12.09.09

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger|: Hohes Präsidium! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Das ist jetzt ein emotionaler Moment. Ich habe bislang nicht die Gelegen­heit dazu gefunden und möchte hiermit Ihnen allen, die Sie sich hier verabschiedet ha­ben und vielleicht noch verabschieden werden, auch in der neuen, künftigen Rolle alles Gute wünschen. Eine wurde ja als sehr tödlich bezeichnet, nämlich die Pension, ich glaube aber, auch die Pension kann eine sehr schöne Rolle sein. Genießen Sie sie in vollen Zügen!

Ich freue mich und hoffe, dass ich mich heute von Ihnen im Zuge des Jahresberichts noch nicht verabschieden muss, was die Maßnahmen, Agenden und Aktivitäten dieses Berichtes und Tagesordnungspunktes betrifft, erlaube mir aber auch, das Wort zu er­greifen, um einige Punkte, die angesprochen wurden, zu vertiefen, vielleicht das eine oder andere auch noch etwas besser erklären zu können.

Im Hinblick auf die EU-Ebene ist es durchaus erfreulich, dass in diesem Bericht klar zum Ausdruck kommt, dass sich die gesamte europäische Region sehr positiv entwi­ckelt, was das Wachstum betrifft. Zu den Aussagen der Vorrednerinnen und Vorredner möchte ich festhalten, dass es schon eine wichtige Grundlage ist, dieses Wachstum in einer stabilen, nachhaltigen Form zu haben, nämlich gleichzeitig auch im Bereich der Beschäftigung und damit auch im Bereich des sozialen Umfeldes und des sozialen Friedens eine ganz wichtige Grundlage zu haben. Das steht in unmittelbarem Zusam­menhang miteinander, und so gesehen sollten wir uns freuen, dass es nicht nur in Österreich in einer besonderen Ausprägung, sondern darüber hinaus auch in unseren Partnerländern in Europa eine sehr gute Entwicklung gibt.

Die Schwerpunkte, sie wurden schon angesprochen, die natürlich insbesondere auch aufgrund unserer Ratspräsidentschaft im Fokus stehen, die mit Mitte des Jahres begin­nen wird – über sie wurde heute ja schon von meinem Ministerkollegen Gernot Blümel berichtet –: Wir haben im Bereich der Finanz eine besondere Fokussierung auf das Thema Bankenunion. Das ist ein Schwerpunkt, der angesprochen wurde. Hier ist mir wichtig, auch noch dahinter zu setzen, dass es eine klare österreichische Position dazu gibt.

Diese Bankenunion besteht aus drei Pfeilern: auf der einen Seite das aufsichtsrechtli­che Thema, das im Wesentlichen schon formuliert und in Richtlinien definiert ist. Die zweite große Säule der Risikominderung, der Risikoreduktion ist das, worauf wir der­zeit die volle Energie legen, um damit die Sicherheit zu haben, dass der dritte Pfeiler, über den jetzt schon vorab diskutiert wird und den auch einige Länder in Europa schon vorab fordern, nämlich das Thema der Risikoverteilung, auch unter dem Begriff Edis bekannt, die Einlagensicherungsthematik, erst dann in die Realisierung kommen darf, wenn es gelungen ist, auch diese Risikoreduktion europaweit zu erreichen. Daher ist es auch nicht die Idee Österreichs, irgendetwas zu verzögern oder zu bremsen, son­dern es geht darum, dass wir sicherstellen, dass eine europäische Einlagensicherung nicht dazu führt, dass unsere Spargelder, die in Österreich von unseren Österreiche­rinnen und Österreichern angelegt sind, möglicherweise als Risikogelder zum Aus­gleich für jene Länder und jene Banken gelten, die ihre Hausaufgaben im Bereich der Risikoreduktion nicht gemacht haben. Das ist also eine klare Position, die dazu führen soll, dass wir von der sicheren Seite aus diese Vollendung der Bankenunion auf euro­päischer Ebene erreichen.

Im Bereich der Kapitalmarktunion – das wurde bereits angesprochen – geht es primär darum, aufsichtsrechtliche Themen zu sichern. Es gibt auch ein großes Projekt in die­sem Zusammenhang, bei dem wir als Österreich durchaus Treiber sind. Es geht da­rum, ein paneuropäisches Pensionsprodukt zu entwickeln, das im Bereich der sozialen Sicherheit, im Bereich der privaten Vorsorge auf europäischer Ebene eine Unterstüt­zung geben soll, damit wir europaweit und damit auch in Österreich noch eine zusätz­liche Stärkung in diesem Bereich erfahren.

Im Bereich Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion gibt es einen Vorschlag der Europäischen Kommission, der Anfang Dezember des letzten Jahres präsentiert wur­de. Darin enthalten sind mehrere Punkte, und ja, auch im Sinne einer Vorrednerin an­gesprochen, es geht hier darum, das nicht einfach nur durchzuwinken oder Dynamik draufzulegen, es geht darum, auch dort sinnhafte Punkte herauszuheben. Wir haben zwei Punkte, die wir von Österreich her stark unterstützen, das ist der ESM, bei dem es darum geht, diesen Bereich auch als Backstop-Lösung für den sogenannten Single Re­solution Fund, den Abwicklungsfonds für Banken, zu stärken, damit auch dieses Geld für eine vernünftige Sicherung im Bereich der Bankenabwicklungen genommen werden kann, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der ESM auch in der Lage ist, einen euro­päischen Währungsfonds in einer Funktion zu entwickeln, um so nicht nur auf den In­ternationalen Währungsfonds angewiesen zu sein, der der europäischen Linie durch­aus nicht immer Folge leistet, wie wir beispielsweise bei Griechenland gesehen haben. So gesehen wollen wir uns als Europa selbständiger aufbauen und den ESM stärken, um das zu entwickeln.

Das zweite Thema, das wir in diesem Bereich auch durchaus positiv sehen, reicht wie­der in das Thema Bankenunion hinein, wobei es darum geht, klare Ziele zu definieren. Für die Risikoreduktion hat man in der Roadmap 2016, die Ihnen vor zwei Jahren si­cherlich auch präsentiert wurde, zwar den Ansatz der Bankenunionsequenzierung be­schlossen, man hat aber keine Kriterien genannt, man hat keine Ziele gesetzt, und jetzt gehen halt einige Länder davon aus, dass sie die Risikoreduktion schon erreicht hät­ten. Wir haben zwar Reduktionen, die im Bericht auch dargestellt sind, es gibt aber ei­nige Länder, und das ist nicht nur Griechenland, die von diesen Risikoreduktionen noch weit, weit weg sind. Wir wollen sicherstellen, dass auch die richtigen Schritte ge­setzt wurden.

Was wir nicht wollen – und das ist auch der Punkt, der kritisiert wurde, dass es da Zu­rückhaltung gäbe –: Ja, wir sind nicht nur zurückhaltend, sondern wir sind ablehnend, wenn es darum geht, eine neue Funktion in Europa zu erfinden, nämlich einen euro­päischen Finanzminister, der de facto von der Kommissionsseite her in der Verantwor­tung stehen soll. Das wäre eine Unterwanderung unserer Ratsfunktion und würde auch unsere regionale Verantwortung in dem Bereich – und auch Ihre hier im Hohen Haus – letztendlich schwächen, und Sie hätten und wir hätten nicht mehr die Chance, Ent­scheidungen im finanz- und steuertechnischen Bereich auf EU-Ebene zu tragen, wenn eine solche kommissionelle Funktion eingerichtet würde. Diesen Vorschlag lehnen wir ab, und so gesehen stehen wir da bewusst auf der Bremse.

Die Fiskalkapazität auszuweiten, auch einer dieser Vertiefungsvorschläge, zielt darauf ab, zusätzliche Budgetmittel aus den einzelnen Mitgliedstaaten zu nehmen, um eine über den ESM hinausgehende Krisen- und Schocksicherheit zu erreichen. Da gibt es Vor­schläge, die eine Verdoppelung des bisherigen Beitrages des EU-Budgets vorsehen. Aus meiner Sicht ein Wahnsinn, kann nicht sein, darf nicht sein und ist auch nicht not­wendig. Unsere, die Linie Österreichs ist, klar dagegen vorzugehen und dafür zu sor­gen, dass wir den ESM stärken, denn der hat gegenüber den Ländern, in denen er wirksam wird, die Möglichkeit, der Notwendigkeit von Reformen entsprechende Dinge einzufordern. Eine reine Fiskalkapazität nach derzeitigem Vorschlag wäre ein Verfü­gungsgeld auf europäischer Ebene, das dann auch nach europäischem Recht, unab­hängig von unseren parlamentarischen Entscheidungen verfügbar wäre. Das heißt, es gibt einfach Themen, bei denen wir uns als Österreich bewusst dagegenstemmen.

Letzter Punkt, den ich konkret vertiefe, weil es angesprochen wurde und ich vielfach auch als Verhinderer im Bereich Country-by-Country zitiert werde – um es klarzustel­len –: Diese Vereinbarung wurde im Jahr 2016 mit voller Unterstützung Österreichs – Österreich hatte hier sogar eine Treiberfunktion – auf EU-Ebene beschlossen. Diese Country-by-Country-Vereinbarung gilt und funktioniert. Das bedeutet, dass in den Ländern und zwischen den Ländern Europas und – ein wichtiger Faktor – darüber hi­naus auf OECD-Ebene und auf G-20-Ebene diese Country-by-Country-Vereinbarung ihre Gültigkeit hat. Wir werden erstmals im Herbst 2018 diese Berichte bekommen und werden die Chance haben, damit den Steuervermeidungstendenzen von Konzernen zu begegnen. Das heißt, die volle Transparenz ist gegeben, und wir werden die Chance haben, auf internationaler Ebene, weit über die EU hinausgehend, diese Country-by-Country-Vereinbarung und -Informationen entsprechend einzusetzen.

Wo ich zurückhaltend bin – und das ist eine Forderung, die ich nachvollziehen kann –, ist, dass es darum geht, das zu veröffentlichen, nämlich die Berichte jener Konzerne zu veröffentlichen und damit, ich sage es bewusst provokant, ein bisschen zur Schau zu stellen. Das hat zur Folge, dass es bereits jetzt von der OECD-Ebene her Bedenken gibt, diese Veröffentlichung durchzuführen. Warum? – Weil es viele Länder außerhalb Europas gibt, die sich jetzt dem Country-by-Country anschließen und klar deklarieren, dass sie, wenn es zur Veröffentlichung kommen sollte, aus diesem Element aussteigen würden.

Der zweite wichtige Punkt ist: Es gibt in Frankreich ein verfassungsrechtliches Urteil, das ein ähnliches Gesetz auf französischer Ebene als verfassungswidrig erklärt hat. Das heißt, das, wofür ich eintrete, ist, eine vernünftige Diskussion nicht nur auf EU-Ebene, sondern auf G-20- und OECD-Ebene zu führen, um einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der bei einer solchen Veröffentlichung letztendlich die Möglichkeit wahrt, übergreifend für alle Nationen gesichert zu sein. Es nutzt uns nichts, wenn wir unsere europäischen Konzerne zur Schau stellen, dem internationalen Wettbewerb ausliefern, wenn uns dann die Nationen, die wir jetzt schon im Boot haben, wieder verlassen wür­den. Das wäre eine eindeutige Verschlechterung der derzeitigen Situation.

Ich ersuche Sie, das auch mitzunehmen, wenn wieder erklärt wird, dass Herr Finanz­minister Löger hier auf der Bremse steht. Der Herr Finanzminister hat die Grundlagen der vollen Transparenz zur Verfügung, um gegen diese Konzerne, die Gewinne ver­meiden, auch entsprechend vorzugehen. Wir wollen aber sicherstellen, dass es nicht zu einer Verschlechterung dieser Transparenz auf internationaler Ebene kommt. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

In Summe gesehen haben wir heuer mit Sicherheit viel zu tun. Ich glaube, es wurde schon angesprochen: Die EU-Ratspräsidentschaft wird uns in die Verantwortung neh­men, viele Dossiers, die vorbereitet wurden, auch für die Vertiefung der Währungs­union, so weit wie möglich abzuschließen. Wir alle wissen, dass nächstes Jahr euro­päische Wahlen vor der Tür stehen. Das wird dazu beitragen, dass wahrscheinlich im heurigen Jahr international noch viele Abschlüsse erwartet werden. Gleichzeitig haben wir parallel dazu die Verantwortung für den Mittelfristrahmen 2021 bis 2027, zu dem ja bereits jetzt die Positionen heiß diskutiert werden: 1 Prozent belassen; das Europäi­sche Parlament sagt: 1,3 Prozent; Herr Kommissar Oettinger sagt: zwischen 1,1 und 1,2 Prozent. – Wir wollen nicht dem Basar von Izmir beitreten, wir stellen klar, dass wir eine inhaltliche Diskussion dazu brauchen, was mit diesen Beiträgen auf europäischer Ebene passieren soll. Wir stehen dafür, dass sich die Europäische Union auf jene The­men konzentriert, für die sie sinnhafterweise eine klare Verantwortung trägt, und jene Themen wieder stärker auf nationale Ebene gehen, die auch im Sinne der Propor­tionalität besser bei uns zugeordnet sind.

In Summe gesehen ist es ein spannendes, interessantes Jahr für uns, und ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam zu den vielen Themen, die es in diesem Bereich gibt, auch weiterhin diskutieren zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Bundesrätin Reiter.)

12.21

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.