11.05

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie! Liebe ZuseherInnen und ZuhörerInnen! Wir befinden uns mitten in einer der größten Veränderungen in der Geschichte der Arbeit. Die Aus­wirkungen der Digitalisierung sind für alle Menschen ersichtlich. Wie bei jeder Verän­derung gilt es, nicht Ängste zu schüren, sondern zu gestalten und den Menschen Antworten auf ihre Fragen betreffend die gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklun­gen zu geben.

Arbeitsplätze verschwinden, oft sind es auch gute Arbeitsplätze wie zum Beispiel im Bereich des Bankenwesens. Es wurde bereits gesagt, dass sich das Konsumverhalten der Menschen in großem Ausmaß in Richtung Internet entwickelt. Die Besorgnis und die Verunsicherung vieler Menschen sind nicht zu Unrecht vorhanden. Wie wird sich denn mein Arbeitsplatz entwickeln? Kann ich bei der Digitalisierung mithalten? Ja, es entstehen neue Arbeitsplätze, aber wie schauen die denn dann aus? Da gilt es, dringend Antworten zu geben, aber seitens der Regierung werden diese Fragen ignoriert. Der Fokus des politischen Handelns liegt derzeit auf der Interessenlage der Wirtschaft und da besonders auf jener der großen Unternehmen.

Die Gesellschaft müssen wir nicht auf den digitalen Wandel vorbereiten. Dieser findet längst statt: hohe Produktion, riesige Fabrikshallen, aber ganz wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Roboterisierung, Crowdwork, ClickworkerInnen ohne arbeitsrechtliche Absicherung.

Es findet Flucht aus dem Arbeitsrecht durch bestimmte Konstruktionen, um es zu um­gehen, statt. Es entstehen neue Geschäftsformen. Das wirtschaftliche Risiko und die Bewältigung der Auswirkungen aber überlässt man den einzelnen ArbeitnehmerInnen.

Welche Zeichen zum Thema Arbeitsplatz und Digitalisierung hat die Regierung bisher gesetzt? – Ein durchgepeitschtes Mehrarbeitsgesetz, die Arbeitszeit wird ausgeweitet. (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Das stimmt ja nicht!) Die Zahl der geleisteten Überstunden steigt permanent. Im letzten Jahr haben zwei Drittel der heimischen Beschäftigten Überstunden geleistet. Nun soll 12 Stunden täglich und 60 Stunden in der Woche ge­arbeitet werden, ohne ein wirkliches Recht auf Freizeitblöcke, ohne das Recht, wie es versprochen wurde, auf eine Viertagewoche. (Ruf bei der FPÖ: Können wir zum The­ma zurückkehren?!)

Gerade ist es noch mit viel politischem Druck gelungen, dass die Mittel zum Ausbau der Kinderbetreuung gleich bleiben und nicht auch noch gekürzt werden. Es gibt kei­nen wirklich flächendeckenden Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen, um Vollzeit­ar­beit zu ermöglichen. – Das ist die Antwort der Regierung auf die neuen Herausfor­de­run­gen der Arbeitswelt für die Frauen. (Ruf bei der FPÖ: Falsches Programm! – Bundesrat Krusche: Jetzt sprechen wir über Digitalisierung!)

Regionalisierung der Mangelberufslisten und damit Öffnung des Arbeitsmarktes für BürgerInnen aus Drittstaaten: Geholt werden sollen Arbeitskräfte für Tätigkeiten wie Geschirrwaschen, Fensterputzen oder Schnitzelpanieren. Von den wirklichen Exper­tinnen und Experten, wie der Gedanke war, ist nichts mehr zu hören, davon ist nicht mehr die Rede. Das bedeutet Lohndumping, und es führt diese ArbeitnehmerInnen in eine Abhängigkeit vom Arbeitgeber, bindet sie an die Region. – Das ist die Antwort der Regierung auf die Veränderungen in der Arbeitswelt. (Ruf bei der ÖVP: Nicht Ängste schüren!)

Die Sozialpartnerschaft wird missachtet. Die ArbeitnehmerInnenvertretung soll und wird geschwächt werden. – Das ist Ihre Antwort auf die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt.

60 Prozent der Staatseinnahmen in Österreich hängen am Arbeitsvertrag. Um eine Finanzierung der staatlichen Leistungen und des Sozialstaates garantieren zu können, werden nachhaltige Finanzierungsalternativen geschaffen werden müssen. Die Men­schen brauchen Antworten auf ihre Sorgen. Wir brauchen ein Recht auf Qualifikation, um allen Menschen die gleichen Chancen im Weg der Digitalisierung zu geben und sie abzuholen. Wir brauchen ein neues, modernes Arbeitszeitrecht, um den Auswirkungen der Digitalisierung begegnen zu können.

Es geht um viel, es geht um die psychische und physische Gesundheit der Menschen. Es geht um ein gutes und gerechtes Einkommen, um die Frage der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, um die Frage der Möglichkeit zur Vereinbarung von Beruf und Familie. Es ist hoch an der Zeit, sich den Herausforderungen der Digita­lisierung mit den Augen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stellen. Der digitale Wandel muss für alle, vor allem auch im Interesse der Demokratie und des sozialen Friedens, positiv gestaltet werden. Wir wollen auch in Zukunft gute Arbeit und ein gutes Leben für alle Menschen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

11.10

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm. – Bitte.