15.05.44

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Mo­ser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ho­hes Haus! Lassen Sie mich einleitend vielleicht einige wichtige Klarstellungen treffen, bevor ich in die inhaltliche Beantwortung der Dringlichen Anfrage eingehe.

Als Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz orientiere ich mich insbesondere an drei Handlungsmaximen: Unabhängigkeit, Transparenz und gleich­zeitig auch Bürgernähe. Ganz im Sinne des Artikels 90a des Bundes-Verfassungsge­setzes, wonach Staatsanwaltschaften im Rahmen der Aufgaben im Ermittlungsverfah­ren zu den Organen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zählen, ist es mir wichtig, diese strukturelle Unabhängigkeit auch nach außen transparent zu machen.

Es soll nämlich nicht so sein, dass ich als Bundesminister und auch mein Generalse­kretär, der gleichzeitig auch als Leiter der Sektion Strafrecht den Gang des Ermitt­lungsverfahrens beeinflussen können sollte, uns beeinflussen, sondern wir uns dem­entsprechend an unsere Aufgaben halten; denn es ist nur konsequent, dass mir, so wie es der Gesetzgeber im § 8 Abs. 3 des Staatsanwaltschaftsgesetzes angeordnet hat, nur im Fall der bevorstehenden Beendigung des Ermittlungsverfahrens über die Art der Erledigung, also die Einstellung oder Anklage, vorab zu berichten ist.

Über einzelne Ermittlungsschritte, wie gegenständlich über die Anordnung einer Haus­durchsuchung, ist mir hingegen nur nach Anordnung der Durchführung zu Informa­tionszwecken zu berichten. Ich halte das für gut und richtig. Es sollen nämlich Ange­hörige der Exekutive nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in die Arme fallen, um so den Gang der Strafrechtspflege zu beeinflussen. Das ist mir vor allem auch deshalb wichtig, weil mitunter völlig übersehen wird, dass die Grundlage des staatsanwalt­schaftlichen Handelns eine Genehmigung des unabhängigen Landesgerichts für Straf­sachen Wien war. In dieser Situation einzugreifen hieße, die Unabhängigkeit der Justiz zu missachten.

Auf der anderen Seite gilt es, die Transparenz zu wahren. In diesem Sinne habe ich mich um eine möglichst umfassende Information der Öffentlichkeit bemüht und werde das heute hier auch Ihnen gegenüber tun.

Ich habe daher auch durch meinen Generalsekretär eine umfassende und eingehende Berichterstattung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft veranlasst; zu­sätzlich hat mein Generalsekretär in seiner Eigenschaft als Leiter der Strafsektion, und damit auch für die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften zuständig, eine mehr­stündige Dienstbesprechung mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien und der Wiener Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft abgehalten. Auf dieser Grundlage haben wir Anlass und Zweck der Maßnahme geprüft und sind zum Schluss gekommen, dass kein Anlass zur Kritik aus Sicht der Fachaufsicht besteht.

Die Staatsanwaltschaft hat dem konkreten Verdacht einer Straftat nachzugehen und im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu klären, ob sich die Verdachtslage entweder ver­festigen lässt oder entkräftet werden kann, und ich glaube, Sie stimmen mir zu, Schub­ladisieren ist dabei niemals eine Lösung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Natürlich ist es so, dass das keine abschließende Feststellung ist, aber der Respekt vor der unabhängigen Ge­richtsbarkeit gebietet es auch, deren abschließenden Befund über Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht zu präjudizieren.

Es sind bereits drei Beschwerden beim Oberlandesgericht Wien eingebracht worden, weshalb es jetzt einmal an der Beurteilung dieses Rechtsmittelgerichtes – nämlich ei­nes Dreiersenates, eines Dreirichtersenats – liegt und davon abhängt, ob der Einsatz mit Blick auf die Verdachtslage rechtmäßig angeordnet und die Verhältnismäßigkeit ge­wahrt wurde.

Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich diese Fragestellungen, deren Beurteilung al­lein der unabhängigen Gerichtsbarkeit obliegt, nicht weiter kommentiere.

Im Sinne der Transparenz, aber auch der Bürgernähe ist mir auch noch wichtig, zu betonen, dass wir dem Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten insbesonde­re dann ein besonderes Gewicht einräumen müssen, wenn personenbezogene Daten zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung gewonnen wurden und nachträglich ein Grund für deren weitere Verwendung wegfällt. Ich halte es daher schlicht für unerträg­lich, wenn das Recht auf Löschung personenbezogener Daten wissentlich umgangen wird, weil damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat und seine Organe gefährdet wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Insoweit dürfen wir nicht den Fehler begehen, wegzuschauen, wenn es Verdachtsmo­mente gibt, dass personenbezogene Daten zu Unrecht nicht gelöscht wurden – und zwar unabhängig davon, wer diesen Umstand zur Anzeige bringt. Die Motivation des Anzeigers ist auch völlig unerheblich, entscheidend ist bloß, ob ein hinreichend be­gründeter Tatverdacht dargestellt werden kann. Liegt ein solcher vor, und das wurde immerhin in erster Instanz von einem unabhängigen Gericht entschieden, hat die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Maßnahmen zur Abklärung des Verdachts im Rah­men eines Ermittlungsverfahrens einzuleiten und zu ergreifen.

Mir ist auch ganz wichtig, Korruption – als Gift für eine transparente und offene demo­kratische Gesellschaft – entschieden zu bekämpfen. Korruption schadet dem Rechts­staat und damit dem Fundament unserer Gesellschaft massiv. Es geht nicht ausschließ­lich um den Nachteil, den eine Person durch die unverhältnismäßige Verwendung der Daten erleidet, es geht letztlich auch um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und in die Justiz, das auf dem Spiel steht. Genau dieses Vertrauen ist eines der größten Güter einer funktionierenden Demokratie. Die Menschen in unserem Land müssen sich auf die Politik und insbesondere auf die Funktionsfähigkeit der Justiz – gerade auch, wenn sich der Verdacht gegen leitende Organe von Ermittlungsbehörden richtet – voll und ganz verlassen können.

Die Justiz ist eine zentrale Säule unseres Rechtsstaates, und daher sehe ich es auch als eine meiner vordringlichsten Aufgaben als dafür verantwortlicher Minister, das Ver­trauen der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz zu stärken. Seit meinem Amtsantritt verfolge ich auf diesem Gebiet eine ganz klare Linie: Es muss ohne Ansehen der Per­son restlos aufgeklärt werden. Es darf keinen Unterschied machen, gegen welche Per­son in welcher Funktion ermittelt wird. Insbesondere auch in allen Fällen, in denen Per­sonen des öffentlichen Lebens involviert sind, steht fest: Es gibt keinerlei Sonderbe­handlungen. Es ist mir nicht nur ein großes persönliches Anliegen, Staatsanwaltschaf­ten und Gerichte darin zu unterstützen, alle strafrechtlich relevanten Fälle lückenlos, ohne jegliche Beeinflussung oder Behinderung, aufzuklären.

Hohes Haus, ich komme nun zur Beantwortung der an mich gerichteten Fragen:

Zur Frage 1:

Nein. Am 28. Februar 2018 um 9.40 Uhr erfolgte per E-Mail ein Informationsbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an die Oberstaatsanwaltschaft Wien und gleichzeitig auch an den Generalsekretär meines Hauses. Es bestand auch keine Verpflichtung zu einer früheren Berichterstattung, denn seit der Novelle zum Straf­rechtsänderungsgesetz, seit 2016, sind Vorhabensberichte generell erst vor der be­absichtigten Enderledigung zu erstatten. Davor hat die Staatsanwaltschaft über bedeu­tende Verfahrensschritte lediglich im Nachhinein, also nach deren Anordnung, zu infor­mieren. Ich verweise dabei auf § 8 Abs. 3 Staatsanwaltschaftsgesetz. Der Grund liegt darin, jeden Einfluss auf die Gestaltung des Ermittlungsverfahrens von Vornherein zu verhindern.

Zur Frage 2:

Nein.

Zur Frage 3:

Diese entfällt.

Zur Frage 4:

Nein.

Zur Frage 5:

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft sah zur Verhinderung eines Beweismittelverlustes die Notwendigkeit, dass die Hausdurchsuchungen sehr rasch und ohne vorzeitiges Durchsickern von Informationen ermöglicht werden, und befürwortete daher den von Generalsekretär Goldgruber vorgeschlagenen Einsatz der EGS beim Vollzug der ge­richtlich bewilligten Hausdurchsuchungen.

Zur Frage 6:

Da derzeit in anderem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen Personen aus dem Kreis des BMI geprüft werden, die weiteren Dienststellen angehören, bot sich die EGS als ei­ne rasch einsetzbare und weder inhaltlich noch personell in die zu untersuchenden Sachverhalte verwickelte Einheit an.

Zur Frage 7:

Die fünf namentlich bekannten Beschuldigten sind des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB primär verdächtig, weil sie zu löschende Daten unrechtmäßig nicht gelöscht beziehungsweise weiter aufbewahrt haben und die­se weiter verwendet worden wären, wobei auch das unzulässige Anfertigen von Kopien im Raum stand.

Ferner besteht der Verdacht, dass Rechtsanwalt Dr. Gabriel Lansky in seinem Recht auf Schutz von seinem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten amtsmissbräuchlich ge­schädigt worden wäre, indem diese Daten, die im Zuge eines Strafverfahrens sicherge­stellt worden waren und aufgrund eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Linz in­folge eines bestehenden Verwertungsverbots gelöscht werden mussten, kopiert wor­den wären, um sie weiter verwenden zu können.

Gegen den Leiter des BVT besteht der Verdacht, dass er es trotz Kenntnis der er­wähnten Umstände und entgegen seiner Verpflichtung als direkter Vorgesetzter mut­willig unterlassen habe, seinen Untergebenen die Anweisung zu erteilen, die herge­stellten Datenkopien zu löschen und damit einen gesetzeskonformen Zustand herzu­stellen.

Zur Frage 8:

Am Abend des 27. Februar 2018 wurden sechs Anordnungen der Durchsuchung und Sicherstellung der Korruptionsstaatsanwaltschaft vom Landesgericht für Strafsachen Wien bewilligt. Eine Durchsuchung von Orten und Gegenständen ist gemäß § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung beim Verdacht einer Straftat – wohlgemerkt, anders als etwa bei einer Untersuchungshaft, noch keinem dringenden Tatverdacht – zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind.

Die entsprechende Annahme der Staatsanwaltschaft und des Landesgerichts für Straf­sachen Wien zum Zeitpunkt der gerichtlichen Bewilligung der Durchsuchung, dass ein derartiger konkreter Verdacht bestand, wird aufgrund der erfolgten Einbringung von drei Beschwerden Gegenstand der Prüfung des Oberlandesgerichts Wien sein, näm­lich erstens, ob es aufgrund bestimmter Tatsachen wahrscheinlich war, dass sich in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten Gegenstände, nämlich Datenträger und gege­benenfalls andere Beweisgegenstände, befanden, deren Sicherstellung den Tatver­dacht klären würde und die daher aus Beweisgründen sicherzustellen und auszuwer­ten waren.

Zweitens wird ebenso die Verhältnismäßigkeit geprüft, ob die Maßnahmen also zur Aufklärung der den Verdacht bildenden Delikte im Verhältnis standen und keine andere zweckmäßige Möglichkeit bestand, den vorliegenden Verdacht aufzuklären. Staatsan­waltschaft und Gericht gingen davon aus, dass bei einer bloßen Konfrontation der Be­schuldigten mit dem bestehenden Tatverdacht im Rahmen einer Vernehmung die Ver­nichtung von wesentlichen Beweismitteln zu befürchten war.

Zur Frage 9:

Zunächst ist klarzustellen, dass sich die 19 Gigabyte nur auf die auf dem Server der Leiterin des Extremismusreferats befindlichen Daten bezogen und auch noch 13,6 Gi­gabyte an realen Daten am Standgerät der Referatsleiterin sichergestellt wurden. Zur Größenordnung der insgesamt an allen Standorten sichergestellten Datenmengen lie­gen mir aktuell keine Informationen vor. Grundsätzlich muss aber darauf verwiesen werden, dass schon aus kriminaltaktischen Erwägungen weniger intensive Eingriffs­maßnahmen, wie etwa die Inanspruchnahme von Amtshilfe des BVT, zur Erlangung relevanter und insbesondere vollständiger Beweismittel aufgrund der Involvierung des Direktors des BVT als Beschuldigter nicht zielführend gewesen wären. Aus diesem Blickwinkel hat auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft den gewählten Vorgang als dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend angesehen, was, wie gesagt, noch einer Prüfung durch den Dreirichtersenat unterliegt, den ich in keinster Weise präjudi­zieren möchte.

Zur Frage 10:

Eine solche Sichtung und Separierung der relevanten Beweismaterialien am Ort der Hausdurchsuchung hat nicht stattgefunden, weil sie nicht nur in technischer Hinsicht faktisch nicht zu bewältigen gewesen wäre, sondern auch ein Vielfaches an Zeit in An­spruch genommen hätte. Zudem können etwa gelöschte oder verschlüsselte Dateien nur mit der in der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorhandenen speziellen Hard- und Soft­ware gesichtet werden.

Zur Frage 11:

Generalsekretär Pilnacek hat die Begründung der Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwaltschaft anhand der in einer Dienstbesprechung erteilten Informationen referiert und dargestellt, dass er insoweit die Begründung der Sicherstellungsanordnung nach­vollziehen kann – dem schließe ich mich an –, als aufgrund des intensiven beruflichen Kontakts der Referatsleiterin mit einem der Beschuldigten anzunehmen ist, dass sie di­rekt von diesem Anordnungen betreffend die Aufbewahrung von Daten bekommen ha­be, wobei diese Anordnungen bei ihr noch gespeichert seien.

Zur Frage 12:

Ja, eine solche überschießende Sicherstellung ist nicht nur nicht auszuschließen, son­dern es ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung gar nicht zu vermeiden, dass auf den einzelnen Datenträgern der von der Sicherstellung betroffenen Personen auch Da­ten gespeichert sein können, die nicht im Zusammenhang mit den der Anordnung zu­grundeliegenden Sachverhalten stehen.

Daher ist es ein ganz normaler Vorgang, wenn die für die Ermittlung nicht relevanten Datenträger wieder an den Betroffenen ausgefolgt beziehungsweise die gemäß § 111 Abs. 2 der Strafprozessordnung angefertigten Sicherungskopien wieder gelöscht wer­den, sobald nach der Sicherung und Prüfung der Daten die Sichtung der einzelnen Da­tenträger und Datensätze ergibt, dass sie für die Ermittlungen nicht relevantes Material enthalten.

Zur Frage 13:

Nach meinem Wissensstand kann ich diese Frage mit Ja beantworten.

Zur Frage 14:

Die fallführende Oberstaatsanwältin der Korruptionsstaatsanwaltschaft mithilfe des IT-Experten der Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Zur Frage 15:

Ebenfalls die fallführende Oberstaatsanwältin der Korruptionsstaatsanwaltschaft und ihr Gruppenleiter.

Zur Frage 16:

Nach meiner Kenntnis haben außer den zur Frage 15 genannten Personen keine an­deren Personen oder Dienststellen Zugriff auf diese Daten.

Zur Frage 17:

Mangels Kenntnis der technischen und elektronischen Schutzmechanismen des BVT kann ich diese Frage nicht beantworten.

Die nachgestellten Detailfragen werden im Zuge der Erstellung eines gesonderten Si­cherheitskonzepts noch vor dem Beginn der Sichtung und Auswertung der sicherge­stellten und bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft besonders ge­schützt aufbewahrten Daten geklärt werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.22

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann|: Vielen Dank, Herr Bundesminister, für die Be­antwortung der Fragen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insge­samt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ewa Dziedzic. – Bitte, Frau Bundesrätin.