13.43.29

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie­be Inge! Werte Ministerinnen! Die Stimmung hier ist so aufgeheizt. Ich bin relativ neu hier, und ich muss ehrlich sagen, es ist bei diesen Emotionen sehr schwer für mich, hier am Rednerpult zu stehen und meinen Text vorzutragen. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann setz dich wieder hin!) – Nein wirklich, es ist so! (Ruf bei der FPÖ: Pickerl herun­tergeben, dann geht es vielleicht leichter!)

Also noch einmal: Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, bitte habt Nach­sicht! Leben ist nicht nur Arbeit; es kommt mir aber fast so vor. Viele Menschen in un­serem Land haben Angst, haben wirklich Angst – und ich habe mit vielen Leuten ge­sprochen –, Angst vor der Zukunft, Angst um den Arbeitsplatz, und sind verunsichert, wie sie ihre Gesundheit erhalten und ein Familienleben führen sollen. Das ist jetzt kei­ne Märchenstunde, das ist tatsächlich so. 12 Stunden Arbeit am Tag und 60 Stunden Arbeit in der Woche – da bleibt keine Zeit für Familie, keine Zeit für die Pflege der ei­genen Gesundheit (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz) und keine Zeit für Freizeit­aktivitäten. Das ist eine Schande für Österreich, es ist so! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch hält ein Schriftstück mit dem Titel „Plan A“ in die Höhe.)

Ich erinnere mich, als Bundesrätin ein Gelöbnis abgelegt zu haben (Bundesrat Schus­ter: Wir alle haben das!) – wir alle haben das getan –, und zwar haben wir beziehungs­weise habe ich unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beobachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten gelobt. Wenn ich beobachte, was hier geschieht, dann kann ich nur Nein sagen, das ist meine Pflicht; und ich sage hier Nein und nochmals Nein zu diesem neuen Arbeitszeitgesetz! So geht das nicht, nein, absolut nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich vertrete hier die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Bezirken St. Pölten und Lilienfeld, und in dieser Funktion bin ich definitiv verpflichtet, zu sagen: Nein, das kann nicht sein! Das ist jetzt meine Meinung, die lassen Sie bitte gelten. (Ruf bei der FPÖ: Ihre Partei verpflichtet Sie dazu!) Mit diesen Bedenken bin ich nicht allein, son­dern meine sozialdemokratische Fraktion steht dahinter und ebenso viele Organisa­tionen: der Katholische Familienverband, verschiedene Frauenorganisationen, Vertre­ter der Feuerwehren und auch, wie mein Kollege Dr. Leitner schon gesagt hat, die Ös­terreichische Bischofskonferenz. (Bundesrat Schuster: Kreisky würde sich im Grab um­drehen!)

Der Bischof, glaube ich, meint das sehr wohl ehrlich und aufrichtig. Ich war bei der Amtseinführung des Bischofs von St. Pölten zugegen, er hat ebenfalls ähnliche Worte in den Mund genommen, wie auch der Superintendent, der gesagt hat: Bitte passt auf, die beabsichtigten Gesetzesänderungen bedürfen auf alle Fälle eines Begutachtungs­verfahrens und sind demokratiepolitisch bedenklich, das ist eine Geringschätzung des Familienlebens. (Bundesrat Rösch: Jetzt habt ihr zehn Jahre mitgearbeitet – wie lang braucht man noch?) Diesen Aussagen kann ich mich voll und ganz anschließen; es ist nämlich relativ leicht, vom Schreibtisch aus solche Ideen zu entwerfen. (Bundesrätin Schulz: Wir sind Unternehmer! – Bundesrätin Grimling: Außer Unternehmer gibt es nichts mehr!) Auf der Baustelle, in der Fabrik, am Fließband schaut das anders aus.

Sagen wir Nein zu den beabsichtigten Gesetzesänderungen, möge die Vernunft sie­gen, zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Kinder! Wir wol­len nicht, dass die Väter nach 12 Stunden Arbeit ihre Kinder nicht mehr sehen. Da ist man nämlich erschöpft und ausgelaugt und vor allem macht man Fehler. (Bundesrat Längle: Sie tun ja so, als würde man jeden Tag 12 Stunden arbeiten!) Wenn man zweimal nacheinander 12 Stunden arbeitet, sollte man sich mindestens drei Tage aus­ruhen, das ist arbeitsmedizinisch erwiesen, das können Sie googeln. So lange Arbeits­zeiten können zu Arbeitsunfällen führen, und wir wollen keine ausgelaugten Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer.

Bitte besinnen Sie sich noch einmal und verhandeln Sie das Gesetz mit den Sozial­partnern, denn das Leben ist nicht nur Arbeit! Bitte denken Sie auch an Ihr Gelöbnis! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

13.47

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.