17.55.26

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir mit heutigem Tag dieses Problem aus der Bildungsreform 2017 endlich behoben haben. Ich habe bereits im März mittels eines Entschließungsantrages im Bundesrat darauf hin­gewiesen. Deshalb freut es mich umso mehr, dass die Regierung auch auf die Ent­schließungsanträge der Grünen, von mir aus auch Restgrünen, im Bundesrat eingeht, die Probleme erkennt und auch behebt.

Die Behebung ist wichtig und richtig, denn im Zuge der Bildungsreform wurden Teile des Privatschulgesetzes geändert, was jetzt zu Problemen an internationalen Schulen in Österreich geführt hätte. Das haben wir aufgezeigt. Mit der Reform, wie sie ursprünglich beschlossen worden ist, hätten mit Beginn des kommenden Schul­jah­res 2018/2019 die Lehrkräfte die Anforderung gehabt, Deutsch auf dem Niveau des C1 des GERs beherrschen zu müssen. Das ist für internationale Schulen eigentlich fast unmöglich gewesen, weil in diesen überwiegend in englischer Sprache unterrichtet wird – ich gebe Ihnen recht, es gibt auch andere Schulen, wo man sehr wohl auch nachdenken muss, ob das gut ist oder nicht –, weil diese auch mit internationalem Bakkalaureat abschließen und Native Speaker zum Beispiel aus dem englisch­sprachi­gen Raum angestellt haben.

Das war auch der Grund, warum wir Grünen einen dementsprechenden Entschließungs­antrag im Bundesrat eingebracht haben. Es ist wirklich schön, wenn dieser jetzt umgesetzt worden ist, auch im Sinne der internationalen Schulen.

Weil das so super funktioniert, versuche ich in diesem Rahmen gleich einen weiteren bildungspolitischen Punkt einzubringen. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit dem Thema Cybermobbing und Cybergrooming bei Jugendlichen beschäftigt. Das ist ein unglaublich wichtiges Thema, das wir auch bildungspolitisch in Angriff nehmen müssen, und zwar gemeinsam.

SOS-Kinderdorf hat vor ein paar Monaten eine Studie dazu in Auftrag gegeben, die eigentlich zu einem erschreckenden Ergebnis gekommen ist: 27 Prozent aller Jugend­lichen im Alter zwischen 11 und 18 Jahren haben bereits Erfahrung mit sexueller Be­läs­tigung im Internet – fast die Hälfte der Betroffenen machte die erste Erfahrung vor dem 14. Geburtstag –, also fast jedes dritte Kind.

Unglaublich, dass überhaupt nur 8 Prozent eine Anzeige erstatten. Da gibt es also eine riesengroße Dunkelziffer. Ich habe dazu auch eine Anfragereihe an die Ministerien gestartet, neben dem Bildungsministerium habe ich auch im Innenministerium nach­ge­fragt, auch hier erschreckende Zahlen: Die Anzahl der Straftaten zu pornographischen Darstellungen Minderjähriger ist von 2015 auf 2017 um 57 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Straftaten zur Anbahnung von Sexualkontakten mit Unmündigen – das ist das sogenannte Cybergrooming, das heißt, irgendwer schreibt eine persönliche Nach­richt auf Facebook oder sonst wo an die Minderjährigen, in der er sie auffordert, ihm Fotos zu schicken – ist in den letzten drei Jahren um 32 Prozent gestiegen. Bei Cybermobbing gibt es einen Anstieg um 19 Prozent. Dieses Gesetz gibt es erst seit 2016, das heißt, man hat hier einen Vergleichswert von 2016; von 2016 auf 2017 gibt es hier also einen Anstieg um 19 Prozent.

Ich will gar nicht wissen, wie viele Fälle es wirklich sind, in denen Kinder und Jugend­liche aufgefordert werden, Nacktfotos, Nacktvideos zu verschicken, oder in denen sie im Internet mit diesen dann gemobbt, verhöhnt oder sogar erpresst werden.

Eines hat die Statistik auch aufgezeigt, und das war auch für mich etwas Neues: Die Täter sind nicht nur die typischen pädophilen Männer zu Hause, wie man es sich vorstellt, sondern sehr viele, nämlich ein Drittel davon, sind auch Gleichaltrige, die Jugendlichen diese Fotos abgroomen und diese jungen Menschen dann im Internet oder sonst wo damit erpressen. Dafür sind die neuen digitalen Medien natürlich ein optimales Medium, sei es WhatsApp, sei es Instagram, sei es Snapchat, seien es auch Dating Apps. Bei all den neuen digitalen Medien geht es um den schnellen Bildversand und teils anonyme Kontaktaufnahme. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir sind beim Privat­schulgesetz! Ich will es dir nur sagen!)

Hier braucht es Bildung. Unser Ziel soll es sein, dass unsere Kinder zu kritischen Usern heranwachsen und wissen, dass sie mit den heutigen digitalen Medien und ihren persönlichen Daten und Fotos gewissenhaft umgehen müssen.

Der Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf, Christian Moser, hat es erst letzte Woche bei einem Vortrag ganz gut gesagt: Wir reden hier von Technik. Wir setzen ja auch nicht die 14-jährige Tochter einfach in ein Auto und sagen: Jetzt fahr los!, sondern es braucht Schulung und Training, es braucht Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, die sie lehren, mit dieser Technik umzugehen.

Genau das ist es auch, was es in der Technik, im Internet, mit WhatsApp, mit Snapchat, mit Instagram braucht: Es braucht Technik, es braucht Aufklärung, es braucht Information, und diese Information und Aufklärung braucht es auch für die Eltern, das ist nämlich auch ganz wichtig; beispielsweise die Behandlung der Fragen: Wie gehe ich überhaupt mit den neuen digitalen Medien um? Wie bringe ich meinen Kindern überhaupt bei, was Cybergrooming oder Cybermobbing ist, und an wen muss ich mich wenden, wenn ich davon betroffen bin? (Bundesrat Mayer: Wir sind beim Privatschulgesetz! Privatschulgesetz!)

Das ist natürlich eine immense Herausforderung auch für die Eltern, die neben einer 60-Stunden-Woche auch noch das nebenbei erledigen müssen; aber mindestens genauso wichtig – und da kommen Sie, Herr Minister Hofer, und sehr wohl auch das Bildungsministerium ins Spiel – ist das Erlernen von digitaler Kompetenz. (Bundesrätin Mühlwerth: Du, wir sind jetzt beim Privatschulgesetz! – Bundesrat Mayer: Das Privat­schulgesetz!) Wir brauchen ein eigenes Schulfach für digitale Medienkompetenz; ich glaube wirklich, daran werden wir nicht vorbeikommen! Die Kinder von heute wachsen komplett in die digitale Welt hinein, diese Entwicklung wegzuleugnen wird den Kindern leider nichts helfen. Meiner Meinung nach sind wir eh schon eine Generation zu spät dran.

Wie Sie jetzt planen, in allen Unterrichtsfächern Medienkompetenz zu implementieren, liest sich am Papier gut und schön, aber seien wir doch ehrlich: Viele Pädagoginnen und Pädagogen wissen gar nicht, was Instagram, geschweige denn Snapchat über­haupt ist und wie das funktioniert. Bis zum nächsten Schuljahr sind diese Trends schon wieder verflogen, und es gibt neue Apps und neue Phänomene im Internet und bei den Social Media.

Es braucht PädagogInnen, die sich genau dieser digitalen Medien annehmen, betref­fend die digitale Medienlandschaft am Puls der Zeit sind und auch ein Verständnis für diese Medien und Medienethik haben, um SchülerInnen den Umgang damit auch wirk­lich zu lehren. Auch verpflichtende Fortbildung für Pädagoginnen und Pädagogen in den Bereichen digitale Medienkompetenz und Ethik ist notwendig – daran wird leider kein Weg vorbeiführen.

Herr Minister Hofer, bitte richten Sie dem Bildungsminister Folgendes aus (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist mit den Privatschulen?) – ich bin schon am Ende –: Ich hoffe wirklich, Sie verschlafen das nicht, das Ministerium verschläft das nicht, machen Sie die Digitalisierungsstrategie Schule 4.0 wirklich progressiv und zukunftsorientiert, denn das ist notwendig.

Ich versuche es auch diesbezüglich wieder mit einem Entschließungsantrag, damit ich zum Ende komme – ich bin schon am Schluss –, dass man das vielleicht wieder auf­greifen kann.

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eigenes Schulfach für digitale Medienkompetenz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, sich im Rahmen der Digitalisierungsoffensive im Bil­dungs­bereich für ein eigenes Schulfach für digitale Medienkompetenz einzusetzen sowie sicherzustellen, dass es verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen im Bereich digi­tale Medienkompetenz für Pädagoginnen und Pädagogen gibt.

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Vielleicht klappt es auch hier wieder einmal mit einem Entschließungsantrag, denn ich meine, es sollte unser gemeinsames Interesse sein, die Kinder und Jugendlichen zu schützen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

18.02

Vizepräsident Ewald Lindinger: Der von den Bundesräten Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Eigenes Schulfach für digitale Medienkompetenz“ ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhand­lung. (Bundesrätin Mühlwerth: Es wäre aber nett, wenn er zum Privatschulgesetz gere­det hätte!)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich erteile dieses.