13.30.02

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber liebe ZuseherInnen! Ich finde es toll, dass die heutige Debatte im ORF übertragen wird, weil dadurch sehr schön sichtbar wird, wo die Unterschiede liegen. Es ist ein bisschen schade, dass hinter mir keine Kamera ist, die in die Richtung der FPÖ zeigt, denn dann könnten wir in die schmerzverzerrten Gesichter blicken, weil Sie sich mit diesem Tagesordnungspunkt offensichtlich sehr schwertun. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. – Bundesrat Samt: Schmerzverzerrt? Aber, Herr Kollege!)

Man muss sagen, wir als SPÖ-Fraktion waren sehr fair zu Ihnen. Wir hätten Ihnen mit der letzten Dringlichen Anfrage eine zweite Chance gegeben, Ihren Umfaller zu korri­gieren oder zumindest stichhaltig zu erklären. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir brauchen aber eure Chancen nicht! Wir brauchen euch nicht!) Ich kann nur sagen, nach dem, was Redner eurer Fraktion hier ausgeführt haben: Chance nicht genützt! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir verlangen eigentlich gar nicht viel – wir verlangen nur, dass ihr zwei Dinge aus­einan­derhaltet, nämlich: den Handelsvertrag und die Klagsrechte, die Sonderklags­rechte und Schiedsgerichte, über die wir heute hier abstimmen. Das sind die zwei Sachen, die wir euch bitten, auseinanderzuhalten. Aber es ist offensichtlich leichter, nur eindimensional zu denken. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Steiner! Das E-Mail, das Sie erwähnt haben, war, glaube ich, kein E-Mail, sondern ein Blog-Eintrag von einem gewissen Herbert Bopp. Wenn man auf Google sucht, findet man – so wie wir vorhin – diesen Blogeintrag von vor sieben Jahren. Also ich bitte, da keinen Bürgerkontakt vorzutäuschen, denn da würden Sie andere Mei­nungen hören. Ihre Vorstellung war vielleicht gut für die Löwinger-Bühne oder gut für die Zillertaler Grenzlandbühne, aber nicht geeignet für eine politische Erklärung hier. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Bei dir reicht’s nicht einmal für die Löwinger-Bühne! Bei dir reicht’s nicht einmal dafür!)

Kollege Pisec hat heute wieder sehr eindrucksvoll doziert, und weil wir schon bei Zitaten sind, möchte auch ich Ihnen eines von der FPÖ-Homepage vorhalten. Der Titel des Artikels ist „Pisec fordert Abkehr vom Zentralismus in der WKÖ“. Ich weiß nicht, Frau Kollegin Zwazl, ob es da noch Gesprächsbedarf gibt, aber ein Zitat von Ihnen, Herr Pisec, ist mir schon aufgefallen:

„Und wenn Leitl CETA als Heilsbringer für die österreichische Unternehmenslandschaft verkaufen möchte, so dient dies vielmehr der Ablenkung von hauseigenen Problemen. Österreich wird von CETA ganz sicher nicht profitieren. Wenn der WKÖ-Präsident meint, mit CETA warte das Big Business für die Industrie, wird er leider vergeblich darauf warten müssen.“ (Bundesrat Pisec: Habe ich ja gesagt, ... Konzernen!)

Die Zuseherinnen und Zuseher heute können sich ein Bild davon machen, wie Sie sich hier unter großen Schmerzen durchwinden, aber offensichtlich haben Sie solch ein schlechtes Gewissen, weil Ihr Parteichef Strache mit Anlauf umgefallen ist. Man muss sich wirklich fragen, was das für ein Parteichef ist, der für das Rauchen seine Ein­stellung zu Ceta verkauft hat.

Was ist denn dieser Dammbruch bei Ceta – und ich wiederhole an dieser Stelle auch das vom letzten Mal noch einmal, weil das auch für die ZuseherInnen wichtig ist –: Der Dammbruch ist nicht, dass wir grenzüberschreitend handeln; das bitte wirklich in der Debatte auseinanderzuhalten. Der Dammbruch ist auch nicht, dass wir Zollbeschrän­kungen abbauen, dass wir den Marktzugang für bestimmte Waren erleichtern; das macht alles Sinn für ein Exportland wie Österreich. Da ist das Abkommen ver­gleichsweise gut, sonst hätten wir es mit Bundeskanzler Kern in dieser Form auch nicht unterschrieben. Aber der Dammbruch, den Sie heute hier beschließen, ist, dass diese Sonderklagsrechte für Konzerne unsere Möglichkeiten als Politikerinnen und Politiker beschneiden.

Das private Schiedsgerichtssystem, egal wie das Türschild nun heißt, die regula­to­ri­sche Kooperation – es geht bei Ceta nur zweitrangig um Kanada. Wir werden schon Handel treiben, das ist alles gut und schön – Kollege Köck könnte dann vielleicht sei­nen Bauern erklären, wieso die Importquote von Raps um 1 200 Prozent gestiegen ist; da wird es wahrscheinlich auch noch das eine oder andere böse Erwachen geben –, aber mit diesem Abkommen wird die Zukunft der europäischen Handelspolitik be­stimmt, und das hat verheerende Folgen für uns als Politik. Deswegen hat Christian Kern nach zweiwöchiger Amtszeit als Bundeskanzler dafür gekämpft, dass wir heute hier darüber abstimmen können, ob wir diese Schiedsgerichte und die Sonderklagsrechte auch wirklich haben wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie machen das, und das ist heute schon mehrfach deutlich geworden, vollkommen überhastet; sogar die Deutschen warten auf eine Vorabentscheidung vom Euro­pä­ischen Gerichtshof. Sie tragen auch die Verantwortung für diese Zweiklassenjustiz; nichts anderes ist dieses Schiedsgerichtssystem für mich. Mit viel Geld kommt man schneller zu seinem Recht. Man kann das Türschild noch drei Mal austauschen, es bleibt ein privates Gerichtssystem, und Sie haben uns nicht erklärt, wieso das österreichische Gerichtssystem oder das kanadische Gerichtssystem für die Beilegung dieser Streitigkeiten nicht gut genug ist.

Niemand kennt den Personenkreis, aus dem für diese Schiedsgerichte ausgewählt werden soll, es ist alles noch unter Verschluss. Es sollen Personen sein, das ist schon angesprochen worden, die zum Richteramt befugt sind oder – Zitat – vergleichbare Fähigkeiten haben. Transparent sind die Verfahren auch nur so weit, soweit nicht Ge­schäftsgeheimnisse betroffen sind. Ich stelle mir derartige Schiedsverfahren ziemlich spannend vor. Das ist maximal 19. Jahrhundert, das kann nicht euer Ernst sein.

Es ist euer Beschluss heute, der es ermöglicht, dass die Konzerne gegen hohe Stan­dards klagen. Kollege Stögmüller hat das heute eindrucksvoll bewiesen und Beispiele gebracht. Es ist für Großkonzerne vielleicht ein schönes und leichtes Spiel, dass man sich solch ein Verfahren leistet, aber als Staat und mit Steuergeld riskiert man das nicht. Und die berühmten und immer wieder zitierten KMUs werden sich diese Ver­fahren auch nicht leisten und nicht leisten wollen.

Wenn es um die Beurteilung geht, welchen Effekt diese Schiedsgerichte haben, dann verlasse ich mich nicht so sehr auf die Einschätzung des Kollegen Köck, sondern auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz, der – ich habe ihn schon letztes Mal zitiert – gesagt hat: „Das Motiv hinter ISDS“ – den Schiedsgerichten – „ist der Wunsch, neue Finanzmarktregulierung, Umweltgesetze, ArbeitnehmerInnenschutz, und Nahrungs- und Gesundheitsstandards schwerer zu machen.“

Selbst dann, wenn wir es heute beschließen und morgen kündigen würden, würden diese Klagsrechte noch weitere 20 Jahre gelten. Das heißt, Sie hier tragen heute die Verantwortung dafür, dass wir uns als Politik selbst Stück für Stück abschaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ihr, liebe FPÖ, habt heute, jetzt, die letzte Chance, euren Umfaller wiedergutzu­machen. Ihr müsst euch ab heute in euren Wahlkreisen und euren Gemeinden verantworten, euch den Gesprächen mit den Menschen in den Regionen stellen. (Bundesrat Spanring: Geben Sie uns Zeit, dann machen wir das ja!) Ich wünsche euch viel, viel Spaß dabei. Man könnte ja süffisant lachen, wenn es nicht so ernst und tragisch wäre. Ihr könnt heute noch die letzte Chance nutzen, gegen die Umsetzung von Schieds­gerichten und Sonderklagsrechten und für die Abhaltung einer Volksabstimmung zu stimmen; so wie ihr es versprochen habt.

Ganz zum Schluss: Auch wenn euer Parteivorsitzender einmal Zahntechniker war, das Ziehen von Giftzähnen hat er mit Sicherheit nicht gelernt oder zumindest ordentlich verlernt, denn es sind keine Giftzähne gezogen worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das macht auch der Zahntechniker nicht, das sollte man wissen! Der zieht generell keine Zähne!) Das haben wir letztes Mal in der Debatte zur Dringlichen Anfrage deutlich gehört. Ihr lauft vor euren eigenen Versprechungen weg, ihr habt kapituliert, eure Ver­sprechungen waren nichts wert! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätIn­nen Dziedzic und Stögmüller.)

13.37

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile es ihm.