17.18.49

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke für Ihre Ausführungen, Frau Bundesrätin Grossmann, weil ich dadurch doch eini­ges klarstellen kann. Betreffend diese Gesetzesnovelle, die heute vorliegt, möchte ich darauf hinweisen, dass sie gerade für die Bürgerinnen und Bürger da ist, weil sie den Staat einfacher macht; sie macht Verfahren schneller, sie macht sie gerechter, und gleichzeitig entkriminalisiert sie in jenen Bereichen, in denen Strafen nicht angebracht sind.

Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang auch noch zu erwähnen ist, macht den Staat gerechter: dass man sich vom Ordnungsstaat hin zum Dienstleistungsstaat bewegt. Sie haben das Prinzip „Beraten statt strafen“ angesprochen, dass dadurch die Rechte gerade der Arbeitnehmer, der Anrainer und dergleichen abgeschwächt werden sollen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Novelle ist genau so aufgebaut, dass „Beraten vor strafen“ tatsächlich eben nur dann stattfindet – das wurde von Bundesrat Brunner ausgeführt –, wenn das Verschulden und die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes gering sind. 

Sie haben die Nachbarn angesprochen, dass da entkriminalisiert wird und dass da­durch die abschreckende Wirkung geringer wird, allenfalls eine Straftat zu begehen. Ich zitiere den § 33a der Vorlage, in dem genau ausgeführt ist, was nicht gering ist, das heißt, dass „Beraten vor strafen“ nicht Platz greifen kann, „[...] wenn die Übertretung nachteilige Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter bewirkt [...]“.

Das heißt, wenn es eine Lärmimmission gibt oder beispielsweise der Nachbar in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt wird (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), dann gilt „Beraten vor strafen“ nicht. Das heißt, genau das haben wir ausgenommen, wir sind in eine Richtung gegangen, bürgerfreundlicher zu sein. Es ist gerade von Magnus Brunner ein Beispiel angeführt worden: Wenn jemand seinen Wohnsitz von einer Gemeinde zur anderen verlegt und vergisst, gleichzeitig das Autokennzeichen umzumelden, bekommt er eine Strafe, wenn auf dem Autokennzeichen statt Baden zum Beispiel Mödling steht. Da soll beraten werden, und wenn er innerhalb einer bestimmten Zeit den rechtmäßigen Zustand nicht herstellt, wird er bestraft.

Das ist ein Punkt, der eben – auch das wurde angesprochen – im Arbeits­inspektions­gesetz bereits geregelt ist. Dort ist man in die Richtung gegangen, zu sagen: zuerst beraten, dann eine Frist setzen; wenn die Frist nicht gewahrt wird oder der rechts­widrige Zustand nicht beseitigt wird, dann wird bestraft. Die Motivation für dieses Ge­setz war: Man hat mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeit­nehmer­schutzvorschriften beraten. Das heißt, man ist damals davon ausgegangen, dass das Gesetz eher eingehalten wird, wenn man zuerst berät, die Leute überzeugt, als wenn man gleich mit der Strafkeule kommt. Genau diesen Aspekt haben wir in die Gesetzesvorlage eingearbeitet, und ich glaube, das ist gut so.

Sie haben betreffend Verschuldensvermutung auch ein Thema angesprochen. Ja, ich habe den Schritt gesetzt, und zwar deshalb, weil es meines Erachtens mit einem Rechtsstaat unvereinbar ist, dass in dem Fall sozusagen ein Inquisitionsprinzip – das heißt also, der Kläger ist gleichzeitig auch der Richter – gilt. Ich bin den Schritt ge­gangen, genau dieses Prinzip der Verschuldensvermutung bei Ungehorsamsdelikten aufzuweichen, und zwar in der Form, dass man nicht irgendjemanden begünstigt, son­dern zu schauen, welche Wirkungen das in dem Bereich hat. Die Wirkung war, dass ich natürlich andere Rechtsvorschriften zugrunde gelegt habe, sozusagen darauf ge­achtet habe, wo es auf jeden Fall angebracht wäre, den ersten Schritt zu setzen, bevor man den zweiten Schritt setzt; das hat Magnus Brunner auch angesprochen. Ich beab­sichtigte da, sehr wohl in zwei Jahren zu prüfen, inwieweit man diese Grenze von 50 000 auf allenfalls 2 000 oder 3 000 Euro senken kann.

Warum habe ich diese Grenze von 50 000 genommen? Nämlich deshalb, weil man diesen Betrag in mehreren Gesetzen bereits als Anknüpfungspunkt hat, wie beispiels­weise in der Exekutionsordnung, dort gibt es ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren bis 50 000 Euro. Im Kapitalabfluss-Meldegesetz sind Kapitalabflüsse bis 50 000 Euro nicht meldepflichtig, im Schenkungsmeldegesetz oder im Finanzstrafgesetz ist die ge­richtliche Zuständigkeit ab 50 000 Euro gegeben, und im Strafrecht war bei Vermö­gensdelikten die Grenze – die mittlerweile angehoben wurde – bisher auch 50 000 Euro.

Das heißt, es wurde genau diese Grenze genommen, um den ersten Schritt in Rich­tung einer Entkriminalisierung zu setzen und nicht in irgendeiner Art und Weise jemanden zu begünstigen. Es freut mich in diesem Zusammenhang, dass Sie ange­sprochen haben, dass Sie die Absicht, diese Grenze weiter zu senken, auch unterstüt­zen würden.

Ein Punkt, der noch angesprochen wurde oder zu dem gesagt wurde, das wirke sich für die Bürgerinnen und Bürger nicht aus, ist die Verfahrensbeschleunigung. Sie wis­sen, wenn ein Kleinunternehmer bisher einen Antrag auf Betriebsanlagengenehmigung eingereicht hat, hat das Verfahren oft jahrelang gedauert. Warum? – Es wurde eine Verhandlung anberaumt, es wurde ein Gutachten vorgelegt, das Gutachten wurde im Rahmen der Verhandlung besprochen; kaum war die Verhandlung vorbei, hat es ein neues Gutachten gegeben: wieder Parteiengehör, neue Verhandlung, neue Verhand­lung, neue Verhandlung. Damit ist der Unternehmer oder auch der Private nie dahin gekommen, dass sein Verfahren abgeschlossen werden konnte.

Damit ist es nun vorbei. Zum einen gibt es eine Verfahrensbeschleunigungspflicht für die Bürgerinnen und Bürger, das heißt, die Bürger müssen dabei mitwirken, dass das Verfahren rascher abgewickelt wird. Es besteht die Möglichkeit, innerhalb der Verhand­lung den Schluss des Beweisverfahrens zu erklären, dann ist das Verfahren vorbei. Gleichzeitig hat aber die Behörde auch eine Verpflichtung, nämlich innerhalb von acht Wochen zu entscheiden. Tut sie das nicht, ist das Ermittlungsverfahren wieder offen. Das ist eine Regelung, die von vielen, auch von den Gerichten verlangt wurde und die in eine Richtung geht, gerade den klein- und mittelständischen Unternehmungen in diesem Zusammenhang eine Hilfestellung zu leisten.

Ein weiterer Punkt, der die Bürgerinnen und Bürger betrifft, ist der Aspekt – auch das wurde angesprochen –, dass das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes bisher in Vorarl­berg, Salzburg und Wien unterschiedliche Deliktshöhen nach sich gezogen hat. Jetzt kann der Wirtschaftsminister festlegen, dass das in ganz Österreich im gleichen Aus­maß, in gleicher Höhe zu ahnden ist. Das bringt ein zeitgemäßes und transparentes Ver­waltungsverfahren für die Bürgerinnen und Bürger.

Darüber hinaus haben wir für die Bürgerinnen und Bürger einen weiteren Schritt ge­setzt, wenn es darum geht, ein Verfahren einzustellen beziehungsweise dass es über­haupt nicht dazu kommt, dass ein Strafverfahren durchgeführt wird, wenn man näm­lich – so wie derzeit – ein Organstrafmandat mit dem vorgeschriebenen Betrag von 25 Euro bekommen hat, aber 28 Euro eingezahlt hat. Bisher hat man obwohl man gezahlt hat  ein Strafverfahren bekommen, und zwar deshalb, weil nicht ordnungs­gemäß eingezahlt wurde. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Wenn jemand zu viel zahlt, dann bekommt er das Geld zurück, aber es wird kein Strafverfahren einge­leitet.

Ein anderes Beispiel: Wenn ein Bürger – derzeit – eine Anonymverfügung bekommt und im ersten Schritt gegen die Anonymverfügung einen Einspruch macht, kann er den Einspruch nicht mehr zurückziehen, es wird ein Strafverfahren durchgeführt. Das wird es nicht mehr geben, das heißt, der Bürger kann den Einspruch noch zurücknehmen, und es wird dann kein Strafverfahren durchgeführt. Auch das ist ein guter Schritt für die Bürgerinnen und Bürger.

Darüber hinaus machen wir einen weiteren Schritt in der Verwaltung, der zum Wegfall von Bürokratie führt. Bisher gab es in Österreich Tausende Ermächtigungsurkunden, jeder Polizist benötigte eine Ermächtigungsurkunde, damit er Geldstrafen einheben konnte. Diese Ermächtigungsurkunden wird es nicht mehr geben, dadurch fallen in Zukunft Tausende Ermächtigungsurkunden weg.

Noch ein Punkt, in dem wir es einfacher, verständlicher für die Bürger gemacht haben, indem wir einen Aussageverweigerungsgrund auch im Verwaltungsstrafverfahren für ehemalige Lebensgefährtinnen oder Lebensgefährten geschaffen haben. Auch das ist dem Strafrecht angeglichen worden, also auch wieder eine Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger.

In letzter Konsequenz haben wir auch fünf Richtlinien umgesetzt, nämlich die EU-Richt­linie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafver­fah­ren, die Richtlinie über die Pflicht zur Begründung und zur Rechtsmittelbelehrung, die Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren, die Richtlinie über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung, um auch dabei die Rechte der Beschuldigten zu stärken und immer mehr in Richtung einer men­schenrechtskonformen Umsetzung zu kommen. Das heißt, ich glaube, wir haben in dem Bereich, in dem es den Bürgerinnen und Bürgern etwas bringt, sehr viel getan.

Vielleicht noch ein Aspekt, der von Herrn Bundesrat Schennach angesprochen wurde: Danke dafür, dass Sie auch der Ermittlungsanordnung die Zustimmung geben. Sie haben es ja angesprochen: Bisher war das bei Finanzstrafbehörden der Fall, bisher war das bei Gerichten der Fall, dass Ermittlungsanordnungen gemacht werden konn­ten, nunmehr können das auch Verwaltungsbehörden. Dafür ist eben erforderlich – das wurde angesprochen –, dass eine Bestätigung durch ein Landesverwaltungsgericht oder ein Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen ist, wenn eine Anordnung seitens einer Verwaltungsbehörde kommt. Da diese Gerichte bisher als Rechtsmittelbehörden eingerichtet waren und sie nunmehr zu bestätigen haben, dass Anordnungen rechtens sind, brauchen wir eine Verfassungsbestimmung. Also herzlichen Dank dafür, dass Sie auch die Zustimmung dazu geben. Ich glaube, diese Maßnahme, die in die Richtung führt, ein einheitliches Verfahren unter Verwendung einheitlicher Formulare und ein­heit­licher Fristen zu bekommen, bringt den Bürgerinnen und Bürgern sehr viel, das entlastet und, wie gesagt, bringt den Rechtsstaat wieder weiter.

Also ich hoffe, dass Sie dieser Novelle beziehungsweise dieser Gesetzesvorlage Ihre Zustimmung geben, denn meines Erachtens machen wir, wir alle, damit einen wesentlichen Schritt zu einem modernen Österreich. Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.28

Vizepräsident Ewald Lindinger|: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml. Ich erteile ihm dieses.