12.44
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich)
: Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Faßmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Willkommen im Bundesrat, Herr Minister! Ich habe Ihnen ja schon ein paar Mal im Bildungsausschuss und im Wissenschaftsausschuss zuhören dürfen; ich bin immer als Gast dabei gewesen, das war ganz interessant.Zum Thema Wissenschaft: Seit Jahren wird im Bereich der Hochschulen versucht, die mittlerweile doch eher chronische Unterfinanzierung der Universitäten mittels Zugangsbeschränkungen zu lösen. Ein weiterer elementarer Schritt in Richtung Zugangsbeschränkungen wurde im Nationalrat von FPÖ und ÖVP mithilfe der NEOS und wird heute auch hier im Bundesrat beschlossen.
Mittels Studienplatzfinanzierung soll es verbesserte Studienbedingungen durch günstigere Betreuungsverhältnisse sowie eine Entlastung der universitären Infrastruktur geben – es wird aber eines geben: Zugangsbeschränkungen, und damit ist auch wieder ein Stückchen offener Hochschulzugang in Österreich Geschichte. Dieses Gesetz ist keine echte Studienfinanzierung, nein, das ist es nicht, sondern vor allem eine Studienplatzreduktion. Das ist es leider: eine Studienplatzreduktion!
Ich möchte jetzt aber auch etwas Positives herausstreichen: zum einen, dass nun mit dieser Vorlage umgesetzt wird, was meine Kollegin im Nationalrat Sigi Maurer in der vergangenen Legislaturperiode mit ihrem Entschließungsantrag betreffend Absicherung des Uni-Budgets für die LV-Periode 2019–2021 gefordert hat. Das ist jetzt kein Verdienst Ihrer Partei, Herr Minister Faßmann – Sie wissen ja, Ihre ÖVP hat damals im Nationalrat dagegen gestimmt, es waren die Grünen, die Roten, die FPÖ und, wie ich glaube, auch die NEOS, wenn ich mich richtig erinnere –, aber es ist gut, dass es heute dazu kommt, dass damit eine Absicherung für die Leistungsvereinbarungsperiode 2019 bis 2021 erfolgt. Das ist schon einmal sehr positiv.
Mir fehlt jedoch nach wie vor, auch das ist ein Kritikpunkt, die längerfristige Absicherung des tertiären Bildungsbereichs. 2 Prozent werden immer wieder versprochen, ich höre immer wieder diese 2 Prozent – der Status quo liegt bei circa 1,7 Prozent des BIPs, da stehen wir. Ich bitte also Sie, Herr Minister Faßmann, auch da tätig zu werden – wir haben gerade den Finanzminister hier im Bundesrat gehabt –: Setzen Sie sich dafür ein und verhandeln Sie!
Damit komme ich zurück zum Universitätsgesetz, denn das Ergebnis einer chronischen Unterfinanzierung des Hochschulsektors sind schlechte Studienbedingungen, schlechte Betreuungsverhältnisse, viele Studierende, wenige Abschlüsse, niedrige AkademikerInnenquote. Die AkademikerInnenquote liegt zurzeit bei 15,8 Prozent, wenn man die 25- bis 64-Jährigen mit einem Abschluss ab ISCED-Stufe 6 betrachtet; wir kennen ja alle diese Verschönerung, aber dazu komme ich ohnehin noch beim nächsten Bericht. Der OECD-Schnitt liegt bei 30 Prozent, wir sind also schon ziemlich weit entfernt von dem, wohin wir eigentlich sollten. Wenn jetzt auch noch Studienbeschränkungen eingeführt werden, wird das die Situation nicht verbessern. Die Studienanfängerinnen machen in Österreich ungefähr 57 Prozent eines Jahrgangs aus – auch da liegt der OECD-Schnitt höher, nämlich bei 61 Prozent, also das ist auch wieder wesentlich höher.
Ich gebe Ihnen in dem Punkt recht, Herr Minister, nämlich dass gerade bei der Drop-out-Rate gehandelt werden muss, das haben Sie ja auch im Ausschuss wieder erwähnt. So liegt der Drop-out in Österreich bei circa 62 Prozent aller AnfängerInnen, davon sind jedoch 50 Prozent Studierende, die ihr Studium wechseln. Ich weiß nicht, ob man an diesen Zahlen mit dem Verfassen eines Bewerbungsschreibens etwas ändern kann, sondern was es wirklich braucht – und das sind auch unsere primären Forderungen vonseiten der Grünen –, ist eine umfassende und frühere Studienberatung bereits an den Schulen. Damit könnte man eine Umverteilung herbeiführen und die Drop-out-Rate senken.
Damit die Treffsicherheit bei der Studienwahl besser gegeben ist, müssen Schnupperwochen an den Universitäten und auch an den Fachhochschulen mit der Oberstufe geplant und durchgeführt werden. Es braucht bessere und intensivere Betreuung, speziell zu Studienbeginn, um Verzögerungen für die Studierenden im gesamten Studienablauf verringern zu können.
Die Studieneingangsphasen müssen auch als Studienorientierungsphasen – noch einmal: Studienorientierungsphasen! – verstanden und neu organisiert werden. Dabei bietet sich ein Bündel fachverwandter Lehrveranstaltungen an, die anstelle der aktuellen Steop ausreichend Möglichkeiten der Orientierung gewährleisten.
Eine Frage ist auch, ob die Steop mit der Novelle des Universitätsgesetzes in bestimmten Studienfächern überhaupt noch relevant ist; ich habe das auch im Ausschuss angesprochen.
Weiters müssen wir auch ganz dringend über die Studienbeihilfeempfänger reden, Herr Minister. Sie wissen, dass 61 Prozent der Studierenden in Österreich mit mindestens 20 Stunden pro Woche erwerbstätig sind – 61 Prozent der Studierenden! Das erhöht natürlich das Risiko eines Drop-outs um einiges, das liegt auf der Hand, glaube ich. Wir sollten uns bei der Studienbeihilfe wenigstens an den EU-Schnitt annähern – davon sind wir aber noch weit entfernt, da müssten wir fast verdoppeln, damit wir auf den EU-Schnitt kommen. Das wäre einmal sinnvoll, das würden wir erwarten.
Herr Minister, jetzt noch einmal ganz konkret dazu, warum wir Grüne die Novellierung des Universitätsgesetzes im Bundesrat heute ablehnen werden: Zum einen werden in der Novelle bei einer Vielzahl der Paragrafen die Grenzen und die Konsequenzen nicht klar abgesteckt. Das heißt, damit haben Sie für sich als Minister – oder für Ihre Nachfolger – ein entsprechendes Hintertürchen offen gelassen, mit dem Sie per Verordnungen und Erlässe das ganze Gesetz im Nachhinein noch um einiges verschärfen können. Das ist für mich ganz klar eine demokratische Aushöhlung des Universitätsgesetzes und damit auch ein Problem, das wir Grüne mit diesem gesamten Gesetz ganz grundsätzlich haben.
Ich will aber immer auch etwas Positives in Gesetzen finden, und positiv ist meiner Meinung nach, dass die soziale Durchmischung in der Lehre und auch unter den Studierenden zumindest einmal angegangen wird – ich betone: angegangen wird, denn wie das konkret geschehen soll, ist meiner Meinung nach unklar. Es gibt keine klaren Indikatoren, es sind keine im Gesetz definiert, welche die Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Durchmischung bei Studierenden messbar machen sollen.
Es sollen – ich weiß, das habe ich auch im Ausschuss gefragt – projektbezogene Gelder ausgeschüttet werden. Ja, eh – das heißt, man kennt halt jemanden auf der Uni Graz, und dann macht der halt ein Projekt. Eh schön!
Zusätzlich finde ich es, verzeihen Sie mir jetzt diesen Ausdruck, schon etwas schizophren, wenn man auf der einen Seite versucht, nicht-traditionelle Studierende kostenintensiv auf die Universitäten zu bringen – das kostet ja auch –, und auf der anderen Seite Zugangsbeschränkungen einführt. Es werden jetzt schon bei stark nachgefragten Fächern wie unter anderen Medizin, Psychologie, Informatik, Architektur, Pharmazie, Wirtschaft, Biologie oder Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Aufnahmeverfahren durchgeführt. Diese sind natürlich unterschiedlich und reichen von einfachen Anmeldeverfahren bis hin zu schwierigen Aufnahmetests oder sehr umfassenden Zulassungsprüfungen. Jeder weiß, Medizin ist solch ein Fach, für das sich viele bewerben, aber nur ganz wenige es schaffen.
Die negativen Auswirkungen dieser Zulassungsbeschränkungen sind seit Langem bekannt; Sie haben das auch im Wissenschaftsausschuss noch einmal erwähnt. Insbesondere aus dem Medizinstudium wissen wir, dass seit der Einführung der Zugangsbeschränkungen im Jahr 2005 der Anteil an Studierenden aus der hohen sozialen Schicht deutlich zugenommen hat – das sind 15 Prozent mehr. Der Anteil Studierender aus der niedrigsten sozialen Schicht hat währenddessen abgenommen – das muss uns zu denken geben!
Problematisch ist natürlich auch, dass sich rund um die Aufnahmeverfahren ein regelrechter, sehr lukrativer Markt entwickelt hat: Der Median bei den Ausgaben von BewerberInnen für zugangsbeschränkte Studienfächer liegt im Bereich 101 bis 300 Euro, für Medizin gibt ein Drittel der Befragten sogar mehr als 500 Euro aus – allein für die Vorbereitungskurse!
Überlegen Sie sich jetzt einmal, wie sich das für BewerberInnen mit wenig Familieneinkommen ausgeht oder für jene, die arbeiten oder Betreuungstätigkeiten haben, denn diese Kurse sind ja auch entsprechend zeitintensiv. Ich sehe das gerade in diesem Bereich eher sehr skeptisch. (Bundesrätin Mühlwerth: Also was ist der Gegenvorschlag?) – Du warst vorher nicht da, Monika. Wärst du von Anfang an bei der Debatte hier gewesen, hättest du mitbekommen, ich habe eine Reihe von grünen Vorschlägen beziehungsweise allgemein Vorschläge dazu gebracht, wie man die Unis ausfinanzieren könnte. Ich erwähne das jetzt nicht noch einmal, weil die Zeit schon zu Ende geht.
Österreich hat eine der niedrigsten AkademikerInnenquoten Europas und innerhalb der OECD. Anstatt Modelle zu entwickeln, die darauf abzielen, Studieninteressierte vom Studieren abzuhalten, müsste sich die Regierung eigentlich darum bemühen, dass jene, die ein Studium beginnen, dieses auch erfolgreich abschließen können. Das wäre notwendig: nicht Interessierte abzuhalten, sondern sie hin zu einem erfolgreichen Studium zu bringen.
Auch die genaue Höhe der Studienplatzbeschränkungen ist im Gesetz nicht klar geregelt. Es entsteht damit der Eindruck, dass die Plätze der Universitäten voneinander abhängig gemacht werden – das führt zu einem massiven Eingriff in die Autonomie der Universitäten, und das wollen wir Grüne auf keinen Fall.
Wir Grüne fordern eine adäquate Finanzierung mit mindestens 2 Prozent des BIPs für den tertiären Bildungssektor, eine echte fächer- und hochschulübergreifende Orientierungsphase zu Studienbeginn, um die Drop-out-Rate zu reduzieren, eine Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden – denn: weniger Erwerbstätigkeit ermöglicht höhere Studienaktivität – und die Abschaffung von Zulassungsbeschränkungen.
Leider wird mit dieser Gesetzesvorlage wieder einmal eine Chance vertan und vergeben, eine wirkliche Verbesserung für die Studierenden, für die Lehrenden und für die Forschenden an den österreichischen Hochschulen zu ermöglichen. Herr Minister, wir Grüne werden, wie schon gesagt, diesem Gesetz nicht die Zustimmung im Bundesrat erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)
12.54
Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.