderer­seits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Josef Saller: Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich lasse über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

18.44.1815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Kosovo zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1148 d.B. und 1163 d.B. sowie 9604/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 167

Präsident Josef Saller: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 15 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. Ich bitte um den Bericht.

 


18.44.43

Berichterstatter Gerhard Schödinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2016 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Kosovo zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Josef Saller: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


18.45.32

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Es ist eigenartig, warum Österreich gerade bei diesem Antrag der Republik Kosovo zur Befreiung von ausländischen öffentlichen Urkunden von der Beglaubigung einen Einspruch macht.

Wir kennen die Republik Kosovo, sie liegt an der 103. Stelle im Korruptionsindex und hat nicht das beste Ansehen. Ich weiß das, ich war selbst einmal im Kosovo Wahlbeobachter im Rahmen des Europarates und habe das miterleben können, dass neben Wahlen auch große Korruption herrscht.

Ich glaube, dass wir den Kosovo auf einem demokratischen Weg unterstützen und begleiten sollen, damit er von der Korruption wegkommt. Die Korruption ist ja nur deshalb so hoch, weil das Einkommen so niedrig ist und eine sehr hohe Arbeitslosig­keit bei den vielen Volksgruppen, die es dort gibt, herrscht: die serbisch-stämmigen, die türkisch-stämmigen, die ägyptisch-stämmigen Ashkali, die Roma, die albanischen oder die bosniakischen Volksgruppen.

Bei den Roma zum Beispiel gibt es eine Arbeitslosigkeit von 98 Prozent, bei den ägyptisch-stämmigen Ashkali eine ähnlich hohe Arbeitslosigkeit. Dort gehört der Hebel angesetzt, dass man jene Volksgruppen besser unterstützt und die staatlichen Struk­turen verbessert, um der Korruption Einhalt zu gebieten. Bis dahin ist es aber besser, wir anerkennen die Urkunden nicht; deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

18.47


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


18.48.12

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Werte Kollegen! In der Vergangenheit gab es bereits ähnliche Fälle. Ich kann mich an die Republik Tadschikistan erinnern, da ging es mehr oder minder um das Gleiche. Wir haben auch damals diesen Einspruch unterstützt. Zum Kosovo ist zu sagen, dass sicherlich auch diese Region leider nicht gerade eine sehr sichere Region ist und dort, wie bereits erwähnt wurde, der Korruption und der Kriminalität in großen Bereichen vielfach immer noch Tür und Tor geöffnet sind.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 168

Zu erwähnen sind gewisse Dinge, die dort einfach geschehen, insbesondere der Drogenhandel, eine unkontrollierte Prostitution und auch Menschenhandel. Ich kann mich selbst an einen Fall bezüglich Urkundenfälschung erinnern. Als ich dort unten war, wurde eine Urkunde innerhalb weniger Stunden ausgestellt, die eigentlich etwas bestätigte, das schon ziemlich lange zurücklag. Und dass diese Urkunde innerhalb kür­zester Zeit bei der Behörde in Österreich auflag, legt doch sehr nahe, dass dort Urkun­den eben käuflich zu erwerben sind. Der 103. Platz im Rahmen von Transparency International ist auch nicht gerade rühmlich.

Selbstverständlich hoffen wir Freiheitliche, dass sich dort die Situation auch einmal verbessert, aber die derzeitige Situation ist eindeutig. Wir können diesen Einspruch nur unterstützen und werden diesen Einspruch auch befürworten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

18.49


Präsident Josef Saller: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic. – Bitte.

 


18.50.08

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Aufgrund der Korruption und des niedrigen Einkommensniveaus ist tatsächlich nicht auszuschließen, dass Urkun­den mit unrichtigen Inhalten käuflich erworben werden können. Das ist vor allem prob­lematisch, wenn es sich um Urkunden im Personenstandswesen handelt, aber auch im Bildungsbereich stellen sie ein Risiko dar, und die österreichischen Behörden können das bekanntlich nicht überprüfen.

Deshalb in aller Kürze: Wir stimmen dem Einspruch zu. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

18.50


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

18.51.2916. Punkt

Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2016 bis 2018 (III-584-BR/2016 d.B. sowie 9605/BR d.B.)

 


Präsident Josef Saller: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. Ich bitte um den Bericht.

 


18.51.42

Berichterstatter Gerhard Schödinger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegen­heiten über das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2016 bis 2018.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 169

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den vorliegenden Bericht des Natio­nalrates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Josef Saller: Ich danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte.

 


18.52.31

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit werden sehr oft kritisiert, sie würden nur in korrupten Kanäle versickern und nicht dort hinkommen, wo sie hinkommen sollen; deshalb möchte ich einmal ein paar konkrete Beispiele aufzeigen.

Die Kleinmolkerei in Dédougou, einer Stadt im westlichen Burkina Faso, ist ein noch sehr junges Unternehmen und besteht erst seit dem Jahr 2012. Sie sammelt Milch von den Rinderzüchtern, verarbeitet sie zu pasteurisierter Milch, Joghurt und Käse. In den örtlichen Geschäften ist die Nachfrage nach diesen Produkten sehr groß. Die Molkerei ist die erste in der ärmsten Region des Landes, sie hat zehn feste Beschäftigte, vier MilchsammlerInnen, 20 Verkäuferinnen, und zehn Rinderzüchter liefern zur Molkerei.

Hamadou Diakité ist ein älterer Rinderzüchter und einer der Zulieferer der Molkerei. Früher musste er lange und weit zu Fuß gehen, um seine Milch zu verkaufen. Jetzt verkauft er an diese Molkerei: Jeden Tag verkaufe ich 20 Liter um 6 000 Francs, erzählt er stolz. – Das ist ein beachtliches Einkommen in dieser Region, er konnte sich damit eine Brille kaufen und kann sich die Schulkosten für seine Kinder leisten.

Mariam Boly, eine Angestellte der Molkerei, verwendet ihr Gehalt für die Schule der Kinder und für medizinische Versorgung. Sogar ein paar Ersparnisse kann sie damit anlegen. Sie sagt: Meine Kolleginnen und ich haben uns neue Fahrräder gekauft, und wir müssen unsere Ehemänner nicht immer um Geld für unseren persönlichen Bedarf fragen. Wir geben ihnen sogar etwas Taschengeld, und sie wertschätzen uns jetzt mehr. – Das ist durchaus nachahmenswert, auch in unserer Region. – Die Kleinmol­kerei hat uns wirklich aus unserer chronischen Armut befreit.

Es werden auch viele Kleinkredite vergeben, um Kuhherden aufzubauen. Die Molkerei ist eine Initiative einer lokalen Bauernvereinigung und wurde mit einer Förderung des Regionalentwicklungsprogramms, einem Programm des Regionalrates, ins Leben gerufen.

Mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit half dieses Programm vielen derartigen Initiativen, die sich rasch positiv auf das Leben der beteiligten Gemeinden auswirkten. Mit dieser Hilfe können wir die wirkliche Armut in unserer Gemeinde bekämpfen, sagt der Bürgermeister von Sono, einer der ländlichen Gemeinden, die das Programm unterstützt.

Der Regionalentwicklungsfonds erweist sich in der Tat als gut funktionierendes Instru­ment für Ernährungssicherung, Einkommensschaffung und nachhaltige Wirtschaftsent­wick­lung auf lokaler Ebene. Die Nachhaltigkeit ist durch die leicht zu bewältigende Größe der Projekte und die Kapazitätenentwicklung für alle Akteure sichergestellt, aber auch durch Umweltschutz, den die Behörden in der Region sich angesichts des Klimawandels überzeugt zu eigen machen.

Es gibt viele weitere Beispiele: Projekte zur Verbesserung der Geflügelzucht, der Fischverarbeitung, das Gemüseanbaus. Das Programm finanziert auch Infrastruktur­projekte, und überdies verstärkt das Regionalentwicklungsprogramm die Dezentralisie­rung auf regionaler und Gemeindeebene.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 170

Die österreichischen Gelder gehen direkt an den Regionalrat, der einen Fonds für Regionalentwicklung betreibt. Ein Ausschuss mit VertreterInnen der lokalen Behörden und Interessengruppen wählt die Projekte aus den Anträgen aus, die von Kooperativen oder lokalen Vereinigungen mit Unterstützung der Gemeinden eingereicht werden. Die geförderten Organisationen müssen selbst Geldmittel zu den Projekten beisteuern. Dieses Verfahren gewährleistet Eigentümerschaft und Beteiligung auf allen Ebenen. von den lokalen Vereinigungen, die die Aktivitäten aufgrund eines tatsächlichen Be­darfs initiieren, über die Gemeinden, die die Übereinstimmung mit ihren Entwicklungs­plänen sicherstellen, bis zum Regionalrat, der damit über ein souveränes Instrument zur Finanzierung von Investitionen und Entwicklungsmaßnahmen in seiner Region verfügt.

Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit fördert dieses Projekt mit 3,9 Millio­nen €, Walter Ehmeir von der Austrian Development Agency und Leiter des Büros in Ouagadougou ist direkt vor Ort. Insgesamt 43 000 Menschen sollen von der Stärkung landwirtschaftlicher Familienbetriebe und der Kooperativen profitieren. Mit Beratung, Ausbildung, Krediten und wirtschaftlichem Wissen stehen die Kooperativen ihren Mitgliedern zur Seite. Gleichberechtigung ist ebenfalls ein großes Thema, sagt Ehmeir.

So funktioniert die Entwicklungshilfe im Praktischen. Burkina Faso ist eine der Haupt­regionen, die von Österreich unterstützt werden, so wie Äthiopien, Uganda, Mosambik, Palästina, Armenien, Georgien, Bhutan, die Ukraine, Moldau, Kosovo, Albanien und Serbien. Die Hilfe ist gut aufgebaut, strukturiert und effizient vor Ort kontrolliert. Wir reduzieren damit den Migrationsdruck und die Radikalisierung. Die Erhöhung der Gelder von 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf 0,45 Prozent spricht eine klare Sprache, dass hier in Zukunft viel stärker unterstützt wird.

Schon Konfuzius hat gesagt: Wenn man jemandem einen Fisch schenkt, hat man ihn einen Tag ernährt; wenn man jemanden lehrt, zu fischen, ernährt man ihn sein Leben lang. – Auf dieser Basis ist dieses Programm aufgebaut.

Dieses Programm wird allen Ansprüchen gerecht, Herr Minister, es ist sehr gut ausge­arbeitet – danke dafür.

Danke auch für dein richtiges Gefühl in der Flüchtlingsfrage, in der du manchmal hartnäckig bist, ganz in Blickrichtung Bootsflüchtlinge. Es wurde erst heute eine Studie im Internet veröffentlicht, in der eine italienische Universität erhoben hat, dass das Retten und nach Europa Bringen von Flüchtlingen die Schlepperindustrie und das Ertrinken von Flüchtlingen anheizt. Ich glaube, es ist, wie du sagst, der einzig richtige Weg, die Menschen zu retten und wieder dort hinzubringen, wo sie ins Boot gestiegen sind, dann wird sich die Situation verbessern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.59


Präsident Josef Saller: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic zu Wort. – Bitte.

 


18.59.04

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich rede ein bisschen schnell und laut, denn es ist spät und es sind noch zwei RednerInnen nach mir, aber dann haben wir es fast schon geschafft.

Ich werde auch mit etwas Positivem beginnen: Es wurden nämlich bei der Erstellung dieses Dreijahresprogramms tatsächlich Experten und Expertinnen eingebunden, und es gab wirklich ein großes Bemühen, damit das eine Gesamtstrategie wird. Ich bin aber sehr schnell wieder bei der Kritik, es wurde nämlich keine Gesamtstrategie.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 171

Weitere Kritikpunkte, die ich erwähnen möchte, beziehen sich darauf, wie EZA grund­sätzlich verstanden wird. Wir verstehen sie in erster Linie als Entwicklungsmöglichkeit, als Armutsbekämpfung, aber nicht als ein Mittel zur Beeinflussung der Migrations­flüsse. EZA sollte ebenfalls nicht dazu verwendet werden, um Kooperationen von sogenannten Entwicklungsländern im Zuwanderungsbereich zu erpressen. Grundsätz­lich braucht es natürlich Möglichkeiten in der Entwicklungspolitik, und die Möglichkeiten in der Entwicklungspolitik sollten nicht unterschätzt werden, sondern gerade wenn es um die Flüchtlingspolitik geht, wissen wir, dass nicht nur Entwicklungs-, sondern auch Außen- und Innenpolitik eng zusammenarbeiten müssen.

Bedenklich und praktisch gesehen auch schwer nachvollziehbar ist für uns deshalb die Verknüpfung der EZA mit sogenannten Rückübernahmeabkommen. Ich wiederhole nochmals: Finanzielle Mittel der Entwicklungszusammenarbeit dienen vorrangig der Bekämpfung von Armut im Land und sollten deshalb nicht an Abkommen zu Abschie­bungen gekoppelt werden. Das ist aus unserer Sicht verfehlt und auch zweckwidrig. Das heißt: Koppelt man diese Auszahlungen der Gelder an zweckfremde Bedingun­gen, so ist das kurz und einfach gesagt auch unsachlich.

Bezüglich der Finanzierung vielleicht noch ein Satz: Eine Aufstockung im Sinne eines Stufenplans wurde nicht durchgeführt beziehungsweise wird sie im Programm nicht sichtbar. Auch eine ergebnisorientierte Finanzierungsplanung beziehungsweise Bud­get­ver­knüpfung fand nicht statt.

Zusammengefasst gibt es – mein Vorredner hat es schon gesagt – einige durchaus positive Aspekte, zum Beispiel, dass Bildung als vierter Schwerpunkt hinzugekommen ist, oder auch, dass man sich mit der nachhaltigen Ressourcennutzung und der Ge­schlechtergleichstellung auseinandersetzt. In diesem Dreijahresprogramm überwiegen aber aus unserer Sicht nach wie vor die negativen Aspekte.

In diesem Sinne wird uns das weiterhin ein Anliegen sein, damit wir wirklich irgend­wann einmal nicht nur die Ziele der Ausfinanzierung, die wir uns vorgenommen haben, erreichen, sondern dass es tatsächlich einmal Zielvorgaben und eine Gesamtstrategie gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.02


Präsident Josef Saller: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.02.46

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Außenminister! Ewa, ich habe dir zugehört. Ich bin ein bisschen sprach­los, fassungslos. Mein halbes Leben habe ich mit der Entwicklungszusam­menarbeit verbracht, ich war einer der Gründer von „Südwind“. Diese Kritik, die ich gerade gehört habe, kann ich nicht teilen, ich kann sie nicht verstehen.

Wäre es eine Kritik gewesen, die sagt, dass man seit 30 Jahren die völkerrechtlich festgelegten 0,7 Prozent verspricht und wir wieder nur bei 0,4 Prozent sind, hätte ich das verstanden. Hätte man kritisiert, dass die bilaterale und die personelle Entwick­lungszusammenarbeit gemessen an anderen Verdoppelungen noch zu gering ist, hätte ich das verstanden. Hätte man kritisiert, dass das Bekenntnis zu den Least Developed Countries ein bisschen stärker hätte ausgeprägt sein können, hätte ich das auch verstanden. Aber diese Kritik verstehe ich nicht.

Entwicklungszusammenarbeit: Das sagt das Wort, es geht dabei um Entwicklung, um Unterstützung von Entwicklung. Es geht dabei nicht um Nothilfe, es geht nicht um Katastrophenhilfe.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 172

Schauen wir uns zu den Rückführungsabkommen einmal die Schwerpunktländer der österreichischen Entwicklungshilfe an: Aus Burkina Faso haben wir so gut wie niemanden. Aus Bhutan haben wir so gut wie niemanden im Land. Mein Gott, vielleicht sind 20 Leute aus Mosambik in Österreich, aber die sind auf korrekte Weise hier, die meisten sind Studierende. Aus Nicaragua haben wir niemanden. Das heißt, diese Kritik kann ich nicht verstehen.

Ich verstehe zwar, dass man sagt, man soll das nicht an die Rückführung koppeln. Wir haben aber nichts mit Nordafrika, das gibt es nicht. Aus diesem Grund etwas zu kritisieren, das wir in unserer Gesellschaft so bitter verteidigen, das immer wieder mit ganz tiefen Argumenten attackiert wird – und wir sind einer der wenigen Staaten, in denen die Zivilgesellschaft mehr an Entwicklungshilfe und Entwicklungszusam­men­arbeit leistet als der Staat –, kann ich einfach nicht verstehen.

Drei Ortschaften aus diesem schönen Land sind zum Beispiel seit 30 Jahren personell engstens mit ihren Regionen verflochten: Sonntag in Vorarlberg, Rohrbach in Oberösterreich und Leibnitz in der Steiermark. Es gibt keine Ortschaften in Österreich, die mehr Menschen nach Afrika entsandt haben als diese drei. Leibnitz ist etwas ganz Besonderes: Ich glaube, fast jeder Bürger aus Leibnitz war schon in Afrika, und umge­kehrt – das ist das Interessante – kommen Afrikaner nach Leibnitz zum Austausch.

Wir haben vor Kurzem erst 50 Jahre personelle Entwicklungszusammenarbeit gefeiert, und es war berührend, das letzte noch lebende Ehepaar von der katholischen Landjugend Niederösterreich zu treffen, das damals dann nach Uganda aufgebrochen ist. Damals wurde noch am Südbahnhof eine öffentliche Messe abgehalten. Das muss man sich alles einmal vorstellen!

Entwicklungszusammenarbeit, das heißt Mithilfe und Unterstützung bei der Wasserver­sorgung und Wasseraufbereitung, bei nachhaltiger ländlicher Entwicklung und Regio­nalentwicklung. Empowerment der Frauen – vor allem an die Adresse der Grünen – heißt, die Frauen auf dem Weg zur Selbstständigkeit und dabei, eigene kleine Koope­rativen zu bilden, zu unterstützen. Das gehört auch gleich mit der Kleinbetriebs­förderung zusammen. Entwicklungszusammenarbeit heißt Unterstützung bei Sied­lungs­hygiene, beim Aufbau des Justizwesens, bei öffentlichen Dienstleistungen, bei der Landnutzung, beim Garantieren von Besitzrechten, bei der Konfliktprävention, bei der Biodiversität und – zum Beispiel in Bhutan – beim sanften Tourismus. – Das ist es.

Wenn man Entwicklungszusammenarbeit kritisiert – und ich glaube, nach mir wird Monika Mühlwerth sprechen –, dann bitte ich, doch einmal aufzupassen, was man kritisiert. Kritisiert man die bilaterale? Kritisiert man die bilaterale personelle? Kritisiert man die multilaterale? Ich verstehe ja einige afrikanischen Länder, dass sie gerne Budgethilfen hätten, da wäre ich vorsichtiger. Oder kritisiert man das Engagement Österreichs in internationalen Institutionen und Entwicklungsbanken?

Das Wichtige ist aber, dass wir einen Beitrag zur Armutsbekämpfung, zur Bildungs­sicherung, zur Förderung der Menschenrechte, zur Ernährungssicherheit leisten. Die Folgen des Klimawandels, den wir im Norden produzieren, sind ja bekanntlich genau in den Ländern des Südens am schlimmsten. Daher ist es wichtig, dass wir helfen, dass auch dort Klimaziele verfolgt werden, dass den Frauen die Selbständigkeit ermöglicht wird, dass die ländliche Entwicklung forciert wird und dass auch humanitäre Hilfe geleistet wird.

Zu diesem Dreijahresprogramm hat es einen Dialog mit der Zivilgesellschaft gegeben, und der Zusammenschluss aller NGOs und Zivilorganisationen in Österreich unter dem Dach der Globalen Verantwortung hat Anmerkungen gemacht, die eingeflossen sind. Die Organisationen haben aber dieses Programm nicht abgelehnt, sondern es in der Form begrüßt.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 173

Deshalb verstehe ich die Ablehnung nicht. Deshalb bitte ich, das noch einmal zu überdenken und zu sagen: Ja, Österreich hat eine Verantwortung. Österreich hat gemeinsam mit der Europäischen Union eine Verantwortung – immerhin sind das 55 Prozent der weltweiten Entwicklungszusammenarbeitsgelder.

Österreich hat eine Tradition – und diese Tradition hat in der Zeit des Wiederaufbaus begonnen –, nämlich solidarische Verantwortung für diese eine Welt zu übernehmen. Es gibt nicht wenige bis heute existierende sogenannte Selbstbesteuerungsgruppen, die nach wie vor abliefern und Projekte finanzieren. Zum Teil erfolgt das gemeinsam mit den Entsendeorganisationen. Ich denke da nur an eine – ja, der Herr Außen­minister weiß, von wem ich spreche –, die sind nämlich eine Weltmacht in diesem Bereich: Das sind die Sternsinger. Was die aufbringen und in gemeinsame Projekte hineinbringen, ist sensationell, und da leistet der Staat seinen Beitrag. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass es heute doch noch Gegenstimmen gibt. Das ist unsere globale Verantwortung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.11


Präsident Josef Saller: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort ge­mel­det. – Bitte.

 


19.11.13

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wenn ich Kollegen Schennach zuhöre, dass das alles so wunderbar ist, dann frage ich mich aber, wieso in den Medien steht, dass sich Millionen Afrikaner bereit machen, um nach Europa zu kommen. Tatsache ist, dass dort immer noch genug im Argen liegt.

Jetzt lasse ich einmal Afrikaner selbst sprechen. Da sagt der kenianische Ökonom James Shikwati: „Wer Afrika wirklich helfen will, darf das nicht mit Geld tun.“

Der ugandische Journalist Andrew Mwenda sagt: „Der Grund für die anhaltende Armut“ – in seinem Land – „ist die Entwicklungshilfe selbst.“

Johannes Michael Nebe von der Uni Trier sagt: „In den letzten Jahrzehnten hat sich eine (…) Entwicklungshilfe-Industrie herausgebildet. Die Geldgeschenke in Milliar­denhöhe haben neue Abhängigkeiten geschaffen und (…) sehen nicht zuletzt den eigenen Nutzen“ – für diese Organisationen – „in der Hilfe.“ (Bundesrat Schennach: Wir sind nicht die USA!) International … (Bundesrat Schennach: USA!) – Nicht nur. Er sagt weiter, dass die Entwicklungshilfe weniger ein Segen als vielmehr ein Schaden ist.

Wir haben ja schon einmal darüber gesprochen, und da habe ich auch eine kenia­nische Ökonomin zu Wort kommen lassen, die gesagt hat, dass es nicht sein kann, dass ihr Land nicht in der Lage ist, für Bildung, Sicherheit und Gesundheit selbst zu sorgen, sondern sich von Entwicklungshilfe abhängig macht.

Wir haben in den letzten 50 Jahren, in denen Milliarden vor allem nach Afrika geflossen sind, gesehen, dass das Geld vor allem bei den Machthabern gelandet ist und nicht bei der Bevölkerung, um die es geht und die es eigentlich bräuchte. Die Kritik ist, dass die Länder dann eben verwöhnt werden und verlernt haben, sich selbst zu helfen.

Wir sind uns ja – das habe ich auch im Ausschuss gesagt, und davon gehe ich einmal aus – über die Parteigrenzen hinweg einig, dass es wichtig ist, dass die Leute in ihren Herkunftsländern eine Perspektive und ein Auskommen haben und sich dort einiger­maßen wohlfühlen und dass der Staat auch die grundlegenden Aufgaben, die ein Staat zu leisten hat, eben erfüllen können soll.

Natürlich gibt es Ausnahmen, das wissen wir schon. Ich weiß auch, dass es schon lange gewisse Frauenprojekte gibt. Ich glaube, es war Ghana, das damals begonnen


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 174

hat, die Sheabutter zu verkaufen, die dann eine große Naturkosmetikfirma – ich sage jetzt den Namen bewusst nicht – gekauft hat. Das gibt es natürlich auch, und das ist ja auch unterstützenswert. Sambia und Malawi haben als zwei der ersten Staaten nationale Rechnungshöfe gegründet, um die Korruption bekämpfen zu können, die es aber natürlich trotzdem noch gibt. Das ist ja alles einstweilen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein beziehungsweise ein Anfang.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass natürlich die ehemaligen Kolonialmächte nach wie vor ihre Finger drinnen haben und an den Bodenschätzen beteiligt sind, indem sie sich mit den Machthabern – man sagt auf Wienerisch – auf ein Packl gehaut haben und davon profitieren. Die Präsidenten haben sich die Taschen nicht nur mit Millionen, sondern zum Teil auch mit Milliarden vollgestopft. Dann sind noch die USA, Russland und vor allem China dazugekommen.

Wir werden diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen, weil unserer Meinung nach mit den alten Instrumenten versucht wird, eine Fortsetzung zu machen. Wir halten aber die Art, wie Entwicklungshilfe jetzt stattfindet, für falsch und nicht zielführend. Es müsste viel mehr private Investitionen geben. Deutschland hat da schon einmal einen Fuß drinnen, Deutschland fördert wirklich Unternehmensgründungen, auch in Kooperation. Ich denke, das kann etwas bringen. Kooperationen mit der Bevölkerung und die zeitliche Begrenzung von Förderungen werden wahrscheinlich wichtige Aspekte sein.

Dass es bei Hungerkatastrophen oder sonstigen Katastrophen einer Soforthilfe bedarf, steht außer Streit. Das sehe ich auch so. Mein ältester Sohn war ein Jahr freiwillig beim Bundesheer. Als er noch keine drei Monate beim Bundesheer war, war diese Unwetterkatastrophe in Mosambik. Mein Sohn kam nach Hause und hat gesagt: Ich möchte nur sagen, ich bin jetzt die nächsten neun Wochen nicht da, weil ich in Mosambik bin. – Er war bei der ABC-Abwehr und hat dort bei der Wasseraufbereitung mitgeholfen. Das ist ja alles in Ordnung.

Trotzdem gibt es auch da Kritik, und ich lasse dazu noch einmal Johannes Michael Nebe – aus einem Interview auf „n-tv“ – zu Wort kommen, der sagt, dass Großbanken Spekulationsgewinne mit den Rohstoffen machen. Er wird gefragt, ob man bei Hunger­katastrophen sofort helfen soll. Er sagt ja, dann fragt der Journalist: „Gibt es ein Aber?“

Er sagt: „Leider ja, denn Hungerkatastrophen sind auch immer ein Geschäft (…). Ins­besondere, wenn man allein an die Spekulationsgewinne von Großbanken mit Rohstof­fen als neue Geldquelle denkt. Seit etwa zehn Jahren locken sie Anleger mit hunderten Milliarden Dollar, auf steigende Preise dieser Waren zu wetten. Die Folge: Mais, Weizen und Soja sind so teuer wie nie zuvor (…). Für die etwa eine Milliarde unterernährten Menschen in den Entwicklungsländern, die den größten Teil ihrer Ein­künfte für die Ernährung verwenden müssen, bedeutet dies oft Krankheit und Tod. Allein 2010“ – das Interview ist schon länger her – „stiegen die Nahrungspreise um mehr als ein Drittel. Bis zu 40 Millionen Menschen sollen durch die Spekulations­gewinne der Banken zusätzlich in absolute Armut gestürzt worden sein.“ (Bundesrat Schennach: Das hat nur nichts mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun! Das ist Katastrophenhilfe!)

Das zeigt aber, dass sich – und das wollen die ja aufzeigen – Industrien ausgebildet haben, die nicht zum Wohle des Landes und nicht zum Wohle der Menschen sind, und um die geht es uns ja angeblich. (Bundesrat Schennach: Katastrophenhilfe, ja, das ist problematisch! Das ist aber nicht die Entwicklungszusammenarbeit!)

Das heißt: Wir plädieren für Hilfe zur Selbsthilfe und dafür, nicht nach alten Rezepten weiterzumachen. Da sich in dem Bericht aber keine neuen Ansätze finden, werden wir


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 175

ihn nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

19.18


Präsident Josef Saller: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic.

 


19.18.37

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Auch wenn es nur drei Sätze sind, sind sie mir sehr wichtig, denn eines möchte ich klarstellen: Entwicklungszusam­menarbeit ist wichtig, richtig, notwendig und sollte aus unserer Sicht ausgebaut wer­den.

Meine Kritik, dass wir die 0,7 Prozent nicht erreichen oder dass diese Abkommen an Flüchtlingspolitik beziehungsweise an Rückübernahmeabkommen gekoppelt werden, ist zulässig und der eigentliche Grund, wieso wir nicht zustimmen. Das zu präzisieren, war mir wichtig, vor allem nach diesen zwei widersprüchlichen Redebeiträgen. EZA ist etwas (in Richtung des Bundesrates Schennach) – da gebe ich dir auf jeden Fall recht –, das nicht nur staatliches, sondern auch persönliches Engagement erfordert und nicht nur bilateral, sondern multilateral zu klären und auszubauen ist.

An dieser Stelle möchte ich auch allen Personen, die sich in diesem sehr schwierigen Bereich engagieren, große Wertschätzung aussprechen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

19.19


Präsident Josef Saller: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich sehe, dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.20.0017. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 2. Halbjahr 2016

Präsident Josef Saller: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Da mit 1. Juli 2016 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Steiermark übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsendete Vertreter des Bundeslandes, Herr Bundesrat Mario Lindner, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr zu wählen.

Wahl der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten

Präsident Josef Saller: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin beziehungsweise des Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 176

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Ernst Gödl lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark)|: Danke. Ich nehme sehr gerne an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Josef Saller: Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundes­rätin Ingrid Winkler lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich)|: Ich bedanke mich und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Schriftführer/innen

 


Präsident Josef Saller: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführerinnen beziehungs­weise Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Josef Saller, Ana Blatnik, Anneliese Junker und Ewald Lindinger für das zweite Halbjahr 2016 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zu Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ein Ein­wand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik und Junker sowie die Bundesräte Saller und Lindinger nehmen die Wahl an.)

Wahl der Ordner/innen

 


Präsident Josef Saller: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerinnen bezie­hungsweise Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Mag. Susanne Kurz, Christoph Längle und Dr. Heidelinde Reiter für das zweite Halbjahr 2016 zu Ordnerinnen beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 177

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Ein Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Kurz und Reiter sowie die Bundesräte Tiefnig und Längle nehmen die Wahl an.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.24.27Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Präsident Josef Saller: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 6 über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird, zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussfassung ermöglicht werden.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls:

„TO-Punkt 6: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1705/A und 1183 d.B. sowie 9606/BR d.B.)

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men (mit Stimmenmehrheit).

Es liegt ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates gemäß § 64 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 6 zu verlesen (Beilage C).

*****

Das ist somit geschehen.

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsord­nung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

19.25.52Einlauf

 


Präsident Josef Saller: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 3154/J-BR/2016 bis 3162/J-BR/2016, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 14. Juli 2016, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 178

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterlie­gen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 12. Juli 2016, 14 Uhr, vorgesehen.

Eigentlich wollte ich die Sitzung bis Mitternacht ausdehnen, damit dann Kollege Lindner die Sitzung weiterführen kann (allgemeine Heiterkeit), aber das ist doch nicht gelungen.

Ich darf mich zum Schluss noch einmal – ich habe es am Vormittag schon gemacht – abschließend als Präsident bei allen Bundesrätinnen und Bundesräten sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken und wünsche allen noch einen guten Heimweg. (Allgemeiner Beifall.)

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.27.00Schluss der Sitzung: 19.27 Uhr

 

 

 

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