15.00.55

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Das heute zur Behandlung stehende Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2018 ist sicherlich vor dem Hintergrund der terroristischen Herausforderung und dem Erforder­nis, unsere Rechtsordnung laufend an die Gefahren und Bedrohungen anzupassen, zu verstehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass das vorliegende Sicherheitspaket – nicht Überwachungspaket – der Strafverfolgung ermöglicht, tech­nisch auf der Höhe der Zeit zu sein. Das ist aber nur dann möglich, wenn auch die Lü­cken bei der Überwachung internetbasierter Telekommunikation geschlossen werden.

Die Ihnen vorliegende Regierungsvorlage berücksichtigt dabei auch das Ergebnis von zwei Begutachtungsverfahren und zugleich das Ergebnis einer Expertenrunde, die von meinem Vorgänger Vizekanzler Brandstetter eingesetzt worden ist. Das heißt, wenn Sie auf die Begutachtung des Jahres 2017 hinweisen, dann ist das Ihnen derzeit Vor­liegende nicht mehr damit ident, weil mit dieser Vorlage, die den judiziellen Bereich betrifft, eine Reihe von Verbesserungen hinsichtlich des Rechtsschutzes vorgenom­men worden sind.

Natürlich ist jede Ermittlungsmaßnahme ein Eingriff in die Grundrechte, aber sämtliche Ermittlungsmaßnahmen erfordern den Verdacht der Begehung einer konkreten Straf­tat, wobei je nach Intensität darüber hinaus zusätzliche Voraussetzungen erforderlich sind, wie zum Beispiel dringender Tatverdacht oder eine besondere Schwere der Tat.

Die Ermittlungsmaßnahmen zielen aber dabei – weil das eben immer wieder ein Ein­griff in die Grundrechte ist – auf den größtmöglichen praktikablen Schutz der Rechte des Einzelnen ab. Zum anderen sollen natürlich auch die notwendigen Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes zur Wahrung der Grundrechte erfüllt sein.

Im Einzelfall ist dabei immer – das ist eine Selbstverständlichkeit! – der im § 5 der Strafprozessordnung festgelegte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Um dabei dem Anspruch auf Transparenz und umfassenden Rechtsschutz Rechnung zu tragen, garantiert nunmehr diese Vorlage keine Massenüberwachung, sondern nur eine Ver­folgung bei konkreten Strafverfahren wegen eines konkreten Verdachts von Straftaten.

Es gibt keine Onlineüberwachung. Der Rechtsschutz und die Transparenz sind gesi­chert, und zwar in diesem Fall durch eine gerichtliche Kontrolle, durch eine Prüfung seitens des Rechtsschutzbeauftragen der Justiz, durch Verständigungs- und Einsichts­rechte für den Betroffenen beziehungsweise Beschuldigten und durch Umgehungs- und Beweisverwendungsverbote.

Darüber hinaus wird die parlamentarische Kontrolle ausgeweitet, indem diese Maßnah­men auch in den Bericht meines Ressorts betreffend besondere Ermittlungsmaßnah­men aufgenommen werden. Dieser Bericht wird eben dem Nationalrat, dem Daten­schutzrat und gleichzeitig auch der Datenschutzbehörde übermittelt.

Da im Rahmen der Debatte darauf hingewiesen wurde, dass gerade durch dieses Si­cherheitspaket die Freiheit der Menschen in Österreich in irgendeiner Art und Weise zertrümmert werden würde und gleichzeitig auch der Rechtsschutz Lücken aufweisen würde, möchte ich doch bei den einzelnen Maßnahmen darlegen, was damit verbun­den ist, welcher Rechtsschutz damit verbunden ist und warum die jeweilige Maßnahme verhältnismäßig und notwendig ist, um vor allem gegen Terrorismus ankämpfen zu können.

Was den Imsi-Catcher betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass das eine ausdrück­liche gesetzliche Regelung beinhaltet, und zwar für die seit Jahren bereits eingesetzte Maßnahme der Lokalisierung einer technischen Einrichtung ohne Mitwirkung des Be­treibers. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass es dabei lediglich um die Feststellung von geografischen Standortdaten und Imsi-Nummern geht und nicht um eine Inhalts­überwachung.

Was ist in diesem Bereich die Voraussetzung? – Die Voraussetzung ist eine vorsätzli­che Straftat, die mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist, oder dass ein Flüchtiger einer solchen Tat dringend verdächtig ist. Erforderlich ist eine Anordnung der Staatsanwaltschaft. Der Rechtsschutz in diesem Bereich ist der Einspruch gegen Rechtsverletzung, gegen die Anordnung des Staatsanwaltes, und, wenn diesem nicht Folge geleistet wird, eine Weiterleitung an das Gericht, wobei gegen die Entscheidung des Gerichts wiederum eine Beschwerde eingebracht werden kann.

Darüber hinaus ist zur Verfolgung eines Berufsgeheimnisträgers eine Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erforderlich. Zudem obliegt dem Rechtsschutzbeauf­tragten der Justiz die Prüfung und Kontrolle der Anordnung sowie die Durchführung dieser Maßnahme. Des Weiteren gibt es noch flankierende Schutzbestimmungen, wie unter anderem Verwendungsverbote und Umgehungsverbote.

Was die Schaffung einer eigenständigen und aussagekräftigen Definition der Überwa­chung von Nachrichten betrifft, geht es darum, Technologieneutralität sicherzustellen und auch gleichzeitig klarzustellen, dass eine M2M-Kommunikation – das heißt eine Kommunikation von Gerät zu Gerät ohne menschliches Zutun – nicht der Überwa­chung unterliegt.

Es geht dabei auch um die Neuregelung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur Beschlagnahme von Briefen, wobei eben auch in diesen Fällen nur eine Anpassung an die Überwachung nach dem Telekommunikationsgesetz vorgesehen ist. Es geht dabei um eine effektive Bekämpfung und Verfolgung des zunehmenden Versands von Brie­fen mit im sogenannten Darknet angebotenen Suchtmitteln.

Zum Vergleich: Zollbeamte können bereits bei Verdacht Pakete öffnen. Für das Öffnen von Briefen benötigt man nach gerichtlicher Bewilligung eine Anordnung der Staatsan­waltschaft. Zudem ist das nur dann möglich, wenn wiederum eine vorsätzliche Straftat mit einer Strafdrohung von einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe vorliegt.

Wie schaut der Rechtsschutz aus? – Wiederum ist eine Beschwerde gegen die ge­richtliche Bewilligung, ein Einspruch gegen die Rechtsverletzung und gegen die staats­anwaltschaftliche Anordnung möglich. Ganz neu in diesem Bereich ist, dass dabei Be­rufsgeheimnisträger besonders geschützt werden, weil da ja unter anderem auch die Einbindung des Rechtsschutzbeauftragten notwendig ist.

Ich komme nun zu einem Punkt, der auch angesprochen worden ist, nämlich die Ein­führung der neuen Ermittlungsmethode zur Überwachung verschlüsselter Nachrich­ten – WhatsApp und Skype wurden schon erwähnt – durch Remoteprogramme, das heißt durch Programme, die auf dem Computersystem installiert werden. Auch dabei ist darauf hinzuweisen, dass dieses System beziehungsweise dieses Programm schon in zwölf anderen EU-Mitgliedstaaten angewandt wird, und nicht nur in diesen, sondern auch in Amerika, Israel und Australien. Das heißt, es handelt sich nicht um ein Pro­gramm, das nur wir alleine haben, sondern um eines, das bereits erprobt ist. (Bundes­rat Pfister: Mit Lücken und Problemen! Sagen Sie dazu, was passiert ist!)

Ich möchte zudem hinsichtlich der Überwachung verschlüsselter Nachrichten erwäh­nen, dass nach derzeit geltenden Bestimmungen bereits die Überwachung von Nach­richten, nämlich SMS beziehungsweise Telefonie, zulässig ist. Diese Überwachung geht aber ins Leere, wenn eine Verschlüsselung vorliegt. Eine dafür eingesetzte Exper­tengruppe weist darauf hin, dass es nicht verständlich ist, dass SMS und Telefonie überwacht werden können, aber nicht zum Beispiel WhatsApp, und dass es nicht ver­ständlich ist, wenn bei jemandem, der von SMS auf WhatsApp wechselt, die Überwa­chung nicht mehr stattfinden kann. (Bundesrat Pfister: Und was ist mit ...?)

Welche Voraussetzungen sind dafür erforderlich – weil angesprochen worden ist, dass die Rechte des Menschen beeinträchtigt werden würden und jeder davon betroffen sein könnte? – Voraussetzungen sind: ein mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe be­drohtes Verbrechen, die Aufklärung eines Terrordelikts oder ein mit mehr als fünfjähri­ger Freiheitsstrafe bedrohtes Verbrechen gegen Leib und Leben oder sexuelle Integri­tät und Selbstbestimmung.

Was braucht man dafür? – Man braucht eine begründete Anordnung der Staatsanwalt­schaft und eine gerichtliche Bewilligung. Wie schaut der Rechtsschutz in diesem Be­reich aus? – Gerichtliche Kontrolle, auch gegenüber Rechtsverletzungen bei der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme, umfassende Verständigungs- und Einsichts­rechte, Umgehungs- und Beweisverwertungsverbote, Schutz von Berufsgeheimnisträ­gern und engmaschige Einbindung des Rechtsschutzbeauftragten. Das heißt, man kann klar von einem kommissarischen Rechtsschutz und der Kontrolle der Durchfüh­rung sprechen.

Darüber hinaus kann der Rechtsschutzbeauftragte auch Sachverständige beiziehen, und nicht zuletzt ist diese Maßnahme auch in den Bericht meines Ressorts aufzuneh­men, der, wie ich bereits erwähnt habe, dem Nationalrat, dem Datenschutzrat und der Datenschutzbehörde übermittelt wird.

Diese Maßnahme tritt 2020 in Kraft, ist auf fünf Jahre befristet und wird bereits nach drei Jahren evaluiert. Neu ist dabei – weil auch das angesprochen worden ist –, dass ausdrücklich klargestellt wird, dass es keine Massenüberwachung gibt und nur Mensch-zu-Mensch-Kommunikation beinhaltet ist.

Wichtig ist hinsichtlich der Frage, wie man damit umgeht, dass eine umfassende tech­nische Protokollierung vorzunehmen ist. Das heißt, jeder Eingriff ist protokolliert und es kann nachverfolgt werden, ob er zulässig oder nicht zulässig ist. Darüber hinaus kann der Rechtsschutzbeauftragte auch selbst einen Sachverständigen bestellen.

Diese Maßnahmen sind aufgrund der Begutachtung in die Regierungsvorlage gekom­men. Das heißt, die Begutachtungen waren gut, weil sie zu dieser Verbesserung ge­führt hatten und der Rechtsschutz weiter ausgebaut worden ist.

Betreffend die Einführung der neuen Ermittlungsmaßnahme der Anlassdatenspeiche­rung – Quick Freeze – ist darauf hinzuweisen, dass das mit dem Einspruch eines Kun­den gegen eine Rechnung vergleichbar ist, bei der ein Telekommunikationsbetreiber die Rechnung drei Monate lang nicht löschen darf.

In diesem Zusammenhang geht es nicht um eine Übermittlung von Daten, sondern darum, dass Daten auf Anordnung des Staatsanwalts bis zu zwölf Monate nicht ge­löscht werden dürfen. Wenn man diese Daten verwenden will, braucht man für die wei­tere Anordnung des Staatsanwalts wiederum eine gerichtliche Bewilligung. Die Voraus­setzung für diese Maßnahme ist eine Straftat mit einer Strafdrohung von einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe oder dass ein Flüchtiger dringend einer solchen Straftat ver­dächtigt wird.

Rechtsschutz ist in diesem Bereich in vollem Ausmaß gewährleistet: Einspruch gegen die Rechtsverletzung, wiederum Weiterleitung ans Gericht, wenn dem nicht entspro­chen wird, und Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts. Das heißt, auch in diesem Zusammenhang ist ein umfassender Rechtsschutz gewährleistet, um jedem sein Recht zukommen zu lassen und die Rechte nicht zu beschränken.

Die letzte Maßnahme, die ich noch anführen möchte, ist die Erweiterung der Möglich­keit des Einsatzes der optischen und akustischen Überwachung von Personen zur Auf­klärung von Terrorismusdelikten. Da geht es um die Umsetzung der EU-Terrorismus-Richtlinie. Zu erwähnen ist in dieser Hinsicht noch, dass das für die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbre­chens einer kriminellen Organisation beziehungsweise terroristischen Vereinigung so­wie zur Ermittlung des Aufenthaltes des wegen einer solchen Straftat Beschuldigten vorgesehen ist.

Das heißt zusammenfassend: Sie sehen, dass wir bei dieser Ihnen vorliegenden Re­gierungsvorlage alles unternommen haben, um in jene Richtung zu gehen, die unser Ziel war, nämlich jedenfalls die Rechte des Einzelnen möglichst gering zu beeinträch­tigen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Bürger in Österreich sicher sind und Terrorismus nicht Platz greifen kann.

Verunmöglicht werden soll, dass Terroristen sagen, sie gehen von SMS auf WhatsApp über, damit sie von jeder Kontrolle ausgeschlossen sind. Diesen Vorteil, den Terro­risten derzeit haben, muss man ihnen nehmen, um Sicherheit bieten zu können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.12

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Grimling zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tat­sächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf und sich diese überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken hat. Ich erteile Frau Kollegin Grimling das Wort. – Bitte.