14.39.35

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die ÖVP da mit ihrem Steigbügelhalter FPÖ im Eilzugstempo und ohne Begutach­tung durchs Parlament jagen will, ist ein Frontalangriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land und vor allem auf die Familien, vor allem auf die Frau­en in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stög­müller. – Bundesrat Rösch: ... auf die SPÖ, nicht auf die Arbeitnehmer!) Daran ändert auch die Schönrederei des Herrn Vizekanzlers und der Ministerinnen gar nichts. Wenn das alles so wunderbar ist, wenn dadurch die gute heile Welt entsteht, warum scheuen Sie dann das Begutachtungsverfahren? (Ruf bei der ÖVP: Die SPÖ hat ...! – Bundesrat Stögmüller: Begutachtung ...!) Warum wollen Sie sich dann nicht mit kritischen Mei­nungen auseinandersetzen? Warum peitschen Sie das dann durch? (Bundesrat Ba­der: Das müssen Sie Ihre Kollegen fragen! – Bundesrat Krusche: Damit was weiter­geht!) Dafür muss es ja Gründe geben! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Was haben Sie zu verbergen? Was wollen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern nicht sagen? Herr Vizekanzler, Sie grinsen – oder er hat den Saal verlassen, ich sehe ihn jetzt gar nicht. (Bundesrat Spanring: Der ist gar nicht da! – Demonstrativer Beifall des Bundesrates Rösch. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Vorher hat er gegrinst, als kritische Stellungnahmen gekommen sind. (Bundesrat Krusche: Weil ihr so lächer­lich seid!)

Das Lachen wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vergehen, wenn sie drauf­kommen, dass sie von der FPÖ verkauft wurden (Zwischenrufe bei der FPÖ), und zwar für ein paar Ministerposten, für ein paar Regierungsamterln und – wie man jetzt lesen muss – auch für einen lukrativen Posten in der Nationalbank. (Beifall bei der SPÖ so­wie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.) Sie müssen Ihren Leuten, die Sie zu vertreten meinen, einmal erklären, was Sie hier aufs Spiel setzen! (Bundesrat Läng­le: Lassen Sie das unsere Sorge sein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, das sollte Ihre Sorge sein! Das, die Sorgen der arbeitenden Menschen in diesem Land, die Sorgen der Familien, sollte eine große Sorge sein! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

Die Freiwilligkeit, die Sie da plakatieren, können Sie sich in Wahrheit in die Haare schmieren. (Bundesrat Bader: Geh bitte, Frau Kollegin!) Wie schaut es denn aus in der Praxis, wenn jemand ein- oder vielleicht zweimal die angeordnete Mehrarbeit ab­lehnt? – Dem wird gesagt: Du kannst dir einen neuen Job suchen. (Bundesrat Köck: ÖBB sage ich! ÖBB sage ich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Oder es wird gar nicht gesagt, aber bei der nächsten personellen Umwälzung, bei der nächsten Um­stellung sind das die Ersten, die gehen müssen. Da werden vielleicht andere Gründe vorgeschoben, aber der Job wackelt. (Bundesrätin Schulz: Nein ...! Sie betreiben Angst­mache!)

Das trifft natürlich in einem besonderen Ausmaß Menschen mit Betreuungspflichten, und es sind sehr oft die Frauen, die die Verantwortung für die Familien übernehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Die werden zum Handkuss kommen. Die Hauptleidtragenden sind die Kinder und die Frauen in unserem Land. Das sollten Sie sich auch zu Herzen nehmen! (Bundesrätin Schulz: Sie betreiben Angst­mache! Hören Sie auf damit! Sie betreiben Angstmache!)

Liebe Kollegin von der ÖVP! Sie wollen sich immer das christlich-soziale Mäntelchen umhängen. Lesen Sie sich durch, was die Bischofskonferenz gesagt hat! (Bundesrätin Schulz: Wir lassen uns nicht nachsagen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist familienfeindlich, es ist zutiefst familienfeindlich, was da gemacht wird. (Bundesrätin Schulz: Wir lassen uns nicht nachsagen, dass unsere ...!) Auch die christlichen Ar­beitnehmervertretungen sprechen davon (Bundesrätin Schulz: Sind Sie Arbeitge­berin?), dass das der christlichen Soziallehre widerspricht. (Bundesrätin Schulz: Sie brauchen uns nicht zu erklären ...! Danke!) Bei der Angelobung haben Sie die Formel so wahr mir Gott helfe hinzugefügt und damit Ihr christliches Bekenntnis vorangestellt. Wo bleibt denn das jetzt, Frau Kollegin? (Bundesrätin Schulz: Danke für die Beleh­rung! Wir brauchen...!) Wo bleibt Ihr christlich-soziales Gedankengut, wenn Sie so et­was beschließen? (Beifall bei der SPÖ.) An welchem Garderobehaken haben Sie das hängen lassen? Wir erkennen es nicht mehr, die Menschen erkennen es nicht mehr! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie nehmen den Menschen auch die Schutzwirkung des Gesetzes. Sie enthalten ihnen entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen vor; die kollektive Interessenvertre­tung in Form von Betriebsräten, Betriebsrätinnen, Betriebsvereinbarungen soll nicht mehr in dem Ausmaß greifen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind schutzlos und auf sich allein gestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Auch wenn Sie es noch hundertmal sagen, es wird nicht wahrer!) Sie sind eben vom Lohn abhängig, sie müssen für ihren Lebensunterhalt aufkommen, sie müssen arbeiten, um Geld zu verdienen, um die Familie zu erhalten, um ihr Leben fristen zu können. (Bundesrat Steiner: Es wird nicht wahrer, wenn Sie es jetzt noch hundertmal wiederholen! Es bleibt die Unwahrheit! Unglaublich!)

Wir haben viele, viele Stellungnahmen eingeholt. Wie gesagt, Sie wollten es nicht hö­ren, Sie haben kein Begutachtungsverfahren durchgeführt. Kollegin Schumann ist heu­te mit einem riesigen Packl an Stellungnahmen von den verschiedensten Seiten he­rausgekommen. Gerade Frauenberatungsstellen haben die Kritik angebracht – Sie se­hen es in den Stellungnahmen –, dass viele Frauen (Bundesrätin Schulz: ... sind ins­trumentalisiert worden!), viele Familien den Spagat nicht mehr schaffen werden. Be­rufstätige Eltern werden den Spagat einfach nicht mehr schaffen (Bundesrätin Schulz: Erzählen Sie keine Märchen! – Zwischenruf der Bundesrätin Pfurtscheller), Beruf und Familie zu vereinbaren. (Bundesrätin Pfurtscheller: Bitte hören Sie doch endlich auf ...!) Denn was macht diese Regierung gleichzeitig? – Sie zieht sich mit den Bundesfinan­zierungen aus der Kinderbetreuung zurück. (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganztätige Schulformen waren schon budgetiert. (Ruf bei der ÖVP: ...schulen waren das!)  Sie nennen das so. Es geht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es würde auch eine wichtige Bildungsaufgabe erfüllt, damit Kinder am Nachmittag eben nicht sich selbst, dem Fernseher oder der Playstation überlassen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrätin Ecker: Die haben ja Eltern auch!)

Kinderbetreuungseinrichtungen, Kindergärten werden bundesseitig drastisch weniger finanziert und die Eltern werden auf sich allein gestellt sein. (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich!) Das wird gerade viele Mütter verstärkt vor die Frage entweder – oder stellen; nicht sowohl als auch, nicht Vereinbarkeit, sondern sie müssen sich ent­scheiden: entweder – oder. Zwangsläufig müssen sie sich dann vielleicht dafür ent­scheiden, die Erwerbstätigkeit aufzugeben und wieder in die Abhängigkeit vom Ehe­mann zu schlittern. Das führt in weiterer Folge zu Frauenarmut. (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich! – Bundesrätin Pfurtscheller: Frau Kollegin, hören Sie doch ...! – Bundesrat Steiner: Ihre Schallplatte hängt! Ihre Schallplatte hängt!) Auf der anderen Seite sind die Väter dann gezwungen, sich umso mehr hineinzuhauen und sich kaputt­zuschuften, um die Familie allein erhalten zu können. (Bundesrätin Pfurtscheller: ... die Leute zu verunsichern! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Es ist so laut, ich höre nichts mehr!) So schaut’s aus (Bundesrat Schus­ter: Im Schneckenhaus!), das blau-türkise Familienidyll! (Ruf bei der SPÖ: Schaut trau­rig aus!) So schaut Ihr Familienidyll aus. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätIn­nen Dziedzic und Stögmüller.)

So schaut es einfach aus, das wollen Sie so. Sie wollen die Gesellschaft wieder in Zei­ten zurückkatapultieren, die schon längst überwunden geglaubt waren. (Bundesrat Schus­ter: Ja, in die Steinzeit!)

Da sind wir entschieden dagegen. Sie sollten jetzt bei der Abstimmung in sich gehen, wie Sie wirklich entscheiden wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz.) – Ja, Kolle­gin, überlegen Sie es sich noch! (Bundesrat Krusche: Überlegt ihr, wie ihr in der Stei­ermark abgestimmt habt!) Das ist anscheinend die nächste Rückzahlungsrate für die Parteispenden, die Sie von Ihren Großsponsoren erhalten haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrätin Pfurtscheller: Ja, das haben wir jetzt auch schon ...!) Ich muss sagen, ich verstehe auch, dass den Kol­leginnen und Kollegen von der FPÖ dann das Lachen vergeht, denn Sie haben wohl nichts in dem Ausmaß erhalten; die ÖVP durfte sich da über mehr freuen. (Zwischenru­fe bei ÖVP und FPÖ.)

Wie auch immer, Sie verraten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. (Ruf bei der ÖVP: Kollegin, runter vom Gas! – Bundesrat Spanring: Wer hat wen ver­raten? ... die Sozialdemokraten!)

Was Sie machen, ist auch volkswirtschaftlich absolut abzulehnen, denn es wird Auswir­kungen auf den Arbeitsmarkt haben. Es kommt im Zuge der Automatisierung, im Zuge der Digitalisierung zu gesteigerter Produktivität. Da haben wir natürlich auch große He­rausforderungen zu bewältigen, wenn es darum geht, Arbeit und Einkommen gerechter zu verteilen. Die richtige Antwort auf diese Effekte wäre eine Arbeitszeitverkürzung, und Sie machen das Gegenteil. (Bundesrätin Schulz: Sie erzählen das zum fünften Mal!) Es wird im Endeffekt dazu führen – das ist auch in einigen Stellungnahmen he­rausgekommen –, dass chronische Unterbesetzung in den Betrieben zum System wird (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich!), dass damit kalkuliert wird, dass ohnehin Mehrarbeit angeordnet werden kann, und dadurch generell geringer besetzt wird. Die Menschen werden also gezielt gezwungen, am Limit zu arbeiten und sich ausbeuten zu lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Frau Präsidentin, bitte, Redezeit!) Das lehnen wir entschieden ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Katapultieren Sie uns nicht zurück in vergangene Zeiten, in Zeiten – das wurde heute schon erwähnt – der industriellen Revolution! (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz.) Die Hauptforderung der Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenbewegungen, der Ver­bände war der 8-Stunden-Tag. Kollege Todt hat es schon in seinem Eingangsstate­ment gesagt: 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Muße – so hat man es damals genannt, also Freizeit, Familie –, 8 Stunden Schlaf. Sie wollen uns jetzt noch dahinter zurückkatapul­tieren! – Das ist entschieden abzulehnen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ge­hen Sie in sich vor der Abstimmung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stög­müller. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Krusche und Mühlwerth.)

14.49

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

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Kollegin Mühlwerth ist zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.