14.33.04

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Vize­kanzler! Frau Ministerin und die Herren Minister! Es ist nicht einfach, als vorletzte Rednerin hier noch irgendwelche neuen Aspekte oder neue Dinge in die Diskussion zu werfen.

Ich möchte anmerken, dass ich der Regierung bei ihrem Streben nach einem neuen Stil des Regierens und der Zusammenarbeit viel Glück und Erfolg wünsche. Wir in Salzburg versuchen ja in den letzten Jahren, einen neuen Stil der Zusammenarbeit mit der ÖVP in der Regierung zu leben, und das, glaube ich, auch mit sehr viel Erfolg und sehr viel Anerkennung, auch vonseiten des Wählers. Ich glaube, dass das wichtig ist, und hoffe, dass es der ÖVP auch mit diesem Partner gelingt, tatsächlich einen neuen Stil hereinzubringen.

Was ich irgendwie schade finde, ist, dass Sie als ÖVP gleichzeitig Verdienste früherer Regierungen offensichtlich überhaupt nicht mehr der Erwähnung wert finden, zum Beispiel, dass es schon 2016 eine Steuerreform gegeben hat, die durchaus erheblich war. Es war eine Steuerreform mit einem Gesamtrahmen von 4,4 Milliarden Euro, die deut­liche Einkommensgewinne für viele Bevölkerungsgruppen gebracht hat, wenn­gleich die Ärmsten, die nicht steuerpflichtig sind, auch da durch den Rost gefallen sind.

Dadurch ist das Land aber schon in Richtung 40 Prozent unterwegs. Das Regierungs­programm bleibt eigentlich hinter der guten Spur oder dem richtigen Weg zurück, auf dem wir da schon waren. Ich glaube daher, es besteht keine Notwendigkeit, das Licht in Bezug auf Dinge, die in der letzten Legislaturperiode positiv gestaltet wurden, unter den Scheffel zu stellen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich wollte noch einmal – mein Vorredner hat es kurz erwähnt – darauf eingehen, dass ich es sehr begrüße, dass Josef Moser jetzt die Agenden der Verwaltungsreform, der Föderalismusreform übernommen beziehungsweise übertragen bekommen hat. Es ist ein Thema, das uns sicherlich auch im Bundesrat massiv beschäftigen wird.

Für mich persönlich waren solche Fragen einer der wesentlichen Gründe, mich in Richtung Bundesrat zu engagieren: Wie kann es gelingen, den Föderalismus besser zu organisieren? Wie kann es gelingen, das effizienter und kostengünstiger bei mindes­tens genauso gutem Service für die Gemeinden, für die Länder und damit für die Bürger zu organisieren? – Das ist eine endlose Geschichte, wenn wir nur an den Öster­reich-Konvent denken.

Die Vorschläge, die Expertenmeinungen liegen auf dem Tisch, sind bekannt, und Moser ist natürlich der Experte, den man da an Bord holen konnte. Es ist zu hoffen, dass er in seiner Arbeit erfolgreich sein wird; wenngleich die Hoffnung dafür nicht allzu groß ist, weil er zwar das Thema in seinem Ressort hat, ihm die eigentlichen Kom­petenzen jedoch fehlen.

Wenn ich an den wichtigen Bereich Gesundheit denke, wo es angeblich ein Milliar­deneinsparungspotenzial gibt, wo es darum geht, all die Transferströme und so weiter zu entflechten, die Zuordnungen der Verantwortungen zu klären: Das ist nicht sein Ressort.

Desgleichen Bildung: Auch im Bildungswesen krankt es bei uns, wenn man sich die internationalen Zahlen anschaut, nicht primär daran, dass wir zu wenig Geld für die Bildung allgemein ausgeben, sondern daran, dass zu wenig davon im Klassenzimmer und bei der konkreten Arbeit ankommt, und daran, dass es ein großes Wirrwarr darum gibt, wer nun tatsächlich die Elementarpädagogik finanziert, aus welchen Töpfen, und ob auch nächstes Jahr das Geld dafür da sein wird – das Gleiche gilt für die Pflicht­schulbildung –, und wo die Verantwortung tatsächlich liegt. Auch das ist natürlich nicht sein Ressort.

So hat auch schon Dr. Bußjäger vom Institut für Föderalismus gemeint, er könne weiterhin nur Dinge anregen. Ich hoffe aber, dass es nicht dabei bleibt, dass er weiter einer der wichtigsten Ideengeber in diesem Bereich ist, sondern dass das auch zu einem Erfolg führt. Ich hoffe auch, dass sich der Bundesrat da entsprechend einbringt.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass das Prinzip der Subsidiarität, das sich diese Bun­desregierung im Umgang mit der EU ganz groß auf ihre Fahnen heftet, auch im Umgang mit den Ländern und den Gemeinden oberstes Prinzip ist, dass da auf Augenhöhe miteinander umgegangen, verhandelt wird, dass alles, was in diese Richtung geschieht, nicht primär von Zentralismus geprägt, sondern eben vom Geist der Subsidiarität getragen ist, das heißt, dass die Verantwortung mit allen Mög­lich­keiten tatsächlich dorthin delegiert wird, wo sie am besten aufgehoben ist, wo die Menschen vor Ort sie wahrnehmen können, und dass sie auch durch entsprechende Finanzen und so weiter dazu ermächtigt werden.

Da ist nämlich im Programm einiges ziemlich widersprüchlich. ÖVP und FPÖ wollen dieses Prinzip, wonach Grundsatzgesetzgebung Sache des Bundes ist, Ausführungs­gesetze hingegen Sache der Länder sind, zugunsten eines anderen Prinzips verlas­sen. So soll die Frage der Mindestsicherung entsprechend gegenüber den Ländern durchgesetzt werden.

Oder wenn ich daran denke, dass das Bundesdenkmalamt neu aufgestellt werden soll: Heißt das jetzt Verländerung, heißt das Zentralisierung dieser Agenden? Oder wenn wir an die Übersiedlung des Umweltbundesamtes nach Klosterneuburg denken: Soll das Verländerung sein, oder was soll eine solche Maßnahme in dem Sinn darstellen?

In vielen Bereichen ist das Regierungsprogramm also noch sehr widersprüchlich und erschöpft sich in vielen Überschriften. Die Dinge, die im Finanzausgleich schon paktiert sind, die eben in diese Richtung gehen, sollen weiter ausgebaut werden. Man muss aber sagen, dass sie nicht so funktionieren, dass das nicht auch eine Drohung sein könnte.

Nehmen wir zum Beispiel die Kleinkindbetreuung, die Elementarpädagogik: Die Ver­ord­nungen sind sehr spät gekommen, das wurde dann mit 15a-Vereinbarungen auf ein Jahr verlängert. Für die Gemeinden ist es eine wirklich unerträgliche Situation, nicht planen zu können, nicht zu wissen, wie es nächstes oder übernächstes Jahr weiter­gehen soll. Das kann es also wirklich nicht sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber auch unter Schwarz-Rot gemacht worden!) Was nicht gelungen ist, ist, da organisa­torisch auf klare Richtlinien zu setzen.

Oder zum Beispiel Pflegeregress: Das Geld, das doch in die Länder hätte fließen müs­sen, das meiner Meinung nach auch bei den Gemeinden ankommen müsste, ist ausgeblieben. Dieser ganze Bereich der Pflege, ihre Finanzierung, ihre Organisation, wurde also weggelassen. Ich glaube, dass da in Zukunft, in den nächsten Jahren, massiver Handlungsbedarf besteht.

Noch kurz zur Reform der Arbeitslosenunterstützung: Die Notstandshilfe soll integriert werden. Was heißt das unter Umständen für die Gemeinden und vor allem für die Länder? Da geht es ja um nicht unwesentliche Zahlen. Die Notstandshilfe ist ja bis jetzt als Versicherungsleistung unter Umständen bis zur Pension gewährt worden. Wenn die Menschen nun nach einem Jahr in die Mindestsicherung fallen, werden die Finan­zierung und so weiter bei den Ländern hängen bleiben. Das ist also eine massive Umstellung, eine massive Veränderung der Finanzierung und auch des gesamten Sozial­wesens.

Das betrifft ja nicht wenige Menschen; im Jahr beantragen 350 000 Personen Not­standshilfe. Mit Verwandtschaft, also mit Angehörigen, sind 420 000 Menschen betrof­fen. Die sind jetzt von der Aussicht bedroht, gleich in der Mindestsicherung zu landen, wobei sie ihre Eigentumswohnung hergeben müssen, ihr Auto hergeben müssen, ihr ganzes Vermögen hergeben müssen, bevor es ihnen möglich ist, Mindestsicherung zu beziehen. Zusätzlich stellt sich für die Länder die Frage: Wie soll das finanziert wer­den?

Ich halte das wirklich für eine massive Bedrohung, damit wird eigentlich durch die Hintertür eine Hartz-IV-ähnliche Lösung eingeführt. Ich glaube, da besteht noch viel Diskussions- und Handlungsbedarf, um bessere Lösungen zu finden als Hartz IV in Deutschland. Diese Lösung hat in Deutschland tatsächlich zu massiver Verarmung ganzer Stadtviertel geführt; der Niedriglohnbereich macht ein Viertel aus. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist unter Rot-Grün beschlossen worden! Das sag’ ich nur! Rot-Grün war das!) – Ich stehe nicht in Sippenhaftung mit den deutschen Grünen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich sag’s nur, damit es nicht vergessen wird!) Der Niedriglohnbereich macht schon ein Viertel aus, bei uns sind es derzeit nur 14,8 Prozent. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir werden auf die detaillierteren Gesetzesvorschläge in diesem Bereich warten, aber ich bitte Sie wirklich dringend, bei dieser Debatte die Ärmsten der Armen und jene, die aus diesem System zu fallen drohen, im Blickfeld zu haben. Wir werden das sicher tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, und das hat Rot-Grün beschlossen!)

14.44

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Poglitsch. – Bitte, Herr Bundesrat.