BundesratStenographisches Protokoll875. Sitzung, 875. Sitzung des Bundesrates am 8. Februar 2018 / Seite 73

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hätte ich fast zu raufen begonnen. Ich war in einem sehr distinguierten Geschäft, wo ein äußerst distinguiertes Paar, bestens gekleidet in Chanel, mit einem Baby ins Geschäft hereingegangen ist und geschaut hat. Das kleine Kind hat ein paar Muckser gemacht – ich weiß nicht, warum –, und die vornehme Mama hat das Kind genommen und ihm ein paar auf den Hintern gehauen. Da habe ich mich eingemischt, fast ist es rabiater geworden. – Man darf nicht zuschauen! Das betrifft alle Menschen, die in der Republik Verantwortung haben. (Allgemeiner Beifall.)

Ich kann mich gut erinnern: Mein Heimatgymnasium war Waidhofen an der Thaya, da war der Bezirksförster ein massiger Mann, der alleinerziehender Vater war, weil die Mutter schon früh gestorben war. Alle haben schon gewusst, dass es dort nicht gut zugeht. Er hat einen Buben gehabt, der 16 Jahre alt war. Dieser ist zum Vater ins Amt gegangen und hat sagt: Vater, gehst du zum Elternsprechtag? Darauf hat der Vater gesagt: Ja, sicher. Der Bub hat eine Pistole herausgezogen und sich über den Haufen geschossen. Alle waren sehr erschüttert, die Lehrer, die Professoren, die Schul­kameraden – wir waren ein Jahr auseinander. Was ist der Hintergrund gewesen? – Alle haben es gewusst, aber es hat keiner hingeschaut, es hat keiner geredet. Das ist die Ursache für solche Dinge. Wenn sich Kinder umbringen, dann ist ja schon alles aus! Da gab es einen Brodem von vorangegangenen Übelkeiten, wo jeder verant­wortlich ist, hinzuschauen, zu reden und Abhilfe zu suchen.

Deshalb behaupte ich, dass dieser Bericht der Volksanwaltschaft von großer Bedeu­tung ist. Er sollte als Grundlage genommen werden, nicht zur Tagesordnung überzu­gehen, ihn abzulegen, sondern er ist eine Grundlage für unendliche weitere Mühen an Verbesserungen, die angebracht sind. Ein klein wenig haben wir auch Grund, über Positives zu sprechen.

Ich komme noch einmal auf mein Hauptthema zurück: chronisch kranke Kinder in der Schule. In dem Symposium, von dem ich Ihnen die Unterlagen geben durfte, war auch Thema, dass es gilt, an der Rechtslage etwas zu verbessern. Im Unterrichts­minis­terium weiß man alles, ist man sehr gut informiert. Es gab zum Beispiel den Bericht, dass es einen Vorfall gab – das war in Oberösterreich, aber das ist wurscht, das hätte überall sein können –, bei dem die Lehrerin zur Mutter gesagt hat, ich greif nichts an. Es ging um ein diabetisches Kind, das überwacht und gespritzt werden hätte müssen. Die Lehrerin sagte: Sie bleiben draußen im Auto, und wenn etwas ist, hole ich Sie herein. – Das ist natürlich unmöglich. Warum? – Die Lehrerin, sage ich, ist nicht bös­artig. Sie war furchtsam, weil die Handreichung zugunsten des diabetischen Kindes, die natürlich rechtens ohne Weiteres möglich gewesen wäre, eventuell, wenn etwas schiefgegangen wäre, obwohl kein solcher Bericht je vorgelegen ist, zu theoretischen Ansprüchen geführt hätte.

Mein Anliegen beim damaligen Symposium im Jahr 2015 war, dass solche Hilfs­reichun­gen einfachster medizinischer Art Fälle der Amtshaftung und nicht der Indivi­dualhaftung sein müssen, sodass also für den Fall des Falles, sollte etwas schief­gehen, der Anspruchsteller zuerst einen Amtshaftungsanspruch stellt, der komplex genug ist, und erst dann, wenn ein Amtshaftungsanspruch durch ein Gericht positiv beschieden worden wäre, der theoretische Fall der Organhaftung eintreten würde. Ich war 42 Jahre lang Rechtsanwalt, ich weiß, wovon ich rede, ich kenne keinen einzigen Fall einer erfolgreichen Organhaftung.

Im Bildungsreformgesetz 2017 – das muss ich immer herunterlesen, weil es ein so langer, unschöner Begriff ist; das ist aber wurscht ist es gelungen, diese geforderte Rechtslage herbeizuführen, dass gewisse medizinische Tätigkeiten durch Lehrper­sonen eindeutig der Ausübung von Dienstpflichten zuzuordnen sind, sodass also diese Befürchtungsebene weg ist.

 


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