19.37.03

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der letzte Tagesordnungspunkt hat es noch in sich. Die Berichterstatterin hat ihn kurz dargestellt. Er läuft unter dem Titel Er­wachsenenschutz-Anpassungsgesetz. Da kommt jetzt ein Déjà-vu-Erlebnis. Wir hatten das gestern schon auf der Tagesordnung und waren uns einig, dass das Erwachse­nenschutz-Gesetz und auch das Anpassungsgesetz eine sehr gute Sache sind, große Fortschritte bringen und das bestehende Sachwalterrecht wesentlich verbessern.

Was ist da aber im Nationalrat passiert, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Die Abgeordneten August Wöginger und Dagmar Belakowitsch haben in der Debatte zur zweiten Lesung zum Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz einen Abänderungsantrag eingebracht, der nichts, aber schon gar nichts mit dem Erwach­senenschutz zu tun hat.

Vielmehr geht es in diesem Antrag darum, dass massiv in die verfassungsgesetzlich vorgesehene Selbstverwaltung eingegriffen wird. Das wird da in einer Nacht- und Ne­belaktion in einen konsensualen Antrag hineingepackt, fast versteckt, in der Hoffnung, dass es niemandem auffällt. Das geschieht auch, ohne ein Begutachtungsverfahren oder irgendetwas durchzuführen.

Das veranlasst mich natürlich, einen Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen einzubringen, den Antrag der Bundesräte Todt, Schennach, Genossinnen und Genossen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben. Dieser Antrag wird im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung von mir nun in seinen Kernpunkten erläutert.

Wie gesagt, es wird massiv in die Selbstverwaltung eingegriffen. Wie Sie wissen, ist die Selbstverwaltung eine Grundsäule der österreichischen Bundesverfassung. Sie wissen das.

Die Versicherten werden nach ihrer Berufszugehörigkeit zu einer Risikogemeinschaft zusammengefasst und organisieren ihre Angelegenheiten durch gewählte Vertreter selbst. Da gibt es Entsendungen seitens der beruflichen gesetzlichen Interessenvertre­tungen. Seitens des ÖGB werden eben diese Organe beschickt, und die fassen Be­schlüsse im Rahmen der Gesundheitsversorgung.

Was passiert aber hiermit? – Sie können diese Beschlüsse nicht mehr fassen, weil sie jetzt diese Ausgabenbremse sozusagen aufoktroyiert bekommen. Das heißt, sie sind in ihrer Beschlussfähigkeit massiv eingeschränkt und können ihre Aufgaben (Bundes­rat Rösch: Könnt ihr noch einschlafen bei so viel Angst?) so nicht wahrnehmen. So wird das Prinzip der Selbstverwaltung mit Füßen getreten! Das können wir natürlich nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Noch dazu geht es da wirklich um wesentliche Aspekte der Gesundheitsversorgung: Es werden Bauprojekte, viele wichtige Projekte mehr oder weniger hintangestellt, auf Eis gelegt, gestoppt – wie man das auch immer nennen mag. Aus Zeitgründen – das wird dann vielleicht ohnehin noch angesprochen –, um mich einigermaßen kurz fassen zu können – ein Bild sagt mehr als tausend Worte –, zeige ich Ihnen dazu ein Bild. (Die Rednerin hält eine Landkarte Österreichs in die Höhe, die an mehreren Stellen Mar­kierungen aufweist.) Es sind wichtige Projekte in nahezu allen Bundesländern betrof­fen.

Das betrifft aber auch personelle Angelegenheiten, denn es können keine Verträge ab­geschlossen werden, zum Beispiel mit Ärztinnen und Ärzten oder auch mit leitendem Personal auf organisatorischer Ebene; es können eben nur befristete Verträge abge­schlossen werden. Bis 2019 können diese Verträge maximal gültig sein, und da kön­nen Sie sich vorstellen, wie „einfach“ – unter Anführungszeichen – es sein wird, ge­eignete Persönlichkeiten, gerade mit medizinischer Qualifikation, zu finden.

Das heißt, es droht auch ein medizinischer Versorgungsengpass, der letztendlich na­türlich die Patientinnen und Patienten trifft, wenn Versorgungslücken entstehen, aber selbstverständlich auch die Länder, die für die Gesundheitsversorgung verantwortlich sind.

Wir sind die Länderkammer, und deshalb haben wir auch die Verpflichtung, einseitige Belastungen von den Ländern fernzuhalten, weil diese dann in irgendeiner Art und Wei­se einspringen müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Das bedeutet dann einseitige Belastun­gen.

Deshalb bringe ich weiters noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstel­lung der Gesundheitsversorgung in allen Regionen Österreichs“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (191 d.B und 231 d.B. sowie 10001/BR d.B. und 10017/BR d.B.)

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen folgenden Entschließungs­antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der die Ausga­benbegrenzung für die Sozialversicherung aufgehoben, die Gesundheitsreform ge­meinsam mit den Ländern vorangetrieben und dadurch eine ausreichende, zukunfts­orientierte Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen durch die Krankenkassen sichergestellt wird.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung! Das ist nicht irgendetwas. Da droht wirklich große Gefahr, wenn Sie hier in dieser Art und Weise drüberfahren und die Umsetzung we­sentlicher Beschlüsse nicht zulassen. Es können die Primärversorgungszentren nicht in der geplanten Art und Weise in Betrieb gehen. Beim Mutter-Kind-Pass sind auch Leistungserweiterungen vorgesehen gewesen. Das alles kann nicht stattfinden! Es drohen vertragslose Zustände für die Ärztinnen und Ärzte. (Bundesrat Mayer: Das glaubst aber schon selber nicht!) Das heißt dann – Sie wissen das –, dass die Patien­tinnen und Patienten die Kosten vorstrecken müssen und dann einen Teil, wahrschein­lich nicht alles, rückerstattet bekommen. Es gibt also eine massive Mehrbelastung für Österreichs Patientinnen und Patienten, für die österreichische Bevölkerung, und das können wir nicht zulassen! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

19.45

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsord­nung, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli betreffend ein Erwachse­nenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsord­nung in seinen Kernpunkten von der Antragstellerin mündlich erläutert wurde, ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters: Der von den Bundesräten Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in allen Regionen Österreichs“ ist ebenfalls genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen weiter in der Debatte.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Wagner. Ich erteile es ihr.