14.36

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorerst herzlichen Dank für das Lob und die Aner­ken­nung für die Arbeit der Volksanwaltschaft. Wir werden das sehr gerne an unsere Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter weiterleiten.

Ich möchte einige Themen aufgreifen, die in Debattenbeiträgen hier jetzt behandelt wurden.

Das Thema Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe hat eigentlich heute in der Früh auch Herr Landeshauptmann Niessl schon erwähnt. Was besagt eigentlich die UN-Kin­derrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat? – Diese besagt, dass die Entwicklung und Entfaltung bei Kindern und Jugendlichen nicht von regionalen Unter­schieden abhängen dürfen. Was sagte der UN-Kinderrechtsausschuss im Jahr 2012? – Dass Österreich eine umfassende nationale Politik sicherzustellen hat. Ist da die Verländerung nicht ein klarer Widerspruch? Ist das nicht geradezu das Gegenteil? Ist das nicht ein klarer Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention?

Was treibt eigentlich die Politik dazu, da wissentlich einen falschen Weg einzu­schla­gen? Ist es wirklich irrelevant, meine Damen und Herren, was Fachleute, Praktiker und Experten dazu sagen, was die Kinder- und Jugendanwälte aller Bundesländer, der Dachverband der österreichischen Kinder- und Jugendhilfe mit 150 Mitgliedsorgani­sationen, die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, das Netzwerk Kinderrechte, der Verband der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die Arge Kinder- und Jugendhilfe, die Familienrichterschaft, der Städtebund, die Kinderfreunde, der Herr Behindertenanwalt und viele mehr sagen? – Sie alle sagen: Nein, das ist der falsche Weg, das ist nicht zum Wohl von Kindern und Jugendlichen in Österreich!

Jetzt möchte ich wissen: Wer weiß das besser als all diese Leute, diese Expertinnen und Experten, die tagtäglich mit dieser Arbeit befasst sind? – Wir als Volksanwaltschaft weisen seit Jahren darauf hin, dass beispielsweise bei Fremdunterbringungen von Kindern dringend einheitliche Standards notwendig sind, was die Gruppengröße, Aus­bildungsvorschriften oder die Bewilligungsvoraussetzung für Einrichtungen betrifft.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, da wird ein großer politischer Fehler begangen! Mit dieser Weichenstellung wird das Schicksal von Zigtausenden jungen Menschen negativ beeinflusst. Das mit den Artikel-15a-Vereinbarungen, die Herr Landeshaupt­mann Niessl angesprochen hat, ist ja gut gemeint, aber wie wir wissen, ist das in der Praxis und in der Realisierung oft sehr schlecht. Es gibt genug Beispiele dafür, wo die Artikel-15a-Vereinbarungen nicht zu dem gewünschten Ziel führen.

Aber es ist ja noch Zeit. Ich freue mich sehr – das ist ja heute noch ein Tagesord­nungs­punkt –, dass es noch eine Enquete des Bundesrates zu diesem Thema geben wird. Mein Appell lautet hier, sich wirklich noch einmal grundlegend mit dieser The­matik zu befassen. Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner hat sich ja sehr ausführ­lich mit dieser Thematik und Problematik beschäftigt. Ich glaube, sie hat das auch wirklich richtig dargestellt, und auch Bundesrat David Stögmüller hat sich klar positio­niert.

Meine Damen und Herren, ein anderes sehr, sehr wichtiges Thema, zu dem ich noch ein paar Dinge sagen möchte, ist der Pflegeregress und dessen Abschaffung. Ich halte es für richtig, dass er abgeschafft wurde, denn letztlich war das ja eine 100-prozentige Steuer für kleine Einkommen. So manche betagte Großmutter, die für ihre Enkel vielleicht auf einem Sparbuch 50 000, 60 000 Euro angespart hat, hat zusehen müssen, wie das dann eigentlich in sehr kurzer Zeit aufgefressen worden ist, hat sich gekränkt und ist sehr unglücklich gewesen.

Das heißt, es ist richtig, das abzuschaffen, aber natürlich entsteht auch ein Andrang auf Pflegeheime, wenn es keinen Pflegeregress gibt, und es entsteht die absurde Situation, dass die teuerste Betreuungsform, die die Leute in Wirklichkeit aber gar nicht wollen, jetzt voll vom Steuerzahler finanziert wird. Das heißt, man muss, glaube ich, umgekehrt sehr stark in den privaten Bereich der Pflege investieren. Sehr oft ist es ja so, dass eben Menschen, die eine Betreuung brauchen, eine kleine Pension und vielleicht die Pflegestufe 2 oder 3 haben. Aber das reicht dann auch nicht für die mobilen Dienste und für die mobile Betreuung, und da muss dann auch das Sparbuch herhalten, oder die Kinder oder Enkelkinder müssen etwas zuschießen.

Daher rührt auch die Forderung, das Pflegegeld anzuheben, am besten um 30 Pro­zent, denn so groß ist ja mittlerweile der Wertverlust seit der Einführung – aber bitte in allen Stufen, denn es kann nicht sein, dass man nur ab Stufe 4 anhebt. Das ist dann indirekt wieder eine Subvention von Alten- und Pflegeheimen, und dort, wo zwei Drittel der Pflegegeldbezieher sind, nämlich zu Hause, wo sie gepflegt werden und diese Mobilitätshilfen unbedingt brauchen, will man nicht erhöhen?! Ich halte es wirklich für sehr, sehr wichtig, dass man diese Erhöhung für alle sieben Pflegestufen durchführt und in Zukunft natürlich laufend valorisiert. Auch die mobilen Dienste muss man aus­bauen, ich bin da voll bei Frau Bundesrätin Rosa Ecker, die davon gesprochen hat.

Eine Anmerkung noch: Man muss, glaube ich, auch die Agenturen, die 24-Stunden-Betreuung vermitteln, einmal sehr genau durchleuchten. Von den 600, 700 Agenturen, die Leute vermitteln, haben nicht alle gerade den Schutz von Menschenwürde in ihrem Leitbild. (Allgemeiner Beifall.)

Aber noch kurz zurück zum Pflegeregress: Übergangsregeln per Gesetz fehlen, ob­wohl dies angekündigt war, und so ist natürlich jetzt ein riesiges Durcheinander ent­standen. Meine Damen und Herren des Bundesrates, aus allen Bundesländern, es kann ja jetzt nicht die Folge sein, dass in bestimmten Ländern offene Forderungen bestehen und in bestimmten Ländern darauf verzichtet wird. Wie kommen Bürgerinnen und Bürger dazu, dass beispielsweise in Wien, in der Steiermark oder im Burgenland noch Forderungen im Raum stehen, und in anderen Bundesländern, beispielsweise Niederösterreich, Kärnten, Salzburg, Vorarlberg, verzichtet man darauf? Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass sie in Österreich gleich behan­delt werden. Daher gibt es den Appell, dass da eine bundeseinheitliche Regelung geschaffen wird, die dann eine gerechte, faire und gleiche Behandlung für alle, bei denen es noch Forderungen aus dem Pflegeregress gibt, bedeutet.

Zum Schluss kommend: Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig hat die Situation in Polen und diese internationalen Fragen angesprochen. Wir haben hier in Wien das General­sekretariat des International Ombudsman Institute, das ist der einzige globale Verband von Ombudseinrichtungen. Die Aufgaben sind das Angebot von Trainings, von Semi­naren, wir unternehmen auch Forschungsprojekte, vergeben Regionalsubventionen und unterstützen so gut wir können Ombudseinrichtungen, die unter Druck geraten.

Gerade im Fall von Polen, wo sich, wie wir wissen, politisch in den letzten Jahren sehr viel zum Negativen verändert, war es sehr wichtig, diese noch einzige unabhängige Institution zu schützen. Wir waren vor Ort, wir haben Gespräche mit Medien, mit der Zivilgesellschaft, mit Regierungsvertretern geführt, haben einen Bericht gemacht, haben eine internationale Pressekonferenz abgehalten. Es ist uns dann doch gelun­gen, Dr. Adam Bodnar – so heißt der Commissioner for Human Rights, so heißt das in Polen – zu schützen, damit man ihm nicht das ganze Personal streicht und sein Budget kürzt und vieles mehr. Wir haben Dr. Bodnar übrigens auch im Vorjahr bei unserer 40-Jahr-Feier der Volksanwaltschaft nach Österreich ins Parlament als Festredner eingeladen, um ihn auch auf diese Art und Weise zu unterstützen.

Jetzt aber zur Frage: Was in ungefähr eineinhalb Jahren – da läuft die Amtszeit von Dr. Bodnar ab – in Polen passieren wird, steht in den Sternen. Besonders optimistisch sind wir nicht, dass dort eine unabhängige Persönlichkeit diese wichtige Aufgabe fortsetzen kann.

Abschließend: Frau Bundesrätin Kahofer hat die Situation im Zusammenhang mit dem Heimopferrentengesetz angesprochen. Ich bin der Leiter dieser Kommission, und wir bemühen uns natürlich sehr, die Fälle so schnell wie möglich abzuschließen. Positiv erwähnen darf ich, dass ja eine Reform gelungen ist und es jetzt, recht kurze Zeit nach dem Gesetzesbeschluss, auch möglich ist, dass Opfer, die in Krankenanstalten misshandelt, missbraucht oder auch privaten Heimen zugewiesen wurden, einen An­spruch auf die Rente haben. Auch für Menschen mit Beeinträchtigungen gibt es Ver­bes­serungen. Das ist das Positive. – Schwierig ist für uns, dass man aus vier Planste­llen letztlich drei gemacht hat, aber das ist halt Sache des Parlaments, wie das Organ Volksanwaltschaft mit Personal ausgestattet wird. Aber ich bin da wirklich für jede Unterstützung dankbar. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrat Rösch: Das war jetzt ein Holler!)

14.45

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke Ihnen recht herzlich.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek. – Bitte.