BundesratStenographisches Protokoll865. Sitzung / Seite 78

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Ein wichtiger Fokus in dem Ganzen ist die Migrationspolitik, wie auch heute schon in der Debatte. Aber diese ganze Thematik ist fast ausschließlich von Sicherheitspolitik dominiert, wo es um die Frage geht: Wie können flüchtende Menschen davon abgehalten werden, überhaupt in die EU zu kommen? – Ich finde es traurig und schade, dass radikale Lösungen – damit meine ich Lösungen, die an die Wurzel des Problems gehen – eigentlich weder diskutiert werden noch sich irgendwie im Vorha­bensbericht niederschlagen. Es geht um Abschottung und darum, wie man so viele wie möglich so schnell wie möglich wieder zurückschickt.

Da sind wir beim wichtigen Thema der Rückübernahmeabkommen, das auch schon angesprochen worden ist. Es steht im Bericht, Österreich fordert die Kommission auf, Verhandlungen über entsprechende Abkommen voranzutreiben. – Punkt. Das ist es.

Dieses Thema wird dann auch mit dem Thema Entwicklungszusammenarbeit verbun­den, aber es gibt praktisch keine Analysen oder Vorstellungen, wie eine Entwicklungs­zusammenarbeit, die Migration und Fluchtgründe wirksam reduziert und bekämpft, ausschauen könnte, die die Verhältnisse in diesen Ländern so verbessert, dass die Menschen dort bleiben können und Entwicklungsmöglichkeiten finden. Stattdessen wird zum Beispiel die dortige Landwirtschaft durch subventionierte europäische Agrarprodukte ruiniert, werden Gewässer leergefischt oder wird Ähnliches getan. Die Frage, ob da nicht auch vieles in der Vergangenheit falsch gelaufen ist und ob es da nicht konkrete Verbesserungsmöglichkeiten gäbe, wird gar nicht gestellt. – Nein, leider!

Was Österreich offensichtlich massiv im Rat unterstützt, ist beinharte Erpressung. Das heißt: Rückübernahmeabkommen gegen Entwicklungshilfe. Da steht Österreich eigent­lich im Gegensatz zu einer Entscheidung im Europäischen Parlament, wo sich alle Fraktionen klar gegen eine solche Junktimierung dieser beiden Dinge ausge­sprochen haben.

Drei Seiten des vorliegenden Berichtes sind den Menschenrechten gewidmet, dem Einsatz der EU für ein starkes und effizientes Menschenrechtssystem. Da gibt es einen strategischen Rahmen und Aktionsplan, es gibt Menschenrechtsdialoge mit über 40 Staaten, aber Konkretes sucht man auch da wieder vergeblich, nämlich zum Bei­spiel eine genauere Definition, welche Rechte MigrantInnen in der EU haben oder haben sollten.

Und dann gibt es eben den Sonderfall Türkei; das ist auch ein eigenes Kapitel und eine Überschrift. Darunter steht, dass sich Österreich für eine maßgeschneiderte Partner­schaft einsetzt, wobei unklar bleibt, was konkret eine maßgeschneiderte Partnerschaft ist. Es ist nur klar, was es nicht ist, nämlich ein Beitritt. Warum es so wichtig sein soll, sich in der derzeitigen sehr aufgeheizten Situation für ein aktives Einfrieren der Beitrittsverhandlungen einzusetzen, erschließt sich mir nicht. Erstens weiß ich nicht, was aktives Einfrieren ist, und dass man, zweitens, durch aktives Einfrieren diese aufgeheizte Situation herunterkühlt, bezweifle ich.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Zollunion modernisiert und erweitert werden soll, aber es bleibt unklar, was man sich davon wirklich erwartet und wie das konkreter aussehen sollte.

Das letzte Kapitel in diesem Bericht trägt die Überschrift Integration. Den Nationalen Aktionsplan gibt es schon länger, seit Beginn der Gesetzgebungsperiode, allerdings hapert es bei der Umsetzung nach wie vor, was flächendeckende leistbare Deutsch­kurse und so weiter betrifft. Es ist schon etwas zynisch, wenn da steht, dass Österreich sich in diesem Kapitel betreffend Integration dem lebenslangen Lernen verpflichtet fühlt. Gerade die ÖVP verhindert die Bildungspflicht für Asylsuchende bis zum 18. Le­bensjahr und kickt damit diese wichtige Gruppe, mit der gut umzugehen für die Zukunft


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