10.50

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Kollege Sperl, ich muss Sie ganz kurz korrigieren. Sie waren ein bisschen zu euphorisch. Dieses Abkommen hat nämlich gar nichts mit mili­tärischer Bedrohung zu tun, das ist eine rein polizeiliche Maßnahme. Dieses Abkom­men umfasst keine Abwehr in militärischer Hinsicht.

Es ist ein luftpolizeiliches Abkommen, so wie wir es im Rahmen der Europäischen Uni­on im Grunde mit allen Nachbarstaaten vereinbart haben: Zum Beispiel kann die slo­wenische Polizei natürlich nach Kärnten einreisen, um einen Tatverdächtigen zu verfol­gen; die österreichische Polizei kann nach Tschechien einreisen, um einen Tatver­dächtigen zu verfolgen. Das gehört alles zum Bereich der polizeilichen Zusammenar­beit. Insofern begleitet Österreich ein verdächtiges Flugzeug in die Schweiz oder die Schweiz nach Österreich und übergibt sozusagen die Beobachtung, die luftpolizeiliche Aufgabe, dem jeweils anderen Staat, aber begleitet sozusagen das verdächtige Objekt über die Grenze hinweg.

Wir werden heute allen vier Vorlagen zustimmen – kommen wir gleich zur zweiten. Wie Sie ja alle wissen, ist Bosnien eine Herzensangelegenheit von mir. Dass wir nun ein ei­genständiges Abkommen auf dem Gebiet der Kultur, Bildung und Wissenschaft haben, das das alte jugoslawische Abkommen ablöst, halte ich für besonders wichtig, vor al­lem, wenn der Versöhnungsgedanke und die Versöhnungskultur darin mitberücksich­tigt werden. Es ist gut, dass Österreich geholfen hat, die im Krieg völlig zerstörte Bib­liothek wieder zu errichten.

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten der intensiven Zusammenarbeit. In der Aus­schusssitzung habe ich auch etwas angeregt, was sich ja Bosnien ganz stark wünscht, nämlich eine Zusammenarbeit mit dem ORF. Bosnien will nicht nur mit der BBC, son­dern auch mit dem ORF vor allem in der Ausbildung und der Frage, wie man in einem Land, in dem der Krieg so viele Menschen getötet und Ethnien entzweit hat, das ent­sprechend aufarbeiten kann, zusammenarbeiten.

Ich glaube, aus österreichischer Sicht wäre es, was die Versöhnungskultur betrifft, viel­leicht noch ganz interessant, ein spezielles Augenmerk auf Mostar zu legen. Mostar ist nämlich sozusagen die Stadt, in der nichts funktioniert – nicht einmal im komplizierten System Bosniens. Es musste auch der Stadtrat aufgelöst und das Budget von föderaler Seite her gemacht werden. Das Einzige, das in Mostar existiert und funktioniert, ist ei­ne Schule, und diese Schule wurde zufälligerweise – oder nicht zufälligerweise – vom Europarat hingestellt, um dieses multiethnische Element zu bewahren.

Kommen wir zur uneingeschränkten Akzeptierung und Annahme der UN-Antifolterkon­vention nach über 30 Jahren. Das ist wirklich ein berührender Augenblick, weil es so­zusagen auch unsere Möglichkeit vergrößert, international zu agieren. Auf europäi­scher Ebene haben wir das CPT, das Komitee zur Verhütung von Folter und un­menschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Das CPT-Komitee hat Ös­terreich zuletzt 2014 und davor 2009 kontrolliert. Da geht es nicht nur um polizeilichen Gewahrsam oder um Gefängnisse, sondern unter diese Kontrolle fallen zum Beispiel auch psychiatrische Anstalten oder Pflegeheime.

Vor zwei Jahren ist das österreichische Mitglied im CPT wiedergewählt worden. Diese CPT-Berichte gehen an die Regierung, und die Regierung kann dazu Stellung nehmen. Sie sollten dann – was Österreich auch tut – tunlichst veröffentlicht werden. Wir gehö­ren also nun zu den 146 Staaten, die die UN-Antifolterkonvention vollinhaltlich ratifiziert haben.

Frau Bundesministerin, Sie haben vorhin in Ihrer Replik über das Entminen gespro­chen. Das kann man auch bei Bosnien oder dem Kosovo anwenden. Sie haben aber recht, das betrifft jeden Konflikt. Ich komme gerade aus dem Krisengebiet der Ost­ukraine, wo ich mir die Entminungskommandos angesehen habe. Ich war ein bisschen nachdenklich und traurig, dass Österreich nicht unter jenen vielen ist, die das unter­stützen. Da ist die Schweiz, da ist Deutschland, da ist das ferne Korea, da ist das Ver­einigte Königreich, da ist Japan. Sehr bemerkenswert ist, dass es zu zwei Dritteln Frauen sind, die das machen – die Verfassung der Ukraine musste geändert werden, damit Frauen entminen dürfen –, und zu einem Drittel Männer. Ich denke, Österreich sollte da auch einen Beitrag leisten, denn es ist ja nicht sehr weit von Österreich ent­fernt.

Was Bosnien betrifft – und auch im Kosovo ist es so –, war das Problem immer das, dass die österreichischen Soldaten sagen, sie wären zwar super ausgerüstet zum Ent­minen, aber sie haben keinen Auftrag, sie dürfen nicht. Sie haben super Entminungs­roboter zum Beispiel in Prizren, aber sie dürfen sie nicht einsetzen.

Was die Ostukraine betrifft, möchte ich nur daran erinnern, dass zwei OSZE-Beob­achter an so einer Falle gestorben sind, denn Minen töten, wenn die Waffen schwei­gen – das haben wir gerade am Westbalkan gesehen, das passiert aber auch in allen anderen Konfliktgebieten. Deshalb ist es so wichtig, sich – wo auch immer – an Entmi­nungsprogrammen zu beteiligen, denn diese Minen treffen in erster Linie spielende Kinder oder jene, die der Landwirtschaft nachgehen. Das ist etwas, das ich nur unters­treichen kann. Ich freue mich daher, dass die Außenministerin das Wort Entminen ex­tra betont hat.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, Frau Bundesministerin: Sie haben in Ihrem Ministerratsvortrag etwas, glaube ich, ein bisschen zu positiv gesehen, denn Sie haben gesagt, Ägypten bemühe sich als Gastland, die Flüchtlinge bestmöglich zu integrieren und zu unterstützen, die Kinder aus Syrien und dem Sudan nehmen am Unterricht in den öffentlichen Schulen teil. – Ich wage zu behaupten: Das kann so nicht ganz stim­men.

Angesichts der Bevölkerungsentwicklung braucht Ägypten selbst schon 44 000 neue Schulklassen pro Jahr, sie haben aber nicht einmal den Grundstock an Schulklassen. Dass noch zusätzlich jedes Jahr 44 000 Schulklassen eingerichtet werden und noch dazu die Flüchtlinge aus dem Jemen und aus Syrien betreut werden, glaube ich schlichtweg nicht, weil nicht einmal die Kinder von Ägyptern beziehungsweise die, die in Ägypten aufwachsen, diese Möglichkeit haben. 44 000 Schulklassen pro Jahr: Man stelle sich das nur in Österreich vor – das ist unmöglich! Insofern glaube ich, das war etwas zu positiv dargestellt.

In diesem Sinne: Wir werden allen vier Vorlagen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

10.59

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke. – Als Nächster ist Herr Bundesrat David Stögmüller zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.