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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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873. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 25. Oktober 2017

 

 


Stenographisches Protokoll

873. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 25. Oktober 2017: 9.03 – 15.20 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsge­setz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsor­gegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopfer­rentengesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Be­rufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeits­gesetz 1984 geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Be­rufsausbildungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Be­hindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlastenaus­gleichsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tier­schutzgesetz – TSchG) geändert wird

10. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinba­rung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungs­angebots

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anleger-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 2

entschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapitalmarktge­setz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfondsge­setz 2011, das Nationalbankgesetz 1984 und das Wirtschaftliche Eigentümer Register­gesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, ge­ändert wird

14. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Ausgleichsmaßnahmen für besondere Erschwernisse des Exekutiv­dienstes im Nachtdienst

15. Punkt: Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in mit Wirksamkeit vom 9. November 2017

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Präsidentin des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Er­satzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 28

Schreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung betreffend Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsange­bots ............................................................................................. 32

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................... 49

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 49

15. Punkt: Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in mit Wirksamkeit vom 9. Novem­ber 2017                         111

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Aktuelle Stunde (56.)

Thema: „Digitalisierung und Innovation“ ................................................................... 8

Redner/Rednerinnen:

Martin Preineder ............................................................................................................. 8

Stefan Schennach ........................................................................................................ 11

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 13

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 15

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ............................................................  17, 25

Sonja Zwazl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 21

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................... 21

Wolfgang Beer .............................................................................................................. 22

Gerd Krusche ............................................................................................................... 24

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregie­rung und der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt gemäß Art. 74 Abs. 3 B-VG


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 3

bei gleichzeitiger Betrauung des Bundeskanzlers und der übrigen Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung durch den Herrn Bundespräsidenten          ............................................................................................................................... 29

Vertretungsschreiben ..............................................................................................  33, 81

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 33

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 26

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsge­setz 2018 – PAG 2018) (1767 d.B. sowie 9896/BR d.B. und 9903/BR d.B.) ....................................................... 33

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 33

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgege­setz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferren­tengesetz geändert wird (2307/A sowie 9904/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 33

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 33

Redner/Rednerinnen:

René Pfister .................................................................................................................. 34

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 35

Christoph Längle .......................................................................................................... 37

David Stögmüller .......................................................................................................... 38

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 39

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen .......................... 40

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 40

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Ent­geltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Be­rufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landar­beitsgesetz 1984 geändert werden (2306/A sowie 9897/BR d.B. und 9905/BR d.B.)                        40

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 41

Renate Anderl ............................................................................................................... 42


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 4

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 45

David Stögmüller .......................................................................................................... 46

René Pfister .................................................................................................................. 47

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 48

Dr. Andreas Köll ........................................................................................................... 49

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ........................................................ 49

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ....................................... 50

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsaus­bildungsgesetz geändert werden (2304/A sowie 9898/BR d.B. und 9906/BR d.B.)                                                                                                         51

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 51

Redner/Rednerinnen:

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 51

Mario Lindner ................................................................................................................ 53

Peter Samt ..................................................................................................................... 55

David Stögmüller .......................................................................................................... 56

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 58

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Behinder­tengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (2309/A sowie 9899/BR d.B. und 9907/BR d.B.)                    58

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 58

Redner/Rednerinnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 58

Gregor Hammerl ........................................................................................................... 59

Rosa Ecker .................................................................................................................... 61

David Stögmüller .......................................................................................................... 62

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 63

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 63

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlastenausgleichsge­setz geändert werden (2308/A sowie 9900/BR d.B. und 9908/BR d.B.) ................................................................................................................. 64

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 64

Redner/Rednerinnen:

Renate Anderl ............................................................................................................... 64

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 65

Rosa Ecker .................................................................................................................... 66

David Stögmüller .......................................................................................................... 67

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 68

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 69


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 5

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1366/A sowie 9901/BR d.B. und 9909/BR d.B.) ............................................................................................................................... 69

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 69

Redner/Rednerinnen:

Sandra Kern .................................................................................................................. 69

Inge Posch-Gruska ...................................................................................................... 71

Christoph Längle .......................................................................................................... 72

David Stögmüller .......................................................................................................... 73

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 74

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 75

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird (2284/A sowie 9902/BR d.B. und 9910/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 75

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 75

Redner/Rednerinnen:

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 75

Reinhard Todt ............................................................................................................... 77

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 78

David Stögmüller .......................................................................................................... 79

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 80

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 81

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzge­setz – TSchG) geändert wird (2286/A sowie 9912/BR d.B.) ................................................................................................................. 81

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ......................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Thomas Schererbauer ................................................................................................. 82

Günther Novak ............................................................................................................. 83

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 84

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 85

Entschließungsantrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der kleinen Tierschutzvereine – Ablehnung ............................................................  83, 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 86

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend Ver­einbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsange­bots (1776 d.B. sowie 9911/BR d.B.) ......................................... 86

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 86

Redner/Rednerinnen:

Marianne Hackl ............................................................................................................. 87

Inge Posch-Gruska ...................................................................................................... 87


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 6

Peter Samt ..................................................................................................................... 89

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 91

Angela Stöckl-Wolkerstorfer ...................................................................................... 91

Mag. Michael Lindner ................................................................................................... 92

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin ....................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 96

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wert­papier- und allgemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anle­gerentschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapi­talmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungsdiens­tegesetz geändert werden (1774 d.B. und 1778 d.B. sowie 9913/BR d.B.) ............................................................. 96

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 96

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Nationalbankgesetz 1984 und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz ge­ändert werden (1775 d.B. und 1779 d.B. sowie 9914/BR d.B.)                    96

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 96

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 97

Peter Oberlehner .......................................................................................................... 99

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 100

Peter Heger ................................................................................................................. 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 103

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, geän­dert wird (2299/A und 1780 d.B. sowie 9915/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 103

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 103

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Junker ........................................................................................................ 103

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 104

Mag. Reinhard Pisec, BA ........................................................................................... 105

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 107

14. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgleichsmaßnahmen für besondere Erschwernisse des Exekutivdienstes im Nachtdienst (239/A(E)-BR/2017 sowie 9916/BR d.B.) ..................................................................................... 107

Berichterstatter: Werner Herbert ................................................................................ 108


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Schödinger .................................................................................................. 108

Werner Herbert ........................................................................................................... 109

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 109

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 9916/BR d.B beigedruckten Entschließung betreffend Ausgleichsmaßnahmen für besondere Erschwernisse des Exekutivdienstes im Nachtdienst (E 251-BR/2017) ....................................................................................................................................... 111

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 27

Petition betreffend „Erhalt der Berufsschulen Braunau am Inn und Steyr 2“ (37/PET-BR/2017) (überreicht von Bundesrat David Stögmüller)

Anfragen der Bundesräte

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Schließung der Berufsschule Braunau am Inn und Berufsschule Steyr 2 (3258/J-BR/2017)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend Schließung der Berufsschule Braunau am Inn und Berufsschule Steyr 2 (3259/J-BR/2017)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Causa S 10 Mühl­viertler Schnellstraße und die Vernichtung wertvollen Bodens in Lasberg (3013/AB-BR/2017 zu 3253/J-BR/2017)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, MA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Bau einer Mauer rund um das Bundeskanzleramt (3014/AB-BR/2017 zu 3255/J-BR/2017)


 


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 8

09.03.21Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Edgar Mayer: Einen schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und liebe Kol­legen! Herzlich willkommen! Ich eröffne die 873. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 872. Sitzung des Bundesrates vom 5. Oktober 2017 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als ge­nehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik und Dr. Diet­mar Schmittner.

09.03.51Aktuelle Stunde

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Digitalisierung und Innovation“

mit dem Herrn Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Ha­rald Mahrer.

Ich darf ihn hier im Bundesrat herzlich willkommen heißen. Guten Morgen, Herr Minis­ter! (Allgemeiner Beifall.)

Ich bedanke mich im Namen des Bundesrates, aber auch persönlich für die Themen­stellung „Digitalisierung und Innovation“ der Aktuellen Stunde, weil es eines der Schwer­punktthemen des Bundesrates im zweiten Halbjahr ist. Auch mehrere Bundesländer haben sich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt beziehungsweise befassen sich damit, und zwar Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg. Auch das EU-Ratsvorsitz­land Estland hat die digitale Agenda zum Schwerpunktthema auserkoren.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bun­desministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend je eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkon­ferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.

 


9.05.17

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Absprache mit dem Herrn Bundesminister das Thema „Digitalisierung und Innovation“ für die heutige Ak­tuelle Stunde gewählt, weil es ein Thema ist, das den Bundesrat schon seit geraumer Zeit beschäftigt und das uns alle auch noch länger beschäftigen wird.

Bereits 2015 hat Präsident Gottfried Kneifel eine parlamentarische Enquete zum The­ma „Digitaler Wandel und Politik“ ins Leben gerufen, 2016 war es Präsident Mario Lindner, der das Thema „Digitale Courage“ in den Mittelpunkt stellte, und unser Präsi­dent Edgar Mayer hat eine Publikation zum Thema „Digitalisierung und Demokratie“ he­rausgegeben.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 9

Präsident Kneifel hat seinerzeit gesagt, der Bundesrat habe die Möglichkeit, in die Zu­kunft zu sehen. Es ist vielleicht die Aufgabe der zweiten Kammer des Parlaments, die nicht immer so im Fokus der Öffentlichkeit und der aktuellen Politik steht, den Blick über den Tellerrand zu werfen. Daher ist es gut, dass wir uns mit diesem Thema beschäfti­gen, weil es etwas ist, das uns gesellschaftlich noch lange und intensiv begleiten wird.

Wir sind froh, dass wir in Österreich relativ rasch eine führende Rolle beim E-Govern­ment eingenommen und damit die Möglichkeit für unsere Bürger geschaffen haben, Verwaltungsabläufe digital zu erledigen. Es ist aber noch vieles zu tun. Wir leben im Informationszeitalter, und Information hat sich sehr stark verändert. Es haben sich der Zugang zur Information, der ein sehr breiter geworden ist, und natürlich auch die Zur­verfügungstellung von Information sehr stark verändert. Es wird vieles angeboten und ist leicht zugänglich.

Wir erleben, dass sich das alltägliche Leben durch die Digitalisierung, durch die digitale Welt ständig verändert. Wir können heute beispielsweise über das Handy oder das Tab­let ortsungebunden kommunizieren und haben dadurch viele Möglichkeiten der Kommu­nikation und Information. Es ist heutzutage manchmal wichtiger, eine stabile Handynum­mer, eine stabile Mailadresse zu haben als eine Festnetznummer, die oft schon abge­meldet ist; aber auch die normale Wohnadresse ändert sich häufiger als die Mailad­resse. Wir können Flug- und Zugtickets und Parkscheine online kaufen oder ein Hotel online buchen. Das alles ist mittlerweile möglich.

Es wird in diesem Bereich noch weitere Entwicklungen geben. Das Ende ist nicht ab­sehbar, aber wir wissen, dass Prozessabläufe in ihrer Gesamtheit stärker gesteuert werden – zum Beispiel macht man sich schon viele Gedanken über autonomes Fah­ren. All diese Prozesse befinden sich in rasanter Bewegung. Internetbranchen sind in schnellem Wachstum begriffen, ob das Microsoft, Alibaba oder Facebook betrifft. Die Informationstechnologie ist eine, die uns das Tempo vorgibt.

Die Informationstechnologie bietet uns aber auch Chancen, und wir sollten öfter über die Chancen, die uns die Zukunft bringen wird, als über die Ängste, die vielleicht damit verbunden sind, reden. Eine Chance ist, dass die Informationszugänge heute entfer­nungsunabhängig sind und damit entsprechende Möglichkeiten für die Stadt und vor allem für ländliche Gebiete geschaffen werden. Diese Chance sollten wir nützen, und dafür brauchen wir entsprechende Innovationen – Innovationen im Bereich der Wirt­schaft, aber auch in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum. Ich glaube, es ist mit dieser Technologie möglich, den ländlichen Raum neu zu denken. Es wird in Zukunft nicht darum gehen, in größeren Einheiten billiger zu produzieren, sondern in kleineren Einheiten kundenorientierte Lösungen anzubieten.

Nicht große Sensationen werden unsere Innovationen begleiten, sondern kleine Seg­mente werden es sein, die in Summe ein neues Ganzes ergeben. Bundesminister Rupp­rechter hat einen Masterplan für die Entwicklung des ländlichen Raumes herausge­geben, in dem viele Innovationen und viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung aufge­zeigt und aufgelistet sind, ob das die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe ist, wo wir noch mehr Innovationen brauchen und viel stärker neue Wege beschreiten müssen, oder ob es der Aktionsplan Bioökonomie ist, der gestartet wird.

Um hier ein kleines Beispiel anzuführen: Ich war am Sonntag bei einer Veranstaltung zum Thema Stärkekartoffel im Waldviertel, um mich als Landwirt über die Produktion zu informieren. Dort wurde seitens der Agrana auf einem Stand präsentiert, in welchen Produkten überall Kartoffelstärke zu finden ist. Es war für mich selbst eine Sensation, dass 120 verschiedene Produkte mit Kartoffelstärke hergestellt werden, zum Beispiel Jeans und natürlich Teigwaren, wo man es vermutet, aber selbst in einem sehr bekann­ten Energydrink oder im Fruchtgummi ist Kartoffelstärke enthalten. All das ist möglich, und vieles wird biotechnologisch noch auf uns zukommen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 10

Ein Schwerpunktthema ist natürlich auch, dass in den ländlichen Gebieten die Mög­lichkeit bestehen soll, an die digitale Welt angebunden zu sein. Dazu bedarf es des Ausbaus der Breitbandtechnologie, das heißt intelligent zu handeln, indem man die Kabel mitverlegt, wenn eine Straße aufgegraben wird (Bundesrätin Ebner nickt zu­stimmend) – die Frau Bürgermeister nickt –, denn meistens hat man das Problem, dass man im Zweijahrestakt die Straße aufgraben muss, um eine neue Verrohrung vorzuneh­men, ob das Wasser, Kanal oder Telefon betrifft, und da kann auch gleich das Breit­bandkabel mitverlegt werden. Da gilt es, entsprechend vorauszudenken. Außerdem werden wir energiepolitisch viel stärker über den Ausbau der Photovoltaik und die Nut­zung unserer Dachflächen nachdenken müssen.

Ein weiteres sehr aktuelles Thema für den ländlichen Raumes ist die Dezentralisierung von Bundesverwaltungsstellen. Wir wissen seit gestern, dass das Umweltbundesamt nach Klosterneuburg übersiedeln wird. (Bundesrat Schennach: Sehr ländlicher Raum, gell! Sehr ländlich!)  Aber ländlicher als die Bundeshauptstadt, und für die Mitarbeiter ist es von der Übersiedelung her durchaus verträglich und sozial. (Bundesrat Schen­nach: Ein früherer Teil von Wien!) Es ist wirklich nicht nachvollziehbar, dass der Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung seinen Sitz in Wien hat und dass die Bundesan­stalt für Agrarwirtschaft und die Bundesanstalt für Bergbauernfragen in Wien angesie­delt sind. (Bundesrat Schennach: ... Prozent der Bevölkerung von Klosterneuburg wol­len bei Wien bleiben!)

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Kollege Schennach, Bundesrat Preineder ist am Wort! – Bitte.

 


Bundesrat Martin Preineder (fortsetzend): Wir werden auch über eine Neugestaltung der Mobilität nachdenken müssen, sei es der Ausbau von Carsharingsystemen oder der verstärkte Ausbau von Ladestationen, um E-Mobilität zu fördern. Wir werden auch im Bereich der Wärmeversorgung mit dezentralen Versorgungsnetzen die Zukunft neu denken müssen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch die Gesundheit ist ein Thema im ländli­chen Raum, und auch da gilt es, vieles zu überdenken und neu zu organisieren. So wird es durchaus Anstöße brauchen, um Gemeinschaftspraxen im ländlichen Raum zu forcieren, um die ärztliche Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Auch das Thema Pflege wird da mit hineinspielen.

Was mir persönlich wichtig ist, ist der Umstand, dass es wieder gilt, neue regionale Wertschöpfungsketten zu bilden, nämlich dass von der landwirtschaftlichen Produktion über die regionale Verarbeitung – Stichworte: Fleischer, Bäcker – bis hin zum Gastwirt und zum Konsumenten ein regionaler Produktionskreislauf und regionale Lebensmittel­produktion möglich sind.

Letztlich gilt es da auch – und das ist in meiner Region sehr interessant zu beobach­ten –, das Thema Landwirtschaft einer breiten Bevölkerung wieder näherzubringen, in­dem Betriebe, die sich als Schaubetriebe positionieren, für die Konsumenten sichtbar gemacht werden. Daher soll es wieder verstärkt zur Positionierung von Schaubetrieben kommen.

Es ist auch wichtig, in den dezentralen Gebieten das Vereinsleben entsprechend zu un­terstützen, weil die Vereine das Herz der Dörfer sind. Nicht zuletzt geht es auch darum, der Kultur ein entsprechendes Gesicht zu verleihen. Ich darf zum Thema Kultur in den ländlichen Gebieten unseren Altlandeshauptmann Dr. Erwin Pröll zitieren: „Kultur stärkt Identität und schützt vor Heimatlosigkeit und Radikalisierung“.

Viele Themen kommen auf uns zu, die in der Entwicklung politisch begleitet werden müs­sen. Der Bundesrat steht für Digitalisierung, der Bundesrat steht für Innovationen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.14



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 11

Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte, Herr Kollege.

 


9.15.17

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten Herausforderungen, vor denen wir stehen, und zwar in den ver­schiedensten Bereichen, denn sie bedeutet eine komplette Veränderung unserer Ar­beitswelt nach der industriellen Revolution, aber auch unserer Wirtschaftswelt und un­serer gesellschaftlichen Verhältnisse.

Und eines ist klar: Die Digitalisierung in der Form, in der sie bereits begonnen hat, geht weiter. Niemand ist da ein Don Quijote, niemand möchte ein Don Quijote sein, sondern man muss ja auch die Chancen und die Risken sehen.

Mein Vorredner hat viel von den Chancen gesprochen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Zu diesen Chancen gehören die Ankurbelung der Wirtschaft in bestimmten Be­reichen – das muss man dazusagen –, die Möglichkeit völlig neuen Schaffens, wie zum Beispiel die Schaffung von Start-up-Unternehmen, und die Möglichkeit, Prozesse für ar­beitende Menschen einfacher zu machen.

Da stellt sich aber die Gretchenfrage: Wofür wird die Digitalisierung benützt? Wird die Digitalisierung benützt, um Prozesse einfacher zu machen, schneller zu machen, oder dient die Digitalisierung ausschließlich der Gewinnmaximierung, indem man Arbeiter und Angestellte abbaut? Das ist die Gretchenfrage: Ist das ein Arbeitstool, oder haben wir letztlich eine völlige soziale Verwerfung auf dem Arbeitsmarkt?

Ich greife da ein Stichwort heraus: Crowdwork. Crowdwork wird meist von Kapitalge­sellschaften betrieben, die einen Auftrag gecatcht haben und ihn dann in der digitalen Welt zersplittern und verteilen. Das heißt, durch die Digitalisierung gibt es mehr denn je Menschen, die zu Hause sitzen, also eine Insel darstellen, die von zu Hause aus Ar­beiten erledigen und gar nicht wissen, was eigentlich das Gesamtprodukt ist. Da gibt es zum Beispiel keine Mitbestimmung. Es ist auch nichts an sozialen Kontakten da, wie innerhalb eines Unternehmens, und nichts an Kenntnis darüber, wofür man überhaupt arbeitet. Dazu gesellt sich die Zufälligkeit. Das ergibt die unglaubliche Gefahr, dass die Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse gelangen, dass völlig verschwindet, was Selb­ständigkeit und was Unselbständigkeit in diesem Bereich ist.

Das heißt, die soziale Dimension wird eine der spannendsten Herausforderungen in der Zukunft sein. Das ist noch nicht vorhersehbar. Niemand, auch nicht der Herr Minis­ter, weiß, wie die Arbeitswelt von morgen aussieht, wie die sozialen Verhältnisse zwi­schen jenen, die arbeiten, und jenen, die Arbeit geben, die unternehmerisch tätig sind, aussehen werden.

Eines wissen wir aber jetzt schon: Was wir nicht wollen, ist, dass alles online ge­schieht. Wir wollen doch keine geschäftslosen Geschäftsstraßen, wenn alles nur mehr online gehandelt wird. Wir wollen auch nicht, dass in ländlichen Gebieten – mein Vor­redner hat ja die ländlichen Gebiete besonders hervorgehoben – der soziale Kontakt nur mehr durch den Zwilling der Digitalisierung erfolgt, und der Zwilling der Digitalisie­rung ist die Robottechnik.

Ich war nicht so begeistert wie vielleicht viele andere, die es im Fernsehen gesehen haben, dass nun Drohnen in Graz-Stadt die ersten Paketzustellungen machen. Da fra­ge ich mich schon: Wenn ein Unternehmen wie die Post AG in Aufträgen schwimmt, warum muss man dann sofort in eine Technik investieren, die etwas tut, womit keine Arbeitsplätze geschaffen werden? Wenn im ländlichen Raum Drohnen Postzusteller werden, dann wird doch dadurch die Landflucht junger Leute gefördert, denn der Kon-


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takt zum Postler, auf gut Deutsch gesagt, ist eines der wichtigsten sozialen Instrumen­te, und das fällt dann weg, denn dann steht eine Drohne vor der Haustüre, und die Drohne kann man bloß entleeren.

Das sind Dinge, die diese Welt verändern. Und wir haben ein Bekenntnis, dass wir ein Silicon Austria werden wollen, dass wir in ganz vielen Bereichen interessiert sind, Bei­spiel Start-ups. Da ist aber auch wichtig, was zum Beispiel jetzt in Wien entsteht, das sogenannte Start-up-Grätzel. Dort werden viele kleine Start-ups eingeladen, in ein ge­meinsames Haus zu kommen, sich gegenseitig zu unterstützen. Da geht es auch um die Frage: Kann ich mir überhaupt einen Urlaub leisten? Ist es überhaupt möglich, in einem Start-up-Unternehmen den Betrieb länger als drei Tage zu verlassen? Heißt das, dass das alles unbezahlt ist? Heißt das, dass ich vielleicht mit anderen Start-up-Unter­nehmen gewisse Leistungen teilen kann?

Eine der wichtigsten Fragen in der gesamten Digitalisierung – das zeigt sich auch an der Nutzung dieser Technologie durch unsere Kinder – ist immer noch: Wie sehen denn die sozialen Kontakte aus? Wo finden heute soziale Kontakte statt, jenseits des Klassenzimmers? Somit müssen wir auch folgende Frage stellen: Wie sehen die so­zialen Kontakte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aus, wenn sie nicht mehr in einer Firma sind? Wo ist das berühmte Weihnachtsessen von all jenen, die zum Bei­spiel in Crowdworkingprojekten zusammenarbeiten müssen?

Wir alle sind ja letztlich schon zu Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen geworden. Jeder von uns ist Mitarbeiter irgendeiner Bank, denn er macht seine Bankgeschäfte selbst und bekommt aber nicht refundiert, dass er da seine eigene Arbeitskraft einbringt. Jeder von uns, der einen Urlaub angeht, bucht sich alles selbst, bucht auch das Hotel selbst und ist da auch Teil, Mitarbeiter einer Fluglinie, denn er nimmt die Buchungen vor. Das ist etwas, was sich radikal verändert.

Wenn wir dann zum Thema Robotgesellschaft kommen – und Kollege Preineder hat die Pflege und die gesundheitliche Versorgung angesprochen –, sieht man, es wird der­zeit massiv in einem Bereich gearbeitet, nämlich dass die 24-Stunden-Pflege von Ro­bots gemacht wird und dass in den Spitälern die Krankenversorgung stärker in Rich­tung Robots ausgelagert wird. Die sind bereits auf Schiene. Das heißt: Wollen wir das in diesem Bereich?

Schauen wir uns die völlige Veränderung der Realität unserer Apotheken an: Meine Lieblingsapotheke, die ich immer benützt habe, hat mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entlassen. Sie haben einfach ein Stockwerk mehr dazugemietet, dort oben fetzen die Robots herum, machen selbständig die Lagerhaltung, schicken die Medikamente hinunter, denn unten gibt es ja nur mehr Terminals, und nehmen auch die Bestellungen aufgrund des Lagerbestandes vor.

Das mag alles interessant sein, aber ich brauche letzten Endes auch Arbeitsplätze, und es kann nicht nur IT-Wunderwuzzis geben. Wenn wir eine Gesellschaft sind, in der es nur IT-Wunderwuzzis gibt, dann frage ich mich: Wie bringe ich zum Beispiel eine junge, alleinerziehende Mutter – möglicherweise mit Migrationshintergrund, wie man will – zu einem Arbeitsplatz? Wo sind die Arbeitsplätze? Da muss der Gesetzgeber auch Vorkehrungen treffen.

Wollen wir zum Beispiel Supermärkte, in denen alles nur mehr technisch erfolgt, er­möglicht durch die Digitalisierung? Oder wollen wir ein Gesetz haben, das sagt, pro Quadratmeter an Verkaufsfläche ist menschliche Arbeitskraft notwendig – und nicht ei­ne Person alleine, wie es eine Drogeriekette gemacht hat, die nämlich in all ihre Fi­lialen nur eine Person hineingesetzt hat? Das ist auch eine Sicherheitsfrage, das ist ei­ne soziale Frage, das ist eine Frage der Kommunikation.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 13

Das sind Fragen, die wir bei all unserem Eintreten für die Digitalisierung, für die Er­greifung der Chancen, die Start-up-Unternehmen haben, allerdings mitbedenken müs­sen. Nur Arbeitsplätze abzubauen, um eine Gewinnmaximierung zu erreichen, ist eine rasante Fehlentwicklung.

Der nächste Punkt ist: Wir müssen vom Kindergarten an diese IT-Kompetenz, diese Medienkompetenz lehren, nämlich ganz ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Nein! Liebe Frau Mühlwerth, wir müssen die Kinder ganz früh mit Technologie in Ver­bindung bringen. Das heißt nicht, dass sie Unterrichtsstunden haben sollen, sondern die Technologie muss ganz früh erfahren werden, denn die Kinder benützen sie ja schon, und sie benützen sie schon in der Volksschule – nur haben sie nicht die Kompetenz und sie wissen nicht, in welche Dinge sie da hineingehen. Die Eltern sind keine Digital Natives und können da gar nicht führen. Insofern: Wo viel Licht ist, ist viel Schatten.

Zum Schluss zum Kollegen Preineder: Wenn man schon zentrale Behörden in den länd­lichen Raum legt, würde ich Niederösterreich dringend ans Herz legen, die Zentralbe­hörde der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer endlich aus Wien abzuziehen, denn warum sitzt die Landwirtschaftskammer von Niederösterreich in Wien? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)

9.25


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


9.26.08

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Kom­mission hat in ihrem letzten Bericht betreffend Innovationen festgestellt, dass Öster­reich – wortwörtlich – eine relative Innovationsschwäche aufweist.

Die Symbiose, die hier im Thema „Digitalisierung und Innovation“ vorgegeben wird, möchte ich schon ein bisschen relativieren, denn manchmal kommen mir diese Veran­staltungen, in der Häufigkeit, in der sie jetzt zelebriert werden, vor wie Marketingveran­staltungen der IT-Branche: Kauft dieses Produkt! Kauft jenes Produkt! Ihr braucht das unbedingt! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich möchte das am Beispiel Handy relativieren. Wir alle haben ein Handy. Wir sind ganz stolz auf die Handyfunktionen, selbstverständlich auch als Unternehmer. Aber: Je­der Vierte verwendet sein Handy ausschließlich zum Telefonieren. Jeder Achte ver­wendet sein Handy nur, um Internetfunktionen abzurufen – Webseiten und so weiter. Nur jeder Vierzehnte verwendet Apps, und nur jeder Vierzehnte verwendet es zum Na­vigieren. (Bundesrat Schennach: Jetzt musst du nur noch die Altersschiene draufle­gen!) Also da ist schon die Frage: Welche Benutzungsfunktionen brauchen wir? Wie ist die Nachfrage in dieser digitalisierten Welt zu sehen? Welche Bedürfnisse sind zu be­dienen?

Sicherlich ist es ein notwendiges Segment in unserer gesamten Unternehmensland­schaft, auch in unserem Konsumentenzyklus, um es so zu sehen. Aber es ist nur ein Segment, diese digitalisierte Welt, diese Digitalität ist kein Alleinstellungsmerkmal.

So eine Innovation zu erforschen – denn es geht ja um Forschung, es geht ja um Er­findungen – ist ein globaler Wettbewerb. Man kämpft um Schreibtischtäter, um es so zu formulieren, die in Indien sitzen, die in Russland sitzen, die in China sitzen, die hier in Österreich sitzen. Das ist ein Wettbewerb in diesem Lebenszyklusablauf; und der ist enorm, der ist hart. Das ist ein umkämpfter Markt. Innovationen bedürfen einer perma­nenten Erneuerung, eines permanenten Updates, um eben am Ball zu bleiben, um dies zu gewährleisten.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 14

Da komme ich zu den Gründungen zurück, denn, sehr geehrter Herr Minister, du pro­pagierst ja Österreich als Gründungsland. Im Bericht des Bundesministeriums wird sei­tens dessen mit Stolz festgelegt, dass Österreich pro Jahr 37 000 Gründungen auf­weist. Das ist aber eine falsche Zahl, denn die kommt von der Wirtschaftskammer und bezieht sich nur auf die berühmt-berüchtigten Gewerbescheine. Ernst & Young und die KMU-Forschung Austria haben das anders verifiziert. Wir haben in Österreich im Jahr nicht mehr als 500 bis 1 000 Gründungen, vorwiegend in der IT-Branche. Von diesen 500 bis 1 000 Gründungen scheitern neun von zehn in den ersten drei Jahren. Das muss man sich einmal vorstellen! 90 Prozent dieser Unternehmen schaffen die ersten drei Jahre nicht, weil sie, wie am Beispiel Handy kurz gezeigt, am Bedarf vorbei produ­zieren, weil einfach das Produkt nicht benötigt wird. Das ist der Hauptgrund des Schei­terns von Gründungen.

An zweiter Stelle stehen natürlich die Finanzmittel. Heute werden Mittelstandsunter­nehmen schon gewarnt, sich von der IT-Branche nicht zu viel einreden zu lassen, denn die Features, die ihnen angeboten werden, sind in der Implementierung im Unterneh­men, in der Anwendung enorm aufwendig, und dann ist auch ein Mitarbeiter, eine Mit­arbeiterin dafür einzusetzen. Diese Features brauchen sie aber oftmals nicht. Sie müs­sen wissen, was ein mittelständisches Unternehmen selbst braucht.

Forschung findet natürlich auch bei Gründungen statt. Natürlich ist das auch die digi­talisierte Welt. Aber in erster Linie findet Forschung in bereits bestehenden Unterneh­men statt. Wir haben in Österreich 400 000 Unternehmen. 80 Prozent, mehr als 300 000, sind allein Familienunternehmen. Zum Beispiel hält ein Familienunternehmen in Öster­reich in der Papierbranche mit über 1 000 Mitarbeitern allein 300 bis 400 Patente gleich­zeitig. Das sind unsere Stärken in Österreich, das sind unsere Kapazitäten. Da ist na­türlich auch die Digitalität dabei, die Digitalisierung ist natürlich auch dabei. Aber das ist nur ein Segment, es ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal. Daher brauchen wir die Wertschätzung dieser Familienbetriebe, weil diese für die Forschung, weil diese für die Entwicklung und weil diese für Innovationen verantwortlich sind.

Und damit Innovationen auch gelingen, braucht man Investitionen, und die kosten Geld. Das muss man ganz klar sagen. Damit man vorne ist, damit die Umsetzung ge­lingt – von der Erfindung, vom Patent zur Innovation, invention to innovation –, braucht man Kapital, braucht man Geld.

Daher ist es besonders wichtig, dass wir endlich – und darum geht es eigentlich – die Rahmenbedingungen ändern, denn die Politik, so herzhaft das gemeint ist mit Digitali­sierung und Innovation, kann immer nur die Rahmenbedingungen vorgeben, aber sie kann nie einem Menschen, nie einem Unternehmer aufzwingen: Kauft dieses, kauft je­nes, ihr müsst dieses und jenes machen! – Das geht nicht. Es geht immer nur um die Rahmenbedingungen.

Daher wollen wir von der FPÖ unbedingt festlegen, dass es endlich zu einer Senkung der Steuerquote kommt, damit es endlich dazu kommt, dass Betriebe, eben Familien­betriebe, genug Zeit, genug Möglichkeiten und genug Kapital haben, um zu forschen und ihre Produkte am Markt umzusetzen, denn die sind ja schon am Markt, im Unter­schied zu Gründungen. Diese müssen ja mit ihrem Produkt erst am Markt reüssieren. Für bestehende Betriebe ist es ja wesentlich leichter. Es geht darum, die Forschung von bestehenden Betrieben zu organisieren und diese zu erleichtern, damit sie ihre Produkte, die sie schon seit sehr langer Zeit am Markt vertreiben, updaten können, neu am Markt implementieren können. Das führt auch zu neuen Umsätzen, die letztlich in die österreichische Wertschöpfung einfließen.

Wir brauchen Arbeitsflexibilität, gerade im Internetzeitalter. Das muss sein. Es kann doch nicht sein, dass man hier mit starren Arbeitszeiten vorgeht. Wir brauchen die Ab­schaffung der kalten Progression für die Mitarbeiter, damit endlich mehr Netto vom


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Brutto herauskommt. Wir brauchen die Halbierung der Körperschaftsteuer, das ist ganz wichtig, denn es versteht kein Unternehmer, warum er zuerst die Körperschaftsteuer abliefern und sich dann das Geld wieder aus Förderungsfonds holen muss.

Ein Beispiel: Es war vor wenigen Tagen in der Hofburg eine ganz tolle Veranstaltung über den Unternehmer des Jahres – nicht von der Wirtschaftskammer, sondern von Ernst & Young veranstaltet, ganz toll. Der Sieger war ein österreichisches Familien­unternehmen aus dem Pharmabereich mit über 500 Mitarbeitern. Dieser Unternehmer hat in seiner Rede auf die Frage, was der Unterschied zwischen österreichischem und internationalem Unternehmertum ist, gesagt, er fühlt sich in Österreich alleingelassen. Ein Unternehmen, das eine 28-prozentige Forschungsquote aufweist, ein unheimlich in­novatives Unternehmen ist, fühlt sich alleingelassen – klarerweise, denn wer versteht es, dass zuerst das Geld beim Staat abzuliefern ist und es dann über x Kanäle – es gibt übrigens über 20 Fördertöpfe – mühsam wieder hereinzuholen ist; wenn er es über­haupt für innerbetriebliche Forschung von Familienbetrieben hineinbekommen kann.

Wir brauchen einen Investitionsfreibetrag, einen IFB, damit diese Forschung gelingen kann, damit Kapital frei ist. Und wir brauchen natürlich auch für die Gründungen, lieber Minister, um die du dich ja sehr kümmerst, damit diese Gründungen im Sinne von Ka­pital gelingen, Beteiligungsfreibeträge, damit Investoren auch Anreize bekommen, in die­se Gründungen zu investieren, damit Kapital frei fließt.

Was die Gründungen betrifft, sei kurz erwähnt: Die Finanzkraft der österreichischen Gründer ist enorm schlecht. Mit dem Kapitalaufkommen, das wir hier in Österreich ge­nerieren können, liegen sie im untersten Viertel von ganz Europa. Gerade einmal 80 Mil­lionen € erhalten Gründungen in diesen ganzen Akquisitionen von Eigenkapital, von Private Equity, welches sie für den eigenen Betrieb benötigen. Da sind sie weit unter „ferner liefen“. Klar, wer investiert schon in Gründungen Kapital, das zuerst im eigenen Betrieb besteuert worden ist und dann noch extremes Risikokapital für Gründer ist, wo neun von zehn ja sowieso pleitegehen oder scheitern? Da wird dann eben kein Kapital frei für diese Gründungen.

Ich möchte aber auch noch Folgendes erwähnen, wo der letzten Regierung ein Zeug­nis ausgestellt wurde, und zwar nicht von mir, sondern vom Global Competitiveness Report aus der Schweiz: Das ist der international angesehenste Vergleichsindikator für Volkswirtschaften. Es werden insgesamt 137 Länder befragt. Da hat Österreich folgen­de Noten bekommen: Bei der Effizienz der Staatsausgaben liegt Österreich an 92. Stelle, also bei den afrikanischen Ländern, bei den Effekten von Steuern als Anreiz für Inves­titionen, wie soeben berichtet, liegen wir an 120. Stelle – dahinter sind nur mehr Mo­sambik und Simbabwe –, bei der gesamten Steuerquote an 113. Stelle.

Das müssen wir dringend, dringend in der kommenden Regierung ändern! Fördern wir Unternehmen durch Steuerentlastungen, damit sie innerbetriebliche Forschung und Ent­wicklung als innovative Investitionen realisieren können! Unternehmen müssen selbst frei entscheiden, wie sie forschen, auf welchem Gebiet sie forschen. Bestehende Un­ternehmen müssen unterstützt werden, natürlich auch die digitale Transformation, aber in der gesamten Unternehmenslandschaft. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Zelina.)

9.35


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Dr. Dzie­dzic. – Bitte.

 


9.35.30

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Werter Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Das Thema Digitalisierung war ja im Bundesrat immer wieder Thema, im Nationalrat leider weniger, obwohl wir wis-


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sen, dass es nicht nur aktuell ist, sondern auch ganz, ganz wichtig. Wieso? – Öster­reich hinkt, ob man es glauben möchte oder nicht, bei der Digitalisierung tatsächlich hinterher. Besonders großen Aufholbedarf gibt es bei der Verfügbarkeit genauso wie bei der Nutzung von schnellem Breitbandinternet. In diesen Bereichen liegt Österreich bekanntlich am untersten Ende der EU-Vergleichsgruppe, und das nicht nur im ländli­chen Bereich.

Es geht natürlich nicht nur um Infrastruktur, sondern auch, das haben meine Vorredner erwähnt, um den Bereich Bildung und Qualifikation. Da braucht es eine Stärkung der Vermittlung digitaler Kompetenzen in der Weiterbildung, in der Ausbildung von Päda­gogen und Pädagoginnen, aber natürlich auch überhaupt eine Verankerung von digita­len Kompetenzen und Medienkompetenz in den Lehrplänen.

Wir wissen, dass im Bereich Schule, im Bereich Cybermobbing, beim Thema Hass im Netz noch irrsinnig viel zu tun ist und sich das, wenn wir es nicht bald angehen, ver­selbständigt und wir da weiter hinterherhinken werden. In diesem Sinne ist die Einfüh­rung von flächenübergreifenden Medienansätzen und von Medienbildung in den Lehr­plänen ein ganz, ganz wichtiger Bereich.

Auch im Bereich Forschung und Entwicklung, auch das wurde heute bereits erwähnt, brauchen wir dringend Forschungsprogramme mit Fokus auf die Bereiche Informa­tions- und Kommunikationstechnik. Vor allem aber für die mittleren und kleineren Be­triebe braucht es dringend Förderschwerpunkte sowie Anreize zur Stärkung der be­trieblichen Innovationskultur. Auch da ist Österreich leider hintennach.

Ein ganz besonders wichtiger Bereich, auch für uns, ist die Frage von Datenschutz und Cybersicherheit. Wir wissen, dass Datenschutz, Sicherheit, Konsumenten-, Konsumen­tinnenschutz, aber auch Bereiche wie das internationale Privatrecht den geänderten Rahmenbedingungen nach wie vor nicht gerecht werden und es da dringend ein hohes Schutzniveau brauchen würde. Wir haben auch weitgehend keine klaren Regeln zu Big Data oder auch keinen Schutz bei kritischer Infrastruktur. Um auf eine detaillierte Cy­bersicherheitsstrategie einzugehen ist hier heute nicht der Raum, aber ich hoffe, dass sich der Bundesrat vielleicht doch des Themas im Besonderen annehmen wird.

Der Arbeitsmarkt war heute auch schon ganz kurz Thema. Ich möchte, abseits von der Bildung und Qualifikation, die in diesem Bereich gestärkt werden müssen, auf einen weiteren Bereich eingehen, das ist die Arbeitszeitverkürzung. Sehr viele von uns wis­sen, dass das ein wichtiges Thema ist, auch wenn es diesbezüglich unterschiedliche Einschätzungen politischer Natur gibt. Was wir alle nicht abstreiten können, ist, dass der digitale Wandel natürlich auch ein Wirtschaftsmotor ist und somit auch das Poten­zial hat, eine weitere Basis für die Arbeitszeitverkürzung zu sein.

Das bedeutet natürlich einen enormen Wandel auf dem Arbeitsmarkt, und wir wissen, dass alle Szenarien zeigen, dass es die nächsten Jahre, die nächsten Jahrzehnte zu einem Verlust von Arbeitsplätzen kommen wird und dass es mehr Arbeitsplätze geben wird, die eine höhere Qualifikation erfordern, während es gleichzeitig immer weniger Arbeitsplätze geben wird, die eine geringe Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer erfordern.

Die Form der Arbeitsverhältnisse ändert sich stetig, und aus Befragungen – eine wurde beispielsweise von Sora durchgeführt – geht hervor, dass die meisten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einem Verlust der Arbeitsplätze rechnen.

Digitalisierung bietet somit sehr große Chancen, auf der anderen Seite schürt sie auch Ängste, weil viele nicht wissen, was sie für ihre Ausbildung, für ihre bisherige Arbeit be­deuten könnte.

Nicht zuletzt bietet die Digitalisierung natürlich eine sehr große Chance – es ist mir wichtig, das zu betonen – im Bereich Umwelt- und Klimaschutz. Wir wissen, dass es


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nicht nur sehr viele Potenziale gibt, wenn es um die Ressourcenschonung und um Ener­gieeinsparungen geht, sondern auch im Bereich neuer Technologien wie beispiels­weise E-Mobilität. Innovation und Digitalisierung können somit einen großen Beitrag leis­ten, wenn wir überlegen, wie wir unsere Arbeitswelt in Zukunft gestalten, aber auch, wenn es darum geht, wie wir unsere Ressourcen, die immer knapper werden, schonen können.

Es erweckt ja den Eindruck, als würde es nur die jungen Generationen betreffen, des­halb möchte ich zum Schluss noch ganz kurz darauf eingehen, dass es bei Weitem nicht nur Chancen für die Jungen bietet, sondern auch gerade für ältere Menschen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Denken wir nur daran, was für Beiträge die Digitalisierung auch im Bereich Inklusion leisten kann und Menschen dabei helfen kann, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Im Großen und Ganzen freue ich mich deshalb sehr, dass das Thema digitaler Wan­del, Digitalisierung und Demokratisierung hier im Bundesrat immer wieder behandelt wird. Ich hoffe, dass es dabei bleibt und dass uns das auch in Zukunft weiterhin be­schäftigen wird. Es ist nämlich nicht nur ein Thema der Aktuellen Stunde, sondern ein äußerst aktuelles Thema. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrä­ten von ÖVP und SPÖ.)

9.42


Präsident Edgar Mayer: Für eine erste Stellungnahme gelangt Herr Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Mahrer zu Wort. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


9.42.18

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich bedanke mich, dass der Bundesrat in Abstimmung mit uns ein Thema gewählt hat, das tatsächlich nicht nur Thema der Aktuellen Stunde ist, sondern, wie die Vorrednerin gesagt hat, ein aktuelles Thema, das uns auch weiter begleiten wird.

Spannend ist dabei nun der Zusammenhang zwischen dem Innovationsthema und dem Digitalisierungsthema. Die Vorrednerinnen und Vorredner haben das schon trefflich an­gesprochen: In sehr unterschiedlichen Bereichen stehen uns große Veränderungen be­vor.

Was man sich natürlich als gesetzgebende Körperschaften – damit meine ich das Ho­he Haus in Summe, also National- und Bundesrat – in Zukunft vermutlich immer wird stellen müssen, ist die zentrale Frage: Cui bono?, also: Wem soll das Ganze nützen? Es wurde richtigerweise angesprochen: Was ist der Nutzen dahinter? – Bei jedem tech­nologischen Fortschritt ist es in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten, wenn man sich zurückerinnert, eigentlich immer darum gegangen, das Leben der Menschen besser zu machen, also um ein besseres Leben. Man kann jetzt viel hineininterpretie­ren, was das ist, wir erinnern uns aber alle gemeinsam an unseren Geschichtsunter­richt und überlegen uns, wie vielleicht Baustellen in der Antike ausgesehen haben und wie sie heute aussehen, wie vielleicht noch vor 150 Jahren Landwirtschaft betrieben worden ist und wie Landwirtschaft heute betrieben wird.

Wir haben es eigentlich in der menschlichen Zivilisationsentwicklung geschafft, aufgrund von Innovation – und zwar sowohl naturwissenschaftlich-technischer wie auch sozialer Innovation – das Leben besser zu machen, indem vor allem Arbeit einfacher, gesün­der, weniger schwer wurde. Wenn man auch nur ein paar Jahrzehnte zurückgeht, so kann man feststellen, dass sie in vielen Bereichen deutlich schwerer, deutlich unge­sünder war.


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Ich bemühe immer folgendes Beispiel, weil es ein Beispiel ist, über das ich noch vor 15, 20 Jahren mit meiner Großmutter diskutiert habe. Sie hat gesagt: Man kann sich nicht vorstellen, wie groß der Aufstand war, als die Waschmaschine gekommen ist, weil die Debatte da war, was dann die ganzen Wäschermädeln machen werden. Es gab dann plötzlich die Idee, es werde nur mehr Waschsalons geben. Sie wissen, dass es nicht nur mehr Waschsalons gibt, denn plötzlich gab es die Waschmaschine in jedem Haus­halt, und sie hat – an diesem simplen Beispiel aus der Alltagsrealität ist das sichtbar – das Leben einfach einfacher gemacht.

Dann nehme ich noch einmal dieses Baustellenbeispiel: Wir müssen ja nicht bis zum Bau der Pyramiden zurückgehen, die in menschenunwürdigen Verhältnissen durch Skla­venarbeit errichtet wurden. Gehen Sie aber einmal 150 Jahre zurück, denken Sie an Großbaustellen, daran, wie die Ringstraße errichtet worden ist! Dabei gab es noch nicht die vielen technologischen Hilfsmittel, die es jetzt gibt, das war eine harte, schwe­re Arbeit. Damals sind gar nicht wenige Menschen auf den Baustellen gestorben. Wir haben uns – das sehen wir, wenn wir nur ganz wenige Beispiele herausnehmen – bei der Arbeit vieles einfacher machen können.

Es hat aber auch die Innovation in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, unser Leben besser zu machen. Nehmen Sie nur das Thema Gesundheit, wie viel auf Basis des Fortschritts, beginnend in der Grundlagenforschung, dann in der angewandten For­schung und dann in der Translation in Richtung Produkte oder produktorientierte Dienst­leistungen, dazu beigetragen hat, dass wir alle gesünder leben können. Jetzt könnte man natürlich sagen: Gleichzeitig leben wir auch ungesünder, weil wir aufgrund des Wohlstands mehr und andere Nahrungsmittel zu uns nehmen. Das mag sein, es gibt immer zwei Seiten der Medaille, aber der menschliche Fortschritt an sich hat unser al­ler Leben besser gemacht.

Wenn wir jetzt im Jahr 2017 in die Zukunft schauen und über Innovation sprechen, stellt sich mir die Frage, was die Digitalisierung in diesem Bereich mit sich bringen wird. Ja, es sind bereits wichtige Punkte angeführt worden; sie wird unser Leben in ei­ner gewissen Art und Weise beschleunigen, sie wird eine Vielzahl von Prozessen in unserem Leben, im öffentlichen genauso wie im wirtschaftlichen, aber auch im privaten Bereich – man denke nur an unser eigenes Kommunikationsverhalten – automatisie­ren. Auch dort stellt sich wieder die Frage: Ist das nicht gut, falls es zum Nutzen der Menschen geschieht, wenn es gleichzeitig mehr Teilhabegerechtigkeit erzeugt, mehr Hin­wendung in Richtung Verwirklichung der eigenen Lebensträume, das generelle Wohl­standsniveau für alle ansteigen lässt und einen wichtigen Beitrag dazu leistet, die von der UNO definierten berühmten nachhaltigen Entwicklungsziele, die Sustainable Devel­opment Goals, zu erreichen, bei denen es eben um weniger Armut, weniger Hunger geht, für alle ein Dach über dem Kopf, saubere Energie zu leistbaren Preisen, mehr und bessere Bildung – in Summe sind es 17 – und vieles mehr? (Bundesrat Schen­nach: Aber dazu braucht es gesetzliche Parameter!)

Dann, glaube ich, ist es wertvoll, in dem Bereich weiter zu innovieren und zu forschen und zu sehen, wie der Beitrag dazu sein kann. Bei all den Bedenken, die es dabei gibt – dazu bekenne ich mich auch, man muss auch mit den Risiken umgehen –, glau­be ich aber, dass wir als Gesellschaft immer gut gefahren sind, wenn wir sehr chan­cenorientiert gearbeitet haben, uns auf die Chancen konzentriert haben.

Nehmen wir einfach ein paar praktische Anwendungsbeispiele heraus: Was würde es bedeuten, wenn wir hochinnovativ versuchen, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen? Beginnen wir bei der öffentlichen Verwaltung: Muss man die Schnittstelle zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung oder den Unternehmen und der Verwal­tung immer so definieren, dass man zuerst ein Gesetz beschließt, eine Regelung oder eine Norm festlegt, und dann nach der Norm einen Schnittstellenprozess designt –


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oder überlegt man sich, wie es das eine oder andere europäische Land bereits macht, wie denn der Kontakt zwischen Bürgerin und Bürger oder dem Unternehmen und der öffentlichen Hand idealtypisch ausschaut, definiert sozusagen so eine Interaktion und baut danach erst die legistische Umsetzung, weil es ja eine Nutzenzentrierung sein soll, also schlauerweise eigentlich total bürgerzentriert oder im Bereich, wo die Unter­nehmerinnen und Unternehmer Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung haben, unter­nehmerzentriert? Die Digitalisierung bietet diese Chance in einem erstmaligen und un­glaublich gigantischen Ausmaß.

Dasselbe kann man natürlich auch im Bereich der Landwirtschaft, der Wirtschaft oder im Tourismus machen – Kunden- oder Gästeorientierung, wesentlich mehr auf den Nut­zen fokussiert.

In vielen Bereichen geht es also darum, Dinge einfacher, komfortabler, wenn Sie so wollen, schneller und, ganz wichtig, sicherer zu machen. Nur wenn es uns gelingt, die­se berechtigten Sicherheitsbedenken – es ist die Datenwirtschaft heute schon angespro­chen worden – auch aufzunehmen und damit positiv umzugehen und eine sichere Um­gebung in diesem Bereich zu erzeugen, werden die Menschen sagen, dass sie das ger­ne nutzen.

Nicht umsonst hat die estnische Ratspräsidentschaft, die jetzt von 1. Juli bis 31. De­zember den Vorsitz hat, das Thema Digitalisierung als zentrales Thema ausgewählt und haben sich die Staats- und Regierungschefs der gesamten Europäischen Union in der letzten Woche beim Gipfel darauf geeinigt, dass das ein Schwerpunktthema für den großen Rat im März sein soll, wenn sie zum übernächsten Mal zusammenkommen, weil einfach die Digitalisierung viele, viele, viele Lebensbereiche in Zukunft noch viel mehr durchziehen wird als jetzt.

Ich will nun die Frage stellen, wie das in vielen Bereichen mit Innovation zusammen­hängt. Ich habe das schon einmal in diesem Rahmen bei einer Enquete gesagt: Bei Innovation geht es nicht nur um naturwissenschaftlich-technische Innovation, sondern auch um soziale Innovation. Viele der Errungenschaften, die wir möglicherweise vor uns haben könnten, sind nur aufgrund der Vernetzung in der Forschung möglich oder aufgrund der Tatsache, dass wir Daten, die es überall zuhauf gibt, x Milliarden Da­tensätze, zum ersten Mal aufgrund der Effekte der Digitalisierung auch vernetzt nutzen und auswerten können, um einen Erkenntnisgewinn zu haben, wie wir ihn noch nie ha­ben konnten.

Ich bemühe immer wieder gerne das Beispiel der Medizin, wir könnten gemeinschaft­lich einen Test machen. Tun wir das, das ist ein kleines unterhaltsames Experiment: Wer von den werten Bundesrätinnen und Bundesräten hat – ich schließe mich auch gleich mit ein – in den letzten drei Jahren eine radiologische Untersuchung gemacht, bei einem Zahnarzt, irgendwo, oder hat eine CT- oder eine MR-Untersuchung gemacht? Machen wir einen kurzen Test, ich mache das immer gerne. (Einige Bundesräte und der Redner heben die Hand.) – Wir sehen, es ist eine ganze Menge. All diese Untersu­chungen werden in der Zwischenzeit mit einer bildgebenden Diagnostik gemacht, das heißt, diese Bilder werden irgendwo digital vorgehalten. Viele, viele der in der Ver­gangenheit aus solchen Diagnosen gemachten Daten waren früher nicht digital vorhan­den, früher waren sie auf Mikrofiche – für die Älteren von uns, die das noch kennen. Die werden alle digitalisiert, es ist alles digital vorhanden. Was macht der Arzt jetzt? – Er geht her, schaut sich diese Bilder an und versucht, ein Muster zu erkennen, auf­grund seines spezifischen Wissens mit den hoch modernen, hoch auflösenden Gerä­ten etwas zu identifizieren, und stellt eine Diagnose.

Was der Arzt aber nie können wird, weil das die menschliche Kompetenz nicht kann, ist, Hunderte Millionen von Bildern gleichzeitig auf der ganzen Welt zu vergleichen und zu schauen, ob es Ähnlichkeitsmuster gibt. Das passiert schon, es gibt bereits erste


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Unternehmensgründungen. Das sind Ausgründungen aus dem Wissenschaftsbereich, die genau solche Softwareprogramme entwickelt haben – es gibt auch in Österreich zwei Führende in diesem Bereich –, und wir werden in wenigen Jahren in der Lage sein, das persönliche Diagnosebild in ganz kurzer Zeit mit Hunderten Millionen anderer Bil­der zu vergleichen und eine wesentlich genauere Diagnose zu bekommen, als jeder Arzt sie allein erstellen könnte.

Jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt: Es geht nicht darum, dass das der Com­puter statt dem Arzt macht, es geht nicht um den Wettbewerb, ob die Maschine oder der Mensch besser ist, sondern es geht darum, eine ideale Kombination aus diesen beiden Bereichen zu finden. Das heißt, es geht darum, wie das Gerät, die künstliche Intelligenz, der Computer, die Maschine den Menschen unterstützt.

Das ist, glaube ich, die Antwort auf viele Fragen, die immer mitschwingen, wenn es um Ängste geht in Richtung: Werden wir irgendwie ersetzt? – Nein, es geht darum, hoch­wertigere Lösungen für uns alle zu schaffen.

Das beginnt auf der Baustelle, wenn ich mir sogenannte Exoskelette, aus der japani­schen Forschung kommend, anschaue. Das sind einfach kleine Gerätschaften, die man sich an Teilen des Körpers hinzuklicken kann, zum Beispiel für den gesamten Hüft- und Stützapparat, um schwerere Geräte einfacher zu heben, ohne dass die eigene physi­sche Körperstruktur irgendwie beeinträchtigt wird. Auch das ist wieder ein Fortschritt, so wie man früher halt Geräte auf die Baustelle gebracht hat, die es vorher nicht gege­ben hat, wie den kleinen Bagger oder etwas anderes.

Ich glaube, wir können mit diesen Ängsten viel besser umgehen, wenn wir viele, viele praktische Anwendungsbeispiele bringen, und man wird dann sehen, dass die Jobs in ganzen Branchen nicht einfach wegsterben, sondern sich ein bisschen verlagern wer­den.

Und – damit möchte ich eigentlich auch schon enden, weil das meiner Meinung nach ein schönes Beispiel ist, um zu sehen, in welche Richtung die Reise geht –: Wir sehen an vielen, vielen Branchen, dass nach wie vor bei den Kundinnen und Kunden auch ei­ne große Sehnsucht nach einer persönlichen Betreuung da ist, nach dem persönlichen Kontakt. Ich bin zutiefst davon überzeugt. Erste Wissenschaftler, die jetzt seit 20 Jah­ren Longitudinalstudien über Leute machen, die sehr früh in diese digitale Welt einge­taucht sind, früh in den Neunzigerjahren angefangen haben, ganz stark in dem Bereich zu arbeiten, haben festgestellt, dass bei denen die große Sehnsucht vorhanden ist, dass, je schneller das geht und je digitaler ihr Arbeitsumfeld wird, sie einen Ausgleich im phy­sischen, im realen Bereich, im persönlichen Kontakt haben. Den kann der lokale sta­tionäre Handel bieten, den kann das lokale kleine Gewerbe anbieten, den kann unsere wunderbare Tourismus- und Freizeitwirtschaft anbieten.

Es wird die andere Seite brauchen, es wird in uns allen eine noch viel größere Sehn­sucht nach dem Realen, Angreifbaren, Haptischen kommen, wenn die digitale Welt in anderen Bereichen einfach noch schneller wird. Wer, wenn nicht Österreich, als sehr kleine, global orientierte, exportorientierte Volkswirtschaft, die auf der einen Seite tolle Produkte und Dienstleistungen hervorbringt, könnte nicht auch durch ihre sehr regional verankerte Struktur, kleinteilige Wirtschaftsstruktur und vor allem durch ihren wunder­bar positionierten Tourismus in diesem Bereich intelligent punkten?

Die Rahmenbedingungen – Sie haben es angesprochen, Herr Bundesrat – sind wich­tig, ohne jetzt im Detail darauf einzugehen. Damit wird sich eine zukünftige Bundesre­gierung intensiv beschäftigen müssen, aber mit den idealen Rahmenbedingungen ma­che ich mir da eigentlich keine Sorgen, wenn es ein chancenorientierter Zugang ist. Man sollte also weniger mit den Ängsten der Menschen spielen, sondern ihnen in sehr prak­tischen, lebensnahen Bereichen die Möglichkeiten aufzeigen.


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Da setze ich – bei aller öffentlichen Debatte, die es gerade gibt – ganz ehrlich schon sehr stark auch auf die Sozialpartnerschaft im Sinne einer Zukunftspartnerschaft, denn man wird diese Lösungen in den Betrieben, egal, ob es in der kleinbetrieblichen Struk­tur oder im großen Industriebereich ist, partnerschaftlich zwischen Arbeitgebern und Ar­beitnehmern entwickeln müssen, vor allem, wenn es um den Bildungsbereich, um die Qualifikation und um das Nutzen der Chancen geht. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.55


Präsident Edgar Mayer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundes­rätin Zwazl zu Wort gemeldet. Die tatsächliche Berichtigung hat sich auf die Wiederga­be des zu berichtigenden Sachverhaltes und die Berichtigung zu beschränken und darf die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


9.55.47

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Kollege Pisec, dir ist da ein Fehler passiert, denn die Überlebensquote unserer Betriebe nach einem Jahr beträgt 95 Pro­zent und nicht umgekehrt. (Bundesrat Pisec: Gewerbeschein! Ja!) – Nein, die Überle­bensquote der Betriebe nach einem Jahr beträgt österreichweit 95 Prozent, in Nieder­österreich 95,4 Prozent, nach drei Jahren österreichweit 79,1 Prozent, in Niederöster­reich 81,2, und nach fünf Jahren österreichweit 67,7, in Niederösterreich 71 Prozent. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Neugründungen hat es österreichweit ohne Personenbetreuer 29 074 gegeben, in Nie­derösterreich waren es 5 527. Ich denke, das geht auf die großartige Arbeit der Wirt­schaftskammer zurück, weil wir in Niederösterreich alleine 16 000 Gründungsberatun­gen machen und damit die Leute wirklich gut unterstützen, damit sie eine hohe Über­lebensquote haben. (Bundesrätin Mühlwerth: War das jetzt die Berichtigung?) Nicht die Wirtschaft schlechtreden! Wir haben großartige Menschen, die auch großartig ihre Betriebe führen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: War das jetzt die Be­richtigung? Das war ein Debattenbeitrag!)

9.56


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Fürlin­ger. – Bitte.

 


9.57.14

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Im Grunde genommen ist der Debattenbeitrag nach dem, was du, Herr Bundesminister, gesagt hast, fast nicht notwendig. Ich glaube, die Über­schrift muss sein: Wir müssen es mit Optimismus und mit positivem Geist angehen.

Zwei Dinge, die wir praxisrelevant draußen serviert bekommen, sind eine Grundvo­raussetzung dafür, dass wir nicht nur Anführer einer solchen digitalen Revolution, eines digitalen Vordenkens werden, sondern zunächst einmal ein bisschen aufholen: Das ist zum einen die Ausbildung von Programmierern. Wir hören von großen wie kleinen Soft­warefirmen, dass einfach der sogenannte Fachkräftemangel auch bei den Program­mierern gegeben ist. Da ist das Ausbildungsangebot zu verstärken, aber auch im Mar­keting anzusetzen. Wir müssen, glaube ich, bei den Programmierern ein bisschen aus diesem alten Image herauskommen, dass jene, die vor 20, 30 Jahren an der Uni Linz die Ersten waren, die das studiert haben, vielleicht eher in die Ecke des Freaks gerückt worden sind und nicht ins Zentrum der Gesellschaft. Ich glaube, dass dieses Berufsfeld IT mit der ganzen Ausbildung, aber auch jenen, die es ausüben, in der Mitte der Ge­sellschaft ankommen muss. Es muss das Signal sein, dass das sehr gefragt ist.


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Beim Zweiten, meine Damen und Herren, gebe ich der Kollegin von den Grünen recht, die das Versorgungsthema angesprochen hat. Ich komme aus dem Wirtschaftsgroß­raum Linz mit 450 000 Personen, die dort leben, das ist nach Wien der größte Wirt­schaftsraum in Österreich. Wenn ich Linz zum Beispiel Richtung Norden verlasse – da genügt schon Lichtenberg –, ungefähr sieben Kilometer vom Linzer Stadtzentrum hinaus­fahre, dann gibt es dort neue Häuser, die nicht ans Internet angeschlossen sind. Ich re­de jetzt nicht von Obernberg am Inn oder von Ostermiething, wunderbare Ortschaften im Bezirk Braunau, die aber wirklich vom Zentralraum Linz weit weg sind, ich rede hier von fünf bis sieben Kilometern. Das Gleiche gilt auch Richtung Süden, wenn ich nach Linz-Land hinausfahre. Es ist aus meiner Sicht schon eine Blamage für uns, dass das bisher nicht gemacht worden ist.

Ich glaube, dass wir uns pro futuro bei der Infrastruktur nicht auf jene Katastermappen verlassen dürfen, die da einst gezeichnet worden sind, nach denen offenbar 90 Pro­zent ohnehin nicht aus der Breitbandmilliarde zu fördern sind. Oberösterreich nimmt jetzt selbst Geld dafür in die Hand, um das zu tun, was eigentlich Aufgabe des Bun­desbudgets gewesen wäre. Aus meiner Sicht ist da im Infrastrukturbereich sehr, sehr schnell das Denken umzustellen.

Es ist nicht so, dass diese Katastermappe nach dem Kriterium erstellt worden ist: Wo sind die Versorger noch nicht?, sondern die Versorger haben auch eingezeichnet, wo sie schon gerne wären. Am Ende des Tages kommt dann heraus, dass 90 Prozent des Bundesgebietes nicht förderbar wäre. Manchmal frage ich mich, ob es nicht eigentlich umgekehrt ist. Da erwartet uns ein schönes Stück Arbeit. Ich glaube, dass wir das mit Optimismus angehen müssen.

Herr Kollege Schennach, nur einen Satz dazu: Es ist ja alternativlos. – Um bei Ihrem Beispiel mit der Drohne zu bleiben: Fliegt die österreichische Drohne nicht in Graz, wird es eine slowenische, eine kroatische oder eine deutsche sein, die diese Paketzustel­lung machen wird.

Das heißt, wenn wir es nicht tun, tun es die anderen. Das ist ein Rennen, in das wir einsteigen müssen, an das wir glauben müssen. Und wir müssen jenen Glauben ha­ben, dass es noch keine industrielle Revolution gegeben hat, die es für uns Menschen nicht besser gemacht hat, die uns nicht geholfen hat. Und das ist das Entscheidende, was wir hier tun müssen. (Bundesrat Schennach: Da brauchen wir ein Fluggesetz!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Gestatten Sie mir trotz leuchtendem Lämpchen am Red­nerpult, meinen voraussichtlich letzten Redebeitrag in diesem Gremium – da ich in 14 Ta­gen in diesem Saal im Nationalrat angelobt werden werde – fortzusetzen: Ich gehe ger­ne in den Nationalrat, aber ich gehe nicht gerne von Ihnen, vom Bundesrat weg; das möchte ich hier sagen. Ich bin, so wie Kollege Raml, quasi durch die politische Ausbil­dung im Gemeinderat in Linz gegangen, habe dort als Fraktionsobmann in der Oppo­sition durchaus – wie soll ich sagen?, ein entsprechendes Stahlbad kennengelernt, wä­re eine Übertreibung, aber doch – gemerkt, dass Politik auch ziemlich hart im persönli­chen Bereich sein kann.

Als ich in den Bundesrat kam, habe ich festgestellt, es gibt Politik mit einem guten Kli­ma, es gibt Freundschaften über Fraktionen hinweg, es gibt ein respektvolles Miteinan­der. Ich möchte mich bei Ihnen, bei euch allen dafür bedanken. Es war für mich eine extrem bereichernde Zeit. Ich wünsche diesem Bundesrat, euch allen für euer weiteres politisches Wirken alles Gute. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.02


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nächster Redner: Herr Bundesrat Beer. – Bitte.

 


10.02.43

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Digitalisierung und


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Innovation“ – ein wichtiges Thema. Es sind schon sehr viele Bereiche angesprochen worden, es gibt aber Bereiche, die meiner Meinung nach nicht unbedingt wichtig sind, wie zum Beispiel selbstfahrende Autos, denn wenn ich mir einen Computer ansehe, der ein Update bekommt und danach auf einmal nicht mehr nutzbar ist, dann wünsche ich mir nicht, dass ich von einer solchen Computersoftware im Auto bei 130 km/h über­rascht werde und die Lenkung und die Bremsen dann nicht mehr funktionieren.

Also man muss da wirklich ein wenig vorsichtig sein. Wir sollten in diesen Bereichen nicht alles als ganz wunderbar hinstellen. Digitalisierung und Innovation sind aber auf alle Fälle notwendig: Wir können uns dem in Österreich nicht entziehen. Wir müssen ganz einfach mitmachen, sonst sind wir weg vom Fenster.

Was ist aber dabei die Aufgabe der Politik? – Die Aufgabe der Politik ist es, auch jenen Menschen, deren Arbeitsplätze aufgrund dieser neuen Technologien wegfallen, Hilfe zu geben. Unsere Aufgabe wird es auch sein, dass wir in diesem Bereich andere Aus­bildungen und andere Geschäftszweige ermöglichen und unterstützen; so wie schon gesagt wurde, die Wirtschaft gehört unterstützt. – Das ist gar keine Frage, aber es dür­fen nicht nur die hoch qualifizierten Ausbildungsplätze in unserem Fokus sein. Was ma­chen wir mit jenen Menschen, die nicht so hoch qualifiziert ausgebildet sind? Schicken wir sie in die Arbeitslose? Was machen wir mit ihnen? Geben wir ihnen nur die Min­destsicherung? Ist es wirklich eine ganz tolle Idee, für diese Menschen nichts zu tun? Bezahlen werden wir es müssen. Es bezahlt nicht die Wirtschaft, es bezahlt der Steu­erzahler. (Bundesrätin Zwazl: Ja, das sind wir alle!) – Ja, aber ich glaube nicht, dass das Wirtschaftsaufkommen, dass die Abgaben der Firmen und der großen Konzerne, die da sicherlich die Nutznießer sind, ausreichen werden, um das zu bezahlen.

Ich glaube, es ist wirklich notwendig, darauf zu achten, dass diese Neuerungen den Menschen auch Verbesserungen und Erleichterungen bringen. Wir haben gehört, die Arbeit sei gesünder und leichter geworden. Ich frage mich dann nur, warum die Er­krankungen, auch die psychischen Erkrankungen, im Arbeitsumfeld steigen, wenn die Arbeit so viel leichter geworden ist. Ich frage mich, warum Statistiken zeigen, dass die Menschen in Schweden wesentlich länger gesund sind als jene in Österreich. Gerade in Österreich besteht das Problem, dass die Arbeitnehmer von diesen Verbesserungen und Erleichterungen nichts haben und zurückbekommen.

Es gibt einige klein- und mittelständischen Betriebe, also eigentlich der Motor und das Herz unserer Wirtschaft, die ein Problem mit der Digitalisierung haben, aber wir haben schon sehr viele Konzerne. Wenn wir hier beklagen, dass wir eine Breitbandmilliarde brauchen, so hätten wir uns vorher überlegen können: Hätten wir die Post- und Tele­graphenverwaltung, also die Telekom, nicht privatisiert, dann hätten wir sie noch immer, denn damals, zu dieser Zeit, waren wir führend. Jetzt ist das ein Konzern, noch dazu ein mexikanischer. Was hat der für ein Interesse, dass er unser Breitband ausbaut? Er hat eigentlich nur den Wunsch, möglichst viel Geld herauszubekommen. (Zwischenruf des Bundesrates Meißl.)

Ich weiß eh, dass das auch von euch kommt. Ihr wart ja damals dabei, als das privati­siert worden ist, das ist ja gar keine Frage. (Bundesrat Brunner: ... nicht so schlecht ...!) – Ja, wunderbar, wir sehen es ja: weniger Bedienstete, weniger Einnahmen für den Staat, und jetzt zahlt der Staat den Ausbau des Breitbands mit einer Milliarde. Ganz toll: Hat uns nichts gekostet, sondern nur etwas gebracht, heißt es – ein einziges Mal, aber bitte!

Es wird sicherlich nur gehen, wenn wir die Menschen, die jungen Menschen besser ausbilden, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es einige gibt, die in diesem Bereich ganz einfach nicht mitkönnen oder auch nicht mitwollen. Das sind nicht nur junge, das sind auch viele ältere Menschen. Es wird also unsere Hauptaufgabe sein, in diesem Bereich auch für diese Menschen, für diese Bevölkerungsgruppen da zu sein und ih­nen das Weiterleben mit der Digitalisierung zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.08



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 24

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: An dieser Stelle darf ich eine Delegation aus dem sambischen Parlament begrüßen. I would like to welcome a delegation of the National Assembly of Zambia. Welcome at the Federal Council in Vienna! (Allgemeiner Beifall.)

Nunmehr gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte.

 


10.08.45

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Thema, das heute für diese Aktuelle Stunde gewählt wurde, erscheint mir fast etwas zu umfassend, aber wie dem auch sei, als achter Redner in dieser Debatte habe ich bewusst darauf verzichtet, jetzt irgendein vorbereitetes Statement zu verlesen, sondern ich möchte auf einige Redebeiträge mei­ner Vorredner kurz eingehen. Es wurde sehr viel von Chancen und auch von Ängsten und Gefahren, die die Digitalisierung für uns bringt, gesprochen.

Kollege Preineder hat besonders die Chancen für den ländlichen Raum betont. Das ist grundsätzlich richtig, allerdings sind dazu natürlich gewisse Voraussetzungen notwen­dig, der Breitbandausbau ist unbedingt wichtig. Wenn man sagt, man kann heute über­all ortsunabhängig online sein, so ist das leider noch nicht ganz richtig.

Es gibt aber auch anderen Bedarf, beispielsweise im Bereich Schulungen. Wenn ich mir anschaue, dass in der Region Eisenerz noch etliche touristische Beherbergungs­betriebe nicht einmal einen Internetanschluss, keine E-Mail-Adresse, geschweige denn eine Homepage haben, dann muss ich sagen, so wird es in Zukunft für solche Betriebe kein Überleben geben.

Kollege Schennach hat die soziale Verwerfung auf dem Arbeitsmarkt heraufbeschwo­ren, die da kommen werde. Mehrfach ist gesagt worden: Die Arbeitswelt wird sich ver­ändern, es werden andere Arbeitsplätze geschaffen! Ich glaube aber nicht – und es gibt auch diesbezügliche Studien –, dass es in Zukunft tatsächlich deutlich weniger Arbeits­plätze geben wird.

Natürlich ist es vonnöten, auch im Bereich der Bildung tätig zu werden, damit wir nicht vor der Frage stehen, die Kollege Beer gestellt hat: Werden wir jetzt alle in die Arbeits­lose schicken? – Nein, wir müssen diese Menschen eben rechtzeitig – und da müssen wir in den Schulen beginnen – qualifizieren. Darin liegt natürlich für die Politik eine gro­ße Herausforderung.

Das Beispiel Onlinehandel wurde auch erwähnt. Ich war vor Kurzem im Rahmen des Steirischen Städtetages bei einer Veranstaltung über Onlinehandel und dessen Auswir­kungen auf mittlere und kleinere Städte. Wenn man sich das anschaut, dann sieht man, es gibt ein Korrektiv durch den Konsumenten. Auch reine Onlinehändler beginnen be­reits, Flagship-Stores – jetzt einmal in großen Städten – zu errichten, obwohl sie vorher nur Onlinehändler waren. Also es wird sehr wohl der Trend erkannt, dass bei den Kon­sumenten Service und auch der entsprechende soziale Kontakt gefragt sind.

Auch da ist es so, dass der Arbeiter, der dann abgekapselt in seinem Homeoffice sitzt, nicht die Zukunft sein wird. Das ist schon klar. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Oh­ne persönlichen Kontakt wird nichts passieren. Auch Innovation geschieht ja zum über­wiegenden Teil nicht im stillen Kämmerchen, sondern im Team. Dazu ist es notwendig, sozialen Kontakt zu haben. Es wird wahrscheinlich so sein – ich kenne solche Bei­spiele –, dass der Betreffende dann nur noch drei Tage in der Woche in der Firma sein wird und zwei Tage von zu Hause aus arbeiten wird. Das ist in solchen Fällen eine Win-win-Situation für beide.

Dass die Arbeit sicherer geworden ist, kann ich nur unterstreichen. Aus meiner Bran­che kann ich berichten: Als ich angefangen habe, im Tunnelbau zu arbeiten, hat es die Faustregel gegeben: pro Kilometer Tunnel ein Toter. – Gott sei Dank gilt das heute nicht mehr!


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Wir müssen uns also auch in der Politik, die nur die Rahmenbedingungen schaffen kann – denn die Digitalisierung kommt, ob wir wollen oder nicht –, mit Themen wie Kon­sumentenethik und Unternehmensethik beschäftigten, um entsprechend reagieren zu können. Ich bin aber optimistisch, dass das soziale Korrektiv funktionieren wird, auch wenn es teilweise von ganz anderer Seite bedroht wird, nämlich auch durch übertriebe­ne Compliance-Regeln der Firmen, sodass man nicht einmal mehr mit einem Auftrag­geber essen gehen darf.

Abschließend möchte ich mich noch bei Ihnen, Herr Bundesminister, dafür bedanken, dass Sie nicht nur bedingungslose Digitalisierung, beispielsweise Cyberuniversität oder Fernstudien, fordern, sondern sehr wohl die entsprechenden Mittel für ein neues Stu­dien- und Hörsaalzentrum an der Montanuniversität Leoben freigegeben haben, wo dann die Studenten im direkten Kontakt mit den Lehrenden ausgebildet werden und hoffent­lich zukunftsfit gemacht werden. – Danke. (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie bei Bun­desräten von ÖVP und SPÖ.)

10.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten möglichst ein­zuhalten.

 


10.14.58

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte es wirk­lich sehr, sehr kurz machen. Alle zentralen Themenbereiche sind eigentlich von Ihnen an­gesprochen worden.

Was man zusammenfassend sagen kann, ist: In vielen dieser Bereiche geht es um ein Sowohl-als-auch. Es geht nicht um Gegensätze, nicht um ein Gegeneinander-Ausspie­len, nicht um eine einseitige Betrachtung der Dinge. Ich glaube, wenn sich gerade der Bundesrat das zur Maxime macht und auch bei weiteren Themenstellungen – etwa in weiteren Enqueten – in Zukunft auf diese Punkte detaillierter eingeht, dann ist das ein sehr wertvoller Beitrag in der öffentlichen Debatte, denn wir haben zu wenig von dem in Österreich, muss man ganz ehrlich sagen. Wir beschäftigen uns zu wenig damit, wie wir diese unterschiedlichen Bereiche, die oft gegeneinander ausgespielt werden, synte­grieren und zusammenbekommen.

Es ist gerade von meinem Vorredner das Thema Infrastruktur im Forschungs- und Uni­versitätsbereich angesprochen worden. Natürlich brauchen wir Investitionen in digitale Unterstützung. Wir brauchen viel mehr Investments im Bereich der digitalen Infrastruktur. Aber: Das Arbeiten mit diesen neuen Anwendungen braucht auch immer einen physi­schen Raum, und dieser muss auch modern ausgestaltet sein. Das beginnt nicht nur bei den Universitäten und Fachhochschulen, das zieht sich durch den gesamten Bil­dungsbereich. Unser Schulbau wird vermutlich in 15, 20 Jahren anders aussehen müs­sen – mit freieren Lernräumen, mit anderer Umgebung. Überall dort muss die öffentli­che Hand, müssen Bund, Länder und Gemeinden natürlich investieren. Das ist wichti­ge Infrastruktur. – Das ist der eine Block.

Der zweite Block ist der Bildungsblock. Ja, wir werden uns spielerisch – nicht mit Zwang und nicht mit zu viel IT und Applikationen – mit der Frage, wie man richtig mit Medien umgeht, auseinandersetzen müssen, vielleicht schon im Kindergarten – zaghaft aber trotz­dem –, um dann über alle Bildungsstufen – Volksschule, Sekundarstufe 1 und 2, bis in den tertiären Bildungsbereich hinauf – auch dort die Chancen zu nutzen. Da geht es schlichtweg um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder.


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Bildung darf aber dort nicht aufhören, also auch dort wieder ein Sowohl-als-auch. Es muss auch Bildung und Weiterbildung in den Betrieben geben. Wie schaut es mit der Qualifikation unserer Abermillionen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der öster­reichischen Betriebsstruktur und mit der Qualifikation der Unternehmer selbst aus?

All das muss finanziert werden, dafür muss es die richtigen Anreize geben. Damit bin ich jetzt schon am Ende angelangt: Das braucht natürlich neue Möglichkeiten für die Unternehmerschaft, aber auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst, auf Finanzierungsinstrumente zuzugreifen, um dort hineinzuinvestieren. Das wird auch ei­ne geteilte Aufgabe sein: nicht nur staatlich, nicht nur privat, sondern auch da ein ver­nünftiger Sowohl-als-auch-Ansatz.

In diesem Sinne: Ich bedanke mich beim Bundesrat dafür, dass er immer wieder den Fokus auf das Thema Digitalisierung und Innovation legt. Ich würde mir auch wün­schen, dass das der Bundesrat auch in den kommenden Jahren weiter tut.

Da ich ja nicht weiß, ob ich einer nächsten Bundesregierung angehören werde – ich habe mir den Arbeitsplan des Bundesrates angesehen –, bedanke ich mich für die sehr wertschätzende Zusammenarbeit, die mir in den letzten drei Jahren immer sehr gele­gen kam, egal, in welchem Themenbereich – ob das in unserem Haus das Energiethe­ma war, das Wirtschaftsthema, das Tourismusthema, das Forschungsthema, das In­novations- oder das Digitalisierungsthema. Ich habe die Debatten im Bundesrat immer als sehr wertschätzend empfunden und diese sehr genossen. Sie waren immer in­haltsgetrieben, nie untergriffig. Und man muss dazusagen, das sucht in der Republik zum Teil seinesgleichen.

Ganz persönlich möchte ich den Bundesräten, die für den Nationalrat kandidiert haben und sozusagen erfolgreich dorthin gewählt wurden, dazu gratulieren. Ich wünsche Ih­nen für Ihre weiteren Aufgaben, wenn Sie den Bundesrat verlassen und in den Natio­nalrat gehen, alles, alles Gute. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.18


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.18.30Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates,

einer Stellungnahme des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung sowie

eines Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung bei gleichzeitiger Betrauung mit der Fortführung der Verwaltung bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung

verweise ich gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteil­ten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 27

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

3013/AB-BR und 3014/AB-BR (siehe S. 7)

2. Schreiben der Landtage:

Schreiben der Präsidentin des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmit­gliedes (Anlage 1)

3. Stellungnahmen der Länder:

Schreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots (Anlage 3)

4. Schreiben des Bundeskanzlers:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung und der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt gemäß Artikel 74 Absatz 3 B-VG bei gleich­zeitiger Betrauung des Bundeskanzlers und der übrigen Mitglieder der Bundesregie­rung und der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt bis zur Bildung einer neuen Bun­desregierung mit der Fortführung der Verwaltung durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 2)

5. Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union:

B. Zuweisungen:

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates sowie EU-Vorhaben ge­mäß Art. 23e B-VG:

(siehe Tagesordnung)

2. Selbständige Anträge:

3. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder sowie Berichte der Volks­anwaltschaft:

4. Petitionen:

Petition betreffend „Erhalt der Berufsschulen Braunau am Inn und Steyr 2“, überreicht von Bundesrat David Stögmüller (37/PET-BR/2017)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 28

Anlage 1:

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Anlage 2:


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 30


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 31

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BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 32

Anlage 3:

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundesminister für Justiz Vizekanzler Dr. Wolfgang Brandstetter vom 22. bis 25. Oktober 2017 in Ma­rokko bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter mit seiner Vertre­tung.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates sowie jener Entschließungsantrag 239/A(E)-BR/2017, die be­ziehungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatung abgeschlossen und schriftliche Ausschussbe­richte erstattet. Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl eines/einer Vizepräsidenten/Vizepräsidentin mit Wirksamkeit vom 9. November 2017 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zu dieser Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages be­absichtigte ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 sowie 11 und 12 un­ter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.21.011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Be­zügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018) (1767 d.B. sowie 9896/BR d.B. und 9903/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impf­schadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz ge­ändert wird (2307/A sowie 9904/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesord­nung.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich bitte um die Be­richte.

 


10.21.49

Berichterstatterin Renate Anderl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Ok-


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tober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsge-
setz 2018 – PAG 2018).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir in die Debatte eingehen, dürfen wir in un­serer Mitte Herrn Bundesminister Alois Stöger begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Pfister zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.24.01

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Bundesminister! Liebe Frau Präsidentin! Mit diesem Bundesgesetz werden die Pen­sionen für das Jahr 2018 außerhalb der gesetzlichen Vorgaben des ASVG erhöht. Der Anpassungsfaktor für das Jahr 2018 wird durch die Verordnung unter Bedachtnahme auf den Richtwert mit 1,016 festgesetzt werden. Darüber hinaus sollen aber im Einver­nehmen mit den Seniorenorganisationen an Bezieher geringerer Pensionen auf gesetz­lichem Weg zusätzliche Zahlungen geleistet werden.

Dabei geht es auch darum, dass das Gesamtpensionseinkommen abgestuft wird. Das bedeutet für jene, die nicht mehr als 1 500 € monatlich an Pension bekommen, eine Erhöhung um 2,2 Prozent; für jene, deren Pension über 1 500 € bis zu 2 000 € beträgt, bedeutet das eine Erhöhung von monatlich 33 €; für Menschen, deren Pension über 2 000 € bis zu 3 355 € monatlich beträgt, bedeutet das eine Erhöhung um 1,6 Prozent; für jene, deren Pension über 3 355 € bis zu 4 980 € monatlich beträgt, bedeutet das ei­ne Erhöhung um einen Prozentsatz, der zwischen dem genannten Wert von 1,6 Pro­zent auf 0 Prozent absinkt. Beträgt das Gesamtpensionseinkommen über 4 980 € mo­natlich, findet keine Erhöhung statt.

Diese Forderung ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten natürlich sehr, sehr wichtig, weil die Diskussion über Pensionshöhen und Kaufkraft immer darauf ba­siert, dass es eine Zweiklassengesellschaft gibt; oder es gibt die Diskussion, dass die, die viel haben, nichts beitragen wollen, und die, die wenig haben, keine Möglichkeit ha­ben, zu investieren.


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Wichtig ist für uns, dass wir mit diesem Gesetz die Kaufkraft der Pensionistinnen und Pensionisten mit niedrigen Einkommen stärken und dass die gestaffelte Pensionsan­passung im Jahr 2018 über den Anpassungsfaktor hinaus erfolgt.

Was die Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen betrifft, die höhere Pensionen be­ziehen: Ich habe Anfang Oktober, vor genau 14 Tagen, ein Gespräch mit einem Herrn geführt, dessen Pensionseinkommen über 4 980 € hinausgeht. Bei diesen Kolleginnen und Kollegen ist es so – da wir vorher über Digitalisierung gesprochen haben –, dass sie noch direkt miteinander reden und nicht über irgendwelche digitalen Kanäle; die se­hen das sehr wohl ein, weil die Teuerung bei den Pensionistinnen und Pensionisten massiv ankommt, wenn es um Mieten geht, wenn es um Lebenserhaltungskosten geht, wenn es um Lebensmittel geht.

Mit diesem Gesetz schaffen wir auch Kaufkraft. Pensionistinnen und Pensionisten sind aktiv, das ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Da schaffen wir auch Wachstum, wenn es um den Tourismus geht, wenn es ums Reisen geht. Wir sind auch sehr, sehr froh darüber, dass die Pensionistinnen und Pensionisten einen erfolgreichen Beitrag zu unserem Wirtschaftssystem leisten, denn die Kaufkraft, die sie haben, wird in die Real­wirtschaft investiert, wenn es um Leistungen geht, die aufgebracht werden. Das ist ein wichtiger Schritt zur Armutsbekämpfung.

Im Zusammenhang mit diesem Gesetz möchte ich mich noch recht herzlich bei unse­rem Sozialminister bedanken, denn diese Handschrift ist klar erkennbar: Wenn man gemeinsam mit den SeniorInnenvertretern an einem Tisch sitzt, gemeinsam Vorschlä­ge erarbeitet, findet man auch gemeinsame Lösungen, die wir hier heute gemeinsam beschließen und auch umsetzen werden.

Lieber Herr Minister! Herzlichen Dank für die Erhöhung der Kaufkraft unserer Pensio­nistinnen und Pensionisten! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

10.27


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Gitschthaler, pardon, Dr. Eder-Gitschthaler zu Wort gemeldet. – Bitte schön.

 


10.28.00

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sie müssen sich noch an meinen Namen gewöhnen, aber das wird schon. – Danke. Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Senio­renvertreterin ist es mir eine besondere Ehre und ein besonderes Anliegen, zu diesem Thema hier vor Ihnen heute in dieser meiner quasi Jungfernrede zu sprechen.

Die Pensionistinnen und Pensionisten haben in unserem Land nach dem Krieg sehr viel geleistet. Sie haben das Land wiederaufgebaut, sie haben uns großgezogen, sie ha­ben uns eine ordentliche Ausbildung ermöglicht, und sie haben viel erwirtschaftet. Jetzt sind sie, wie mein Vorredner schon gesagt hat, ein wichtiger Teil der Wirtschaft.

Ich weiß, wovon ich rede. Die Seniorenreisen sind gerade bei uns in Salzburg sehr be­liebt. Wir „verschicken“ – unter Anführungszeichen – jedes Jahr zwischen 4 000 und 5 000 Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft. Aber auch die Zuschüsse an die Enkerl sind nicht unbeträchtlich. Daher sind die Seniorinnen und Se­nioren, auch wenn sie dann geringere Pensionen haben, ein ganz wichtiger Wirt­schaftsfaktor.

Sie haben aber in den Jahren vorher zum Sparpaket beigetragen. Im Jahre 2013 lag die Erhöhung der Pensionen 1 Prozent unter der Inflationsrate, im Jahre 2014 betrug sie noch 0,8 Prozent unter der Inflationsrate. Es war also ein realer Wertverlust, den die Pensionistinnen und Pensionisten hinnehmen mussten. Letztes Jahr haben wir die Pen­sionen um 0,8 Prozent erhöht und haben den Pensionistinnen und Pensionisten auch


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noch diese Einmalzahlung von 100 € zugestanden. Daher ist es jetzt nur gerecht und notwendig, diesen Damen und Herren eine würdige Erhöhung zu geben. Daher bin ich Ihnen sehr dankbar dafür, dass wir das heute so beschließen können.

Besonders die Bezieherinnen und Bezieher kleiner Pensionen brauchen diese Erhö­hung – Stichwort Armutsbekämpfung. Ich begrüße daher diese Staffelung, die es er­möglicht, dass gerade diese Gruppe etwas mehr Geld bekommen wird. Sie werden da­von natürlich nicht reich, aber ein Ausgleich zur Erhöhung unter der Inflationsrate der letzten Jahre ist das sicher, denn sie haben auch sehr viel dazu beigetragen, dass es uns gut geht – Stichwort Familienarbeit.

Unser Pensionssystem ist grundsätzlich noch ein gutes. Ich habe vor circa zwei Wo­chen einen Bericht in der ARD gesehen, in dem die Niederlande und wir als Vorbilder dargestellt wurden, wo die Damen und Herren noch ein gutes Auskommen im Alter haben, wo sie sich nicht unbedingt um einen Job bemühen müssen – im Gegensatz zu Deutschland, denn da gibt es wirklich Seniorinnen und Senioren, die von 400 € leben müssen, die dann wirklich an der Armutsgrenze sind. Das haben wir in Österreich Gott sei Dank nicht und das möchte ich auch nicht haben.

Zur Absicherung unserer Pensionen hat nicht zuletzt die Pensionsreform 2003 beige­tragen, aber auch die Einführung des Pensionskontos – auch wenn wir natürlich ge­schaut haben, als wir die Vorschreibungen bekommen haben; es war aber ein wichti­ger Schritt in diese Richtung.

Für uns Frauen wurde mit der Anrechnung der Kindererziehungszeiten als Versiche­rungszeiten ein wichtiger Schritt gesetzt, wiewohl ich mir noch weitere wünschen wür­de, zum Beispiel zum Thema Pflege. Da kommen noch sehr große gesellschaftliche He­rausforderungen auf uns zu, und da müssen wir uns noch einiges überlegen.

Auch die Möglichkeit des Pensionssplittings ist wenig bekannt. Diese wurde 2005 auf freiwilliger Basis eingeführt. Wenn wir das Pensionssplitting massiv unter die Leute brin­gen, betreiben und schauen, dass es wirklich gelebt wird, wird das auch dazu beitra­gen, dass gerade Frauen mittelfristig eine höhere Pension bekommen.

Zu den Zuschüssen: Die Experten haben uns damals gesagt, dass das Pensionssys­tem, wenn wir etwa bei 3 Prozent des BIP bleiben – das sind in etwa diese 10 Milliar­den €, die der Staat zum ASVG-Pensionssystem zuschießt –, finanzierbar bleibt. Ohne Reformen wären wir jetzt bei einem Zuschuss von mindestens 5 Prozent des BIP, und damit wäre das System mittelfristig nicht mehr zu finanzieren. Wir haben ja auch eine Verantwortung unseren Kindern und Enkeln gegenüber, das erfordert aber weitere An­passungen.

Es ist für mich aus heutiger Sicht völlig klar, dass weitere Reformen des Pensionssys­tems notwendig sind, um es nachhaltig zu konzipieren. Das liegt schon am demografi­schen Wandel. 2015 waren in Österreich 5,3 Millionen Menschen von 15 bis 59 Jahre alt, im selben Jahr waren 2,4 Millionen Menschen 60 Jahre und älter. 2045 werden be­reits 3,2 Millionen Menschen in Österreich über 60 Jahre alt sein, im Jahr 2060 werden es 3,3 Millionen Menschen sein. Das sind dann immerhin 40 Prozent der Gesamtbevöl­kerung. Damit wird auch der Prozentanteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter, der Menschen, die dann die Pensionsbezieher werden finanzieren müssen, natürlich ein an­derer.

Daher ist für uns die Sicherheit der Pensionen ein wichtiges Thema, nicht nur für die Jungen, sondern auch für uns Ältere, denn wir Babyboomer wollen auch mittelfristig un­sere Pensionen bekommen. Ganz klar, die Sicherheit wird größer, je mehr Erwerbstä­tige einbezahlen. Wir brauchen Menschen, die einzahlen, also länger arbeiten, wirklich bis zum tatsächlichen Pensionsalter arbeiten können und wollen – Stichwort altersge-


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rechtes Arbeiten, Stichwort Gesundheitsvorsorge, Prävention. Dafür müssen wir uns in Zukunft einsetzen und wirklich auch Maßnahmen setzen.

Dass die Pensionen nicht an Wert verlieren, ist uns auch ein grundsätzliches und wich­tiges Anliegen. Wir wollen wertgesicherte Pensionen, die danach berechnet werden, was man an Beiträgen gezahlt hat. Das ist derzeit bei einigen nicht der Fall, sollte aber ein Prinzip für die Zukunft sein.

Zum Abschluss noch ein paar Worte über die Zukunft des Pensionssystems: Wir müs­sen, wie ich schon gesagt habe, die Nachhaltigkeit im Auge behalten. Für mich ist klar, dass daher auch die zweite und die dritte Säule, also auch die Betriebs- und Zusatz­pensionen, weiter unterstützt gehören. Das österreichische Pensionssystem beruht stark auf der ersten Säule, den staatlichen Pensionen. (Bundesrat Todt: Da gehören sie hin!) Betriebliche und private Pensionsvorsorgen, die zweite und die dritte Säule, spielen lei­der noch eine untergeordnete Rolle. Das hat unter anderem steuerrechtliche Gründe. (Bundesrat Todt: Gott sei Dank eine untergeordnete Rolle!) – Das sehen Sie so, ich sehe es anders.

Österreich ist eines der wenigen OECD-Länder – neben Norwegen –, in welchen der privaten Pensionsvorsorge keine Steuervorteile gegenüber traditionellen Veranlagungs­modellen gewährt werden. Die Beiträge zu den privaten Pensionsvorsorgen sind steu­erlich nicht absetzbar und zusätzlich mit einer 4-prozentigen Versicherungssteuer be­lastet. Ich meine, wir sind eine Bürgergesellschaft, wo die/der Einzelne selbst Verant­wortung im Rahmen seiner Möglichkeiten übernehmen soll, wobei der Bereich der Pen­sionen für mich natürlich auch dazugehört. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Na für die Rei­chen!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, abschließend geht es mir auch um die grund­sätzliche Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Eine Gesellschaft wird unter anderem daran bemessen, wie sie mit ihren älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern umgeht. Ich möchte, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der sich die Menschen auf sichere Pensionen verlassen können, wo den Schwachen geholfen wird, wenn sie es brauchen.

Es ist für mich daher sehr erfreulich, dass mit dem vorliegenden Gesetz mehr als 1,7 Millionen Pensionen über der Inflationsrate, nämlich um 2,2 Prozent, erhöht werden und dass auch die Opferrenten, und das ist mir besonders wichtig, über der Inflations­rate angepasst werden sollen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.36


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Längle zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.36.44

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Von freiheitlicher Seite werden diese Ge­setzesänderungen selbstverständlich auch begrüßt. Gerade die Pensionistinnen und Pensionisten sind sehr wichtig, gerade auch für die Wirtschaft, das ist schon ange­sprochen worden – es sind viele, viele ältere Menschen viel unterwegs, im Sommer und auch im Winter. Daher ist es auch wichtig, dass diese Menschen hier auch einmal Wert­schätzung bekommen.

Wir Freiheitliche haben immer schon eine Mindestpension von 1 200 € gefordert, das ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Grundsätzlich haben wir mit dieser Gesetzesän­derung eine Verbesserung bei den Pensionen bis 1 500 €, nämlich eine Erhöhung um 2,2 Prozent. Danach geht es in diversen Schritten weiter. Personen, die über 4 980 €


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Pension bekommen, bekommen keine Erhöhung, jene mit darunter liegenden Pensio­nen aber sehr wohl. Somit wird gewährleistet, dass wir jene Menschen unterstützen, die kleinere Einkommen beziehungsweise Pensionen haben, und das ist auch von un­serer Seite zu begrüßen.

Ebenso erfreulich sind die Maßnahmen, die wir für die Betroffenen in den Bereichen des Kriegsopferversorgungsgesetzes, des Opferfürsorgegesetzes, des Impfschaden­gesetzes, des Verbrechensopfergesetzes und des Heimopferrentengesetzes treffen. Das sind 2 200 Personen, und in den anderen Bereichen kommen noch einmal circa 2 000 Personen dazu. Da haben wir jetzt auch eine Erhöhung von 2,2 Prozent und lie­gen damit deutlich über der Inflation.

Die zu erwartenden Mehrkosten von rund 130 000 € sollten uns das auch wert sein, da es wichtig ist, dass ein Auskommen mit dem Einkommen gewährleistet ist und dass diese Personen in einem schon etwas fortgeschritteneren Alter diese Wertschätzung er­fahren.

Abschließend noch zwei Dinge: Wie gesagt, wir werden allen Änderungen zustimmen. Noch ein kleiner Wink an die ÖVP-Fraktion beziehungsweise eine Replik auf das, was die Frau Kollegin gesagt hat: Sie haben vorhin gesagt, dass Ihnen das sehr, sehr wich­tig ist. Dann stellt sich für mich die Frage: Warum habt ihr es nicht schon früher ge­macht? Ihr seid ja schon seit vielen Jahrzehnten in der Regierung. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

10.39


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.39.20

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Wertes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zu­schauer! Nach der Nationalratswahl sind wir Grüne hier im Bundesrat die letzten Grü­nen, die im Parlament verblieben sind. Uns Grünen wurde letzte Woche klar und deut­lich gezeigt, dass wir über unsere Politik, über unsere Strukturen und über unsere stän­dige Beschäftigung mit uns selbst wirklich nachdenken und etwas ändern müssen.

Um es deutlich zu sagen: Wir Grüne haben es in den letzten Jahren vergeigt. Ja, das nehme ich auch im Bundesrat zur Kenntnis. Ich bin aber nach wie vor der Überzeu­gung: Uns braucht es. Es braucht im österreichischen Parlament eine Kraft, die über Naturschutz redet, die eine progressive Bildungspolitik anspricht, die ganz klar und oh­ne jemals davon abzuweichen für die Schwachen, für die hilflosen Menschen da ist und sich für eine solidarische Gesellschaft und für Verteilungsgerechtigkeit in Österreich ein­setzt.

Ich werde mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin hier im Bundesrat für diese Punkte einsetzen und auch dafür, mit allen Mitteln, die uns parlamentarisch zur Verfügung stehen, diese Regierung – mit einer sehr hohen Wahr­scheinlichkeit, wie man der Presse entnehmen kann, mit FPÖ-Beteiligung – zu kontrol­lieren und Missstände aufzuzeigen, so gut es geht. Und ganz ehrlich: Ich freue mich schon darauf. Da werden wir, da bin ich mir ganz sicher, einiges zu tun haben, da wird uns nicht fad werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch beim nächsten Tagesordnungspunkt zeigt sich, wie wichtig die Grünen sind. Wir werden auch heute einige Wahlzuckerl, sozusagen Vorwahlzuckerl, einlösen, die wir im Nationalrat gemeinsam mit der SPÖ und mit Op­positionsparteien eingebracht haben, und auch einige Ungerechtigkeiten auslöschen.

Das Erste ist die Pensionsanpassung für das nächste Jahr. Diese wird von 1,6 Prozent auf 2,2 Prozent angehoben, wobei – und es ist mir wichtig, das dazuzusagen – Pensio-


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nen, die über einer fiktiven ASVG-Höchstbeitragsgrenze liegen, abgeschmolzen und Pensionen, die über der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage liegen, gar nicht angehoben werden. Das halte ich für einen richtigen und wichtigen Schritt in dieser Sache, denn es geht uns hierbei um die Pensionistinnen und Pensionisten, die jeden Euro, jeden Cent umdrehen müssen, um über die Runden zu kommen. Diese müssen wir unterstützen – und nicht die Luxuspensionistinnen und Luxuspensionisten, denen die paar Euro, die sie dazubekommen würden, auf ihrem Konto gar nicht auffallen würden. Wir hätten uns auch noch ein paar Kürzungen gerade bei den Sonderpensionen und dafür mehr Geld für die niedrigen Pensionen gewünscht, aber gut, nun ist es eben so gekommen. Es wird mit diesem Gesetz auch für Selbständige in Zukunft eine bessere Absicherung im Krankheitsfall geben und für die kleineren Betriebe mehr Unterstützung, wenn ein Mit­arbeiter krank ist. Das ist natürlich auch von unserer Seite unterstützenswert.

Wir Grüne werden zustimmen, und natürlich auch der Erhöhung der Versorgungsge­setze für das Jahr 2018. Also von unserer Seite volle Unterstützung! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.42


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Stö­ger. – Bitte, Herr Minister.

 


10.42.47

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mich freut es heute ganz besonders, jene Themen mit Ihnen zu behandeln, die gerade in einem Zeitfenster vor einer Nationalratswahl Verän­derungen in österreichischen Entwicklungen gebracht haben. Es geht um Freiheit. Ein demokratischer Staat braucht Freiheit. Und zur Freiheit älterer Menschen, nämlich kei­ne Angst zu haben, dass sie Armut im Alter erleben müssen, haben wir dieses Mal wie­der einen Beitrag geleistet.

Es geht darum, dass wir für Menschen, für die Butter und Brot teurer wird, und vor allem für jene, die wenig Einkommen haben, diese Pensionen mehr erhöhen. Es geht darum, dass wir erkennen, dass Österreich in der Geschichte ein Pensionssystem ent­wickelt hat, das 60 Jahre lang den Menschen die Sicherheit gegeben hat, dass sie pünktlich ihre Pension bekommen. Jetzt kann man über die Höhe streiten, aber sie ha­ben 60 Jahre lang immer die Pension pünktlich ausbezahlt bekommen, und wir haben sie weiterentwickelt.

Um dieses Weiterentwickeln geht es auch heute. Mit diesem Gesetzesvorschlag haben wir die Pensionen angepasst, wir haben sie mehr angepasst, weil die Wirtschaft boomt. Christian Kern hat gesagt: „Holt euch, was euch zusteht!“ Und den Pensionisten, vor al­lem jenen, die wenig Einkommen haben, stehen 2,2 Prozent Erhöhung zu. Ihnen steht weiters zu, dass man auch allen anderen die Inflation anpasst. Ich glaube, das ist wich­tig.

Ich möchte auch auf Folgendes hinweisen, weil ich das auch vor der Wahl gesagt habe und weil diese Woche bereits in den Medien begonnen wird, zu erklären, dass das ös­terreichische Pensionssystem nicht nachhaltig sei – das habe ich gestern in den Me­dien vernommen –: Genau das Gegenteil ist der Fall! Das österreichische umlagefinan­zierte Pensionssystem ist jenes Pensionssystem, das – noch einmal – 60 Jahre lang den Beweis erbracht hat, dass es in der Lage ist, die Menschen – ein Viertel der Be­völkerung – mit Einkommen zu versorgen, und ich bedanke mich bei Ihnen allen, die Sie heute hier die Zustimmung erteilen.

Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt, dass wir auch die sogenannten Op­ferrenten mit dem höheren Prozentsatz erhöhen, weil das jener Personengruppe zugu-


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tekommt, die es in ihrem Leben nie leicht gehabt hat. In diesem Sinne danke ich für Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

10.45

10.45.20

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2018.

Der gegenständliche Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von min­destens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungs­gesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.48.083. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Entgeltfortzah­lungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufsausbildungs­gesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (2306/A sowie 9897/BR d.B. und 9905/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


10.48.43

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das


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Gutsangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Haus­angestelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetz­buch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.49.30

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Angleichung der Rechte von Ar­beitern und Angestellten wird bei uns ziemlich heiß diskutiert. Es ist richtig, dass im Wahlprogramm der Volkspartei das Ziel eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs fest­gelegt war. Dieses Ziel wird auch von uns in der Wirtschaft auf breiter Basis unter­stützt. Ich habe Verständnis dafür, denn der Begriff Arbeiter hat in unserer Gesellschaft nicht den Stellenwert und bekommt nicht die Wertschätzung, die ihm eigentlich zusteht, denn: Die Arbeiter haben eine hoch qualifizierte Ausbildung, aber wenn wir an Arbeiter und Angestellte denken, dann ist es immer so, dass bei uns an und für sich ein Ange­stellter höher und mehr wertgeschätzt wird als ein Arbeiter.

Es war aber im Wahlprogramm auch festgehalten, dass dies unter Einbindung der So­zialpartner verhandelt werden soll. Für mich ist daraus keine Rechtfertigung dafür ab­zuleiten, dass wir so eine Hauruckpartie gemacht haben. Wir von der Wirtschaft reden von einer schrittweisen Heranführung der Arbeiter und Angestellten, sodass wir nach ei­ner entsprechenden Übergangszeit einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff haben. Ich weiß, dass das manche nicht so haben wollen, und es gibt ja noch genug Themen, die gelöst gehören, wie zum Beispiel die getrennten Betriebsräte. Mir geht es aber auch um die Frage: Wie wird das in der Praxis umgesetzt? Wie schaut das für uns in der Wirt­schaft aus?

Das Gesetz ist in dieser Form sehr unbestimmt. Aus unserer Sicht steht hier ernsthaft eine Verfassungswidrigkeit im Raum. Zum einen wird mit diesem Gesetz kurzfristig in Tausende Dienstverträge eingegriffen, denn geringfügig beschäftigte Angestellte sind derzeit von langen Kündigungsfristen ausgenommen, und diese Ausnahme soll mit 1.1.
2018 wegfallen.

Ich habe mir das angeschaut: Es sind sehr viele Akademiker und Nebenerwerbsland­wirte, die eine geringfügige Beschäftigung haben. Da geht es ja nicht um eine soziale Absicherung, sondern schlicht um einen Zuverdienst. Oft geht es aber auch um die Mitarbeit bei Projekten, und keiner erwartet sich hier einen großartigen Beendigungs­prozess.

Dieser Eingriff in die bestehenden Verträge ist unsachgemäß. Im Grunde genommen müsste ich allen unseren Unternehmen raten, eine Auflösung der Verträge vor Jahres­ende zu prüfen. Das, glaube ich, war aber nicht der Sinn.

Ein zweites Thema ist die Ausnahme von den Kündigungsfristen für Saisonbetriebe. Dahinter könnte man ja eine Wirtschaftsfreundlichkeit vermuten, aber es wird damit nur Unklarheit provoziert. Was ist denn eigentlich ein Saisonbetrieb? – Jeder denkt dabei selbstverständlich an den Bau, an den Tourismus und auch an die Landwirtschaft, aber bei genauerem Hinsehen ergeben sich da massive Fragen. Im Gesetz wird einfach auf


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das Arbeitsverfassungsgesetz verwiesen, aber in diesem steht nicht sehr viel drin. Da­rin geht es vor allem um das passive Wahlrecht für Betriebsräte.

Mit dieser Änderung geht es aber um die Frage der Kündigungsfrist, und das verur­sacht bei falscher Beurteilung enorme Kosten. In Wirklichkeit gibt es keine klare Ab­grenzung zwischen Saisonbetrieben und Nichtsaisonbetrieben. Auch der Kollektivver­trag löst dieses Problem nicht. Das Risiko der Beurteilung, ob ein Unternehmen ein Sai­sonbetrieb ist, liegt beim jeweiligen Arbeitgeber.

Wir werden hier unzählige Einzelfallentscheidungen bei den Gerichten bekommen. Mir geht es vor allem um die Saisonbetriebe in Nichtsaisonbranchen. Denken wir zum Bei­spiel an die vielen klein- und mittelständischen Saisonbetriebe im Handel: Ein Skihänd­ler in Schladming oder ein Fahrradhändler am Neusiedler See wird nicht als Saisonbe­trieb gelten. Oder vielleicht doch?

Wenn ein Gesetz offensichtliche Rechtsunsicherheit erzeugt, dann, denke ich, müssen wir im Bundesrat darauf reagieren!

Und wie wird es umgekehrt bei Nichtsaisonbetrieben sein, die aber zu Saisonbranchen zählen? Werden wir eine Prozessflut bekommen, wenn in ganzjährig betriebenen Re­staurants die Ausnahme für Saisonbetriebe angewendet wird? Es gibt viele Fragen, aber es gibt darauf keine klaren Antworten. Und da frage ich mich wirklich, ob wir im Bundesrat da zustimmen können.

Ein weiteres, in meinen Augen an und für sich fahrlässiges Beispiel ist die Regelung, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch bestehen bleibt, wenn eine einvernehm­liche Lösung im Hinblick auf die Dienstverhinderung erfolgt.

Was ist denn eigentlich die Aufgabe der Gesetzgebung? Gerichte zu beschäftigen – oder diese zu entlasten und dafür zu sorgen, dass unsere Betriebe wissen, wie sie sich zu verhalten haben? Wie wird eigentlich beurteilt, ob eine einvernehmliche Lösung im Hin­blick auf die Dienstverhinderung erfolgte? Wie lange vorher wird als „im Hinblick auf“ gelten? Müssen sich dann die Gerichte auf Motivforschung begeben?

Ich habe mir ein Beispiel herausgesucht: Ein Arbeitnehmer meldet einen genehmigten Kurantritt, was einem Krankenstand gleichzuhalten ist. Bei Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist vor Kurantritt besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Was wird in Zukunft bei einvernehmlicher Auflösung gelten? – Ich hoffe, die Richter werden es wissen, aber mir wäre lieber, die Wirtschaft wüsste es.

Es ist hier schon eine ziemliche Rechtsunsicherheit erzeugt worden. Meine Bitte ist da­her, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Geben wir doch dem Nationalrat noch einmal die Möglichkeit, das Thema nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtskonformität zu gestalten! Ungeachtet dessen gibt es ja auch die Möglichkeit eines Beharrungsbeschlusses, wenn das Gesetz bestehen bleiben soll. Ich bitte Sie, da­rüber nachzudenken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.56


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.56.28

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Auch bei uns in der Gewerk­schaft wird das Thema Arbeiter und Angestellte heiß diskutiert, und es wird nicht erst jetzt diskutiert, sondern, man kann sagen, seit Jahrzehnten. An dieser Stelle möchte ich daher sagen: Als Gewerkschafterin, aber auch als Arbeitnehmerin freut es mich persönlich, dass es nach jahrzehntelangen Verhandlungen gelungen ist, eine Diskrimi­nierung zwischen zwei Beschäftigtengruppen zu beseitigen. Es geht hier nicht darum,


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 43

ob wir jetzt einen einheitlichen Begriff haben, es geht nicht um einvernehmliche Auflö­sungen, sondern es geht uns darum, eine Diskriminierung zu beseitigen.

Da es einige gibt, die jetzt plötzlich so tun, als hätten jetzt ein paar Abgeordnete etwas Neues erfunden, sozusagen eine neue Forderung in den Raum gestellt – es war vorhin gerade von einer „Hauruckpartie“ die Rede –, möchte ich darauf jetzt eine Antwort ge­ben.

Ich komme – das ist kein Geheimnis – aus der Metallergewerkschaft, und vor fast 30 Jahren war das dort schon ein Thema. Es ist also kein neues Thema, sondern war schon vor 30 Jahren Thema in der Metallergewerkschaft. Der damalige Vorsitzende der Metaller, Rudi Nürnberger, hat sich damals als Ziel gesetzt, die Diskriminierung zwi­schen den Beschäftigtengruppen – und zwar geht es da um die Diskriminierung zwi­schen Arbeitern und Angestellten – über die Kollektivverträge zu beseitigen, und es ist ihm auch gelungen, dass in den Kollektivverträgen der Metaller sozusagen ein Kon­sens hergestellt werden konnte.

In der Elektronikindustrie, im Metallbereich und in der Energiewirtschaft ist es vor Jahr­zehnten schon gelungen, eine weitgehende Gleichstellung von Arbeitern und Ange­stellten zu erreichen. In anderen Bereichen diskutieren wir das schon sehr lange, aber bis heute ist es nicht gelungen, hier einen Konsens zu erreichen.

Und weil immer davon gesprochen wird, dass ein wirtschaftlicher Schaden entstehe, wenn wir das umsetzen, möchte ich hier anmerken: Die Elektronikindustrie lebt nach wie vor, ebenso der Metallbereich, der gerade in Verhandlungen steht, und ebenso lebt auch der Energiebereich!

Es ist kein neues Thema, es ist keine neue Forderung. Seit Jahrzehnten fordern der ÖGB und seine Fachgewerkschaften eine Angleichung von arbeitsrechtlichen Bestim­mungen für Arbeiter und Angestellte. Gescheitert, das muss man auch dazusagen, ist es immer wieder am Widerstand der Wirtschaft und der ÖVP. Auch voriges Jahr war es wieder Thema in Alpbach, und trotz vieler Vorschläge, die dort auf den Tisch gekom­men sind, kam es zu keiner Einigung.

Es wird immer wieder von Blockierern, von Bremsern bei der Sozialpartnerschaft ge­sprochen. Bei diesem Thema merkt man aber, wenn man genau hinsieht, ganz schnell, wer hier über Jahre und Jahrzehnte die Blockierer waren. In den letzten Monaten gab es eine Annäherung auf Expertenebene der Sozialpartner, doch kurz vor einer Lösung im Mai dieses Jahres kam es seitens der Wirtschaft wieder zu keinem Abschluss, und die Mitteilung in diesem Zusammenhang lautete so ungefähr: Der Zug ist abgefahren.

Aufgrund dessen, was im Mai passierte, waren wir Sozialpartner natürlich sehr über­rascht, als im Zuge der Wirtschaftsgespräche in Alpbach dieses Mal Sebastian Kurz die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten angekündigt hat. Unsere Pressestelle hat danach ein bisschen recherchiert, und ich kann euch an dieser Stelle sagen: In 22 Presseberichten wurde diese Angleichung verkündet. Es gab 22 Presse­berichte darüber, dass Sebastian Kurz gesagt hat: Angleichung der Rechte von Arbei­tern und Angestellten. Was uns gefehlt hat, war der Aufschrei der Wirtschaft. Wo hat die Wirtschaft gesagt: Das kann so nicht sein!? – Es war Funkstille. Es war Funkstille, weil es Ihr Minister war, der plötzlich diese Aussage getätigt hat.

So kam es dazu, dass im Zuge einer Plenarsitzung ein Fristsetzungsantrag einge­bracht wurde. Auch nachdem das passiert ist – das möchte ich hier auch bemerken –, gab es wieder Gespräche in der Wirtschaftskammer, aber auch diese Gespräche ha­ben nicht zu einer Einigung geführt.

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Es kann doch nicht sein, dass man sich im 21. Jahrhundert nicht darauf einigen kann, eine Diskriminierung zu beseitigen – und


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das, was derzeit der Fall ist, ist eindeutig eine Diskriminierung zwischen zwei Berufs­gruppen. Mit diesem Gesetz kommt es ja nicht nur zu einer Angleichung bei der Ent­geltfortzahlung, sondern auch zu Verbesserungen, weil den Beschäftigten bereits nach einem Arbeitsjahr Entgeltfortzahlung bis zu einer Dauer von acht Wochen gebührt und nicht, wie bisher, erst nach fünf Jahren.

Da der Aufschrei der Wirtschaft ja immer in die Richtung geht, was das alles koste und dass man sich das gut überlegen solle, möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass dieser Prozess betreffend Entgeltfortzahlung lange wissenschaftlich begleitet wurde, und zwar von L&R Sozialforschung, deren Berechnungen – nicht unsere – eindeutig be­stätigen, dass diese Änderung bei der Entgeltfortzahlung kostenneutral ist. Es leuchtet ebenso wenig ein, dass ArbeiterInnen in einigen Fällen – man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen – von einem Tag auf den anderen auf die Straße ge­setzt werden können, während Angestellte Kündigungsfristen zwischen sechs Wochen und fünf Monaten haben.

Liebe Präsidentin Zwazl, da geht es schon um soziale Absicherung. Wenn ich etwa an einen Bäcker denke – weit weg vom Tourismusbetrieb –: Ein Bäcker hat derzeit eine Kündigungsfrist von einem Tag. Das bedeutet, der Chef kann zu Herrn Maier oder Mül­ler, wie auch immer, am Freitag sagen: Am Montag brauche ich Sie nicht mehr! – Das hat sehr wohl etwas mit sozialer Absicherung zu tun. (Beifall bei der SPÖ, bei Bun­desräten der FPÖ sowie der Bundesräte Schreyer und Stögmüller.)

Ich möchte da jetzt aber auch nicht unerwähnt lassen, wenn wir immer von Kosten sprechen, dass parallel dazu auch die Wirtschaft eine Entlastung zu verzeichnen hat, nur: Die kehren wir sehr gerne unter den Teppich. Das möchte ich jetzt auch einmal sagen: Durch die Übernahme der Internatskosten durch den IEF und die Abschaffung der Auflösungsabgabe, die ja auch im Parlament beschlossen worden ist, erspart sich die Wirtschaft einige Millionen, kann man sagen. Bei den Internatskosten sind es ab 2018 ungefähr 45 oder 46 Millionen €; bei der Auflösungsabgabe, auch wenn das erst ab 1. Jänner 2020 wirkt, sind es fast 70 Millionen €.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Heute hat Präsidentin Zwazl ja schon in einem anderen Statement darauf hingewiesen, dass wir die Wirtschaft nicht schlechtreden sollen. – Ja, das unterstütze ich; und ich habe die Bitte: Reden wir Österreich nicht schlecht! Österreich steht sehr gut da, die Konjunktur springt an, wir haben die Krise gut bewältigt. Wir sind nach wie vor eines der reichsten Länder dieser Welt. Unseren Beschäftigten, den Arbeitern und Angestellten, verschaffen wir Sicherheit durch unser Kollektivvertragssystem.

Angesichts der Stimmen, die in der letzten Zeit laut werden, frage ich mich: Woher kommt dieses Bedürfnis, ein gut funktionierendes System, das Wohlstand für uns alle sichert und bis heute gesichert hat, zerschlagen zu wollen? Meiner Meinung nach ist das in Zeiten wie diesen, in modernen Zeiten, ein wichtiges Signal, wir brauchen einen modernen ArbeitnehmerInnenbegriff mit einheitlichen Regelungen, und es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, dass die ÖVP da nicht mitstimmen kann; es wäre Ihnen anscheinend lieber, dass es weiterhin Diskriminierung zwischen zwei Beschäftigten­gruppen gibt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! ArbeiterInnen zu benachteiligen ist der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert unwürdig, daher verstehe ich nicht, dass es hier nicht zu einem ein­stimmigen Beschluss kommt. Ich werde beziehungsweise meine Fraktion wird diesen Beschluss sehr, sehr gerne mittragen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.05


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Rösch. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 45

11.05.25

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Heute ist ein besonderer Tag für die Gleichberechtigung der Arbeitnehmer. Das haben wir einem sehr turbulenten, heftigen Wahlkampf zu verdanken, in dem Minister Kurz herausgegangen ist und ge­sagt hat, die Gleichstellung von ArbeiterInnen und Angestellten sei Programm. Gott sei Dank ist dann unser Kanzler Kern aufgesprungen und hat gesagt: Okay, das lassen wir nicht auf uns sitzen, wir sind da nicht die Bremser, wir gehen da mit! Das ist nämlich schon seit ungefähr 40 Jahren im Gespräch und wurde auch von der FPÖ immer wie­der gefordert. HC Strache hat die Gunst der Stunde genutzt und ist mit Kanzler Kern in dieser Frage zusammengegangen, und wir haben da wirklich einen Schlussstein, einen sozialen Meilenstein gesetzt.

Es ist einfach nicht zu erklären, warum die Ladnerin, die um 4 Uhr in der Früh in einer Bäckerei steht, in dem sie betreffenden Arbeitsrecht andere Bedingungen vorfindet als zum Beispiel eine im Supermarkt angestellte Kassiererin oder hinter der Theke Ste­hende. Das kann man einfach niemandem erklären, und man kann es auch nieman­dem erklären, warum die Gesetze für jemanden, der in einem Lager Stapler fährt und dort die Logistik macht, und jemanden, der das von seinem Büro aus macht und dort in einem Logistikprogramm alles einträgt, unterschiedlich sein sollten.

Durch die Digitalisierung – das haben wir ganz am Anfang gehört – hat sich ja vieles geändert. Die Maschinen und die Programme unterstützen den Menschen bei der Ar­beit, sodass der Mensch von der körperlichen Arbeit entlastet wird und viele Prozesse, in denen die Fehleranfälligkeit von Menschen eine Rolle spielt, vereinfacht werden; da­mit sind wir natürlich auch produktiver. Wir sehen das auch in der Produktivität, seit un­gefähr 1970 hat sie sich verdreifacht – die Kaufkraft nicht –, und vieles hat sich verän­dert.

Wir müssen ja aus der Geschichte lernen, aus den Erfahrungen mit der Industrialisie­rung, wodurch dann praktisch alles aus dem Ruder geraten ist, die Faktoren Arbeit, Zeit und Lohn plötzlich ungleich verteilt wurden. Daraus müssen wir hinsichtlich Digi­talisierung – wir befinden uns ja schon seit Jahrzehnten in dieser Phase – lernen, damit wir dann nicht wieder in einer Ungleichverteilung, in einem Kampf enden; wenn man in die Geschichte schaut: Wir hatten Bolschewismus, Nationalsozialismus, Faschismus und viele andere Ismen, die den Menschen nicht gutgetan haben – egal, auf welcher Seite.

Wir wollen unsere Kinder in eine friedliche Zukunft bringen, wir wollen unsere Kinder nicht in diesen Auseinandersetzungen finden, und wir wollen natürlich auch hinsichtlich Arbeit Gleichberechtigung.

Die Sozialpartner werden gefordert sein. Auch die Sozialpartner werden sich moralisch verpflichtet fühlen müssen, sich zu verschlanken; etwa die Landarbeiterkammer, be­treffend die man sich in einem nächsten Schritt fragen wird: Kann das ein Ausschuss in der Arbeiterkammer sein oder nicht? Das müssen sich die dort jetzt einmal überlegen. Dazu wird es noch andere Gesetze geben, das ist also nicht etwas, was einfach kom­men wird. Es wird auch die Wirtschaftskammer gefordert sein, sich einiges zu überle­gen, vor allen Dingen auch moderner zu werden und das, was die Bevölkerung möch­te, das, was die Arbeitnehmer wollen, ernst zu nehmen.

Es ist wirklich schön, wenn ich einfach nur die Stichworte hernehme, dass es bei den Kündigungen jetzt eine Angleichung gibt, bei den Rechten im Krankheitsfall, bei beson­derer Dienstverhinderung – sehr viele wissen das ja gar nicht – oder dass Internats­kosten nicht mehr von der Lehrlingsentschädigung bezahlt werden müssen. Ich meine, viele Betriebe haben diese Kosten ja schon übernommen, und in manchen Betrieben ist es gar nicht notwendig, weil der Unterricht sowieso wöchentlich stattfindet und nicht


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geblockt wird, aber einige wenige hat es noch immer gegeben, die das von ihrer kärg­lichen Lehrlingsentschädigung bezahlen mussten. Wir zeigen mit der Übernahme der Internatskosten: Auch diese Ausbildung ist uns mehr wert.

Es wurde im Gegenzug natürlich auch für die Wirtschaft etwas getan, und es ist ganz einfach so, dass die Kleinunternehmer bei der Entgeltfortzahlung jetzt auch etwas be­kommen. Und es ist ja nicht so, dass jetzt alles zu Ende verhandelt ist. Es kann ja auch sein, dass man noch auf das eine oder andere draufkommt und dann sagt: Okay, da kommen wir der Wirtschaft einen Schritt entgegen!

Das war aber ganz essenziell, und wir waren richtig froh, dass wir da mitmachen durf­ten und dass wir auch zeigen konnten, dass wir, so wie in der Vergangenheit, soziale Meilensteine mittragen. Ich erinnere nur an die Elternteilzeitkarenz, wo ich mich wirklich gefragt habe, wie es überhaupt möglich war, das umzusetzen. Wir waren auch beim Mehrstundenzuschlag dabei – ich erinnere: 2003 habe ich in der Arbeiterkammer einen Antrag gestellt, der noch belächelt wurde, 2005 ist das Gesetz geworden –, bei der Ab­fertigung Neu, beim Kindergeld und vielem anderen.

Wir sind wieder einen Schritt weiter, und das ist gut so! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.11


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.11.26

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ja, es ist eigent­lich unfassbar, dass sich diese Minimalkündigungsfristen so lange gehalten haben; ich glaube, seit über 70 Jahren ist das Ganze schon Thema. Es handelt sich hier um eine ganz wichtige Nivellierung für alle Arbeiterinnen und Arbeiter, die bisher vor allem hin­sichtlich Kündigungsbestimmungen und Dienstverhinderungsgründen benachteiligt wa­ren.

Es ist jetzt endlich Schluss mit dieser Zweiklassenarbeitnehmerschaft, und ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Schritt, dass es heute endlich auch in Österreich so weit kommt.

Für ArbeiterInnen bestanden bis dato bei den Kündigungsfristen deutliche Nachteile, weil die Regelungen auf verschiedene Gesetze verteilt waren; die meisten waren sehr kurz. Frau Kollegin Anderl hat schon das Beispiel des Bäckers erwähnt, der eine Kün­digungsfrist von nur einem Tag hatte. Das wird in Zukunft zum Glück angeglichen.

Bei den Angestellten wird die Klausel betreffend Wiedererkrankung analog zu jener der ArbeiterInnen ergänzt; das bedeutet, dass nur dann ein Anspruch auf Entgeltfortzah­lung besteht, wenn er nicht schon ausgeschöpft ist. Dafür wird im Gegenzug die Dauer der Entgeltfortzahlung nach dem ersten Dienstjahr auf acht Wochen erhöht; das war früher erst nach fünf Jahren möglich – also auch eine positive Entwicklung des Gan­zen.

Was mich auch persönlich freut: Die Lehrlinge wurden bei dieser Novellierung mitbe­dacht. Die Ansprüche der Lehrlinge werden zeitlich verdoppelt, das heißt, sie haben in Zukunft im Krankheitsfall bis zu acht Wochen Anspruch auf Fortzahlung der Lehrlings­entschädigung, danach acht Wochen Anspruch auf die halbe Lehrlingsentschädigung – auch eine sehr positive Entwicklung für unsere zukünftigen Fachkräfte.

Was uns Grüne natürlich auch noch freut, ist, dass unser Entschließungsantrag im Na­tionalrat angenommen wurde. Damit wurde auch für die Zukunft sichergestellt, dass es einen besseren arbeits- und sozialrechtlichen Schutz für atypisch beschäftigte Perso-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 47

nen wie freie DienstnehmerInnen und Neue Selbständige geben wird und es zu einer Überführung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung in ein moder­nes Arbeitsrecht kommt. Ich denke, das war auch notwendig, und danke allen, die da mitstimmen.

Es ist nur schade, dass der Kündigungsschutz erst ab 2021 gelten soll, aber ich sehe natürlich ein, dass es auch genügend Zeit braucht, damit sich die Wirtschaft auf die neue Rechtslage einstellen kann; dafür habe ich Verständnis. Auch wenn die Frau Wirt­schaftskammerpräsidentin nicht so erfreut über dieses Gesetz ist, ist es ein guter Schritt, dass man auf diesem Weg der Wirtschaft zumindest etwas entgegengekommen ist.

Herr Minister, danke für diese wichtige Initiative, die ein erster Schritt zur Schaffung eines modernen Arbeitsrechts sein soll! Natürlich braucht es noch weitere Schritte hin­sichtlich freie DienstnehmerInnen und auch hinsichtlich Begrenzung von All-in-Verträ­gen; das müssten wir eigentlich noch angehen. Schauen wir, was da in den nächsten Jahren gerade in diesem Bereich weitergehen wird!

Wir Grüne werden heute im Bundesrat sehr wohl Wort halten und zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.14.52

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute sind schon sehr viele Zahlen strapaziert worden; ich habe mir gedacht, ich mache mir das heute etwas einfa­cher und versuche, das wirklich darauf herunterzubrechen, was das bedeutet. 1921 wur­de das Angestelltengesetz beschlossen, und 96 Jahre später schaffen wir es hier, Ar­beiterInnen und Angestellte gleichzustellen – nach 96 Jahren, und da haben wir sehr lange Diskussionen hinter uns. Ich kenne das noch aus meiner Gewerkschaftsjugend­zeit – man möchte es nicht glauben, aber auch das ist schon einige Zeit her (Heiterkeit des Bundesrates Koller) –, diese Diskussion hat nicht erst gestern begonnen, sondern das ist eine langjährige Forderung der ArbeiterInnen und auch der Angestellten.

Liebe Kollegin Zwazl, du hast die Betriebsräte angesprochen, auch Arbeiter- und Ange­stelltenbetriebsräte. Ich möchte dich nur daran erinnern, dass es das schon gibt. Wir leben das selbst seit 1992, zum Beispiel in einem relativ großen Betrieb am Flughafen in Schwechat mit sechseinhalbtausend Beschäftigten; dort gibt es einen einheitlichen Kollektivvertrag, einen gemeinsamen Betriebsrat für Arbeiter und Angestellte. Das heißt, das, was du heute gefordert hast, gibt es alles schon; das brauchen wir nicht neu zu er­finden, diese Möglichkeiten bestehen schon heute.

Du hast uns aber auch gesagt, dass das sehr schwierig ist und dass das eine – in mei­nen Worten – Husch-Pfusch-Variante ist. Ich möchte dich nur an eines erinnern: Wenn der Dienstgeber die Möglichkeit hat, ArbeitnehmerInnen – wie Renate Anderl schon richtig gesagt hat – mit einem Tag Kündigungsfrist zu kündigen, dann wird es in Zu­kunft aufgrund dieser einheitlichen Kündigungsfrist, die erst 2021 umgesetzt werden soll, so sein, dass zum Beispiel auch die Malerinnen und Maler, die derzeit eine Kündi­gungsfrist von einer Woche haben, in den Genuss einer Kündigungsfrist von mindes­tens sechs Wochen bei Kündigung durch den Dienstgeber und von einem Monat bei Selbstkündigung kommen.

Ganz wichtig ist auch: acht Wochen Entgeltfortzahlung im Krankenstand schon nach einem Jahr. Wir alle, vor allem jene von uns, die in der Sozialversicherung tätig sind,


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 48

wissen, dass die Krankenstände und die Krankenstandszahlen zunehmen, weil die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsverdichtung, durch Intensivierung am Arbeitsmarkt auch immer mehr nachweislich krank werden. Das wissen wir, und da geht es auch um einen Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und da­rum, dass es da eine Angleichung gibt. Und wenn es auch um eine Verwaltungsverein­fachung geht: Wenn es diese Gleichstellung gibt, dann tut man sich auch als Dienst­geber um einiges leichter.

Entgelt für alle im Krankenstand auch nach einvernehmlicher Auflösung, das gibt es ab Juli 2018. Lohn beziehungsweise Gehalt muss über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus vom Dienstgeber gezahlt werden. Da geht es auch um eine soziale Absiche­rung. Und – unserer Meinung nach ganz wichtig –: bei persönlicher Notsituation bis zu einer Woche bezahlt frei. Da geht es auch darum, dass es diese Angleichung gibt, denn wir wissen, dass die Familienverhältnisse heute nicht mehr die klassischen sind – Vater und Mutter –, dass die Mutter vielleicht gar nicht die Möglichkeit hat, freizube­kommen. Wir freuen uns, dass auch diese Möglichkeit ab Juli 2018 besteht. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute nicht darauf warten und irgendet­was zurückschicken oder irgendetwas auf die lange Bank schieben, weil ich glaube, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter und auch die Angestellten in Österreich nach 96 Jah­ren ein Recht darauf haben, gemeinsam gleichgestellt zu werden und als Arbeitnehme­rInnen – insgesamt übrigens 3,7 Millionen in Österreich, die in diesem Land die Haupt­steuerlast tragen – nicht unterschiedlich behandelt zu werden. Daher verlangen wir auch betreffend diesen Gesetzesbeschluss die Durchführung einer namentlichen Abstim­mung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.19


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nunmehr darf ich Herrn Bundesminister Stöger für ei­ne Stellungnahme das Wort erteilen. – Bitte.

 


11.20.01

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, das ist heute eine Jahrhundertentscheidung: Es geht darum, dass man endlich für Arbeiter und Angestellte gleiche Kündigungsrechte, gleiche Entgeltfortzahlungsrechte auch im Ge­setz verankert. Das ist eine jahrelange Forderung, eine jahrelange Ungleichheit, die es in Österreich gegeben hat, und ich bedanke mich bei jedem von Ihnen, der diesem Ge­setzentwurf die Zustimmung erteilt.

Ich sage Ihnen auch etwas dazu, weil ich heute und vor allem in der letzten Zeit in den Medien immerzu die Krokodilstränen der Wirtschaft sehe: Der Vorschlag, der hier auf dem Tisch liegt, ist mehrmals zwischen den Vertretern der Sozialpartnerschaft verhan­delt worden, die kennen das im Detail. Sie haben sich nur in der Frage überdribbelt, was man nicht noch alles damit junktimieren kann – und das geht nicht! Es geht schon einmal darum, eine klare Entscheidung für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu treffen.

Zum Zweiten: Ich höre schon das Aufatmen vor allem der Lohnverrechnerinnen und Lohnverrechner, die die Krankenstände der Angestellten haben nachrechnen müssen, darüber, dass wir endlich eine moderne Regelung haben, die auch zu einer massiven Vereinfachung führt.

All das und mehr Gerechtigkeit kommt mit diesem Gesetz: Ich ersuche Sie um die Zu­stimmung. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.21


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Dr. Köll, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 49

11.21.56

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Da jetzt auch eine namentliche Abstimmung im Raum steht, darf ich als langjähriger Arbeitnehmervertreter in meinem Heimatland Tirol dazu auch noch kurz ei­ne Stellungnahme abgeben.

Für uns ist diese ganze Angelegenheit noch viel zu wenig im Detail ausdiskutiert, noch viel zu wenig ausgereift. (Bundesrätin Ebner: Nach 96 Jahren? – Heiterkeit bei der SPÖ.) Es war natürlich ein Wahlkampfgag, der offensichtlich nicht sehr erfolgreich war. Wir ha­ben am Wahlergebnis gesehen, wem man die Lösungskompetenz für die Zukunft zu­getraut hat: Das ist nämlich unser Bundesobmann Kurz.

Ich glaube, er wird mit der nächsten Regierung mit Sicherheit dafür sorgen, dass man diese wichtige Thematik so regeln wird, dass sie dann wirklich länger Bestand haben wird und dass sie österreichweit im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Deswegen werde ich als langjähriger Arbeitnehmervertreter in Tirol und Landesob­mann des AAB Tirol heute gegen diese Vorlage stimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

11.23

11.23.18

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich lasse über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben, abstimmen. Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Somit erübrigt sich gemäß § 54 Abs. 5 der Geschäftsordnung (Unruhe im Sitzungs­saal) – ich darf um Aufmerksamkeit ersuchen! – eine Abstimmung über den ebenfalls von fünf Bundesräten unterstützten Antrag betreffend die Durchführung einer geheimen Ab­stimmung.

Wir gelangen daher zur namentlichen Abstimmung.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nun die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Junker geben die Bundesrätinnen und Bun­desräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 50

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 11.29 Uhr unterbrochen und um 11.30 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, bei 54 abgegebenen Stimmen 36 „Ja“-Stimmen und 18 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit angenommen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Anderl, Arztmann;

Beer, Bock;

Dziedzic;

Ebner, Ecker;

Grimling, Gruber-Pruner;

Heger;

Jenewein;

Koller, Krusche, Kurz;

Längle, Lindinger, Lindner Mario, Lindner Michael;

Meißl, Mühlwerth;

Novak;

Pfister, Pisec, Posch-Gruska;

Raml, Reiter, Rösch;

Samt, Schennach, Schererbauer, Schreyer, Stögmüller;

Todt;

Weber, Winkler;

Zelina.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Brunner;

Eder-Gitschthaler;

Forstner, Fürlinger;

Gödl;

Hackl, Hammerl;

Junker;

Kern, Köck, Köll;

Ledl-Rossmann;

Preineder, Pum;


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 51

Schödinger, Stöckl-Wolkerstorfer;

Tiefnig;

Zwazl.

*****

11.31.144. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsausbildungsge­setz geändert werden (2304/A sowie 9898/BR d.B. und 9906/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nunmehr gelangen wir zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich ersuche um den Bericht.

 


11.31.54

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsiche­rungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Präsidentin Zwazl. – Bitte.

 


11.32.30

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es kurz. Ich bin noch immer sehr blauäugig; ich komme aus der Wirtschaft, für mich zählen Zahlen, für mich zählt die Umsetzbarkeit. Wenn ich sehe, wir haben hier einen Gesetzentwurf, mit dem die Wirt­schaft Probleme hat, durch den Rechtsunsicherheit entsteht, dann ist es ganz einfach für mich selbstverständlich, dass ich das aufzeige.

Ich habe vergessen, dass die Wahl erst kurz vorbei ist und dass wir hier eigentlich im Gefecht sind; ich habe den Bundesrat immer wieder anders gesehen. Ich denke schon, dass es auch meine Aufgabe ist, dass ich den Menschen die Politik näherbringe, auch das Vertrauen in die Politik, und dass ich jetzt nicht dastehe mit einem Gehorsam, dass ich etwas sagen muss, was nicht meine Meinung ist.

Das Thema Internate und die Lehrlinge: Ich glaube, ich brauche hier nicht zu erwäh­nen, dass mir die Lehrausbildung, die duale Ausbildung ein großes Anliegen ist, dass ich eine Kämpferin dafür bin, dass ich schaue, dass das Image der Lehre gehoben wird. Das habe ich auch in der Wertschätzung der Arbeiter zum Ausdruck gebracht. Es ist aber ganz einfach auch so, dass ich sage: Wenn ich jetzt ein Gesetz beschließe, dann muss ich auch sagen, welche Auswirkungen es hat und wie es in Zukunft aus­schauen wird.

Bevor ich aber auf das Thema eingehe, möchte ich noch ein paar Bemerkungen ma­chen, weil es natürlich immer wieder heißt, dass die Wirtschaft Geschenke kriegt: Wir


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 52

kriegen überhaupt keine Geschenke! 124 € ersparen wir uns dadurch, dass wir jetzt die Auflösungsabgabe nicht mehr zahlen müssen. Wir haben sie gezahlt! Und dass das in Summe 60 Millionen € ausmacht, ist kein Geschenk, sondern ganz einfach eine Entlas­tung der Wirtschaft.

Ich muss sagen, Herr Minister, Ihre Aussage hat mich sehr getroffen. Ich komme aus einem Land, in dem die Sozialpartnerschaft funktioniert, wir reden uns das aus. Ich bin gegen solche Diskussionen, in denen es eigentlich nicht um Inhalte geht, sondern nur um politische Klientelbefriedigung, oder wenn man etwas ganz einfach glaubt. Also, Herr Minister: Die Wirtschaft hat keine „Krokodilstränen“! – Das ist ganz einfach eine Bezeichnung, gegen die ich mich wehre und die ich als verletzend empfinde. Uns geht es immer um die Sache. Ich komme aus einem kleinen Unternehmen, ich muss rech­nen können, sonst könnte ich nicht existieren.

Genau so schaut es aus: Wenn wir jetzt sagen, die Internatskosten kriegen wir ersetzt, dann freue ich mich, danke schön! Das ist etwas, das schon längst notwendig gewesen wäre, denn die Schulen werden auch von der öffentlichen Hand finanziert. Die Inter­natskosten werden aber nicht von der öffentlichen Hand übernommen, werte Kolle­ginnen und Kollegen, das zahlt sich die Wirtschaft selbst! Das kommt aus dem Insol­venz-Entgelt-Fonds.

Wofür ist der Insolvenz-Entgelt-Fonds eingerichtet worden? – Die Unternehmen zahlen in ihn ein, und ich stehe dazu, dass wir das auch zahlen, wir zahlen aber dafür, dass, wenn ein Betrieb insolvent wird, die Arbeitnehmeransprüche auch gedeckt sind. Okay, wie schaut es dann in fünf Jahren aus? – Wir wissen ganz genau, in dem Topf sind 450 Millionen €. Es kommen jedes Jahr 20 Millionen € dazu. Die gesamten Internats­kosten betragen ungefähr 112 Millionen €. In fünf Jahren ist der Topf leer!

Wir haben keine Entlastung bei den Lohnnebenkosten, und dass die Wirtschaft und die Lehrlinge die Internatskosten bezahlt kriegen, das kann ich auch nicht ableiten. Ich bin dafür, dass die Internatskosten ersetzt werden, aber das ist in meinen Augen eine Auf­gabe der öffentlichen Hand. Jetzt zu sagen, die Betriebe kriegen es ersetzt, das stimmt nicht.

Derzeit ist es so, dass in den Kollektivverträgen geregelt ist, dass einen Teil der In­ternatskosten die Betriebe zahlen. Wenn ein Lehrling ein Schuljahr mit ausgezeichne­tem Erfolg abschließt, dann bekommt er das auch ersetzt, wenn es im Kollektivvertrag nicht vorgesehen ist. Es ist so, dass 53,5 Prozent der Kosten die Lehrlinge tragen, wenn sie dann nicht zusätzlich etwas aus dem Betrieb kriegen, und 46,5 Prozent die Betriebe.

Also, noch einmal: Die Internatskosten bekommt die Wirtschaft nicht geschenkt. Die werden nicht von der öffentlichen Hand gezahlt, die werden aus dem Insolvenz-Ent­gelt-Fonds gezahlt. Ich frage mich, warum man da Geld verwenden darf, das gar nicht zweckgewidmet ist – und wir wissen auch nicht, wie es mit der Lehrlingsförderung wei­tergeht.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich diesem Antrag nicht zu­stimmen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wirklich die öffentliche Hand ihrer Aufgabe nachkommt und die Lehrlinge gleich behandelt wie Schülerinnen und Schüler. Aber, bitte, hier von Geschenken an die Wirtschaft zu sprechen, es tut mir leid, das geht nicht! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 53

11.37


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindner. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.37.54

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Hoch geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kol­legen! Heute ist ein guter Tag für Österreich, heute ist ein guter Tag für circa 125 000 Lehr­linge. Es ist auch ein guter Tag für alle Betriebe und Unternehmerinnen und Unterneh­mer. Und: Es ist ein guter Tag für die österreichische Gewerkschaftsjugend.

Weil Herr Kollege Pfister in seiner Rede vorhin gesagt hat, er kann sich noch an seine Zeit als Jugendfunktionär erinnern: Mir geht es jetzt komplett gleich, ich kann mich auch noch erinnern, wie es als Jugendfunktionär in der Gewerkschaftsjugend war. Ich bin 1997 in die Gewerkschaftsjugend gekommen, und wir haben schon damals über die Ab­schaffung der Internatskosten für Lehrlinge diskutiert. In meiner Zeit als Bundesjugend­sekretär hat sich das auch nicht geändert. Ich bin jetzt sehr froh darüber, dass es der aktuellen Gewerkschaftsjugend und den aktuellen Funktionärinnen und Funktionären ge­lungen ist, dass wir bei diesem Thema etwas machen.

Die Gewerkschaftsjugend hat vor der Nationalratssitzung in einer großangelegten Kam­pagne über 22 000 Unterschriften für die Abschaffung der Internatskosten gesammelt. Es sei mir gestattet, dem Bundesjugendvorsitzenden Sascha Ernszt und dem Bundes­jugendsekretär Stefan Bartl an dieser Stelle meinen herzlichen Dank auszusprechen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ab 1. Jänner 2018 tritt dieses Gesetz nun für alle Lehrlinge in Kraft, niemand muss mehr die Internatskosten bezahlen. Ein Internatsaufenthalt für acht bis zehn Wochen Berufsschule kostet im Durchschnitt circa 1 000 €. Die Gewerkschaftsjugend schätzt diese Kosten im Jahr auf circa 60 Millionen €. 51 Prozent der Lehrlinge mussten bisher nicht für das Internat zahlen, weil wir das in den Kollektiverträgen geregelt hatten.

Weitere 11 Prozent bekamen bisher vom Betrieb Zuschüsse – Frau Präsidentin Zwazl hat es ausgeführt –, aber 48 Prozent der österreichischen Lehrlinge mussten bisher selbst für die Internatskosten aufkommen, und dieser Umstand gehört mit 1. Jänner 2018 der Vergangenheit an.

Was bringt das? – Das bringt eine Entlastung für die Lehrlinge. Es bringt auch Anreize für die Ausbildungsbetriebe, neue Lehrlinge einzustellen. Ein Beispiel dazu: Ein Betrieb mit zehn Lehrlingen und vereinbarter Kostenübernahme durch Kollektivvertrag spart sich künftig circa 10 000 € im Jahr, und für dieses Geld können ein bis zwei zusätzliche Lehrlinge eingestellt werden.

Des Weiteren wird die Lehre dadurch attraktiver. Bildung darf den Auszubildenden nichts kosten.

Der vorliegende Beschluss sorgt für soziale Gerechtigkeit, denn nicht nur Jugendliche, die in gut organisierten Branchen tätig sind, bekommen die Kosten refundiert, sondern alle Lehrlinge in allen Branchen, und das ist ein großer Erfolg für die österreichischen Lehrlinge, ein großer Erfolg für die Gewerkschaftsjugend. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich stehe heute mit einem lachenden Auge und gleichzeitig auch mit einem sehr traurigen Auge vor Ihnen. Es ist dies meine letzte Rede hier im österreichischen Bundesrat. Ich be­ginne jetzt, glaube ich, den Reigen der Abschiedsreden hier im Haus. (Bundesrätin Grimling: Nein, haben wir schon eine gehabt!) – Haben wir schon eine gehabt? (Rufe bei der SPÖ: Zuhören!) Entschuldigung, da war ich, glaube ich, nicht im Saal. Entschul­digung!

Ich bin jetzt seit über zwei Jahren Mitglied des österreichischen Bundesrates, und es war für mich wirklich eine unglaubliche Ehre, in dieser Kammer aktiv und auch Präsi­dent des österreichischen Bundesrates sein zu dürfen. Ich bin irgendwie derjenige –


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 54

zumindest verfolgt mich das seit zwei Jahren –, bei dem es immer um die Frage geht: Darf er oder darf er nicht? Das war in Bezug auf die Angelobung des Bundespräsiden­ten so: Darf er den Vorsitz in der Bundesversammlung übernehmen oder darf er nicht?, und jetzt in der letzten Woche war es ganz arg: Wird er Nationalratsabgeordneter oder nicht? – Am Montag hat sich entschieden, dass ich in den Nationalrat wechseln darf.

Ich bin irrsinnig stolz darauf, was der Bundesrat, was die Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat leisten; im Speziellen wenn es – und das wurde schon bei der Aktuellen Stunde angesprochen – um das Thema Digitalisierung geht. Drei Präsidenten des Bun­desrates haben sich mittlerweile mit diesem Thema beschäftigt. Mein Zugang war die „#Digitale Courage“, und genau dieses Thema möchte ich natürlich auch in den öster­reichischen Nationalrat einbringen.

Ich bin irrsinnig stolz darauf, dass wir während meiner Amtszeit die „Geste der Verant­wortung“ sowie auch unzählige Veranstaltungen gemeinsam mit der Demokratiewerk­statt abgehalten haben.

Ich bin sehr, sehr stolz darauf, dass es den Kinderrechteausschuss des Bundesrates gibt, der in diesem Jahr das erste Mal auch in ein Bundesland, nämlich nach Tirol, nach Innsbruck, gegangen ist.

Ich bin auch stolz darauf – und das möchte ich hier das erste Mal sagen –, dass ich während meiner Präsidentschaft Menschen, die Frauen nicht die Hand gegeben hät­ten, nicht zu mir ins Büro eingeladen habe. Die sind nicht zu mir ins Büro, ins Büro des Bundesratspräsidenten, gekommen.

Ich bin sehr, sehr stolz darauf, bei der Verabschiedung von Bundespräsident Heinz Fi­scher als Präsidiumsmitglied der Bundesversammlung dabei gewesen zu sein.

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich jener Präsident war, der am 26. Oktober, an unse­rem Nationalfeiertag, das erste Mal das Büro des Bundesratspräsidenten der Öffent­lichkeit zugänglich gemacht hat.

Ich bin auch irrsinnig stolz auf die Informationsveranstaltung im Dezember; ich habe mich wirklich gefreut, dass fast alle Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat die­ser Informationsveranstaltung beigewohnt haben. (Bundesrat Stögmüller: Super infor­mativ!)

Ich bin davon überzeugt, dass der Bundesrat hinkünftig auch die Zukunftskammer die­ses Hauses sein wird.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Fraktionen ganz herzlich für die Zusammen­arbeit bedanken, namentlich bei den Fraktionsvorsitzenden Reini Todt, bei – in meiner Zeit – Edgar Mayer, aber auch bei dir, Martin Preineder, bei Monika Mühlwerth, bei Ni­cole Schreyer.

Ich darf mich bei meinen VizepräsidentInnen – bei dir, liebe Ingrid Winkler, und bei dir, lieber Ernst Gödl – bedanken.

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei der Bundesratsdirektion, bei Susi, bei Alice, bei Monika, Wolfgang, Tina, Regina, Vanessa, Thomas, Sabine – jetzt habe ich si­cher ein paar vergessen. Recht herzlichen Dank!

Herzlichen Dank sagen möchte ich an alle Kolleginnen und Kollegen von der Demokra­tiewerkstatt, aber vor allem an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses. Ge­rade als Präsident lernt man wirklich kennen, welch unglaubliche Leistung diese für un­sere Demokratie und für dieses Haus erbringen.

Ich würde mich irrsinnig freuen, wenn der amtierende Präsident (Präsident Mayer be­tritt soeben den Sitzungssaal) – da kommt er gerade; ich darf dem Herrn Präsidenten


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 55

zunächst ganz herzlich zu seinem Geburtstag, den er vor einigen Tagen gehabt hat, gratulieren (allgemeiner Beifall) –, wenn du, lieber Herr Präsident, im Dezember eine In­formationsveranstaltung abhieltest, zu der auch die ehemaligen Mitglieder des Bundes­rates eingeladen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lebe das österreichische Parlament, es lebe der österreichische Bundesrat! Und wie ich in meinen Schlussworten als Präsident gesagt habe: „Es war mir eine Ehre. Habe die Ehre!“ (Allgemeiner Beifall.)

11.45


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nunmehr zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Samt. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.45.55

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuhörer und Zuseher via Livestream zu Hause! Ja, neben der so emotionalen Verabschiedung hätten wir jetzt beinahe das Thema die­ses Tagesordnungspunktes vergessen (Heiterkeit bei der SPÖ); ich nicht ganz, denn ich muss noch ein paar Worte dazu sagen.

Liebe Kollegin Zwazl! Ich habe mir während deines Redebeitrages ein paar Stichwörter aufgeschrieben: „Rechtsunsicherheit“, „den Bundesrat (...) anders gesehen“, „schon längst notwendig“ – die Gleichstellung, vermute ich einmal –, und dass die Senkung der Lohn­nebenkosten ebenso notwendig wäre, hast du auch erwähnt. Dazu kann ich jetzt ein­mal resümierend nur eines sagen: Willkommen in unserer Welt!

Bisher habt ihr, hat die ÖVP genauso wie die SPÖ in den letzten Jahren und wahr­scheinlich in den letzten Jahrzehnten sehr oft schon Dinge einfach beschlossen, die vielleicht nicht so klass waren und die nachträglich auch korrigiert werden mussten, aber in diesem Fall, im Zusammenhang mit dieser Novelle muss ich euch jetzt schon sagen, da muss man halt das Wehklagen vielleicht doch ein bisschen hintanstellen und einmal das Große und Ganze sehen.

Ich sehe das natürlich auch sehr kritisch; ich sehe das auch kritisch – und (in Richtung Bundesrätin Zwazl) da bin ich bei dir, also das ist kein Geschenk an die Unternehmer, das weiß ich –, denn wenn aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds etwas herausgenommen wird, dann ist es natürlich nicht so, dass das de facto die öffentliche Hand bezahlt. Es ist aber eigentlich nicht tragbar, dass seit Jahrzehnten nach jetzigem Status in 35 Kol­lektivverträgen die Übernahme der Lehrlingsinternatskosten durch die Betriebe gewähr­leistet ist und in 45 nicht. Das ist etwas, was ja eigentlich schon längst hätte behoben gehört.

Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass wir im Steiermärkischen Landtag im Jahr 2014 genau das beantragt haben. Wir haben uns zwar nicht darauf gestürzt, dass das unbedingt aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds finanziert werden soll, aber wir haben einmal grundsätzlich gesagt, diese Ungleichstellung gehört einmal bereinigt. Das muss für alle gleich sein, das muss für alle gleich funktionieren. Dazu kann ich jetzt nur sa­gen: Im Steiermärkischen Landtag hat man diesen unseren Antrag so lange zerfled­dert, bis von dem tatsächlichen Antrag auf Gleichstellung der Lehrlinge hinsichtlich der Internatskosten nichts mehr übrig geblieben ist. Und das, liebe Freunde, haben damals im Steiermärkischen Landtag die ÖVP und die SPÖ gemeinsam zuwege gebracht, und deswegen sind wir bisher auch noch keinen Zentimeter weitergekommen. Genau da­rum geht es jetzt, und das ist auch der Grund dafür, dass wir diesem Antrag zustimmen werden, denn wir wollen endlich einmal ein paar Zentimeter weiterkommen.

Stillstand verwalten – das habt ihr (in Richtung ÖVP) in den letzten Jahrzehnten ge­macht, auch (in Richtung SPÖ) gemeinsam gemacht; vor allem in solchen Fragen, ob-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 56

wohl alle die ganze Zeit hindurch sagen: Wir müssen die Lehre aufwerten! Wir müssen die Lehrlinge gleichstellen! Du (in Richtung Bundesrätin Zwazl) hast es sogar gesagt: Für einen AHS-Schüler wird alles von der öffentlichen Hand übernommen, für den Lehrling ist es dem Zufallsprinzip überlassen: Vielleicht werden diese Kosten doch laut Kollektivvertrag bezahlt, vielleicht muss der Unternehmer bezahlen oder aber der Lehr­ling muss sie selbst bezahlen oder er bekommt einfach in dieser Zeit keine Lehrlings­entschädigung. Das, liebe Freunde, gehört wirklich bereinigt, und zwar schon längst und nicht erst jetzt; das gehörte schon vor Jahren und Jahrzehnten bereinigt! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das in der Gesamtschnittmenge eine für uns sinnvolle Entscheidung. Ob wir das Gesetz vielleicht einmal ändern müssen, ob wir es novellieren müssen, das – und jetzt rede ich schon fast so, wie ihr jahrelang und jahrzehntelang geredet habt – werden wir dann schon sehen.

Ich bin davon überzeugt, dass die neue Regierung, egal, wie sie zusammengesetzt sein wird, auch und sehr stark vermehrt – Bekenntnisse dahin gehend gibt es ja von eurem Sebastian Kurz genauso wie von uns – speziell in diesem Bereich extrem darauf wird schauen müssen, dass Verbesserungen und wirklich auch Verbesserungen für die Un­ternehmer erzielt werden. Dafür stehen auch wir, und deswegen stimmen wir diesem Antrag gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

11.50


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.50.43

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich ist es so weit: Die Inter­natskosten gehen nicht mehr zulasten der Lehrlinge und der Betriebe, sondern werden aus Mitteln des Insolvenz-Entgelt-Fonds finanziert. Dieser Fonds ist auch ausreichend dotiert, aber (in Richtung Bundesrätin Zwazl) ich gebe dir recht, man muss auch schau­en, wie es nach dieser Periode weitergehen wird.

Die Kosten für das Berufsschulinternat betragen durchschnittlich rund 900 € pro Jahr, und nicht alle Jugendlichen haben das Glück, in einer Branche ausgebildet zu werden, die diese Kosten kollektivvertraglich übernimmt. Es gibt Kollektivverträge, wonach die Kosten übernommen werden.

Von dieser neuen Regelung profitieren massiv die Frauen – ich habe mir das ein bis­schen angeschaut –, denn die typischen Männerberufe bekommen nicht nur mehr Ent­schädigung, sondern meistens werden auch die Internatskosten aufgrund kollektivver­traglicher Rahmenbedingungen von den Unternehmen getragen. – Also eine gute Maß­nahme, für etwas Gerechtigkeit zu sorgen! Es gibt meiner Meinung nach nur Gewinner: Die Lehrlinge werden entlastet, der Ausbildungsbetrieb profitiert, und auch das Bundes­budget wird nicht belastet, da die Finanzierung, wie gesagt, schon über den Insolvenz-Entgelt-Fonds abgewickelt wird. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Diese neue Regelung ist doch sehr positiv – dafür ein ganz großes Danke auch von mei­ner Seite an die Gewerkschaftsjugend, an die GPA-djp Jugend, an alle Jugendorgani­sationen in der Gewerkschaft; es wurden, der Kollege hat es schon gesagt, über 20 000 Unterschriften gesammelt. Ich meine, das ist schon eine sehr großartige Leis­tung, wenn man weiß, wie viele Jahrzehnte da an Arbeit dahinterstecken, bis die Politik endlich reagiert. Und es braucht auch Aktionismus. Ich erinnere nur an die Gewerk­schaftsjugend, die vor der Wirtschaftskammer campiert hat, die dort gelegen ist und Aktionismusbereitschaft bewiesen hat. Wie man sieht: Es hilft! Das zeigt wieder, dass es sehr wohl Sinn macht, sich für eine Gewerkschaft zu engagieren, sich einzusetzen und zusammenzuschließen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 57

Mich freut es, dass wir heute hier im Parlament zwei Gesetze zugunsten der Lehrlinge novellieren. Ich glaube, das ist ein wichtiges und richtiges Zeichen für die Lehrlinge. Die Lehre braucht nämlich dringend eine gesellschaftspolitische Aufwertung. Ich spre­che das hier jetzt auch bewusst an, denn ich habe vor zwei Wochen eine parlamen­tarische Petition in den Bundesrat eingebracht, in der es um die geplante Schließung zweier Berufsschulen in Oberösterreich geht. Ich glaube, wir müssen das Problem wirk­lich an der Wurzel packen und die Lehre wieder attraktiver machen und nicht noch zu­sätzlich in den peripheren Regionen Österreichs wie jetzt gerade in Oberösterreich wich­tige Bildungseinrichtungen, wo top motivierte Fachkräfte ausgebildet werden, schlie­ßen. Das steht, wie gesagt, gerade in Oberösterreich zur Debatte. Ich glaube, das ist genau das falsche Signal. Wir können gerne darüber reden, aber dann transparent und mit klaren Kriterien, wohin wir uns entwickeln wollen. Gerade in den dezentralen Lagen brauchen wir gut ausgebildete junge Menschen, sonst sterben die Regionen irgend­wann aus. Das muss jedem bewusst sein. Also: nicht einfach nur Wasser predigen, son­dern zugunsten der jungen Menschen auch wirklich etwas unternehmen!

Danke, Herr Minister, dass Sie diese Initiative zugunsten der Lehrlinge umgesetzt ha­ben. Wir Grüne werden dies natürlich sehr gerne unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

11.54


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem und vorläufig Letztem darf ich Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen. – Bitte.

 


11.54.14

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist mir ein besonderes Anliegen, mich bei der Gewerk­schaftsjugend für die 20 000 Unterschriften, die sie mir überreicht hat, zu bedanken. Ich möchte mich auch bei allen Jugendvertrauensrätinnen und Jugendvertrauensräten bedanken, die die Rolle der Lehrlinge gerade in den Betrieben und auch in der Berufs­schule immer wieder andiskutieren. Ich möchte mich auch bei jenen Schülerinnen und Schülern bedanken, die als Klassensprecher, die als Schulsprecher dahin gehend aktiv sind, die Situation in den österreichischen Berufsschulen zum Thema zu machen.

Es sind die Landesregierungen – und insofern ist es ganz wichtig, das auch im Bun­desrat zu diskutieren –, die entscheiden, ob ein Berufsschüler in ein Internat gehen muss oder nicht. Daher habe ich als Bundespolitiker natürlich nichts dagegen, wenn die Landesregierungen auch die Verantwortung dafür übernehmen, die Internatskosten freizustellen. – Das haben sie aber nicht gemacht. Das haben sie nicht gemacht und das haben sie schon seit Jahren nicht gemacht! Nach der österreichischen Bundesver­fassung ist das aber Aufgabe der Länder. Berufsschulen sind Ländersache, und Be­rufsschulinternate sind auch Ländersache. Weil sie es nicht gemacht haben, ist der Bund eingesprungen.

Es ist, und ich sage das auch ganz bewusst hier in der Länderkammer des Parlaments, wirklich wichtig, diesen Schritt zu setzen. Ich habe nichts dagegen, wenn wir zu der Erkenntnis gelangen, dass der Insolvenz-Entgelt-Fonds nicht das geeignete Instrument der Finanzierung ist. Es können gerne die Bundesländer, die das auch entscheiden, diese Kosten übernehmen. Für mich ist wichtig, dass die Lehrlinge das nicht mehr zah­len müssen.

Zum Zweiten bin ich sehr froh darüber – und ich glaube, darin sind wir uns einig, Frau Präsidentin Zwazl –, dass die Lehrlinge entlastet werden. Zweitens ist es gut, dass wir im Insolvenz-Entgelt-Fonds Geld zur Verfügung haben, das zeichnet auch die Stärke der österreichischen Wirtschaft aus. Ich bin froh darüber, dass wir dieses Geld zur Ver­fügung haben.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 58

Ich glaube, das sind die wichtigen Punkte, und damit werten wir die Lehre auch ins­gesamt auf. – Ich bedanke mich für Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.56

11.56.52

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.57.235. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Behindertengleichstel­lungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (2309/A sowie 9899/BR d.B. und 9907/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


11.57.42

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungs­gesetz, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertenge­setz geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich stelle daher sogleich den Antrag.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bun­desrätin.

 


11.58.26

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien)|: Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister – gute Besserung bei der Gelegenheit! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht jetzt um das Inklusionspaket, das Änderungen des sogenannten Be­hinderteneinstellungsgesetzes, des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes und des Bundesbehindertengesetzes umfasst, und das betrifft in Summe doch rund 1,3 Millio­nen Menschen in Österreich.

Es ist ein großer Fortschritt, dass wir endlich von Inklusion und nicht mehr von Inte­gration sprechen. Inklusion bedeutet das Bestreben, dass alle Menschen an den we­sentlichen gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen können, und zwar alle Menschen, ganz egal, mit welchen Hürden sie konfrontiert werden. Diese Teilnahme bezieht sich zum Beispiel auf den öffentlichen Verkehr oder das Bildungswesen, aber – und das be­schäftigt uns eben heute – auch auf den Arbeitsmarkt. Manche Menschen brauchen auf­grund bestimmter Merkmale bestimmte Begleitung oder Hilfsmittel, um diese Teilhabe gut gelingen zu lassen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 59

Mir scheint es wichtig zu sein, darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um einen Gna­denakt handelt, wenn wir Menschen mit Behinderungen diese Teilhabe am Arbeits­markt ermöglichen, sondern es handelt sich um die Erfüllung von deren Recht. In der UN-Menschenrechtscharta und der UN-Behindertenrechtskonvention ist festgeschrie­ben, dass alle Menschen ein Recht auf Inklusion haben. Ich zitiere jetzt aus dieser UN-Konvention für die Menschen mit Behinderung.

„In der Behindertenrechtskonvention geht es nicht mehr um die Integration von ,Ausge­grenzten‘, sondern darum, von vornherein allen Menschen die uneingeschränkte Teil­nahme an allen Aktivitäten möglich zu machen.

Nicht das von vornherein negative Verständnis von Behinderung soll Normalität sein, sondern ein gemeinsames Leben aller Menschen mit und ohne Behinderungen. Folg­lich hat sich nicht der Mensch mit Behinderung zur Wahrung seiner Rechte anzupas­sen, sondern das gesellschaftliche Leben Aller muss von vornherein für alle Menschen (inklusive der Menschen mit Behinderungen) ermöglicht werden.“

Diesbezüglich gibt es zugegebenermaßen auch in unserer Gesellschaft noch allerhand zu tun.

Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen werden, werden die finanziellen Mittel er­höht, damit Menschen aktiv in den Arbeitsmarkt inkludiert werden können, und zwar werden sie auf 90 Millionen € verdoppelt. Außerdem wird der Monitoringausschuss, der die Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderung überwachen soll, finan­ziell aufgewertet und damit auch seine Arbeitsfähigkeit gesteigert.

Dieses Gesetz sieht aber noch etwas Wichtiges vor, nämlich dass der Bundesbehin­dertenanwalt Möglichkeiten bekommt, beispielsweise Verbandsklagen stellvertretend für die betroffenen Menschen einzubringen – und das auch gegen große Kapitalgesell­schaften. Er kann dann auf Unterlassung und Beseitigung einer Diskriminierung auf­grund einer Behinderung klagen. Man kann nämlich nicht verlangen, dass die betroffe­nen Menschen solche Klagen selber durchfechten müssen.

Nicht zuletzt gibt es auch dieses Positivum: Ab sofort wird der Bericht des Bundesbe­hindertenanwaltes auch ins Parlament kommen und damit regelmäßig Gegenstand ei­ner Debatte im Parlament sein, und das ist gut so.

Dieser Gesetzesantrag ist tatsächlich ein Meilenstein in der Inklusion von Menschen mit Behinderung. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die sich in die­sem Bereich engagieren, allen voran bei der Initiatorin dieses vorliegenden Gesetzes­antrages, meiner Kollegin Ulrike Königsberger-Ludwig, die sich tagein tagaus für die­ses Anliegen einsetzt. Wir stimmen diesem Antrag sehr, sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

12.02


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Hammerl zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.02.25

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Gruber-Pruner hat ja bereits Positives berichtet, und es ist richtig, meine Damen und Herren, dass viel zur Integration von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft ge­schehen ist.

In vielen Punkten hat sich das Verhältnis zu diesen Menschen von Toleranz zu Re­spekt gewandelt, trotzdem haben es Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Ge­sellschaft schwer, weil sie zum Teil mit der Beschleunigung in unserer Gesellschaft


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 60

und mit der Ausrichtung auf Machbarkeit nicht mitkommen. Seien wir ehrlich: Wer hat sich nicht schon einmal geärgert, wenn ein Rollstuhlfahrer etwa das Aus- und Einstei­gen in einem Bus verlangsamt hat?

Darin liegt auch ein wesentliches Hindernis in Bezug auf die Inklusion dieser Menschen in unserer Gesellschaft: Sie passen in manchen Punkten nicht in unsere Gesellschaft der Beschleunigung und des Denkens, dass alles machbar ist. Vielleicht sollten wir deshalb auch darüber nachdenken, ob sich nicht die Gesellschaft ändern soll und wir nicht nur bei den Menschen mit Behinderung ansetzen sollten. Es ist ja leider so, dass wir oft sehr einseitig den Menschen an unsere Gesellschaft anpassen und nicht umge­kehrt.

Damit bin ich bei meinem zweiten Punkt. – Wie etwa der Begriff „Behinderteneinstel­lungsgesetz“ zeigt, ist unsere Perspektive in erster Linie auf die Behinderung ausge­richtet. In der Bezeichnung „Menschen mit Behinderung“ kommt schon zum Ausdruck, dass der Mensch zuerst gesehen werden muss und dann erst die Behinderung. Es ist natürlich eine zu enge Sicht, wenn man – wie es in manchen Kreisen geschieht – da­von ausgeht, dass Behinderungen nur von der Gesellschaft geschaffen werden. Ohne die Beeinträchtigung des Menschen wirklich zu sehen, kann man nicht zielführende Maßnahmen zur Inklusion dieser Menschen in die Gesellschaft treffen. Es ist zum Bei­spiel wichtig, die Art der Behinderung genau zu betrachten, um Menschen deren Ein­beziehung in die Arbeitswelt zu ermöglichen.

Die Assistenz für Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz kann nur zielführend ge­staltet werden, wenn man die Behinderung, meine Damen und Herren, ernst nimmt. Aber betrachten wir die Menschen mit Behinderung nicht vorschnell nur als Behinderte! Dieser verengte Blick führt dazu, dass wir nur die Defizite dieser Menschen am Arbeits­markt sehen und diese meist vorwiegend mit Geld ausgleichen wollen, nicht aber die Möglichkeiten, die diese Menschen auch haben, erkennen. So haben Menschen mit Sehbehinderung oft ein sehr gutes Gespür für Stimmen und Menschen mit Autismus besondere mathematische Fähigkeiten.

In diesem Zusammenhang stimmt es, dass die Gesellschaft durch den einseitigen Blick auf Menschen mit Behinderungen diese zu Behinderten macht. Wir brauchen also auch im Anschluss an die UN-Behindertenrechtskonvention vom 13. Dezember 2006 – schon der Begriff zeigt die Verkürzung! – eine geweitete Sicht auf diese Menschen, damit das verwirklicht werden kann, was im § 13f Abs. 3 des vorliegenden Gesetzes so formuliert ist:

„Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat die Verbrei­tung der Kenntnis der durch die UN-Behindertenrechtskonvention garantierten Rechte und der Möglichkeiten zu deren Umsetzung durch angemessene Maßnahmen zu för­dern.“

Meine Damen und Herren, eine solche Maßnahme ist gewiss auch die vorliegende Än­derung des Behinderteneinstellungsgesetzes. Die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderung doppelt so hoch ist wie im gesellschaftlichen Durch­schnitt, zeigt jedoch, dass Maßnahmen wie die Aufstockung der Gelder für die Schaf­fung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen und für die Arbeitsassistenz für Menschen mit Beeinträchtigungen und ähnliche Maßnahmen notwendig sind. Es ist also wichtig, dass auch die Institutionen, die behinderte Menschen vertreten, gestärkt werden.

Meine Damen und Herren, mir tut es aber leid, dass die Diskussion über die vorhin auf­gezeigte Notwendigkeit einer verstärkten Einbettung der Frage der Behinderung in ei­nen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang, die das Gesetz effektiver machen soll­te, zu kurz gekommen ist. Der Kontext des Wahlkampfes war einer solchen Diskussion


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 61

nicht gerade förderlich, gerade auch was die Aufbringung der notwendigen Mittel für die Finanzierung der Maßnahmen betrifft; deswegen hat die ÖVP auch im Nationalrat einen Abänderungsantrag eingebracht. Das Thema der Menschen mit Behinderung ist mir zu wichtig, als dass ich eine Debatte darüber nur unter den Beengungen eines Wahl­kampfes führen will.

Die vorliegende Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes ist ein Schritt, aber eben nur ein Schritt zur Verbesserung der Situation dieser Menschen. Dieser Schritt könnte viel gewichtiger werden, wenn er in eine breitere Diskussion eingebettet würde; schließlich, meine Damen und Herren, heißt das Gesetz noch immer Behindertenein­stellungsgesetz und nicht etwa Gesetz zur Förderung von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt. – Ich wiederhole: Schließlich heißt das Gesetz noch immer Behin­derteneinstellungsgesetz und nicht etwa Gesetz zur Förderung von Menschen mit Be­hinderung in der Arbeitswelt.

Meine Damen und Herren, wir stimmen dem Gesetz gerne zu, aber vielleicht wird man in der nächsten Legislaturperiode dahin gehend noch etwas ändern können. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.07


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster darf ich Frau Bundesrätin Ecker das Wort erteilen. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.08.04

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätztes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier und via Livestream! Das Inklusionspaket passiert heute, und das freut mich besonders, einstimmig, also mit Zustimmung aller Fraktionen, nach dem Nationalrat eben auch den Bundesrat.

In Österreich leben laut Statistik Austria – ich habe es vorhin schon einmal gehört – 1,34 Millionen Personen, die von einer dauerhaften Beeinträchtigung betroffen sind, und wir alle wissen, dass sie dadurch im alltäglichen Leben und im Beruf mit vielen Proble­men konfrontiert sind. Menschen mit Behinderung werden öfter arbeitslos – zweieinhalb­mal öfter als gesunde Menschen – und, das wissen wir auch, im Fall des Falles fällt es ihnen viel schwerer, in der Arbeitswelt wieder Fuß zu fassen. Darum sind jene Ände­rungen, die wir heute beschließen, sehr wichtig.

Ich möchte, nachdem heute schon einmal die Aussage getroffen worden ist, diese För­derungen, diese Übernahme auch der Internatskosten wären quasi Geschenke, Fol­gendes herausstreichen: Schauen wir uns einmal an, was denn mit diesem zusätzli­chen Geld, das wir heute zur Verfügung stellen, gefördert wird!

Da gibt es Förderungen für die Arbeitgeber – eben Lohnförderungen oder einen Zuschuss zu den Lohnkosten aufgrund einer Leistungsminderung, technische Arbeitshilfen wer­den damit übernommen, Eingliederungshilfen, Adaptierungen von Arbeitsplätzen oder Gebärdendolmetschkosten –, und es gibt auch direkte Förderungen für die Arbeitneh­mer, und auch das sind bei Gott keine Geschenke: Da geht es um Ausbildungsbei­hilfen und Mobilitätsförderung, um die Anschaffung eines Blindenhundes oder um den Umbau eines behindertengerechten Fahrzeuges.

Ganz besonders wichtig sind Hilfen für Jugendliche und für junge Erwachsene, weil alles, was man in diesem Alter abfedern kann, unterstützen kann, um das spätere Le­ben zu erleichtern – auch in der Arbeitswelt –, nicht nur uns, der Gesellschaft, viele Kos­ten erspart, sondern für diese jungen Menschen sehr wichtig ist. Das sind eben berufli­che Assistenzen, das Jobcoaching, die Produktionsschule, die Jugendarbeitsassistenz und noch vieles mehr.

Ich kann vielleicht noch etwas beitragen oder eine Aufforderung an Sie richten. Dieses Inklusionspaket soll uns auch ermutigen, uns mehr damit zu beschäftigen, mit welchen


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 62

Problemstellungen diese Menschen konfrontiert sind. Ich habe heute schon von blin­den und sehbehinderten Menschen gehört. Es gibt in Oberösterreich, wie in anderen Bundesländern auch, den Blinden- und Sehbehindertenverband. Vor ungefähr einem Jahr durfte ich zu einem Frühstück im Dunkeln kommen. Da glaubt man zuerst, es wird recht lustig, und es war wirklich amüsant, sehr lehrreich und bereichernd – das muss man einmal festhalten –, wenn man in einer Gruppe in einen Raum kommt, den man nicht kennt, an einem Tisch sitzt und nicht weiß, wo was steht, und dann soll man viel­leicht auch noch frühstücken, ohne Flecken zu machen.

Das heißt, Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben sehr, sehr viele besondere Fähigkeiten, diese sollen wir auch wahrnehmen und auch transportieren, dass mit einer solchen Förderung zum Beispiel ein Blindenhund einen Menschen dabei unter­stützen kann, am Arbeitsleben teilzunehmen. Der Landesobmann des Blinden- und Seh­behindertenverbandes Oberösterreich war ein solcher Mann: Er war selbst sehbehin­dert – er war einmal sehend und ist später erblindet – und hatte einen Blindenhund, hat seinen Laptop verwendet, SMS gecheckt wie jeder andere Mensch auch, mit einem ein­fachen Arbeitsmittel, für das die Kosten übernommen worden sind.

Insofern können wir heute mit Stolz sagen, dass wir mit diesem Inklusionspaket be­einträchtigte Menschen und deren Angehörige in ihren Anliegen unterstützen und för­dern, und deshalb sind wir auch sehr gerne dabei. (Allgemeiner Beifall.)

12.12


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stög­müller. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.12.11

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Werter Herr Minister! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es handelt sich für uns Grüne um ei­nen sehr wichtigen Antrag, der da vom Nationalrat beschlossen wurde, mit meiner Mei­nung nach längst fälligen Verbesserungen für Menschen mit Beeinträchtigung, mit Be­hinderung.

Immerhin sind fast ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher davon betroffen – ein Viertel! – Das ist, finde ich, schon eine sehr hohe Zahl an direkt oder indirekt Be­troffenen – es gibt jeweils Unterschiede. Nun aber wird ein zweckgewidmetes Mittel für aktive Behindertenpolitik verdoppelt. Es gibt also in Zukunft 90 Millionen €, die ab 2019 auch noch valorisiert werden. Ganz ehrlich, das freut mich, das freut uns Grüne wirk­lich, dass das endlich passiert.

Sehr erfreulich ist auch, dass der Behindertenanwalt und – mittels Abänderungsantrag im Nationalrat – jetzt auch noch der Klagsverband ein Verbandsklagerecht bekommen hat, was schon seit ewig langer Zeit eine Forderung von uns Grünen war.

Weiters wird es einen Unterlassungsanspruch bei Diskriminierung im Zusammenhang mit einer Belästigung geben, und es kann in Zukunft mittels der Verbandsklage auf Un­terlassung und Beseitigung einer Diskriminierung geklagt werden, wenn es sich beim Beklagten um eine große Kapitalgesellschaft handelt.

Das ist im Ganzen alles sehr positiv, und dazu zählt auch, dass der Monitoring-Aus­schuss ein Budget bekommt und unabhängig wird. Weiters wird dem Nationalrat jähr­lich ein Bericht vorgelegt – ich glaube, das ist ebenfalls eine sehr große Errungenschaft und sehr positiv.

Wir Grünen werden diesen Antrag gerne mittragen und hoffen, dass es neben der fi­nanziellen Unterstützung auch zu einem gesellschaftlichen Umdenken für die Menschen mit Beeinträchtigung, mit Behinderung kommen wird. Wir stimmen dem gerne zu. Vie-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 63

len Dank, dass hier dazu beigetragen wird! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.14


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun darf ich Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.14.05

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Für mich ist es ein wichtiges Ereignis, dass wir heute ein klares Zeichen setzen, indem wir darüber nachdenken, wie Menschen mit Beeinträchti­gungen in einer Welt, in welcher der Markt alles regelt, untergehen.

Mir hat der Redebeitrag von Herrn Abgeordnetem Hammerl sehr gut gefallen, in wel­chem er beschreibt, wie es den Menschen auch mit der Sprache geht, wie wir damit umgehen und wo wir andere Menschen behindern.

Es war ja noch viel schlimmer. Früher hat dieses Gesetz Invalideneinstellungsgesetz geheißen. Damals sind wir von Kriegsinvaliden ausgegangen, das war das Motiv, et­was zu tun, um Menschen zu integrieren.

Das ist eines meiner Erlebnisse: Als Sozialminister habe ich noch deutlicher die Hal­tung gelernt, die man allen Menschen gegenüber braucht – auch jenen Menschen ge­genüber, die behindert sind –, um ihnen Respekt entgegenzubringen und zu zeigen, dass sie an der Gesellschaft teilhaben können, und um zu sehen, dass sie einen Beitrag in der Gesellschaft leisten wollen und dafür auch bezahlt werden wollen wie alle anderen. Ich glaube, mit dieser Maßnahme haben wir einiges in diesem Sinne erreicht, wenn auch ganz sicher nicht alles.

Ich habe eine große Bitte an Sie: Wir sind hier in der Länderkammer, und bei dem vor­liegenden Thema geht es um Fragen in Bereichen, die den Menschen, die Beeinträch­tigungen haben, sehr oft Nerven kosten, in denen sie sehr oft auf Unverständnis sto­ßen – ein Beispiel ist die Arbeitsassistenz: Assistenz für die Arbeit wird vom Bund be­zahlt, Assistenz in der Freizeit aber nicht. Da geht es um zwei Zuständigkeiten für Din­ge, die im Leben dieser Menschen oft nicht funktionieren, wenn der Herr Hofrat auf der einen Seite mit dem Herrn Ministerialrat auf der anderen Seite nicht zusammenkommt, weil man unterschiedlich denkt und unterschiedliche Formen der Handlungsweise ent­wickelt.

Meine Bitte an Sie ist, dass wir diesen Meilenstein, den wir heute setzen, nicht nur als Meilenstein stehen lassen, sondern mit diesem Meilenstein erstens mehr Mittel für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Zweitens sollen Verbesserungsmaßnahmen gera­de in den Landtagen, gerade auch, wenn es um das Zusammenspiel zwischen Bund und Land geht, gesetzt werden, und zwar im Sinne der Unterstützung von Menschen mit Behinderung und ihres Rechts, die Freizeit zu gestalten, aus der Perspektive, dass sie Menschen sind, die an der Gesellschaft teilhaben.

Wenn wir heute einen Beitrag dazu leisten, dann haben wir viel getan. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

12.17

12.17.06

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 64

12.17.396. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz geän­dert werden (2308/A sowie 9900/BR d.B. und 9908/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


12.17.54

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich stelle daher sogleich den Antrag.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein

Erste Rednerin: Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.18.32

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Ich gehe davon aus, dass wir uns alle im Klaren darüber sind, dass in Österreich vieles nicht funktionieren würde, gäbe es nicht die rund 3,5 Millionen frei­willigen oder ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Ohne Entlohnung erfüllen sie wich­tige gesellschaftliche Aufgaben, die Palette reicht von Vereinen über Feuerwehr- und Rettungsdienste bis hin zu Nachbarschaftshilfe, Deutschkursen, Betreuung von Asyl­werbern und Asylwerberinnen und so weiter – ich glaube, die Liste kann man fast end­los fortsetzen.

Seit dem Jahr 1968 besteht in Österreich die Möglichkeit, ein sogenanntes Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren. Junge Menschen ab 18 Jahren erhalten dabei die Chan­ce, zehn beziehungsweise elf Monate lang die Arbeit im Sozialbereich kennenzulernen und zu sehen, was im Sozialbereich passiert. Mit der uns vorliegenden Gesetzesände­rung soll klargestellt werden, dass ein Freiwilliges Sozialjahr weiterhin bei Rettungsor­ganisationen erfolgen kann.

Für viele ist der Rettungsdienst ein sehr interessanter Bereich, in dem das Sozialjahr sehr gerne absolviert wird. Daher ist es auch als sehr positiv zu sehen, dass es nun keine Befristungen mehr gibt, und zwar in keinem Bereich, weder im Rettungsdienst noch in anderen Bereichen.

Weiters ist auch neu, dass es möglich ist, das Freiwillige Sozialjahr in Krankenanstal­ten zu absolvieren, was ebenso eine erfreuliche Sache ist.

Anmerken möchte ich noch kurz, dass das Freiwillige Sozialjahr ja nicht nur in Öster­reich absolviert wird, sondern auch im Ausland und dass ohne Ersparnisse oder oft­mals auch ohne familiäre Unterstützung, auf die leider nicht alle zurückgreifen können, ein Gedenkdienst im Ausland aufgrund fehlender Mittel einfach nicht möglich ist. Daher ist es auch zu begrüßen, dass jetzt eine Aufstockung der Fördermittel für den Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst im Ausland von den bisher 720 000 € auf 1,2 Millionen € vor­gesehen ist.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 65

Liebe Kolleginnen, liege Kollegen! Auch ich möchte mich abschließend bei all jenen, die, egal wo auch immer, freiwillig tätig sind, bedanken, in meinem eigenen Namen, aber auch namens meiner Fraktion, denn das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe Respekt vor diesen Menschen, denn es sind Menschen, die das Miteinander vor das Trennende stellen, und das sollte beispielgebend für uns alle sein. Nochmals ein herzli­ches, aufrichtiges Danke an alle freiwilligen Helferinnen und Helfer für ihre wertvolle Tätigkeit, die für unser Land so wichtig ist! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.21


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster darf ich Frau Bundesrätin Ledl-Ross­mann das Wort erteilen. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.21.35

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, da sind wir uns heute alle sehr einig, dass diese Änderung des Freiwilligengesetzes und des Familienlastenausgleichs­gesetzes ein sehr wichtiger Schritt ist.

Ich darf vielleicht mit dem Punkt beginnen, mit dem meine Vorrednerin aufgehört hat, nämlich mit dieser wichtigen Erhöhung der Mittel für den Gedenk-, Friedens- und So­zialdienst im Ausland. Ich glaube, gerade der Gedenkdienst muss uns sehr wichtig und ein Anliegen sein, weil er sich ganz klar mit den Ursachen und Folgen des Nationalso­zialismus und seiner Verbrechen auseinandersetzt. Der Gedenk-, Friedens- und So­zialdienst bietet Jugendlichen die Möglichkeit, Jugendliche zu betreuen, alte Menschen zu pflegen, aber auch in Museen oder Archiven zu arbeiten. Ich hatte selber einmal die Gelegenheit, in Litauen, in Vilnius, im Holocaust-Museum eine Führung zu erleben, die von zwei österreichischen Gedenkdienern gemacht worden ist. Das hat mich damals wirklich sehr beeindruckt, und ich finde es schön, wenn sich junge Menschen für die­sen Weg, für diesen Dienst entscheiden, weil ich glaube, sie sind damit auch ganz wichtige Botschafterinnen und Botschafter für unser Land und helfen mit, dass wir die Geschichte nicht vergessen.

Zum Freiwilligen Sozialen Jahr, zweifelsohne auch eine sehr wichtige Einrichtung: In diesem Jahr – es wurde schon angesprochen – haben die jungen Menschen die Mög­lichkeit, sich sozial zu engagieren, während sie aber auch finanziell unterstützt werden, durch die Familienbeihilfe, durch ein Taschengeld, und sie auch versichert sind. Es ist das für mich sehr wesentlich, weil es doch bei vielen so ist, dass sie erst einmal in der Praxis sehen wollen, ob sie überhaupt für einen Sozialberuf geeignet sind oder ob sie für die berufliche Orientierung noch Zeit brauchen, beziehungsweise kommt es immer wieder auch vor, dass Wartejahre überbrückt werden müssen.

Deshalb finde ich es sehr positiv, dass zu all den Bereichen, in denen es möglich ist, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren, jetzt auch die Krankenanstalten dazuge­kommen sind, eben auch im Hinblick auf die berufliche Orientierung, wie schon gesagt, und die Überbrückung einer Wartezeit. Das spielt auch für eine Region wie meinen Bezirk in Tirol eine große Rolle, und das hat mit dem neuen Ausbildungsgesetz in der Krankenpflege zu tun. In Tirol hat man, Gott sei Dank, den Weg gewählt, dass diese FH-Ausbildungen in jedem Bezirk angeboten werden. Da wir aber ein kleinerer Bezirk sind, fallen wir aufgrund der demografischen Zahlen unter die Regelung, dass nur alle zwei Jahre mit der Ausbildung begonnen werden kann. Und da ist es wichtig, dass man die Möglichkeit hat, dieses Freiwillige Soziale Jahr in Krankenanstalten zu absol­vieren. Das birgt für uns ein Potenzial für die Ausbildung und für die Zukunft unserer Region, wenn junge Menschen, die die Matura gemacht haben und deren Fachhoch­schulausbildung für den Pflegedienst erst ein Jahr später anfängt, diese Zeit vor Ort entsprechend nützen können und so nicht die Gefahr besteht, dass sie den Bezirk ver-


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lassen oder sich für eine andere Ausbildung entscheiden. Daher bin ich für diese Er­weiterung wirklich sehr dankbar.

Ebenso ist das Fallen der Befristung für den Rettungsdienst ein entscheidender Punkt, in dem auch ein Potenzial für die Zukunft steckt, nämlich insofern, als es doch auch viele junge Menschen gibt, die ehrenamtlich beim Rettungsdienst bleiben wollen. Ich denke, das ist gerade in diesem Bereich sehr wichtig.

Österreich ist – das hat Renate Anderl auch schon angesprochen – ein Land des Eh­renamtes, der Ehrenamtlichkeit, und das sind schon beeindruckende Zahlen: Knapp 3,5 Millionen Menschen engagieren sich in den verschiedensten Vereinen, Traditions­verbänden oder im sozialen Bereich, und das ist wirklich unbezahlbar, das ist finanziell nicht aufzuwiegen. Umso mehr müssen wir alle – und ich tue das heute auch sehr ger­ne und aus ganzem Herzen – ihnen immer wieder Dank, Wertschätzung und Anerken­nung aussprechen, weil wir wissen, dass es viele Bereiche gibt, die ohne unsere Eh­renamtlichen einfach nicht funktionieren würden.

Was mich besonders freut und was für uns alle, glaube ich, sehr schön ist, immer wie­der miterleben zu dürfen, das ist, dass es immer wieder junge Menschen gibt, die sich für das Ehrenamt entscheiden, immer wieder viele junge Menschen gibt, die sich auch für eine freiwillige Tätigkeit im Sozialbereich entscheiden. Und das gehört unterstützt und weiter fortgeführt. Genau das ist auch der Punkt, warum ich und natürlich auch mei­ne Fraktion dieser Änderung des Freiwilligengesetzes sehr gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.26


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster darf ich Frau Bundesrätin Ecker das Wort erteilen. – Bitte

 


12.26.40

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Man hat den Eindruck, das Plenum ist heute schon etwas müde. Das ist vielleicht der Mittagszeit geschuldet oder dem Ende des Wahlkampfes oder dem Umstand, dass es keine Kontraredner zu die­sem Punkt gibt. Aber vielleicht kann ich Sie etwas aufwecken mit der Frage: Was ist eigentlich ein Freiwilliges Sozialjahr? – Der Begriff war mir bekannt, ich habe auch schon Personen getroffen, die das gemacht haben, aber mit dem Hintergrund an sich habe ich mich noch nicht beschäftigt, und diese Lücke in meiner Allgemeinbildung – aber viel­leicht auch der Ihren – habe ich jetzt geschlossen.

Das Freiwillige Sozialjahr dient zur Bildungs- und Berufsorientierung in sozialen Berufs­feldern und soll freiwilliges Engagement fördern. Ein solches Sozialjahr zu absolvieren ist möglich für Menschen ab 18 Jahren, in Ausnahmefällen auch schon ab 17 Jahren, die physisch und psychisch belastbar sind, sich für den Sozialbereich interessieren, aber da noch keine Berufsausbildung haben. Das absolvierte Freiwillige Sozialjahr wird auch statt dem Zivildienst angerechnet; es geht hier vorwiegend um Tätigkeiten – wir haben es heute schon gehört – im Rettungsdienst, um Arbeit mit Jugendlichen oder älteren Men­schen, aber auch um Tätigkeiten in den Bereichen Gedenkstätten, Migration und Flücht­lingsbetreuung.

Die Betreffenden sind pensions-, unfall- und krankenversichert und haben – in Oberös­terreich zumindest, aber das wird es in anderen Bundesländern auch geben – Anspruch auf eine Jugendnetzkarte, und sie bekommen auch eine Bestätigung über die absolvierte Praxiszeit. So kann man auch ein etwaiges Zeitfenster zwischen Schulausbildung und Studium oder einer weiteren Berufsausbildung nützen.

Was mich verwundert hat, war, dass das Entgelt für das Freiwillige Soziale Jahr als Ta­schengeld tituliert wird. Bei genauerer Betrachtung ist es aber auch ein Taschengeld.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 67

Die Höhe dieses Taschengeldes ist nicht einheitlich geregelt, sondern muss mindes­tens 50 Prozent bis zu maximal 100 Prozent der Geringfügigkeitsgrenze betragen. Die­sen Prozentsatz legt der einzelne Träger, bei dem man dieses Soziale Jahr absolviert, fest; das heißt, das Entgelt liegt zwischen 212 € und 425 €. Zum Beispiel bekommt man jetzt beim Roten Kreuz 240 € für mindestens 35 Stunden, und das ist nicht wirk­lich viel, wenn man das so sagen darf. Ich denke, da gehört etwas nachgebessert.

Warum ist das Soziale Jahr trotz dieser geringen Entlohnung eine Option für junge Menschen? – Wir haben es schon gehört, ein Beweggrund ist eben, sich für Menschen zu engagieren. Die Menschen, die dieses Freiwillige Sozialjahr machen, lernen sich selbst besser kennen und einschätzen. Das ist ganz besonders wichtig, wenn man sich nachher weiter im Sozialbereich, im Krankenbereich oder im Seniorinnen- und Senio­renbereich beruflich engagieren will, denn in dieser Zeit kann man sehr schön sehen, ob man dafür geeignet ist, ob es wirklich das ist, was man nachher machen möchte.

Man kann das Freiwillige Sozialjahr bei vielen Trägern machen, bei der Caritas, beim Roten Kreuz, bei der Diakonie und vielen anderen; es gibt also jede Menge Betäti­gungsformen und dazu auch eine Bewerbungsplattform.

Wir haben schon darüber geredet, dass es auch bei der Familienbeihilfe von den An­spruchsvoraussetzungen her eine Gleichstellung mit den Zivil- und Präsenzdienern gibt. Das ist eine sehr gute Sache, weil dadurch keine Lücke entsteht.

Wenn man mit Menschen spricht, die dieses Freiwillige Sozialjahr absolviert haben, dann werden die über eine aufregende Zeit berichten, dass sie viele interessante Men­schen kennengelernt haben, dass sie im Ausland vielleicht auch Menschen kennenge­lernt haben, die gar nicht aus dem Land sind, in dem sie ihren Dienst absolviert haben. Es werden in dieser Zeit oft weltweite Kontakte geknüpft, die sie mit Sicherheit ein Le­ben lang begleiten und prägen werden.

Wir haben es schon gehört: Es gibt sehr, sehr viele engagierte freiwillige Helfer bei uns, und genau diese Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, finden wir später wieder im gesellschaftlichen Leben, eben genau als diese ehrenamtlichen Helfer, die für unser Land so enorm wichtig, unentbehrlich und unbezahlbar sind. (Bei­fall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.31


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Stögmüller das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.31.18

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Stöger! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde ja mittlerwei­le schon sehr viel über das vorliegende Gesetz gesagt, ich kann mich dem nur an­schließen: Man kann wirklich stolz sein, dass wir in Österreich so viele motivierte und engagierte junge Menschen haben, die sich freiwillig für ein Soziales Jahr entscheiden.

Gerade für den Bereich des Gedenk-, Friedens- und Sozialdienstes ist es wichtig, dass es in Zukunft eine Aufstockung der Fördermittel gibt, denn diese Institutionen sind äu­ßerst engagiert, den jungen Menschen neue Eindrücke, Geschichtsverständnis und auch Social Skills zu vermitteln, je nach Einrichtung sogar Berufsausbildungen zu ermögli­chen, wie es zum Beispiel gerade im Gesundheitswesen, im Krankentransport der Fall ist. Es ist für diese jungen Menschen eine unglaublich lehrreiche Erfahrung, die sie dann auch als Multiplikator an andere junge Menschen weitergeben.

Dennoch und weil ich aufgrund meiner beruflichen Laufbahn auch viele junge Men­schen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres ausgebildet habe, möchte ich doch noch etwas anmerken: Ich glaube, es braucht ein Riesenengagement und eine gute fi-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 68

nanzielle Unterstützung der Eltern, damit man sich das Freiwillige Soziale Jahr auch leis­ten kann.

Der Großteil sind junge Frauen, die ja bekanntlich keinen Zivildienst machen müssen und sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr entscheiden. Um die 80 Prozent der Absol­venten eines Freiwilligen Sozialen Jahres sind Frauen, aber nur ein Viertel der Frei­willigen im Auslandsfriedensdienst, weil speziell Männer diesen anstelle des Zivildiens­tes als Vorbildung machen, da er ihnen dann für den Zivildienst angerechnet wird. Das hat ja auch seinen Sinn, gerade wenn man Auslandszivildienst machen möchte.

Wirklich Hut ab vor euch! Wie gesagt, man muss auch mit dem bisschen Taschen­geld – das ist meistens zwischen 200 und 280 €; manche Organisationen geben auch ein bisschen mehr her – auskommen. Daher ist es auch wichtig, zusätzlich noch etwas Geld von zu Hause zu bekommen, um über die Runden zu kommen. Also: Danke wirk­lich allen Menschen, die sich draußen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres engagieren!

Ich bin auch wirklich froh darüber, dass wir als Gesetzgeber jetzt erkannt haben, dass es auch eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes braucht, um endlich die Lücke im Anspruch auf Familienbeihilfe zu schließen. Somit besteht in Zukunft ab Be­endigung der Schule bis zum Beginn des Freiwilligen Sozialen Jahres und zwischen dem Ende des Freiwilligen Sozialen Jahres bis zum Studium beziehungsweise bis zur Berufsausbildung ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Das ist meiner Meinung nach sehr sinnvoll, und ich bin sehr froh darüber, dass wir da ein paar Verbesserungen für die jun­gen engagierten Menschen anbringen konnten.

Ich kenne wirklich einige, die sich aufgrund ihrer Erfahrungen im FSJ dann gezielt für ein Studium in diesen Bereichen entschieden haben und jetzt motivierte Ärztinnen und Ärzte, motivierte Gesundheits- und Krankenpfleger sind und sich im Sozialbereich en­gagieren, um nur ein paar aufzuzählen, die mir in meinem persönlichen Umfeld be­kannt sind. Abschließend nochmals danke dafür!

Wir Grüne werden natürlich diese Novellierung gerne mittragen und ihr zustimmen. Vie­len Dank auch allen Parteien für diese Zustimmung. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.34


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun darf ich Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen.

 


12.34.36

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Hohes Haus! Mit diesem Paket sichern wir mit wenig Mitteln den Ein­satz des Freiwilligenengagements in Österreich. Wir sind in diesem Bereich Weltmeis­ter! Es sind 3,5 Millionen Menschen, die irgendwo freiwillig arbeiten, sei es in Vereinen, sei es aber auch in sozialen Einrichtungen.

Wir schaffen mit diesem Gesetz die Basisfinanzierung für die Gedenkdienste. Ich glau­be, dass die Träger, die diese Gedenkdienste leisten, ein hohes Ausbildungs- und ein hohes Betreuungsniveau sicherstellen können. Sie sind nämlich Botschafter eines mo­dernen Österreich in der Welt.

Dass wir den Anspruch auf Familienbeihilfe auf den Kreis dieser jungen Menschen er­weitern, ist, denke ich, ein wichtiger Punkt, ebenso die Regelung, dass Menschen auch weiterhin beim Roten Kreuz, bei den Krankenanstalten das Freiwillige Soziale Jahr ab­solvieren können.

Ich wollte nur auf Folgendes hinweisen: Es sind nicht 35 Stunden, sondern 34 Stun­den. Es ist ja nicht eine Art Ausbildungsverhältnis, kein Arbeitsverhältnis, daher auch


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 69

der Begriff des Taschengeldes; darüber kann man streiten. Wichtig ist auch, dass wir das FSJ schon ab dem 17. Lebensjahr ermöglichen.

Alles andere ist bereits gesagt worden, also in diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich danke Ihnen für die Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

12.36

12.36.19

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.36.337. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1366/A sowie 9901/BR d.B. und 9909/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich bitte um den Bericht.

 


12.36.55

Berichterstatterin Renate Anderl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Ok­tober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen sin schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster darf ich Frau Bundesrätin Kern das Wort erteilen.

 


12.37.45

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt wieder über ein Gesetz, das drei Tage vor der National­ratswahl beschlossen wurde. (Bundesrat Stögmüller: Der Antrag ist ewig lang im Aus­schuss gewesen!)

Mit der Änderung bei der Notstandshilfe, durch die nun das Partnereinkommen nicht mehr angerechnet werden soll, entstehen zusätzliche Kosten von 85 Millionen €!

Mein Wunsch für die Zukunft wäre, dass vor der Wahl keine budgetrelevanten Be­schlüsse mehr gefasst werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verstehen Sie mich nicht falsch: Menschen, die unsere Hilfe brauchen, sollen auch jederzeit unsere Hilfe bekommen, aber diese Maßnahme entspricht nicht unserer Idee von einer neuen Gerechtigkeit. Wir können


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 70

gern über das Gesamtsystem diskutieren (Bundesrätin Mühlwerth: Das tun Sie eh schon seit 40 Jahren!), über das Arbeitslosengeld, über die Notstandshilfe, über die Mindestsi­cherung, aber ich würde mir wünschen, dass wir keine Einzelmaßnahmen mehr disku­tieren.

Die Aufgaben verantwortungsvoller Sozialpolitik sind, auf aktuelle Entwicklungen recht­zeitig einzugehen, der Überlastung des Sozialsystems entgegenzuwirken, Menschen zu motivieren, rasch wieder in den Arbeitsprozess zurückzukehren.

Und worum geht es bei der Notstandshilfe? – Nach dem Bezug des Arbeitslosenent­gelts besteht Anspruch auf Notstandshilfe, de facto unbefristet. Diese Leistung ist für Personen in Notlage nach dem Bezug des Arbeitslosenentgelts vorgesehen. Beziehe­rinnen und Bezieher erhalten 95 Prozent des Arbeitslosengeldes für eine Dauer von 52 Wochen. Der Antrag kann immer wieder gestellt werden. Wesentlich ist aber, dass die Bezieher dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stehen.

Der Staat hat beim Bezug der Notstandshilfe die Anrechnung des Partnereinkommens festgeschrieben, und ich finde, das war auch ein richtiger Schritt, denn worum geht es in der Sozialpolitik? – Das Ziel ist es, Menschen so rasch wie möglich wieder in den Ar­beitsprozess zu integrieren.

Unsere Erfahrungen und alle Erfahrungen von Experten zeigen, dass es bereits nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit und Notstandshilfe immer schwieriger wird, in den Arbeits­prozess zurückzukehren. Wenn wir uns den Arbeitsmarkt anschauen, dann sehen wir positive Entwicklungen und auch viel Potenzial für Menschen, wieder in Beschäftigung zu kommen. Österreichweit ist die Zahl der offenen Stellen um 47 Prozent auf 62 445 gestiegen. Das zeigt, das Potenzial für Beschäftigung steigt und die Politik muss nur auf die richtigen Maßnahmen setzen, damit die Betroffenen wieder rasch Arbeit finden. (Bundesrat Stögmüller: Das ist Teilzeit, oder?) Von gemeinnütziger Beschäftigung, ver­schiedenen Fördermaßnahmen bis zur Aktion 20 000 gibt es mittlerweile zahlreiche Ini­tiativen, die den Fokus auf Beschäftigung legen.

Arbeit ist mehr als nur Geldverdienen: Arbeit stiftet Sinn und gibt Halt, Arbeit schafft soziale Kontakte, Arbeit gibt Selbstwert und Selbstbewusstsein, Arbeit motiviert Men­schen und schafft eine Struktur im Tagesablauf. Wenn wir Arbeit so betrachten, dann ist auch klar, warum wir uns so stark für eine neue Gerechtigkeit einsetzen. Der Wert von Arbeit muss in unserer Gesellschaft immer ein hohes Gut sein. Gerade die letzten Reformen in Niederösterreich legen einen starken Fokus auf den Wert von Arbeit. Die Reform der Mindestsicherung zeigt in Niederösterreich Wirkung: Wegen der Deckelung der Leistung für Bedarfsgemeinschaften bei 1 500 € ist die Zahl der Bezieher in Nieder­österreich von 18 400 im Jänner 2017 auf aktuell rund 17 000 Personen zurückgegan­gen. Unser Ziel ist es, Österreich wieder an die Spitze zurückzubringen, auch in der Be­schäftigung.

Es braucht österreichweit mehr Anreize zur Selbsthilfe und zur Leistung, ein System, das diejenigen, die täglich arbeiten gehen, nicht bestraft. Wir brauchen eine neue Ge­rechtigkeit. (Bundesrätin Posch-Gruska: Notstandshilfe, keine Arbeitsdebatte! – Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Unser Landesobmann hat bereits im Frühjahr vorgeschlagen, die Möglichkeit des ge­ringfügigen Zuverdienstes bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe einzuschränken. Wa­rum? – Weil mit der Zuverdienstmöglichkeit der Anreiz für eine Vollbeschäftigung sinkt. Geringfügige Beschäftigung bei Arbeitslosigkeit und Notstandshilfe hält Menschen da­von ab, rasch wieder eine Vollzeitstelle anzunehmen, weil es sich für sie einfach nicht lohnt. Es geht um 3,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das System erhalten. Sie haben es sich verdient, dass mit ihren Steuern und Abgaben fair und ge­recht umgegangen wird. Diese Fairness und Gerechtigkeit wünsche ich uns in den kom-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 71

menden Jahren. Für diese Gerechtigkeit werden wir uns als Vertreter der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer einsetzen.

Zurück zum Gesetzesbeschluss: Als ÖVP-Fraktion stimmen wir auch heute im Bundes­rat gegen diese Budgetbelastung. Wir wünschen uns echte Reformen. Wir wollen ein Sozialsystem, das den Menschen in der Not hilft und ihnen ermöglicht, rasch wieder Arbeit zu finden. Dafür werden wir uns in den kommenden Jahren starkmachen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster darf ich Frau Bundesrätin Posch-Grus­ka das Wort erteilen. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.43.11

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Vizepräsident! Liebe Kolle­ginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Sandra, das hat mir jetzt wirklich ein bisschen stark wehgetan. Ich glaube, dass es dir selber nicht ganz gut ge­gangen ist bei dem, was du gerade vorlesen musstest. (Zwischenruf des Bundesra-
tes Köck.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir wirklich einen Antrag, der so eindeutig ein Schritt für eine gerechtere Frauenpolitik und ein weiterer Schritt für eine gerechtere Sozialpolitik ist, wie er es eindeutiger gar nicht sein kann. Ich verstehe nicht, warum man hier so lange über den Wert von Arbeit reden muss. Ich gebe dir übrigens vollkommen recht, dass der Wert von Arbeit viel mehr ist als nur das Einkommen – das habe ich hier auch schon einmal gesagt –, aber es geht darum, dass wir den Frauen heute auch zu einem selbstbestimmteren Leben verhelfen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Reiter und Stögmüller.)

Es geht auch darum, dass wir den Frauen heute zu finanzieller Unabhängigkeit verhel­fen. Es geht auch darum, dass wir den Frauen heute dazu verhelfen, ein unabhängi­geres Leben zu führen. Das sind wichtige Punkte, die wir heute mit diesem Gesetz be­schließen, Sandra. Und ich glaube, dass das den Frauen der ÖVP sehr wohl auch be­wusst ist und es daher relativ schwer war, das jetzt so zu begründen.

Die Notstandshilfe kennzeichnet – das hat Sandra vorhin schon alles gesagt, aber ich habe mir das auch herausgesucht und will das wirklich noch betonen –, dass man in das System einbezahlt haben muss, um aus diesem System auch etwas herauszube­kommen. Es geht nicht darum, dass es, wie es hier so oft und so gerne gesagt wird, Leute gibt, die etwas aus dem System herausnehmen, von denen aber gar nichts ein­bezahlt wurde, und dass wir wiederum etwas ausgeben, das wir gar nicht haben. Die Aussage davor war – und das ist heute schon ein paar Mal gefallen –, dass wir drei Ta­ge vor der Wahl ein Gesetz beschlossen haben, das so viel Geld kostet. – Ja, es war drei Tage vor der Wahl, ja, das stimmt, aber jedes Gesetz kostet uns Geld. (Bundesrat Köck: Jedes nicht, es gibt andere auch! – Bundesrat Preineder: Jedes nicht!) – Jedes nicht, passt, entschuldige Martin, aber fast jedes.

Der Initiativantrag ist nicht drei Tage vor der Wahl eingebracht worden – in diesem Zu­sammenhang möchte ich mich auch bei den Grünen recht herzlich bedanken –, son­dern dieser Antrag ist schon vor sehr langer Zeit von den Grünen eingebracht worden und ist jetzt zur Abstimmung gekommen. Warum ist es drei Tage vor der Wahl gewe­sen? – Weil die ÖVP bis dahin nicht mitgegangen ist und wir die Situation daher nutzen konnten, dieses wichtige und notwendige Gesetz mit den anderen Parteien zu beschlie­ßen. Daher bin ich auch sehr, sehr froh über diese Sache. (Zwischenrufe der Bundes­räte Preineder und Pum.)

Da Sandra vorher auch gesagt hat, dass es für die, ich weiß jetzt nicht, Türkisen, Schwarzen, die neue ÖVP oder die neue Bewegung (Bundesrat Beer: Türkis! – Bun-


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desrätin Grimling: Die Türkisen!) wichtig ist, eine neue Gerechtigkeit einzuführen und dass die Sozialgesetze jetzt fair und gerecht sein werden, möchte ich gleich den Equal Pay Day erwähnen. Er passt sehr gut zur Notstandshilfe. Heuer ist er in Österreich auf den 13. Oktober 2017 gefallen. Der Equal Pay Day ist der Tag, von dem an Frauen bis zum Ende des Jahres eigentlich gratis arbeiten. Man könnte auch sagen, dass ab die­sem Tag – heuer war es der 13. Oktober – Männer bereits das verdient haben, wofür Frauen noch bis Ende des Jahres arbeiten gehen müssen.

Das ist ein Tag, an dem wir ganz deutlich sehen, dass Frauen immer wieder benach­teiligt sind und dass es mehr als ungerecht ist, wie das Einkommen aufgeteilt ist. Wenn wir uns die Statistik genauer anschauen, dann sehen wir, dass es so ist, dass der Equal Pay Day in den ÖVP-regierten Bundesländern bereits stattgefunden hat. Nehmen wir Vorarlberg, da war er am 16. September, in Oberösterreich am 27. September, in Tirol am 3. Oktober. Hingegen in den Bundesländen mit sozialdemokratischer Führung: Wien erst am 30. Oktober, das Burgenland am 16. Oktober und Kärnten am 15. Oktober. Da gibt es schon mehr Gerechtigkeit. Wir sind aber noch immer nicht am Ziel, wir werden weiterarbeiten müssen und sind noch lange nicht am Ziel.

Ich bitte euch wirklich, dass Ihr eure Entscheidung noch einmal überdenkt, auch wenn der Gesetzentwurf drei Tage vor der Wahl beschlossen wurde. Mehr Gerechtigkeit für Frauen ist immer notwendig, und diesen Schritt sollten wir jedenfalls gehen. Ich bitte euch, nicht gegen diesen Antrag zu stimmen. Die Grünen haben es in ihren Initiativan­trag geschrieben – von dort habe ich auch die Zahlen –: Im Jahr 2014 wurden wegen zu hohem Partnereinkommen 16 339 Anträge abgelehnt beziehungsweise eingestellt und in 82 Prozent dieser Fälle waren Frauen davon betroffen. Ein Argument im Natio­nalrat, ich weiß jetzt nicht genau, von welchem ÖVP-Nationalrat oder von welcher ÖVP-Nationalrätin – es war sogar eine Nationalrätin, glaube ich –, war, dass man sich bei der Eheschließung versprochen hat, in guten und in schlechten Tagen zusammenzuhalten, und dass daher bisher zu Recht das Partnereinkommen berücksichtigt wird, da man ja zusammenhalten soll.

Liebe Freunde und Freundinnen! Ja, man soll zusammenhalten; aber das als Argument herzunehmen und zu sagen, deswegen brauchen wir diese Gesetzesnovelle nicht, die­ses Gesellschaftsbild ist längst überholt, und zwar so etwas von überholt, dass ich es schon gar nicht mehr sagen kann! Ich glaube, dass es wirklich notwendig ist, dass wir hier für die Frauen stimmen. Stimmen wir heute dafür, dass ab 1. Jänner 2018 die An­rechnung des PartnerInneneinkommens beim Bezug der Notstandshilfe abgeschafft wird, sodass vor allem die Frauen davon profitieren, um ein selbstbestimmtes, ein ge­rechtes und ein finanziell unabhängiges Leben führen zu können. Ich würde mich sehr freuen, wenn die ÖVP-Frauen – zumindest die Frauen, wenn schon nicht die Männer – hier Solidarität zeigen würden. – Danke. Wir stimmen natürlich gerne zu. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Längle das Wort erteilen. – Bitte.

 


12.49.09

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Der Zugang von uns Freiheitlichen ist hier klar und eindeutig: Wir sagen, selbstverständlich ist es wichtig, dass wir die Frauen unterstützen. Es ist wichtig, dass wir diesen Missstand endlich einmal abstellen. Ich muss auch betonen, es kann doch nicht wirklich sein, dass jemand, wenn er eh schon Notstandshilfe beziehen muss, dann noch von einem Partner abhängig ist. Das kann es wirklich nicht sein. Wenn man in die Vergangenheit schaut und in die Geschichte schaut, dann sieht man, dass in den letzten Jahren sehr, sehr viele Anträge gestellt wur-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 73

den und diese Anträge leider alle abgelehnt wurden. Wir sprechen von über 16 300 An­trägen, die abgelehnt worden sind, weil das Einkommen des Partners miteinbezogen worden ist.

Diese Frauen haben wirklich eine Notsituation erleiden müssen, weil sie dann in der Regel nur noch kranken- beziehungsweise pensionsversichert waren. Mit dieser Ände­rung können wir endlich einmal dem entgegenwirken und auch im Sinne der Gleich­berechtigung, der Gerechtigkeit und auch im Sinne der Rechte der Frauen eine Absi­cherung schaffen und die Frauen effektiv unterstützen.

Bezüglich der Kosten, die da auf das Budget zukommen, gibt es mehrere Gegenrech­nungen, es wird auch die Wirtschaft und dergleichen angekurbelt. Wir sprechen von 15 Millionen €, die im Jahr dafür aufgewendet werden. Wenn uns das unsere Frauen im Sinne der Gleichberechtigung nicht einmal mehr wert sind, dann tut es mir schon sehr leid. Ich finde es auch sehr schade, dass die Kollegen der ÖVP bei dieser Geset­zesänderung nicht mitgehen können, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Ich gehe auch noch auf Ihre Ausführungen ein, Frau Abgeordnete Kern. Sie haben näm­lich vorhin gemeint, dass man kurz vor einer Nationalratswahl keine budgetrelevanten Beschlüsse tätigen soll. Ich habe das ausgeführt, es geht um 15 Millionen €. Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Wer ist denn dafür verantwortlich gewesen, dass es zu Neu­wahlen gekommen ist? – Das waren, glaube ich, Ihre Partei und die Leute in Ihren Rei­hen.

Dann haben Sie auch noch ausgeführt, dass es endlich einmal echte Reformen und dergleichen braucht. Wir haben das schon öfters gehört und auch schon öfters darüber gesprochen. Es ist schon auch Ihre Partei, die seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt und das offensichtlich verschlafen oder versäumt hat. Daher freut es mich umso mehr, dass wir Freiheitliche mit der Sozialdemokratie und auch mit den Grünen eine Mehrheit finden werden, um diesen Missstand endlich abstellen zu können. – Danke. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und Grünen.)

12.52


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.52.16

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Danke, liebe Inge, du hast es schon gesagt, das ist wirklich immer schon ein ganz großes und auch wich­tiges Anliegen von uns Grünen gewesen. Es hat auch lange gedauert, bis wir das heu­te endlich beschließen können. Endlich beschließen wir es, und wir Grüne sind froh da­rüber.

In Zukunft wird das Partnereinkommen bei der Notstandshilfe nicht mehr mitangerech­net. Gerade Frauen verlieren bei der geltenden Regelung ihre eigenständige Absiche­rung, und das wollen wir verhindern. Dafür haben wir Grüne uns schon seit Jahren ein­gesetzt, und endlich ist es soweit.

Oftmals führt die zusätzliche Berücksichtigung des Einkommens des Partners oder der Partnerin dazu, dass Frauen nur einen Anspruch auf Kranken- und Pensionsversiche­rung haben, jedoch keinen Anspruch auf Notstandshilfe. Inge hat es schon richtig ge­sagt: 2014 gab es 16 339 abgelehnte Anträge, und davon waren 82 Prozent von Frau­en. Man sieht also wirklich, dass man sie mit dieser Änderung jetzt unterstützt. Man unterstützt mit dieser Initiative ganz gezielt Frauen und verhindert, dass Menschen, die arbeitslos sind, noch zusätzlich in eine existenziell schwierige Situation gebracht wer­den. Wir Grüne sind wirklich sehr froh darüber, dass unserem Antrag heute im Bundes­rat zugestimmt wird.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 74

Man hat heute schon von all den Wahlzuckerln geredet, gerade aufseiten der ÖVP. Ich habe vorhin noch draußen vor der Tür mit dem Minister geredet: Genau bei diesem Gesetz zahlt es sich aus, dass wir es umsetzen. Unter all den Wahlzuckerln ist das das Oberzuckerl, weil es sich wirklich für alle Frauen in Österreich auszahlt. Mit diesem Gesetz wird 63 000 Menschen und deren 231 000 Familienmitgliedern geholfen, und es ist endlich Schluss mit den haushaltsbezogenen Abwertungen vor allem für Frauen. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) Darauf dürfen wir stolz sein, und ich bin auch wirk­lich froh darüber, dass SPÖ und FPÖ das mittragen und wir das heute beschließen. Wenn so etwas nur in Vorwahlzeiten geht, dann ist es halt so.

Wir werden auch gerne eine geheime Abstimmung machen, wenn ihr es wollt, wenn die ÖVP-Frauen sagen, sie überlegen es sich vielleicht doch noch. Ein diesbezügliches Verlangen bringen wir natürlich nicht mehr ein – keine Angst, keine Angst! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich glaube einfach, dass es das wirklich wert ist, und ich bin froh darü­ber, dass das heute beschlossen wird. – Danke allen! Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.54


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zum Schluss der Debatte darf ich wiederum Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen. – Bitte.

 


12.55.03

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Man hat mich jetzt rich­tig grantig gemacht! Man spricht von neuer Gerechtigkeit. Wenn es Gerechtigkeit gibt, dann gibt es Gerechtigkeit. Und was ist das andere, das Gegenteil von Gerechtigkeit? – Das kann nur Ungerechtigkeit sein.

Wer von neuer Gerechtigkeit spricht und etwas anderes als diesen Begriff der Gerech­tigkeit meint, der sich in Europa in der Zeit der Aufklärung entwickelt hat, für den Men­schen gestorben sind, wer etwas anderes meint, als dass wir für einen Ausgleich in­nerhalb der Gesellschaft kämpfen, dafür, dass jeder Mensch die gleichen Zugänge und Autonomie hat, dem muss ich sagen: Es gibt keinen anderen Begriff der Gerechtigkeit.

Und wenn man beginnt, den Begriff der Gerechtigkeit, auf dem Europa aufgebaut ist, auszuhöhlen, dann gibt es kein Ende mehr. Die sagen dann, die Polen haben zurück­geschossen (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber nicht notwendig! – Bundesrat Prein­eder: Herr Präsident!), und das erinnert mich an George Orwell. Das erinnert mich an George Orwell, der von einem Wahrheitsministerium gesprochen hat. Noch einmal: Ent­weder es gibt Gerechtigkeit, dann gibt es Gerechtigkeit, oder nicht, aber es gibt keine neue Gerechtigkeit, es sei denn, man will Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit erklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade bei der Notstandshilfe – das habe ich als Sozialminister kennengelernt – hat es immer die Frauen getroffen, und immer in einem Ausmaß, dass sie einen Nachteil hat­ten und haben, weil es um ein bestimmtes Menschenbild geht. Es macht einen Unter­schied, ob ich ein Menschenbild habe, in dem Frauen, in dem jeder Mensch autonom über sein Einkommen verfügen kann und nichts von anderen erbitten und erbetteln ge­hen muss, oder nicht. Ich sage es noch einmal dazu: Notstandshilfe kriegt man nicht, wenn man keine Beiträge gezahlt hat, und nur dann, wenn man Beiträge gezahlt hat, hat man einen Anspruch auf Notstandshilfe. Wenn man dieses Prinzip nicht mehr an­wendet, dann gibt es kein Ende, dann kann man das bei jeder Maßnahme tun, aber dann möchte ich von neuer Gerechtigkeit, die die neue Beschreibung für Ungerechtig­keit ist, nichts mehr hören.

Ich sage auch ganz deutlich, ich habe es im Nationalrat auch gesagt: Wenn es einen Wert gehabt hat, dass diese Gesetzgebungsperiode des Nationalrates früher geendet


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 75

hat, dann war das für diesen Schritt, dass wir bei der Notstandshilfe keine Anrechnung des Partnereinkommens mehr haben, für diese Entscheidung wert. Sieht man sich die Ungerechtigkeit hinsichtlich des Einkommens gegenüber diesen Menschen, etwa ge­genüber Frauen, an, dann stellt sie sich gerade bei diesen Regeln zur Anrechnung des Partnereinkommens dar.

Daher bin ich so froh, dass wir das auch in Sichtweite einer Nationalratswahl im Parla­ment haben beschließen können. Ich bitte Sie: Lassen Sie sich vom Neuen nicht irritie­ren! Es gibt entweder Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, und alles, was hier als neue Gerechtigkeit daherkommt, ist wahrscheinlich eine Begriffsverwirrung im Sinne von George Orwell – man nennt etwas Gerechtigkeit, meint aber Ungerechtigkeit. Mit dieser Maßnahme haben wir einen ganz anderen Schritt gesetzt. Ich bin froh, wenn das heute beschlossen wird. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

12.59

12.59.36

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.00.018. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird (2284/A sowie 9902/BR d.B. und 9910/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich bitte um den Bericht.

 


13.00.17

Berichterstatterin Renate Anderl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Ok­tober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontoge­setz geändert wird.

Der Antrag liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


13.01.05

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die Dis­kussion läuft in der Form weiter, wie wir es in der Vergangenheit schon einige Male ge­sehen haben: Die Verteilungsgerechtigkeit, die Frage, wer tatsächlich recht hat, steht im­mer wieder im Mittelpunkt. Ich glaube, es ist oftmals auch eine philosophische Frage, die letztendlich darauf abzielt, dass wir dem Wohlstand, den wir haben, auch zukünftig


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 76

gerecht werden, und dafür wird es auch notwendig sein, Veränderungen in Kauf zu neh­men.

Dass vor der besprochenen Wahl vieles nicht in rationellen Bahnen ablief, ist, glaube ich, unbestritten, aber nichtsdestotrotz läuft das Rad der Zeit weiter, und wir werden heu­te noch einige Beschlüsse der Vergangenheit aufarbeiten müssen, um dann mit raschen Ansätzen und Umsetzungen in die Zukunft zu schreiten.

Das Verbraucherzahlungskontogesetz ist ein weiteres Diskussionsthema, das mit Blick auf die freie Wirtschaft und den freien Wettbewerb diese Thematik natürlich sehr stark anspricht. Dabei werden auch die Fragen: Wie funktioniert unsere Arbeitswelt?, und vor allem: Welche Regeln besitzt diese Arbeitswelt?, immer wieder klar in den Mittel­punkt gestellt.

Wir wissen, dass sich durch den Wettbewerb natürlich die Vielfalt erhöht, dass sich In­novationen steigern und damit auch sehr viel an Neuem geschaffen wird. Spielregeln sind aber notwendig. Spielregeln sind notwendig, um nicht zuletzt das Sozialgefüge und auch die unterschiedlichen Standortfaktoren ausgeglichen in die Zukunft zu brin­gen. Eines sei an dieser Stelle vielleicht noch angemerkt: Die Kaufkraft bestimmt letzt­endlich immer wieder den Markt.

All das erwähne ich deswegen, weil es auch Thema dieser Diskussion ist, denn der Beschluss des heutigen Gesetzes schafft genau das Gegenteil: Eingriffe zur Beschnei­dung wirtschaftlicher Notwendigkeiten fordern neue Überlegungen, um wieder wirt­schaftlichen Erfolg zu haben. Wenn wir Unternehmern und Unternehmerinnen die Si­tuation auf dem Markt erschweren, besser gesagt, politisch eingreifen, dann werden, wirtschaftlich gesehen, Alternativen gesucht und diese auch umgesetzt. Eines bleibt am Ende dieser Diskussion mit Sicherheit stehen: Arbeitsplätze erhalten wir nicht auf Knopf­druck, vielmehr dadurch, dass dazu auch die notwendigen klimatischen Voraussetzun­gen geschaffen werden.

Vielleicht ein Thema, das uns alle eint: Der Bürokratieabbau ist mit Sicherheit nicht nur ein Schlagwort, sondern auch ein Thema der Zukunft und der Moderne, das im Sinne dieser Arbeitsplatzschaffung auch immer wieder in den Mittelpunkt gestellt wird. Wa­rum geht es aber genau darum? – Weil wir den unterschiedlichsten Unternehmerinnen und Unternehmern Freiraum zur Erfüllung ihrer Geschäftstätigkeit geben wollen. Ich glaube, Banken agieren genauso wie andere Wirtschaftsunternehmen, wenngleich das Gefühl vielleicht oftmals ein anderes ist, aber Banken müssen nach wirtschaftlichen Er­folgsfaktoren arbeiten und nicht zuletzt Einnahmen erzielen, um auch Dienstleistungen anbieten zu können. Letztendlich müssen sie konkurrenzfähig sein, nicht nur auf einem regionalen, sondern vor allem auch auf einem globalen Markt, und gerade dieser Sek­tor wird in den nächsten Jahren noch einen enormen Strukturwandel erleben.

Wir haben heute schon das Thema Digitalisierung angesprochen, und die Bankenwelt ist eines jener Berufsfelder, in das dieses Thema enorme Veränderungen bringen wird. In einer digitalen Welt sind räumliche Fragen irrelevant – ich glaube, darüber sind wir uns einig –, daher ist das, was hier gefordert wird, nicht zuletzt auch der Punkt, durch den in zwei Klassen geteilt wird: Wenn Bankomatgebühren für renommierte Banken verrechnet und nicht an Kunden weitergegeben werden können, dann stellt das einen Wettbewerbsnachteil dar und unabhängige Betreiber erhalten stärkere Chancen. Da wird es betreffend Entgeltansprüche unabhängiger Betreiber von Geldautomaten ein Ungleichverhältnis geben. Ich glaube, diese Diskussion lässt zwar viele Zugänge zu, aber am Ende des Tages wird eines übrig bleiben: Die Konkurrenzfähigkeit unserer heimischen Banken wird infrage gestellt. (Bundesrätin Kurz: Lächerlich! – Zwischenruf des Bundesrates Todt.)

Ich persönlich halte sehr wenig von postkommunistischen Kostenverteilungen, mit de­nen letztendlich versucht wird, der Allgemeinheit Kosten abzuverlangen (Zwischenruf


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 77

des Bundesrates Lindinger), Kosten, die alle zu tragen haben. Ich glaube, wenn ein­zelne Bargeldbehebungen nicht verrechnet werden, werden die Nutzungskosten stei­gen und das Bankomatangebot wird verringert. Unterm Strich ist das mit Sicherheit kei­ne Zielsetzung, die wir verfolgen. Daher ist es sehr wichtig, klare Spielregeln zu schaf­fen, die allen dienlich sind.

Hat jemand schon einmal überlegt, beim Stromverbrauch die Netzkosten anteilig inner­halb des räumlichen regionalen Umfelds aufzuteilen? – Mit Sicherheit nicht, denn da weiß jeder, dass es klare Maßstäbe gibt, Messeinheiten, die nicht zuletzt auch klare Abrechnungen zulassen. Genau diese Diskussion führen wir aber auf dem Geldsektor, auf dem es auch notwendig ist, dass in Bankomaten investiert wird und dass diese be­trieben werden. All das verursacht Kosten, und diese müssen gedeckt sein.

Wie auch immer: Wir können es gesetzlich verlagern, aber unterm Strich wird dann, wenn ein wirtschaftlicher Erfolg gefordert wird – und dieser ist notwendig, um auf dem Markt bestehen zu können –, auch eine Umsetzung notwendig sein, mit der wir den wirt­schaftlichen Unternehmen diesen Spielraum geben.

Wir werden diesen Gesetzentwurf daher sehr klar ablehnen, zum Schutz unserer Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zur Stärkung unserer heimischen Wirtschaft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.07


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


13.07.53

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Pum, was das jetzt alles mit der Arbeitswelt und sonstigen Dingen zu tun hat, wenn es darum geht, dass man bei den Bankomatgebühren ein Gesetz schafft, das einen sehr sperrigen Na­men hat, nämlich das Verbraucherzahlungskontogesetz, habe ich nicht ganz verstan­den, aber vielleicht können wir noch ausdiskutieren, worum es da geht und welche Spiel­regeln es gibt.

Es geht schlicht und einfach darum, dass Menschen Geld abheben können; ob es um Ältere, um Pensionistinnen und Pensionisten oder um den ländlichen Raum geht, wo die Bankfilialen schon dem Wettbewerb – um das so Neudeutsch zu sagen – geopfert wurden, wo es sie nicht mehr gibt, wo man schon eingespart hat und vieles andere mehr. Die Menschen wollen trotzdem Bargeld, weil sie eben ganz bestimmte Dinge tun möchten. Vielleicht wollen sie dem Enkerl ein bisschen Geld geben, damit er oder sie sich Schokolade kaufen kann oder so etwas. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Da geht es auch um kleine Beträge, und wenn man für kleine Beträge zum Beispiel 2 € Bankomatgebühren verlangt, dann ist das schlicht und einfach Taschenraub, um das einmal so zu formulieren, weil das aus dem Geldtascherl einfach herausgenommen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Pum.)

Ich denke, dass das Gesetz an sich ein sehr, sehr moderates Gesetz ist und dass man mit einem Kontopaket, das man bei einer Bank bezahlt, im Prinzip alle diese Gebühren abgedeckt hat und dass man nicht wieder extra Gebühren dafür verlangen sollte, dass man irgendwo abheben muss. Wenn es in Orten nur einen Bankomaten gibt – weil man das so steuern könnte, weil es um den Wettbewerb geht – und dieser die 2 € Banko­matgebühr verlangt, dann hat halt derjenige oder das arme Mutterl oder der Ältere oder auch Gebrechliche Pech gehabt, dann hat er halt ein Problem gehabt und wird neben seiner kleinen Rente dann noch damit bestraft, dass er Gebühren zahlen muss.

Lassen wir ganz einfach die Kirche im Dorf! (Bundesrat Köck: Eben! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Das Gesetz regelt etwas, und ich glaube, das beschädigt we-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 78

der den Wettbewerb in Österreich noch den internationalen Wettbewerb der Banken noch sonst irgendetwas. Die Welt wird sich weiterdrehen.

Ich glaube, dass es den Menschen einfach zusteht, dass sie mit einer Gebühr ihr Geld weiter beheben können, denn das ist wesentlich und wichtig für die Menschen – daher haben wir dieses Gesetz geschaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.11


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.11.28

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube auch, dass die Ban­ken nicht in Konkurs gehen werden, wenn die Bankomatgebühr nicht eingehoben wird. Ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, als die Girokonten eingeführt worden sind, da war das alles noch gratis. (Bundesrat Todt: Genau!) Da hat man möglichst viele Menschen finden wollen, die sich so ein Girokonto nehmen, und hat das daher gratis angeboten. Man hat das natürlich auch so verkauft, als ob das bis in alle Ewigkeit gra­tis sein würde. Wir wissen natürlich, dass so etwas nie hält und dass die Dinge dann irgendwann Geld kosten.

Kollege Pum hat von der Digitalisierung gesprochen, und wir haben heute insgesamt schon sehr viel über die Digitalisierung gesprochen. Das alles ist schon richtig, aber wir dürfen nicht ganz vergessen, dass es schon auch einen Teil in der Bevölkerung gibt, der diesen Zugang zur Digitalisierung entweder nicht hat oder ihn schlicht und einfach verweigert. Es muss ja auch der Mensch das Recht haben, zu sagen: Ich möchte das nicht! – Vor allem die älteren Menschen sind immer ein bisschen misstrauisch, was da von ihren Daten vielleicht alles abgefragt, gespeichert und in einer Form verwendet wird, auf die sie keinerlei Einfluss haben.

Du irrst, Kollege Pum, wenn du sagt: Dann werden die Bankomaten abgeschafft wer­den! – Das ist ja genau umgekehrt passiert. Ich kann dir sagen, ich wohne im 7. Bezirk, und als ich dort vor 40 Jahren eingezogen bin, hat es in der Umgebung nahezu an je­der Ecke eine Bank gegeben, und zwar von jeder Sorte eine. Da gab es die Länder­bank noch, die hat es gegeben; ein Stück weiter unten gab es die Bank Austria, die da­mals noch Zentralsparkasse geheißen hat; an der anderen Ecke gab es die Erste ös­terreichische und weiter unten die Creditanstalt. Da hat man überall locker Geld abhe­ben können, zumindest zu einer Bankfiliale hat man es nicht sehr weit gehabt.

Dann haben die Banken ihre Filialen zugesperrt. Ich verstehe das auch irgendwie: Das kostet Geld, die Mitarbeiter kosten Geld; dass man sagt, so einen Betrieb dafür auf­rechtzuerhalten, dass am Tag – Hausnummer – 20 Leute ein Bankgeschäft tätigen, ist zu teuer, das leuchtet mir schon ein. In der Folge waren aber natürlich auch alle Ban­komaten weg. Auf einmal dauerte der Weg zum nächsten Bankomaten mindestens zehn Minuten, und zwar in alle Richtungen, in die eine ein bisschen weniger, in die an­dere ein bisschen mehr. Und da sage ich: Wenn ich schon darauf angewiesen bin, bei einem anderen Institut Geld abzuheben, weil meine Bank einfach zu weit weg ist, dann sehe ich aber nicht ein, warum ich dafür auch noch 3 € zahlen soll. Genau in diese Lü­cke sind dann natürlich all die ausländischen Anbieter hineingegangen.

Jetzt haben wir im 7. Bezirk dank der freiheitlichen Bezirksräte, die den Antrag, dass wir Bankomaten brauchen, immer wieder gestellt haben, zwei Bankomaten in unmittel­barer Umgebung, und alle sind glücklich und zufrieden.

Es wird die Banken aber trotzdem nicht umbringen, wenn diese Gebühr nicht eingeho­ben wird, noch dazu (Zwischenruf des Bundesrates Köck), da es ja als Alternative die


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 79

Möglichkeit gibt, ein Paket zu kaufen, dafür auch zu zahlen, aber dafür so oft abheben zu können, wie man möchte.

Für viele – und wir reden hier eigentlich vom Innenstadtbereich, auf dem Land ist es ja noch viel schlimmer und die Wege sind noch viel weiter – ist es eben nicht so einfach, zu Bargeld zu kommen; als würde es stimmen, was allerorten, in ganz Europa eigent­lich, aber bei uns im Besonderen, gemunkelt wird: Man will das Bargeld abschaffen. Dann braucht man keinen Bankomaten, denn dann kann man ohnehin alles mit der Plastikkarte bezahlen. Das ist aber etwas, das wir überhaupt nicht wollen, und die ÖVP hat auch immer gesagt, sie möchte das nicht, da besteht ja – zumindest schaut es jetzt so aus (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller) – ein parteienübergreifender Kon­sens, dass wir die Abschaffung des Bargeldes nicht wollen. Wir wollen das wirklich auf gar keinen Fall.

George Orwell ist heute schon so oft bemüht worden: Es gibt ja zum Teil schon Dinge, die sich George Orwell gar nicht hätte träumen lassen. In diese Richtung möchte ich aber nicht noch weiter gehen, dass ich dann nicht nur der gläserne Mensch bin, der ich ohnehin schon bin, sondern dass ich dann dermaßen durchsichtig bin, dass ich über­haupt keine Möglichkeit mehr habe, für mich zu sein und ein Individuum zu bleiben, von dem man eben nicht alles und jedes weiß. Das halte ich für wichtig, und daher glaube ich, dass die Welt und Österreich und ihre Banken mit diesem Gesetz nicht un­tergehen werden. Wir werden zustimmen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

13.16


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stög­müller. – Bitte.

 


13.16.44

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir Grüne sprechen uns klar gegen Bankomatgebühren aus. Mit dem Markteinstieg von Euronet, einem von der Bank unabhängigen Betreiber von Geldautomaten, kamen auch die Bankomatgebühren nach Österreich. Diese belaufen sich aktuell auf etwa 1,95 € pro Abhebung. Euronet betreibt Geldautomaten hauptsächlich an Flughäfen, an touristischen Hotspots, aber auch Ge­meinden in schwach strukturierten Regionen schließen Vereinbarungen mit Euronet ab, natürlich um den Einwohnerinnen und Einwohnern Bargeldabhebungen vor Ort an­bieten zu können. Gerade auf dem Land ist es oft schwieriger geworden, Bankomatan­bieter oder überhaupt Bankomaten zu finden. Später ist ein weiterer unabhängiger An­bieter dazugekommen, nämlich First Data, und mittlerweile denken auch viele Banken über eine Einführung von Bankomatgebühren nach.

Wir Grüne sind der Meinung, dass die Dienstleistung Bargeldabhebung bereits durch die allgemeine Kontoführungsgebühr abgedeckt ist und ein zusätzliches Entgelt dem­nach sittenwidrig ist. Zudem braucht es eine klare Kennzeichnung von Bankomaten, die von unabhängigen Betreibern betrieben werden und Bankomatgebühren verlangen. Eine ganz klare Kennzeichnung von diesen Bankomaten wäre im Sinne des Konsu­mentenschutzes notwendig.

Jetzt zum gegenständlichen Antrag: Wir Grüne werden dem Gesetzentwurf aufgrund der Intention sehr wohl zustimmen. Ich hätte mir auch – und das muss ich in Richtung SPÖ sagen – gewünscht, dass es zu einem vollkommenen Verbot kommt. Jetzt sieht der Gesetzesvorschlag lediglich vor, dass entsprechende Gebühren zuvor einzeln ver­handelt werden müssen. Das heißt, im Endeffekt sollen die Banken den KundInnen in Zukunft sowohl eine All-inclusive-Bankomatkarte ohne Bankomatgebühren als auch ei­ne günstigere Karte mit Bankomatgebühren anbieten.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 80

Es steht sehr wohl im Antrag und ist auch vorgesehen, dass bei einer All-inclusive-Va­riante jedenfalls auch Abhebungen bei unabhängigen Anbietern, also bei Euronet und so weiter, gratis wären. Dann müsste also die Bank selbst die Gebühr gegenüber dem Drittanbieter, Euronet zum Beispiel, leisten. Also wir müssen jetzt schon aufpassen, dass die Banken die Gesetzesänderungen nicht dazu benutzen, um weitere Preiser­höhungen gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten (Zwischenruf des Bundes­rates Preineder) zu rechtfertigen, dass sozusagen das, was immer gratis war, nämlich das Abheben beim Bankomaten, nur mehr mit der teuren All-inclusive-Karte möglich ist.

Beachten müssen wir auch, dass am Schluss nicht die Banken die Nutznießer dieser Regelung sind und ganz besonders auch nicht die unabhängigen Anbieter von Banko­maten, denn diesen wird ja versprochen, dass sie ihre Gebühr jedenfalls vom Kredit­institut des Konsumenten bezahlt bekommen, wenn dieser eine All-inclusive-Karte be­sitzt – sonst bezahlt ohnehin der Konsument beziehungsweise die Konsumentin. (Bun­desrat Preineder: Das wird immer der Kunde zahlen!) – Genau!

Wir müssen also auch aufpassen, dass das Gesetz nicht dazu führt, dass unabhängige Anbieter Österreich und so weiter jetzt mit Bankomaten überfüllen, ja überschwemmen und dann der Konsument draufzahlt, egal, ob mit der All-inclusive-Variante oder erst mit der Abhebung. – Ja, genau so ist es.

Die KonsumentInnen würden dieses Service zwar dankbar annehmen, da es dann über­all diese Bankomaten geben würde, aber indirekt über immer höhere Pauschalgebüh­ren dafür wieder zur Kasse gebeten werden. – Ja, so ist es.

Trotz aller Kritik am Antrag werden wir zustimmen; aber ich muss auch sagen: mit Bauchweh. Ich habe ganz ehrlich wirklich Bauchweh bei der Sache. Wir müssen uns wirklich ganz intensiv anschauen, ob das Ganze nicht zum Gegenteil führen wird. Wir müssen auch ein Zeichen in Richtung der Banken schicken, ihnen die Rute ins Fenster stellen und sagen: Liebe Banken, jetzt müssen wir Klartext über diese Bankomatge­bühr reden.

Ich hätte dennoch wirklich auf eine Verschärfung des Gesetzes gehofft, damit am Ende nicht die Kunden irgendwie draufzahlen und die Banken ... (Bundesrat Schödinger: Er kriegts mit!) – Bitte? Bitte was? Na, wurscht! Wir werden dem Gesetz zustimmen, aber trotzdem ist bitte Vorsicht geboten. Wie gesagt wäre es ein komplett schöner, sauberer Schnitt gewesen, wenn wir wirklich ein Verbot von Bankomatgebühren und nicht so et­was gemacht hätten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.21


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun darf ich Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen. – Bitte.

 


13.21.26

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Hohes Haus! Gerade bei den Bankomatgebühren geht es darum: Wo findet Markt statt und wo findet Markt nicht statt?, und zwischen dem Kunden, der eine Bankomatabhebung tätigt, und dem Drittanbieter findet kein Markt statt; da gibt es kei­ne Marktposition. Wenn man will, dass Markt stattfindet, dann muss man Folgendes tun: Man muss den österreichischen Banken die Möglichkeit geben, mit Drittanbietern ins Ge­schäft zu kommen; und die müssen verpflichtet sein, da die Regeln zu machen. Genau das ermöglichen wir, indem die Bankomatgebühr nicht weiterverrechnet werden darf. Deshalb muss es zu einer Regelung zwischen Banken und Drittanbietern kommen – und mir ist es völlig egal, in welcher Höhe sich die Kosten dafür bewegen. Es geht mir darum, dass die Konsumentinnen und Konsumenten nicht benachteiligt sind.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 81

Wenn man über Arbeitsplätze redet, dann frage ich Sie: Wann waren Sie das letzte Mal in einer Bank? – Überall dort, wo die Bankomaten stehen, waren früher Arbeitsplätze. (Bundesrätin Posch-Gruska: Genau!) Es ist also genau das Gegenteil eingetreten. Ich sage es noch einmal sehr deutlich: Dass die Menschen zu ihrem Geld, das sie selbst sauer verdient haben, kommen, muss gebührenfrei sein. Ansonsten – und das ist mei­ne Auffassung – müssten die Betriebe das Geld wieder bar ausbezahlen; das will, glau­be ich, hier herinnen auch niemand.

Ich denke, es geht schon auch darum, wer die Regeln macht. Macht sie der Markt, müs­sen immer die Kunden zahlen oder schaffen wir Regelungen, wodurch die Banken eine Chance haben? Ich habe mich im Vorfeld dieser Regelung mit Spitzenkräften der ös­terreichischen Banken auseinandergesetzt. Die haben derzeit ein Modell entwickelt, das ich sehr vernünftig finde. Sie zahlen intern einen Ausgleich für die Kosten der Banko­matbetreuung – ich glaube, 48, 49 Cent –, den sie intern aufteilen. Wenn da die Drittan­bieter mitmachen wollen und müssen, dann ist das Problem geregelt. Der Herr Finanz­minister könnte das jederzeit in einem entsprechenden Gesetz regeln; das wollte er nicht. Mir ist es wichtig, dass die Konsumentinnen und Konsumenten geschützt werden, und das werden wir mit diesem Gesetz schaffen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

13.24

13.24.19

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.24.549. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird (2286/A sowie 9912/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 9 der Tagesord­nung.

*****

Ich gebe bekannt, dass Frau Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Pamela Rendi-Wagner aufgrund einer kurzfristigen Verhinderung Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger mit ihrer Vertretung beauftragt hat.

*****

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich bitte um den Bericht.

 


13.25.11

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Oktober 2017 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere, kurz Tier­schutzgesetz, geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 82

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schererbauer. – Bitte.

 


13.25.55

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Wir diskutieren heute den Beschluss des Na­tionalrates vom 4. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutz­gesetz geändert wird. Leider wurden an diesem Gesetz wieder nur kleine Reparaturen vorgenommen, die dringend notwendige Generalsanierung im Sinne des Tierschutzes wurde bedauerlicherweise nicht durchgeführt, weshalb wir diesem Antrag auch keine Zu­stimmung erteilen können.

Warum? – Im Mittelpunkt der Initiative soll die Anfang Juli 2017 in Kraft getretene und völlig verunglückte Gesetzesänderung des Verbotes zur Vermittlung von Tieren im In­ternet stehen. Das öffentliche Feilbieten von Tieren soll auch künftig an bestimmte Be­dingungen geknüpft sein. So muss das abzugebende Tier etwa ein Mindestalter von sechs Monaten oder Eckzähne haben. Dies ist laut Auskunft des Tierschutzvereins Ried im Innkreis äußerst kompliziert nachzuweisen. Amtsärzte sind bereits jetzt stark überfordert; weit und breit sind keine Eckzahnkontrolleure in Sicht. Eine Verbesserung der Vermittlungsmöglichkeiten von Vereinen ohne eigenes Tierheim in Österreich, die etwa Welpen aus den EU-Oststaaten retten und vermitteln, wurde ebenfalls nicht er­zielt.

Der illegale Hunde- und Welpenhandel muss dringend eingestellt werden; aber wie? – Ohne ausreichende Grenzkontrollen wird das ein ausgesprochen schwieriges Unter­fangen werden. Nach wie vor werden die Tiere zuhauf ohne gültige Pässe oder tierärzt­liche Untersuchung ins Land gebracht, und die sogenannten Kofferraumverkäufe boo­men mehr denn je. Alles, was nicht verkauft wird, sammeln die zumeist ehrenamtlich tätigen Vereine unter anderem von der Autobahn wieder ein.

Das taugliche Modell, das über das Anzeigeportal www.willhaben.at gemeinsam mit der Tierärztekammer gestaltet wurde, wurde in diesem Fall auch ignoriert. Onlineinse­rate, versehen mit einem tierärztlichen Gutachten, sind jedoch erlaubt. Tierschutzbewe­gungen wurden leider wieder nicht in die Gesetzesformulierung eingebunden.

Das Kastrationsrecht des Landes Oberösterreich, welches wie folgt lautet: Katzen, die keine Besitzer haben, werden vom Land Oberösterreich unter der Voraussetzung, dass die Tiere wieder an Ort und Stelle ausgesetzt werden können, kastriert, gechipt und tä­towiert, sollte in den Gemeinden meiner Meinung nach viel mehr publik gemacht wer­den. Die Kastrationspflicht muss kontrolliert werden und wenn nötig bei Nichteinhaltung Konsequenzen nach sich ziehen. Es herrschen oft katastrophale Zustände wie Inzucht, Krankheiten und so weiter.

Das gesetzliche Schlupfloch, eine Züchtung anzumelden und die Tiere nicht kastrieren zu müssen, wird zur Folge haben, dass sogenannte Züchter und Händler wie die Schwam­merl aus dem Boden schießen, denn auch da fehlt es an den nötigen Kontrollen.

Weiters fordern wir ein absolutes Schächtungsverbot in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.) Zur Information: Beim Schächten wird die Arteria carotis durchtrennt, sodass die Tiere ausbluten. (Ruf bei der FPÖ: Die armen Tiere!) Es wird damit argumentiert, dass die


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 83

Tiere durch diesen Vorgang schnell das Bewusstsein verlieren und somit keine Schmer­zen erleiden. Durch den Veterinärmediziner meines Heimatbezirks wurden wir infor­miert, dass alle Wiederkäuer, wie zum Beispiel Rinder, Schafe, Rehe, Hirsche und so weiter, über eine zweite Arterie, die Arteria vertebralis, die entlang der Wirbelsäule ver­läuft, verfügen, welche das Gehirn im Notfall mit Sauerstoff versorgt. Dies kann man sich wie so eine Art Notstromaggregat für das Gehirn vorstellen, das heißt, das Gehirn ist beim Schächten bei vollem Bewusstsein.

Reden sollte man auch über die Zustände in den Schlachthäusern, das Verbot des be­täubungslosen Schlachtens oder über Tierversuche in der chemisch-agrarischen Indus­trie. Man sieht, es gäbe jede Menge zu tun.

In diesem Zusammenhang, geschätzte Damen und Herren, möchte ich folgenden An­trag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der kleinen Tierschutzvereine“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, entsprechende le­gistische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Tierschutzgesetz, insbesondere der Tierschutzgesetznovelle 2017 einzuleiten, damit seriöse Tierschutzvereinen und Tier­schutzinitiativen weiterhin via Internet das Angebot und die Vermittlung von Tieren vor­nehmen können. Diesbezüglich sollen insbesondere die einschlägigen §§ 8a, 31 Abs 1 und 4 sowie 44 Tierschutzgesetz einer Neufassung im Sinne einer praxistaugliche Um­setzung im Sinne des Tierwohls abgeändert bzw. gänzlich neu formuliert werden.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.30


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Der von den Bundesräten Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schutz der kleinen Tier­schutzvereine“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächstem darf ich das Wort Herrn Bundesrat Novak erteilen. – Bitte, Herr Bundes­rat.

 


13.30.54

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten)|: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin Karmasin, die inzwischen gekommen ist! Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Kollege Schererbauer hat gesagt, dass im Grunde genommen mit den Tierschutzorganisationen nicht gesprochen wurde. Dem kann ich nur wider­sprechen, weil ich mich einmal mit Herrn Keck darüber unterhalten habe; er hat gesagt, es gibt in Österreich halt auch nicht nur den WTV, den Tierschutzverein in Wien, sondern es gibt viele andere auch.

Tatsache ist, dass dieses Gesetz im Nationalrat am Welttierschutztag beschlossen wor­den ist. Wir wissen, wie schon erwähnt, dass dieses Tierschutzgesetz, das im April die­ses Jahres kundgemacht wurde, das Ziel zu erreichen versuchte – da widerspreche ich Ihnen nicht –, den Internethandel von Tieren genauer und endlich klar zu regeln. Es ist auch novelliert worden. Im Vordergrund dabei stand aber wie immer das Wohl der Tie­re; das darf man dabei im Grunde genommen nicht vergessen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 84

Wir erinnern uns, dass es in der Vergangenheit oft genug vorgekommen ist, dass Hun­dewelpen aus verschiedensten Ländern unter schlechtesten Haltungsbedingungen und unter schlechter Behandlung importiert worden sind. Dieses Problem hat sich in der Ver­gangenheit, in den letzten Jahren, durch die Möglichkeit des Internethandels zuneh­mend wesentlich verschlimmert. Das Gesetz in der jetzigen, novellierten Fassung gibt uns eigentlich endlich die Handhabe, dieser schlimmen Praktiken Herr zu werden.

Dass es bei so einem Tierschutzgesetz immer wieder Novellierungen geben muss, ist schon klar und zeigt ja auch – das hast du selbst gesagt –, dass man viele dieser Din­ge wahrscheinlich auch nicht mit einem Gesetz wird ändern können, aber es wird in weiterer Folge sukzessive die Möglichkeit geben, das zu tun.

Diesbezüglich haben auch in den Ausschüssen zahlreiche Gespräche stattgefunden. Diese haben gezeigt, dass es einen Nachbesserungsbedarf bei diesem novellierten Tier­schutzgesetz gibt. Daher liegt heute dieser vor allem hinsichtlich der Weitergabe von Tieren durch Privatpersonen unter bestimmten Voraussetzungen, wie ich schon am An­fang erwähnt habe, verbesserte Gesetzesvorschlag vor.

Jetzt zum Antrag als solchem: Wir von der SPÖ werden diesen Antrag ablehnen, weil der Großteil des Geforderten in diesem Tierschutzgesetz geändert wird. Wir wissen aber auch, dass dieses evidente Problem, das angesprochen worden ist, zu lösen ist, und wir wissen auch, dass es im Gesetz eine Übergangsfrist gibt, die bis zum 13. Juli die Möglichkeit bietet, da Ausgleiche zu schaffen. Wir wissen auch, dass die Frau Bundes­ministerin diesbezüglich eine Tierschutzsonderverordnung machen will. Es ist auch so, dass das schon mehr oder weniger abgehandelt und die Tierschutzsonderverordnung auf den Weg gebracht worden ist, um zu einer Begutachtung zu kommen.

Wir sehen im Grunde genommen also, dass nicht alles auf einmal zu schaffen ist. Wenn dieser Verordnung in weiterer Folge schlussendlich auch zum Durchbruch verholfen wird, dann sollte dieses Tierschutzgesetz auch so sein, wie wir uns das vorstellen.

Klar ist aber, und das wurde diskutiert, dass die Hürden für alle Tierschützerinnen und Tierschützer so klein wie möglich und so gering wie möglich gehalten werden. Sie müs­sen aber genau so hoch wie nötig gehalten werden, um illegale Machenschaften oder Tierleid gleichermaßen zu verhindern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

13.35


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Sophie Karmasin herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


13.35.49

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Wir von den Grünen stimmen der Gesetzesvorlage nicht zu. Die heute vorlie­gende Novelle ist, das hat der erste Redner dieser Debatte auch gesagt, ein Repara­turgesetz zur letzten Novelle des Tierschutzgesetzes vom April.

In dieser letzten Novelle ist privaten Vereinen die öffentliche Vermittlung von Tieren verboten worden – vor allem auch im Internet –, wenn sie keine eigene Betriebsstätte beziehungsweise Haltung haben. Es hat dann von vielen Tierschutzvereinen einen ziem­lichen Aufschrei gegeben. Daraus resultiert eben diese heutige Gesetzesreparatur.

Die Reparaturnovelle stellt aber aus unserer Sicht keine Verbesserung dar. Sie berück­sichtigt die Vereine nicht, sondern will nur eine Vermittlung durch Privatpersonen zu­lassen. Sie ermöglicht einige Ausnahmen und sorgt dafür, dass wieder einzelne Perso­nen unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Tiere online vermitteln dürfen – in der


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 85

Theorie. Also die Theorie ist ja nicht so schlecht. (Heiterkeit des Bundesrates Preineder.) Ich weiß nicht, wie es in der Praxis funktionieren soll, wie das die Onlineplattformen über­prüfen sollen.

Aus unserer Sicht schafft das einfach irrsinnig viele Umgehungsmöglichkeiten, zum Bei­spiel für Welpenschmuggler und so weiter. Wir haben gemeinsam mit vielen Tierschutz­vereinen eine Lösung erarbeitet, die diesen Fehler sanieren soll. Das haben meine Kol­legInnen als Antrag im Nationalrat eingebracht, das ist leider im Nationalrat abgelehnt worden. Der Antrag der FPÖ lautet fast gleich, zielt in dieselbe Richtung, deswegen werden wir dem auch gerne zustimmen.

Unser Zugang wäre gewesen, dass wir das Onlinefeilbieten wieder dorthin zurückge­ben, wo es auch schon einmal war, nämlich zu den Tierschutzinitiativen und den Tier­schutzvereinen. Einzelpersonen können dann wieder über diese gut arbeitenden Ver­eine agieren, sodass in Notsituationen die Tiere eben an den Mann oder an die Frau gebracht werden können. Zum Beispiel können dann zugelaufene Tiere, die man nicht selbst behalten kann, an eine professionelle Tierschutzorganisation weitergegeben wer­den.

Das war vor der vorangegangenen Novelle so, und da sollten wir uns auch wieder hin­bewegen. Das würde der privaten Vermittlung durch Einzelpersonen, die komplett un­kontrolliert und unkoordiniert ablaufen würde, eben durch diese Tierschutzvereine, die da quasi die Qualitätskontrolle durchführen, sozusagen einen Filter vorschieben. Die Ver­mittlungsmöglichkeit wäre dadurch aber prinzipiell auch weiterhin gewährleistet. Der jet­zige Gesetzentwurf ist einfach keine gute Lösung, und dem können wir nicht zustimmen.

Abgesehen von dieser Novelle – der Vorredner hat eh schon viele Punkte angespro­chen – sind laut Tierschutzgesetz zum Beispiel immer noch das Schreddern von Kü­ken, die Kastration von Ferkeln ohne Schmerzausschaltung, Tiertransporte von bis zu 10 Stunden möglich, und es gibt gerade bei der Anbindehaltung noch viel zu viele Aus­nahmemöglichkeiten. In Österreich ist im Tierschutz noch irrsinnig viel zu verbessern.

Wir Grüne werden im Nationalrat nicht mehr vertreten sein, aber wir werden uns wei­terhin für einen besseren Tierschutz in Österreich einsetzen. Darauf könnt ihr euch ver­lassen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

13.38


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Tiefnig das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.39.00

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin überzeugt, Österreich hat das schärfste Tierschutzgesetz der Welt (Bundesrat Schennach: Das stimmt nicht! Nicht so übertreiben!), und es soll auch so sein, denn der Schutz der Tiere steht auch bei uns in der ÖVP an erster Stelle. Mit dieser Novelle schaffen wir eine Verbesserung im Onlinehandel.

Die Tierschutzorganisationen sind zwar nicht so eingebunden, aber im Endeffekt ist auch in der Vergangenheit im Onlinehandel sehr viel geschehen, auch durch Tierschutzor­ganisationen. Es sind Welpen, Hunde oder Katzen aus Drittländern organisiert nach Eu­ropa gekommen. Jetzt ist die Möglichkeit gegeben, dass man dementsprechend zu­mindest in der Registrierung schon das Herkunftsland nachvollziehen kann. Somit wird eine dementsprechende Sicherheit gegeben, dass dieses Tier nicht mit irgendeiner Krank­heit behaftet ist.

Der Handel auf Autobahnen wird trotz des schärfsten Gesetzes möglich sein. Das ist illegal, ist strafbar, und wir werden das auch mit dem besten Tierschutzgesetz und mit


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 86

den besten Verfolgungsmöglichkeiten nicht einschränken können. Wir wissen, es wer­den wieder Schlangen ausgesetzt, es werden wieder Leguane ausgesetzt, man findet wieder Krokodile in Gewässern. Diese dürfen nicht gehandelt werden, aber man findet sie trotzdem in Österreich. Daher halte ich diese Novellierung für richtig.

Lieber Herr Kollege Schererbauer, es sind sicherlich einige Punkte bei deinem Ent­schließungsantrag dabei, die hier auch angesprochen worden sind, aber im Ganzen ge­sehen werdet ihr wahrscheinlich in der nächsten Regierung vertreten sein – mit wel­chem Koalitionspartner auch immer, die Verhandlungen werden es ergeben –, und dann könnt ihr ja sehr viel für ein neues und besseres Tierschutzgesetz bewirken.

In diesem Sinne werden wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. Der Ände­rung des Tierschutzgesetzes aber werden wir die Zustimmung geben. – In diesem Sin­ne: Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

13.41

13.41.02

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Schutz der kleinen Tierschutzvereine“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

13.41.5210. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betreffend Vereinbarung ge­mäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots (1776 d.B. so­wie 9911/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf dem Herrn Sozialminister fürs Kommen herzlich danken und ihm alles Gute wünschen.

Berichterstatter zu Punkt 10 ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um den Bericht.

 


13.42.20

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Fa­milie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2017 betref­fend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung ge­mäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsange­bots.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Ok­tober 2017 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 87

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf als erster Rednerin Frau Bundesrätin Hackl das Wort erteilen.

 


13.43.06

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie! Es ist ein freudiger Tag für die Kinder in Österreich, für die Familien, aber auch für die Gemeinden, für die Länder und vor allem für die Damen und Herren, die sich auf Bundesebene für die Kinder einsetzen, nämlich für das Wohl, für die Betreuung und für die Bildung unserer Kinder.

Die Artikel-15a-Vereinbarung über den Ausbau der Kinderbetreuung wird nämlich fort­geschrieben. Zu investieren fängt man immer zu Beginn an, deshalb ist es das Wich­tigste, am Start des Lebensweges eines Kindes anzufangen. Kinder sind nicht nur un­sere Zukunft, sie sind auch unsere Gegenwart. Wir müssen für die Kinder und deren Eltern das bestmögliche Betreuungsangebot bieten, auch eine Qualitätsverbesserung wie kleinere Betreuungsschlüssel und kleinere Kindergruppen, aber nicht durch Zwang, sondern wie es der Kindergarten einteilen möchte.

Die Artikel-15a-Vereinbarung hat natürlich maßgeblich dazu beigetragen, dass es zu einer Qualitätssteigerung kommt. Seit der Artikel-15a-Vereinbarung 2008 bis 2014, als der Bund 85 Millionen € investierte, hat er von 2014 bis 2017 die Summe von 305 Mil­lionen € für die Länder zur Verfügung gestellt.

Das Burgenland erhielt laut dieser Vereinbarung bis 2017 rund 9 Millionen €. Das ist für uns sehr wichtig. Mit diesen Fördergeldern können wir die Betreuung unserer Kinder seitens der Gemeinden sicherstellen. Es freut mich auch sehr, dass Frau Bundesmi­nister Karmasin einen Entwurf für eine Verlängerung der Artikel-15a-Vereinbarung zum Ausbau der Kinderbetreuungsplätze vorgelegt hat.

Der Schwerpunkt der Förderung liegt auch im nächsten Jahr wieder bei den Kleinkin­dern. Wie bisher sind auch weiterhin 65 Prozent der Mittel für die Null- bis Dreijährigen reserviert. Ein weiterer wichtiger Fokus liegt auf den Öffnungszeiten. Weiters soll in die Qualität der Betreuung investiert werden, damit auch mehr KindergartenpädagogInnen beschäftigt werden können.

Eines möchte ich unbedingt noch sagen und auch einen Dank aussprechen: Die hohe Betreuungsquote und -qualität ist vor allem ein Verdienst der Gemeinden. Sie sorgen für ein flächendeckendes und leistbares Kinderbetreuungsangebot. Ich glaube, jede Bür­germeisterin/jeder Bürgermeister weiß, was für die einzelnen Kinder und für die Kinder in der Gemeinde wichtig ist. Als Mutter habe ich in den Neunzigerjahren vom Kinder­garten Gebrauch gemacht und weiß, wie viel sich in diesen Jahrzehnten bewegt hat – es waren Meilensteine.

Ich darf Danke sagen, Frau Minister, für das ganze Herzblut, das Sie hineinstecken. Wir werden selbstverständlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort. – Bitte.

 


13.46.45

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Bevor ich zu diesem Gesetz spreche, möchte ich mich noch bei den Freiheitlichen recht herzlich da­für bedanken, dass sie beim Notstandshilfegesetz mitgestimmt haben. Das habe ich in


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 88

meiner Rage beim Reden gleich ganz vergessen. Ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir dieses Gesetz gemeinsam beschlossen haben! (Zustimmendes Nicken bei Bundes­räten der FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Tu nicht so viel schleimen!) – Nein, ich schlei­me nicht, ich meine das ernst. Wenn ich matschker, dann matschker ich ja auch. So bin ich sowieso, aber diesen Dank meine ich wirklich ernst. (Bundesrat Schennach: So wie Bürgermeisterinnen halt sind!)  So wie wir sind, ja.

Dieses Gesetz – meine Vorrednerin Marianne hat es schon gesagt – ist zu begrüßen. Dieses Gesetz hilft uns in den Gemeinden, in den Ländern sehr viel, und vor allem für uns als Länderkammer ist es natürlich sehr schön, wenn wir diese weitere Vorgangs­weise für den Ausbau beschließen können.

Es war am 22. Juni dieses Jahres, als wir hier im Rahmen einer Dringlichen Anfrage genau darüber diskutiert haben, dass es für die Gemeinden sehr schwierig ist, wenn wir keine Planungssicherheit haben, da in den Gemeinden das Budget kalenderweise und nicht nach dem Schuljahr beschlossen wird. Daher war das für die Gemeinden et­was schwierig. Aber es ist sehr schön, dass das jetzt gelungen ist – Kollegin Kern ist jetzt nicht da –, übrigens auch drei Tage vor der Wahl.

Dieses Gesetz kostet sicherlich sehr viel mehr als das Gesetz zur Notstandshilfe, über das wir vorher geredet haben. – Das war vorher ein Kritikpunkt.

Ich bin sehr froh, da wir diesem Gesetz schon länger hinterherlaufen und Angst hatten, dass es ausläuft.

Was für uns inhaltlich natürlich wichtig ist, ist, dass wir diese neuen Betreuungsplätze geschaffen haben. Seitdem es diese Ausbauoffensive gibt, sind insgesamt 65 000 neue Plätze für unsere Kinder geschaffen worden. Es wurde die Betreuungsquote erhöht und sie steigt ständig an. Das ist ein sehr positiver Effekt.

In den Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es längere Öffnungszeiten, was sehr wich­tig ist, damit wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch wirklich leben können und da nicht nur ein verbales Bekenntnis von uns geben.

Frau Minister, ich möchte mich sehr, sehr herzlich bei Ihnen für dieses Gesetz be­danken, auch für die Initiative, die Sie immer wieder gesetzt haben, und dass Sie nicht lockergelassen haben, sodass wir eigentlich sehr viel umsetzen konnten.

Es steht aber noch einiges bevor, das zu tun ist. Wir haben im Ausschuss die Infor­mation bekommen, dass der weitere Ausbau bis August 2018 diskutiert wird. Das heißt, wenn die Gemeinden wissen, dass es bis August 2018 die Förderungen weiterhin gibt, dass weiter gefördert wird, haben wir natürlich auch die Hoffnung, dass wir den Ausbau auch bekommen und die neue Regierung nichts anderes vorhat.

Es soll bei diesem Ausbau aber auch über die sprachliche Frühförderung und auch über den Gratiskindergartenplatz diskutiert werden. Das heißt, all das steht in der Arti­kel-15a-Vereinbarung an. Überall dort müssen wir uns für unsere Kinder, für die Rechte unserer Kinder, aber auch für unsere Familien stark machen, damit diese auch wissen, dass die Kinder wirklich gut aufgehoben sind.

Wir brauchen dieses zweite Gratiskindergartenjahr unbedingt. Das, was wir österreich­weit brauchen, ist der Qualitätsrahmen, der ja schon sehr oft diskutiert wurde. Ein ein­heitlicher Qualitätsrahmen für die Betreuung unserer Kinder ist natürlich auch sehr wich­tig. Wir brauchen unbedingt für jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kindergar­tenplatz. Ich weiß, wie schwer es ist, ich bin selbst Bürgermeisterin. Es ist nicht ein­fach. Ich rede nicht davon: Ein Klacks, und das machen wir dann.

Ich rede aber davon, dass es für die Kinder und die Familien notwendig ist, dass sie sich darauf verlassen können. Dafür, denke ich, sind wir als Politikerinnen und Politiker


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 89

da, dass wir den Menschen das Gefühl geben, dass sie sich auf uns verlassen können und dass wir die entsprechenden Handlungen setzen.

Ich freue mich sehr, wenn wir dieses Gesetz jetzt gemeinsam beschließen. Ich freue mich noch mehr, wenn der Ausbau weitergeht, Sie alle haben ja schon Ihr Herzblut da hineingelegt.

Ich danke Ihnen auch, da Sie sich ja eigentlich heute von uns verabschieden. Ich dan­ke Ihnen für die Initiativen, die Sie für die Familien schon gesetzt haben. Ich denke, dass in Ihrer Amtszeit sehr viel im Bereich der Familien weitergebracht wurde, sehr viel weitergegangen ist, auch wenn wir oft anderer Meinung waren. Die Väterbeteiligung hätte ich natürlich noch viel mehr gefördert, aber es geht eben nicht immer so, man muss sich nach der Decke strecken. Ich möchte mich aber sehr für Ihren Einsatz be­danken, denn ich glaube, dass die österreichischen Familien schon sehr davon profi­tiert haben. Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.51


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Samt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.51.29

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie und zu Hause vor dem Livestream! Wir diskutieren heute die Verlängerung der Artikel-15a-Vereinbarung, der wir – das hat ja die Vorrednerin schon vorweggenommen – zustimmen werden.

Wir stimmen auch dem zu, dass es eine Kofinanzierung der Länder über 35 Prozent geben wird. Wir erkennen daran, dass auch im kommenden Jahr die Förderung der bis zu Dreijährigen im Vordergrund steht, da – das weiß ich auch aus meiner Arbeit als Gemeindevorstandsmitglied in meiner Heimatgemeinde – in diesem Bereich akuter Hand­lungsbedarf besteht.

Wir wissen, dass in den Gemeinden vor allem der Bedarf an Kinderkrippenplätzen da ist. Wir wissen auch, dass es einen hohen Druck in Richtung Tagesmütter gibt. Wenn mit diesen Mitteln der qualitative Ausbau dieser Kinderbetreuungsangebote gegeben ist, dann ist das für uns auch eine klare Sache, dass wir dem zustimmen.

Dennoch möchte ich hier etwas deponieren: Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass mit diesen auf uns zukommenden Aufgaben, nämlich Ausbau und Erweiterung der Kinderbetreuungsplätze, auch große finanzielle Herausforderungen in den Gemein­den entstehen. Ich glaube, jeder, der in einer Gemeinde tätig ist und den Rechnungs­abschluss sinnerfassend lesen kann, wird erkennen, dass wir in den Gemeinden neben den Sozialhilfeausgaben die größten Abgänge bei der Kinderbetreuung haben.

Ich kann Ihnen mitteilen, dass zum Beispiel in meiner Heimatgemeinde im Jahre 2012 eine Kinderkrippe gebaut wurde, damals auch schon mit den Mitteln, die vom Bund ge­kommen sind, und praktisch hat 50 Prozent der Gesamtkosten die Gemeinde mitfinan­ziert. – Na ja! Schaut man sich das jetzt an und bricht das bei uns auf die Kinderkrippe herunter, dann stellt man fest: Mit 26 Kindern haben wir eine ausgelastete Kinderkrip­pe, die nicht mehr ausbaufähig ist, das heißt, wir müssen eine neue bauen, finanzie­ren; aber das sind bereits – heruntergebrochen auf den Abgang rein im Kinderkrippen­bereich – fast 1 000 € pro Kind über die Gemeinde. Ich glaube, Sie verstehen, wenn ich sage, dass da Herausforderungen auf uns zukommen. Selbst wenn wir es hoch för­dern und dankenswerterweise wieder vom Bund diese Zuschüsse kommen, werden wir schön langsam an die Grenzen der Möglichkeiten der Gemeinden stoßen.

Ich möchte relativieren, wenn Kollegin Posch-Gruska sagt, wir müssen weiterarbeiten, um einen Rechtsanspruch für einen, so vermute ich, kostenlosen Ganztageskinder-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 90

platz für jedes Kind in Österreich ab dem vollendeten ersten Lebensjahr oder für das zweite verpflichtende kostenlose Kindergartenjahr zu realisieren. Geschätzte Damen und Herren, Sie müssen mir erklären, wie die Gemeinden das finanzieren sollen! (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Die werden nämlich übrigbleiben; die bleiben ja tatsächlich zu einem hohen Maß über.

Wir arbeiten in den Gemeinden – ich glaube, das kann ich schon sagen  im überwie­genden Maße sehr effizient, aber das wird praktisch irgendwann nicht mehr finanzier­bar sein. Deswegen werden wir – das sage ich hier auch ganz deutlich – diesen weite­ren Bestrebungen, diesen Ideen doch zumindest einmal vordergründig unsere Zustim­mung nicht geben können, da wir noch nicht klar sehen, wie das Ganze finanziert wer­den soll.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir darüber noch nachdenken sollten, ob das sozialdemokratische Weltbild, von der Wiege bis zur Bahre – dass man ein Kind sozu­sagen ab dem ersten Lebensjahr weggibt und das Lebensende in einem Pflegeheim stattfindet –, tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist. Das ist ein ganz entscheiden­der Punkt. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir damit ja auch die Kindererziehung aus dem Elternhaus geben. Die Kindererziehung wird in Zukunft offensichtlich nicht mehr zu Hause stattfinden (Bundesrat Stögmüller: Ich habe gedacht, ihr stimmt zu?!), son­dern in irgendeiner Institution. Das können wir zumindest noch gerne mit euch disku­tieren.

Das Problem ist ganz eindeutig: Immer mehr Kinder werden offensichtlich in Zukunft in der Situation sein, dass beide Eltern arbeiten müssen, um sich das Leben leisten zu kön­nen. Unter diesen Bedingungen, glaube ich, sollten wir darüber doch sehr genau nach­denken.

Wir glauben also, dass das nicht der richtige Weg ist, er ist auch gesellschaftspolitisch sehr bedenklich. Wir sind der Meinung, dass wir – das ist auch ein Thema, das die Ge­meinden betreffen wird – neben der Tagesmutter und neben der Kinderkrippe eine wei­tere Wahlmöglichkeit, eine echte Wahlmöglichkeit anbieten sollten, die Eltern die Mög­lichkeit bietet, selbst zu entscheiden, ob der eine oder der andere Elternteil zu Hause bleiben und das Kind in den ersten Jahren betreuen will. Sie kennen vielleicht dieses – für viele ein Gespenst – sogenannte Berndorfer Modell. (Bundesrätin Kurz: Na geh, bitte!)

Dabei ist es ganz eindeutig so, dass die Gemeinde einen gewissen Anteil an der Kin­derbetreuung, den sie ja sowieso über die Kinderbetreuungseinrichtung leisten muss, direkt an die Eltern auszahlt. Die Pilotprojekte dazu laufen, auch in der Steiermark wird es das demnächst geben. Ich glaube, dass jeder Bürgermeister, der rechnen kann, dem ganz sicher in Zukunft nötigenfalls auch etwas wird abgewinnen können. (Bundesrätin Kurz: Es geht aber nicht um die Bürgermeister, sondern um die Kinder!)

Der Schlusspunkt dazu ist, dass es dafür natürlich auf Bundes- und Landesebene Kofi­nanzierungen braucht. Da gibt es Ideen, die in Richtung Drittellösungen gehen. Ich glau­be, dass es auch eine Aufgabe für die kommende Regierung sein wird, entsprechende Maßnahmen und Möglichkeiten umzusetzen.

Von unserer Seite gibt es somit eine Zustimmung für diesen heutigen Gesetzesbe­schluss zur Weiterführung der Artikel-15a-Vereinbarung. Heute müssen wir aber nach­denken für morgen. Danke schön. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der SPÖ so­wie des Bundesrates Hammerl.)

13.58


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 91

13.58.31

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Ja, wir stimmen der Artikel-15a-Vereinbarung natürlich zu, denn immerhin ist damit das nächste Jahr abgesichert.

Es gibt aber viele Kritikpunkte, die noch offen und zu erledigen sind. Auch meine bei­den Vorredner haben es schon angesprochen: Es wäre extrem wichtig gewesen, den Ausbau gleich für mehrere Jahre abzusichern. Es ist jetzt wieder nur für ein Jahr si­cher, es gibt noch keine Regierung, die daran weiterarbeitet. Es muss Priorität haben, gleich daran zu arbeiten zu beginnen, um ein bisschen Planbarkeit zu haben.

Es gibt auch noch sehr viele andere offene Baustellen. Es gibt wieder keine Einigung beziehungsweise eine Verschiebung auf 2018 darüber, dass beim bundesweiten Quali­tätsrahmen etwas weitergeht. Es gibt wieder kein zweites verpflichtendes Kindergarten­jahr, es gibt wieder keine Umstellung der Finanzierung in Richtung Aufgabenorientie­rung. (Präsident Mayer übernimmt den Vorsitz.)

Da muss ich dem Kollegen Samt zustimmen: Es dürfen nicht die Gemeinden alleine darauf sitzenbleiben. Es muss ein öffentliches Interesse an einer bestmöglichen flächen­deckenden Versorgung mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten geben, da dürfen nicht die Gemeinden alleine darauf sitzenbleiben.

Es gibt keine finanzielle Sicherheit für alle drei Artikel-15a-Vereinbarungen, die in den nächsten Jahren noch anstehen. Da gibt es auch noch gar nichts dazu, aber genau das ist es, was eigentlich gebraucht würde.

Für die Gemeinden ist es teilweise eine Zumutung, so zu arbeiten. Es braucht finan­zielle Sicherheit, es braucht Verlässlichkeit, es braucht verlässliche Rahmenbedingun­gen, um weiter an einem guten Angebot für Kinderbetreuung arbeiten und dieses pla­nen zu können. Eine gute Kinderbetreuung ist extrem wichtig für die Entwicklung unse­rer Kinder, für die Integration aller Kinder – vor allem in den ländlichen Regionen –, für die Mütter und Väter, für die Wiederintegration vor allem von Müttern in den Arbeits­markt, gegen den Gender Pay Gap.

Ich werde nicht noch weiter darauf eingehen, denn es ist schon ganz viel darüber ge­sagt worden, woran es weiterzuarbeiten gilt. Wir Grünen werden nicht mehr im Natio­nalrat vertreten sein, aber wir werden uns weiterhin für die Kinder in Österreich einset­zen, darauf könnt ihr euch verlassen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

14.01


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Stöckl-Wolkerstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


14.01.10

Bundesrätin Angela Stöckl-Wolkerstorfer (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidi­um! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir heute zum Wohle unserer Kinder einen gemeinsamen Beschluss fassen können, nämlich dass der quantitative und qualitative Ausbau des Kinderbildungs- und -betreu­ungsangebotes bis 2018 finanziell gesichert ist. (Bundesrat Lindinger: Was heißt hier gemeinsam?!) Der Bund stellt weitere 52,5 Millionen € zur Verfügung, und wahrlich kann damit die größte Ausbauoffensive in der Kinderbetreuung als gesichert gelten.

Als Mutter von drei Töchtern weiß ich, wie schwierig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für uns Frauen noch immer ist. Es ist nicht einfach, Kinder, Familie, Beruf und Haushalt unter einen Hut zu bringen. Darum bin ich einerseits froh, dass wir heute die­se Artikel-15a-Vereinbarung wieder verlängern, ich füge andererseits allerdings hinzu: leider nur bis 2018. Da wird es weiteren Bedarf geben.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 92

Seit 2008 unterstützt der Bund nun schon den Ausbau der institutionellen Kinderbe­treuung und hat seither 390 Millionen € investiert. Die Länder haben das zusätzlich mit 235 Millionen € kofinanziert. Somit konnte das Barcelona-Ziel für die Drei- bis Sechs­jährigen erreicht und die Betreuungsquote der unter Dreijährigen verdoppelt werden. In meiner Heimatstadt Baden haben wir das Barcelona-Ziel auch für die Betreuung der unter Dreijährigen bereits erreicht. Niederösterreich ist, was die Kinderbetreuung anbe­langt, sowieso Vorreiter. Nicht umsonst wird Niederösterreich oft als das Familienland bezeichnet. Aber eines sei heute auch gesagt: Wenn es um unsere Kinder und Fami­lien geht, dann funktioniert Gott sei Dank die Zusammenarbeit zwischen Bund, Land und Gemeinden hervorragend. (Bundesrätin Ebner: Das stimmt!)

Es ist dies sicherlich auch dem unermüdlichen Einsatz unserer Familienministerin So­phie Karmasin zu verdanken. Danke, dass du den Weg mit so viel Einsatz und so viel Engagement für unsere Familien gegangen bist! Das Ziel war für dich immer, Öster­reich bis 2025 zum familienfreundlichsten Land Europas zu machen. Wir sind viele gu­te Schritte vorwärtsgegangen und noch immer auf dem richtigen Weg. (Bundesrat Stög­müller: Und was soll das dann in Oberösterreich?)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Familien wollen sich immer gemeinsam etwas schaffen: Grund erwerben, ein Haus bauen und so weiter. Da ist die erwerbstätige Frau stark gefordert, und da bedarf es der Unterstützung im Bereich der Kinderbetreu­ung, genauso wie bei einer alleinerziehenden Mutter, die im Supermarkt an der Kassa sitzt und sich um ihre Kinder sorgt.

Wir Frauen haben dank unserer Eltern eine gute Ausbildung erhalten, und unsere Kin­der, unsere Töchter erhalten diese heute ebenfalls. Die Wirtschaft, die Arbeitswelt braucht uns Frauen, sie braucht unsere Erfahrung, unsere Empathie und unsere Management­qualitäten. Wir Politiker sind daher gefordert, gemeinsam die Herausforderungen im Kin­derbetreuungsbereich zu meistern und obendrein die Qualität abzusichern.

Vieles durften wir in den letzten Jahren für unsere Familien und unsere Kinder be­schließen. Ich denke da an das Kinderbetreuungsgeldkonto, die monatliche Auszah­lung der Familienbeihilfe, das dritte verpflichtende Kindergartenjahr, die Gratis-HPV-Impfung für Kinder und so weiter. Das sind alles zusätzliche Errungenschaften. Danke, Frau Ministerin, liebe Sophie für alle diese Initiativen. Ich darf dir von meiner Seite und seitens unserer Fraktion alles erdenklich Gute für deine Zukunft wünschen, und wir versichern dir, dass wir in deinem Sinne für unsere Kinder und Familien weiterarbeiten werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.05


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindner. – Bitte.

 


14.05.30

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon sehr viel über die Artikel-15a-Vereinbarung gehört, und ich möchte deshalb den Bogen etwas weiter spannen, aber auf aktuelle Ereignisse eingehen.

Es ist, glaube ich, unbestritten – und das haben alle meine VorrednerInnen bestätigt –, dass in den letzten Jahrzehnten in Österreich wirklich sehr viel in den Kinderbetreuungs­bereich investiert wurde. Zehntausende neue Betreuungsplätze wurden geschaffen, wir verzeichnen eine starke Steigerung bei der Betreuung der unter Dreijährigen, und auch die Ausbildungsqualität bei den Pädagoginnen und Pädagogen wird laufend verbes­sert. Aber sicher macht eben nur der internationale Vergleich, und bei allem berechtig­ten Lob sind wir bei der Elementarbildung im internationalen Vergleich nach wie vor zu sparsam.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 93

Österreich gibt circa 0,65 Prozent des BIP für die Elementarbildung aus, im OECD-Durchschnitt sind es 0,93 Prozent. Schauen wir ein paar Jahrzehnte zurück: 1980 wa­ren wir bei den Ausgaben für die Kinderbetreuung auf dem sechsten Platz im interna­tionalen Ranking, 2008 waren wir nur mehr auf Platz 25 und ein paar Jahre danach auf Platz 13. Dieser Abstieg ist erfolgt, obwohl sich in Österreich seit 1980 die Ausgaben für die Kinderbetreuung mehr als verdoppelt haben. Der einfache Grund ist, dass in an­deren Ländern die Ausgaben einfach viel, viel stärker gestiegen sind – in Deutschland zum Beispiel um das Vierfache, in Frankreich um das Fünffache. Im internationalen Ver­gleich zeigt sich aber auch, dass dort mehr investiert wurde, wo die Kinderbetreuungs­einrichtungen auch als Bildungseinrichtungen eingeordnet sind, wo sie zum Beispiel in einem Bildungsministerium angesiedelt sind. Für mich sind Kinderbetreuungseinrich­tungen Bildungseinrichtungen wie Schulen – ohne Druck, ohne Stress bieten sie die Möglichkeit, Chancen zu entdecken, Talente zu fördern, und die Kinder können gemein­sam mit AlterskollegInnen eine schöne Entwicklung erleben.

Frau Bundesministerin! Wir können zu Recht stolz auf eine Steigerung der Betreuungs­quote der unter Dreijährigen sein, aber man muss schon auch dazusagen, dass in Ös­terreich noch 21 000 Plätze fehlen, um das Barcelona-Ziel zu erreichen, und dass diese 28 Prozent Betreuungsquote ein Durchschnittswert über ganz Österreich sind. Wenn man sich den Bundesländervergleich anschaut, dann schaut vieles gleich nicht mehr so rosig aus: Wenn Wien 44 Prozent Betreuungsquote schafft, wenn das Burgen­land 30 Prozent Betreuungsquote schafft, wenn Vorarlberg und Tirol zumindest 24 Pro­zent schaffen, dann, muss ich ganz ehrlich sagen, frage ich mich wirklich, wie es sein kann, dass Oberösterreich nur mickrige 15,4 Prozent schafft. Da muss man auch wie­der dazusagen: Linz liegt bei 62 Prozent, Linz Land bei 30 Prozent, aber in ganz, ganz vielen Bezirken im ländlichen Bereich liegen die Werte deutlich unter 10 Prozent.

Da frage ich mich: Ist das eine bewusste Verweigerung? Ist das eine ideologisch mo­tivierte Verweigerung der zuständigen Landesregierungsmitglieder in Oberösterreich? Das macht mich als betroffenen zweifachen Familienvater in Oberösterreich enorm zor­nig, denn Eltern haben es sich verdient, unabhängig vom politischen Willen einzelner Entscheidungsträger in der Gemeinde oder auf dem Land zu sein.

Ich kann Ihnen ein Beispiel aus einer Mühlviertler Gemeinde erzählen. Da wurden zehn Kinder unter drei Jahren für den Kindergarten angemeldet, sechs davon wurden abge­lehnt, weil es in dem Ort nur eine alterserweiterte Gruppe gibt. Das ist für die sechs betroffenen Familien schon ärgerlich genug, aber lassen Sie sich das Argument des ÖVP-Bürgermeisters auf der Zunge zergehen! Der hat gesagt: Diese sechs Mütter sind eh beim zweiten Kind daheim, die sind in Karenz, das ist kein Betreuungsbedarf, son­dern das ist ein Betreuungswunsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse mir von einem ÖVP-Bürgermeister nicht sa­gen, was Wunsch oder was Bedarf ist, sondern das sagen wir Eltern. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Längle.) Da spüre ich nichts von neuer Zeit oder Veränderung, das ist für mich ganz, ganz alte Politik. Es sprechen viele immer von der Wahlfreiheit. Wahlfreiheit ja, die Familien sollen entscheiden! Die Familien sollen ent­scheiden, wann sie ihr Kind in den Kindergarten geben, aber dann muss es auch wirk­lich in jeder Gemeinde die Möglichkeit dazu geben, und dafür brauchen wir den Rechts­anspruch auf Kinderbetreuung.

Das war jetzt eine Forderung für die Zukunft, aber auch in der Gegenwart graut mir schon von einigem, was da auf uns zukommt. Oberösterreich war 2009 Vorreiter mit dem Gratiskindergarten ab dem 30. Lebensmonat. Man hat sich damals auf Druck der SPÖ – interessanterweise drei Monate vor der Landtagswahl; das sei gesagt, weil heu­te zum Thema Wahlzuckerl schon einiges gesagt wurde – entschlossen, in Oberöster­reich den Gratiskindergarten einzuführen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 94

Ich darf die damalige ÖVP-Landtagspräsidentin Angela Orthner zitieren, die zu diesem Projekt sagte: „Es ist ein Projekt für die Bildung, ein Zukunftsprojekt für unsere Kinder; es ist ein Entlastungspaket für unsere Familien [...]; es ist ein Paket, das Arbeitsplätze schafft und sichert, und es ist letztendlich ein Zukunftsprojekt für eine bessere Inte­gration von Kindern in der Gemeinschaft. Das alles ist der Gratiskindergarten.“

Das wird in Oberösterreich jetzt mit Anlauf zu Grabe getragen. Die schwarz-blaue Lan­desregierung in Oberösterreich hat angekündigt, für den Nachmittagskindergarten wie­der Elternbeiträge zwischen 70 und 95 € einzuführen, und zwar mit den Worten: Der Kindergarten leistet am Vormittag eh schon die wichtige Bildungsfunktion. Da frage ich mich schon, liebe KollegInnen: Diejenigen, die flexible Arbeitszeiten verlangen, und diejenigen, die dann die Gebühren für die Kinderbetreuung am Nachmittag einführen, sind aber schon dieselben, oder? Für mich – und das kann ich mir wirklich nicht ver­kneifen – ist das eine zynische Politik, eine Belastungspolitik auf dem Rücken der be­troffenen Familien in Oberösterreich, und das alles für eine riesige Einsparung von 13 Mil­lionen € bei einem Landesbudget von 5,5 Milliarden €!

Und auch da, lieber Klaus, erkenne ich nichts von einer neuen Zeit und einer Verän­derung. Das ist ganz, ganz alte Politik. (Zwischenrufe der Bundesräte Fürlinger und Tiefnig.) Das will ich eigentlich alles gar nicht wahrhaben. Wir sollten über den Rechts­anspruch auf Kinderbetreuung diskutieren, über den Rechtsanspruch auf den Papamo­nat, über das Qualitätsrahmengesetz. Was in Oberösterreich passiert, ist reaktionäre, rückschrittliche Familienpolitik, die wir im Jahr 2017 wirklich nicht mehr brauchen kön­nen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.11


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Karmasin. – Bitte, Frau Minister.

 


14.11.54

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir die größte Ausbauoffensive des Bundes, die es je gab, jetzt mit 52,5 Millionen € noch um ein Jahr verlängern konnten. Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei Hans Jörg Schelling, der dies im letzten Moment noch ermöglicht hat. Wir wissen alle, dass das eine durchaus angespannte Zeit war. Wir konnten uns aber über diese Verlänge­rung einigen, die, glaube ich, sehr, sehr sinnvoll ist, weil wir in dieser Periode – in den letzten zehn Jahren, möchte ich sagen – fast 70 000 neue Plätze geschaffen haben.

Wie schon erwähnt, stieg die Betreuungsquote kontinuierlich an – wir sind mittlerweile bei 28 Prozent angelangt, das ist wirklich erfreulich –, aber wir sind noch nicht am En­de, deswegen brauchen wir nicht nur diese Verlängerung der 15a-Vereinbarung son­dern ein großes Gesamtpaket, das mit Herbst nächsten Jahres finalisiert werden soll.

Warum haben wir das nicht gleich gemacht sondern erst mit Oktober oder eigentlich August nächsten Jahres? – Weil dann verschiedene andere 15a-Vereinbarungen aus­laufen, nämlich erstens jene hinsichtlich Sprachförderung und zweitens jene hinsicht­lich verpflichtendes Gratiskindergartenjahr, die mit Herbst nächsten Jahres ausläuft. Wir wollen diese drei 15a-Vereinbarungen inklusive Ausbau bündeln, um ein gutes großes Gesamtpaket schnüren zu können, mit dem die Länder und die Gemeinden dann lang­fristig arbeiten können. Das ist der Grund, warum es diese Überbrückungsfinanzierung für ein Jahr gibt, die dann im Herbst in diese große weitere Offensive münden wird.

Mit März nächsten Jahres wird auch der bundesweite Qualitätsrahmen diskutiert. Das ist ein ganz großes und wichtiges Projekt, das mittlerweile schon auf Schiene ist. Auch in unserem Haus laufen bereits die Vorbereitungen. Das ist ernst zu nehmen und wird mit März nächsten Jahres verhandelt.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 95

Ich möchte noch zwei Punkte erwähnen, die noch nicht so zur Sprache kamen, nämlich einerseits die Tageseltern, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass wir 28 Pro­zent Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen erreichen konnten. Gerade bei der Betreu­ung dieser ganz kleinen Kinder sind die Tageseltern ein ganz, ganz wichtiges Instru­ment, das ja auch über die 15a-Vereinbarung finanziert wird. Zum Zweiten möchte ich natürlich auch die Betriebskindergärten erwähnen, die auch über die 15a-Vereinbarung finanziert werden können. Auch darauf bitte ich Sie, Ihr Augenmerk zu legen. Wer Kon­takte hat, möge das dort auch noch einmal zur Kenntnis zu bringen. Es ist oft in der Wirtschaft nicht so bekannt, dass das auch von den Ländern und vom Bund kofinan­ziert wird. Auch das ist ein ganz, ganz wichtiges Instrument.

Da wir hier schon im Bundesrat zusammensitzen, möchte ich noch eine Fragestellung ansprechen, die wir vielleicht noch diskutieren können, nämlich die Betriebstagesel­tern. Das ist ein so wertvolles Instrument, das in den letzten Jahren in einzelnen Län­dern überhaupt erst erfolgreich aufgebaut werden konnte, nämlich beispielsweise jetzt ganz kurzfristig in Kärnten oder vor ein paar Monaten in Tirol. In der Steiermark und in Oberösterreich gibt es das auch schon, es fehlen aber noch einige Bundesländer, die das noch nicht einmal im Gesetz verankert haben. Das betrifft zum Beispiel Wien, das ja bei Tageseltern an sich sehr zurückhaltend ist und so auch bei Betriebstageseltern eher zurückhaltend agiert, aber auch in Niederösterreich gibt es dieses Regelwerk lei­der noch nicht, gibt es noch keine Betriebstageseltern. Auch in anderen Bundesländern wie Vorarlberg zum Beispiel gibt es derartige Regelungen noch nicht.

Es wäre sehr wichtig, dass wir das auf die Tagesordnung nehmen, weil es ja eigentlich kein Kostenfaktor ist. Es ist nur ein Angebot, das man schaffen kann, damit man auch innerhalb von Betrieben in kleineren, flexibleren Einheiten auch zu flexiblen Arbeitszei­ten arbeiten kann.

Ich möchte noch eine kurze Replik auf das Thema Berndorfer Modell bringen, das ja irgendwie auch aus der Zeit gefallen scheint. Deswegen möchte ich argumentieren, wa­rum ich diese Idee nicht besonders gutheißen kann. Warum? – Wir investieren sehr viel in finanzielle Leistungen für Familien, das wissen Sie. Auf europäischer Ebene liegen wir über dem Durchschnitt, wenn nicht sogar an der Spitze. Finanziell sind wir im Fami­lienbereich mit Geldleistungen sehr, sehr gut aufgestellt. Auf der anderen Seite aber sind wir, was Sachleistungen oder Kinderbetreuungsinfrastrukturleistungen betrifft, we­niger gut aufgestellt. Deswegen haben wir ja erst eine Betreuungsquote von 28 Prozent bei den unter Dreijährigen.

Ich bin ein großer Anhänger der Wahlfreiheit, aber der ehrlichen Wahlfreiheit, die da heißt: Ich kann mich selbst als Familie entscheiden, ob ich das traditionelle Modell wäh­len will, dann muss ich aber auch wissen, worauf das hinausläuft – Stichwort Abhän­gigkeit, Pension –, oder aber ob ich mich für ein Modell entscheide, bei dem beide Part­ner arbeiten – beide arbeiten vielleicht sogar Teilzeit, oder eine oder einer macht Kar­riere. All das zu entscheiden muss möglich sein, und dafür braucht man entsprechende Angebote an Infrastruktur.

Wenn jetzt argumentiert wird, dass diejenigen, die die Infrastruktur nicht in Anspruch nehmen, sozusagen das Geld bar ausbezahlt bekommen sollten, dann muss ich entgeg­nen, dass wir dafür das Instrument des Kinderbetreuungsgeldes haben, das ja circa 34 Monate lang bezahlt wird. Wer der Meinung ist, er bleibt zu Hause, der nimmt das ganze Geld. Wer der Meinung ist, er investiert in Kinderbetreuung, der kann das in die­sem Bereich investieren – man kann ja dazuverdienen. Von dem her, glaube ich, sind wir hier sehr gut aufgestellt.

Ein Instrument, das eigentlich Eltern oder in dem Fall sogar Frauen zur Nichterwerbs­tätigkeit motivieren würde, halte ich langfristig nicht für sehr sinnvoll. Im Übrigen halte


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 96

ich es auch für die Kinder für nicht sehr sinnvoll, weil wir ja wissen, dass der Besuch einer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung langfristig sehr positive Effekte hat. Wir reden natürlich nicht davon, dass der Staat jetzt die Erziehung übernimmt, sondern davon, dass Kinder stundenweise, tageweise gut in unseren Einrichtungen betreut wer­den.

Insgesamt möchte ich mich bei Ihnen bedanken. In diesem Rahmen war es immer eine angenehme, konstruktive und erholsame Diskussion, die auch wirklich neue Erkennt­nisse gebracht hat, weil man sich auf Augenhöhe austauschen konnte und einander nicht gegenseitig zerfleischt hat, wenn ich das so sagen darf. Es war – soweit das im politischen Rahmen möglich ist – immer ein Vergnügen. Jedenfalls möchte ich mich für die stets gute Diskussionsbasis bedanken. Ich bin immer sehr gerne in den Bundesrat gekommen. – Danke vielmals für alles! (Allgemeiner Beifall.)

14.19

14.19.30

 


Präsident Edgar Mayer: Vielen Dank, Frau Bundesministerin, auch für die lobenden Worte, die du für den Bundesrat gefunden hast. Das geht runter wie natives Olivenöl. Auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit, aber natürlich auch für die Leistungen, die du für Familien, für Kinder, für Jugendliche er­bracht hast. Die Bilanz ist sehr, sehr gut und kann sich sehen lassen. – Kollegin Angela Stöckl-Wolkerstorfer hat das bereits ausgeführt, das brauche ich nicht zu wiederholen. In diesem Sinne: Alles Gute, Gesundheit und weiterhin viel Erfolg! – Danke schön. (All­gemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.20.2611. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und all­gemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädi­gungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungsdienstegesetz geän­dert werden (1774 d.B. und 1778 d.B. sowie 9913/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das National­bankgesetz 1984 und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wer­den (1775 d.B. und 1779 d.B. sowie 9914/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung.

Bevor wir dazu kommen, darf ich unseren Bundesminister Dr. Hans Jörg Schelling recht herzlich begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um die Berichte.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 97

 


14.21.08

Berichterstatter Martin Weber: Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregie­rung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und all­gemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungs­gesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versi­cherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesen­gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Nationalbankgesetz 1984 und das Wirt­schaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Weber.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


14.23.02

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Beide Tagesordnungs­punkte betreffen den österreichischen Kapitalmarkt und Finanzmarkt. Für uns von der FPÖ, von der Freiheitlichen Wirtschaft ist die Stärkung des Finanzmarktes, des Kapi­talplatzes Wien, der in den letzten Jahren stark vernachlässigt wurde, ein wichtiges An­liegen. Das betrifft den gesamten Finanzplatz und die Wiener Börse per se auch.

Wir haben heute schon über die Ertragskraft der Banken gesprochen. Ob es die Ban­komatgebühren jetzt gibt oder nicht, wird die Ertragskraft der Banken nicht unmittelbar wesentlich beeinflussen. Was die Ertragskraft der Banken aber sehr wohl in ganz Eu­ropa und ganz besonders in Österreich schmälert, weil die Ertragskraft ja sowieso et­was eingeschränkt ist, ist die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Da­durch können die Banken die Zinsspanne, auf die sie ja angewiesen sind, um ihr Ge­schäftsmodell florierend zu gestalten, nicht weitergeben.

Das ist die Negativzinspolitik der Banken, unter der eigentlich der Staat gedeiht und blüht, denn dadurch erspart sich der österreichische Staat 5 bis 6 Milliarden € jährlich an Zinsen, die früher gezahlt werden mussten. Da frage ich mich schon, warum diese güns­tigen Zinssätze, die der Staat Österreich durch Anleihen begeben kann – er muss also nur geringe Zinsen zahlen, wenn er überhaupt Zinsen zahlen muss –, nicht an den Steu­erzahler in Form von Steuersenkungen weitergegeben worden sind. Das ist auch ein Mo­dell einer Weiter- und Gegenfinanzierung, dass man diese 5 bis 6 Milliarden € endlich an die österreichischen Bürger und ihre Unternehmen, an die gesamte Wirtschaft wei­tergibt.

Der Grund, warum wir dem Gesetz im 12. Tagesordnungspunkt nicht zustimmen kön­nen, ist, dass es uns auch ein Anliegen ist, den Finanzmarkt mit seinen Institutionen – das sind in erster Linie die Oesterreichische Nationalbank und die FMA – auszufärbeln,


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 98

sprich nicht mehr rot-schwarz zu besetzen. Das ist für uns ganz wesentlich. (Bundesrä­tin Zwazl: Aber blau!) – Frei, parteilos, mit Fachwissen, fachlich, das ist etwas Neues, das kennt ihr nicht. (Bundesrätin Zwazl: Aber du bist es nicht!) Es ist gut, dass im Ge­setz die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung steht. Das ist das Wichtige: Institutionen gehören fachlich, nicht parteipolitisch besetzt. Das ist ein wesentlicher Unterschied, das ist für euch neu. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung von Funktionärspositionen in der zweiten Führungsebene der Oesterreichischen Nationalbank ist in Ordnung, aber auch die ers­te Führungsebene gehört ausgeschrieben. Grundsätzlich muss das Modell der Oester­reichischen Nationalbank schon hinterfragt werden. Die haben praktisch die gesamte Geld- und Währungspolitik mit der Einführung und der Etablierung der EZB verloren. Sie haben also im Umfang viel weniger Geschäftsmodelle erhalten und beibehalten. Daher wäre die Frage, ob nicht ein Abspecken in der Oesterreichischen Nationalbank angesagt wäre.

In dieser Hinsicht möchte ich auch hinterfragen, warum die Bankenaufsicht zwischen Oesterreichischer Nationalbank und Finanzmarktaufsicht geteilt wird. Eigentlich ist das eine Agenda, eine Aufgabe der FMA und nicht der Oesterreichischen Nationalbank. (Bundesrat Schennach: Nein, nein, nein!) Da ist mir der Grund für eine Teilung nicht ganz klar. Ich erinnere an den jahrelangen Streit – ich glaube, den haben Sie, sehr ge­ehrter Herr Minister, dann persönlich beigelegt – zwischen der FMA und der Österrei­chischen Prüfstelle für Rechnungslegung über die Prüfung börsennotierter Unterneh­men, weil beide Institutionen ein Unternehmen geprüft haben, was natürlich sinnlos ist. Dort wäre auch eine Aufteilung wünschenswert gewesen.

Kennzahlen sind immer gut. Unternehmen müssen mit Kennzahlen leben, denn Bank­kredite bekommt man nur, wenn man die Bilanz präsentiert. Da werden Kennzahlen ausgespuckt, und die sind es dann, mit denen man leben oder eben nicht leben muss, je nachdem, wie man zu den Banken finanzmäßig steht oder diese benötigt.

Es gibt auch einen Financial Centres Index. Der ist interessant, da werden nicht die Länder indexiert und nach der Leistung eingeschätzt und eingeordnet, sondern Städte. Das ist ganz wichtig, denn es geht ja in erster Linie um den Wiener Finanzplatz, weil Wien ja als Bundeshauptstadt auch Zentrum des Finanzwesens ist. Da scheint Wien an sage und schreibe 38. Stelle auf. Warschau ist an 36., Zürich an 4. Stelle, sogar Genf ist an 9. Stelle. Es besteht also in jedem Sinne Nachholbedarf, und da möchte ich schon auch – meine Kollegin Zwazl ist jetzt nicht da – der Wirtschaftskammer ein Kompli­ment aussprechen, weil sie einer Initiative der Freiheitlichen Wirtschaft – sowohl in Wien als auch im Bund, die Wirtschaftskammer Österreich und die Wirtschaftskammer Wien – nachgegangen sind, die Grundlagen und die Basis für den Finanzplatz Wien endlich zu verbessern, zumindest rhetorisch. Hoffentlich kann das auch einmal umgesetzt werden.

Ein anderes Beispiel: Vor Kurzem, vor wenigen Tagen ist der österreichische Batterie­hersteller VARTA an die Börse gegangen – leider nicht in Wien, sondern in Frankfurt. Er war zwanzigmal überzeichnet, also diesen Boom muss man sich einmal vorstellen. Warum kann der nicht in Wien notieren? – Er notiert nicht in Wien, weil die Nachfrage so gering ist, weil der Finanzplatz so niedrig liegt. Deswegen haben wir diesen 38. Platz. Wir müssen nach vorne gepusht werden, wir gehören viel weiter nach vorne.

Es kann ja nicht sein, dass wir uns auf einem dermaßen niedrigen Niveau bewegen müssen und eben so große und prosperierende Firmen mit einer Zukunftschance – VARTA hat ja Zukunftschancen – nicht in Österreich notieren können. Wir wünschen auch endlich, sehr geehrter Herr Minister – ich glaube, das wissen Sie ohnehin –, die Errichtung des Dritten Marktes, die Etablierung des Dritten Marktes an der Wiener Bör­se, nicht nur für ausländische Unternehmen, sondern vor allem für österreichische Un­ternehmen.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 99

In diesem Sinne können wir diesem Gesetz wegen dieses kleinen Minus beim TOP 12 nicht zustimmen. Im Grunde genommen dient es aber der Verbesserung des österrei­chischen Finanzplatzes, und dieses Gesetz ist im Großen und Ganzen durchschnittlich, aber in Ordnung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.29


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ober­lehner. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.29.13

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bun­desrates! Lieber Kollege Pisec, ich finde es trotzdem schade, dass ihr nicht mitgehen könnt, denn ich glaube, dass viele Dinge – du hast es am Schluss ja auch gesagt – durchaus gut für den Finanzplatz Österreich sind. Da finde ich es schade, dass man die­se guten Dinge nicht auch unterstützt.

Wir haben hier mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss zweifellos eine sehr interes­sante Materie zu beraten, zu diskutieren und zu beschließen, nämlich jene der Reform der Finanzmarktaufsicht. Ich glaube, es ist gut, dass jetzt ein Gesetz beschlossen wird, das sehr lange und ausführlich diskutiert wurde, das letztlich aber natürlich wieder ein Kompromiss ist, so wie es halt bei Gesetzesbeschlüssen am Ende des Tages leider immer der Fall ist. Es ist nicht der große Wurf gelungen, aber ich glaube, es sind sehr sinnvolle und gute Ergebnisse erzielt worden, und das muss man schon anerkennen.

Viele Bereiche sind von der genannten Materie betroffen. Das Wichtigste ist aber zwei­fellos das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz. Die Verfahrensabläufe der Aufsicht sol­len dadurch entsprechend verbessert werden, und auch die Effizienz soll gesteigert wer­den. Ich glaube, das wird auch gelingen.

Sehr wichtig ist aus meiner Sicht, aus politischer Sicht aber auch, dass wir, dass die Politik die Legistik in diesem Bereich wieder zurückbekommt, dass es Begutachtungs­verfahren, Verordnungen, Leitfäden und so weiter gibt und dass die FMA nicht quasi ein legistisches Eigenleben führen kann. Es ist wichtig, dass es in der Praxis nicht so ist, dass die FMA Gesetze machen und beschließen kann, die sie dann sozusagen selbst umsetzt.

Ganz wichtig ist mir aber natürlich auch – und das wurde auch angesprochen – die Transparenz. Ich glaube schon, dass wir es sehr begrüßen können, dass in Zukunft auch auf der zweiten Ebene öffentlich ausgeschrieben wird und es damit also doch sehr transparent werden wird, wer die Banken und Unternehmen in Österreich beaufsichtigt.

Verbessert wird durch dieses Gesetz zweifellos auch die Qualität der Aufsicht. Zum Beispiel kommt es auch zu einer Qualitätssteigerung im Staatskommissärwesen, das ja auch im Zusammenhang mit dem Hypo-Untersuchungsausschuss immer sehr heftig kritisiert wurde. Dort gibt es doch wesentliche Verbesserungen. Auch Fortbildungspflich­ten werden dadurch eingeführt, und die Berichtspflichten bekommen wesentlich dich­tere Intervalle, was auch wieder der Qualität insgesamt dient.

Ich hoffe und glaube, dass mit diesem Gesetz auch ein bisschen Vereinfachung gelin­gen wird, beispielsweise durch die Einführung eines elektronischen Prospektbilligungs­verfahrens oder durch die Möglichkeit der einvernehmlichen beschleunigten Verfah­rensbeendigung, sodass Verfahren nicht ewig dauern und ewig in die Länge gezogen werden, sondern dass es zu gemeinsamen, sinnvollen Beendigungen von Verfahren kommen kann.

Sehr wichtig ist aus meiner Sicht aber auch, dass der risikobasierte Ansatz bei der Bankenaufsicht eingeführt wird und dadurch kleinere Banken andere Prüfbedingungen


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 100

haben als größere Banken, also anders geprüft werden als größere Banken. Die grö­ßenabhängige organisatorische Erleichterung führt zum Beispiel dazu, dass Schwel­lenwerte für die verpflichtende Bildung bestimmter Ausschüsse verändert werden, also logischerweise hinaufgesetzt werden und dadurch kleinere Banken doch wesentliche Erleichterungen in diesem Bereich erfahren.

Für ganz wesentlich halte ich aber auch noch, dass durch diese Reform den Finanz­instituten die Möglichkeit eröffnet wird, hinkünftig vorweg eine rechtsverbindliche Aus­kunft zu bekommen, also eine Art Vorwegbescheid. Es ist, glaube ich, in der Praxis ganz wichtig, dass man nicht unnütze Wege geht, dass man nicht leere Kilometer, wie es so schön heißt, macht, sondern von Haus aus weiß, dass der Weg, den man dann ein­schlägt, auch der richtige und gute ist.

Wenn man also davon ausgeht, dass diesbezüglich insgesamt ein Kompromiss vor­liegt – ich habe es schon gesagt –, der ganz bestimmt noch einiges offenlässt, und dass es sicherlich noch die eine oder andere Verbesserung auch in Zukunft brauchen wird, so soll das vorliegende Gesetz dennoch meiner Meinung nach für weniger Bürokratie, für mehr Rechtssicherheit, für Kostenreduktion und letztlich auch für sehr viel mehr Trans­parenz sorgen.

Daher werden wir seitens meiner Fraktion dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates sehr gerne die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.33


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Rei­ter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


14.33.51

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Minister! Das ist jetzt der Streit, ob das Glas halb leer oder ob es in vielen Punkten halb voll ist.

Dieses Gesetz soll eben die operative Tätigkeit und die Aufsichtskosten der österrei­chischen Finanzmarktaufsicht transparenter gestalten und die Qualität der Aufsicht und die aufsichtsbehördlichen Verfahrensabläufe verbessern. Es gibt für die beaufsichtigten Unternehmen teilweise mehr Rechtssicherheit und auch organisatorische Erleichterun­gen.

Die FMA, das wurde schon erwähnt, muss die Positionen der zweiten Führungsebene ausschreiben, eine interne Revision einführen und bei der Erstellung von Verordnun­gen, Leitlinien und so weiter ein Begutachtungsverfahren einführen. Es wird eine the­menbezogene Veröffentlichung der jährlichen Prüfschwerpunkte geben, und die FMA ist gegenüber dem Ministerium und der Nationalbank verpflichtet, Beobachtungen grund­sätzlicher Art oder besonderer Bedeutung in ihren Aufsichtsbereichen zu berichten.

Die Kostentransparenz der OeNB im Bereich der Banken- und Versicherungsaufsicht wird erhöht. Staatskommissäre werden zur regelmäßigen Fortbildung verpflichtet sowie zur Übermittlung von Quartalsberichten an die FMA. Die Funktionszulagen werden bei längerer Abwesenheit gekürzt, und unbefristete Bestellungen wird es nicht mehr geben.

Allerdings kommt es nicht zu einer grundsätzlichen Änderung im Sinne der Empfeh­lungen des Rechnungshofes, die ja auf Empfehlungen des Hypo-Untersuchungsaus­schusses fußen, die etwa im Bericht der Grünen enthalten sind. Dort steht klar, Staats­kommissäre sollen abgeschafft oder gestärkt werden – dort nachzulesen; beides ist nicht passiert.

Der Vor-Ort-Prüfungsprozess wird in einigen Punkten sicher verbessert. Es kommt also eine risikoorientierte Beschleunigung des Mängelprozesses. Es gibt eine verpflichtende


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 101

Übermittlung von Prüfberichten an den Staatskommissär, seinen Stellvertreter, den Bank­prüfer sowie die Sicherungseinrichtung, und das Kreditinstitut wird verpflichtet, einen Plan zur schnellstmöglichen Feststellungsbehebung zu erstellen.

Positiv ist auch, dass es eine Pre-Clearing-Möglichkeit geben wird. Das heißt eben, dass die Finanzmarktaufsicht verpflichtet ist, auf Antrag mit Auskunftsbescheid eine auf­sichtsrechtliche Beurteilung von Sachverhalten vorzunehmen.

Der Schwellenwert – auch das ist schon berichtet worden – für die verpflichtende Ein­richtung einer eigenen Organisationseinheit für die interne Revision wird von 150 Mil­lionen € auf 300 Millionen € hinaufgesetzt beziehungsweise von 30 auf 50 Mitarbeiter. Banken unter einer Bilanzsumme von 5 Milliarden € brauchen keine eigene Risikoma­nagementabteilung mehr. Es ist dann auch nur mehr eine Prüfausschusssitzung jähr­lich notwendig.

Die FMA ist jetzt gesetzlich zu einem risikobasierten Aufsichtsansatz verpflichtet, das heißt zu einer proportionalen, risikoorientierten Aufsichtsausübung. Ja no na, sagt man da natürlich schon auch.

Das klingt nach viel. Es ist auch viel Richtiges dabei. Es bleibt aber doch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das Finanzministerium arbeitet mit dem Bundeskanzleramt ja seit Herbst 2016 an einer Finanzmarktaufsichtsreform, und zwar mithilfe einer Arbeits­gruppe, die dafür gegründet wurde, bestehend aus Finanzministerium, Bundeskanzler­amt und externen Experten.

Diese Arbeitsgruppe hat mehrere Handlungsoptionen aufgezeigt, allerdings ist der dies­bezügliche Bericht offensichtlich ein Geheimpapier. Es gab mehrere mündliche Anfra­gen und eine schriftliche Anfrage vonseiten der Grünen. Es wurde gestern im Aus­schuss auch diese Anfrage von Kollegen Pisec wiederholt, aber diese blieb im We­sentlichen unbeantwortet, denn das einseitige Papier, das da geliefert wurde, kann man ja eigentlich nicht als Bericht einer so hochkarätig besetzten Arbeitsgruppe werten.

Sie, Herr Minister, haben sich ja immer für eine große Reform ausgesprochen. Sie ha­ben zum Beispiel in der „ZIB 2“ am 12. Oktober 2016 gemeint, dass es Ihnen wichtig erscheint, dass die bescheiderlassende Behörde und die prüfende Behörde in einer Hand sind. Angeblich hat die SPÖ das nicht gewollt, weshalb wir jetzt hier diesen Kom­promiss vor uns liegen haben.

So bleibt das vorliegende Gesetz doch weit hinter den Erwartungen zurück. Die Reihe der nicht umgesetzten Empfehlungen aus dem Bericht „Österreichische Bankenauf­sichtsarchitektur“ ist lang. Viele Forderungen des Rechnungshofes wurden ebenfalls nicht umgesetzt, darunter eben die wesentlichste, die Zusammenführung der Aufga­benverantwortung bei der zuständigen Behörde, also derzeit der FMA. Ich habe die ganze Liste mit, aber ich erspare es Ihnen, diese Liste vorzulesen und zu präsentieren.

Die Möglichkeit, gerade mit den Erkenntnissen aus dem Hypo-Untersuchungsausschuss eine echte und tiefgreifende Reform der Banken- und Finanzaufsicht umzusetzen, wur­de damit nicht wirklich genutzt. Es liegt ein Reförmchen vor, ein kleiner Schritt, aber offensichtlich hat man aus dem Hypo-Untersuchungsausschuss nicht wirklich genug ge­lernt. Vielleicht war auch die Lernkurve nicht entsprechend – man vergisst ja 90 Pro­zent des Gelernten über Nacht wieder.

Vielleicht ignoriert man aber die Ergebnisse und Empfehlungen des Rechnungshofes in dieser Sache auch ganz bewusst: Man richtet zwar eine hochkarätige Arbeitsgruppe ein, deren Ergebnisse und Erkenntnisse werden jedoch in keiner Weise transparent dar­gestellt, vielleicht auch deswegen, damit es rund um das Ergebnis dieses Gesetzes nicht ganz so viel Erklärungsnot gibt – Erklärungsnot, warum man wider besseres Wis­sen das Gute unterlässt oder zumindest bei Weitem nicht erreicht.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 102

Wir werden dieser Änderung daher auch nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.40


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Heger. – Bitte.

 


14.41.00

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister Schelling! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon sehr viel gehört. Wir debattieren heute in zwei Tagesordnungspunkten zahlreiche Gesetzesän­derungen, wobei die Änderungen im Investmentfondsgesetz 2011 und im Wirtschaftli­che Eigentümer Registergesetz lediglich technischer beziehungsweise verweistechni­scher Natur sind.

Bei Tagesordnungspunkt 11 steht eigentlich die Änderung des Finanzmarktaufsichts­behördengesetzes im Vordergrund. Es ist schon sehr viel dazu gesagt worden, auch, dass sich die Änderungen der Regelungen hinsichtlich Finanzmarktaufsicht vor allem im Bankwesengesetz wiederfinden. Durch diese Novelle kommt es einerseits zu mehr Transparenz und andererseits zu mehr Effizienz im Aufsichtswesen, es geht um die Wei­terentwicklung der bestehenden Allfinanzaufsicht.

Ziel ist es ja, im Bereich der Finanzmarktaufsicht, wie schon gesagt, mehr Transparenz in den Bereichen Organisation, operative Tätigkeit und Aufsichtskosten sowie organi­satorische Erleichterungen für Kreditinstitute und eine Verbesserung der aufsichtsbe­hördlichen Verfahrensabläufe zu erreichen. So sieht der § 25 Bankwesengesetz zum Beispiel vor, dass die Möglichkeit geschaffen wird, bankbetriebliche Tätigkeiten auszu­lagern – allerdings nur unter gewissen Bedingungen, so müssen etwa die Erfassung, die Beurteilung, die Steuerung und Überwachung der bankbetrieblichen Risken sicher­gestellt sein.

Durch so eine Auslagerung darf es einerseits nicht zu einer Delegation von Geschäfts­tätigkeiten kommen, und andererseits darf auch nicht das Verhältnis zwischen den Ins­tituten und den Kunden verändert werden. Zudem dürfen auch die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung nicht berührt werden.

Meine Vorredner haben es schon angesprochen: Es gibt weitere wichtige Änderungen im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, etwa im § 14. Da geht es um die öffentliche Ausschreibung von Positionen in der zweiten Führungsebene in der Finanzmarktauf­sicht. Das gilt auch gleichzeitig für das Nationalbankgesetz, wo im § 38 eine ähnlich lautende Änderung eingefügt wird. Ich denke, alles in allem ist diese Novelle ein be­sonders wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Ich komme nun zur EU-Verordnung 2016/867, in der es um die Erhebung von Kredit­daten und Kreditrisikodaten geht. Es geht um eine schnellere und bessere Beurteilung von Risken für die Finanzstabilität, es wird eine eigene Datenbank geschaffen. Bei ju­ristischen Personen und Personengesellschaften, die Kredite ab 25 000 € aufnehmen oder Finanzkonstrukte bauen, kommt es zu einer besseren Überwachung beziehungs­weise dazu, schneller Kenntnis von deren Tätigkeit zu erhalten. Das hätte uns vielleicht auch im Fall Hypo geholfen, wenn es diese Datenbank gegeben hätte und man damit hätte sehen können, was da im Hintergrund alles läuft.

Es geht darum, Doppel- und Mehrfachmeldungen auszuschließen, und im § 38 Natio­nalbankgesetz ist, wie erwähnt, die Bestimmung enthalten, Positionen der zweiten Füh­rungsebene in der Nationalbank öffentlich auszuschreiben. Es handelt sich dabei um eine wichtige Anpassung für mehr Transparenz und Finanzmarktstabilität.


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 103

Meine Fraktion wird beiden Tagesordnungspunkte die Zustimmung erteilen, denn Trans­parenz, Effizienz und Beschleunigung der jährlichen Prüfverfahren sind wichtige und richtige Schritte. (Beifall bei der SPÖ.)

14.45

14.45.20

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bun­desgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018 und weitere Ge­setze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Ok­tober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Invest­mentfondsgesetz 2011 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.46.1113. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, geändert wird (2299/A und 1780 d.B. sowie 9915/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zu Punkt 13 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Heger. Ich bitte um den Bericht.

 


14.46.27

Berichterstatter Peter Heger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister Schelling! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird.

Mit dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates werden die Mietvertragsgebüh­ren bei Verträgen über die Miete von Wohnräumen abgeschafft. Dadurch sollen neue Wohnungsmieter, die sich ohnedies oft in einer finanziell angespannten Situation befin­den, entlastet werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Oktober 2017 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Heger.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


14.47.28

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister Schelling! Meine Damen und Herren! Die ÖVP hat sich schon immer


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 104

klar zur Streichung der Mietvertragsgebühr bekannt. Die Mietervereinigung Österreichs stellte am 21. August 2013 einige Fragen zum Thema Wohnen. Die vierte Frage lau­tete: „Sind Sie dafür, dass die Mietvertragsgebühr endlich abgeschafft wird?“ – Die ÖVP hat sich klar dazu bekannt und unter Finanzminister Schelling ein umfangreiches Paket geschnürt, das aber leider beim Regierungspartner keine Zustimmung erhalten und daher nicht den Weg ins Parlament gefunden hat.

Wahlzuckerl hinterlassen verbrannte Erde: Budgetrelevante Beschlüsse ein paar Tage vor Nationalratswahlen sind meiner Meinung nach unverantwortlich. Einnahmen zu kür­zen, ohne bei den Ausgaben zu sparen – das kann sich nicht ausgehen.

Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie haben ein Familienbudget, und der Partner schert sich um nichts. Ein Teil der Einnahmen fällt aus, und trotzdem evaluiert er die Ausgaben nicht, er gibt aus und gibt aus, macht Geschenke. – Was glauben Sie, was passieren wird? Früher oder später werden Sie pleitegehen.

Ich meine, das ist genau das, was jetzt im Vorfeld der Nationalratswahlen passiert ist: Es hat sich kein Mensch darum geschert, was nach den Wahlen ist, wie das Budget nach den Wahlen ausschauen wird. Jeder sagt nur, es soll sich auf null ausgehen, wir kürzen die Einnahmen, aber bei den Ausgaben: Bitte nicht stören!, und das, obwohl si­cher etliches an Ausgaben hinterfragt werden könnte, ohne dass irgendwelche Sozial­leistungen darunter leiden. Die ÖVP hat im Vorfeld immer gefordert, keine budgetrele­vanten Beschlüsse vor den Nationalratswahlen zu treffen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist meiner Meinung nach nicht ausgereift; im Bauge­werbe würde man sagen, das ist eine halbfertige Arbeit. Und da verwundert mich schon etwas die Haltung der Freiheitlichen, die ja immer ordentlich ausgearbeitete Gesetze einfordern, damit die Gesetze nicht sofort wieder repariert oder evaluiert werden müs­sen. Auch heute hieß es wieder bei einigen Gesetzen, das gehe nicht – und trotzdem haben Sie alle bei budgetrelevanten Gesetzen zugestimmt!

War es der Umstand, dass die Nationalratswahlen vor der Tür standen? Von der Sorg­faltspflicht, die sich die Freiheitlichen ja so groß auf ihre Fahnen geschrieben haben, war in diesem Fall nämlich nichts zu spüren.

Meine Fraktion stimmt diesem halbfertigen Gesetz nicht zu. (Beifall bei der ÖVP.)

14.50


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindin­ger. – Bitte.

 


14.50.44

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister Schelling! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Junker! Wie lan­ge vorher muss man einem ÖVP-Finanzminister ein Gesetz oder einen Wunsch nach einem Gesetz in ein Regierungsübereinkommen hineinschreiben, bis ein Gesetz daraus wird? – 2006 ist die Abschaffung der Mietvertragsgebühren das erste Mal im Regie­rungsübereinkommen gestanden, und dann hat man bis zum 12. Oktober 2017 für eine Beschlussfassung gebraucht – das ist uns zu langsam! (Zwischenruf der Bundesrätin Junker.) Es braucht eine schnellere Umsetzung der Regierungsübereinkommen.

Ich würde der FPÖ empfehlen, ein Datum für die Umsetzung von Regierungsvorhaben festzuschreiben, sonst wird in einer Legislaturperiode nie etwas umgesetzt. Dann muss man auf den letzten Zug aufspringen und sagen, jetzt müssen wir einmal einen Schnell­zug nehmen, um die Gesetze zu beschließen, und nicht dauernd mit einem Regional­zug Halt machen.

Zum Thema Wahlkampfgeschenke: Geschenke macht man nicht! Geschenke gibt man jenen Menschen, die ein Jubiläum haben oder sonst irgendetwas. Geschenke verteilt


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 105

man nicht an junge Menschen, die es brauchen: an junge Studentinnen und Studenten, die Mietverträge abschließen, an ältere Personen, die sich vielleicht im Alter eine klei­nere Wohnung leisten. Bei der Errichtung eines Mietvertrages für 36 Monate kann es bei einer Monatsmiete von 1 000 € – bei uns am Land ist so eine hohe Miete vielleicht nicht so üblich, aber in Wien durchaus – mit dieser Änderung zu einer Ersparnis von 360 € kommen.

Geschätzte Damen und Herren! Eine Entlastung der Mieten haben wir auch in der letz­ten Sitzung mit der Verländerung der Wohnbauförderungsmittel beschlossen. Diese wer­den von den Ländern gut verteilt, damit die Mieten gesenkt werden können. Die Ne­benkosten bei den Wohnungen, zu denen ja auch die Mietvertragsgebühren gehören, machen ja einen relativ hohen Anteil aus.

Ein wenig Positives kann dieser Änderung vielleicht auch der Finanzminister abgewin­nen, denn weniger Gebührenberechnungen bedeuten weniger Arbeit in den Finanzäm­tern, damit werden zeitliche Ressourcen frei, und die Bediensteten können sich ver­mehrt um Steuersünder kümmern.

Geschätzte Damen und Herren, Sie sehen, es geht um Entlastung jener Bürgerinnen und Bürger, die sie besonders nötig haben: die Älteren und insbesondere die Jungen und junge Familien. Ganz wichtig ist auch, dass in Zukunft das Hauptaugenmerk ver­mehrt auf die Kontrolle von Steuersündern gelegt wird.

Herr Finanzminister, Sie wissen aber auch, dass es noch viele Bereiche gibt, in denen man sich anstrengen kann, wo sehr viel verschleiert wird oder an der Steuer vorbeigeht. Wenn zum Beispiel Großkonzerne im Ausland Mietverträge abschließen, die dann in Ös­terreich gelten und nicht versteuert werden, oder diese sogenannten Videomietverträge abgeschlossen werden – in allen Bereichen gibt es Möglichkeiten, an der Finanz etwas vorbeizuschwindeln. Es ist noch viel zu tun, damit der Staat Österreich zu jenem Geld kommt, das ihm zusteht – und das insbesondere den Menschen zusteht. Diese Ein­nahmen müssen gesichert werden, damit das Geld jenen Menschen zugutekommen kann, die es benötigen.

In diesem Sinne freuen wir uns, wenn junge Familien und jene Menschen, die in Miet­wohnungen leben, entlastet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.55


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pi­sec. – Bitte.

 


14.55.41

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz ist natürlich ein gutes Gesetz! Es trägt auch die Handschrift der FPÖ, denn alles, was mit Senkung von Steuern und Abgaben zu tun hat und das Nettoeinkommen der Bürger und Bür­gerinnen erhöht, ist ein gutes Gesetz, das muss ich gleich vorweg sagen.

Die Diskussion über die Abschaffung der Mietvertragsgebühr erinnert mich an die Ab­schaffung der Kreditvertragsgebühr: Das war genauso eine umfassende, jahrzehnte­lange Diskussion, bis diese Gebühr 2011 endlich abgeschafft wurde. In diesem Sinne gehört natürlich auch diese Mietvertragsgebühr ebenfalls weg.

Zur Kollegin Junker möchte ich etwas sagen, was den Budgetplan betrifft. Wie errech­net man einen Budgetplan? – Der wird jeweils im Herbst für das nächste Jahr erstellt. Die Wirtschaftsprognosen für das Jahr 2017 lagen im Oktober/November 2016 bei et­wa 1 Prozent Wachstum in Österreich, bei maximal 1,2, 1,3 Prozent. Die Wirtschaft boomt derzeit – aber nicht nur in Österreich, sondern weltweit, angetrieben von Asien. Das ist jetzt im Herbst ein wahrer Boom. Das weltweite Wirtschaftswachstum liegt ak-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 106

tuell bei 3 bis 3,5 Prozent. Der Finanzminister hat dadurch Mehreinnahmen in Milliar­denhöhe: Allein heuer sind es 4 bis 5 Milliarden € mehr Einnahmen als ursprünglich budgetiert! Was macht nun der Finanzminister mit diesem Geld?

Wenn ich jetzt zusammenfasse: Durch die Zinsentlastung der EZB erspart sich der ös­terreichische Staat 5 bis 6 Milliarden €, plus die genannten Mehreinnahmen bin ich schon bei 10 Milliarden € – das ist schon die gesamte Gegenfinanzierung für die Sen­kung der Steuerquote, die endlich in Angriff genommen werden muss! Da bin ich aber noch nicht bei einer Strukturreform, die endlich eingefordert werden muss, noch nicht bei einer Verwaltungsreform, die endlich eingefordert werden muss – das ist allein eine Gegenrechnung von niedrigen Zinsen und guter Konjunktur. Das gehört endlich an die Bürger weitergegeben, und das soll nicht bei den Mietvertragsgebühren aufhören, das soll bei der Senkung der Körperschaftsteuer, bei der Senkung der Einkommensteuer und bei der Senkung der Lohnsteuer fortgesetzt werden. Alle Bürger in Österreich ge­hören endlich von dieser Last befreit, und darauf warten wir schon jahrzehntelang!

Ich möchte noch zu einem anderen Punkt kommen, denn es geht ja bei diesem Thema auch um Häuser, um die Miete, die Investitionen in ein Haus, die dann letztlich in Form von schönen Wohnungen an die Mietgemeinschaft weitergegeben werden. Wien etwa lebt ja von seinen Gründerzeithäusern – allein wenn ich mir die wunderschöne Hofburg ansehe! Wien hat einmal etwas dargestellt: nicht nur österreichweit, sondern auch eu­ropaweit und weltweit, und darauf sind wir stolz; das war im 19. Jahrhundert! (Bundes­rat Schennach: Und Wien ist seit zehn Jahren die lebenswerteste Stadt der Welt!)

Was ich sagen möchte, ist, wir müssen die Lenkungskraft der Steuern – Steuer heißt ja etwas steuern – so gestalten, dass die Substanz alter Häuser auch im privaten Bereich erhalten werden kann. Das ist im Sinne des Stadtbilderhalts und im Sinne des Denk­malschutzes, und das ist uns ein Anliegen. Daher wäre es auch von Interesse, dass die Investitionsbereitschaft wieder gefördert wird: Eine Restnutzungsdauer von 67 Jah­ren bei der Abschreibung ist viel zu lange! Gerade Häuslbauer wissen, dass Kredite oft an diese Restnutzungsdauer gekoppelt sind. Bei 67 Jahren bekommt man keinen Kre­dit, die Dauer sollte höchstens 20, 30 Jahre betragen. Wir wollen auch die Einführung eines Investitionsfreibetrages, und wir wollen natürlich, dass das Stadtbild Wiens im Ge­samten erhalten bleibt.

Da möchte ich kurz eine Ausführung zum Heumarktprojekt machen: Wie kann es sein, dass ein einzelner Investor, eine einzelne Person eine Umwidmung bekommt, damit er neben das Konzerthaus ein Hochhaus mit frei finanzierten Luxuswohnungen hinbauen kann?! Dafür wird das UNESCO-Weltkulturerbe Wien infrage gestellt und, wenn es dabei bleibt, im Februar 2018 aberkannt. Da frage ich mich schon: Was hat dieser gute Mann für eine Leistung erbracht, dass er sämtliche Wiener Gemeinderäte von Rot und Grün beherrscht, diesen Beschluss erreichen kann und den Denkmalschutz ausschal­ten kann? Das ist eine Einmaligkeit!

Da stellt sich für mich die Frage: Funktioniert der Denkmalschutz in Wien überhaupt? Und wie funktioniert das Stadtbild in Wien? Das ist für mich ein Skandal der Sonder­klasse, der eigentlich europaweit einzigartig ist.

Wenn man da demokratiebezogene Bürgerrechte einfordert – die wir von der FPÖ in je­der Hinsicht fordern –, bekommt die Stadt Wien nicht einmal mehr eine Eindrittelzu­stimmung für dieses skandalöse Bauprojekt, das wir von der FPÖ in jeder Hinsicht ab­lehnen. Das dient auch als Beispiel dafür, dass in Zukunft die Demokratierechte, die Bürgerrechte wesentlich mehr gewahrt werden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammengefasst: Ein gutes Gesetz, das auch die Handschrift der FPÖ trägt. – Dan­ke. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

15.00



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 107

Präsident Edgar Mayer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


15.00.52

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Zurück zum Thema, zur Abschaffung dieser Gebühr. Ich denke nicht, Kollegin Junker, dass das ein so schwieriges Gesetz ist, denn es ist relativ straight. Seit 2006 bemüht man sich um die Abschaffung dieser Gebühr. Ich denke da­her nicht, dass das eine Bestimmung ist, die weiß Gott welche Vorbereitungen auf le­gistischer Ebene braucht, und dass das ein Grund wäre, nun am Ende dieser Legis­laturperiode da nicht mitzugehen, noch dazu, wo diese Bestimmung eben schon so lan­ge in der Pipeline ist. Wir werden dem zustimmen.

Klar ist aber auch, dass es insofern ein Wahlzuckerl ist, als es natürlich die Probleme, die wir im Wohnungssektor und im Mietsektor haben – die hohen Mieten und die da­durch entstehenden wahnsinnigen Belastungen für große Bevölkerungsgruppen –, kei­ner wirklichen Lösung zuführt. Es muss hier noch viele andere Schritte geben, ange­fangen bei einer kompletten Überarbeitung und einem Überdenken des Mietrechts, bei Schritten in Richtung Wohnbau – wie gelingt es, den günstiger zu gestalten, zu verbilli­gen? –, das betrifft die Wohnbauförderung und inwieweit diese noch mit Zweckwid­mung und Nicht-Zweckwidmung wirksam ist, das geht bis in die Raumordnung und so weiter.

Es gibt also noch sehr viel zu tun für leistbares Wohnen für alle. Das ist ein ganz klei­ner Teil, den man schon als Wahlzuckerl verstehen kann, damit man sagen kann: Ja, wir tun etwas! – Wir werden da gerne mitgehen, weil dieser Gebühr eigentlich auch kei­ne staatliche Leistung gegenübersteht. Das muss man auch ganz klar sagen. Schon aus diesem Grund, denke ich, gehört diese Gebühr abgeschafft. Es soll für den Staats­bürger doch klar sein, wofür er die Gebühr bezahlt und wo dann die staatliche Leistung in diesem Bereich ist.

Darum stimmen wir diesem Antrag gerne zu. Ich bin mir aber sicher, dass für die neue Regierung auf dem Sektor Wohnen und leistbares Wohnen sehr viel zu tun ist. Für den neuen Nationalrat ist da sehr viel zu tun, und das geht weit über die Abschaffung die­ser Gebühr hinaus. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

15.03

15.04.00

 


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Schennach: Das war doch keine Einhelligkeit! – Unruhe im Sitzungssaal.)

Ich berichtige das Abstimmungsergebnis: Es war keine Stimmeneinhelligkeit; die Macht der Gewohnheit hat mich nicht auf meine eigene Fraktion blicken lassen. Der Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

15.04.2314. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgleichsmaßnahmen für besondere Erschwernisse des Exekutiv­dienstes im Nachtdienst (239/A(E)-BR/2017 sowie 9916/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 108

Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Herbert. Ich bitte um den Bericht.

 


15.05.15

Berichterstatter Werner Herbert: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Der Herr Bundesminister ist gerade anderweitig beschäftigt. Ich darf Ihnen den Be­richt des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Entschließungsan­trag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgleichs­maßnahmen für besondere Erschwernisse des Exekutivdienstes im Nachtdienst zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus den Antrag, der Bundesrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen. Diese lautet:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, die mit dem Zentralausschuss ausgearbeiteten und in Aussicht genommenen Verbes­serungen für den Exekutivdienst betreffend Ausgleichsmaßnahmen für besondere Er­schwernisse des Exekutivdienstes im Nachtdienst so rasch wie möglich umzusetzen.“

 


Präsident Edgar Mayer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Schödinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.06.23

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diesen Entschließungsantrag, der im Aus­schuss für Verfassung und Föderalismus einstimmig angenommen wurde, möchte ich nur kurz aus unserer Sicht beleuchten.

Bei diesen Ausgleichsmaßnahmen für besondere Erschwernisse haben wir von der Poli­zei immer von Nachtdienstgutschrift gesprochen. Es war von den rechtlichen Rahmen­bedingungen her so, dass wir für jeden Nachtdienst, den wir in der Zeit von 22 bis 6 Uhr geleistet haben, eine Stunde Gutschrift bekommen haben. Ab einer Ansammlung von 15 Stunden konnten wir diese Gutschrift als Zeitausgleich oder als Zeitgutschrift in An­spruch nehmen. Wenn wir diese innerhalb von sechs Monaten nicht verbraucht haben, dann wurde sie ausbezahlt. Die Kollegen konnten und können sich immer noch aussu­chen, ob sie das zeitmäßig oder finanziell in Anspruch nehmen.

Die Erhöhung auf das Eineinhalbfache dieser Nachtdienstgutschrift in zeitlicher und fi­nanzieller Hinsicht halte ich für sehr gut. Ich halte das aus zwei Gründen für notwendig: Einerseits ergibt sich ein finanzieller Vorteil für die Kollegen, die im Außendienst der Polizei Nachtdienst versehen. Die Rahmenbedingungen des Nachtdienstes werden – wie die Rahmenbedingungen des Polizeidienstes generell – immer schwieriger, daher ist das eine entsprechende finanzielle Anerkennung. Andererseits – und das ist mir we­sentlich wichtiger – ist es auch ein Zeichen des Dienstgebers, dass die Polizisten ge­schätzt werden, dass wir unseren Polizisten Hochachtung entgegenbringen. Ich glau­be, dass das ein richtiges Zeichen in die richtige Richtung ist.

Aus diesem Grund ist das von unserer Seite her überhaupt kein Thema, wir unterstüt­zen das gerne, so, wie es auch schon im Ausschuss war.

Ich möchte mich abschließend an dieser Stelle – und das kann man nicht oft genug ma­chen – bei all jenen Kolleginnen und Kollegen, die draußen ihren Dienst versehen, ganz,


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 109

ganz herzlich bedanken und wünsche ihnen noch ruhige Dienste und den Genuss die­ser eineinhalbfachen Abgeltung! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.08


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Herbert zu Wort. – Bitte.

 


15.08.57

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Da Herr Kollege Schödinger alles schon so ausführlich erklärt hat, erspare ich Ihnen eine Wiederholung der Inhalte.

Ich darf mich bei Ihnen allen für die breite Zustimmung zu diesem Antrag, der eine längst überfällige Adaptierung der Bestimmungen zur Verbesserung der Abgeltung der geleisteten Nachtdienste für die Exekutivbeamten darstellt, herzlich bedanken. Ich war wirklich sehr positiv von diesem breitem Votum überrascht, daher darf ich mich aus­drücklich noch einmal bei Ihnen bedanken.

Ich darf mich mit diesem Dank auch gleichzeitig von Ihnen verabschieden. Wie die meisten oder wahrscheinlich alle von Ihnen wissen, werde ich meine politische Arbeit künftig im Nationalrat fortsetzen.

Das ist eine neue, eine spannende Herausforderung – nicht ganz neu, denn ich war schon einmal im Nationalrat. Dessen ungeachtet wird mir wohl der Bundesrat ein biss­chen fehlen, weil der Bundesrat doch in seiner Arbeit und in seiner Zusammenarbeit – unabhängig von den zwischendurch immer wieder auftretenden fraktionellen Reibun­gen – eine Begegnung auf Augenhöhe war.

So gesehen scheide ich schon mit ein bisschen Wehmut aus, weil diese kleine, aber feine zweite Kammer mir auch persönlich viel gegeben hat, das ich auch gerne in den Nationalrat mitnehmen werde.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für das zukünftige Wirken im Bundesrat alles Gute! Ich wünsche dem Bundesrat insgesamt gute und weise Entscheidungen. Ich denke, wenn die Bundesräte ihr Zusammenwirken, ihre persönlichen Kontakte untereinander und ihren Umgang auf Augenhöhe, auch zwischen den Fraktionen, beibehalten, wie ich das kennengelernt habe, dann wird dieser Bundesrat noch viel Gutes für unser Land bewegen können. In diesem Sinne: alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

15.11


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Herbert!

Als Nächster gelangt Herr Vizepräsident Mag. Gödl zu Wort. – Bitte.

 


15.11.28

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Da wir nun beim vorletzten Tagesordnungspunkt an­gekommen sind und beim letzten Tagesordnungspunkt keine Debatte vorgesehen ist, möchte ich so wie mein Vorredner die Gelegenheit nutzen, um mich bei euch sehr herz­lich zu bedanken.

Ich war im Verhältnis ja relativ kurz im Bundesrat, ich habe nicht ganz vier Jahre hier verweilt. Ich habe nachgerechnet: Es waren genau 1 378 Tage, davon hatte ich mehr als die Hälfte, nämlich 707 Tage, die ganz große Ehre, dieser Kammer als Vizepräsi­dent zwar nicht vorzustehen, aber doch an ihrer Führung mitzuwirken. Ich empfinde das durchaus als besondere Gnade.

Ich habe zu meinem 18. Geburtstag – ich habe damals ein Jahr in Mexiko verbracht – in mein Tagebuch geschrieben, dass ich unbedingt eine gewisse Zeit meines Lebens als Politiker verbringen möchte. Warum? Ich habe dort ganz andere Lebensverhältnis-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 110

se erlebt – ich war in einer sehr armen Gegend – und habe mir gedacht, dass ich ein­fach dort, wo ich zu Hause bin – in meiner Gemeinde, in meinem Umfeld –, mitgestal­ten und Verantwortung übernehmen möchte.

So habe ich damals – zurück aus Mexiko – damit begonnen, eine parteifreie Jugend­gruppe aufzubauen. Ich habe dann das Glück gehabt, schon drei Jahre später die Bür­germeisterstelle meiner Gemeinde zu erobern; ich war damals der jüngste Bürgermeis­ter von Österreich. Ich war dann 20 Jahre lang Bürgermeister und danach zehn Jahre im steirischen Landtag, wo ich vor allem die Themen Umwelt und Kinderbetreuung be­arbeitet habe. Ich habe dann den Sprung nach Wien geschafft und war nun, wie ge­sagt, fast vier Jahre im Bundesrat.

Nun habe ich die nächste für mich große Aufgabe und die große Ehre, ab 9. November dem Nationalrat anzugehören, noch dazu mit einem großen Vertrauensvorschuss aus meiner Region, denn ich habe, wie ihr vielleicht gehört habt, über 7 000 Vorzugsstim­men sammeln können.

Das ist natürlich eine besondere Herausforderung, aber ich empfinde auch besondere Dankbarkeit, dass ich schlussendlich auch alle Stationen des politischen Gestaltens, al­so alle Ebenen, durchlaufen konnte beziehungsweise kann – Gemeinde, Landtag, Bun­desrat und Nationalrat.

Ich freue mich natürlich auf diese neue Aufgabe. Ich war aber auch sehr gerne in die­ser zweiten gesetzgebenden Kammer und habe – auch in meiner Funktion als Vizeprä­sident – versucht, so aktiv zu sein, dass der Bundesrat – ganz besonders nach außen hin – ein gutes Gesicht hat.

Ich habe versucht, in dieser Zeit sehr viele Termine wahrzunehmen. Ich habe sehr vie­le Vertretungen übernommen und habe sehr oft und sehr gerne Einladungen in Bot­schaften angenommen – einerseits, um Menschen kennenzulernen, aber andererseits auch, um diesem Bundesrat nach außen hin ein gutes Erscheinungsbild, einen guten Auftritt zu geben, weil wir diese Möglichkeit im Präsidium ganz besonders haben.

Ich habe viele nette Menschen aller Fraktionen kennengelernt, mit verschiedensten Ein­stellungen und Interessen für verschiedenste Themen, und es war mir echt eine ganz große Ehre.

Ich möchte mich daher sehr herzlich bedanken, vor allem bei dir, lieber Herr Präsident. Du hast mich auch insofern gefördert, als du mir dann den Vorsitz im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zugesprochen hast, was mir eine besondere Ehre war.

Ich möchte mich auch bei meiner Kollegin Ingrid Winkler herzlich bedanken. Wir haben uns immer gut ergänzt und abgestimmt. Einen Monat lang durfte ich auch mit Inge Posch-Gruska gemeinsam Teil des Präsidiums sein; ich darf mich auch bei dir herzlich bedanken.

Ich darf den Fraktionschefs herzlich danken: Monika, Nicole, Reinhard und ... (Ruf bei der ÖVP: Martin!) – Martin! – Martin, du bist so jung als Fraktionschef! (Allgemeine Hei­terkeit.)

Es war mir, wie gesagt, eine außerordentliche Freude, aber ganz besonders eine gro­ße Ehre, diesem Haus und dieser Kammer anzugehören. Ich kann euch versichern, wir werden uns auch in nächster Zeit des Öfteren begegnen, und ich werde sicher immer ganz gerne an diese gemeinsame Zeit zurückdenken. – Glück auf! Alles Gute! (Allge­meiner Beifall.)

15.15


Präsident Edgar Mayer: Danke lieber Vizepräsident Ernst Gödl! Danke für dein En­gagement als Mitglied der Präsidiale, als Ausschussvorsitzender, wie du es erwähnt


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 111

hast, und als Leiter von Sitzungen, und vor allem auch für deine Aufgabe als Vertreter des Bundesrates bei parlamentarischen Anlässen im In- und Ausland, die du immer in deiner stets freundlichen und sympathischen Art, mit Menschen umzugehen, auf her­vorragende Weise wahrgenommen hast!

Du warst wirklich ein großartiger Botschafter des Bundesrates. Wir wünschen dir alles Gute, weiterhin viel Glück und Erfolg! Geh, gehe mit Gott! (Bundesrat Gödl: Danke! – Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)

*****

15.15.30

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Entschlie­ßungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aus­gleichsmaßnahmen für besondere Erschwernisse des Exekutivdienstes im Nachtdienst ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig. Geht doch! (All­gemeine Heiterkeit.) Der gegenständliche Entschließungsantrag 239/A(E)-BR/2017 ist somit angenommen. (E 251-BR/2017.)

15.17.1015. Punkt

Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in mit Wirksamkeit vom 9. November 2017

 


Präsident Edgar Mayer: Nunmehr gelangen wir zum 15. Punkt der Tagesordnung. Die­se Wahl eines Vizepräsidenten oder einer Vizepräsidentin für das zweite Halbjahr 2017 ist durch das Ausscheiden des bisherigen Vizepräsidenten des Bundesrates Mag. Ernst Gödl mit Ablauf des 8. November 2017 erforderlich geworden.

Es liegt mir der Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Sonja Ledl-Rossmann zur Vizepräsidentin des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich darf Kollegin Ledl-Rossmann fragen, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Vielen Dank, geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ich danke für das Vertrauen und nehme die Wahl sehr gerne an. (All­gemeiner Beifall.)

 


Präsident Edgar Mayer: Ich gratuliere recht herzlich und wünsche viel Erfolg!

Nachdem ich mich nun bereits beim Herrn Vizepräsidenten bedankt habe, möchte ich mich auch bei all jenen bedanken, die ihr Schicksal so weiter in die Hand nehmen, dass sie in den Nationalrat oder in den Landtag wechseln. Ich darf mich für eure Kol­legialität, für eure Solidarität und für eure Leistungen im Bundesrat bedanken. Ihr habt nicht nur im Ausschuss oder im Plenum den Bundesrat hervorragend vertreten, son­dern auch in den Bezirken, in den Wahlkreisen und in eurem Bundesland dafür ge­sorgt, dass der Bundesrat entsprechend wahrgenommen wird. Wir sind etwas traurig, freuen uns aber auch mit euch und wünschen euch weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

Und so, wie es Herr Bundesratspräsident a.D. Lindner angesprochen hat, wird es mir ein großes Anliegen und Bedürfnis sein, die ausgeschiedenen Kolleginnen und Kolle-


BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 112

gen zu einem entsprechend geziemenden Empfang einzuladen, dessen Termin dann noch gemeinsam abgesprochen wird. – Herzlichen Dank! Alles Gute! (Allgemeiner Bei­fall.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.19.28Einlauf

 


Präsident Edgar Mayer: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 3258/J-BR/2017 und 3259/J-BR/2017, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als voraussichtlich nächster Sitzungstermin wird Mittwoch, 20. Dezember 2017, 9 Uhr, beziehungsweise Donnerstag, 21. Dezember 2017, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Das wird natürlich noch von der Präsidiale festgelegt und hat eine Auswirkung darauf, wie groß die Tagesordnung sein wird. Dazu werden wir dann natürlich entsprechend früh­zeitig Informationen aussenden.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 19. Dezember 2017, vorgesehen.

Danke, ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag!

Diese Sitzung ist geschlossen.

15.20.26Schluss der Sitzung: 15.20 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien