11.34.56

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte SchülerInnen, Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bild­schirmen! Herr Kollege Mayer, das war jetzt wirklich ein nettes Erlebnis, und mir ist dabei eingefallen, dass es einmal einen Film gab, der hieß „Ein Amerikaner in Paris“. Das war jetzt so - - (Bundesrat Mayer: Ein Vorarlberger in Wien!) – Genau: Ein Vorarl­berger in Wien! (Heiterkeit bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP.) Da die ÖVP in Wien ja keinen Bundesrat mehr hat, hat es jetzt jemand vom anderen Ende Öster­reichs übernommen, und du hast, da du ja sehr oft in Wien bist, mit absolut profunder Kenntnis über den Wiener Verkehr im Besonderen gesprochen.

Ich möchte mich meinen Vorrednern insofern anschließen, als ich mich auch beim Herrn Präsidenten für seine Vorsitzführung, für die Präsidentschaft bedanken möchte – auch, weil wir nicht immer einer Meinung sind und schon die eine oder andere Diskus­sion hatten, aber Präsident Todt hat wirklich immer geschaut, dass er ein Präsident aller Bundesräte ist und nicht nur einer der SPÖ, der er angehört, sondern er hat dann auch in einem Diskurs gesagt: Okay, dann machen wir das eben so!

Ihnen auch ein Dankeschön, Herr Landeshauptmann. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann das letzte Mal ein Landeshauptmann von Wien hier bei uns im Bun­desrat war, daher freut es mich umso mehr, dass es jetzt wieder einmal gelungen ist, den neuen Landeshauptmann im Bundesrat zu haben und mit ihm auch diskutieren zu können.

Auch wenn es heute schon öfter gesagt worden ist: Ein breiter Diskurs ist wichtig! – Na selbstverständlich ist das so. Ja, es wird im Bundesrat weitestgehend sachlich diskutiert, wir haben heute in der Früh aber schon ein anschauliches Beispiel gehabt, dass es nicht immer so ist und mit Zahlen operiert wird, die so nicht stimmen, und sich natürlich auch hier in dieser zweiten Kammer eine gewisse Polemik breitmacht – was aber nicht heißt, dass man sie deswegen nicht bräuchte.

Ich gebe Ihnen recht, auch ich mache diese Erfahrung immer wieder, und ich sage jetzt: Vor allem Journalisten und Politologen sind diejenigen, die sagen, den Bundesrat brauchen wir nicht; auch wenn ich nicht ganz vergessen habe, dass es den einen oder anderen Landeshauptmann – beziehungsweise Landeshauptfrau – gegeben hat, der uns ausgerichtet hat, dass man ihn ruhig abschaffen könnte.

Ich war jetzt in Kärnten bei einer Klausur und habe mit einem Journalisten gesprochen, der sagte: Aha, Sie sind Bundesrätin – brauchen wir nicht, können wir gleich ab­schaffen! Ich habe ihn gefragt: Welches Regulativ haben Sie denn gegenüber dem Zentralis­mus? – Das muss man ja auch bedenken, dass der Föderalismus ja nicht von ungefähr kommt, weil es halt einer so wollte, sondern es ist schon wichtig, im Staats­gefüge auch einen Ausgleich zum zentralen Staat zu haben, wo eben diese Kammer und ihre Mandatare auch näher beim Bürger sind. Das trifft ja auch auf die Landtage zu, die man ja auch ganz gerne immer wieder abschaffen würde, ohne dass man weiter darüber nachdenkt. Also das ist schon okay.

Dass die Demokratie im Wandel ist, ja, das liegt in der Natur der Sache, dass Zeiten sich verändern und damit auch ihre Institutionen. Manchmal müssen sich dann aber auch Parteien ein wenig verändern. Herr Landeshauptmann, Sie gehören ja der SPÖ an, und ich lebe in Wien, ich wohne in Wien, und da sage ich: Ja, auch die SPÖ, die ja jetzt schon sehr lange an der Macht ist – und da neigt man immer dazu, alles als selbstverständlich zu betrachten –, wird sich ein bisschen verändern müssen, auch in die Richtung, mehr auf den Bürger zuzugehen. Sie sagen es zwar immer, aber das muss auch erst einmal passieren. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.)

Wenn man in Wien lebt und Sie, wie es Kollege Mayer ja richtig angesprochen hat, in einer Koalition mit den Grünen sind – in der die Grünen leider tun und lassen, was sie wollen, damit sie ihr Klientel bedienen können –, dann sage ich Ihnen schon: Ich wohne im 7. Bezirk, das Wohnpublikum dort ist ja bekannt, wir haben einen grünen Bezirksvorsteher, es gibt sehr viele Radfahrer, alles sehr nett. – Na gehen Sie einmal als Fußgänger durch! Als Fußgänger bin ich oft in der Situation – und der 7. Bezirk hat zum Beispiel in der Westbahnstraße und in den Seitengassen, wenn man von Burg- und Neustiftgasse absieht, wirklich relativ ruhige Straßen, wo man getrost und ohne Angst haben zu müssen, dass man von einem Auto umgemäht wird, auf der Straße fahren könnte; aber das passiert dort nicht, dort fährt jeder auf dem Gehsteig –, dass mich auf der rechten Seite der Radfahrer überholt, links kommt mir der Skateboard­fahrer oder jemand auf dem Scooter entgegen, und ich kann schauen, dass mich mög­lichst keiner erwischt.

Ich frage Sie jetzt: Was macht eigentlich der Fußgängerbeauftragte in Wien? Wozu gibt es ihn um teures Steuergeld? Ich frage mich, wo der bleibt. (Bundesrat Stögmüller: Soll ich dir von Wels was erzählen? Bundesrat Krusche: Nein, danke!) Fußgänger sind ja die gefährdetsten Teilnehmer im gesamten Verkehrssystem. Wir müssen auch wieder mehr auf die Fußgänger schauen! (Bundesrat Stögmüller: ... Radfahrer! Ich kann dir was von Wels erzählen!) – Auch Herr Kollege Stögmüller sollte vielleicht einmal zu Baldriantropfen greifen; das würde ihm ganz guttun, dann müsste er nicht immer so hyperventilieren. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Da heute sehr oft über einen breiten Diskurs gesprochen wird – und auch Sie, Herr Lan­deshauptmann, haben gesagt, bei den künftigen Gesetzen würden Sie sich im Parlament auch einen breiten Diskurs wünschen –, muss ich sagen: Ja, das kann man sich immer wünschen, und ja, man kann immer sagen, das ist noch immer zu wenig, da hätten wir noch mehr diskutieren können, aber man muss bei einer breiten Dis­kussion­ schon aufpassen, dass nicht am Ende von dem eigentlichen Entwurf fast nichts mehr übrig bleibt. Das haben wir in der Vergangenheit mehr als einmal erlebt, dass von einem guten Entwurf nur mehr ganz wenig übrig geblieben ist.

Ich kann mich außerdem schon noch daran erinnern, wie das war, als die FPÖ in der Opposition war und nicht in der Regierung: Von einem breiten Diskurs und einem Eingehen auf oppositionelle Vorschläge habe ich da überhaupt nie irgendetwas ge­merkt. Ganz im Gegenteil: Man hat jeden Oppositionsvorschlag ein bisschen runter­zudodeln versucht und hat ihn dann einfach in der Schublade verschwinden lassen. Es ist also wirklich interessant, zu bemerken, wie der Rollentausch und die Tatsache, dass man, wenn man dann in Opposition ist, auch weiß, wie sich das anfühlt, plötzlich dazu führen können, dass man auf jeden Fall danach schreit, man möge doch bitte auch berücksichtigt werden.

Viele richtige Dinge sind heute schon angesprochen worden, nur muss man dann auch das Richtige tun. Das Thema Bildung ist ein absolut wichtiges; ich sehe das auch so. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung – und da wird sich noch sehr viel mehr ändern, weil viele Berufe einfach verschwinden werden, aber auch neue dazukommen wer­den – wird Bildung noch wichtiger, als sie es bis jetzt ohnehin schon war. Da muss man aber aufpassen, dass das Bildungssystem kein solches ist, in dem ein Fünftel der Schüler nach neun Jahren nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können. Leider ist das aber so, und sehr viele dieser Schüler finden sich in Wien, was ja auch mit der Zuwanderung zu tun hat – auch wenn manche versuchen, das zu leugnen. Es muss uns gelingen, diese ins Boot zu holen und sie so fit für die Zukunft zu machen, dass sie lesen, schreiben und rechnen können. Da ist auch an den Wiener Schulen einiges zu tun.

Auch wenn jetzt die Kritik an den Deutschförderklassen, die ich persönlich immer haben wollte und für richtig halte, sehr groß ist, werden sich alle Direktoren schon auch daran gewöhnen müssen, dass man sagt, wir machen das jetzt einfach, weil es wichtig ist. (Bundesrätin Grimling: Ja, aber nicht in letzter Minute!) Sie haben es ja auch ge­sagt: Das System, das Sie gemeinsam mit der ÖVP unter den vorangegangenen Bun­desregierungen gemacht haben, hat nicht zu einer Verringerung der Anzahl jener Schüler geführt.

Frau Kollegin Grimling, wissen Sie, man kann ein System befürworten, man kann ein System auch einführen, aber irgendwann einmal kommt der Moment, in dem man schauen muss, ob es auch funktioniert – und es hat nachweislich nicht funktioniert. Und wenn es nicht funktioniert, muss man es eben ändern. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Grimling: ... hat auch nicht funktioniert!)

Wenn ich jetzt an die von Präsidenten Todt initiierte Enquete zum Thema Armut denke: Natürlich, niemand will, dass jemand arm ist – und auch da muss man die richtigen Dinge tun! Jetzt im Moment neigt man eher dazu – die Regierung macht viele richtige Dinge, bringt sie auf den richtigen Weg; dazu gehört auch der 12-Stunden-Tag, der ja kein De-facto-12-Stunden-Tag ist, sondern nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommt –, alles der neuen Regierung zuzuschieben.

Ich möchte aber nur an Folgendes erinnern: Auch in Wien – Herr Bürgermeister Lud­wig, Sie waren ja immerhin auch Wohnbaustadtrat – ist es nicht so, dass die Woh­nungen so günstig wären. Sie wollen jetzt neue Wohnungen bauen – das ist ja richtig so, aber das hätte man schon vor zehn Jahren machen sollen. (Landeshauptmann Ludwig: Hat man auch!) In Wien sind jedoch die Mieten bei den Gemeindewohnungen teilweise höher als im privaten Bereich. Das hat Ihnen „Der Standard“ – und das ist kein freiheitliches Parteiorgan – schon einmal ausgerichtet.

Ich habe mir das zum Teil auch angeschaut und möchte einmal ein paar Zahlen bringen: Wenn man auf der Webseite der Stadt Wien nachsieht, mit welchen Wohn­kosten man rechnen muss, dann findet man dort die Information, dass man bei drei Wohnräumen mit mindestens – mindestens! 650 Euro Miete rechnen muss, kalt natürlich. Das heißt, die Energie  Heizung et cetera kommt da noch dazu. Was gilt denn als Wohnraum? Wenn das drei Wohnräume mit je 20 Quadratmetern sind, kann ich mir das gerade noch vorstellen. Definiert ist auf dieser Webseite aber, dass ein Wohnraum ein Fenster haben muss und größer als 8 Quadratmeter sein muss. 8 Quadratmeter ist aber nicht wirklich groß, das ist ja fast wie ein größeres Ab­stellkammerl, und da sind 650 Euro schon gschmackig.

In der Straße, in der ich wohne, gibt es auch einen Gemeindebau, und ich habe die Leute gefragt, was sie an Miete zahlen. Die zahlen für 90 Quadratmeter 850 Euro! Das ist der soziale Wohnbau in Wien! Für 850 Euro bekommt man – man muss halt ein bisschen suchen – am privaten Sektor schon mehr. (Zwischenrufe der Bundesräte Beer und Lindinger.) Unlängst ist eine Wohnung inseriert worden: 50 Quadratmeter, 413 Euro. Das würde ich nicht als soziale Miete bezeichnen. Dazu kommen in dem Fall noch 2 800 Euro Ablöse.

Wenn wir also von Armut sprechen, müssen wir schon auch schauen, dass wir auf dem Boden der Realität bleiben und dass nicht verlangt wird, die Regierung soll alles machen, während dort, wo man es selber in der Hand hat, eben alles anders ist und man hofft, dass es nicht auffällt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, Wien ist alles in allem eine lebenswerte Stadt. Ich wohne auch trotz meines grünen Bezirksvorstehers sehr gerne im 7. Bezirk. Ich schätze diese Nähe zur Stadt, dass ich überallhin zu Fuß gehen kann – ich habe sowieso kein Auto, ich bin ein Öffibenutzer und gehe zu Fuß. Es ist aber nicht so, dass da nichts zu tun wäre und dass es da keine Baustellen gäbe. Das KH Nord möchte ich jetzt nicht erwähnen, auch viele an­dere Dinge nicht – U-Bahn-Ausbau möglichst bis an die Stadtgrenze, damit man die Pendler dort abfangen kann und so weiter. Da ist auch für Sie als neu gewählter Lan­deshauptmann noch sehr viel zu tun. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.47

Präsident Reinhard Todt: Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße weiters auf der Galerie die Schülerinnen und Schüler der Neuen Mittel­schule Dornbirn. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf mitteilen, dass die Bundesjugendvertretung im Vorraum eine Ausstellung zum Thema Kinderarmut, und zwar unter dem Titel „Armut ist kein Kinderspiel“, gestaltet hat. Vielleicht hat der eine oder andere von euch Zeit, dort vorbeizuschauen und sich das anzusehen.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile ihr dieses.