9.15.26

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Als GewerkschafterInnen, als Teil der Sozialpartnerschaft haben wir uns natürlich das vorliegende Regierungsprogramm sehr genau angesehen. Eine gewisse Schlagseite haben wir schon bemerkt, seitens der Interessenvertretung haben wir nämlich festgestellt, dass die Wörter Unternehmer, Unternehmerin und Un­ter­nehmen über hundertmal vorkommen, die Begriffe Arbeitnehmer oder Arbeitneh­merin nur knapp zwanzigmal.

Wenn ich mir den Bereich Frauen ansehe, dann muss ich in diesem Punkt meiner Vorrednerin leider widersprechen, denn wenn ein Regierungsprogramm vorliegt, in dem von 182 Seiten gerade einmal zweieinhalb Seiten den Frauen gewidmet sind, dann kann man nicht davon sprechen, dass es sehr umfangreich für Frauen geschrie­ben ist.

Wo ich ihr schon recht geben kann, ist hinsichtlich der Ankündigungen unserer Minis­terin. Es sind schon sehr positive Ankündigungen über die Medien zu uns durchge­drungen, und wir hoffen auch, dass wir gemeinsam weitere Schritte machen können, um Verbesserungen für die Frauen zu erreichen. Ein Punkt im Regierungsprogramm ist ja auch vorhin von meiner Vorrednerin angesprochen worden, dieser ist, gemein­sam mit den Sozialpartnern Diskriminierungen in den Kollektivverträgen zu prüfen und zu beseitigen.

Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus versichern, dass die Gewerkschaften in den Kollektivvertragsverhandlungen ständig bemüht sind, Diskriminierungen zu beseitigen, sofern sie überhaupt noch vorhanden sind. Wir sind aber auch ständig bemüht, Verbesserungen für Frauen in den Kollektivverträgen umsetzen zu können, nämlich sozialpartnerschaftlich, gemeinsam mit der Wirtschaftskammer. So haben wir, glaube ich, auch in der letzten Zeit bewiesen, dass wir sehr gute kollektivvertragliche Min­destlöhne umsetzen können. Auch da kann man sagen, dass das überwiegend einen Vorteil für Frauen bringt. Warum ist das ein Vorteil für Frauen? – Weil es leider nach wie vor der Fall ist, dass Frauen in den untersten Lohngruppen zu finden sind und es daher für sie finanzielle Verbesserungen bedeutet, wenn wir die unteren KV-Ebenen anheben.

Angesprochen wurden schon Elternkarenzen. Auch in puncto Elternkarenzen kann ich versichern, dass wir daran arbeiten, dass die Anrechnung der gesetzlichen Eltern­karen­zen auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche erfolgt und dass wir dies als Forderungspunkte in all unseren Kollektivvertragsverhandlungen haben. Das ist ein Punkt, der ganz oben auf der Agenda steht, und das ist nicht nur für uns ein For­derungspunkt, denn gemeinsam mit der Wirtschaft ist es uns gelungen, diese Anrech­nung der Elternkarenzen auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche mittlerweile in sehr vielen Kollektivverträgen zu verankern.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, unsere Berechnungen haben uns auch gezeigt, dass es, wenn diese Zeiten nicht angerechnet werden, für manche Frauen in manchen Bereichen – man muss sagen, diese Anrechnung gilt ja für beide Elternteile, für Männer und für Frauen – mehr als 2 000 Euro brutto an finanziellen Nachteilen be­deutet. Das sind finanzielle Nachteile, die sie in Wirklichkeit bis zu ihrer Pension nicht mehr aufholen können.

Es ist aber nicht nur das, es sind auch Nachteile wie jene, dass Frauen dann häufig nicht zu einem Dienstjubiläum kommen – das ist noch gar nicht mitgerechnet –, oder auch, dass Frauen einen Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche sehr häufig später oder gar nicht erwerben.

Ich hatte unlängst erst das Erlebnis, dass mich eine Friseurin gefragt hat, ob ihr Chef sie irgendwann abgemeldet hat. Sie ist, seitdem sie Lehrling war, im selben Frisier­salon tätig, ist 26 Jahre dort beschäftigt, und ihr Chef hat ihr gesagt, sie habe noch immer keinen Anspruch auf die sechste Urlaubswoche. Nach Durchsicht ihrer Unter­lagen war mir klar, warum das so ist. Sie hat deswegen keinen Anspruch darauf, weil sie sich erlaubt hat, zwei Kinder zu bekommen und auch die komplette gesetzliche Karenz auszunützen, da sie in Niederösterreich zu Hause ist und es dort relativ schwierig ist, ein Kind unter drei Jahren ganztags in einem Kindergarten unter­zubrin­gen.

Das bedeutet, diese Frau muss, wenn diese Zeiten nicht angerechnet werden, noch zwei weitere Jahre warten – sie braucht also 28 Beschäftigungsjahre –, bis sie zur sechsten Urlaubswoche kommt.

Daher ersuche ich Sie, Frau Ministerin, mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir diese Anrechnung auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche nicht langsam und schwierig über die Kollektivverträge regeln, sondern – das ist die Forderung der ÖGB-Frauen – dass wir das auf gesetzlicher Ebene schaffen, denn das kann nicht davon abhängig sein, wo frau, wo man beschäftigt ist. Ich glaube, das ist ein Anspruch, der für beide Geschlechter, für Eltern in allen Bereichen, in allen Branchen Gültigkeit haben muss, da wir schon im 20. Jahrhundert leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass diese Anrechnung finanzielle Vorteile hat, habe ich eben erwähnt. Da ich das Stichwort finanziell nannte: Von meiner Vorrednerin ist auch schon das Thema gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit angesprochen worden. Ich kann Ihnen versichern, seit vier Jahrzehnten begleitet mich dieser Satz, seit vier Jahrzehnten hoffe ich, dass es irgendwann zum Schließen dieser Schere kommt.

Man kann sagen, dass das schon vor 80 Jahren ein Thema gewesen ist und nicht erst heute eines ist. Ich glaube schon, dass man sagen kann, dass es der letzten Bun­desregierung erfreulicherweise doch gelungen ist, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, um diese Lohnschere zu schließen, indem es zur Einführung der Einkommensberichte, die auch schon angesprochen worden sind, gekommen ist. 2011 war deren Einführung, ab 2014 müssten alle Betriebe, die mehr als 150 Beschäftigte haben, diesen sogenannten Einkommensbericht legen. (Ruf bei der FPÖ: Zahnlos!)

In diesem Zusammenhang haben Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, in einem Interview gesagt, dass viele Beschäftigte nicht wissen, dass es diesen Einkommensbericht über­haupt gibt, und dass dieser evaluiert gehört. Ja, es stimmt, wir müssen einiges tun – auch da kann ich Ihnen recht geben –, dass der Einkommensbericht bekannter wird. Zur Evaluierung muss ich aber sagen: Dieser Einkommensbericht wurde schon evaluiert. Man hat ihn damals evaluiert, und wir haben dadurch gesehen, wo die Schwach­stellen sind, wo es Verbesserungen braucht. Dazu hat es ein Sozial­part­nergespräch gegeben. Leider sind wir dabei aber auf ein eindeutiges Nein gestoßen, nämlich ein eindeutiges Nein der Wirtschaft gegenüber dem Versuch, dass wir da Ver­besserungen schaffen.

Daher ersuche ich auch Sie, uns dabei zu unterstützen, dass wir uns diese Evaluie­rung, die schon stattgefunden hat, noch einmal ansehen. Vielleicht schaffen wir es, dass wir da gemeinsam Verbesserungen schaffen, nämlich dass die Regelung auch für Betriebe gelten muss, die weniger als 150 Beschäftigte haben, dass die Gehalts­bestandteile besser aufgeschlüsselt gehören, sodass man einen besseren Überblick hat, aber auch, dass die Ergebnisse in Wirklichkeit in den jährlichen Wirtschafts­gesprächen mit den Betriebsratskörperschaften Thema sein müssen. Das heißt, sie müssen dort auf der Agenda stehen, sodass man darüber spricht. Vielleicht schaffen wir auch, dass es auch Sanktionen gibt, wenn Einkommensberichte Diskriminierung zwischen den Geschlechtern ausweisen. Ich glaube, da haben wir gemeinsam noch ganz viel zu tun.

Ich habe mich auch gefreut, als ich gelesen habe, dass Sie erwähnt haben, dass auch Sie eine Befürworterin der innerbetrieblichen Offenlegung der Gehälter sind. Wir müssen also keine Angst haben, dass es da zu irgendwelchen Diskrepanzen kommt. Wir haben auch das Begehren unserer damaligen Frauenministerin Dr.in Sabine Oberhauser, die gesagt hat, dass wir innerbetriebliche Lohntransparenz brauchen, unterstützt.

Wenn wir gemeinsam an diesem Thema weiterarbeiten, dann – so hoffe ich – schaffen wir es auch gemeinsam, die Ideen in Taten umzusetzen, dass wir sozusagen Nägel mit Köpfen machen, also diese innerbetriebliche Lohntransparenz umsetzen. Das wäre ein weiterer wichtiger Schritt, ein weiteres Instrument, um dafür zu sorgen, dass die Lohnschere geschlossen wird.

Ein zentraler Faktor für die Einkommensunterschiede, für die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen liegt aber auch in der Familienpolitik. Daher, glaube ich, ist es ganz dringend notwendig, Impulse für eine partnerschaftliche Familienpolitik zu setzen. Ich glaube, die derzeitigen Aussagen, wenn wir über einen 12-Stunden-Tag dis­kutieren, zeigen, wie weit wir davon entfernt sind, im Arbeitsleben etwas partnerschaftlich umsetzen zu können. Eine Annäherung der Arbeitszeiten von Frauen, die Teilzeit arbeiten, aber häufiger mehr arbeiten wollen, und Männern, die oft weniger arbeiten wollen, wäre der richtige Schritt, um auch da familienpolitische Akzente setzen und vor allem die Frauen entlasten zu können.

In diesem Zusammenhang wurde ja schon öfters – auch von Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin – Homeoffice erwähnt. Ich glaube, dass Homeoffice in diesem Fall nicht viele Verbesserungen bringt, denn erstens dürfen wir nicht vergessen, dass es auch nur für einen kleinen Teil der Frauen möglich ist, Homeoffice zu machen. Ich denke da an die heute schon erwähnte Friseurin, die Supermarktverkäuferin oder eine Textilarbeiterin, die sich mit Homeoffice schwer tun werden. Das Einzige, was man sich beim Homeoffice tatsächlich erspart, sind die Wege zur Arbeit und wieder nach Hause. Ich glaube, dass das für die eine oder andere zwar schon eine Entlastung sein kann, aber eine Kompensation für einen 12-Stunden-Tag ist es definitiv nicht, wenn man sagt, dass man jetzt in Richtung Homeoffice geht.

Statt Rückschritten in der Frauen- und Familienpolitik, aber auch in der Arbeitswelt erwarten wir uns von einer Bundesregierung Schritte in die Zukunft, und zwar in die Zukunft, die es tatsächlich ermöglicht, Beruf, Familie und Freizeit zu vereinbaren, und die es tatsächlich ermöglicht, dass Beschäftigte, und zwar unabhängig vom Ge­schlecht, einen fairen Lohn bekommen, und zwar einen fairen Lohn, mit dem sie auch ein gutes Leben führen können und mit dem sie bei Vollzeitarbeit weit davon entfernt sind, ein Leben an der Armutsgrenze zu führen.

Das heißt, wir haben noch sehr viel zu tun. Wenn wir es gemeinsam angehen – so wie in einigen Ihrer Aussendungen schon zu lesen war –, bin ich zuversichtlich, dass wir auch im Bereich der Frauen- und Familienpolitik Schritte in die Zukunft setzen können. Vielleicht schafft man es bei einem nächsten Regierungsprogramm, dass Frauen von 182 Seiten mehr als zweieinhalb Seiten gewidmet werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

9.26

Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile ihr dieses.