10.30.21

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundes­minis­ter! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein 18-Monatsprogramm ist, wie ich letzte Woche erfahren habe, ein Programm, das vor 18 Monaten mit den Ratspräsidentschaftsländern Estland und Bulgarien erstellt worden ist, und damals sind wir, soweit ich weiß, mit euch von der SPÖ noch in einer Koalition gewesen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das hat die SPÖ vergessen!)

Ich muss aber trotzdem eure Ministerin verteidigen, weil ein Programm, das hier erstellt wird - - (Bundesrätin Grimling: Wir haben nie eine Familienministerin gehabt!) Wir haben heute in der Aktuellen Stunde schon gesehen, dass es schon auf österreichi­scher Ebene sehr schwierig ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden, noch schwie­riger wird es auf europäischer Ebene sein, einen zu finden. (Zwischenruf der Bun­desrätin Posch-Gruska.) – Inge, du kannst nachher eh hinausgehen und reden! (Bun­desrätin Posch-Gruska: Nein, ich mag nicht hinausgehen!) 

Wenn wir zum Thema Frauenpolitik einen Vergleich auf europäischer Ebene ziehen, allein was die verschiedenen Konfessionen betrifft, wenn wir einen Vergleich zwischen den Nationalitäten ziehen, wenn wir die Frauenpolitik Polens mit der Frauenpolitik Italiens oder jener in skandinavischen Ländern vergleichen, dann sehen wir, es gibt da schon recht unterschiedliche Zugänge. Dadurch wird es immer schwieriger, hier einen gemeinsamen Nenner auf europäischer Ebene zu finden. Ich denke, das hier erstellte Programm ist sehr offen, da kann man viel hineintransportieren, das ist ein wichtiger und auch schlüssiger Punkt. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin überzeugt davon, dass das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen zur politischen Priorität erhoben worden ist; das ist ein wichtiger Punkt, der sich in diesem Programm wiederfindet, und das kann man nur unterstützen.

Das betrifft auch das Thema Gewalt in der Familie, Gewalt gegen Frauen. Wir sprechen immer von sexueller Gewalt, von körperlicher Gewalt, aber die psychische Gewalt ist genauso kritisch zu sehen. Ich habe erst vor Kurzem eine Person kennen­gelernt, die psychischer Gewalt ausgesetzt war, indem der Mann eine Woche oder einen Monat mit ihr nicht gesprochen hat. Sie hat gesagt, vielleicht wäre es nicht so schmerzhaft gewesen, wenn er mich geschlagen hätte, wie wenn er einen Monat nicht mit mir spricht. Also auch solche Probleme haben wir. Gewalt wird auf jeden Fall auch in Zukunft keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, egal, welche Glaubensorientierung die Menschen haben, welcher Nationalität sie angehören.

Wichtig ist aber auch das Thema Kindererziehung, das Thema Pflege. Wir wissen alle, die Frauen oder Mütter sind diejenigen, die die meiste Leistung in diesem Bereich erbringen. Auch da haben wir auf europäischer Ebene einen Weg zu finden. Viele Frauen aus Osteuropa arbeiten in den finanziell besser situierten Ländern im Pflege­bereich, um für sich und ihre Familien in ihren Heimatländern Geld zu verdienen. Hier müssen wir uns überlegen, wie das entsprechend unterstützt werden kann.

Auf österreichischer Ebene müssen wir schauen, wie viele Kindergärten geschaffen werden können. Ich glaube, bei der Kinderbetreuung sind wir wirklich ein Vorreiterland: Wir haben die betriebliche, die überbetriebliche Kinderbetreuung, auch die Kinderbe­treuung in den Kommunen. Sie gehört weiterentwickelt, und ich glaube, wir haben mit der Ratspräsidentschaft im kommenden Herbst eine große Chance, dass Österreich hier als Vorreiter auftritt.

Wir haben bei der letzten Ratspräsidentschaft gezeigt, dass österreichische Program­me auf europäischer Ebene übernommen worden sind, etwa die Lehre mit Matura – ein hervorragendes Produkt, das wir hier verkaufen können.

Das Thema Migration/Immigration wird uns nicht nur in diesem Jahr während der Präsidentschaft beschäftigen, sondern es wird uns noch Jahre beschäftigen. Wir müssen es auf europäischer Ebene schaffen, die Integration voranzutreiben, damit sich diese Menschen auch an unsere Kultur anpassen.

Es geht aber auch um das Beschäftigungsprogramm. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, Österreich liegt beim Akademisierungsgrad hinten. Wir wissen aber auch, Österreich hat eine weit geringere Jugendarbeitslosigkeit als die skandinavischen Länder. Wir müssen schauen, dass junge Menschen zu Jobs kommen, und das ist auch in diesem Arbeitsprogramm niedergeschrieben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Also ich kann aus den wenigen Seiten, die wir hier vorfinden, sehr viel herauslesen. Entscheidend ist, aus welcher Sicht man es betrachtet. Ich bin überzeugt davon, das Europäische Solidaritätskorps im Freiwilligenbereich wird uns auch in Zukunft be­schäftigen, gibt es hier doch unterschiedliche Zugänge. Österreich sagt, die Finanzie­rung soll hundertprozentig aus europäischen Mitteln, das heißt durch Umschichtungen, erfolgen. Die Europäische Union, viele Mitgliedstaaten sagen, 75 Prozent sollen aus einer Umschichtung von EU-Mitteln, der restliche Teil aus den nationalen Budgets kommen.

Wir müssen wirklich schauen, dass wir uns als Land in der Ratspräsidentschaft hervor­ragend einbringen. Ich bin überzeugt davon, dass unser Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Vizekanzler Strache und all den Ministerien diesbezüglich schon sehr gute Vorarbeit geleistet haben. Ich durfte das jetzt auch in Sofia bei der Sicherheits­konferenz erleben. Österreich hat schon vor zwei Jahren begonnen, sich in diesen Bereich einzubringen, Kroatien und Rumänien haben bis jetzt noch kein Programm für ihre Nachfolgepräsidentschaft. Also wir können schon sagen, wir sind immer an der Spitze, und das werden wir auch in Zukunft sein, wenn wir einen gemeinsamen Weg finden und uns nicht immer durch verschiedene politische Ansichten hier schwächen.

Ich glaube, in Zeiten wie diesen, in denen sich Europa um Arbeitsplätze bemüht, das Wachstum sicherlich nicht endlos sein wird, wir an den Märkten schon wieder ein bisschen sehen, dass sich die Konjunktur vielleicht nicht ganz so stark entwickeln wird, wie wir es erhoffen, in Zeiten wie diesen muss die Wettbewerbsfähigkeit in Europa gestärkt werden, auch unter Bedachtnahme auf den Brexit, mit dem wir sicherlich auch noch einige Herausforderungen vor uns haben werden.

In diesem Sinne kann ich nur sagen, es ist ein gutes Programm, und Österreich wird das Beste daraus machen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.36

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.