11.00.17

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vize­präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Liebe ZuhörerInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Es gäbe jetzt vieles, was infolge der Ausführungen meines Vorredners noch anzumerken und zu diskutieren wäre, ich möchte mich aber auch aufgrund meines Brotberufs als Pädagogin in erster Linie auf die Änderungen des Bildungsinvestitionsgesetzes beschränken und konzen­trieren.

Zunächst einmal möchte ich uns an dieser Stelle noch einmal ins Gedächtnis rufen, warum beziehungsweise zu welchem Zweck das Bildungsinvestitionsgesetz von der vorangegangenen Regierung eigentlich verabschiedet worden ist: Im Wesentlichen war es das Bestreben, den Ausbau von ganztägigen Schulen durch verschiedenste Infra­strukturmaßnahmen und Maßnahmen im Personalbereich zu forcieren und voranzu­treiben. Immerhin war für diese Ausbauoffensive eine Summe von 750 Millionen Euro vorgesehen. Man muss dazusagen, dass dies nicht aus persönlichen Befindlichkeiten der damals politisch verantwortlichen Personen geschah, sondern aus einem ganz ent­scheidenden und wichtigen Grund: damit ein optimales Schulangebot für die Kinder und Jugendlichen zur Verfügung steht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra-tes Stögmüller.)

Ganztägige Schulformen, sowohl die getrennte, aber auch ganz besonders die ver­schränkte Ganztagesschulform, haben ganz entscheidende Vorteile, die eigentlich auch der jetzigen Bundesregierung aus meiner Sicht ganz bewusst sein und ihr eigent­lich genauso am Herzen liegen müssten – zumindest wird uns das immer erklärt.

Zum einen ermöglichen ganztägige Schulen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das ist, glaube ich, ganz logisch und nachvollziehbar –, Eltern können häu­figer und leichter einer Vollzeitarbeit nachgehen, was man auch nicht vergessen darf. Sie können sich außerdem sehr häufig die teure Nachhilfe ersparen, da – wenn eben dringend notwendig – direkt in der Schule vor Ort gelernt und nachgeholt werden kann.

Auch die Gemeinden, nämlich die Schulerhalter, haben einen indirekten, aber auch di­rekten Mehrwert, nämlich ganz besonders dann, wenn sie im Bereich der Freizeit­pädagogik mit lokalen Vereinen zusammenarbeiten; das können Sportvereine sein, das können Musikvereine sein und vieles mehr. Wir haben diesbezüglich heute auch schon einiges zum Sportbereich gehört – auch das kann nur in unserem Interesse sein.

Am allerwichtigsten sind aus meiner Sicht die Vorteile für die Kinder selbst – ganz klar! –, ganz besonders in der verschränkten Form der Ganztagesschule. Das kann ich als Pädagogin ganz eindeutig bestätigen. Ich sehe es auch in meiner täglichen Praxis, ich habe sozusagen vor meiner Haustür eine verschränkte Ganztagesvolksschule, und ich sehe tagtäglich die Erfolge, die in der Volksschule Zwentendorf – ich darf hier ein bisschen Werbung betreiben – gelingen. In Ganztagesschulen werden Kinder in höchs­tem Maße gefördert. Talente und Potenziale können natürlich eher erkannt und forciert werden, weil den Pädagoginnen und Pädagogen schlicht und einfach auch mehr Zeit mit den Kindern zur Verfügung steht. Gerade die verschränkte Ganztagesschule kommt außerdem der biologischen Uhr, was das Lernen betrifft, ganz besonders ent­gegen, weil da nämlich Lernzeit, Freizeit und Bewegungszeit im Wechsel stattfinden. Das ist evident, das zeigen Studien und vor allen Dingen auch Modelle in anderen EU-Ländern – was man erkennt, wenn man dann ein bisschen über den Tellerrand und über die Grenzen Österreichs hinausschaut.

Nicht vergessen darf man natürlich auch den Mehrwert für das sozialen Lernen, da die Kinder als Klasse viel eher und leichter zusammenwachsen, und vieles, vieles mehr.

Die Gesetzesänderung, die wir heute zu behandeln haben, trägt allerdings all diesen Tatsachen leider keinerlei Rechnung. Sie ist aus meiner Sicht wenig zukunftsgerichtet, wenig innovativ, ganz im Gegenteil. Neben all den weiteren Veränderungen – und ich habe einige nur exemplarisch herausgegriffen: das Teamteaching, den Integrations­topf, die Deutschklassen und so weiter –, die hier heute nicht Thema sind, reiht sie sich in eine Reihe vergebener Chancen ein – eine Reihe zahlreicher vergebener Chancen, wie wir heute auch schon in der Rede des Kollegen Lindinger haben hören dürfen.

Immerhin werden aufgrund der zeitlichen Streckung die Budgetmittel von 2024/2025 bis 2031/2032 in Wahrheit nahezu halbiert. Es ist in Wahrheit eine Sparmaßnahme. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Dadurch entsteht für die Schulerhalter eine massive Planungsunsicherheit. Das kann man aus nahezu allen Bundesländern hören, die ja den flexiblen Anteil der Finanzierung zu übernehmen haben. Auch die Bürger­meister, die dann betroffen sind, sind naturgemäß stark verunsichert, abgesehen da­von – und das vergisst man in der Diskussion ganz gerne auch einmal –, dass durch den Ausbau im Bereich der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen natürlich auch ent­sprechende Arbeitsplätze entstehen würden. Das ist aus meiner Sicht mehr als schade und lässt, glaube ich, den fehlenden Weitblick der aktuellen Bundesregierung erken­nen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Bildungsbereich derart einzusparen, halte ich für grob fahrlässig, denn wir wissen, wie sich derartige Einsparungen mit weit höheren Folgekosten im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich auswirken können. Auch in die­sen Bereichen wird, wie wir wissen, aber ganz bewusst eingespart und verunsichert. Ich nenne hier auch wieder nur die Bestrebungen bei der Sozialversicherung exempla­risch; da werden – noch dazu mit tatsachenwidrigen Behauptungen! – die Sozialversi­cherungsträger selbst deformiert. Ich glaube, gerade in diesem Bereich ist es im Inter­esse Österreichs, im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher auch dringend notwendig, zu einer sachlichen Arbeit zurückzukehren.

Anfügen möchte ich abschließend auch noch, dass es während der Ausschussbera­tung zum Bildungsinvestitionsgesetz nicht möglich war, Vertreter aus dem Ministerium zur Gesetzesänderung zu befragen, weil schlicht und einfach niemand anwesend war. Ich denke, auch das ist ein Zeichen, das deutlich macht, welchen offensichtlich nied­rigen Stellenwert die Bildung für die derzeitige Bundesregierung hat.

Meiner Ansicht nach ist eines ganz klar: Optimale Bildung bedeutet optimale Chancen für unsere Kinder, und ganztägige Schulen sind so ein optimales Modell. Ich denke, es liegt in unserer Verantwortung, als Politik auch die entsprechenden Budgetmittel zur Verfügung zu stellen und die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen, denn – ich denke das Zitat kennt man, aber es passt auch hier sehr gut –: „Es gibt nur eins, was auf die Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“ (Beifall bei der SPÖ.)

11.07

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.