14.09.22

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland)|: Herr Präsident! Geschätzte Bun­desräte! Auf der Tagesordnung steht heute die Wahl einer Verfassungsrichterin oder eines Verfassungsrichters. Es ist ein seltenes Privileg, dass der Bundesrat wirklich mit­bestimmt und einen Verfassungsrichter oder eine Verfassungsrichterin wählt. Wenn man den Redebeiträgen und den Medien glauben kann, ist es doppelt schade, dass sich die Regierungsparteien schon – parteipolitisch – auf jemanden geeinigt haben.

Es gibt hier natürlich viele, die immer sagen, es werde ein selbstbewusster Bundesrat gelebt. Jetzt wäre die Zeit dazu gewesen, diesen selbstbewussten Bundesrat vorzule­ben, aber es schaut so aus, als ob sich parteipolitisch motivierte Vorschläge oder Vor­schläge von Vizekanzler Strache hier durchgesetzt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat es ja früher nie gegeben! Völlig neu! – Bundesrat Schennach: Warum schweigt die ÖVP?)

Jetzt gleich an die Adresse der FPÖ: Was hätte die alte FPÖ gesagt, wenn die Be­setzungen der Verfassungsrichter so parteipolitisch motiviert sind? Was hätte die alte FPÖ gesagt, wenn in den Ministerien der Personalaustausch und eine Umfärbung in diesem Stil stattfinden? Was hätte die alte FPÖ gesagt, wenn eine führende Person wie ihr jetziger Parteiobmann und Vizekanzler seiner eigenen Frau einen Job ver­schafft und sie zu den Olympischen Spielen mitnimmt? (Zwischenrufe der Bundesrä­tInnen Mühlwerth und Raml.) Oder: Was hätte die alte FPÖ gesagt, wenn eine Causa wie die jetzige des BVT mit den Nebenbegleiterscheinungen ans Tageslicht gekommen wäre? – Es hätte mich wirklich interessiert, was die alte FPÖ dazu gesagt hätte. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Raml: Was hat die SPÖ dazu gesagt, bis 15. Ok­tober? Nichts!)

Nun zu den Bewerbungen: Es waren über 40 an der Zahl, durchwegs hoch qualifizierte Juristinnen und Juristen, die sich diesem Hearing gestellt haben. Im Hinblick darauf, dass sie schon aus der Tagespresse diese Vorauslese mitbekommen haben, gebührt denen, die sich trotzdem diesem Hearing gestellt haben, der höchste Respekt. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich war selber einen Tag lang bei diesem Hearing anwesend, und der bereits gewählte Verfassungsrichter und Universitätsprofessor Hauer war bei diesem Hearing. (Bundes­rat Schennach: Der Schlechteste! – Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Sauerei ...!) – Ja, ich sage es einmal so: Er war nicht im Mittelfeld und auch nicht ganz vorne zu finden, und da meine ich jetzt gar nicht die Grundeinstellung, die er zu gewissen Gesetzes­materien oder zu gewissen Gesetzen hat. Da meine ich jetzt gar nicht, dass er auch dort ein bisschen ins Stottern gekommen ist, aber auch erklären musste, seit wann und bei welcher Burschenschaft er ist – dem Corps Alemannia. (Bundesrätin Mühlwerth: Wen interessiert das eigentlich?) – Es interessiert schon, wenn jemand als oberster Hüter der Verfassung Österreichs bei einer Burschenschaft, dem Corps Alemannia ist. (Ruf bei der FPÖ: Es heißt K-O-R und nicht K-O-R-P-S!) Da ist es ja eh schon im Namen drinnen!

Ich habe mir das auf der Homepage angeschaut. Dort finde ich unter anderem das Normale, wie es bei Burschenschaften steht, und will es auch gar nicht kommentieren. Ich zitiere von der Homepage: (Bundesrätin Mühlwerth: Das kannst du ja gar nicht kommentieren ...!) „Wenn auch Alemannia wie alle Corps ein Männerbund ist,“ – hören Sie zu, Frau Kollegin Mühlwerth, das betrifft auch Sie! (Bundesrätin Mühlwerth: Das lohnt sich bei Ihnen aber nicht!) – „so spielen Frauen dennoch seit jeher bei uns eine besondere Rolle. Sie sind bei vielen Veranstaltungen eingebunden und stellen immer eine willkommene Bereicherung dar.“ – Wie auch immer diese Bereicherung dann aus­schaut, so schaut, glaube ich, das Verständnis eines Verfassungsrichters im 21. Jahr­hundert in Österreich nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Später bei der Abstimmung soll heute der von den Freiheitlichen geförderte Dr. Rami von diesem Bundesrat, von den Regierungsparteien, gewählt werden. Natürlich kön­nen Sie es in der Demokratie so machen, wenn Sie die Mehrheit haben. Wenn Sie es so wollen, dann können Sie das so machen.

Wir von der Sozialdemokratie haben halt andere Zugänge. (Heiterkeit bei BundesrätIn­nen von ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das kennen wir eh, eure Zugän­ge!) Wir sehen den Verfassungsgerichtshof als rechtsstaatliche Institution. (Zwischen­rufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... und ausgrenzen!) – Sie kommen dann eh dran, wenn Sie reden wollen. Lassen Sie mich ausreden! (Ruf bei der FPÖ: Wir hören eh zu!) Zum Teil lebt der Verfassungsgerichtshof von der Ausgewogenheit seiner Zusammensetzung, davon, dass die Gesichtspunkte von Erfahrungen von Uni­versitätsprofessoren, hochrangigen Beamtinnen und Beamten ebenso vertreten sind wie jene aus der Anwaltei oder dem Notariatsbereich. Es gibt aber auch ein mehr als legitimes, demokratisches Interesse daran, dass die Gesellschaft innerhalb dieses Ver­fassungsgerichtshofes abgebildet und widergespiegelt wird. Wenn nur Männer nachbe­setzt werden – das möchte ich auch allen Frauen ans Herz legen –, dann sinkt die Frauenquote im Verfassungsgerichtshof auf unter 30 Prozent.

Im Hinblick darauf, dass die letzte Verfassungsrichterin, die der Bundesrat bestellt hat – Frau Eleonore Berchtold-Ostermann, eine Rechtsanwältin –, eine Frau war und ihren Schwerpunkt im Zivilrecht hatte, wäre unser Vorschlag Frau Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, die auch Zivilrechtlerin und Vizepräsidentin des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages ist. Damit würde auf eine Frau, die der Bundesrat gewählt hat, wieder eine Frau folgen.

Wir unterstützen hier nach eigenen Aussagen (Bundesrätin Mühlwerth: Das haltet ihr ja sonst auch nicht ein!) auch eine parteifreie Kandidatin, die beim Hearing äußerst selbstbewusst aufgetreten ist, die auch die Begleiterscheinungen dieses Hearings of­fen angesprochen hat, die über hohe Kompetenz verfügt – Frau Kollegin Mühlwerth, hören Sie zu! – und die auch offiziell eine qualifizierte und kompetente Frau ist. (Bun­desrätin Mühlwerth: Eine Frau folgt auf eine Frau oder wie ist denn das?) – Sind Sie fertig? (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ. – Bundes­rätin Mühlwerth: ... ja, wenn es ums Eigene geht, nehmen Sie es dann doch nicht mehr so genau!)

Jetzt bin ich selbst Beamter und komme aus dem Staatsdienst, wo die Vorgangsweise bei Ausschreibungen seit vielen Jahren, nicht nur als gelebte Praxis, sondern vom Ge­setzgeber vorgeschrieben, so ist, dass bei gleicher Qualifikation – wenn sich ein Mann und eine Frau gegenüberstehen – selbstverständlich die Frau genommen wird. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Nur jetzt gilt das nicht. Der Gesetzge­ber schreibt das bei Beamten vor, nur in unserem Fall, die wir uns auch Gesetzgeber nennen, gilt das nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ich jetzt so oft die Freiheitlichen angesprochen habe: Ich hätte es mir selbst nicht zugetraut, dass ich einmal einen ehemaligen Bundesrat der ÖVP zitieren werde. Es ist ein gewisser Jürgen Weiss, ein ÖVP-Bundesrat aus Vorarlberg. (Rufe bei der ÖVP: Präsident!) – Präsident, sogar!

Das Zitat ist aus dem Stenographischen Protokoll der 621. Sitzung vom 16. Jän­ner 1997, in der die jetzt abgetretene Verfassungsrichterin für diesen Gerichtshof be­stellt worden ist. Er sagt wörtlich, ich zitiere ihn:

„Wir bekennen uns auch als Volkspartei angesichts des nach wie vor sehr stark män­nerdominierten Verfassungsgerichtshofes ganz ausdrücklich dazu, eine qualifizierte Frau – ich lege Wert darauf, das zu betonen – nicht übergehen zu wollen. Ich halte nichts von Quoten, die um jeden Preis erfüllt werden müssen. Aber wenn wir guten Ge­wissens sagen können, daß in diesem Fall eine qualifizierte Frau zur Verfügung steht, dann sehe ich keinen Grund, warum wir die Zusammensetzung des Verfassungsge­richtshofes nicht auf diese Art und Weise langsam in eine Richtung lenken sollten, die der heutigen gesellschaftlichen Zusammensetzung entspricht, insbesondere als Organ der Gesetzgebung.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Das war ein Bundesrat der alten, konservativen ÖVP, kein Vertreter der modernen tür­kisen Bewegung, kein Vertreter des viel gepriesenen Reißverschlusssystems des Herrn Bundeskanzler Kurz. War das vor der Wahl alles nur Fassade, alles nur ein Lip­penbekenntnis, alles nur Täuschung? – Die Wirklichkeit schaut anders aus. Schauen Sie in die Reihen im Nationalrat, schauen Sie hier in die Reihen! Vom Reißver­schlusssystem sind wir weit weg.

So dunkelschwarz, finster und konservativ, wie die jetzige türkise Partei ist, war nicht einmal die sogenannte alte Volkspartei. (Bundesrat Krusche: Redezeit, Herr Präsi­dent!) Überdenken Sie noch einmal, bevor Sie abstimmen, auch im Sinne eines star­ken und selbstbewussten Bundesrates Ihre Intentionen! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

14.20

Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich erteile es ihm.