16.01.23

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Minister! Kollegen, Kolleginnen! Tatsächlich, es ist nicht alles schlecht, aber es ist auch keine technische Hülle, wie Kollege Brunner vorhin ausgeführt hat, und ich möchte Ihnen sagen, wieso. (Bundesrat Brunner: Ich habe gar nicht gesprochen, sondern Kollege Seeber! Gut, die Frisur ist ja ähnlich! – Bundesrat Schennach: Brunner hat nicht geredet!) – Verzeihung! Danke! Eine gemeinsame Berichtigung somit.

Tatsache bleibt: Es ist keine technische Hülle, und das wird an der Auflösung der Ministerien für Gesundheit und Frauen sowie für Familien und Jugend sichtbar. Ich bin der Meinung: Wenn man in die Vergangenheit schaut, vergisst man sehr leicht auf die Zukunft, und die schwarz-blaue Zukunft in Bezug auf Frauen- und Familienpolitik verheißt nichts Gutes. Sie reduziert nämlich die Frauenagenden auf reine Familien­angelegenheiten, und das Familienverständnis dabei ist kein nach vorne gerichtetes, sondern leider ein reaktionäres.

Das liest sich dann so: „Die Familie als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemein­samen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesell­schaft“ und so weiter und so fort. Das ist zwar richtig, auf der anderen Seite ein bisschen 1950er-Jahre, weil es die Patchworkfamilien, die AlleinerzieherInnen, aber auch gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, bei denen diese Kinder glücklich aufwachsen, vollkommen außer Acht lässt.

Eine technische Hülle ist es auch deshalb nicht, weil sich hier ideologisch vor allem die FPÖ mit ihren antifeministischen Weiblichkeitskonzepten durchgesetzt hat. Mit den Passagen zum Lebensschutz, denke ich, wird auch die ÖVP glücklich sein. Jedenfalls regt die neue Bundesregierung zum Beispiel mehr Unterstützung und Beratung von Schwangeren an, wohl wissend, dass es vor allem Letzteres in Österreich bereits flächen­deckend gibt.

Und auch der 12-Stunden-Tag, der heute schon ein paar Mal angesprochen worden ist, hat gerade auf Frauen und Familien gravierende Auswirkungen, von denen auf AlleinerzieherInnen ganz zu schweigen. Auch für moderne Männer, die gerne Teile der Familienarbeit übernehmen würden, etwa indem sie in Karenz gehen, ihre Arbeitszeit verkürzen oder einen echten Papa-Monat nehmen würden, findet sich in dem Pro­gramm kein Angebot. Alles in allem: Ein Frauenministerium wird in den nächsten Jahren sehr fehlen.

Sie werden wissen, dass nächstes Jahr nach 20 Jahren wieder ein Frauenvolks­begeh­ren stattfinden wird. Die derzeitige Regierung geht überhaupt nicht auf dessen Forde­rungen ein. Deshalb haben auch über 70 Organisationen und viele prominente und weniger prominente Einzelpersonen den offenen Brief des Frauenvolksbegehrens unterzeichnet. Einige von Ihnen werden ihn vielleicht kennen. Da heißt es: „,Heimat großer Töchter und Söhne ...‘,“ – hoffentlich bleibt das so nach dem, was ich heute von Herrn Strache gehört habe – „so steht es in der Bundeshymne. Wir Frauen wenden uns an all jene, die in den nächsten Jahren über unsere Zukunft entscheiden. Knapp 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gehört den Frauen wieder nur jeder dritte Sitzplatz im Nationalrat. Das ist nicht genug. Wir Frauen sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Wir fordern dementsprechend Mitsprache. Der Hälfte der Bevöl­kerung steht die Hälfte der Macht und die Hälfte des Geldes zu.“ Das ist leider in Österreich noch immer keine Selbstverständlichkeit, und deshalb werden wir weiterhin auch ohne ein Frauenministerium auf genau diese Forderungen pochen.

Auch wenn sich einige von Ihnen wünschen mögen, dass es auch im Bundesrat keine Grünen gäbe, so sage ich Ihnen: Ich bin die letzte Rednerin hier und wünsche uns allen trotz aller Differenzen friedvolle Feiertage und einen guten Rutsch und nächstes Jahr eine gute Zusammenarbeit. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

16.05