10.21

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Tatsächlich ist es so, dass es wichtig ist, dass sich der Bundesrat mit außenpolitischen Themen auseinandersetzt und wir heu­te hier darüber sprechen, wie die Situation in Syrien und im Jemen ist, aber auch darü­ber, welche Rolle in dieser Hinsicht Österreich gerade unter der EU-Ratspräsident­schaft einnimmt.

Tatsache ist aber, ich orte schon, dass es seitens der österreichischen Bundesregie­rung eine organisierte Verantwortungslosigkeit gibt, auch wenn die Ministerin uns ver­sichert, dass sie eine gute Rede gehalten hat – sie diese auch noch auf Arabisch be­gonnen hat – und die Stellung Österreichs unter den UNO-Mitgliedstaaten eine sehr hohe ist. Wenn dann auch noch die griechische Mythologie in Bezug auf Syrien be­müht wird, ist alles schön und gut, Tatsache aber ist – auch wenn Sie sich wieder empören –: Das hängt natürlich alles auch mit dem UN-Migrationspakt zusammen. Die internationale Empörung kommt nicht von ungefähr, denn da hat sich Österreich aus der politischen Verantwortung rausgenommen. Das ist einmal Fakt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wenn wir uns die Zahlen zur Situation in Syrien anschauen: Wir wissen, der Konflikt ist enorm und komplex, er ist nicht nur lokal, sondern auch inter- und transnational. Die­sen zu lösen, wird nicht einfach sein. Wir wissen auch, auf der einen Seite müssen wir mit dem Assad-Regime verhandeln, auf der anderen Seite gibt es keine Zukunft mit diesem Regime dort vor Ort. Für den Jemen gilt etwas Ähnliches, auch dort ist der Konflikt nicht nur enorm komplex – es gibt sehr viele Konfliktparteien, die daran be­teiligt sind –, sondern es handelt sich auch um eine der größten humanitären Katastro­phen – das haben wir schon gehört und darüber sind wir uns einig –, mit der wir aktuell konfrontiert sind.

Sie, Frau Ministerin, haben auch gesagt, bei Syrien waren es 16 Millionen Euro und beim Jemen ist es nun 1 Million. Es ist natürlich gut und wichtig, dass es diese Hilfs­leistungen gibt, aber wenn man das umrechnet, bedeutet das im Fall des Jemen bei­spielsweise nur 7 Cent pro hungernder Person. Wir wissen aber, dass dort mittlerweile alle 10 Minuten ein Kind unter fünf Jahren stirbt. Das heißt, diese Relation kann so auch nicht stimmen.

Deswegen sind es nicht nur die Hilfsleistungen, die man sich verstärkt anschauen muss, sondern unsere Forderung muss sein – diese deckt sich auch mit dem, was bis­her gesagt worden ist –, ein totales Waffenembargo einzufordern, und zwar wirklich ein totales. Es sollen beispielsweise nicht nur Kriegsmaterialien nicht mehr geliefert wer­den – wie es beispielsweise seit 2016 bei Saudi-Arabien der Fall ist –, sondern es sol­len alle Waffen und alle Materialen, die womöglich nicht unter das Kriegsmaterialge­setz fallen, mit einem Embargo belegt werden. Da könnte man schon noch genauer hinschauen, weil wir wissen, dass nach wie vor genau diese Waffen aus Europa in die­sen kriegerischen Konflikten zum Einsatz kommen. Das heißt, auch dieser Verantwor­tung kommen wir als Europa, als Österreich noch nicht gänzlich nach.

Zurück zum UN-Migrationspakt, weil dieser heute ein paar Mal zitiert worden ist (Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth) und dann doch so getan wird, als hätte das alles nichts miteinander zu tun. Ich habe letztens mit einem FPÖ-EU-Abgeordneten disku­tiert, der meinte, wir müssen ja die Symptome bekämpfen. Es ging um das Mittelmeer, es ging um die knapp 2 000 Personen, die heuer, 2018, im Mittelmeer ertrunken sind, und er meinte, wir müssen eben das bekämpfen, dass diese Personen dort noch mehr von Schleppern, von NGOs gerettet werden, weil das natürlich Tür und Tor für weitere Fluchtbewegungen öffnet.

Anstatt sich anzuschauen – da wird sichtbar, wie Ihre Politik ausgelegt wird –, was die Ursachen sind, die die Menschen ins Mittelmeer treiben, anstatt sich anzuschauen, was die Ursachen sind, die zu diesen kriegerischen Konflikten führen und anstatt sich anzuschauen, mit welchen Waffen diese kriegerischen Konflikte unter unserer Mithilfe geführt werden, sagen Sie als österreichische Bundesregierung immer: Wir wollen mit dem insofern nichts zu tun haben, als wir vor Ort nichts ausrichten können, also müs­sen wir einfach nur die Flüchtlinge an den Außengrenzen abhalten, nach Europa zu kommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat überhaupt keiner gesagt! Das sagt nie­mand!)

Das ist sehr verkürzt, Frau Mühlwerth, das ist allerdings sehr verkürzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist einfach falsch!) Sie wissen, dass die Herausforderungen in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern mehr werden.

Ein Waffenembargo ist das eine, Hilfsleistungen sind das andere, aber das Dritte ist aktuell tatsächlich die Frage, inwiefern sich die österreichische Bundesregierung aus diesen Konsultationen, aus den Gesprächen mit den UN-Mitgliedstaaten herausnimmt, gerade bei dieser wichtigen Frage der Migration, der Fluchtbewegungen und natürlich auch der Frage der kriegerischen Auseinandersetzungen, die im Kontext dieser Flucht­bewegungen stehen.

Ich glaube, solange die österreichische Bundesregierung diese Wechselwirkung nicht zum Thema macht und solange sie immer nur versucht, die Symptome zu bekämp­fen und sie auch noch für ein bisschen politisches Kleingeld populistisch zu nutzen, kommen wir in dieser Causa überhaupt nicht weiter. Nein, ich unterstelle nicht, dass Sie damit womöglich auch noch bewusst Politik machen. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Mühlwerth.)

Tatsache aber ist, wenn Sie sich der Ursachen nicht annehmen, sondern immer nur über die Symptome reden und sich gleichzeitig aber aus wichtigen internationalen Ver­handlungen rausnehmen, die diese Ursachen zum Thema machen und diese bekämp­fen wollen, dann ist es ein bisschen scheinheilig (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!), dann ist das ein bisschen verkürzt und dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, dass es von der Opposition auch diese Kritik gibt (Bundesrat Krusche: Welche Opposition?), dass es nur halbherzig angegangen wird. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sosehr ich mich wie gesagt freue, dass Sie die griechische Mythologie bemühen oder Brecht zitieren oder die UN-Vollversammlung auf Arabisch begrüßen (Zwischenruf des Bundesrates Bader), so wichtig wäre es tatsächlich (Bundesrätin Ecker – auf das rot leuchtende Lämpchen am Rednerpult deutend –: 5 Minuten!), konkrete Maßnahmen zu präsentieren und sich nicht aus diesen internationalen Verhandlungen rauszunehmen.

Ich kann nur wiederholen und vergessen Sie es nicht (Bundesrat Krusche: Und aus!): Die Symptome haben immer eine Ursache, und wenn Sie nur erstere bekämpfen, wer­den Sie zweitere immer dazu nutzen, Politik auf dem Rücken jener Menschen zu ma­chen, die davon betroffen sind. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

In diesem Sinne: Ich freue mich, Frau Ministerin, dass Sie heute im Bundesrat sind. Ich hoffe, Sie kommen öfter. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir auch ein wenig von konkreten Maßnahmen erfahren und nicht nur von Beteuerungen auf der Metaebene. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.28

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal die Frau Bun­desministerin zu Wort gemeldet. Ich darf Sie bitten, die 5 Minuten Redezeit nicht zu überschreiten. – Bitte.