12.44.24

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich)|: Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Faßmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Willkommen im Bundesrat, Herr Minister! Ich habe Ihnen ja schon ein paar Mal im Bildungsausschuss und im Wissenschaftsausschuss zuhören dürfen; ich bin immer als Gast dabei gewesen, das war ganz interessant.

Zum Thema Wissenschaft: Seit Jahren wird im Bereich der Hochschulen versucht, die mittlerweile doch eher chronische Unterfinanzierung der Universitäten mittels Zugangs­beschränkungen zu lösen. Ein weiterer elementarer Schritt in Richtung Zugangsbe­schränkungen wurde im Nationalrat von FPÖ und ÖVP mithilfe der NEOS und wird heute auch hier im Bundesrat beschlossen.

Mittels Studienplatzfinanzierung soll es verbesserte Studienbedingungen durch günsti­gere Betreuungsverhältnisse sowie eine Entlastung der universitären Infrastruktur ge­ben – es wird aber eines geben: Zugangsbeschränkungen, und damit ist auch wieder ein Stückchen offener Hochschulzugang in Österreich Geschichte. Dieses Gesetz ist keine echte Studienfinanzierung, nein, das ist es nicht, sondern vor allem eine Studien­platzreduktion. Das ist es leider: eine Studienplatzreduktion!

Ich möchte jetzt aber auch etwas Positives herausstreichen: zum einen, dass nun mit dieser Vorlage umgesetzt wird, was meine Kollegin im Nationalrat Sigi Maurer in der vergangenen Legislaturperiode mit ihrem Entschließungsantrag betreffend Absiche­rung des Uni-Budgets für die LV-Periode 2019–2021 gefordert hat. Das ist jetzt kein Verdienst Ihrer Partei, Herr Minister Faßmann – Sie wissen ja, Ihre ÖVP hat damals im Nationalrat dagegen gestimmt, es waren die Grünen, die Roten, die FPÖ und, wie ich glaube, auch die NEOS, wenn ich mich richtig erinnere –, aber es ist gut, dass es heu­te dazu kommt, dass damit eine Absicherung für die Leistungsvereinbarungsperio­de 2019 bis 2021 erfolgt. Das ist schon einmal sehr positiv.

Mir fehlt jedoch nach wie vor, auch das ist ein Kritikpunkt, die längerfristige Absiche­rung des tertiären Bildungsbereichs. 2 Prozent werden immer wieder versprochen, ich höre immer wieder diese 2 Prozent – der Status quo liegt bei circa 1,7 Prozent des BIPs, da stehen wir. Ich bitte also Sie, Herr Minister Faßmann, auch da tätig zu wer­den – wir haben gerade den Finanzminister hier im Bundesrat gehabt –: Setzen Sie sich dafür ein und verhandeln Sie!

Damit komme ich zurück zum Universitätsgesetz, denn das Ergebnis einer chronischen Unterfinanzierung des Hochschulsektors sind schlechte Studienbedingungen, schlech­te Betreuungsverhältnisse, viele Studierende, wenige Abschlüsse, niedrige Akademi­kerInnenquote. Die AkademikerInnenquote liegt zurzeit bei 15,8 Prozent, wenn man die 25- bis 64-Jährigen mit einem Abschluss ab ISCED-Stufe 6 betrachtet; wir kennen ja alle diese Verschönerung, aber dazu komme ich ohnehin noch beim nächsten Be­richt. Der OECD-Schnitt liegt bei 30 Prozent, wir sind also schon ziemlich weit entfernt von dem, wohin wir eigentlich sollten. Wenn jetzt auch noch Studienbeschränkungen eingeführt werden, wird das die Situation nicht verbessern. Die Studienanfängerinnen machen in Österreich ungefähr 57 Prozent eines Jahrgangs aus – auch da liegt der OECD-Schnitt höher, nämlich bei 61 Prozent, also das ist auch wieder wesentlich hö­her.

Ich gebe Ihnen in dem Punkt recht, Herr Minister, nämlich dass gerade bei der Drop-out-Rate gehandelt werden muss, das haben Sie ja auch im Ausschuss wieder er­wähnt. So liegt der Drop-out in Österreich bei circa 62 Prozent aller AnfängerInnen, da­von sind jedoch 50 Prozent Studierende, die ihr Studium wechseln. Ich weiß nicht, ob man an diesen Zahlen mit dem Verfassen eines Bewerbungsschreibens etwas ändern kann, sondern was es wirklich braucht – und das sind auch unsere primären Forde­rungen vonseiten der Grünen –, ist eine umfassende und frühere Studienberatung be­reits an den Schulen. Damit könnte man eine Umverteilung herbeiführen und die Drop-out-Rate senken.

Damit die Treffsicherheit bei der Studienwahl besser gegeben ist, müssen Schnupper­wochen an den Universitäten und auch an den Fachhochschulen mit der Oberstufe ge­plant und durchgeführt werden. Es braucht bessere und intensivere Betreuung, speziell zu Studienbeginn, um Verzögerungen für die Studierenden im gesamten Studienablauf verringern zu können.

Die Studieneingangsphasen müssen auch als Studienorientierungsphasen – noch ein­mal: Studienorientierungsphasen! – verstanden und neu organisiert werden. Dabei bie­tet sich ein Bündel fachverwandter Lehrveranstaltungen an, die anstelle der aktuellen Steop ausreichend Möglichkeiten der Orientierung gewährleisten.

Eine Frage ist auch, ob die Steop mit der Novelle des Universitätsgesetzes in bestimm­ten Studienfächern überhaupt noch relevant ist; ich habe das auch im Ausschuss an­gesprochen.

Weiters müssen wir auch ganz dringend über die Studienbeihilfeempfänger reden, Herr Minister. Sie wissen, dass 61 Prozent der Studierenden in Österreich mit mindestens 20 Stunden pro Woche erwerbstätig sind – 61 Prozent der Studierenden! Das erhöht natürlich das Risiko eines Drop-outs um einiges, das liegt auf der Hand, glaube ich. Wir sollten uns bei der Studienbeihilfe wenigstens an den EU-Schnitt annähern – davon sind wir aber noch weit entfernt, da müssten wir fast verdoppeln, damit wir auf den EU-Schnitt kommen. Das wäre einmal sinnvoll, das würden wir erwarten.

Herr Minister, jetzt noch einmal ganz konkret dazu, warum wir Grüne die Novellierung des Universitätsgesetzes im Bundesrat heute ablehnen werden: Zum einen werden in der Novelle bei einer Vielzahl der Paragrafen die Grenzen und die Konsequenzen nicht klar abgesteckt. Das heißt, damit haben Sie für sich als Minister – oder für Ihre Nach­folger – ein entsprechendes Hintertürchen offen gelassen, mit dem Sie per Verordnun­gen und Erlässe das ganze Gesetz im Nachhinein noch um einiges verschärfen kön­nen. Das ist für mich ganz klar eine demokratische Aushöhlung des Universitätsgeset­zes und damit auch ein Problem, das wir Grüne mit diesem gesamten Gesetz ganz grundsätzlich haben.

Ich will aber immer auch etwas Positives in Gesetzen finden, und positiv ist meiner Meinung nach, dass die soziale Durchmischung in der Lehre und auch unter den Stu­dierenden zumindest einmal angegangen wird – ich betone: angegangen wird, denn wie das konkret geschehen soll, ist meiner Meinung nach unklar. Es gibt keine klaren Indikatoren, es sind keine im Gesetz definiert, welche die Maßnahmen zur Verbesse­rung der sozialen Durchmischung bei Studierenden messbar machen sollen.

Es sollen – ich weiß, das habe ich auch im Ausschuss gefragt – projektbezogene Gel­der ausgeschüttet werden. Ja, eh – das heißt, man kennt halt jemanden auf der Uni Graz, und dann macht der halt ein Projekt. Eh schön!

Zusätzlich finde ich es, verzeihen Sie mir jetzt diesen Ausdruck, schon etwas schizo­phren, wenn man auf der einen Seite versucht, nicht-traditionelle Studierende kostenin­tensiv auf die Universitäten zu bringen – das kostet ja auch –, und auf der anderen Sei­te Zugangsbeschränkungen einführt. Es werden jetzt schon bei stark nachgefragten Fächern wie unter anderen Medizin, Psychologie, Informatik, Architektur, Pharmazie, Wirtschaft, Biologie oder Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Aufnahmever­fahren durchgeführt. Diese sind natürlich unterschiedlich und reichen von einfachen Anmeldeverfahren bis hin zu schwierigen Aufnahmetests oder sehr umfassenden Zu­lassungsprüfungen. Jeder weiß, Medizin ist solch ein Fach, für das sich viele bewer­ben, aber nur ganz wenige es schaffen.

Die negativen Auswirkungen dieser Zulassungsbeschränkungen sind seit Langem be­kannt; Sie haben das auch im Wissenschaftsausschuss noch einmal erwähnt. Insbe­sondere aus dem Medizinstudium wissen wir, dass seit der Einführung der Zugangsbe­schränkungen im Jahr 2005 der Anteil an Studierenden aus der hohen sozialen Schicht deutlich zugenommen hat – das sind 15 Prozent mehr. Der Anteil Studierender aus der niedrigsten sozialen Schicht hat währenddessen abgenommen – das muss uns zu den­ken geben!

Problematisch ist natürlich auch, dass sich rund um die Aufnahmeverfahren ein regel­rechter, sehr lukrativer Markt entwickelt hat: Der Median bei den Ausgaben von Bewer­berInnen für zugangsbeschränkte Studienfächer liegt im Bereich 101 bis 300 Euro, für Medizin gibt ein Drittel der Befragten sogar mehr als 500 Euro aus – allein für die Vor­bereitungskurse!

Überlegen Sie sich jetzt einmal, wie sich das für BewerberInnen mit wenig Familienein­kommen ausgeht oder für jene, die arbeiten oder Betreuungstätigkeiten haben, denn diese Kurse sind ja auch entsprechend zeitintensiv. Ich sehe das gerade in diesem Be­reich eher sehr skeptisch. (Bundesrätin Mühlwerth: Also was ist der Gegenvor­schlag?) – Du warst vorher nicht da, Monika. Wärst du von Anfang an bei der Debatte hier gewesen, hättest du mitbekommen, ich habe eine Reihe von grünen Vorschlägen beziehungsweise allgemein Vorschläge dazu gebracht, wie man die Unis ausfinanzie­ren könnte. Ich erwähne das jetzt nicht noch einmal, weil die Zeit schon zu Ende geht.

Österreich hat eine der niedrigsten AkademikerInnenquoten Europas und innerhalb der OECD. Anstatt Modelle zu entwickeln, die darauf abzielen, Studieninteressierte vom Studieren abzuhalten, müsste sich die Regierung eigentlich darum bemühen, dass jene, die ein Studium beginnen, dieses auch erfolgreich abschließen können. Das wäre notwendig: nicht Interessierte abzuhalten, sondern sie hin zu einem erfolgreichen Stu­dium zu bringen.

Auch die genaue Höhe der Studienplatzbeschränkungen ist im Gesetz nicht klar gere­gelt. Es entsteht damit der Eindruck, dass die Plätze der Universitäten voneinander ab­hängig gemacht werden – das führt zu einem massiven Eingriff in die Autonomie der Universitäten, und das wollen wir Grüne auf keinen Fall.

Wir Grüne fordern eine adäquate Finanzierung mit mindestens 2 Prozent des BIPs für den tertiären Bildungssektor, eine echte fächer- und hochschulübergreifende Orientie­rungsphase zu Studienbeginn, um die Drop-out-Rate zu reduzieren, eine Verbesse­rung der sozialen Lage der Studierenden – denn: weniger Erwerbstätigkeit ermöglicht höhere Studienaktivität – und die Abschaffung von Zulassungsbeschränkungen.

Leider wird mit dieser Gesetzesvorlage wieder einmal eine Chance vertan und verge­ben, eine wirkliche Verbesserung für die Studierenden, für die Lehrenden und für die Forschenden an den österreichischen Hochschulen zu ermöglichen. Herr Minister, wir Grüne werden, wie schon gesagt, diesem Gesetz nicht die Zustimmung im Bundesrat erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.54

Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.