14.18.09

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine ganz eigenartige Rolle, jetzt als Grüner hier zu stehen, zwischen der SPÖ, Edgar Mayer und der FPÖ – und alle gegeneinander. Wir als Grüne sind da jetzt ideologiebefreiter und sagen: Jetzt schauen wir uns das wirklich pragmatisch an. (Allgemeine Heiterkeit.) – Ja, auch mich überrascht es. (Bundesrätin Mühlwerth: Ideologiebefreit – wie soll das gehen?) – Ideologiebefreiter.

Ich hätte mir, ehrlich gesagt, bei diesem Projekt, bei dieser Aktion auch mehr Zeit und eine ordentliche Evaluierung gewünscht, bevor man sie vielleicht abdreht. Das hätte ich mir ganz ehrlich bei der gesamten Geschichte erwartet. Leider hat hier die neue Bundesregierung nicht lange gefackelt und diese Maßnahme mittels Umlaufbeschluss relativ schnell abgedreht und eingestellt. Ich glaube aber nach wie vor, dass diese Maßnahme ein höchst wirkungsvolles und eigentlich billiges Instrument der Arbeits­marktpolitik sein könnte, da im Hintergrund Menschen stehen, die immerhin über 50 Jahre alt und länger als ein Jahr arbeitslos sind und bisher als Einzige von der sich am Arbeitsmarkt gerade verbessernden Situation gar nicht profitieren. Und sie hätten von dieser Maßnahme profitiert.

Mit dem Zurücknehmen dieser Aktion folgt Schwarz-Blau meiner Meinung nach mehr der Ideologie als einer sinnvollen und zielführenden Arbeitsmarktpolitik. Man sollte wirklich ideologiebefreiter die Fakten diskutieren, eine gescheite Evaluierung machen und schauen: Bringt es etwas oder bringt es nichts?

Meiner Meinung nach sprechen die Zahlen schon eher für sich, dass man hier etwas machen muss. Im Schnitt sind 50-Jährige um 40 Prozent länger arbeitslos als Junge und mehr als fünfmal so lang arbeitslos. Das ist schon eine unglaublich hohe Zahl: 40 Prozent länger arbeitslos und fünfmal so lang wie Jüngere, weil natürlich auch die Rückkehr schwieriger ist. Das hat einerseits gesundheitliche Gründe, andererseits liegt es oft an der schlechteren Ausbildung, wo es schwierig ist, für sie neue Weiter­bildungen anzubieten und so weiter, und auch beim Wohnort ist man in dem Alter nicht mehr so flexibel. Daher müssen wir uns hier verstärkt bemühen, diese Menschen wieder in die Arbeit zu bringen.

Was auch auffallend ist bei den über 50-Jährigen: 40 Prozent aller Menschen, die über 50 Jahre alt sind, gehen nicht als Erwerbstätige in Pension, sondern aus Arbeits­losigkeit und Krankenstand. 40 Prozent! Ich glaube, das muss uns schon aufhorchen lassen. Da müssen wir etwas tun, da müssen wir Angebote schaffen!

Jetzt zu den Kosten. Frau Kollegin Anderl hat das schon angeführt, ich möchte es nur ein bisschen konkretisieren; ich habe mir das nämlich auch angeschaut, auch wieder an den Fakten und an den Zahlen: Ein Arbeitsloser kostete das AMS 2016 inklusive Sozial­leistungen in etwa 17 400 Euro. Mit der Aktion 20.000 wird das einerseits eingespart, weil man die ja nicht mehr übers AMS zahlen muss. Die Gesamtkosten eines Beschäftigungsverhältnisses – wenn man mit einem Bruttoeinkommen von unge­fähr 1 600 Euro im Monat rechnet, sind das im Jahr 29 000 Euro – muss man dem gegenüberstellen. Das ergibt eine Differenz von 11 600 Euro. Das sind aber, genau genommen, gar keine echten zusätzlichen Kosten, die anstehen, sondern aus dem Beschäftigungsverhältnis werden auch 9 700 Euro für Versicherungsleistungen bezahlt und bei 1 600 Euro brutto noch ungefähr 1 000 Euro Lohnsteuer abgeführt. Das heißt, diese Maßnahme ist ökonomisch ein Nullsummenspiel, wenn man sich das ein bisschen größer anschaut als nur in diesem einen Fall, dass man einfach nur unterstützt und Geld hineinschiebt. Dazu muss man auch noch die Konsumfrage beachten. Ein Mensch, der 1 600 Euro brutto oder mehr verdient, gibt ja auch etwas für Konsumgüter aus und kauft ja ein.

Dass das also alles über Nacht abgedreht wird, diese Aktion sozusagen gekillt worden ist, noch bevor – und das ist wichtig – die Wirkung überhaupt eingetreten ist oder evaluiert werden konnte, ist meiner Meinung nach (Bundesrat Schennach: Na sag es! Sag es!) schon ein bisschen symbolpolitisch, weil es einfach abgedreht worden ist.

Ob es ein Wahlgeschenk ist? – Ich gebe Ihnen recht, ich glaube auch, dass es eindeutig bei der Wahl – das habe ich dazumal schon kritisiert (Bundesrat Schennach: Aber, aber!) – ein schönes Wahlzuckerl war: Jetzt geben wir diese Aktion raus. Man hätte nämlich mehrere Jahrzehnte Zeit gehabt, solche Aktionen umzusetzen. (Bundesrätin Mühlwerth: Da applaudiere ich dir! – Demonstrativer Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.) Ja, es ist so.

Ich habe damals nicht nur das kritisiert. Ich bin hier gestanden – ihr braucht nicht den Kopf zu schütteln – und habe gesagt, die Aktion ist meiner Meinung nach zu büro­kratisch. Man hätte hier eine unbürokratische Lösung finden können. Man hätte eine viel größere Gruppe einbeziehen können. Man hätte bei der ganzen Aktion auch Nachhaltigkeit schaffen sollen. Das sind auch alles Punkte, die ich bei der Ak­tion 20.000 kritisch sehe.

Dennoch wieder: Ich sehe es als sinnvolle Maßnahme. Die Aktion 20.000 war ein Schritt in die richtige Richtung, nicht nur sozial- und arbeitsmarktpolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch ein wichtiger Schritt.

Frau Sozialministerin, einerseits danke ich Ihnen wirklich und finde es sehr sinnvoll, dass man eine Anfragebeantwortung so macht: Fakten und Daten. Das finde ich sehr gut: anstatt einfach nur Worthülsen hinzuwerfen, wo dann keiner mit den Zahlen mitkommt, Fakten und Daten, die wir evaluieren können und mit denen wir auch etwas anfangen können; dafür möchte ich Ihnen ganz ehrlich danke sagen. Andererseits erwarte ich mir von Ihnen, hier wirklich ideologiebefreit hinzuschauen und für ältere Menschen dementsprechende Alternativen in der Beschäftigung anzubieten.

Wir werden diese Arbeitsmarktdaten weiterhin ganz genau kontrollieren und schauen, dass sie sich auch wirklich in die richtige Richtung entwickeln. Ich bin zumindest gespannt. Ich gebe Ihnen eine Chance, dass wir hier wieder eine Aktion schaffen. Wie die dann heißt oder wie das dann ausschaut – wir Grüne sind zu allem bereit, was den Menschen da draußen hilft! Das ist das Allerallerwichtigste, nicht irgendwelche Aktio­nen oder sonst etwas, sondern wichtig ist, dass es ihnen hilft. Ich halte es für einen richtigen Schritt, aber wie gesagt, es gibt auch andere Möglichkeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.24

Präsident Reinhard Todt: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat René Pfister. Ich erteile es ihm.