BundesratStenographisches Protokoll867. Sitzung / Seite 77

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Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Weber zu Wort. – Bitte.

 


12.41.41

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Liebe Damen und Her­ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundesminister ist mittlerweile auch zu uns gestoßen. Die Änderungen im Versammlungsgesetz 1953 sind zugegebenermaßen ein sehr sensibles Thema. Doch wenn wir Verantwortung tragen – und ich hoffe, wir wer­den das mehrheitlich tun, vielleicht auch einstimmig, obgleich Kollege Werner Herbert sei­ne Bedenken geäußert hat –, sollen und müssen wir trotz dieser Bedenken große Ge­schlossenheit zeigen, gerade weil es ein sehr sensibles Thema ist und manche dazu laut oder provokant schreien. Aber eine Unwahrheit wird nicht wahrer, nur weil man diese laut oder provokant vorträgt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das Versammlungsgesetz 1953 – 1953, schon alleine diese Jahreszahl sollte uns zu den­ken geben! – muss an aktuelle Entwicklungen und Veränderungen in unserer Gesell­schaft angepasst und daher erneuert werden. (Bundesrat Herbert: Es geht nicht um die Veränderung, sondern um die Bestimmung!) Das Versammlungsrecht und das De­monstrationsrecht sind für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen ein sehr ho­hes Gut – alleine aufgrund unserer Geschichte –, und dieses Gut wird auch weiterhin ge­wahrt und geschützt bleiben.

Mit dieser Gesetzesnovelle schaffen wir sowohl Rechtssicherheit im Allgemeinen als auch Sicherheit im eigentlichen Sinne für Menschen, die entweder friedlich demonstrieren oder sich versammeln möchten, und für Menschen aus anderen Staaten, denen gegenüber Österreich eine besondere Schutz- und Sicherheitsverpflichtung hat.

Gleichzeitig brauchen auch unsere Behörden und unsere Polizeikräfte diese hilfreichen Veränderungen, ohne dass – und das ist uns besonders wichtig, wie schon gesagt – das Versammlungsrecht in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt wird. Nicht zu ver­gessen ist der Grund, warum wir dieses Thema überhaupt aufgegriffen haben bezie­hungsweise aufgreifen mussten: Hat es nicht die Besuche von hochrangigen türkischen Politikern gegeben? – Nicht nur in Österreich, sondern auch in mehreren europäischen Staaten. Hat es nicht den Versuch gegeben, einen brutalen, undemokratischen Wahl­kampf nach Österreich und Europa zu tragen? – Über den Ausgang dieser Volksab­stimmung möchte ich heute gar nicht reden, denn sonst wird uns allen miteinander viel­leicht noch schlecht. Hat es nicht Ausschreitungen gegen Minderheiten, zum Beispiel ge­gen Kurden, in sehr aufgeheizter Stimmung gegeben? Hat es nicht auch, Herr Kollege Werner Herbert, Bürgermeister oder Bezirkshauptmänner und Polizeikommandanten ge­geben, die ratlos dagestanden sind?

Jetzt tragen wir Verantwortung, wir schaffen Rechtssicherheit und bewahren und schüt­zen das hohe Gut, das Versammlungsrecht und das Demonstrationsrecht. (Bundesrat Herbert: Mit einer Unrechtsbestimmung!) Das ist gut so und das passt.

Die Novelle beinhaltet im Wesentlichen fünf Schwerpunkte: Die Frist für die Anmeldung einer Versammlung wird von 24 auf 48 Stunden verlängert. Mit dieser Maßnahme sol­len mehrere Ziele gleichzeitig erreicht werden. Zunächst sollen die zusätzlichen 24 Stun­den den Sicherheitsbehörden mehr Zeit für die Planung der notwendigen Sicherheits­maßnahmen geben. Nach der heutigen Praxis ist es oft notwendig, personelle Kapazi­täten auch aus anderen Bundesländern, zum Beispiel für eine Demonstration in Wien, zu rekrutieren, was hohe Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein deutliches Plus an Überstunden mit sich bringt. Darüber hinaus entstehen natürlich auch hohe Kosten. Mit der Verlängerung der Anmeldefrist sollen vertretbare Lösungen für die Polizistinnen und Polizisten gefunden werden.

Abgesehen vom Anstieg der Überstunden, was vermieden werden sollte, geht es auch um die Familien der Polizeikräfte. Man möge sich vorstellen, unsere Polizistinnen und


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