13.11.05

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Zunächst möchte ich mich gerne für die ausgesprochen differenzierte Diskussion und die Rede­beiträge bedanken. Ich muss sagen, dass das anders war als im Nationalrat. Vielleicht liegt das auch an der Kürze der dort vorherrschenden Redezeiten, das Licht am Red­nerpult blinkt relativ rasch. Sie haben, glaube ich, etwas mehr Zeit, um Ihre Gedanken und Argumentationen zu entwickeln. Die Kürze der Reden im Nationalrat führt wahr­scheinlich oft zu einer sehr starken politischen Akzentuierung dessen, was man eigent­lich sagen möchte. (Allgemeiner Beifall.)

Eines möchte ich voranstellen: Ich bin ja ein sogenannter Neopolitiker, obwohl ich kein richtiger Politiker bin. Ich habe mein Leben an den Universitäten verbracht – als Pro­fessor, als Dekan, als Vizerektor. Ich kenne österreichische, deutsche und amerikani­sche Universitäten. Ich habe eine gewisse Kenntnis davon, wie Universitäten funktio­nieren. Daher kann ich Ihnen versichern: Dieses Gesetz zur Universitätsfinanzierung, die Novelle des UGs, ist eine richtige und wichtige Sache.

Es gibt manchmal politische Entscheidungen, bei denen man nachdenkt und eine Güterabwägung vornimmt: Ist das wichtig oder jenes wichtiger? – In diesem Fall bin ich ganz sicher, dass wir den richtigen Weg gehen. Warum bin ich mir so sicher? – Das eine ist sicherlich, weil es mehr Geld im System gibt. (Zwischenruf des Bundesra­tes Stögmüller.)

Sie haben gesagt, das sei nicht oder nur teilweise das Verdienst der jetzigen Koali­tionsregierung, sondern auch das Verdienst einer Abstimmungskonstellation vom Ju­ni 2017. Damit haben Sie unzweifelhaft recht. Für mich als momentan verantwortlichen Minister ist das egal, ich sage: Wunderbar, es ist gelungen, mehr Geld in das Univer­sitätssystem zu bringen und damit auch ein Signal zu senden, dass der österreichi­schen Bundesregierung, dem österreichischen Parlament – dem Souverän – das wohl­wollende Gedeihen der Universitäten ein wichtiges Anliegen ist! Dafür möchte ich mich nachträglich bedanken.

Was ich auch versuche und was in diesem Gesetz drinnen steht, ist, unzweifelhaft, die Studienbedingungen und die Betreuungsverhältnisse zu verbessern. Dieses Gesetz kann dazu dienen. Wenn wir Betreuungsverhältnisse von 1 : 100 oder 1 : 200 haben, bei denen 200 Studierende den einen Professor oder die eine Professorin vielleicht ir­gendwann einmal sehen – oder auch nicht –, wenn sie eine Betreuung einer Master­thesis benötigen, aber keiner verfügbar ist, oder wenn die Seminare überlaufen sind und sie wieder einmal ein Semester warten müssen, und das alles zur Studienverlän­gerung führt, dann ist das, Herr Kollege, keine gedeihliche Situation für die Universität, aber noch viel weniger eine gedeihliche Situation für die Studierenden.

Die Folge ist eben, dass man irgendwann einmal den Hut draufwirft und in die Drop-out-Statistik wandert oder dass man sehr lange Studienzeiten hat und dann anfängt, arbeiten zu gehen, weil man sieht, dass das mit dem Studium nichts wird.

Wir müssen also erkennen und analysieren, woran es liegt, dass die Universitäten hin­sichtlich der Studierendenbetreuung nicht so funktionieren, wie sie funktionieren sollen. Das liegt unzweifelhaft an diesen Dingen, die ich gerade erwähnt habe, am Betreu­ungsverhältnis, an der Zahl der Professoren und Professorinnen pro Kopf.

Da Herr Stelzmüller, glaube ich (Bundesrat Stögmüller spricht mit Dziedzic), gerade abgelenkt ist (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Stögmüller!) – Stögmüller! (Bundesrat Stögmül­ler: Entschuldigung!) – nütze ich die Gelegenheit und verweise auf die Fachhochschu­len, die interessanterweise alles zusammenbringen, was Sie wahrscheinlich, denke ich, ideologisch ablehnen, wie Zugangsbeschränkungen, Studiengebühren - - (Bundes­rat Stögmüller: Stimmt nicht! In Oberösterreich haben wir es lange nicht gehabt!) – Bitte? (Bundesrat Stögmüller: In Oberösterreich haben wir es lange nicht gehabt! Seit Schwarz-Blau haben wir es wieder!) – Ja, aber man hat in Österreich insgesamt die Majorität der Fachhochschulen - - (Bundesrat Stögmüller: Aber in Oberösterreich nicht, haben wir keine!) – Oberösterreich ist aber nicht ganz Österreich, nicht? (Allgemeine Heiterkeit. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Grundsätzlich muss man aber sagen: Man hat da einen Bereich des tertiären Sektors, bei dem man - - (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung Bundesrat Stögmüller –: Man muss immer das Ganze im Auge haben!) – Aha, nun haben wir einen Witz, das war zu viel des Witzes!

Da muss man sagen: Wenn man mehr Geld in die Betreuungssituation investiert, wenn man beispielsweise ein Labor errichtet oder Professoren auswählt und anstellt, dann braucht man nachher so etwas wie eine gewisse Planbarkeit der Auslastung. Das müs­sen Sie mir als Universitätsmann glauben, das geht nicht anders. Wenn man beispiels­weise im Chemiestudium einen plötzlichen Andrang von Studierenden, aber nur eine bestimmte Laborkapazität hat, dann muss es eben auch zu einer Auswahl derer kom­men, die studieren sollen.

Ich habe mir auch notiert, was Klubobmann Kern gesagt hat, für alle, die studieren wol­len und die dazu auch befähigt sind, solle man die Universitäten öffnen. – Genau das aber macht man ja dann, nämlich auch zu schauen, wer mehr oder weniger befähigt ist, beispielsweise Chemie zu studieren. Man kann bei einem Studium, gerade bei ei­nem naturwissenschaftlichen, nicht einfach die Pforten aufmachen, weil man vorher In­vestitionen in das System bringen muss. Investitionen in das System erfordern unzwei­felhaft eine Planbarkeit des Zugangs.

Ich stimme Ihnen aber vollkommen zu: Wir müssen schauen, dass dieser Zugang fair ist und fair bleibt, dass Aufnahmeverfahren nicht diskriminierend sind, nicht sozial se­lektiv wirken. – Da sind wir auch dahinter, das zu kontrollieren.

Natürlich haben Sie auch recht, besser wäre es, wenn sich von alleine eine wunderba­re und ideale Allokation der Studierenden auf die mehr als 1 000 Studienfächer, die wir in Österreich haben, ergeben würde – das wäre das Ideal. Daher brauchen wir auch mehr Studieninformation (Bundesrat Stögmüller: Orientierungsphasen!), auch bereits in der Sekundarstufe 1, denn viele wissen gar nicht, was es alles an universitären Stu­diengängen gibt.

Was wir insgesamt mit diesem Gesetz erreichen wollen, ist ganz sicherlich keine Re­duktion der Zahl der Studierenden, wir wollen aber eine Erhöhung der Zahl der aktiven Studierenden, denn alles andere ist eine Selbstillusion, nämlich wenn man sagt: Man hat so und so viel mehr Studierende auf dem Papier, nur haben die aber keine Chan­cen, in ein Seminar oder in eine Vorlesung zu kommen.

Da muss man dem eigenen System gegenüber ehrlich sein. Ich will die Zahl der akti­ven Studierenden, die eine berechtigte Chance haben, innerhalb der vorgegebenen Stu­dienzeit plus Toleranzsemester fertig zu werden, erhöhen. Und dazu dient, glaube ich, dieses Gesetz.

Dieses Gesetz offeriert in der Säule 3, wenn Sie genau schauen – ich bin sicher, Sie haben es genau angeschaut –, auch diese Möglichkeit, noch zusätzliche Projekte zu starten, unzweifelhaft, um die soziale Durchmischung zu fördern. Nur wäre es kontra­produktiv für die Autonomie und den Autonomiegedanken, wenn man sagen würde: Uni Graz, Uni Klagenfurt, du musst jenes Projekt machen! – Sie lassen sich so nicht bevormunden. Sie sollen ihre eigene Kreativität spielen lassen, und vernünftige Projek­te werden finanziert.

Ich muss noch etwas sagen: Ich mache jetzt keine Prüfung (Bundesrat Stögmüller: Bitte!) und frage Sie jetzt nicht, wie viel - - (Bundesrat Stögmüller: Wenn ich ECTS-Punkte krieg’!) – Ich würde Ihnen ECTS-Punkte geben, wenn Sie die Frage richtig be­antworten, aber ich mache es so nicht. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist überraschend, wie viel Geld wir für die Studienförderung ausgeben: Es sind jährlich weit über 200 Mil­lionen. (Bundesrat Stögmüller: ... im OECD ...!) Wir erreichen damit 42 000 Studieren­de. Es sind 42 000 Studierende von 180 000 Aktivstudierenden, Sie sehen also, dass eine breite Gruppe von Studierenden – die das brauchen, überhaupt keine Frage  durch das bisherige System der Studienförderung erreicht wird.

Man ist also sehr schnell im politischen Jargon mit den Ausdrücken, das sei alles sozial restriktiv oder das sei alles sozial - - (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat ... schon im Wis­senschaftsausschuss gesagt, dass das nicht stimmt!  Bundesrat Stögmüller: ... wir wissen, dass bei der OECD Studienförderungen ...! 25 Prozent oder so - -!) – Also ich darf Ihnen nur sagen, gerade dann, wenn Sie die OECD anführen, da muss man ganz, ganz genau hinschauen (Bundesrat Pisec: Das ist ja eh alles gratis!), um wirklich Ver­gleichbares zu vergleichen. (Bundesrat Pisec: Studium kostet ja eh nix, das ist eh gratis!) – Ja, aber ich bleibe bei der Studienförderung, und die ist ein ganz vehementer Punkt.

Ich möchte dafür plädieren; ich weiß, ich erreiche es nicht, Sie davon zu überzeugen, dass das eine sinnvolle Maßnahme, ein sinnvolles Gesetz ist, welches, glaube ich, dem Universitätsstandort Österreich und den Studierenden dient. Ich glaube, dass wir mit dieser Novelle dem Ziel näherkommen, attraktive Universitäten für die Gesellschaft zu schaffen, aber ich weiß, es gelingt mir nicht, hier eine Einstimmigkeit zu erreichen. Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

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