11.09.58

Präsident Edgar Mayer: Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In wenigen Tagen werden die Vorarlberger den Vorsitz in der Länderkammer und in der Landes­haupt­leute­konferenz an Wien übergeben.

„Gemeinsam Perspektiven schaffen“ war das Motto des Vorarlberger Vorsitzes. Das Ge­meinsame bezog sich dabei nicht nur auf das Land Vorarlberg mit Landeshaupt­mann Markus Wallner, sondern auch auf das Gemeinsame unter uns Bundesräten.

Anfangen ist einfach, durchhalten mühsam, zu Ende bringen eine Kunst – gerade in der Politik, wo es ja selten ein Ende gibt, sondern ein stetes Weitermachen, Verändern und Verbessern gefragt ist. In diesem Sinne habe ich versucht, meinen Beitrag zum Verändern und Verbessern zu leisten. Zentrales Anliegen meiner Präsidentschaft war es, einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Europäischen Union zu liefern. Wenn wir schon als Europakammer bezeichnet werden, ist das schließlich eine zentrale Ange­legenheit des Bundesrates. Eine Weiterentwicklung der EU kann es aber nicht geben, ohne dass die Basis Europas, die Regionen und Kommunen die Richtung vorgeben.

Österreich ist, was die Beteiligung an Subsidiarität betrifft, ein Musterland, da sich bei uns im Bundesrat, sozusagen in Kooperation mit den Ländern, etwas Vorbildliches für ganz Europa entwickelt hat. Wir sind, was die Kooperation mit den Bundesländern anbelangt, beim AdR Best-Practice-Beispiel. Das kann man voller Stolz, glaube ich, immer wieder erwähnen. Diese Zusammenarbeit mit den Ländern hat der Bundesrat in den letzten sechs Monaten noch ausgebaut.

Anfang Juli habe ich Österreich in Estlands Hauptstadt Tallinn bei der Konferenz der Europaausschüsse vertreten. Mit dem Premierminister des EU-Vorsitzlandes Estland Jüri Ratas konnte ich dabei ein sehr gutes Gespräch über die Sicherheit in Europa, die Digitale Agenda und die Brexit-Verhandlungen führen. Im November besuchte ich auf Einladung des estnischen Parlamentspräsidenten Eiki Nestor noch einmal das Parlament des EU-Vorsitzlandes Estland in Tallinn, um insbesondere auch die Digitale Agenda zu studieren – unglaublich, was dieses kleine Land im digitalen Bereich für Leis­tungen erbringt.

Mitte September habe ich mit dem Vorsitzenden der Landtagspräsidentenkonferenz Ing. Hans Penz bereits die Grundlagen für die Konferenz der Landtagspräsidenten in Brüssel besprochen und ihn über die spätere EU-Enquete und die AdR-Konferenz informiert. Die nächsten Schritte zur EU-Enquete wurden dann in Brüssel beim Präsi­denten des Europäischen Ausschusses der Regionen Karl-Heinz Lambertz unternom­men, wo wir den Juncker-Plan zur Zukunft der EU und die regionalen Autonomiebe­stre­bungen in Europa besprochen hatten.

Am 7. November befasste sich dann der Bundesrat im Rahmen einer parlamen­ta­rischen Enquete mit dem Thema „Die Zukunft der EU  aus Sicht der Bundesländer und Regionen“. Damit widmete sich der Bundesrat einmal mehr dem Thema EU und Subsidiarität. Der Kreis der Eingeladenen war hochrangig: EU-Kommissar Johannes Hahn, der Präsident des Ausschusses der Regionen Karl-Heinz Lambertz, die Land­tags­präsidenten Hans Penz, Christian Illedits, Viktor Sigl und Harald Sonderegger sowie viele Experten, unter anderen auch EU-Gemeinderäte, gaben Impulse zu diesen Themenbereichen.

Zielsetzung dieser parlamentarischen Enquete war es, eine Debatte darüber zu führen, in welchen Politikbereichen ein Handeln der EU erforderlich ist und welche Kom­petenzbereiche besser auf Ebene der Nationalstaaten, der Regionen und der Kom­munen behandelt werden könnten. Der Sukkus aus diesen Gesprächen und der Enquete des Bundesrates: Die EU soll weniger effizienter machen, sich auf die Haupt­themenbereiche konzentrieren, sich also verstärkt dem Subsidiaritätsgedanken wid­men, sodass die Bürgerinnen und Bürger auch einen Mehrwert erkennen können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Wenige Tage nach der Enquete wurde in Brüssel mit der Europakonferenz der deut­schen und österreichischen Landtagspräsidenten und dem AdR-Präsidenten Karl-Heinz Lambertz die AdR-Konferenz in Wien vorbereitet. Welche Schicksale mit der Zukunft der EU verbunden sind, hat mir etwa der irische Botschafter Tom Hanney gezeigt, als ich mit ihm über den Brexit gesprochen habe. Der Austritt Großbritanniens aus der EU bringt eine Menge Probleme für die offene Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Landesteil Nordirland mit sich.

Diese Schwierigkeiten waren ein zentrales Thema, als eine Delegation des Bundes­rates Mitte November zu Gesprächen nach Irland eingeladen wurde. Beim Meeting mit dem irischen EU-Ausschuss, dem Präsidenten des Senates, dem Präsidenten des Nationalrates wurden die großen Herausforderungen für Irland in Bezug auf Grenz­situation, Zoll und Staatsbürgerschaft mit Nordirland besprochen. Der Vorsitzende des EU-Ausschusses Michael Healy-Rae verwies dabei auf Österreichs wichtige Rolle in diesem Zusammenhang, da Österreich 2018 bei den Endverhandlungen zum Brexit den Vorsitz in der EU führen wird. Das irische Volk, welches sehr proeuropäisch einge­stellt ist, braucht die Unterstützung der EU und ist sehr dankbar über die Gespräche, die wir mit ihnen geführt haben.

Auch bei einem Treffen in der Hofburg mit dem EU-Ausschuss des Landtages aus Bayern standen der Juncker-Plan, die Subsidiaritätsprüfung und der Föderalismus im Mittelpunkt eines Gedankenaustausches. In betont freundlicher Atmosphäre verlief Ende November auch der Besuch des tschechischen Senatspräsidenten Milan Štěch in Wien. Zur Sprache kamen vor allem aktuelle Herausforderungen auf Ebene der EU wie die unverständliche Asyl- und Migrationspolitik der Visegrádstaaten und die Russ­landsanktionen.

Weitere parlamentarische Gespräche konnte ich mit dem Bundesratspräsidenten aus Deutschland, zugleich regierender Bürgermeister in Berlin, Michael Müller, dem Schweizer Ständeratspräsidenten Ivo Bischofberger und der Vizepräsidentin des chinesischen Volkskongresses Lin Wenyi führen.

Viele weitere Termine waren erforderlich, um den Höhepunkt dieses Halbjahres, die 8. Subsidiaritätskonferenz des Europäischen Ausschusses der Regionen, vorzube­reiten. Wie Entscheidungen in der EU möglichst effizient und bürgernah, subsidiär, wie wir heute schon gehört haben, getroffen werden können, war das zentrale Thema die­ser Subsidiaritätskonferenz am 4. Dezember hier in der Hofburg auf Einladung des Bundesrates – und darauf sind wir auch sehr stolz.

VertreterInnen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments, der estnischen EU-Ratspräsidentschaft sowie der Bundesländer, Gemeinden und Städte der EU kamen in der Hofburg zusammen, um die Rolle der nationalen und regionalen Parlamente im Subsidiaritätsmonitoring sowie die neuesten Entwicklungen rund um die von der Europäischen Kommission eingesetzte Taskforce für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu diskutieren. Die Taskforce wird ihre Arbeit am 1. Jänner auf­neh­men und soll ihren Bericht bis zum 15. Juli 2018 der Europäischen Kommission vorlegen. Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat sich im November auch mit den Ergebnissen der Enquete und des Weißbuches des Juncker-Planes befasst und dazu eine Mitteilung an die Kommission in Brüssel verfasst.

Sie sehen, Europa war das zentrale Thema unserer Länder- und Europakammer in den letzten sechs Monaten. Ein zweites Thema, dem sich der Bundesrat nachhaltig seit drei Jahren widmet, übrigens als erstes europäisches Parlament, ist die Digita­lisierung. Dazu habe ich Mitte Juli mit Verfassungsschutzchef Peter Gridling und And­reas Kovar zunächst das Grünbuch „Digitalisierung und Demokratie“ präsentiert. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger konnten sich von da an über www.digidem.at am Diskussionsprozess zu den einzelnen Themen des Buches beteiligen.

Anfang September wurden das Buch und die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung, die daraus entstanden ist, im Palais Epstein präsentiert. Höhepunkt betreffend dieses Thema war schließlich das Symposium des Bundesrates am 4. Oktober im Dachfoyer der Hofburg. Mehr als hundert TeilnehmerInnen diskutierten mit Experten und Bundes­minister Harald Mahrer über die Rolle sozialer Medien in Wahlkampagnen, die Aus­wirkungen von Fake News auf Wahlkämpfe, die Gefahren von Internetkampagnen sowie über digitale Bürgerbeteiligung, E-Government und E-Voting.

Der österreichische Bundesrat hat sich der wichtigen Aufgabe angenommen, die Chan­cen, die Herausforderungen und Gefahren der Digitalisierung aufzuzeigen. Wir werden dazu heute auch zwei Entschließungsanträge einbringen, damit sich der Verfassungs-ausschuss des Bundesrates unter der Leitung von Dr. Magnus Brunner und der Zukunftsausschuss des Bundesrates unter der Leitung von Stefan Schennach mit dem Thema Digitalisierung auch weiter auseinandersetzen können.

Ich bin sehr froh darüber, dass auch die neue Bundesregierung die Wichtigkeit der Digita­lisierung erkannt hat und durch eine Zuordnung in das Wirtschaftsministerium auch einen klaren Fokus auf dieses Thema legt. Das ist eine wichtige und starke Botschaft für dieses dynamische Zukunftsthema. Wir wünschen Ihnen, Frau Minister, viel Freude und viel Erfolg damit. (Allgemeiner Beifall.)

Zurück zu meinem Heimatland Vorarlberg: Wir haben uns nicht nur in der Landes­hauptleutekonferenz, sondern auch im Bundesrat in Wien mit viel Engagement einge­bracht. Einiges davon hat man bereits gehört. In der Sitzung des Bundesrates Anfang Oktober stellte unser Landeshauptmann Markus Wallner im Parlament die Ziele des Ländervorsitzes vor und hat dafür auch eine gewisse Zeit aufgewendet. Erstmals hat ein Landeshauptmann im Bundesrat über eine Stunde lang gesprochen. Wenn man aber Themen aus Vorarlberg hier entsprechend präsentiert, dann könnte man natürlich einen ganzen Tag dafür verwenden, und es würde einem nie langweilig werden. Das kann ich hier in aller Deutlichkeit anfügen. (Heiterkeit des Bundesrates Oberlehner.)

Wie gesagt, unser Motto war „Gemeinsam Perspektiven schaffen“, und das haben wir auch bereits im September bei einem „Treffpunkt Vorarlberg“ in Wien entsprechend dargestellt.

Einen weiteren Schwerpunkt des Parlaments möchte ich nicht vergessen, weil ich auch Mitglied des Nutzerbeirates bin. Im Juni und Juli dieses Jahres wurde das gesamte Parlament – Nationalrat und Bundesrat samt allen MitarbeiterInnen – in die Hofburg beziehungsweise in die Pavillons übersiedelt. Wir haben hier eine neue und attraktive Möglichkeit erhalten, unsere Sitzungen abzuhalten, und für mich ist es auch eine schöne Symbolik, wenn hier Nationalrat und Bundesrat im gleichen Plenarsaal tagen können.

In diesem Zusammenhang darf ich meinen ganz besonderen Dank an die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion mit Parlamentsdirektor Dr. Harald Dossi und Mag. Alexis Wintoniak an der Spitze richten. Es war eine großartige organi­satorische und logistische Leistung. – Höchsten Respekt und herzlichen Dank an alle! (Allgemeiner Beifall.)

Damit komme ich zum Schluss und mache gleichzeitig einen Ausblick in die Zukunft. Wir haben mittlerweile eine neue Bundesregierung, die diese Woche von Bundesprä­sident Alexander Van der Bellen – in Klammern: herzlich – angelobt wurde. Bundes­kanzler und Vizekanzler haben schon in den Koalitionsgesprächen eine Einigkeit ge­zeigt, die wir in Österreich bei solchen Gesprächen lange vermisst haben.

Die neue Regierung hat es sich nun zum Ziel gesetzt, den Reformstau zu beenden und damit auch notwendigerweise in die Verfassung einzugreifen. Damit kommt in den nächsten Jahren auch dem Bundesrat eine wichtige Rolle zu. Wir Bundesrätinnen und Bundesräte sind ein wenig stolz, einen besseren Umgang untereinander zu haben, als es im Nationalrat zumeist der Fall ist. Dieser Umgang, dieses kollektive Miteinander auf sachpolitischer Ebene sollte auch in Zukunft erhalten bleiben – okay, Herr Kollege Stögmüller? (Bundesrat Stögmüller: Verstanden!) – Jawohl. (Heiterkeit.)

Ich appelliere somit an euch alle, eure Funktion als Mandatare der Länderkammer nach bestem Wissen und Gewissen auch in Zukunft wahrzunehmen und nicht in Ver­suchung zu geraten, politisches Kleingeld zulasten des Bundesrates zu machen. Wir haben, das wissen wir alle, keinen leichten Stand in der Bevölkerung, die unsere Tätig­keit auch immer wieder infrage stellt. Wenn wir in Zukunft primär dadurch auffallen, dass wir jene vom Großteil der Bevölkerung gewünschten Reformen blockieren, dann wird diese Bevölkerung völlig zu Recht unsere Funktion in diesem Hause weiter kritisieren.

Konrad Adenauer hat gesagt: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen!“ – Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir hier nicht wirklich haben, das soll hier nicht so funktionieren. Adenauer hat dann aber auch ge­sagt: „Jede Partei ist für das Volk da und nicht für sich selbst.“ (Bundesrat Lindinger: Richtig, genau!) – Richtig.

Abschließend darf ich mich sehr herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesratskanzlei und allen MitarbeiterInnen des Parlamentsdienstes für die großar­tige Unterstützung und die feine Zusammenarbeit bedanken. Stellvertretend für alle tue ich das bei Direktor Dr. Susi Bachmann und Frau Monika Schweitzer-Wünsch. (Allge­meiner Beifall.) – Da kann man applaudieren, ja.

Meinem Nachfolger Reinhard Todt aus Wien wünsche ich bei der sicher nicht leichten Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten eine ruhige Hand, alles Gute und viel Erfolg.

Ich danke euch allen für den Support während meiner Präsidentschaft, wünsche euch – auch euch auf der Regierungsbank – samt Angehörigen ein gesegnetes Weih­nachtsfest, erholsame Tage und dass wir voller Elan und in guter Gesundheit im Neuen Jahr an positiven Veränderungen für Österreich arbeiten können. Lassen Sie uns weiter „Gemeinsam Perspektiven schaffen“. – Ich danke. (Allgemeiner Beifall.)

11.24