11.21.02

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Ich möchte vorausschicken, dass wir das ursprüngliche Gesetz, also die Neuberechnung der Einheitswerte, die die Grundlage für die Sozialversiche­rungsbeiträge darstellen, aber eben auch für Kammerumlage, Kirchensteuer und alles andere, ebenfalls für schlecht halten, weil dadurch die sozialen Ungerechtigkeiten in­nerhalb der Landwirtschaft verschärft werden, weil Kleinbetriebe dadurch massiv be­nachteiligt werden und das Bauernsterben, beschönigend Strukturbereinigung genannt, sich dadurch noch massiv verstärken wird. Wir verlieren derzeit zwei bis drei Höfe täg­lich, und das wird so weitergehen.

Für den Einheitswert Neu wird ja ein Drittel der Direktförderung dazugerechnet, wo­durch die eigentlich absurde Situation entsteht, dass jeder vierte Fördereuro sofort durch die Abgabenerhöhung abgeschöpft wird. Die Auswirkungen auf die Betriebe ha­ben wir uns ja auch genauer angeschaut: Wenn ein Einheitswert von 5 000 Euro jetzt um 1 000 Euro steigt, sind um 788 Euro höhere Abgaben fällig. Wenn der Einheitswert 15 000 Euro beträgt und wieder diese Steigerung um 1 000 Euro erfolgt, sind es nur 468 Euro; bei 130 000 Euro nur 19 Euro. Dies bedeutet also eine massive Benachteili­gung gerade der Betriebe in kritischen Situationen, der Betriebe mit den größten Schwierigkeiten.

Ziel des Gesetzes war sicher die Sanierung der Kasse, die massiv davon betroffen ist, dass die Zahl der Beitragszahler immer geringer wird, die Zahl der Pensionisten steigt und keine Kasse ein so ungünstiges Verhältnis hat wie die Sozialversicherungskasse der Bauern. Das ist bis zu einem gewissen Grad gelungen, aber um den Preis der Gefährdung weiterer Betriebe. Operation gelungen, Patient tot – um es extrem zu for­mulieren.

Gewinner ist übrigens auch die Landwirtschaftskammer (Zwischenrufe bei der ÖVP), denn die Landwirtschaftskammer bekommt immerhin je 1 000 Euro plus bei den Ein­heitswerten 10 Euro; also auch die finanzielle Basis der Landwirtschaftskammer ver­bessert sich.

Wir bleiben dabei, dass eine Reparatur der Einheitswertfeststellung dringend notwen­dig wäre, auszugehen wäre von der tatsächlichen Ertragsfähigkeit. Das Ganze sollte nicht durch die Einrechnung der Förderungen in dieser Form verzerrt und auch verwal­tungstechnisch ziemlich unmöglich gemacht werden. Ohne eine deutliche Entlastung der besonders betroffenen Betriebe zwischen 5 100 und 10 000 Euro Einheitswert wird unsere kleinbäuerliche Landwirtschaft, die zwar in Sonntagsreden immer wieder be­schworen wird, den Bach runtergehen.

Dass das Ganze offensichtlich viel zu kompliziert geworden ist, ist eigentlich noch das Tüpfelchen auf dem i. Es war offensichtlich nicht möglich, zeitgerecht Bescheide und so weiter auszustellen. (Bundesrat Mayer hält einen grünen Apfel in die Höhe.) – Das ist kein kleinbäuerlich erzeugter Apfel! (Bundesrat Mayer: Aber ein grüner!) – Es ist ein grüner Apfel, aber ich vermute, dass der aus der Agrarindustrie kommt, nicht von unseren kleinbäuerlichen Betrieben. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen ohne Fraktionszugehörigkeit.) Es gab also EDV-Probleme. Und mit den heute zu beschließenden Regelungen soll nun eine Ungleichbehandlung der Landwirte, derer mit und derer ohne Bescheid, hintangehalten werden. Da kommt es zu Rückerstattun­gen, und man versucht eben, dieses verwaltungstechnische Chaos etwas aufzulösen. Da es sich dabei um den Schutz Betroffener vor Gesetzgebung und Behörde handelt, noch dazu Betroffener, die es besonders nötig haben, stimmen wir dieser Regelung heute zu – aber nicht, ohne die grundsätzliche Kritik aufrechtzuerhalten.

Ich möchte sagen, dass diese ganze Frage eigentlich ein weites Feld für unseren Re­formminister wäre. Da wird mit so viel Verwaltungsaufwand das Bauernsterben sogar noch beschleunigt, werden Fördergelder zielsicher in die Verwaltung umgeleitet, wird eine Kammer gefüttert, der die Mitglieder abhandenkommen, und auch die zugehörige Sozialversicherung nur bedingt saniert: Ich denke, da gäbe es Luft nach oben! – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

11.25

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Pum. – Bitte, Herr Bundesrat.