13.47.38

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der letzte Redner vor der Ministerin zu diesem – wenn man die Diskussion verfolgt hat – teilweise schon amüsanten Thema. Ich möchte mich be­mühen, meine Aussagen abschließend auf den Punkt zu bringen, damit die Nerven nicht allzu sehr strapaziert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Was mir im Zusammenhang mit der Diskussion über die Arbeitszeitflexibilisierung auf­fällt: Ich glaube, wir hätten uns die Diskussion sparen können, wenn wir den Plan A – Kollege Rösch, du hast es angesprochen – umgesetzt hätten, den Genosse Kern fest­geschrieben hat; dann wären wir schon lange fertig. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber der Kern hat sich ja nichts getraut!)

Damit bin ich schon beim Sozialisten Kern: Vor einigen Wochen sind Mitarbeiter der ÖBB auf die Straße gegangen, um gegen die neuen Arbeitszeitregelungen zu demons­trieren. Ich habe geglaubt, ich traue meinen Augen nicht. Bei den ÖBB, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, gibt es schon lange Arbeitszeiten von 12 Stun­den – dass da gerade die Gewerkschaft Vida mobilisiert, ist mir ein komplettes Rätsel! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Novak und Grimling.) Die Gewerkschaft Vida hat 2013 einen Kollektivvertrag ausverhandelt (Bundesrätin Grimling: Ausverhandelt!), nach dem man im Fahrdienst 12 Stunden arbeiten – und jetzt kommt es, Kollegen! – muss; nicht kann, sondern muss! Durch eine Betriebsvereinbarung kann das auf 15 Stunden ausgedehnt werden. (Bundesrat Lindner: Mit dem Betriebsrat!) – Also das ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass so etwas in staatsnahen Unternehmen er­laubt wird, und bei den KMUs darf man es nicht. Schauen Sie sich den Kollektivvertrag an! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Wisst ihr, wer das im Jahr 2013 unterschrieben hat? – Der ehemalige Bundeskanzler Kern mit einem, wie ich sagen würde, neoliberalen Gedankengut – aber das nur am Rande. (Zwischenruf des Bundesrates Lindinger.) Ich möchte damit sagen: Was hier im Zusammenhang mit dieser Arbeitszeitflexibilisierung von der Opposition, der Arbei­terkammer und dem ÖGB an Unwahrheiten verbreitet wird, ist an Polemik nicht zu über­bieten.

Ich stehe hier als Unternehmer, ich weiß, wovon ich rede. (Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: Ja, genau!) Ich habe in meinen Gastronomiebetrieben, liebe Opposition, über hun­dert Mitarbeiter. Glaubt wirklich jemand, dass die Unternehmer in Österreich drauf und dran sind, vor lauter Gier die Mitarbeiter auszubeuten? Ich rede jetzt im Klassenjargon, den ich immer wieder von dieser Seite (in Richtung SPÖ) höre. Ja, glaubt das wirklich jemand? Kollege Novak, du hast in der Ausschusssitzung gesagt, sie müssen 17 Stun­den arbeiten. – Ehrlich gesagt, mir sind fast die Tränen gekommen. Ich schätze dich als Person, du bist mir sympathisch, aber das geht komplett an der Realität vorbei. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Wenn ich jemanden 17 Stunden arbeiten las­sen würde, würde ich in Zeiten wie diesen keine Mitarbeiter mehr finden. Das ist doch lächerlich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich muss mich mit meinen Mitarbeitern konsensual arrangieren. Ich sage euch eines: Wenn man glaubt, dass man für Überstunden und Sondereinsätze zusätzlich Personal einstellen muss, zeugt das schon von einer gewissen Ahnungslosigkeit. Um es abzu­runden, nenne ich euch jetzt ein paar Beispiele, wie es in der Gastronomie, im Touris­mus wirklich ist; ich halte mich ganz kurz:

Josef Reingruber sagt: Durch die Möglichkeit eines fallweisen 12-Stunden-Tags be­komme ich einen dritten Tag frei und erspare mir eine zusätzliche An- und Abfahrt. – Zitatende.

Verena Panhuber, eine Restaurantfachfrau – ich komme aus der Branche, darum ver­stehe ich das so gut –, meint: Ein Dienstwechsel bei Hochzeitsfeiern mitten in der Nacht macht für mich keinen Sinn, da mache ich lieber den nächsten Tag frei. Zudem möchte ich bei einer Hochzeit vom Beginn bis zum Ende Ansprechpartner sein. – Zitat­ende.

Ein kleines Beispiel noch aus der Gastronomie: Ist die tägliche Höchstarbeitszeit über­schritten – etwa bei Hochzeits- oder Weihnachtsfeiern, auch in meinen Betrieben kommt so etwas vor –, dann muss um 22 Uhr am Abend für vielleicht 2, 3 Stunden ein voll­ständig neues Team kommen. Das will weder der Kunde noch der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer. In meine Betriebe kommen in der Weihnachtszeit – bei mir finden circa 500 Weihnachtsfeiern statt – auch die Gewerkschafter – ich bedanke mich da­für – und Gäste aus allen Gruppierungen, was ich sehr schätze, aber da hat noch kei­ner gesagt: Bitte schickt die Leute heim!, weil es schon 22 oder 23 Uhr ist. – Das ist doch lachhaft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich sage das nur deswegen, weil das in staatsnahen Betrieben, in den Krankenhäu­sern, bei Pflegern, Ärzten und auch bei der Polizei möglich ist. Erst vorgestern waren Polizisten bei mir zu Gast, und die haben gesagt: Robert, das musst du ihnen im Bun­desrat sagen: Bei uns gibt es 24-Stunden-Dienste! (Rufe bei der SPÖ: Jaja!) Meine Kollegen von der Opposition, reden Sie einmal mit der Polizei! Ich lüge hier nicht, ich spreche die Wahrheit. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie wollen Wahrheiten nicht hören. Das ist die wirtschaftliche Realität. Sie wollen nicht wahrhaben, dass auch die Klein- und Mittelbetriebe einen rechtskonformen Zustand haben wollen. Was ist da so verbrecherisch? Das muss mir einmal jemand erklären, noch dazu, wo wir gehört haben, dass wir hier in Wahrheit um des Kaisers Bart strei­ten. Es bleibt alles, wie es ist. (Rufe bei der SPÖ: Jaja! Dann brauchen wir es ja eh nicht!)

Die Frau Minister hat es gesagt: 8-Stunden-Tag, 40-Stunden-Woche, sogar eine Frei­willigkeit haben wir drinnen, das ist jetzt nachgeschärft worden (Bundesrat Koller: Wo­durch nachgeschärft?); nicht wie bei den ÖBB, wo man muss. Wir haben eine Freiwil­ligkeit. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden gestärkt, und Kollektivver­träge und Betriebsvereinbarungen bleiben. Also was soll das? Sie regen sich hier über etwas auf, was in der Realität nicht da ist.

Eines möchte ich noch sagen, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Bruno Kreisky hat uns damals die skandinavischen Länder als Paradebeispiele präsen­tiert. Ihr wisst genau: 13 bis 16 Stunden wird dort gearbeitet. Wisst ihr, wie es dort ist? – Ich habe bis jetzt noch nicht gehört, dass es dort überbordende Krankenstände gibt. Ich habe noch nicht gehört, dass es soziale Unruhen gibt oder dass das Leben zusammenbricht. Ich habe das noch nicht gehört. (Bundesrat Stögmüller: Noch nicht gehört!)

Liebe Freunde von der Opposition, ich möchte zum Schluss ein bisschen Dampf aus der Diskussion rauslassen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es ist ja nichts Schlechtes, wenn man eine andere Meinung hat. Die Gewerkschaften, liebe Kollegin­nen und Kollegen, haben ein sehr großes Verdienst in unserer Gesellschaft, und es ist auch wichtig, dass es Gewerkschaftsvertreter gibt, die sich um die Anliegen der Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter kümmern; das ist unumstritten. (Bundesrat Weber: Aber mitreden dürfen sie nicht!) Ich ersuche aber, eines nicht zu übersehen: Das Zeitalter der Industriellen Revolution ist vorbei. Da gab es eine Berechtigung, dass die Leute auf die Straße gehen (Bundesrat Weber: Aber jetzt nicht mehr?), aber nicht in einer Zeit, in der die Lebensrealitäten anders sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Ich bit­te, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin auch Sozialpartner. Ich würde sogar sagen, ich reiche euch die Hand, dass wir den Standort Österreich miteinander entwickeln, und zwar nicht mit Rezepten von gestern.

Am Abschluss meiner kurzen Rede komme ich dahin, wo ich angefangen habe: Die Vida hat uns einen Brief geschrieben. Wisst ihr, was da drinnen steht? (Ruf bei der SPÖ: Verrate es uns!) Es steht das Recht auf Selbstbestimmung drinnen. Das fordere ich auch ein, nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ich fordere es auch für die Klein- und Mittelbetriebe ein, die keinen Betriebsrat haben, die auch Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr 80 Prozent der Arbeitsplätze schaffen. Dieser Gruppe sollte man auch einmal entgegenkommen, das steht nämlich auch in dem Brief drinnen.

Meine Verantwortung als Bundesrat und Unternehmer verstehe ich so, dass ich mich um meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmere und nicht Polemik mache, nicht mit Unwahrheiten agiere. Wir sollten das in einem gegenseitigen Werteverständnis – vielleicht können wir uns darauf einigen – gemeinsam weiterentwickeln.

Ich bedanke mich bei der Frau Minister, bei beiden Damen hier auf der Regierungs­bank. Ich bedanke mich bei unserem Regierungspartner, der uns vorbildlich unter­stützt. Ich hoffe, dass da auch aufseiten der Gewerkschaft noch ein bissl Hausverstand und Vernunft einkehren. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.57

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich der Frau Minister das Wort erteile, darf ich recht herzlich Herrn Vizekanzler Heinz-Christian Strache bei uns begrüßen. Willkom­men im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Hartinger-Klein. – Bitte.