13.10.06

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz! Sehr geehrter Herr Vizekanzler Strache! Liebes neues Regierungsteam! Liebe Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Als Frank Stronach im April 2013 bereits zwei Landtagswahlen recht erfolgreich geschlagen hatte, mit 10 und 11 Prozent, kam er zu uns und sagte, er hätte gerne Sebastian Kurz in seinem Team (Heiterkeit bei der ÖVP), eine Reformbewegung in Österreich mit guten Leuten hätte ein Potenzial von 30 Prozent und er würde Sebastian Kurz zum Bundeskanzler machen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Der Stronach?)

Ja, Herr Sebastian Kurz, Sie sind heute Bundeskanzler, Sie können Ihrem Schicksal nicht entrinnen, Sie wären auch unter Frank Stronach Bundeskanzler geworden. (Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Preineder: Da siehst du, wie gut der Kurz ist, der hat dem Frank sogar gefallen!)

Wir haben auch vor dieser Nationalratswahl im Jahr 2017 noch versucht, ein gutes Team zusammenzustellen. Wir haben Gespräche geführt, unter anderen intensiv mit Dr. Josef Moser, dem ehemaligen Rechnungshofpräsidenten, den wir gerne gehabt hätten. Ich freue mich, dass Dr. Josef Moser jetzt im Regierungsteam ist. Und wir hätten natürlich auch gerne Dr. Karin Kneissl im Team gehabt; wir haben auch mit ihr Gespräche geführt (Vizekanzler Strache: Die Besten sitzen hier!), wir haben sogar gemeinsam mit Dr. Karin Kneissl ein Buch herausgebracht:  „Wachablöse – Auf dem Weg in eine chinesische Weltordnung“. Das Buch ist sehr zu empfehlen, lesen Sie es! Ich freue mich sehr, Frau Dr. Kneissl, dass Sie auch im Regierungsteam vertreten sind. Das ist wirklich ein Topteam – die Republik ist in guten Händen.

Zur Außenpolitik: Wir haben im Jahr 2018 den EU-Vorsitz. Österreich hat über 1 000 Jahre eine tragende und führende Rolle in Europa innegehabt, und ich finde, Österreich sollte auch in Zukunft Europa aktiv mitgestalten und die Rolle als unbe­deutender Nebendarsteller im Konzert der internationalen Mächte ablegen. Das heißt in der Außenpolitik auch wieder Allianzbildungen, auch mit unseren ehemaligen Mo­narchiepartnern. Allianzen sind wichtig, auch im Hinblick auf die EU-Integration der Balkanländer, im Hinblick auf einen gemeinsamen Außengrenzschutz für die EU. In diese Richtung sollten wir gehen.

Zum Thema Steuern oder Steuerquote senken: Wo muss Österreich hin? – Wir müs­sen ausgeglichene Budgets zustande bringen, und Steuerpolitik ist gleichzeitig auch immer Standortpolitik. Ein ganz wesentlicher Beitrag dieser Regierung wird sein, die Steuerquoten auf ein vernünftigeres Niveau oder zumindest auf das Niveau von Deutschland herunterzubringen, um im internationalen Wettbewerb wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wir haben erst gestern in Amerika die Körperschaftsteuersenkungen durchbekommen (Bundesrätin Zwazl: Wir?), der Trend geht in Richtung niedrigerer Körperschaftsteuern für Unternehmen bei gegengleicher Reduzierung der Steuerausnahmen. Das sollten wir auch in Österreich andenken, nämlich bei der KÖSt Eingriffe zu machen, beson­ders folgende Thematik betreffend: Gewinne, die nicht ausgeschüttet werden, verblei­ben im Unternehmen und werden für zukünftige Investitionen verwendet. Das schafft zukünftige Arbeitsplätze. Diese zu besteuern macht keinen Sinn, Gewinne sollten erst bei Ausschüttung besteuert werden.

Für den neuen Herrn Finanzminister: Was auch ein Thema in Österreich ist, ist die steuerliche Schlechterstellung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital. Ich kann ein Unternehmen finanzieren mit Fremdkapital, mit Bankkrediten oder über Eigenkapital. Wenn ich es aber über Eigenkapital finanziere, kann ich den Aufwand der Finanzie­rungskosten, den ich bei Fremdkapital zum Beispiel als Zinsaufwand habe, nicht steuerlich absetzen. Das heißt, wir brauchen hier quasi kalkulatorische Eigenkapital­zinsen, die wir steuerlich abschreiben könnten, oder wir machen sogar die tatsäch­lichen Gewinnausschüttungen quasi als Aufwand für Eigenkapital steuerlich absetzbar.

Zu den Steuerausnahmen. Es gibt 558 Begünstigungen bei den Lohn- und Einkom­men­steuern; das hat auch Herr Dr. Moser angesprochen. Da geht es um die Über­stunden, um die Zulagen, um die Abfertigungen, um die ganzen Kostenpauschalen, um Sachbezüge. Diese Begünstigungen, diese Steuerausnahmen gehören beseitigt, um auch hier die Überregulierung zurückzufahren.

Und eines sollte man auch nicht vergessen, auch wenn wir immer wieder fordern, die Körperschaftsteuern sollten wir herunterfahren: Die Unternehmen leisten bereits gewinnunabhängig Gewaltiges für den ganzen Sozialbereich im Staat. Eine der größten Einnahmen für den Staat sind die Sozialbeiträge. Die Sozialbeiträge sind dop­pelt so hoch wie unser Lohnsteueraufkommen und doppelt so hoch wie unser Mehr­wert­steueraufkommen. Und da reden wir von gigantischen Beträgen, da reden wir von über 50 Milliarden Euro pro Jahr, die über die Sozialbeiträge von den Unternehmen geleistet werden. Das heißt, unser ganzer Sozialstaat wird eigentlich durch die von den Unternehmen gezahlten Löhne, an denen sämtliche Sozialabgaben hängen, aufrecht­erhalten, und diese können das auch nur zahlen, weil sie wettbewerbsfähig sind und Umsatzeinnahmen haben.

Umso wichtiger sind daher auch Reformen im Gesundheitsbereich, bei den Sozial­versicherungen. Da gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Zulassung des Wettbewerbs zwischen den Sozialversicherungen, dann wird die ganze Verwaltung automatisch schlank, oder Reduktion auf wenige Sozialversicherungen. Wir haben bei den Sozial­ver­sicherungen 360 Beitragsgruppen – diese Zahl gehört extrem reduziert.

Auch das Thema Pensionen gehört angesprochen. Wir haben 1971 eine durchschnitt­liche Pensionsbezugsdauer von acht Jahren gehabt, 1991 eine durchschnittliche Pen­sionsbezugsdauer von 15 Jahren, und heute haben wir eine durchschnittliche Pen­sionsbezugsdauer von 22 Jahren. Das müssen wir finanzieren, das müssen die Jun­gen finanzieren. Das ist etwas aus dem Ruder gelaufen, da muss etwas getan werden.

Dann haben wir den großen Bereich der Verschlankung der Verwaltung. Zwei Priori­täten hätte ich diesbezüglich, die erste betrifft die Ländergesetzgebungen in Öster­reich. Wir haben zehn Gesetzgebungen: neun auf der Landesebene – mit neun Lan­desparlamenten – und eine auf der Bundesebene. Das ist für einen kleinen Staat wie Österreich völlig überdimensioniert. Wir tun nach wie vor so, als wären wir eine große Monarchie. Da gibt es gewaltiges Einsparungspotenzial.

Wir brauchen keine neun unterschiedlichen Jugendschutzgesetze, keine neun unter­schied­lichen Pflegegesetze, keine neun unterschiedlichen Bauordnungen, keine neun unterschiedlichen Tierschutzgesetze, keine neun unterschiedlichen Wohnbauförde­rungs­­gesetze, keine neun unterschiedlichen Kinderbetreuungsgesetze, keine neun unter­schiedlichen Mindestsicherungsregeln, keine neun unterschiedlichen Landeslehrer­dienst­rechte und auch keine neun unterschiedlichen Besoldungsrechte für Ärzte. Da ist viel Spielraum, um die Effizienz zu heben.

Die zweite Priorität ist der Steuerwettbewerb unter den Ländern – diesen befürworte ich auf jeden Fall. Geben Sie den Ländern die Möglichkeit, eigene Steuern einheben zu können, am besten bei der Körperschaftsteuer oder der Einkommensteuer. Da könnte man mit KÖSt-Länderaufschlägen arbeiten. Das heißt, der Bund gibt einen geringeren Steuersatz vor, und die Länder haben dann die Möglichkeit, etwas drauf­zuschlagen oder nicht. Steuerwettbewerb zwischen den Ländern bis hinunter auf die Gemeindeebene führt zu niedrigeren Steuersätzen, Steuerwettbewerb führt zu schlankeren Landesverwaltungen und Steuerwettbewerb führt zu attraktiveren Stand­orten für Unternehmen.

Auch zur Infrastruktur habe ich einen Vorschlag: Gründen wir doch eine österreichi­sche Investitionsbank – eine österreichische Investitionsbank, gefüttert mit Eigen­kapital, indem wir die zukünftigen Steuereinnahmen des Bundes verbrieft in die Bank einbringen –, und finanzieren wir damit Infrastrukturinvestitionen oder auch andere Zu­kunftsinvestitionen.

Der Vorteil wäre, dass wir quasi zinslos finanzieren können, denn wenn diese Bank österreichische Staatsanleihen zeichnet, bleiben die Zinseinnahmen der Bank in österreichischen Händen und können per Gewinnausschüttungen wieder an den Staat zurückgeführt werden; das heißt, wir hätten eine zinslose Finanzierung. Theoretisch könnte so eine Bank in österreichischer Hand auch bestehende Staatsanleihen zurück­kaufen und über einen Zeitraum von zwanzig Jahren den gesamten österreichischen Staat entschulden.

Ein Punkt noch, den ich als ehemaliger Generalsekretär des Österreichischen Badmin­ton Verbandes erwähnen will. Ich will damit den Herrn Vizekanzler Strache an­sprechen, er ist ja jetzt auch für den Sport zuständig. Einsparungen bei den Sozialversicherungen sollten in den Sport zur Gesundheitsvorsorge investiert werden: Vergessen Sie bitte den Sport im Rahmen der Gesundheitsvorsorge nicht, investieren Sie in die Sport­verbände, in die Ausbildung der Lehrwarte, der Übungsleiter und auch in die Sport­infra­struktur. Überlegen Sie sich noch einmal, das allgemeine Rauchverbot auch in der Gastronomie beizubehalten; das macht schon Sinn!

In den letzten Wochen – ich komme zum Schluss – fragen mich viele Leute, wie meine politische Zukunft nach dem Team Stronach aussieht. (Allgemeine Heiterkeit.) Nun, da die meisten Regierungsmitglieder – ich habe es vorher angesprochen – bereits Stronach-Personenpräferenzen sind, fällt mir meine Entscheidung nicht mehr allzu schwer. Das gesamte neue ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm ist ein anspruchsvolles Reformprogramm und erhält meine volle Unterstützung. Ich arbeite gerne mit Spitzen­leuten und einzigartigen Ausnahmeerscheinungen zusammen. Gute Leute ziehen gute Leute nach.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz, ich bitte Sie um Aufnahme des letzten verblie­benen Stronach-Mannes in diesem Parlament in Ihr Team. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich bitte Sie um Aufnahme des Bundesrates Mag. Gerald Zelina, sprich meiner Person, in die türkise ÖVP. (Bundesrätin Zwazl: Na, das ist aber nicht möglich!) Vielen Dank und alles Gute dem neuen Regierungsteam! (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall. – Der Redner reicht Bundeskanzler Kurz die Hand und überreicht ihm das erwähnte Buch.)

13.22

Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Zelina! Ich möchte nur anfügen: Sehr bemerkenswert! (Allgemeine Heiterkeit.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Dr. Ewa Dziedzic. – Bitte, Frau Kolle­gin. (Bundesrat Preineder – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bun­desrätin Dziedzic –: Ewa, du auch? – Bundeskanzler Kurz: Du auch? Geht schon!)