15.30.01

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer derzeit den Atem anhält, weiß ich nicht, kann ich nicht beantworten und ist fürs Thema auch nicht so relevant. Ich hoffe, dass jeder trotzdem Luft bekommt. (Ruf bei der ÖVP: Ja, gut sogar!)

Lieber Magnus! Aber es geht bei diesem konkreten Thema nicht nur um den Verdacht oder um den Vorwurf des Löschens oder des Nichtlöschens von Daten. Was sich in den letzten zwei Wochen in Österreich abgespielt hat, war ein spektakulärer, hoch­spannender Krimi; zumindest die Bestandteile davon hat es gegeben. In Wahrheit ist es ein Höhepunkt eines eskalierten Polizei- und leider auch Justizskandals. (Bundesrat Krusche: Wieso? Hat es Tote gegeben?) Dieser Skandal gefährdet die innere Sicher­heit Österreichs und erschüttert auch massiv im Besonderen das Ansehen des Rechts­staats Österreich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Liebe Damen und Herren! Es geht dabei um einen unverhältnismäßigen, beispiellosen Polizeieinsatz. Der Vorredner hat gesagt (Bundesrat Rösch: Was genau?), es war ein ganz normaler Vorgang. (Bundesrat Rösch: Was genau?) Rund 60 angeblich schwer bewaffnete, mit schusssicheren Westen ausgestattete Beamte stürmen ein Amtsge­bäude der Exekutive und mehrere Privatwohnungen (Bundesrätin Mühlwerth: Also was jetzt? Angeblich oder wirklich? – weitere Zwischenrufe), eine unzuständige angeb­liche Rambo-Truppe laut Medienberichten (Bundesrat Rösch: Das ist alles beantwortet worden!), die für dieses Thema gar nicht zuständig ist. (Bundesrat Krusche: Wie viele Tote hat es denn gegeben? – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Bei diesen Hausdurchsuchungen wurden zahlreiche Datensätze und Ordner (Bundes­rat Rösch: Die Rede ist schon alt!) beschlagnahmt, mitgenommen und kopiert; auch Daten – und das ist hochinteressant – über Rechtsextreme und auch Daten über einen aktuellen Neonazifall wurden dabei angeblich beschlagnahmt.

Besonders hochbedeutend ist: Mitgenommen wurden dabei nicht nur Daten von Be­schuldigten in dieser Causa, auch nicht nur Material, das in Zusammenhang mit diesen Verdachtsmomenten stehen könnte, beschlagnahmt wurden auch private Daten einer Leiterin des Extremismusreferats. Sie wird in diesem laufenden Verfahren lediglich als Zeugin geführt, nicht als Beschuldigte. Bei ihr laufen von Amts wegen fast sämtliche Fälle betreffend Rechtsextremismus, und hierbei vor allem auch zu den Burschen­schaften und zu den Identitären, zusammen. Man könnte sagen, diese Referatsleiterin ist die oberste Nazijägerin in Österreich.

Außerdem verfasste die betroffene Referatsleiterin einen sehr kritischen Lagebericht über die Onlineplattform „unzensuriert“, die Sie sicherlich sehr gut kennen, und auch über diesen Kongress der Verteidiger Europas. Der Bundesminister für Inneres – er kommt ja heute noch – kennt diesen Kongress sehr gut, tritt er doch dort immer wieder als Redner auf, wie im Jahr 2017. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist aufgetreten!) Der Kom­munikationschef des Innenministers war bis zu seiner Bestellung der Gründer, Chefre­dakteur und damit der Oberhetzer dieser Plattform.

Genehmigt wurde dies in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Vortag um 22.30 Uhr. Das Justizministerium (Bundesrätin Mühlwerth: Wer ist der Oberhetzer?) war zu dieser Zeit nicht über diesen Einsatz informiert. (Bundesrat Rösch: Wer ist der Oberhetzer?) Der Generalsekretär des Justizministeriums wurde erst Stunden später darüber infor­miert. (Bundesrat Rösch: Erklärt!) Sehr wohl informiert war aber ein anderer General­sekretär, nämlich jener vom Innenministerium.

Sie haben es auch selber zugegeben: Genau wegen diesen fragwürdigen Vorgängen war Ihr Generalsekretär am 9. März in der „ZIB 2“ geladen. Er sollte eigentlich zur Be­ruhigung der Lage oder zur Information beitragen, gestand dort aber, dass der Gene­ralsekretär des Innenministers die Staatsanwaltschaft bei der Auswahl der Einsatztrup­pe beraten hat. Er hat ihn sehr schlecht beraten: Er hat eine unzuständige Truppe dort hingeschickt.

Er wirkte also bei der Entscheidung mit, dass nicht wie sonst die Cobra für diesen Ein­satz abgestellt wird, sondern, wie ich schon gesagt habe, eigentlich eine nicht zustän­dige Polizeieinheit. Das ist ein unüblicher Einsatz, der wahrscheinlich nicht ohne Fol­gen bleiben wird, wahrscheinlich gar ein Fall fürs Gericht werden wird. Der suspendier­te Verfassungsschützer kündigte in dieser Richtung eine diesbezügliche Beschwerde bei Gericht an.

Liebe Damen und Herren! Handelt es sich hier um eine brutale Umfärbeaktion zwi­schen Blau und Schwarz, gilt doch das BVT als ÖVP-Hochburg? – Führende Kommen­tatoren der heimischen Medien gehen davon aus, dass die Freiheitliche Partei ver­sucht, das schwarze Übergewicht im BVT zu korrigieren. Und ein verdienstvoller Be­amter soll hier, parteipolitisch motiviert, ausgehebelt werden.

Herr Justizminister! Ich fordere Sie auf: Sie sagen, Ihr Ministerium stehe für Bürger­nähe, für Transparenz, für Durchschaubarkeit. Sorgen Sie für eine lückenlose Aufklä­rung in dieser Affäre! Es schreit nach Aufklärung und nach umfassender Information, denn so spielt man in Österreich nicht mit dem Polizeistaat, nicht mit dem Rechts­staat! – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

15.36

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Michael Raml. Ich erteile es ihm.