9.40

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Schö­nen guten Morgen, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich freue mich sehr, dass ich bei Ihnen heute das erste Mal Rede und Antwort stehen darf. Ich darf mich auch für Ihre Nachsicht bedanken, dass ich einige Minuten verspätet war. Ich habe immer noch meine Stallarbeit, die ich mit Freude wahrnehme, und bin daher manchmal in der Früh etwas unter Druck. Aber es geht sich immer aus.

Frau Präsidentin! Vielen Dank für Ihre einführenden Worte, denen ich aufmerksam zu­gehört habe, ebenso wie den Ausführungen der drei Bundesräte. Ich darf ganz kurz auf Ihre Ausführungen eingehen, bevor ich dann zu meinem vorbereiteten Statement da­rüber komme, was wir bei der 73. Generalversammlung gemacht haben, und zu einem Ausblick vor allem auf die beiden Kriegsgebiete Syrien und Jemen. Ich darf mich bei allen drei Bundesräten, Herrn Bundesrat Längle, Herrn Bundesrat Köck und Herrn Bundesrat Schennach, dafür bedanken, dass Sie weiter ausgeholt haben, was diese Kriegsgebiete anlangt.

Sie haben Palmyra erwähnt, den Kulturgüterschutz, die Finanzierung des – jetzt an sich territorial sehr eingeschränkten – Islamischen Staates. Als Parenthese sei ange­merkt, dass der Islamische Staat bei allen territorialen Niederlagen, die diese Terror­organisation einstecken musste, fürchte ich, wieder zu ihrer eigentlichen Spezialität zu­rückkehren wird, nämlich zum digitalen Kalifat. Das territoriale Kalifat ist, wenn Sie so wollen, vorerst einmal – unter Anführungszeichen – „kontrolliert“, besiegt. Das digitale Kalifat ist aber – und das haben Sie wahrscheinlich in der einen oder anderen Debatte hier schon diskutiert – im Sinne der asymmetrischen Kriegsführung, im Sinne der Au­ßerkraftsetzung von strategisch verwundbarer Infrastruktur eine der wesentlichen He­rausforderungen. – Das sei aber nur als Parenthese angemerkt.

All Ihre Bemerkungen, Illustrationen sind berechtigt. Ich freue mich, dass Sie auch Kö­nigin Zenobia erwähnt haben und das, was Palmyra geleistet hat. Ich weise immer wie­der gerne darauf hin, dass Orient und Orientierung – wenn man das Wortspiel bedie­nen mag – ja zusammenhängen. Sie kennen den lateinischen Begriff ex oriente lux – aus dem Orient das Licht. Viele der zivilisatorischen Errungenschaften, von denen dann der Okzident profitierte, kamen aus dem Orient. Ich darf hier zusätzlich noch das Alphabet erwähnen, das wahrscheinlich als Abstrahierung von der Bildersprache zu einem abstrakten Alphabet aus dem heutigen syrischen Ugarit über phönizische Händ­ler über Byblos nach Europa kam. Wenn man der griechischen Mythologie vertrauen darf, dann war es Kadmos auf der Suche nach seiner entführten Schwester Europa – auf die Zeus ein besonderes Auge geworfen hatte –, der das Alphabet verbreitete. Der Name Europa selbst kommt aus der südlibanesischen Stadt Tyros.

Die Verbundenheit zwischen Orient und Okzident ist natürlich in dieser Mythologie zum Ausdruck gebracht. Es freut mich, dass Sie auch hier in Ihrem Gremium im Kopf be­halten, dass wir über die Region nicht immer nur unter dem Blickwinkel Terrorismus und Krieg sprechen, sondern bedenken, dass große Zivilisationen dort gewesen sind. Daraus schöpfe ich meine Zuversicht, auch die Menschen kennend, in dem Wissen, dass sie so viel Geschichte hinter sich haben. Ich selbst habe immer wieder gelernt – gerade auch als Europäerin in einer Region beheimatet, die viele geschichtliche Zäsu­ren über sich ergehen lassen musste –, dass man in der Geschichte auch immer wie­der Geborgenheit und Zuversicht finden kann, weil die Geschichte weitergeht. Gerade deswegen weiß ich, dass diese alten Zivilisationen Syriens, Jemens mit ihren ältesten urbanen Strukturen auch überleben werden. Die Menschen werden sich wieder auf­richten und weitermachen. Davon bin ich fest überzeugt. Von dort hole ich meine Zu­versicht.

Diese Zuversicht für die Menschen müssen wir natürlich begleiten, stärken. Die Tatsa­che, dass ich meine Rede vor der UNO-Generalversammlung auf Arabisch begonnen habe, war in erster Linie dadurch motiviert, dass ich die Zuhörerschaft, die nach einer Woche von vorgefertigten Satzstücken und Satzteilen, die sich natürlich immer wieder wiederholen, ein bisschen aufwecken wollte. Da kommt die österreichische Außenmi­nisterin, hoppala, die spricht Arabisch – wieso? Man muss sich die Kopfhörer aufset­zen. – Das hat natürlich für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt und für eine sehr emotionale und positive Reaktion aus der arabischen Welt. Ich habe erst gestern Post aus Algerien bekommen, einen langen Brief, unterzeichnet von algerischen Intellek­tuellen, die sich einfach gefreut haben über diesen Ausdruck der Wertschätzung für die arabische Sprache, weil zum ersten Mal ein westlicher Politiker in arabischer Sprache vor der UNO-Generalversammlung gesprochen hat. Ich habe begonnen mit einem Brecht-Zitat, die Moritat von Mackie-Messer: „Und man siehet die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht.“ – Wir stehen hier in diesem Lichte, auch hier in diesem Gre­mium, auch in der UNO-Generalversammlung. Es ist eine Notwendigkeit, dass wir für die, die im Dunkeln sind – ob im Jemen, ob in Syrien, das waren die beiden Schwer­punkte meiner Rede –, Maßnahmen ergreifen und uns eben nicht in Semantik verlie­ren.

Gerade bei Syrien geht es derzeit um eine Wortklauberei – wenn ich das so formu­lieren darf – zwischen den Fragen, was noch humanitäre Assistenz ist, wo schon Sta­bilisierung in Richtung Wiederaufbau beginnt und inwieweit man sich daran beteiligen darf, beispielsweise mit Investitionen in Entminung, in Trinkwasser, in Baumaterialien, damit die Leute vielleicht selbst wieder das eine oder andere Dorf aufbauen können. Genau daran beteiligt sich das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Auch wir betei­ligen uns daran im Rahmen unserer Mittel, die vor allem aus dem Auslandskatastro­phenfonds kommen, wo ich zu Beginn des Jahres 3 Millionen Euro für Syrien zur Ver­fügung gestellt habe. Es werden bis Jahresende noch weitere Gelder mobilisiert wer­den. Für den Jemen haben wir bislang nur – ich weiß, dass es nicht viel ist – 1 Mil­lion Euro mobilisiert. Wir dürfen aber den Jemen nicht ausschließlich – und das gilt auch für viele andere Krisengebiete – durch die humanitäre Brille betrachten, sondern letztendlich geht es darum, Verhandlungslösungen zu finden. Auch hier engagieren wir uns, den UNO-Sondergesandten für Jemen Martin Griffith zu unterstützen. Wie es sich eben jetzt anbahnt, versuchen wir einfach auch hier, österreichische gute Dienste zur Verfügung zu stellen, je nachdem, wie es sich dann ergibt. Das ist letztendlich eine Entscheidung, die auf UN-Ebene fällt – und natürlich auch unter den beteiligten Kon­fliktparteien.

Was aber beide Kriege kennzeichnet, ist, dass es sich um Stellvertreterkriege handelt. Ich vermeide den Begriff Bürgerkrieg in diesem Zusammenhang, weil wir, wie auch schon von den drei Vorrednern erwähnt wurde, hier eine ganze Reihe von Sponso­ren – wenn man so will – dieses Krieges haben. Es sind the same usual suspects, die üblichen Verdächtigen, die Regionalmächte des Nahen Ostens und auch die Russi­sche Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika, die hier ihre Stellvertreter­kriege natürlich mitgestalten, mitbegleiten. Angesichts der Erschöpfung aller Beteilig­ten – die Zivilgesellschaft ist erschöpft – spielen alle Beteiligten eine Rolle, damit es hoffentlich zu einer am Verhandlungstisch ausverhandelten Lösung kommen mag.

Ich darf jetzt kurz auf die Generalversammlung eingehen, die Sie schon erwähnt ha­ben, und deren hochrangige Besetzung. Es war meine erste UN-Generalversammlung. Ich habe sie insofern als etwas ganz Besonderes empfunden, weil man dort etwas verspürt, was ich in noch keinem anderen Gremium in den letzten elf Monaten meiner Arbeit als Außenministerin in diesem Umfang mit allen fünf Sinnen – haptisch, optisch und so weiter – empfand, nämlich die Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten.

Es ist wahrscheinlich vielen von uns entgangen, ich bin zufälligerweise darauf gekom­men, weil ich einen Gastkommentar zum Thema verfasst habe: Wir haben am 24. Ok­tober ein Jubiläum des Westfälischen Friedens gefeiert. Er wurde 1648 in Münster und Osnabrück ausverhandelt und beendete 30 Jahre des Mordens in Europa. Es war die Hälfte der Bevölkerung in den Kriegsgebieten von Pommern, Schlesien bis Böhmen, Österreich ermordet worden oder der Pest, der Cholera, was auch immer, zum Opfer gefallen. Krieg als Geschäft: Der Dreißigjährige Krieg steht vielleicht als Metapher auch für das, was wir heute im Nahen Osten, in Nordafrika und nicht nur dort erleben. Auch daran sei an dieser Stelle erinnert: vier Millionen, fünf Millionen, sechs Millionen Tote im Kongo. – Der Dritte Weltkrieg, wenn man so will, ist ein afrikanischer Krieg. Der Westfälische Friede hat seine letzte Unterschriftenreihe am 24. Oktober vor genau 370 Jahren bekommen. Der Westfälische Friede war der Aufbruch in die Moderne, nämlich hin zu Territorialstaaten, zur Trennung von Religion und Politik und zur Gleich­berechtigung der Souveräne.

Natürlich gibt es dabei – das wissen wir alle, das wissen Sie aus Ihrer Tätigkeit, das weiß jeder, der auch das Geschehen in der UNO, das Geschehen in der Europäischen Union verfolgt –, um es mit George Orwell zu sagen, die, die „more equal“ sind als die anderen, aufgrund ihrer wirtschaftlichen, militärischen Macht. Da hat sich nicht so viel verändert. Man kann aber dennoch in diesem Gremium der 193 UNO-Mitglieder seine Redezeit und seine Aufmerksamkeit erhalten. Das ist gelungen.

Ich habe, wie gesagt, versucht, in dieser Rede vor allem auf zwei Probleme einzuge­hen – Jemen und Syrien – und hier auch konkret zu werden. Wir werden uns in Syrien beispielsweise – das ist im Werden, letztendlich ist es dann Knochenarbeit, Stückwerk­arbeit, aber wir versuchen es – mit Entminung beteiligen, weil die Rückkehr in die Hei­matgemeinde ein Minimum an Sicherheit erfordert. Da ist natürlich das Räumen von Antipersonenminen etwas ganz, ganz Wesentliches. Sie erinnern sich an die Nach­kriegssituation in Bosnien-Herzegowina, wo Landwirtschaft viele Jahre gar nicht in dem Umfang möglich war, weil einfach die Antipersonenminen oftmals durch Regen, durch Schnee, Berge und so weiter weggeschwemmt wurden. Diese Nachkriegssituation – ob Kambodscha, ob Bosnien-Herzegowina – könnte aufgrund der geografischen und der geologischen Situation in Syrien vielleicht einfacher sein, weil wir dort relative Ebe­ne haben, aber wir haben starke Verminungen in der nordsyrischen Stadt Rakka, in Südsyrien – dorthin versuchen jetzt von jordanischer Seite her viele syrische Flücht­linge wieder zurückzukehren, um eben ihr Leben in irgendeiner Weise wieder aufzu­bauen.

Es ist keine perfekte Aussicht, wir dürfen uns keine Illusionen über den Charakter der syrischen Regierung machen, aber wir sind weiterhin daran interessiert, dass es zu einer Ausarbeitung eines Verfassungskomitees und damit auch zu einer Neugestaltung der Machtaufteilung in Syrien kommt. Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, damit ein politischer Neuanfang und nicht nur ein Neuanfang für die Menschen in ihrem Alltag möglich ist.

Die Generalversammlung bietet, wie gesagt, diesen, ich muss sagen, sehr egalitären Austausch zwischen den Großen, den weniger Großen und Kleinen, oder, um es mit Schuman – ich glaube, es war Schuman – zu sagen: Letztendlich sind alle Staaten klein, einige wissen es, andere wissen es nicht. – Wir wissen es, haben damit keine Probleme.

Es ist aber sehr erfreulich, wenn eine österreichische Delegation, die aus Bundesprä­sident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und mir sowie vielen sehr, sehr wichtigen Kollegen – einige sind auch hier –, ohne die das alles nicht mög­lich wäre, besteht, es dann schafft, ihre Termine, ihre Inhalte unterzubringen. Das ist eine sehr, sehr intensive Woche. Es gab Momente, da war fast surreal, was man er­lebt, aber es ist uns gelungen, viele Termine wahrzunehmen, die aufgrund von man­gelnder Reisezeit bisher nicht zustande gekommen waren. So war es uns möglich, den Außenminister von Brasilien zu treffen, den Außenminister von Mexiko – und das trotz dieser Übergangszeit, in der sich Mexiko zwischen zwei Regierungen befindet.

Gerade im Hinblick auf das von Ihnen schon erwähnte EU-Afrika-Forum haben Bun­despräsident Van der Bellen und Sebastian Kurz viele Kontakte geknüpft, damit am 18. Dezember eine andere Art des miteinander Handelns, Verhandelns, aufeinander Zugehens auf gleicher Augenhöhe möglich ist.

Wir hatten auch einige gemeinsame Termine, dazu gehört vor allem die Vorsprache bei UN-Generalsekretär António Guterres. Ich selbst habe dann noch rund um die Mit­telmeer-Thematik meine Kollegen aus Libyen und Marokko getroffen und den Gene­ralsekretär der Union für die Mittelmeer-Partnerschaft, bei der ich dann eine Woche später auch war, beziehungsweise auch die neue UN-Hochkommissarin für Menschen­rechte Michelle Bachelet, die gerade ihr Amt angetreten hat. Ich habe ihr damals auch vorgeschlagen, dass ich sie im Zuge eines Besuches eines Untersuchungskomitees des Hochkommissariats für Menschenrechte, die immer wieder Staaten besuchen – wir haben das in Österreich regelmäßig, die Besuche vom Menschenrechtskomitee, vom Folterkomitee et cetera –, begleiten werde und habe sie dann unter anderem in die Sprach- und Wertekurse im österreichischen Integrationsfonds begleitet und bin ihnen dort Rede und Antwort gestanden.

Ich darf jetzt noch kurz auf Syrien eingehen, was einige aktuelle Entwicklungen an­langt. Wir haben einen Außenministerrat, das sogenannte Gymnich-Treffen, den inoffi­ziellen Rat, in Wien ausgerichtet. Sie wissen ja, dass die meisten Räte aufgrund des Vertrages von Lissabon nach Brüssel oder Luxemburg übersiedelt sind. Die inoffi­ziellen Treffen können aber weiterhin anderswo stattfinden. Es gab das inoffizielle Tref­fen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg am 20. September, und am 30. und 31. August hatten wir die Außenminister in Wien. Wir haben uns damals sehr dafür en­gagiert, dass Syrien auf die Agenda der Generalversammlung gebracht wird, indem ein eigenes high level segment vorhanden war, mit Präsenz der wesentlichen Regional­mächte und auch Russlands und der USA durch die jeweiligen Sonderbeauftragten für Syrien.

Wir haben im UN-Prozess eine Veränderung erlebt: Staffan de Mistura, der die letzten viereinhalb Jahre diese wichtige Mission wahrgenommen hat, wird jetzt abgelöst von Botschafter Pedersen. Ich hatte mit Staffan de Mistura vor einigen Tagen noch ein Ge­spräch. Er rief mich in einer Art Debriefing zu seiner letzten Reise nach Syrien an. Da­raus geht das vorhin Beschriebene ganz klar hervor, nämlich die Notwendigkeit, sich weiterhin für politische Reformen in Syrien zu engagieren. Das ist einfach das Um und Auf für einen umfassenden Wiederaufbau.

Am 17. September kam es zur Vereinbarung zwischen Russland und der Türkei zu Id­lib. In den letzten drei, vier Jahren kam es zur Rückeroberung durch die syrische Ar­mee von Gebieten, die in die Hände sei es des Islamischen Staates, sei es diverser Oppositionsgruppen, Rebellengruppen, aber auch verschiedenster terroristischer Ver­einigungen – dazu gehört nicht nur der Islamische Staat, dazu gehört eine ganze Reihe von Splittergruppen der Al Kaida, die mittlerweile in die Hunderte gegangen sind – ge­fallen waren. Natürlich sind dabei die wesentlichen Kämpfe über die russische Luft­waffe, die iranischen, libanesischen und schiitischen Milizen erfolgt. Das ist also ein Stellvertreterkrieg im eigentlichen Sinne. Die Milizführer, die wesentlichen Kampfver­bände wurden dabei in den letzten Jahren Richtung Idlib evakuiert. In Idlib haben wir im Moment die prekäre Situation, dass dort die – wenn man so will – Schlimmsten der Schlimmen sind. Die türkischen Spezialkräfte sind im Einsatz – keiner weiß genau, wie sich das abspielt –, um zwischen den einzelnen Verbänden zu trennen und es zu er­möglichen, dass auch dort die aktuelle Feuerpause in irgendeiner Weise in einen grö­ßeren Verhandlungsprozess übergeführt wird.

Ich darf daran erinnern, dass auch in Idlib eine ganze Reihe von EU-Staatsbürgern ist. Das dürfen wir auch nicht vergessen. Das sind die foreign fighters, die Dschihadisten, die aus Europa – ob aus Dänemark, Belgien, Österreich oder Spanien – nach Syrien gezogen sind. Die höchste Zahl der foreign fighters kommt aus Tunesien, gefolgt von vielen chinesischen und indonesischen Staatsbürgern. Wir haben sozusagen Kampf­verbände aus der gesamten Welt, die sich in Syrien getroffen und Syrien zerstört haben.

Wir haben im Jahr 2018 für Syrien insgesamt humanitäre Hilfe im Umfang von 16 Mil­lionen Euro geleistet. Davon kamen, wie vorhin gesagt, 4 Millionen aus dem Auslands­katastrophenfonds und 10 Millionen im Rahmen der EU-Türkei-Flüchtlingsfazilität. 2 Mil­lionen wurden aus Mitteln der Austrian Development Agency für den Treuhandfonds für Syrien, auch Madad-Fonds genannt, zur Verfügung gestellt. Wir planen eine Mobilisie­rung von weiteren Mitteln für Entminung und Trinkwasseraufbereitung.

Zum Jemen noch einige genauere Daten: Ich habe unter anderem auch den UNO-Son­derbeauftragten Martin Griffith getroffen, der bedauerlicherweise hinsichtlich eines Treffens der Kriegsparteien in Genf erfolglos war. Wir bedauern das Scheitern dieser Gesprächsrunde und versuchen, Martin Griffith nach besten Möglichkeiten zu unter­stützen.

Der Konflikt im Jemen – Herr Bundesrat Schennach hat es bereits ausgeführt – ist die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit. 22 Millionen Menschen sind auf humani­täre Hilfe angewiesen – 14 Millionen Menschen sind von einer Hungersnot bedroht.

Sie haben die Protagonistin des Films angesprochen – ich weiß nicht mehr, wie der ge­naue Filmtitel war –, das ist eine beeindruckende kleine Dame. Ich habe diesen Film vor Jahren einmal im Libanon gesehen, dieser Film ist mir auch nicht aus dem Kopf ge­gangen. Wenn man an diese Protagonistin und an einen Jemen denkt, der eigentlich noch „irgendwie“ – unter Anführungszeichen – funktioniert, auch wenn er immer das ärmste Land der arabischen Welt war, fragt man sich bei vielen Menschen, die man ir­gendwann einmal in Damaskus, in Palmyra und wo auch immer getroffen hat, was aus ihnen geworden ist.

Der Chefarchäologe von Palmyra, der gesagt hat, er verlasse seine Ausgrabungen, seine Statuetten nicht, wurde brutalst hingerichtet und seine Leiche wochenlang über dem großen Bogen von Palmyra aufgehängt – sozusagen als Essen für die Aasgeier. Das sind also archaischste, brutalste Methoden, wie man sie vielleicht aus dem einen oder anderen Bericht der römischen Antike kannte, beispielsweise aus dem Umgang mit dem Aufstand der Spartakus-Kämpfer, der Kreuzigung. Kreuzigung findet heute in Syrien wieder statt, und wie gesagt ist der IS zwar territorial besiegt, aber ich befürchte, er wird sich jedenfalls als digitales Kalifat weiter betätigen.

Für den Jemen haben wir einige Mittel vorgesehen, aber wir versuchen, uns auch zur Verfügung zu stellen, was die politischen Lösungen anbelangt.

Ich darf damit schließen, dass ich mich für Ihr Interesse an der Region und an der Ar­beit der UNO-Generalversammlung bedanke. Ich hoffe, dass ich Ihnen bei unserer nächsten Begegnung Konkreteres mitteilen darf, was die Verhandlungslösungen im Je­men und in Syrien anbelangt.

Meine kleine Zuversicht gründet sich darauf, dass Kriege bekanntlich aus Erschöpfung enden. Die Menschen sind erschöpft, aber auch die wesentlichen Financiers, die diese Stellvertreterkriege mittragen. Da ist ein kleiner Funke Realismus eingetreten. Es sind Zermürbungskriege auf dem Rücken der Zivilbevölkerung geworden. Die Menschen sind schon längst erschöpft, aber mögen auch die wesentlichen kriegsführenden Par­teien erschöpfen und sich damit eine gewisse Dynamik entwickeln. Ich habe eine leise Zuversicht, dass diese Dynamik für den Jemen erkennbar ist. Wir werden uns weiter bemühen, dass es zu einem Kriegsmaterialienverbot auf der Arabischen Halbinsel kommt.

Am kommenden Montag haben wir den Jemen als Tagesordnungspunkt im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, den ich im Rahmen unserer Tätigkeit als EU-Vorsitzland eingefordert habe. Der Jemen war lange nicht auf unserem Radar, vielleicht zuletzt auch deswegen nicht, weil kein einziger Jemenite nach Europa geflohen ist, denn Je­meniten flüchten nach Somalia. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

10.03

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Frau Ministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Als Erste gelangt Frau Kollegin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.