9.07.48

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin Hartinger! Werte Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat! Geschätzte Zuseher! Danke für das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, ein Thema, betreffend das viele Österreicherinnen und Österreicher eigentlich schon gar nicht mehr geglaubt haben, dass es überhaupt möglich ist, eine Reform in diesem großen Ausmaß durchzubringen.

Wir haben uns schon über das Jugendschutzgesetz unterhalten. Der Jugendschutz wird seit Jahrzehnten in jedem Bundesland geregelt, und wir sind nicht dazu ge­kommen, das einheitlich zu regeln – in so einem kleinen Bereich, wo jeder Österreicher und jede Österreicherin sagt, an und für sich gehörte das zentral geordnet, ein Gesetz gemacht, das von Bregenz bis Eisenstadt gilt. Das war in Wirklichkeit in den letzten Jahrzehnten nicht möglich, was sehr oft auch an den Ländern gelegen ist.

Jetzt gibt es gleich eine so große Reform, da hat jeder gefragt: Was passiert dann mit uns, was macht das mit uns? Ist das gefährlich, ist das gut? – Wir haben nachgelesen, dass da in Wirklichkeit schier Unmögliches umgesetzt wird, große Brocken angegan­gen und Einsparungsmaßnahmen gesetzt werden. Da haben wir gesagt, das schauen wir uns lieber noch einmal genauer an, ob das auch wirklich möglich ist. Durch die Erklärungen in der Vergangenheit, in den letzten Wochen und Monaten, haben wir dann gesehen, dass das tatsächlich ein Meilenstein ist; deshalb ein Danke an die Bun­desregierung und an dich, Frau Ministerin, dass das in Angriff genommen wurde und dass das heute hier zum Thema gemacht wurde.

Warum ist das angestanden? – Uns allen in Österreich war bewusst, dass aufgrund der Digitalisierung und der Automatisierung nicht mehr die Kuriere mit der Depesche von Wien nach Bregenz reiten müssen, sondern dass die Gesetzesbeschlüsse in Wirk­lichkeit per Knopfdruck, per E-Mail zeitgleich verbreitet werden und vieles viel schneller geworden ist. Die Verhandlungsgremien sind überall in der Wirtschaft ganz einfach kleiner geworden, nur in den Verwaltungsbereichen nicht, und deswegen – richtig erkannt – hat man sich gefragt: Wo kann man einsparen, ohne an Leistungskürzung zu denken? Wo kann man einsparen, sodass das Geld, das man damit lukriert, auch wirklich zurückkommt? Das ist euch wirklich gut gelungen.

Es wurde für die notwendige Kommunikation gesorgt, aber auch für die weitere Kom­munikation, die sehr wichtig ist, dass es dann auch wirklich gleich bei denen, die es betrifft oder die sich damit beschäftigen, ankommt, wenn sich irgendetwas ändert, wenn die Sozialversicherungsträger etwas ändern. Deswegen war es auch so wichtig, auch für die Zukunft, dass ihr es zusammengebracht habt, dass die Sozialpartner auch weiterhin richtig eingesetzt werden, dass sie in einer fairen Aufteilung eingesetzt werden und dass die alte Tradition weitergeht. Die Sozialpartnerschaft hat sich ja im Vorfeld auch damit beschäftigt und sehr vieles abgefangen, deswegen gab es in Österreich in der Vergangenheit sehr wenige Streiks im Vergleich zu anderen Ländern, in Frankreich oder sonst irgendwo. (Ruf bei der SPÖ: Noch!) – Ich höre dort: „Noch!“ Anscheinend ist der Kampfeswille deswegen gegeben, der Kampf um des Kampfes willen oder um Schattenparlament zu sein oder sonst irgendwas. Das mag alles so sein (Bundesrätin Posch-Gruska: Brauchen wir nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), das trübt aber sicher nicht den Erfolg. (Zwischenruf des Bundesrates Koller.)

Gehen wir in die Geschichte (Bundesrat Pfister: Zahlen, Daten, Fakten!): Im Mittelalter beziehungsweise vor dem Mittelalter war es ja noch so – ich werde Ihre Geduld nicht über Gebühr strapazieren, aber um ein bisschen die Tradition, die Nachhaltigkeit und die Wichtigkeit dieses Gesetzes zu untermauern, möchte ich 1 Minute einen Exkurs in die Geschichte machen (Ruf bei der SPÖ: Gute alte Zeit!) –, also vor dem Mittelalter war es ja in Wirklichkeit Gottes Wille, wenn irgendjemandem etwas passiert ist, wenn irgendjemand krank geworden ist. Man hat dann gesagt, die Nachbarn haben dann gesagt: Na, wer weiß, was er getan hat, es geschieht ihm schon recht! Irgendwann ist man dann – mit der Entstehung der Klöster und so weiter – auf den Spruch der katholischen Kirche, von Jesus gekommen, der gesagt hat: Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan. – Da war es das erste Mal möglich, ein Spen­denwesen einzurichten.

Ich habe einen Vortrag von Professor DDr. Rohrbach an der Uni gehört, weil für mich hinsichtlich der Entwicklung von den Klöstern zu unserem Sozialsystem viele Fragen offen waren, die er da erklärt hat. Er hat gesagt, von den Gottesurteilen über die Spen­denverträge sind wir zu Spitals- und Pflegeorden gekommen, und diese Spitals- und Pflegeorden kannten eine Dreiklassenmedizin: zum einen Medizin und Versorgung für Arme, die sich nichts leisten konnten, zum anderen für diejenigen, die sich die Behand­lung leisten konnten und diese auch zahlen mussten; und zum Dritten gab es dieje­nigen, die durch Verpfründung und Leibrentenverträge ihre Vermögen überschrieben haben, sodass die Versorgung der Armen praktisch mitfinanziert werden konnte. Das hat sich dann in ganz Europa verbreitet, auch durch die lateinische Sprache in den Klöstern: Wissen wurde ausgetauscht, das Gesundheits- oder Krankenwesen, die Erkenntnisse der Ärzte und so weiter wurden dadurch immer besser, und es gab nach dem Mittelalter, nach dem 14., 15. Jahrhundert, eigentlich eine Renaissance des Ge­sundheitswesens.

Was die wenigsten wissen: Die Spitäler der Barmherzigen Brüder oder des Malte­ser­ordens bauen in Wirklichkeit auf dem auf. Wenn man heute mit den Barmherzigen Brüdern spricht – ich habe einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen –, erfährt man: Sie nehmen zum Beispiel jetzt noch jemanden auf, der keine Krankenkasse hat, und versorgen ihn. Das ist also etwas, was ganz essenziell ist: Solidarität, mitfühlender Humanismus (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner), zu schauen, dass alle in der Medizin die gleichen Voraussetzungen haben.

Es hat sich ja dann auch so weiterentwickelt, dass praktisch auch die Privat­versiche­rungen das allgemeine System in einer gewissen Weise mitfinanzieren. Diejenigen, die höhere Ansprüche haben, die drei Menüs zur Auswahl haben möchten, die nur ein Einbettzimmer haben möchten, die sich die Ärzte aussuchen möchten, und, und, und, ohne dabei eine wesentlich bessere Medizin zu bekommen – weil jeder an der Uni­versität das Gleiche lernt und die Universitäten ja alle miteinander vernetzt sind, also auf dem gleichen Niveau sind –, aber für die Psyche vielleicht einen Vorteil haben, weil sie ganz einfach in einer anderen Umgebung sein können, finanzieren praktisch das System auch mit, und dadurch ist an und für sich unser System weiterentwickelt wor­den.

Jetzt sind wir gerade dabei, nach diesen wichtigen Schritten wieder einen Schritt zu setzen, und das ist wirklich – ich sage jetzt einmal so, das kann man ruhig so sagen – die größte Reform der Zweiten Republik, dass wir ganz einfach sagen, dass wir dort schlanker werden können, wo wir nicht so viele Leute an einem Punkt brauchen, dass wir sagen, wir brauchen nicht so viele Reisende, wir brauchen mehr Wissende – mit mehr Wissenden gibt es ganz einfach ein besseres System. Es ist gut so, dass die Leistungen besser werden, dass die Versorgung sicherer wird. Ich vertraue den Mehr­wissern und nicht den Besserwissern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.16

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke. – Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Kern. Ich erteile es ihr.