BundesratStenographisches Protokoll865. Sitzung / Seite 93

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Es ist vorhin gesagt worden: Was hätte man denn anderes machen sollen? Mir wäre da schon etwas eingefallen, nämlich das Weiterwinken nach Mitteleuropa gar nicht erst zu beginnen. (Bundesrätin Kurz: Das war da schon zu spät!) Ich glaube, dass das Weiterwinken nach Mitteleuropa absolut falsch war. Es hat auch nicht dazu geführt, dass weniger Menschen im Mittelmeer ihr Leben verloren haben, sondern ganz im Gegenteil: Durch das Weiterwinken haben sich mehr und mehr Menschen auf den Weg gemacht, die Schlepper haben immer mehr verdient und immer mehr Menschen sind auch im Mittelmeer ums Leben gekommen!

Ich bin froh, dass es gelungen ist, die Westbalkanroute trotz massiven Widerstands zu schließen. Es ist gelungen, das Weiterwinken dort zu beenden. Alle, die sagen, dass dort nach wie vor Menschen kommen, haben nicht unrecht, aber man muss sich die Zahlen anschauen. Es kommen heute um 98 Prozent weniger Menschen über diese Route, weil einfach das staatlich organisierte Weiterwinken beendet wurde, und das ist meiner Meinung nach auch gut so.

Jetzt ist es notwendig, bei anderen Routen dieselbe Politik zu verfolgen. Es kommen noch immer sehr viele Menschen über das Mittelmeer. Die Zahl der Menschen, die über die Mittelmeer-Italien-Route kommen, ist vom Jahr 2015 auf das Jahr 2016 um 20 Prozent gestiegen, vom Jahr 2016 auf 2017 gab es wieder eine Steigerung. Alle, die nun behaupten, das sei eine Verlagerung, irren leider Gottes. Es kommen nämlich nicht Syrer, Iraker und Afghanen, die vor allem über die Westbalkanroute gekommen sind, sondern es kommen ganz andere Menschen über die Mittelmeer-Italien-Route. Solange wir also nicht in Italien die klare Politik verfolgen, wer an der Außengrenze illegal ankommt, mit einem Schlepper, der wird dort gestoppt, versorgt und zurück­gestellt, aber er darf nicht weiter nach Mitteleuropa, werden die Zahlen weiterhin steigen. Ich hoffe, dass es dort auch wie bei der Westbalkanroute irgendwann ein Um­denken gibt, und ich werde mich sicherlich weiterhin dafür einsetzen.

Darüber hinaus – neben der Flüchtlingsfrage – gibt es natürlich auch noch andere Herausforderungen; der Brexit wurde schon angesprochen. Während unseres Vor­sitzes im EU-Rat werden die Brexit-Verhandlungen abgeschlossen werden. Natürlich haben wir eine Haltung dazu, wie es nach dem Brexit weitergehen soll. Wir haben auch eine Meinung darüber, was bei den Verhandlungen relevant sein könnte und was nicht und wie wir die Verhandlungen gerne gestalten würden. Ich habe aber nicht vor, das jetzt genauer auszuführen, denn meiner Meinung ist das Wichtigste – und das ist unser oberstes Ziel –, dass in der Europäischen Union Geschlossenheit herrscht und die 27 EU-Mitgliedsländer eine gemeinsame Verhandlungslinie haben. Ich glaube daher nicht, dass es sinnvoll wäre, jetzt 27 Einzelpositionen aufzuspielen, sondern ganz im Gegenteil: Es ist gut, dass der Lead für die Verhandlungen bei der Kommission ist, und wir unterstützen das auch!

Darüber hinaus wird es unsere Aufgabe sein, die Europäische Union weiterzu­ent­wickeln, zu versuchen, dass die Europäische Union nach dem Brexit mehr ist als nur der Status quo in kleiner und schwächer. Wir erarbeiten derzeit als zuständiges Ministerium auch Vorschläge, wie es weitergehen könnte. Meiner Meinung nach ist das Modell der Subsidiarität das Richtige, also ein Europa, das in den großen Fragen stärker ist und sich in den Fragen, die regional oder national besser entschieden wer­den können, zurücknimmt.

Letzter Punkt: das ganze Thema der Familienbeihilfe. Ich möchte es nicht strapazieren, aber da es so oft angesprochen worden ist, möchte ich doch dazu Stellung nehmen. Ich glaube, Sie kennen meine Haltung dazu. Ich möchte darauf auch nicht genauer eingehen, die Argumente und Gegenargumente sind ohnehin bekannt. Ich würde mir nur wünschen, dass wir eine Entscheidung treffen, denn ich habe das vor eineinhalb Jahren das erste Mal angesprochen. Es gab zunächst sehr lange sehr intensiven


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