12.53.38

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich oute mich als einer, der heute das erste Mal hier spricht, und darf mich bei allen für die wirklich herzliche Aufnahme in den Reihen des Bundesrates bedanken. (Allgemeiner Beifall. – Ruf bei der FPÖ: Das kann sich rasch ändern!)

Vorab kann ich sagen, dass ich wirklich gesehen habe, dass das Ziel bei allen Frak­tionen dasselbe ist, nämlich dass unsere Kinder, unsere Mitbürger Deutsch können, dass sie an der Gesellschaft teilhaben können, dass sie unsere Kultur kennen und dass sie hier ordentlich leben. Allein der Weg, Herr Minister, ist ein ganz anderer, den sehen die Freiheitlichen anders, die ÖVP und Sie gehen den, den Sie vorgeschlagen haben – man muss dem nicht wirklich zustimmen.

Ich möchte ein bisschen in Richtung eines Vergleichs mit einer Firma oder eines Fußballvereins gehen: Ein Fußballverein hat einen neuen Spieler, den schickt man nicht, weil er nicht Deutsch kann, zuerst einmal aufs Nebenfeld und lässt ihn so lange mit dem Ballerl spielen, bis er Deutsch kann, und nimmt ihn dann wieder rein, sondern einen fremdsprachigen Fußballspieler integriert man von Anfang an. So macht das auch eine Firma, und so sollte es auch sein. (Bundesrat Spanring: Der muss ja auch nicht Deutsch können als Fußballspieler!) Die Deutschklassen sind ja doch ein Auf-die-Seite-Geben und dann wieder Hereinnehmen in den normalen Regelbetrieb. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das sind ja nur wenige! – Bundesrat Mayer: Was ist das für ein Vergleich? – Ruf bei der FPÖ: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!) So würde ich mir auch die Firma Österreich vorstellen, und das würde mir gut gefallen, denn mit anderen zusammen kann man unsere Kultur und unseren Staat kennenlernen, kann man erkennen, was wir wollen und was wir machen.

Man kann einer anderen Überzeugung sein und es so machen, wie Sie es machen. Es sind aber sehr viele Experten der Ansicht, dass dieser Weg nicht der zielführende ist. Professor Becker-Mrotzek hat auch gesagt, dass es mit Kontakten, mit Integration geht – nicht separieren, integrieren! Kinder lernen von Kindern, man sollte eigentlich diesen Weg gehen und nicht einen anderen. Integration ist das Einbeziehen von Ein­zelnen in das große Ganze und das Verbinden einer Vielheit von einzelnen Personen oder Gruppen in eine gesellschaftliche und kulturelle Einheit. Das kann man nur machen, indem man alle zusammenhält.

Was machen wir beziehungsweise was macht die Regierung? – Herr Minister, Sie trennen und teilen Gruppen vom Ganzen zu kleineren Teilen, Sie dividieren Kinder und Jugendliche auseinander, und ich sage sogar, dass sie teilweise auch sozial ausge­grenzt werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!)

Das Ganze soll jetzt auch schon im Schuljahr 2018/2019 beginnen. Der Lehrplan ist noch nicht ausgearbeitet, die Klassen sind noch nicht festgelegt. (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.) Wie viele braucht man? Die Lehrerinnen und Lehrer sind noch nicht eingeteilt. Geld soll es mehr geben, das freut uns, hoffentlich kommt dann auch mehr heraus. Es werden also 30 000 Schüler überfallsartig ohne Ressourcen, ohne Lehrplan, ohne fertigen Test, ohne Personal, vielleicht mit ein bisschen mehr Geld in das nächste Schuljahr geschickt. Die Lehrer sind nicht gefragt worden, die Eltern sind nicht eingebunden worden, und vor allem wird das meines Erachtens auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.

Jetzt schaue ich in die Zeitungen und lese im „Standard“ vom 11.4., dass SOS Mit­mensch von „Ausgrenzung“ spricht, also wesentlich mehr als Separierung, Teilsepa­rierung. Der Landesschulrat von Tirol, der sicher kein Roter ist, redet von negativen Auswirkungen auf den Spracherwerb, die den Integrationsprozess erschweren. (Bundesrätin Mühlwerth: In Tirol! Was erwartet man sich da?) Direktoren aus Ober­österreich sprechen von einem Organisationschaos. – Ich meine, die werden wohl wissen, wovon sie sprechen. In Wien fehlen 500 Klassen. (Zwischenruf der Bundes­rätin Ecker.) Manche Schüler werden eine wesentlich längere Schullaufbahn haben, nämlich bis zu zwei Jahre länger, und die Gewerkschaft der Pflichtschullehrer spricht von Qualitätsverlust und Autonomieunverträglichkeit in Bezug auf Schulen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Tatsache ist, dass sie jetzt schon einen Rückstand von zwei Jahren haben wegen des sozialistischen Systems!)

Alle diese Punkte könnte man nehmen und einmal hinterfragen, überdenken und langsam angehen. Ich habe ein bisschen den Eindruck, man will das schnell und über­fallsmäßig durchführen, nach dem Motto: Ich habe meine Meinung gefasst, verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen! Eine Möglichkeit wäre, es ein Jahr auszusetzen, ordent­lich auszuarbeiten, ordentlich vorzubereiten. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir haben aber keine Zeit!) – Frau Kollegin, Sie dürfen sich, glaube ich, nachher auch noch einmal zu Wort melden. (Bundesrat Samt: Auf Belehrungen stehen wir besonders!)

Das zweite Thema ist Schulschwänzen. Der Fünfstufenplan ist zu kompliziert. Nach drei Tagen Schulpflichtverletzung gibt es am vierten Tag eine Mindeststrafe von 110 Euro, bis zu 440 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen. Präventionsmaßnahmen wären da unbedingt notwendig. (Bundesrat Mayer: Die gibt es ja!) Die Kinder und Jugendlichen sind in diesem Alter in einem Persönlichkeitswandel, da gibt es verschiedenste Gründe, warum sie nicht zur Schule gehen – nicht nur, weil sie irgend­jemandem etwas zu Fleiß tun wollen –: Familie, Mitschüler, Unterforderung, Überforde­rung. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kommt ja erst, wenn alles andere probiert wurde!) Komischerweise straft man aber bei den Schülern sehr rasch, sehr flott, und im Zu­sammenhang mit der Wirtschat, haben wir gerade vorhin gehört, müssen wir zuerst beraten, dann noch einmal beraten und dann vielleicht rügen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.)

12.59

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.